Katha Upanishad: Unterschied zwischen den Versionen

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Oṃ, es soll uns beide fördern, soll mit uns beiden genießen. Wir beide wollen zusammen Kraftvolles tun, strahlend soll uns beiden das Gelernte sein, wir beide wollen keine Feindschaft hegen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.
Oṃ, es soll uns beide fördern, soll mit uns beiden genießen. Wir beide wollen zusammen Kraftvolles tun, strahlend soll uns beiden das Gelernte sein, wir beide wollen keine Feindschaft hegen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.
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==Vollständige Übersetzung Kathaka Upanishad von Paul Deussen ==
==Vollständige Übersetzung Kathaka Upanishad von Paul Deussen ==

Version vom 12. April 2022, 13:24 Uhr

Katha Upanishad, eigentlich Kathopanishad (Sanskrit: कठोपनिषद् kaṭhopaniṣad f.) auch Kathaka Upanishad, ist der Name einer berühmten Upanishad, welche die Belehrungen des Totengottes Yama an Nachiketas, den Sohn des Weisen Vajasravasa, enthält, weshalb sie auch mit "Der Tod als Lehrer" überschrieben ist. Sie ist eine der Haupt-Upanishaden, die von Shankara und Madhva kommentiert wurde. Sie steht mit dem schwarzen Yajurveda in Zusammenhang und wird als dritte der 108 Upanishaden im Muktika-Kanon gezählt. Formal ist sie in zwei Kapitel (Adhyayas) mit jeweils drei Abschnitten (Vallis) gegliedert. Sie ist die älteste Upanishad in Versform und weist eine anspruchsvolle Sprache auf.

Pieter Claesz: Vanitas, Öl auf Leinwand, 1630
Totengott Yama

Zur Aussprache

Nach den Lautregeln des Sandhi werden die beiden Worte Katha und Upanishad im Sanskrit zu Kathopanishad verbunden, da ein auslautendes a mit einem anlautenden u stets ein o ergibt. Ebenso wird Kathaka und Upanishad zu Kathakopanishad. Weitere Beispiele: Prashnopanishad aus Prashna + Upanishad; Pashchimottanasana aus Pashchima + Uttana + Asana; Purushottama aus Purusha + Uttama; Vrikodara aus Vrika + Udara.

Katha Upanishad vollständige Übersetzung

Übersetzung Katha Upanishad von Swami Sivananda / Hans V. / Yoga Vidya

Hier die vollständige Übersetzung der Katha Upanishad von Hans V. nach der englischen Übersetzung von Swami Sivananda:

Shanti Mantra

Om! Möge Es uns beide (Lehrer und Schüler) beschützen. Möge Er uns beiden die Glückseligkeit von mukti schenken. Mögen wir uns beide bemühen, die wahre Bedeutung der Schriften herauszufinden. Mögen unsere Studien fruchtbar sein. Mögen wir niemals untereinander streiten. O Frieden! Frieden! Frieden!

Erstes Kapitel: Prathama Adhyaya

Prathamo 'dhyāyaḥ, Prathamā Vallī - Erstes Kapitel erster Handlungsstrang Katha Upanishad

1.1. Zu einer Zeit gab (in einem Opferritual) der Sohn von (Gautama), in seinem Wunsch, den Himmel zu erreichen, alles weg, was er besaß. Er hatte einen Sohn namens Naciketas.

1.2. Als die Geschenke verteilt werden sollten, ergriff liebevolle Besorgnis (um das Wohlergehen des Vaters) das Herz des Naciketas, der noch ein Knabe war, und er dachte:

1.3. Freudlos, wahrhaftig, sind jene Welten, die ein Mensch gewinnt, der Kühe weggibt (als Geschenke in einem Opferritual), die ihr letztes Wasser getrunken, ihr letztes Gras gefressen, ihre letzte Milch gegeben haben und unfruchtbar sind.

1.4. Naciketas fragte seinen Vater: „O Vater, wem wirst du micht geben?“ Er wiederholte es und dann, beim dritten Mal, antwortete der (verärgerte) Vater: „Dem Tod gebe ich dich!“

1.5. Naciketas dachte: „Unter vielen gelte ich als der erste; unter vielen gelte ich als mittelgut. Was wird die Arbeit von Yama sein, die er mir heute aufgibt?“

1.6. Naciketas sagte: „Erinnere dich daran, wie unsere Vorfahren handelten; und sieh, wie andere jetzt handeln. Wie Getreide vergeht der Sterbliche, und wie Getreide wird er wiedergeboren“ (Naciketas betrat den Wohnsitz des Yama Vaivasvata. Da war niemand, der ihn empfing; Yama war ausgegangen.)

1.7. Ein Gast, der ein Brahmane ist, betritt das Haus wie ein Feuer. Die Menschen bringen ihm dieses Friedensopfer (um das Feuer zu löschen oder zu beruhigen). Bring Wasser, o Vaivasvata (o Sohn des Vivasvat, der Sonne).

1.8. Hoffnung, Erwartungen, Gemeinschaft mit guten Menschen, freundliche Gespräche, Opferhandlungen, fromme Gaben, Söhne und Vieh – all dies wird zerstört für den unwissenden Menschen, in dessen Haus ein Brahmanen-Gast verweilt, ohne Nahrung zu erhalten.

1.9. YAMA: O Brahmane, da du, ein verehrungswürdiger Gast, drei Nächte in meinem Haus verbracht hat, ohne zu essen: Nenne mir dafür drei Wünsche, die ich dir erfüllen werde. O Brahmane, ich verneige mich vor dir. Möge dir Gutes widerfahren!

1.10. NACIKETAS: O Tod, der erste Wunsch, den ich habe, ist, dass Gautama, mein Vater, besänftigt und freundlich mir gegenüber ist, frei von Ärger, und dass er mich erkennt und mich grüßt, wenn ich von dir zurückgesandt werde.“

1.11. YAMA: Nach meinem Willen wird Auddlaki, der Sohn von Aruṇi, dich erkennen wie früher. Er wird in der Nacht friedlich schlafen und wenn er dich vom Rachen des Todes befreit sieht, wird sein Ärger schwinden.“

1.12. NACIKETAS: Im Himmel gibt es keine Furcht; dort bist du nicht, o Tod, und niemand hat Angst vorm Altwerden. Man hat Hunger und Durst besiegt und freut sich daher im Himmel; man ist jenseits von Kummer und Leid.

1.13. O Tod, du kennst das Feueropfer, das uns zum Himmel führt; erkläre es mir, denn ich bin voll Glauben. Die in der Welt leben erreichen Unsterblichkeit – dies ist mein zweiter Wunsch.

1.14. YAMA: „Ich werde es dir genau erklären; lerne es von mir, o Naciketas. Ich kenne das Feuer, das zum Himmel führt, durch das man unendliche Welten erlangt, welches wiederum die Stütze des Universums ist und welches im Herzen wohnt.

1.15. Yama erklärte ihm dann jenes Feueropfer, die Quelle der Welten – welche Ziegelsteine für den Altar notwendig sind, wie viele und wie sie angeordnet sein sollen, und Naciketas wiederholte alles, wie es erklärt wurde. Dann sprach Yama, der sehr zufrieden mit ihm war, erneut zu ihm.

1.16. Sehr erfreut und zufrieden, sprach der großmütige Tod zu ihm: „Ich gebe dir hier noch einen anderen Segen: Dieses Feueropfer soll nach dir benannt werden. Und nimm auch diese vielfarbige Kette.

1.17. Wer immer dieses Opfer des Feuer drei Mal ausführt und wer zugleich mit den dreien (Vater, Mutter und Lehrer) vereint ist und wer außerdem seine drei Pflichten (Studium, Opferrituale, Spenden) erfüllt hat, der überwindet Geburt und Tod. Wenn er dieses anbetungswürdige, gleißende und allwissende Feuer verstanden hat, das aus brahman geboren ist, und wenn er Ihn realisiert hat, dann erreicht er ewigen Frieden.

1.18. Wer die drei Nāciketa-Feuer kennt und das Nāciketa-Feuer mit diesem Wissen verehrt, wirft die Fesseln des Todes ab, überwindet allen Kummer und hat ein Leben der Freude im Himmel.

1.19. „Dies, o Naciketas, ist dein Feuer, das zum himmlischen Reich führt und das du als zweiten Wunsch gewählt hast. Die Menschen werden es als dein Feuer bezeichnen. Nenne nun, o Naciketas, deinen dritten Wunsch.“

1.20. NACIKETAS: „Da ist dieser Zweifel, wenn ein Mensch stirbt – einige sagen, dass er dann noch existiert, andere sagen, dass er dann nicht mehr existiert – das würde ich gerne wissen, so wie es von dir gelehrt wird. Das ist mein dritter Wunsch.“

1.21. YAMA: „Über diesen Punkt hatten sogar die Götter der alten Zeit große Zweifel. Wahrlich, es ist nicht leicht, diese Sache zu verstehen – sehr subtil ist ihre Natur. O Naciketas, wähle einen anderen Wunsch. Dränge mich nicht. Bitte gib, mir zuliebe, diesen Wunsch auf.“

1.22. NACIKETAS: „Du sagst, dass in diesem Punkt selbst die Götter Zweifel haben und dass dies nicht leicht zu verstehen ist. Einen zweiten Lehrer wie dich findet man nicht. Ganz sicher habe ich keinen anderen Wunsch als diesen.“

1.23. YAMA: „Wünsche dir Söhne und Enkel, die hundert Jahre leben. Wünsche dir Rinderherden, Elefanten, Gold und Pferde. Wünsche dir das ganze Erdreich und lebe so viele Jahre, wie du möchtest.“

1.24. „Wenn du dir irgendeinen Wunsch vorstellen kannst, der diesem gleichkommt, wähle dir Reichtum und ein langes Leben! Sei ein König der weiten Erde, o Naciketas! Ich werde dir all deine Wünsche erfüllen!“

1.25. „Welche Wünsche auch immer in der Welt der Sterblichen schwer zu erfüllen sind, bitte um die nach deinem Belieben. Diese schönen Mädchen, mit ihren Festwagen und ihren Musikinstrumenten – solche gibt es wahrlich nicht unter der Sterblichen – lass dich von ihnen unterhalten; ich werde sie dir schenken. Aber, o Naciketas, frage mich nicht danach, was mit dem Dasein der Seele nach dem Tod geschieht!“

1.26. NACIKETAS: „Diese Dinge dauern nur bis zum nächsten Morgen an (sie sind kurzlebig). O Tod (Yama), sie laugen die Kraft der Sinne aus. Sogar das längste Leben ist doch nur kurz. Behalte deine Vergnügungswagen, den Tanz und die Musik!“

1.27. „Kein Mensch kann durch Reichtum glücklich werden und siehe, wir werden bloß so lange leben, wie es dir (Yama) gefällt. Nur der Wunsch, den ich gewählt habe, ist es wert, von mir herbeigesehnt zu werden.“

1.28. „Welcher Sterbliche, der in der Welt da unten lebt und der Wissen besitzt, könnte sich noch über ein langes Leben freuen, nachdem er sich der Gesellschaft der Unsterblichen genähert hat und nachdem er über die Natur der Vergnügungen durch Gesang und Spiele (Schönheit und Liebe) nachgedacht hat?“

1.29. „O Yama, sprich über das, worin die Menschen im Zweifel sind: die großartige Existenz nach diesem Leben. Naciketas wünscht sich nichts anderes als das Wissen (über die Seele), das sonst verborgen ist.“ HIER ENDET DER ERSTE HANDLUNGSSTRANG (VALLĪ)


Prathamo 'dhyāyo, Dvitīyā Vallī - Erstes Kapitel, zweite Valli Katha Upanishad


2.1. YAMA: „Das eine ist das Gute und das andere das Angenehme. Diese zwei, die unterschiedliche Zwecke haben, binden den Menschen. Gesegnet ist, wer das Gute wählt. Wer das Angenehme wählt, verliert das wahre Ziel (aus den Augen).“

2.2. „Das Gute und das Angenehme – beides hält den Menschen fest. Der Weise untersucht und unterscheidet beides. Der Weise zieht das Gute (śreya) dem Angenehmen vor; der Unwissende jedoch wählt das Angenehme (preya), zur Befriedigung seines Körpers.“

2.3. „O Naciketas, du hast auf die Objekte der Wünsche (z.B. Söhne und Enkel) und auf verführerische schöne Gestalten (himmlische Jungfrauen) verzichtet, indem du sie nach ihrem wahren Wert beurteilt hast. Du hast nicht den Weg des Reichtums gewählt, auf dem die Menschen zugrunde gehen.“

2.4. Diese beiden – Unwissenheit und Wissen – liegen weit auseinander und führen zu verschiedenen Orten bzw. Zielen. Ich sehe Naciketas als jemanden, der Wissen anstrebt, denn sogar viele Wunschobjekte konnten ihn nicht ins Wanken bringen.

2.5. Die Unwissenden, die inmitten der Dunkelheit leben, sich aber einbilden, weise und gelehrt zu sein, bewegen sich immer wieder im Kreis, fehlgeleitet in vielfach verdrehter Weise, wie Blinde, die von Blinden geführt werden.

2.6. Der Weg zum Jenseits wird nicht von den unwissenden, törichten Menschen, der von Reichtum geblendet ist, wahrgenommen. „Dies ist die Welt“, denkt er, „es gibt keine andere“, und so fällt er wieder und wieder unter meine Herrschaft.

2.7. Er (das Selbst), über den viele noch nicht einmal fähig sind, etwas zu hören, und den viele, selbst wenn sie von ihm hören, nicht verstehen – wundervoll ist es, wenn ein Mensch das Selbst lehren kann; wundervoll ist auch der, der das Selbst versteht, gelehrt von einem fähigen Lehrer.

2.8. Das Selbst (brahman) ist kaum begreifbar, wenn es von einem Menschen mit unentwickeltem manas (hier: jemand, der brahman nicht wirklich erkannt hat) gelehrt wird, weil brahman auf unterschiedliche Weisen verstanden werden kann. Lehrt jedoch ein Meister der eins mit brahman ist, fällt alle Zweifel über brahmandas feiner ist als das Feinste und das nicht durch Argumentieren erreicht werden kann.

2.9. Dieses Wissen kann nicht durch Argumente erreicht werden, aber es ist leicht zu verstehen, o liebster Naciketas, wenn es von einem Lehrer gelehrt wird, der keine Unterschiede sieht. Du hast es jetzt bekommen, du bist in der Wahrheit gefestigt. Möge es immer einen Suchenden wie dich geben, o Naciketas![DIE HRSG.: O geliebter Naciketas, diese Weisheit ist nicht durch Vernunft zu erlangen; nur wenn es dir von einem anderen gesagt wird, bringt es echtes Wissen, die Weisheit, die du bekommen hast. Wahrlich, du bist fest in der Wahrheit! Einen solchen Fragesteller, wie du es bist, möge es immer geben.

2.10. Ich weiß, dass der Schatz vergänglich ist, denn das Ewige wird nicht erreicht durch Dinge, die nicht ewig sind. Deswegen ist das Nāciketa-Feuer von mir mit den vergänglichen Dingen gnädig gestimmt worden und ich habe das Ewige erreicht.

2.11. Das Ziel aller Wünsche, die Stütze der ganzen Welt, die unzähligen Belohnungen der Opferrituale, das andere Ufer jeglicher Furcht, das Preiswürdige, das Großartige, den weiten Weltenkreis und den Sitz der Seele – all das hast du gesehen und, da du weise bist, o Naciketas, hast du all das mit festem Entschluss zurückgewiesen.

2.12. Der Weise, der durch Meditation über das Selbst den „Uralten“ Atman erkennt, welcher nur sehr schwer zu sehen ist, der unergründlich und verborgen ist, der in der Höhle des Herzens, in der Tiefe der Unendlichkeit wohnt, der im Innern der Intelligenz ruht, dieser Weise lässt Freude und Kummer hinter sich.

2.13. Nachdem der Sterbliche von diesem (dem Selbst) gehört hat und Es sauber von dem tugendhaften ātman getrennt hat – wodurch er dieses subtile Selbst gewinnt – jubiliert er, denn er hat das gewonnen, was die Grund aller Freude ist. Ich glaube, dass der Wohnsitz des brahman für Naciketās weit offen steht.

2.14. NACIKETAS: Sprich zu mir über das, was du als verschieden von Tugend und Laster, verschieden von Ursache und Wirkung, von Vergangenheit und Zukunft siehst.

2.15. YAMA: „Das Ziel (Wort) das alle Veden preisen, von dem alle spirituellen Übungen zeugen, wonach die Suchenden streben, indem sie das Leben eines brahmacārī leben, dieses Ziel (Wort) will ich dir sagen: Es ist om.“

2.16. Dieses Wort ist wahrlich brahman; dieses Wort ist wirklich das höchste. Wer dieses Wort kennt, erhält in der Tat alles, was er sich wünscht.

2.17. Dies ist die beste Stütze. Dies ist die höchste Stütze. Wer diese Stütze kennt, wird in der Welt des brahman verehrt.

2.18. Der intelligente Atman wird nicht geboren und stirbt auch nicht. Er trat nicht aus irgendetwas hervor und nichts trat aus Ihm hervor. Ungeboren, ewig, immerwährend, uralt, wird er nicht getötet, selbst wenn der Körper getötet wird.

2.19. Wenn der Erschlagende denkt: „Ich erschlage“, und wenn der Erschlagene denkt: „Ich werde erschlagen“, so haben beide unrecht. Dieser ātman erschlägt nicht, noch wird Er erschlagen.

2.20. Der , feiner als das Feinste, größer als das Größte, wohnt im Herzen eines jeden Lebewesens. Wer frei ist von Wünschen, mit Geist und Sinne in sich ruhend, erblickt die Herrlichkeit des Selbst und wird frei von Kummer und Leiden.

2.21. Wenn Er sitzt, geht Er weit; wenn Er liegt, geht er überall hin. Daher: Wer sonst, außer mir, kann den Gott begreifen, der sich freut und sich nicht freut?

2.22. Der Weise, der den als körperlos erkannt hat, als das Feste in vergänglichen Körpern, groß und alldurchdringend, der hat niemals Kummer.

2.23. Dieser Atman kann nicht durch Studium der Veden erreicht werden, auch nicht durch Intelligenz oder dadurch, dass man viel darüber hört. Derjenige, den das Selbst auswählt – durch den kann das Selbst erreicht werden. Dem offenbart der (bzw. Gott) seine wahre Natur.

2.24. Aber wer sich nicht von schlechtem Verhalten abgewandt hat, wessen Sinne nicht gebändigt sind, wessen Geist nicht konzentriert ist und wessen manas nicht beruhigt ist, der kann diesen niemals durch Wissen erreichen.

2.25. Für welchen (Atman) die brāhmaṇas (Brahmanen) und die kṣatriyas (Krieger) quasi nur Nahrung sind und der Tod das Gewürz dazu – wie kann man wissen, wo dieser Atman ist?


Prathamo 'dhyāyaḥ, Tṛtīyā Vallī - Katha Upanishad Erstes Kapitel, dritter Handlungsstrang

3.1. Die zwei, welche die Früchte ihrer guten Taten genießen, die beide in der Höhle des Wohnsitzes des Höchsten weilen – die Kenner des brahman nennen sie Schatten und Licht, wie auch die Opfernden des fünffachen Feuers und diejenigen, die dreimal das Nāciketa-Feuer verehrt haben.

3.2. Wir sind fähig, beides zu verstehen: das Nāciketa-Feuer, das die Brücke aller Opferhandlungen ist (um über Elend hinauszugelangen) und auch das höchste, unzerstörbare brahman, das furchtlos ist und die Zuflucht derer, die den Ozean des Samsara zu überqueren wollen.

3.3. Erkenne den Atman als den Herrn des Streitwagens, den Körper als den Wagen; erkenne den Intellekt als den Wagenlenker und den manas als die Zügel.

3.4. Sie sagen: Die Sinne sind die Pferde und ihre Objekte sind die Straßen; der Atman, die Sinne und der manas gemeinsam – das nennen die Weisen den Genießenden (den, der in der Welt Erfahrungen macht).

3.5. Wer keine Unterscheidungskraft hat und wessen manas immer ungezügelt ist, dessen Sinne sind nicht kontrollierbar – wie die widerspenstigen Pferde des Wagenlenkers.

3.6. Wer aber wahres Verständnis hat und wessen Geist immer unter Kontrolle ist, dessen Sinne sind auch unter Kontrolle wie die Pferde eines guten Lenkers.

3.7. Wer aber keine Unterscheidungskraft hat und wessen manas nicht unter Kontrolle ist und wer außerdem immer unrein ist, der erreicht nicht das Ziel, sondern tritt ein in den Kreislauf von Geburt und Tod.

3.8. Wer aber Begriffsvermögen hat, wessen manas immer unter Kontrolle ist und wer rein ist, erreicht das Ziel, von dem aus er nicht wiedergeboren wird.

3.9. Wer unterscheidende Intelligenz als Lenker hat und einen wohlkontrollierten manas als Zügel, der erreicht das Ziel der Reise, den höchsten Sitz von Viu.

3.10. Jenseits der Sinne sind die Rudimente der Objekte, jenseits dieser Rudimente ist der manas, jenseits des manas ist der Intellekt, jenseits des Intellekt ist das große Selbst.

3.11. Jenseit des Großen (mahat) ist das Unmanifeste (avyakta). Jenseits des avyakta ist der Purusha puruṣa. Jenseits des puruṣa ist nichts, das ist das Ende, das ist das höchste Ziel.

3.12. Dieser Atman ist verborgen in allen Wesen und ist nicht äußerlich sichtbar (leuchtet nicht), kann aber von denen, die einen scharfen und subtilen Intellekt haben, gesehen werden.

3.13. Der Weise sollte seine Sprache in den manas versinken lassen, den manas in den Intellekt, den Intellekt in den großen ātman und den großen ātman in den friedvollen ātman .

3.14. Erhebt euch, wacht auf! Wenn ihr die Großen (bzw. Weisen) gefunden habt, lernt (verwirklicht den )! Wie die scharfe Schneide eines Rasiermessers ist dieser Weg, schwierig zu durchqueren und schwer zu begehen – so sagen die Weisen.

3.15. Wer erkennt, was ohne Klang, ohne Berührung, ohne Form, ohne Verfall, ohne Geschmack, ohne Geruch, ohne Anfang, ohne Ende, ewig, jenseits des mahat (Großen) und unveränderlich ist, wird aus den Klauen des Todes befreit.

3.16. Ein weiser Mensch, der die uralte Geschichte Naciketas’ von Yama (Name des Todesgottes) hört und weitergibt, erlangt Ruhm im Reich brahmans.

17. Wer dieses höchste Geheimnis mit Hingabe vor einer Versammlung von Brahmanen oder während des śrāddha (Totenritual für die Ahnen) rezitiert, erlangt Unsterblichkeit.

HIER ENDET DER DRITTE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ERSTEN KAPITELS.

Zweites Kaptiel - Dvitiya Adhyaya Katha Upanishad

Dvitīyo 'dhyāyaḥ, Prathamā Vallī

(Zweites Kapitel, erster Handlungsstrang der Kathopanishad)

2.1.1. Yama: Der Selbstexistierende (brahman) schuf die Sinne mit der Tendenz, nach außen zu gehen. Deswegen sieht der Mensch das äußere Universum und nicht das innere Selbst (tman). Aber einige weise Menschen, welche die Augen von den Sinnesobjekten abgewandt haben und die sich nach Unsterblichkeit sehnen, sehen den Atman im Innern.

2.1.2. Die Unwissenden laufen äußeren Wunschobjekten hinterher und geraten in die Fallen des allgegenwärtigen Todes, aber die Weisen, die die Natur der Unsterblichkeit kennen, begehren nicht die flüchtigen (unstetigen) Dinge hier.

2.1.3. Dem Selbst, durch welches man Form, Geschmack, Klang, Berührung und sexuelles Vergnügen erfährt, bleibt nichts unbekannt. Dies ist wahrlich DAS!

2.1.4. Wenn der Weise erkennt, dass das, durch das er alle Objekte im Traum oder im Wachen wahrnimmt, der große allgegenwärtige Atman ist, dann hat er keinen Kummer mehr.

2.1.5. Wer den Honigesser, die (höchste) Seele, der immer nahe ist, den Gott der Vergangenheit und der Zukunft kennt, fürchtet sich fortan nicht mehr. Dies ist wahrlich DAS!

2.1.6. Wer Ihn wahrnimmt, der in den fünf Elementen wohnt, Ihn, der aus tapas (aus brahman) geboren wurde, der vor den Wassern geschaffen wurde, der die Höhle im Innern des Herzen betreten hat und darin wohnt – (der nimmt wahrlich brahman wahr). Dies ist wahrlich DAS!

2.1.7. Der zusammen mit prāṇa, in Form aller devatās, geboren wurde und der, in das Herz eingetreten, in diesem wohnt und der zusammen mit den Elementen geboren wurde (wer Diesen kennt, der kennt wirklich brahman). Dies ist wahrlich DAS!

2.1.8. Wie der Fötus wohlbehütet ist in der Schwangeren, so ist das Feuer verborgen in den zwei Reibehölzern; es wird täglich verehrt durch Menschen, die wach sind und die Opfergaben darbringen. Dies ist wahrlich DAS!

2.1.9. Und das, aus dem die Sonne aufgeht und in das sie untergeht – von dem hängen alle devatas ab, und niemand geht darüber hinaus. Dies ist wahrlich DAS!

2.1.10. Was hier ist (sichtbar in der Welt), genau das ist dort (unsichtbar in brahman); und was dort ist, genau das ist hier. Wer hier einen Unterschied sieht (zwischen brahman und der Welt), der geht von Tod zu Tod.

2.1.11. Nur durch den manas allein kann Dieses (brahman) erreicht werden; dann gibt es hier nirgendwo irgendeinen Unterschied. Wer aber hier einen Unterschied sieht, geht von Tod zu Tod.

2.1.12. Die Person (purusha) von der Größe eines Daumens wohnt in der Mitte des Körpers, als Gott der Vergangenheit und der Zukunft. Daher fürchtet man sich von da an nicht mehr (nachdem man Ihn erkannt hat). Dies ist wahrlich DAS!

2.1.13. Jene Person, von der Größe eines Daumens, ist wie eine Flamme ohne Rauch, Herr der Vergangenheit und der Zukunft. Wahrlich: Er allein ist heute und ist auch morgen. Dies ist wahrhaftig DAS!

2.1.14. Wie Wasser, wenn es auf einen Berg herniederregnet, auf allen Seiten herunterläuft, so läuft einer, der die Dinge als verschieden sieht, hinter ihnen her in alle Richtungen.

2.1.15. So wie reines Wasser, das in reines Wasser gegossen wird, nicht mehr von diesem zu unterscheiden ist, so ist es mit dem Atman dessen, der dies weiß, o Gautama.

HIER ENDET DER ERSTE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ZWEITEN KAPITELS.


Dvitīyo 'dhyāyaḥ, Dvitīyā Vallī - Katha Upanishad Zweites Kapitel, zweiter Handlungsstrang

2.2.1. Die Stadt des Ungeborenen (brahman), dessen Wissen ewig ist, hat elf Tore. Wer Ihn anbetet, sorgt sich nicht; er wird befreit (von allen Fesseln der Unwissenheit) und bleibt für immer frei. Dies ist wahrlich DAS!

2.2.2. Als haṃsa (Sonne) weilt er im Himmel, als vasu (Luft) weilt er in der Atmosphäre, als Feuer weilt er auf der Erde, als Gast weilt er im Haus. Er weilt in Menschen, in Göttern, in der Wahrheit, im Äther. Er ist geboren in den Wassern, er ist geboren in der Erde, er ist geboren im Opfer, er ist geboren in den Bergen; er ist wahr und groß.

2.2.3. Er (brahman) schickt prāṇa aufwärts und apāna abwärts; jener Anbetungswürdige wohnt im Herzen; alle devas (hier: Sinne) verehren Ihn.

2.2.4. Wenn der , der im Körper weilt, diesen verlässt – was bleibt dann? Dies ist wahrlich DAS!

2.2.5. Nicht durch prāṇa nicht durch apāna lebt ein Sterblicher, sondern durch einen anderen, von dem diese beiden abhängen.

2.2.6. Nun denn, o Gautama, jetzt will ich das geheimnisvolle, uralte (ewige) brahman erklären und was nach dem Tod mit dem Selbst geschieht.

2.2.7. Manche jīvas treten in einen Mutterleib ein, um einen Körper zu bekommen. Andere gehen in unbelebte Materie ein, entsprechend ihrem karma und ihrem Wissen.

2.2.8. Dieser purusha, der Wunsch nach Wunsch erzeugt (im Traum) und wach ist, wenn alle schlafen, wird mit Recht „der Reine“ genannt; er wird „brahman“ genannt und sogar „unsterblich“. Auf ihm ruhen alle Welten. Niemand geht darüber hinaus. Dies ist wahrlich DAS!

2.2.9. So, wie das eine Feuer, nachdem es in die Welt eingetreten ist, verschiedene Formen annimmt, je nachdem, was es gerade verbrennt – und dabei doch eins bleibt –, so nimmt der innere Atman aller Lebewesen, obwohl er eins bleibt, doch jeweils eine andere Form an, je nachdem in was er eintritt; und Er bleibt dabei doch außerhalb aller Formen.

2.2.10. So wie die Luft eins bleibt, selbst nachdem sie in diese Welt und in verschiedenen Formen eingedrungen ist; bleibt auch der innere ātman aller Lebewesen eins, wenn er verschiedene Formen bewohnt. Er bleibt inner- und außer- halb aller Formen stets eins. tman

2.2.11. So wie die Sonne, das Auge der gesamten Welt, nicht verunreinigt wird – durch die Fehler des Auges oder durch die äußeren Dinge –, so wird der eine innere ātman nicht verunreinigt durch das Elend der Welt, da Er außerhalb davon bleibt.

2.2.12. Er (Atman) ist eins, der Herrscher, das innere Selbst aller Wesen, der seine eine Form vielfach macht. Jenen Weisen, die Ihn in ihrem Herzen erkennen, fällt ewige Glückseligkeit zu, anderen nicht.

2.2.13. Die Weisen, die das Selbst wahrnehmen als ewig unter den Vergänglichen, als bewusst unter den Bewussten – das Selbst, welches, obwohl eins, die Wünsche von vielen erfüllt, indem Es in ihrem eigenen Selbst wohnt – diesen Weisen gehört der ewige Friede, nicht den anderen.

2.2.14. Sie (die Weisen) erleben diese höchste Glückseligkeit als „Dies ist DAS!“ Wie soll ich Das erkennen? Scheint Es (aus sich selbst heraus) oder scheint Es durch ein anderes Licht?

2.2.15. Die Sonne scheint dort nicht, noch der Mond und die Sterne und auch nicht der Blitz und noch viel weniger das Feuer. Wenn Er scheint, dann scheint alles durch und nach Ihm. Durch Sein Licht leuchtet all dies.

HIER ENDET DER ZWEITE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ZWEITEN KAPITELS.


Dvitīyo 'dhyāyaḥ, Tṛtīyā Vallī - Zweites Kapitel, dritter Handlungsstrang der Katha Upanishad

2.3.1. YAMA: Da ist dieser immerwährende, heilige Feigenbaum (aśvattha), dessen Wurzel nach oben weist und dessen Zweige nach unten gehen. Er ist in der Tat rein. Er ist brahman und der allein wird „unsterblich“ genannt. Von Ihm hängen die Welten ab, und niemand geht darüber hinaus. Dies ist wahrlich DAS!

2.3.2. Dieses ganze Universum, das sich aus brahman entwickelt hat, bewegt sich im prāṇa (dem höchsten brahman). Jenes brahman ist ein großer Schrecken, wie ein erhobener Donnerkeil. Die das wissen, werden unsterblich.

2.3.3. Aus Furcht vor brahman brennt das Feuer, aus Furcht scheint die Sonne, aus Furcht eilen Indra, Vayu und der Tod, als fünfter.

2.3.4. Wenn es jemandem hier (in diesem Leben) gelingt, Ihn (brahman) zu begreifen, vor dem Tod seines Körper, wird er befreit von den Fesseln der Welt; wenn er es nicht schafft, Ihn zu verstehen, dann muss er erneut einen Körper annehmen in den Welten der Schöpfung.

2.3.5. Wie in einem Spiegel, so (kann brahman klar gesehen werden) hier im eigenen Selbst; wie in Träumen, so in der Welt der Ahnen; wie im Wasser, so in der Welt der gandharvas; wie in Licht und Schatten, so in der Welt des brahman.

2.3.6. Der Weise, der verstanden hat, dass die Sinne, getrennt voneinander geschaffen, verschieden sind vom Atman, und auch, wie sie aufsteigen und untergehen, der hat keinen Kummer mehr.

2.3.7. Jenseits der Sinne ist der manas, höher als der manas ist der Intellekt, höher als der Intellekt ist der große Atman, höher als der mahat ist avyaktam (das Unmanifeste).

2.3.8. Jenseits des avyakta ist puruṣa, alldurchdringend und ohne liṅga (spezifische Merkmale). Wer Ihn kennt, ist befreit und erlangt Unsterblichkeit.

2.3.9. Seine Form kann nicht gesehen werden. Niemand sieht Ihn mit dem Auge. Durch Kontrolle des manas mit dem Intellekt und durch stetige Meditation wird Er offenbart. Diejenigen, die Dies (brahman) kennen, werden unsterblich.

2.3.10. Wenn die fünf Organe des Wissens in Ruhe sind, zugleich mit dem manas, und wenn der Intellekt zu arbeiten aufhört (ruhig wird) – das nennen sie den höchsten Zustand.

2.3.11. Die feste Kontrolle der Sinne betrachten sie als Yoga. Dabei wird man sehr achtsam, denn Yoga kann man erlangen und auch verlieren.

2.3.12. Das Selbst kann nicht durch Sprache, durch den manas oder durch das Auge erreicht werden. Wie könnte ES anders verwirklicht werden als durch jene, die sagen: „ES ist“?

2.3.13. Es sollte gewusst werden, dass ES existiert und wie ES in Wahrheit ist. Für beides gilt: Wer weiß, dass ES existiert, dem offenbart sich Seine wahre Natur.

2.3.14. Wenn alle Wünsche aufhören, die im Herzen eines Menschen wohnen dann wird der Sterbliche unsterblich und erreicht brahman schon hier.

2.3.15. Wenn alle Knoten des Herzens durchtrennt sind, hier auf der Erde, dann wird der Sterbliche unsterblich – so lautet die Lehre (des gesamten vednta).

2.3.16. Es gibt hundertundein Nerven (nāḍīs) des Herzens. Eine von ihnen (suṣum-ṇā) durchdringt die Krone des Kopfes. Durch sie aufsteigend (im Moment des Todes), erreicht man Unsterblichkeit. Die anderen Nerven verlaufen auf unterschiedlichen Wegen.

2.3.17. Der purusha von der Größe eines Daumens, das innere Selbst, wohnt immer im Herzen aller Lebewesen: Man sollte Ihn aus seinem eigenen Körper herausziehen, so wie man das Mark aus einem Schilfrohr zieht. Man sollte Ihn als rein und unsterblich erkennen.

2.18. Naciketas, der nun dieses Wissen erhalten hatte, das ihm von Yama übermittelt worden war, und auch die ganze Lehre über Yoga, erreichte brahman, nachdem er frei geworden war von allen Unreinheiten und vom Tod. So wird es auch anderen erfolgen, die die Natur des ātman erkannt haben.

HIER ENDET DER DRITTE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ZWEITEN KAPITELS UND SOMIT DIE KAṬHA-UPANIṢAD.


ABSCHLUSS-MANTRA

Śāntiḥ Mantra (oṃ saha nāvavatu)

oṃ saha nāvavatu। saha nau bhunaktu। saha vīryaṃ karavāvahai। tejasvināvadhītamastu mā vidviṣāvahai। oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥

Oṃ, es soll uns beide fördern, soll mit uns beiden genießen. Wir beide wollen zusammen Kraftvolles tun, strahlend soll uns beiden das Gelernte sein, wir beide wollen keine Feindschaft hegen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.

Shankaracharya Yoga Vedanta Blog

Lerne mehr über Shankaracharya, den großen Philosophen und Lehrer des Vedanta. Der Shankaracharya Yoga und Vedanta Blog stellt Kommentare zu Shankaracharyas wichtigsten Ausarbeitungen als Podcasts oder Videos über Yoga und Vedanta zum Studium bereit. Insbesondere Atma Bodha (Die Erkenntnis des Selbst) und Viveka Chudamani (Das Kronjuwel der Unterscheidung).

Vollständige Übersetzung Kathaka Upanishad von Paul Deussen

Die Kāthaka-Upanishad des schwarzen Yajurveda

Erster Adhyaya

Erste Valli

1. Willig gab einstmals Vajashravasa (bei einem Opfer) seine ganze Habe dahin. Ihm war ein Sohn mit Namen Nachiketas.

2. Den, obgleich er erst ein Knabe war, überkam, als die Opferlohn-kühe (zur Verteilung an die Brahmane) hergetrieben wurden, der Glaube (an die Wirksamkeit des Allhabeopfers), und er bedachte:

3. „Wasser trinkend und Gras essend,

Ausgemolken und lendenlahm!
Ach! diese Welten sind freudlos,
In die er, solche spendend, geht.“

4. Und er sprach zu seinem Vater (sich selbst anbietend, um das Allhabeopfer vollständig zu machen): „Mein Vater, wem wirst du mich geben?“ - so sprach er, (in ihn dringend) zum zweitenmal und drittenmal. Ihm antwortete (von Zorn über diese Unterschätzung seiner Opfergaben ergriffen) der Vater: „Dem Tode gebe ich dich.“

Nachiketas spricht:

5. „Zwar bin ich besser als viele,

Doch viele sind an Wert mir gleich;
Was mag wohl Yama vorhaben,
Dass er jetzt schon nach mir begehrt?“

6. Sieh auf die Früheren rückwärts,

Sieh vorwärts auf die Folgenden;
Zur Ernte reift der Mensch korngleich,
Korngleich ersteht er wieder neu.

7. Ein Brahmane als Gast eintritt

Ins Haus gleichwie ein Feuerbrand;
Ihn zu löschen, bring her eilig
Das Fußwasser, Vaivasvata!

8. Um Hoffnung, Aussicht, Freundes Verkehr und Zuspruch,

Um Opfer, fromme Werke, Kinder und Herden,
Um alles dieses bringt den unverständigen Mann
Ein nicht von ihm bewirteter Brahmanengast.
Yama:

9. „Weil du, Brahmane, der als Gast zu ehren,

Drei Nächte ungespeist bei mir geweilt hast,
Verehrung dir! und Heil sei mir, Brahmane!
Darum, entsprechend, wähle dir drei Wünsche!“
Nachiketas:

10. „Beruhigten Gemüts und wohlgesinnt sei,

Verwichnen Grolles, Gautama mir wieder;
Froh grüß' er mich, den du, o Tod, entlassen!
Das wähle ich als ersten der drei Wünsche.“
Yama:

11. „Auddalaki Aruni wird wie vordem

Froh werden, seines Worts von mir entbunden;
Verwichnen Grolles schlaf er sanft die Nächte,
Befreit dich sehend aus des Todes Rachen.“
Nachiketas:

12. „In der Welt des Himmels gibt es keine Furcht mehr,

Dort bist nicht du, nicht macht besorgt das Alter;
Beiden entrückt, dem Hunger und dem Durste,
Von Leid frei, freut man in der Himmelswelt sich.

13. Du kennst, o Tod, das Feuer, das den Himmel

Erwirbt; mir, der dir gläubig horcht, erklär' es!
Unsterblich sind, die dort im Himmel weilen,
Das wähle ich mir als die zweite Gabe.“
Yama:

14. „Wohlan! ich will das Feuer, das den Himmel

Erwirbt, dir sagen, hör' es mit Verständnis;
Das Feuer, das der ew'gen Welt Erlangung
Und Grund ist, wisse im Versteck verborgen.“

15. Da lehrt' er ihm das Feuer, das die Welt baut,

Die Backsteine, wie groß und wie zu schichten.
Er aber wiederholt' es nach der Reihe.
Und wieder nahm der Tod das Wort voll Freude,

16. Und sprach zu ihm befriedigt, hohen Sinnes:

„Noch ein Geschenk sollst obendrein du haben:
Nach deinem Namen nenne sich dies Feuer;
Dazu nimm dieses Spruchs verschlungne Kette:

17. ‚Drei-Nachiketa-Feuer-haft, Drei-Bund-haft,

Drei-Werk-haft streift man ab Geburt und Sterben;
Den Gott erkennend, der, was Brahman schuf, weiß,
Und schichtend geht man ein zur Ruh für immer.’

18. Drei-Nāciketa-Feuer-haft, Drei-kundig,

Wer so das Nāciketafeuer schichtet,
Stößt vor sich weg des Todesgottes Schlingen;
Von Leid frei freut er in der Himmelswelt sich.

19. Das ist das Himmelsfeuer, Nachiketas,

Das du dir wähltest als der Gaben zweite.
Nach deinem Namen wird die Welt es nennen.
Jetzt, Nachiketas, sprich den dritten Wunsch aus.“
Nachiketas:

20. „Ein Zweifel waltet, wenn der Mensch dahin ist:

‚Er ist!' sagt dieser; ‚er ist nicht!' sagt jener.
Das möchte ich, von dir belehrt, ergründen,
Das sei die dritte Gabe, dich ich wähle!“
Yama:

21. „Auch von den Göttern ward hier einst gezweifelt;

Schwer zu erkennen, dunkel ist die Sache.
Wähl' einen andern Wunsch dir, Nachiketas,
Bedränge mich nicht, diesen Wunsch erlass mir.“
Nachiketas:

22. „Auch Götter also haben hier gezweifelt,

Und du sagst selbst, dass schwer, es zu erkennen.
Kein andrer kann es so wie du erklären,
Kein andrer Wunsch kommt diesem gleich an Werte.“
Yama:

23. „Wähl' hundertjährige Kinder dir und Enkel,

Viel Herden, Elefanten, Gold und Rosse,
Erwähle großen Grundbesitz an Land dir,
Und lebe selbst so viel du willst der Herbste!

24. Wenn dies an Wunsch du schätzest gleich an Werte,

So wähle Reichtum dir und langes Leben,
Ein Großer, Nachiketas, sei auf Erden,
Ich mache zum Genießer aller Lust dich.

25. Was schwer erlangbar ist an Lust hienieden,

Erbitte nach Belieben alle Lust dir,
Schau hier auf Wagen holde Frau'n mit Harfen,
Wie solche nicht von Menschen zu erlangen,
Ich schenke dir sie, dass sie dich bedienen,
Nur frag' nicht, Nachiketas, nach dem Sterben!“
Nachiketas:

26. „Was uns, o Tod, gegönnt an Kraft und Sinne,

Die Sorge für das Morgen macht es welken.
Auch ganz gelebt, ist doch nur kurz das Leben.
Behalte deine Wagen, Tanz und Spiele.

27. Durch Reichtum ist der Mensch nicht froh zu machen!

Wen lockte Reichtum, der dir sah ins Auge?
Lass leben uns, so lang' es dir genehm ist!
Als Gabe aber wähle ich nur jene.

28. Wer, der geschmeckt hat, was nicht stirbt, nicht altert,

Hier unten steht und weiß sich altern, sterben,
Und wägt die Farbenpracht und Lust und Freuden,
Wer mag an längerm Leben Freude haben!

29. Worüber jener Zweifel herrscht hienieden,

Was bei dem großen Hingang wird, das sag' uns;
Der Wunsch, der forschend dringt in dies Geheimnis,
Den wählt, und keinen andern, Nachiketas.“

Zweite Valli

Yama:

1. „Ein andres ist das Bessere, und ein andres

Das Liebere, die, verschiednen Ziels, euch fesseln:
Wer sich das Bessere wählt, dem ist's zum Heile,
Des Zwecks geht, wer das Liebere wählt, verlustig.

2. Das Bessere und das Liebere naht dem Menschen;

Umwandelnd beide, scheidet sie der Weise;
Das Bessere zieht der Weise vor dem Liebern,
Erwerbend, wahrend, wählt der Thor das Lieb're.

3. Du hast die holden, scheinbar holden Lüste

Erwägend, Nachiketas, abgewiesen;
Nicht hat gefesselt dich des Reichtums Kette,
In die verstrickt so viele untersinken.

4. Ja, weit verschieden und entgegenstehend

Ist, was genannt wird Wissen und Nichtwissen;
Nach Wissen seh' ich Nachiketas trachten,
Der Lüste Heerschar hat dich nicht zerrüttet.

5. In des Nichtwissens Tiefe hin sich windend,

Sich selbst als Weise, als Gelehrte wähnend,
So laufen ziellos hin und her die Thoren,
Wie Blinde, die ein selbst auch Blinder anführt.

6. Das Sterbenmüssen geht nicht ein dem Thoren,

Dem Taumelnden, durch Reichtums Blendung Blinden;
‚Dies ist die Welt, kein Jenseits gibt's!' so wähnend
Verfällt er immer wieder meiner Herrschaft.

7. Von dem auch zu hören, vielen nicht beschieden,

Den viele, von ihm hörend, nicht begriffen,
Ein Wunder, wer ihn lehrt, kundig, wer ihn auffasst,
Ein Wunder, wer ihn kennt, belehrt von Kund'gen.

8. Nicht, wenn verkündigt von gemeinen Menschen,

Ist leicht er fassbar, selbst bei vielem Sinnen;
Und ohne Lehrer ist hier gar kein Zugang:
Zu tief ist er für eignes tiefes Denken.

9. Nicht ist durch Grübeln dieser Sinn zu fassen,

Doch fassbar wohl, wenn einer dir ihn lehrt, Freund;
Dir ward er jetzt, denn treu war dein Beharren;
Ja, solche Frager wünschen wir, wie du bist!

10. Ich weiß etwas, Schatz heißt es, doch vergänglich;

Das Wechselnde kann Bleibendes nicht wirken.
Darum baut' ich das Nāciketa-Feuer;
Nichtew'gen Stoffs erschloss es mir das Ew'ge.

11. Was Wunschvollendung, was der Welten Grund ist,

Des Werks Unendlichkeit, das Rettungsufer,
Des Ruhmes Großheit, Weitverbreitung, Gründung,
Du (sahst und) hast mit Festigkeit sie abgewiesen.

12. Den schwer zu schauenden, geheimnisvollen,

Den in der Höhle tief versteckten Alten,
Wer den durch Hingebung (yoga) im eigenen Innern
Als Gott erfasst, lässt Lust und Leid dahinten.

13. Der Sterbliche, der dies vernahm und fasste,

Abtat was äußerlich (dharmyam), ergriff das Feine,
Der wird sein froh; ja, er besitzt was froh macht!
Nachiketas ist als Wohnung ihm bereitet.

14. Was frei von Gutem und Bösem,

Frei von Geschehn und Nichtgeschehn,
Frei von Vergangnem und Künft'gem
Was du als solches siehst, sag' an!

15. Das Wort, das alle Veden uns verkünden,

Das sich in jeglicher Kasteiung ausdrückt,
Um das in Brahmanenschülerschaft sie leben,
Dies Wort vernimm in einem Inbegriffe:
Om! so lautet es.

16. Ja, diese Silbe ist Brahman,

Diese Silbe das Höchste ist;
Wer dieser Silbe ist kundig,
Was er wünschen mag, fällt ihm zu.

17. Dies ist der Stützen vornehmste,

Diese Stütze die höchste ist;
Wer dieser Stütze ist kundig,
Lebt selig in der Brahmanwelt.

18. Nicht wird geboren und nicht stirbt der Seher,

Stammt nicht von jemand, wird auch nicht zu jemand.
Von ewig her, bleibt ewig er der Alte,
Wird nicht getötet, wenn den Leib man tötet.

19. Wer, tötend, glaubt, dass er töte,

Wer, getötet, zu sterben glaubt,
Irr gehen dieser wie jener:
Der stirbt nicht, und der tötet nicht!

20. Des Kleinen Kleinstes und des Großen Größtes,

Wohnt er als Selbst hier dem Geschöpf im Herzen;
Frei von Verlangen schaut man, fern von Kummer,
Gestillten Sinnendrangs des Ātman Herrlichkeit.

21. Er sitzt und wandert doch fernhin,

Er liegt und schweift doch allerwärts,
Des Gottes Hin- und Her-Wogen,
Wer verstände es außer mir?

22. In den Leibern den Leiblosen,

Im Unsteten den Stetigen,
Den Ātman, groß, alldurchdringend,
Schaut der Weise und grämt sich nicht.

23. Nicht durch Belehrung wird erlangt der Atman,

Nicht durch Verstand und viele Schriftgelehrtheit;
Nur wen er wählt, von dem wird er begriffen:
Ihm macht der Ātman offenbar sein Wesen.

24. Nicht wer von Frevel nicht ablässt,

Unruhig, ungesammelt ist,
Nicht, dessen Herz noch nicht stille,
Kann durch Forschen erlangen ihn.

25. Er, der Brahmanen und Krieger

Beide aufzehrt, als wär' es Brot,
Eingetaucht in des Tod's Brühe,
Wer, der ein solcher, fände ihn?

Dritte Valli

1. Zwei, Trinker der Vergeltung ihrer Werke

Droben im Jenseits, fuhren in die Hölle;
Schatten und Licht nennt sie, wer Brahmans kundig,
Fünffeuerhaft, Drei-Nāciketa-Zünder.

2. Um's Nāciketa-Feuer müht euch!

Brücke ist es den Opfernden,
Zum Ufer ohne Furcht führend,
Zum ew'gen höchsten Brahman hin.

3. Ein Wagenfahrer ist, wisse,

Der Ātman, Wagen der Leib,
Den Wagen lenkend ist Buddhi,
Manas, wisse, der Zügel ist.

4. Die Sinne, heißt es, sind Rosse,

Die Sinnendinge ihre Bahn;
Aus Ātman, Sinnen und Manas
Das Gefügte 'Genießer' heißt.

5. Wer nun besinnungslos hinlebt,

Den Manaszügel ungespannt,
Des Sinne sind unbotmäßig,
Wie schlechte Rosse ihrem Herrn.

6. Doch wer besonnen stets hinlebt,

Den Manaszügel wohlgespannt,
Des Sinne bleiben botmäßig,
Wie gute Rosse ihrem Herrn.

7. Wer nun besinnungslos hinlebt,

Unverständig, unlautern Sinns,
Der kommt nicht zu dem Orte jenseits,
Im Samsara verstrickt er bleibt.

8. Doch wer besonnen stets hinlebt,

Verständig und mit lauterm Sinn,
Der gelangt zu dem Orte jenseits,
Von wo keine Geburt mehr ist.

9. Wer mit Besonnenheit lenkte,

Mit Manas zügelnd, sein Gespann,
Der Mann erreicht des Weges Endziel,
Dort, wo des Vishnu höchster Schritt.

10. Höher als Sinne stehn Dinge,

Höher als Dinge Manas steht,
Höher als Manas steht Buddhi,
Höher als sie das 'große Selbst'.

11. Höher als dies steht Avyaktam,

Höher als dies der Purusha;
Höher als dieser steht nichts mehr,
Er ist Endziel und höchster Gang.

12. In allen Wesen weilt dieser (der Purusha)

Als Ātman, unsichtbar, versteckt,
Dem schärfsten Denken nur sichtbar,
Dem feinsten des, der Feines sieht.

13. Es hemme Rede nebst Manas

Der Weise im Bewusstsein-Selbst (der Buddhi),
Dieses im 'großen Selbst' hemm' er,
Dieses hemm' er im Ruhe-Selbst (dem Avyaktam).

14. Steht auf! wacht auf! erlangt habend

Treffliche Lehrer, merkt auf sie.
Wie schwer zu gehn auf scharfer Messerschneide ist,
Schwer ist der Weg! Den lehren euch die Weisen.

15. Was unhörbar, unfühlbar, unsichtbar beharrt,

Unschmeckbar und unriechbar, unvergänglich ist,
Anfanglos, endlos, größer als Großes, ewig bleibt,
Wer das kennt, wird aus des Todes Rachen frei.

16. Die Nāciketa-Mitteilung,

Die ew'ge, die der Tod gemacht,
Wer diese lehrt und hört weislich,
Der wird herrlich in Brahmans Welt.

17. Wer dies Geheimnisvoll-Höchste

Vorträgt in der Brahmanen Kreis,
Oder beim Totenmahl, zuchtvoll,
Dem hilft es zur Unendlichkeit,
dem hilft es zur Unendlichkeit.

Zweiter Adhyaya

Vierte Valli

1. Auswärts die Höhlungen der Schöpfer bohrte:

Darum sieht man nach außen, nicht im Innern.
Ein Weiser wohl inwendig sah den Ātman (die Seele),
In sich gesenkt den Blick, das Ew'ge suchend.

2. Den Lüsten draußen laufen nach die Thoren

Und gehn ins Netz des ausgespannten Todes;
Doch Weise, wissend was unsterblich, werden
Im Wechsel hier das Bleibende nicht suchen.

3. Durch den man sieht, schmeckt, riecht, hört und

Berührung gegenseitg fühlt,
Durch ihn allein erkennt einer,
Was fragt ihr nach dem Übrigen!
Wahrlich, dieses ist das!

4. Durch den man überschaut beide,

Des Traumes und des Wachens Stand,
Den Ātman, groß, alldurchdringend,
Kennt der Weise und grämt sich nicht.

5. Wer ihn, dem alles ist Honig,

Als Selbst, als Seele nah sich weiß,
Herrn des Vergangnen und Künft'gen,
Der ängstigt sich vor keinem mehr.
Wahrlich, dieses ist das!

6. Wer ihn, der da war vor Tapas,

Vor den Urwassern war er schon,
In der Herzenshöhle sieht weilen,
Wer ihn schaut durch die Wesen hin,
Wahrlich, dieses ist das!

7. Und wer die lebensdurchsetzte

Götterträgerin Aditi
In der Herzenshöhle sieht weilen,
Sich gebärend durch Wesen hin,
Wahrlich, dieses ist das!

8. „Versteckt in Reibhölzern, der Wesenkenner,

Wie Leibesfrucht von Schwangern wohlgehütet,
Zu preisen täglich neu von aufgewachten,
Von opferfreud'gen Menschen ist Gott Agni“,
Wahrlich, dieses ist das!

9. Aus dem der Sonne Aufgang ist,

In dem sie wieder untergeht,
Die Götter all in ihm fußen,
Ihn überschreitet keiner je,
Wahrlich, dieses ist das!

10. Was hier ist, das ist auch dorten,

Was dorten ist, das ist auch hier;
Von Tod in neuen Tod stürzt sich,
Wer hier Verschied'nes meint zu sehen.

11. Im Geiste soll man dies merken:

Nicht ist hier Vielheit irgendwie,
Von Tod zu neuem Tod schreitet,
Wer hier Verschied'nes meint zu sehen.

12. Zollhoch an Größe weilt mitten

Im Leibe hier der Purusha,
Herr des Vergangnen und Künft'gen,
Wer ihn kennt, ängstigt sich nicht mehr,
Wahrlich, dieses ist das!

13. Wie Flamme ohne Rauch, zollhoch

An Größe ist der Purusha,
Herr des Vergangnen und Künft'gen,
Er ist es heut und morgen auch.
Wahrlich, dieses ist das!

14. Wie Wasser, im Gebirg regnend,

An den Abhängen sich verläuft,
So verläuft, wer den Eindrücken
Einzeln folgt, hinter ihnen sich.

15. Wie reines Wasser, zu reinem

Gegossen, eben solches bleibt,
So bleibt dem weisen Schweigsamen
Rein die Seele, o Gautama.

Fünfte Valli

1. Wer die Stadt mit den elf Toren

Des unwankbaren Geistigen
Des Ew'gen ehrt, der grämt sich nicht
Und wird, des Leibes los, erlöst.
Wahrlich, dieses ist das!

2. „Im Äther ist Sonnenschwan er, Vasu in der Luft,

Hotar am Opferbette, auf der Schwelle Gast,
Er weilt in Mensch und Weite, im Gesetz, im Raum,
Entspringt aus Wassern, Rindern, Recht, Gebirg' als großes Recht.“

3. Er, der nach oben hin aushaucht

Und den Einhauch nach innen treibt,
In der Mitte als Zwerg sitzend,
Den beten alle Götter an.

4. Wenn nach des Leibes Hinfalle

Der im Leibe Verkörperte
Aus dem Leibe erlöst worden,
Was fragt ihr nach dem Übrigen?
Wahrlich, dieses ist das!

5. Nicht durch Aushauch und durch Einhauch

Hat sein Leben ein Sterblicher;
Ein anderer macht ihn leben,
Auf dem beruhen jene zwei.

6. Wohlan! Ich will dir auslegen

Brahman, ewig, geheimnisvoll,
Und wie es, wenn der Tod eintritt,
Steht mit der Seele, Gautama.

7. Im Mutterschoß geht ein dieser,

Verkörpernd sich zur Leiblichkeit,
In eine Pflanze fährt jener,
Je nach Werk, je nach Wissenschaft.

8. Der Geist, der wach auch in dem Schläfer,

Aufbauend, je nach Wunsch, dies oder jenes,
Das ist das Reine, ist Brahman,
Das heißt das Unsterbliche.
In ihm die Welten alle ruhen,
Ihn überschreitet keiner je.
Wahrlich, dieses ist das!

9. Das Licht, als eines, eindringt in den Weltraum

Und schmiegt sich dennoch jeglicher Gestalt an;
So wohnt das eine innre Selbst der Wesen
Geschmiegt in jede Form, und bleibt doch draußen.

10. Die Luft, als eine, eindringt in den Weltraum

Und schmiegt sich dennoch jeglicher Gestalt an;
So wohnt das eine innre Selbst der Wesen
Geschmiegt in jede Form, und bleibt doch draußen.

11. Die Sonne, die des ganzen Weltalls Auge,

Bleibt rein von Fehlern außer ihr der Augen;
So bleibt das eine innre Selbst der Wesen
Rein von dem Leiden außer ihm der Welten.

12. Den einen Herrn und innres Selbst der Wesen,

Der seine eine Form ausbreitet vielfach,
Wer den, als Weiser, in sich selbst sieht wohnen,
Der nur ist ewig selig, und kein andrer.

13. Der, als der Ew'ge den Nichtew'gen, Freude,

Als Geist den Geistern, schafft, als Einer Vielen,
Wer den, als Weiser, in sich selbst sieht wohnen,
Der nur hat ew'gen Frieden, und kein andrer.

14. „Dieses ist das!“ - Dieses Wort fühlt man

Als unaussprechlich höchste Lust:
Doch wie kann man es wahrnehmen?
Glänzt, oder widerglänzt es wohl?

15. Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht Mond noch Sternenglanz,

Noch jene Blitze, geschweige irdisch Feuer.
Ihm, der allein glänzt, nachglänzt alles andre,
Die ganze Welt erglänzt von seinem Glanze.

Sechste Valli

1. Die Wurzel hoch, die Zweig' abwärts

Steht jener ew'ge Feigenbaum;
Das ist das Reine, ist Brahman,
Das heißet das Unsterbliche;
In ihm die Welten all ruhen,
Ihn überschreitet keiner je.
Wahrlich, dieses ist das!

2. Alles was ist, das Weltganze,

Lebt im Prana , dem es entsprang;
Ein großer Schreck ist's, ein gezückter Blitzstrahl,
Unsterblich werden solche, die es wissen.

3. Aus Furcht vor ihm brennt das Feuer,

Aus Furcht vor ihm die Sonne brennt,
Aus Furcht vor ihm eilt hin Indra
Und Vayu und der Tod zu fünft.

4. Wer zur Erkenntnis aufwachte

Hienieden vor des Leibs Zerfall,
Dem ist in Schöpfungen, Welten
Es dienlich zur Verkörperung.

5. Wie im Spiegel, so in der Leiblichkeit;

Wie im Traume, so in der Väterwelt;
Wie er im Wasser ganz erscheint, so in der Gandharvawelt;
Wie im Schatten und Licht, so in der Brahmanwelt.

6. Der Sinne Einzelwahrnehmung,

Ihr Auftauchen und Untergehn
Und ihr gesondert Auftreten
Kennt der Weise und grämt sich nicht.

7. Höher als Sinne steht Manas ,

Höher als Manas Sattvam steht,
Höher als dies das 'große Selbst',
Über diesem Avyaktam steht.

8. Dies überragt der Purusha,

Alldurchdringend und merkmallos,
Wer ihn erkannt, erlöst wird er
Und geht ein zur Unsterblichkeit.

9. Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben,

Nicht sieht ihn irgend wer mit seinem Auge;
Nur wer an Herz und Sinn und Geist bereitet,
Unsterblich werden, die ihn also kennen.

10. Erst wenn gelangt zum Stillstande

Mit den fünf Sinnen Manas ist,
Und unbeweglich steht Buddhi,
Das nennen sie den höchsten Gang.

11. Das ist es, was man nennt Yoga,

Der Sinne starke Fesselung,
Doch ist man nicht dabei lässig:
Yoga ist Schöpfung und Vergang.

12. Nicht durch Reden, nicht durch Denken,

Nicht durch Sehen erfasst man ihn:
„Er ist!“ durch dieses Wort wird er
Und nicht auf andre Art erfasst.

13. „Er ist!“ so ist es auffassbar,

Sofern er beider Wesen ist,
„Er ist!“ wer so ihn auffasste,
Dem wird klar seine Wesenheit.

14. Wenn alle Leidenschaft schwindet,

Die nistet in des Menschen Herz,
Dann wird, wer sterblich, unsterblich.
Hier schon erlangt das Brahman er.

15. Wenn alle Knoten sich spalten,

Die umstricken das Menschenherz,
Dann wird, wer sterblich, unsterblich.
So weit erstreckt die Lehre sich.

16. Hundert und eine sind des Herzens Adern,

Von diesen leitet eine nach dem Haupte;
Auf ihr steigt auf, wer zur Unsterblichkeit geht.
Nach allen Seiten Ausgang sind die andern.

17. Der Purusha, zollhoch, als innre Seele

Ist stets zu finden in der Geschöpfe Herzen.
Den ziehe aus dem Leibe man – wie den Halm aus dem Schilfe – besonnen,
Den wisse man als Reines, als unsterblich,
den wisse man als Reines, als unsterblich.

18. Vom Tod empfangen habend, Nāciketa,

Dies Wissen und die ganze Yoga-Vorschrift,
Fand Brahman und ward sündlos und unsterblich.
Und so, wer dies erfuhr am eignen Selbste.

Sanskrit Text Katha Upanishad

Hier der vollständige Text der Katha Upanishad bzw. Kathaka Upanishad auf Sanskrit:

Katha Upanishad in der wissenschaftlichen Transkription (IAST) mit diakritischen Zeichen

kaṭhopaniṣat

oṃ
॥ atha kaṭhopaniṣad ॥
oṃ saha nāvavatu ।
saha nau bhunaktu ।
sahavīryaṃ karavāvahai ।
tejasvi nāvadhītamastu ।
mā vidviṣāvahai ॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥


adhyāya 1
vallī 1
oṃ uśan ha vai vājaśravasaḥ sarvavedasaṃ dadau ।
tasya ha naciketā nāma putra āsa ॥ 1॥
tam̐ ha kumāram̐ santaṃ dakṣiṇāsu
nīyamānāsu śraddhāviveśa so'manyata ॥ 2॥
pītodakā jagdhatṛṇā dugdhadohā nirindriyāḥ ।
anandā nāma te lokāstān sa gacchati tā dadat ॥ 3॥
sa hovāca pitaraṃ tata kasmai māṃ dāsyasīti ।
dvitīyaṃ tṛtīyaṃ tam̐ hovāca mṛtyave tvā dadāmīti ॥ 4॥
bahūnāmemi prathamobahūnāmemi madhyamaḥ ।
kim̐ svidyamasya kartavyaṃ yanmayā'dya kariṣyati ॥ 5॥
anupaśya yathā pūrve pratipaśya tathā'pare ।
sasyamiva martyaḥ pacyate sasyamivājāyate punaḥ ॥ 6॥
vaiśvānaraḥ praviśatyatithirbrāhmaṇo gṛhān ।
tasyaitām̐ śāntiṃ kurvanti hara vaivasvatodakam ॥ 7॥
āśāpratīkṣe saṃgatam̐ sūnṛtāṃ
ceṣṭāpūrte putrapaśūm̐śca sarvān ।
etadvṛṅkte puruṣasyālpamedhaso
yasyānaśnanvasati brāhmaṇo gṛhe ॥ 8॥
tisro rātrīryadavātsīrgṛhe me-
'naśnan brahmannatithirnamasyaḥ ।
namaste'stu brahman svasti me'stu
tasmātprati trīnvarānvṛṇīṣva ॥ 9॥
śāntasaṃkalpaḥ sumanā yathā syād
vītamanyurgautamo mā'bhi mṛtyo ।
tvatprasṛṣṭaṃ mā'bhivadetpratīta
etat trayāṇāṃ prathamaṃ varaṃ vṛṇe ॥ 10॥
yathā purastād bhavitā pratīta
auddālakirāruṇirmatprasṛṣṭaḥ ।
sukham̐ rātrīḥ śayitā vītamanyuḥ
tvāṃ dadṛśivānmṛtyumukhāt pramuktam ॥ 11॥
svarge loke na bhayaṃ kiṃcanāsti
na tatra tvaṃ na jarayā bibheti ।
ubhe tīrtvā'śanāyāpipāse
śokātigo modate svargaloke ॥ 12॥
sa tvamagnim̐ svargyamadhyeṣi mṛtyo
prabrūhi tvam̐ śraddadhānāya mahyam ।
svargalokā amṛtatvaṃ bhajanta
etad dvitīyena vṛṇe vareṇa ॥ 13॥
pra te bravīmi tadu me nibodha
svargyamagniṃ naciketaḥ prajānan ।
anantalokāptimatho pratiṣṭhāṃ
viddhi tvametaṃ nihitaṃ guhāyām ॥ 14॥
lokādimagniṃ tamuvāca tasmai
yā iṣṭakā yāvatīrvā yathā vā ।
sa cāpi tatpratyavadadyathoktaṃ
athāsya mṛtyuḥ punarevāha tuṣṭaḥ ॥ 15॥
tamabravīt prīyamāṇo mahātmā
varaṃ tavehādya dadāmi bhūyaḥ ।
tavaiva nāmnā bhavitā'yamagniḥ
sṛṅkāṃ cemāmanekarūpāṃ gṛhāṇa ॥ 16॥
triṇāciketastribhiretya sandhiṃ
trikarmakṛttarati janmamṛtyū ।
brahmajajñaṃ devamīḍyaṃ viditvā
nicāyyemām̐ śāntimatyantameti ॥ 17॥
triṇāciketastrayametadviditvā
ya evaṃ vidvām̐ścinute nāciketam ।
sa mṛtyupāśān purataḥ praṇodya
śokātigo modate svargaloke ॥ 18॥
eṣa te'gnirnaciketaḥ svargyo
yamavṛṇīthā dvitīyena vareṇa ।
etamagniṃ tavaiva pravakṣyanti janāsaḥ
tṛtīyaṃ varaṃ naciketo vṛṇīṣva ॥ 19॥
yeyaṃ prete vicikitsā manuṣye-
'stītyeke nāyamastīti caike ।
etadvidyāmanuśiṣṭastvayā'haṃ
varāṇāmeṣa varastṛtīyaḥ ॥ 20॥
devairatrāpi vicikitsitaṃ purā
na hi suvijñeyamaṇureṣa dharmaḥ ।
anyaṃ varaṃ naciketo vṛṇīṣva
mā moparotsīrati mā sṛjainam ॥ 21॥
devairatrāpi vicikitsitaṃ kila
tvaṃ ca mṛtyo yanna sujñeyamāttha ।
vaktā cāsya tvādṛganyo na labhyo
nānyo varastulya etasya kaścit ॥ 22॥
śatāyuṣaḥ putrapautrānvṛṇīṣvā
bahūnpaśūn hastihiraṇyamaśvān ।
bhūmermahadāyatanaṃ vṛṇīṣva
svayaṃ ca jīva śarado yāvadicchasi ॥ 23॥
etattulyaṃ yadi manyase varaṃ
vṛṇīṣva vittaṃ cirajīvikāṃ ca ।
mahābhūmau naciketastvamedhi
kāmānāṃ tvā kāmabhājaṃ karomi ॥ 24॥
ye ye kāmā durlabhā martyaloke
sarvān kāmām̐śchandataḥ prārthayasva ।
imā rāmāḥ sarathāḥ satūryā
na hīdṛśā lambhanīyā manuṣyaiḥ ।
ābhirmatprattābhiḥ paricārayasva
naciketo maraṇaṃ mā'nuprākṣīḥ ॥ 25॥
śvobhāvā martyasya yadantakaitat
sarveṃdriyāṇāṃ jarayanti tejaḥ ।
api sarvaṃ jīvitamalpameva
tavaiva vāhāstava nṛtyagīte ॥ 26॥
na vittena tarpaṇīyo manuṣyo
lapsyāmahe vittamadrākṣma cettvā ।
jīviṣyāmo yāvadīśiṣyasi tvaṃ
varastu me varaṇīyaḥ sa eva ॥ 27॥
ajīryatāmamṛtānāmupetya
jīryanmartyaḥ kvadhaḥsthaḥ prajānan ।
abhidhyāyan varṇaratipramodān
atidīrghe jīvite ko rameta ॥ 28॥
yasminnidaṃ vicikitsanti mṛtyo
yatsāmparāye mahati brūhi nastat ।
yo'yaṃ varo gūḍhamanupraviṣṭo
nānyaṃ tasmānnaciketā vṛṇīte ॥ 29॥
॥ iti kāṭhakopaniṣadi prathamādhyāye prathamā vallī ॥

adhyāya 1

vallī 2

anyacchreyo'nyadutaiva preya-
ste ubhe nānārthe puruṣam̐ sinītaḥ ।
tayoḥ śreya ādadānasya sādhu
bhavati hīyate'rthādya u preyo vṛṇīte ॥ 1॥
śreyaśca preyaśca manuṣyametaḥ
tau samparītya vivinakti dhīraḥ ।
śreyo hi dhīro'bhi preyaso vṛṇīte
preyo mando yogakṣemādvṛṇīte ॥ 2॥
sa tvaṃ priyānpriyarūpāṃśca kāmān
abhidhyāyannaciketo'tyasrākṣīḥ ।
naitāṃ sṛṅkāṃ vittamayīmavāpto
yasyāṃ majjanti bahavo manuṣyāḥ ॥ 3॥
dūramete viparīte viṣūcī
avidyā yā ca vidyeti jñātā ।
vidyābhīpsinaṃ naciketasaṃ manye
na tvā kāmā bahavo'lolupanta ॥ 4॥
avidyāyāmantare vartamānāḥ
svayaṃ dhīrāḥ paṇḍitaṃmanyamānāḥ ।
dandramyamāṇāḥ pariyanti mūḍhā
andhenaiva nīyamānā yathāndhāḥ ॥ 5॥
na sāmparāyaḥ pratibhāti bālaṃ
pramādyantaṃ vittamohena mūḍham ।
ayaṃ loko nāsti para iti mānī
punaḥ punarvaśamāpadyate me ॥ 6॥
śravaṇāyāpi bahubhiryo na labhyaḥ
śa‍ṛṇvanto'pi bahavo yaṃ na vidyuḥ ।
āścaryo vaktā kuśalo'sya labdhā
āścaryo jñātā kuśalānuśiṣṭaḥ ॥ 7॥
na nareṇāvareṇa prokta eṣa
suvijñeyo bahudhā cintyamānaḥ ।
ananyaprokte gatiratra nāsti
aṇīyān hyatarkyamaṇupramāṇāt ॥ 8॥
naiṣā tarkeṇa matirāpaneyā
proktānyenaiva sujñānāya preṣṭha ।
yāṃ tvamāpaḥ satyadhṛtirbatāsi
tvādṛṅno bhūyānnaciketaḥ praṣṭā ॥ 9॥
jānāmyahaṃ śevadhirityanityaṃ
na hyadhruvaiḥ prāpyate hi dhruvaṃ tat ।
tato mayā nāciketaścito'gniḥ
anityairdravyaiḥ prāptavānasmi nityam ॥ 10॥
kāmasyāptiṃ jagataḥ pratiṣṭhāṃ
kratorānantyamabhayasya pāram ।
stomamahadurugāyaṃ pratiṣṭhāṃ dṛṣṭvā
dhṛtyā dhīro naciketo'tyasrākṣīḥ ॥ 11॥
taṃ durdarśaṃ gūḍhamanupraviṣṭaṃ
guhāhitaṃ gahvareṣṭhaṃ purāṇam ।
adhyātmayogādhigamena devaṃ
matvā dhīro harṣaśokau jahāti ॥ 12॥
etacchrutvā samparigṛhya martyaḥ
pravṛhya dharmyamaṇumetamāpya ।
sa modate modanīyam̐ hi labdhvā
vivṛtam̐ sadma naciketasaṃ manye ॥ 13॥
anyatra dharmādanyatrādharmā-
danyatrāsmātkṛtākṛtāt ।
anyatra bhūtācca bhavyācca
yattatpaśyasi tadvada ॥ 14॥
sarve vedā yatpadamāmananti
tapāꣳsi sarvāṇi ca yadvadanti ।
yadicchanto brahmacaryaṃ caranti
tatte padaꣳ saṅgraheṇa bravīmyomityetat ॥ 15॥
etaddhyevākṣaraṃ brahma etaddhyevākṣaraṃ param ।
etaddhyevākṣaraṃ jñātvā yo yadicchati tasya tat ॥ 16॥
etadālambanam̐ śreṣṭhametadālambanaṃ param ।
etadālambanaṃ jñātvā brahmaloke mahīyate ॥ 17॥
na jāyate mriyate vā vipaści-
nnāyaṃ kutaścinna babhūva kaścit ।
ajo nityaḥ śāśvato'yaṃ purāṇo
na hanyate hanyamāne śarīre ॥ 18॥
hantā cenmanyate hantum̐ hataścenmanyate hatam ।
ubhau tau na vijānīto nāyam̐ hanti na hanyate ॥ 19॥
aṇoraṇīyānmahato mahīyā-
nātmā'sya jantornihito guhāyām ।
tamakratuḥ paśyati vītaśoko
dhātuprasādānmahimānamātmanaḥ ॥ 20॥
āsīno dūraṃ vrajati śayāno yāti sarvataḥ ।
kastaṃ madāmadaṃ devaṃ madanyo jñātumarhati ॥ 21॥
aśarīram̐ śarīreṣvanavastheṣvavasthitam ।
mahāntaṃ vibhumātmānaṃ matvā dhīro na śocati ॥ 22॥
nāyamātmā pravacanena labhyo
na medhayā na bahunā śrutena ।
yamevaiṣa vṛṇute tena labhyaḥ
tasyaiṣa ātmā vivṛṇute tanūꣳ svām ॥ 23॥
nāvirato duścaritānnāśānto nāsamāhitaḥ ।
nāśāntamānaso vā'pi prajñānenainamāpnuyāt ॥ 24॥
yasya brahma ca kṣatraṃ ca ubhe bhavata odanaḥ ।
mṛtyuryasyopasecanaṃ ka itthā veda yatra saḥ ॥ 25॥
iti kāṭhakopaniṣadi prathamādhyāye dvitīyā vallī ॥


adhyāya 1

vallī 3

ṛtaṃ pibantau sukṛtasya loke
guhāṃ praviṣṭau parame parārdhe ।
chāyātapau brahmavido vadanti
pañcāgnayo ye ca triṇāciketāḥ ॥ 1॥
yaḥ seturījānānāmakṣaraṃ brahma yat param ।
abhayaṃ titīrṣatāṃ pāraṃ nāciketam̐ śakemahi ॥ 2॥
ātmānam̐ rathitaṃ viddhi śarīram̐ rathameva tu ।
buddhiṃ tu sārathiṃ viddhi manaḥ pragrahameva ca ॥ 3॥
indriyāṇi hayānāhurviṣayām̐ steṣu gocarān ।
ātmendriyamanoyuktaṃ bhoktetyāhurmanīṣiṇaḥ ॥ 4॥
yastvavijñānavānbhavatyayuktena manasā sadā ।
tasyendriyāṇyavaśyāni duṣṭāśvā iva sāratheḥ ॥ 5॥
yastu vijñānavānbhavati yuktena manasā sadā ।
tasyendriyāṇi vaśyāni sadaśvā iva sāratheḥ ॥ 6॥
yastvavijñānavānbhavatyamanaskaḥ sadā'śuciḥ ।
na sa tatpadamāpnoti saṃsāraṃ cādhigacchati ॥ 7॥
yastu vijñānavānbhavati samanaskaḥ sadā śuciḥ ।
sa tu tatpadamāpnoti yasmādbhūyo na jāyate ॥ 8॥
vijñānasārathiryastu manaḥ pragrahavānnaraḥ ।
so'dhvanaḥ pāramāpnoti tadviṣṇoḥ paramaṃ padam ॥ 9॥
indriyebhyaḥ parā hyarthā arthebhyaśca paraṃ manaḥ ।
manasastu parā buddhirbuddherātmā mahānparaḥ ॥ 10॥
mahataḥ paramavyaktamavyaktātpuruṣaḥ paraḥ ।
puruṣānna paraṃ kiṃcitsā kāṣṭhā sā parā gatiḥ ॥ 11॥
eṣa sarveṣu bhūteṣu gūḍhotmā na prakāśate ।
dṛśyate tvagryayā buddhyā sūkṣmayā sūkṣmadarśibhiḥ ॥ 12॥
yacchedvāṅmanasī prājñastadyacchejjñāna ātmani ।
jñānamātmani mahati niyacchettadyacchecchānta ātmani ॥ 13॥
uttiṣṭhata jāgrata
prāpya varānnibodhata ।
kṣurasya dhārā niśitā duratyayā
durgaṃ pathastatkavayo vadanti ॥ 14॥
aśabdamasparśamarūpamavyayaṃ
tathā'rasaṃ nityamagandhavacca yat ।
anādyanantaṃ mahataḥ paraṃ dhruvaṃ
nicāyya tanmṛtyumukhāt pramucyate ॥ 15॥
nāciketamupākhyānaṃ mṛtyuproktam̐ sanātanam ।
uktvā śrutvā ca medhāvī brahmaloke mahīyate ॥ 16॥
ya imaṃ paramaṃ guhyaṃ śrāvayed brahmasaṃsadi ।
prayataḥ śrāddhakāle vā tadānantyāya kalpate ।
tadānantyāya kalpata iti ॥ 17॥
iti kāṭhakopaniṣadi prathamādhyāye tṛtīyā vallī ॥


adhyāya 2

vallī 1

parāñci khāni vyatṛṇat svayambhū-
stasmātparāṅpaśyati nāntarātman ।
kaściddhīraḥ pratyagātmānamaikṣa-
dāvṛttacakṣuramṛtatvamicchan ॥ 1॥
parācaḥ kāmānanuyanti bālā-
ste mṛtyoryanti vitatasya pāśam ।
atha dhīrā amṛtatvaṃ viditvā
dhruvamadhruveṣviha na prārthayante ॥ 2॥
yena rūpaṃ rasaṃ gandhaṃ śabdān sparśāꣳśca maithunān ।
etenaiva vijānāti kimatra pariśiṣyate । etadvai tat ॥ 3॥
svapnāntaṃ jāgaritāntaṃ cobhau yenānupaśyati ।
mahāntaṃ vibhumātmānaṃ matvā dhīro na śocati ॥ 4॥
ya imaṃ madhvadaṃ veda ātmānaṃ jīvamantikāt ।
īśānaṃ bhūtabhavyasya na tato vijugupsate । etadvai tat ॥ 5॥
yaḥ pūrvaṃ tapaso jātamadbhyaḥ pūrvamajāyata ।
guhāṃ praviśya tiṣṭhantaṃ yo bhūtebhirvyapaśyata । etadvai tat ॥ 6॥
yā prāṇena saṃbhavatyaditirdevatāmayī ।
guhāṃ praviśya tiṣṭhantīṃ yā bhūtebhirvyajāyata । etadvai tat ॥ 7॥
araṇyornihito jātavedā garbha iva subhṛto garbhiṇībhiḥ ।
dive dive īḍyo jāgṛvadbhirhaviṣmadbhirmanuṣyebhiragniḥ । etadvai tat ॥ 8॥
yataścodeti sūryo'staṃ yatra ca gacchati ।
taṃ devāḥ sarve'rpitāstadu nātyeti kaścana । etadvai tat ॥ 9॥
yadeveha tadamutra yadamutra tadanviha ।
mṛtyoḥ sa mṛtyumāpnoti ya iha nāneva paśyati ॥ 10॥
manasaivedamāptavyaṃ neha nānā'sti kiṃcana ।
mṛtyoḥ sa mṛtyuṃ gacchati ya iha nāneva paśyati ॥ 11॥
aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo madhya ātmani tiṣṭhati ।
īśānaṃ bhūtabhavyasya na tato vijugupsate । etadvai tat ॥ 12॥
aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo jyotirivādhūmakaḥ ।
īśāno bhūtabhavyasya sa evādya sa u śvaḥ । etadvai tat ॥ 13॥
yathodakaṃ durge vṛṣṭaṃ parvateṣu vidhāvati ।
evaṃ dharmān pṛthak paśyaṃstānevānuvidhāvati ॥ 14॥
yathodakaṃ śuddhe śuddhamāsiktaṃ tādṛgeva bhavati ।
evaṃ munervijānata ātmā bhavati gautama ॥ 15॥
iti kāṭhakopaniṣadi dvitīyādhyāye prathamā vallī ॥


adhyāya 2

vallī 2

puramekādaśadvāramajasyāvakracetasaḥ ।
anuṣṭhāya na śocati vimuktaśca vimucyate । etadvai tat ॥ 1॥
ham̐saḥ śuciṣadvasurantarikṣasad-
hotā vediṣadatithirduroṇasat ।
nṛṣadvarasadṛtasadvyomasad
abjā gojā ṛtajā adrijā ṛtaṃ bṛhat ॥ 2॥
ūrdhvaṃ prāṇamunnayatyapānaṃ pratyagasyati ।
madhye vāmanamāsīnaṃ viśve devā upāsate ॥ 3॥
asya visraṃsamānasya śarīrasthasya dehinaḥ ।
dehādvimucyamānasya kimatra pariśiṣyate । etadvai tat ॥ 4॥
na prāṇena nāpānena martyo jīvati kaścana ।
itareṇa tu jīvanti yasminnetāvupāśritau ॥ 5॥
hanta ta idaṃ pravakṣyāmi guhyaṃ brahma sanātanam ।
yathā ca maraṇaṃ prāpya ātmā bhavati gautama ॥ 6॥
yonimanye prapadyante śarīratvāya dehinaḥ ।
sthāṇumanye'nusaṃyanti yathākarma yathāśrutam ॥ 7॥
ya eṣa supteṣu jāgarti kāmaṃ kāmaṃ puruṣo nirmimāṇaḥ ।
tadeva śukraṃ tadbrahma tadevāmṛtamucyate ।
tasmim̐llokāḥ śritāḥ sarve tadu nātyeti kaścana । etadvai tat ॥ 8॥
agniryathaiko bhuvanaṃ praviṣṭo
rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo babhūva ।
ekastathā sarvabhūtāntarātmā
rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo bahiśca ॥ 9॥
vāyuryathaiko bhuvanaṃ praviṣṭo
rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo babhūva ।
ekastathā sarvabhūtāntarātmā
rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo bahiśca ॥ 10॥
sūryo yathā sarvalokasya cakṣuḥ
na lipyate cākṣuṣairbāhyadoṣaiḥ ।
ekastathā sarvabhūtāntarātmā
na lipyate lokaduḥkhena bāhyaḥ ॥ 11॥
eko vaśī sarvabhūtāntarātmā
ekaṃ rūpaṃ bahudhā yaḥ karoti ।
tamātmasthaṃ ye'nupaśyanti dhīrāḥ
teṣāṃ sukhaṃ śāśvataṃ netareṣām ॥ 12॥
nityo'nityānāṃ cetanaścetanānām
eko bahūnāṃ yo vidadhāti kāmān ।
tamātmasthaṃ ye'nupaśyanti dhīrāḥ
teṣāṃ śāntiḥśāśvatī netareṣām ॥ 13॥
tadetaditi manyante'nirdeśyaṃ paramaṃ sukham ।
kathaṃ nu tadvijānīyāṃ kimu bhāti vibhāti vā ॥ 14॥
na tatra sūryo bhāti na candratārakaṃ
nemā vidyuto bhānti kuto'yamagniḥ ।
tameva bhāntamanubhāti sarvaṃ
tasya bhāsā sarvamidaṃ vibhāti ॥ 15॥
iti kāṭhakopaniṣadi dvitīyādhyāye dvitīyā vallī ॥


adhyāya 2

vallī 3

ūrdhvamūlo'vākśākha eṣo'śvatthaḥ sanātanaḥ ।
tadeva śukraṃ tadbrahma tadevāmṛtamucyate ।
tasmim̐llokāḥ śritāḥ sarve tadu nātyeti kaścana । etadvai tat ॥ 1॥
yadidaṃ kiṃ ca jagat sarvaṃ prāṇa ejati niḥsṛtam ।
mahadbhayaṃ vajramudyataṃ ya etadviduramṛtāste bhavanti ॥ 2॥
bhayādasyāgnistapati bhayāttapati sūryaḥ ।
bhayādindraśca vāyuśca mṛtyurdhāvati pañcamaḥ ॥ 3॥
iha cedaśakadboddhuṃ prākṣarīrasya visrasaḥ ।
tataḥ sargeṣu lokeṣu śarīratvāya kalpate ॥ 4॥
yathādarśe tathātmani yathā svapne tathā pitṛloke ।
yathā'psu parīva dadṛśe tathā gandharvaloke
chāyātapayoriva brahmaloke ॥ 5॥
indriyāṇāṃ pṛthagbhāvamudayāstamayau ca yat ।
pṛthagutpadyamānānāṃ matvā dhīro na śocati ॥ 6॥
indriyebhyaḥ paraṃ mano manasaḥ sattvamuttamam ।
sattvādadhi mahānātmā mahato'vyaktamuttamam ॥ 7॥
avyaktāttu paraḥ puruṣo vyāpako'liṅga eva ca ।
yaṃ jñātvā mucyate janturamṛtatvaṃ ca gacchati ॥ 8॥
na saṃdṛśe tiṣṭhati rūpamasya
na cakṣuṣā paśyati kaścanainam ।
hṛdā manīṣā manasā'bhiklṛpto
ya etadviduramṛtāste bhavanti ॥ 9॥
yadā pañcāvatiṣṭhante jñānāni manasā saha ।
buddhiśca na viceṣṭate tāmāhuḥ paramāṃ gatim ॥ 10॥
tāṃ yogamiti manyante sthirāmindriyadhāraṇām ।
apramattastadā bhavati yogo hi prabhavāpyayau ॥ 11॥
naiva vācā na manasā prāptuṃ śakyo na cakṣuṣā ।
astīti bruvato'nyatra kathaṃ tadupalabhyate ॥ 12॥
astītyevopalabdhavyastattvabhāvena cobhayoḥ ।
astītyevopalabdhasya tattvabhāvaḥ prasīdati ॥ 13॥
yadā sarve pramucyante kāmā ye'sya hṛdi śritāḥ ।
atha martyo'mṛto bhavatyatra brahma samaśnute ॥ 14॥
yadā sarve prabhidyante hṛdayasyeha granthayaḥ ।
atha martyo'mṛto bhavatyetāvaddhyanuśāsanam ॥ 15॥
śataṃ caikā ca hṛdayasya nāḍya-
stāsāṃ mūrdhānamabhiniḥsṛtaikā ।
tayordhvamāyannamṛtatvameti
viṣvaṅṅanyā utkramaṇe bhavanti ॥ 16॥
aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo'ntarātmā
sadā janānāṃ hṛdaye saṃniviṣṭaḥ ।
taṃ svāccharīrātpravṛhenmuñjādiveṣīkāṃ dhairyeṇa ।
taṃ vidyācchukramamṛtaṃ taṃ vidyācchukramamṛtamiti ॥ 17॥
mṛtyuproktāṃ naciketo'tha labdhvā
vidyāmetāṃ yogavidhiṃ ca kṛtsnam ।
brahmaprāpto virajo'bhūdvimṛtyu-
ranyo'pyevaṃ yo vidadhyātmameva ॥ 18॥
saha nāvavatu । saha nau bhunaktu । saha vīryaṃ karavāvahai ।
tejasvināvadhītamastu mā vidviṣāvahai ॥ 19॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥
iti kāṭhakopaniṣadi dvitīyādhyāye tṛtīyā vallī ॥
oṃ saha nāvavatu । saha nau bhunaktu । sahavīryaṃ karavāvahai ।
tejasvi nāvadhītamastu । mā vidviṣāvahai ॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ ॥
oṃ tat sat ॥

Katha Upanishad in der Devanagari Schrift

कठोपनिषत्

॥ अथ कठोपनिषद् ॥
ॐ सह नाववतु । सह नौ भुनक्तु । सहवीर्यं करवावहै ।
तेजस्वि नावधीतमस्तु । मा विद्विषावहै ॥
ॐ शान्तिः शान्तिः शान्तिः ॥
अध्याय १
वल्ली १
ॐ उशन् ह वै वाजश्रवसः सर्ववेदसं ददौ ।
तस्य ह नचिकेता नाम पुत्र आस ॥ १॥
तँ ह कुमारँ सन्तं दक्षिणासु
नीयमानासु श्रद्धाविवेश सोऽमन्यत ॥ २॥
पीतोदका जग्धतृणा दुग्धदोहा निरिन्द्रियाः ।
अनन्दा नाम ते लोकास्तान् स गच्छति ता ददत् ॥ ३॥
स होवाच पितरं तत कस्मै मां दास्यसीति ।
द्वितीयं तृतीयं तँ होवाच मृत्यवे त्वा ददामीति ॥ ४॥
बहूनामेमि प्रथमोबहूनामेमि मध्यमः ।
किँ स्विद्यमस्य कर्तव्यं यन्मयाऽद्य करिष्यति ॥ ५॥
अनुपश्य यथा पूर्वे प्रतिपश्य तथाऽपरे ।
सस्यमिव मर्त्यः पच्यते सस्यमिवाजायते पुनः ॥ ६॥
वैश्वानरः प्रविशत्यतिथिर्ब्राह्मणो गृहान् ।
तस्यैताँ शान्तिं कुर्वन्ति हर वैवस्वतोदकम् ॥ ७॥
आशाप्रतीक्षे संगतँ सूनृतां
चेष्टापूर्ते पुत्रपशूँश्च सर्वान् ।
एतद्वृङ्क्ते पुरुषस्याल्पमेधसो
यस्यानश्नन्वसति ब्राह्मणो गृहे ॥ ८॥
तिस्रो रात्रीर्यदवात्सीर्गृहे मे-
ऽनश्नन् ब्रह्मन्नतिथिर्नमस्यः ।
नमस्तेऽस्तु ब्रह्मन् स्वस्ति मेऽस्तु
तस्मात्प्रति त्रीन्वरान्वृणीष्व ॥ ९॥
शान्तसंकल्पः सुमना यथा स्याद्
वीतमन्युर्गौतमो माऽभि मृत्यो ।
त्वत्प्रसृष्टं माऽभिवदेत्प्रतीत
एतत् त्रयाणां प्रथमं वरं वृणे ॥ १०॥
यथा पुरस्ताद् भविता प्रतीत
औद्दालकिरारुणिर्मत्प्रसृष्टः ।
सुखँ रात्रीः शयिता वीतमन्युः
त्वां ददृशिवान्मृत्युमुखात् प्रमुक्तम् ॥ ११॥
स्वर्गे लोके न भयं किंचनास्ति
न तत्र त्वं न जरया बिभेति ।
उभे तीर्त्वाऽशनायापिपासे
शोकातिगो मोदते स्वर्गलोके ॥ १२॥
स त्वमग्निँ स्वर्ग्यमध्येषि मृत्यो
प्रब्रूहि त्वँ श्रद्दधानाय मह्यम् ।
स्वर्गलोका अमृतत्वं भजन्त
एतद् द्वितीयेन वृणे वरेण ॥ १३॥
प्र ते ब्रवीमि तदु मे निबोध
स्वर्ग्यमग्निं नचिकेतः प्रजानन् ।
अनन्तलोकाप्तिमथो प्रतिष्ठां
विद्धि त्वमेतं निहितं गुहायाम् ॥ १४॥
लोकादिमग्निं तमुवाच तस्मै
या इष्टका यावतीर्वा यथा वा ।
स चापि तत्प्रत्यवदद्यथोक्तं
अथास्य मृत्युः पुनरेवाह तुष्टः ॥ १५॥
तमब्रवीत् प्रीयमाणो महात्मा
वरं तवेहाद्य ददामि भूयः ।
तवैव नाम्ना भविताऽयमग्निः
सृङ्कां चेमामनेकरूपां गृहाण ॥ १६॥
त्रिणाचिकेतस्त्रिभिरेत्य सन्धिं
त्रिकर्मकृत्तरति जन्ममृत्यू ।
ब्रह्मजज्ञं देवमीड्यं विदित्वा
निचाय्येमाँ शान्तिमत्यन्तमेति ॥ १७॥
त्रिणाचिकेतस्त्रयमेतद्विदित्वा
य एवं विद्वाँश्चिनुते नाचिकेतम् ।
स मृत्युपाशान् पुरतः प्रणोद्य
शोकातिगो मोदते स्वर्गलोके ॥ १८॥
एष तेऽग्निर्नचिकेतः स्वर्ग्यो
यमवृणीथा द्वितीयेन वरेण ।
एतमग्निं तवैव प्रवक्ष्यन्ति जनासः
तृतीयं वरं नचिकेतो वृणीष्व ॥ १९॥
येयं प्रेते विचिकित्सा मनुष्ये-
ऽस्तीत्येके नायमस्तीति चैके ।
एतद्विद्यामनुशिष्टस्त्वयाऽहं
वराणामेष वरस्तृतीयः ॥ २०॥
देवैरत्रापि विचिकित्सितं पुरा
न हि सुविज्ञेयमणुरेष धर्मः ।
अन्यं वरं नचिकेतो वृणीष्व
मा मोपरोत्सीरति मा सृजैनम् ॥ २१॥
देवैरत्रापि विचिकित्सितं किल
त्वं च मृत्यो यन्न सुज्ञेयमात्थ ।
वक्ता चास्य त्वादृगन्यो न लभ्यो
नान्यो वरस्तुल्य एतस्य कश्चित् ॥ २२॥
शतायुषः पुत्रपौत्रान्वृणीष्वा
बहून्पशून् हस्तिहिरण्यमश्वान् ।
भूमेर्महदायतनं वृणीष्व
स्वयं च जीव शरदो यावदिच्छसि ॥ २३॥
एतत्तुल्यं यदि मन्यसे वरं
वृणीष्व वित्तं चिरजीविकां च ।
महाभूमौ नचिकेतस्त्वमेधि
कामानां त्वा कामभाजं करोमि ॥ २४॥
ये ये कामा दुर्लभा मर्त्यलोके
सर्वान् कामाँश्छन्दतः प्रार्थयस्व ।
इमा रामाः सरथाः सतूर्या
न हीदृशा लम्भनीया मनुष्यैः ।
आभिर्मत्प्रत्ताभिः परिचारयस्व
नचिकेतो मरणं माऽनुप्राक्षीः ॥ २५॥
श्वोभावा मर्त्यस्य यदन्तकैतत्
सर्वेंद्रियाणां जरयन्ति तेजः ।
अपि सर्वं जीवितमल्पमेव
तवैव वाहास्तव नृत्यगीते ॥ २६॥
न वित्तेन तर्पणीयो मनुष्यो
लप्स्यामहे वित्तमद्राक्ष्म चेत्त्वा ।
जीविष्यामो यावदीशिष्यसि त्वं
वरस्तु मे वरणीयः स एव ॥ २७॥
अजीर्यताममृतानामुपेत्य
जीर्यन्मर्त्यः क्वधःस्थः प्रजानन् ।
अभिध्यायन् वर्णरतिप्रमोदान्
अतिदीर्घे जीविते को रमेत ॥ २८॥
यस्मिन्निदं विचिकित्सन्ति मृत्यो
यत्साम्पराये महति ब्रूहि नस्तत् ।
योऽयं वरो गूढमनुप्रविष्टो
नान्यं तस्मान्नचिकेता वृणीते ॥ २९॥
॥ इति काठकोपनिषदि प्रथमाध्याये प्रथमा वल्ली ॥
अध्याय १
वल्ली २
अन्यच्छ्रेयोऽन्यदुतैव प्रेय-
स्ते उभे नानार्थे पुरुषँ सिनीतः ।
तयोः श्रेय आददानस्य साधु
भवति हीयतेऽर्थाद्य उ प्रेयो वृणीते ॥ १॥
श्रेयश्च प्रेयश्च मनुष्यमेतः
तौ सम्परीत्य विविनक्ति धीरः ।
श्रेयो हि धीरोऽभि प्रेयसो वृणीते
प्रेयो मन्दो योगक्षेमाद्वृणीते ॥ २॥
स त्वं प्रियान्प्रियरूपांश्च कामान्
अभिध्यायन्नचिकेतोऽत्यस्राक्षीः ।
नैतां सृङ्कां वित्तमयीमवाप्तो
यस्यां मज्जन्ति बहवो मनुष्याः ॥ ३॥
दूरमेते विपरीते विषूची
अविद्या या च विद्येति ज्ञाता ।
विद्याभीप्सिनं नचिकेतसं मन्ये
न त्वा कामा बहवोऽलोलुपन्त ॥ ४॥
अविद्यायामन्तरे वर्तमानाः
स्वयं धीराः पण्डितंमन्यमानाः ।
दन्द्रम्यमाणाः परियन्ति मूढा
अन्धेनैव नीयमाना यथान्धाः ॥ ५॥
न साम्परायः प्रतिभाति बालं
प्रमाद्यन्तं वित्तमोहेन मूढम् ।
अयं लोको नास्ति पर इति मानी
पुनः पुनर्वशमापद्यते मे ॥ ६॥
श्रवणायापि बहुभिर्यो न लभ्यः
श‍ृण्वन्तोऽपि बहवो यं न विद्युः ।
आश्चर्यो वक्ता कुशलोऽस्य लब्धा
आश्चर्यो ज्ञाता कुशलानुशिष्टः ॥ ७॥
न नरेणावरेण प्रोक्त एष
सुविज्ञेयो बहुधा चिन्त्यमानः ।
अनन्यप्रोक्ते गतिरत्र नास्ति
अणीयान् ह्यतर्क्यमणुप्रमाणात् ॥ ८॥
नैषा तर्केण मतिरापनेया
प्रोक्तान्येनैव सुज्ञानाय प्रेष्ठ ।
यां त्वमापः सत्यधृतिर्बतासि
त्वादृङ्नो भूयान्नचिकेतः प्रष्टा ॥ ९॥
जानाम्यहं शेवधिरित्यनित्यं
न ह्यध्रुवैः प्राप्यते हि ध्रुवं तत् ।
ततो मया नाचिकेतश्चितोऽग्निः
अनित्यैर्द्रव्यैः प्राप्तवानस्मि नित्यम् ॥ १०॥
कामस्याप्तिं जगतः प्रतिष्ठां
क्रतोरानन्त्यमभयस्य पारम् ।
स्तोममहदुरुगायं प्रतिष्ठां दृष्ट्वा
धृत्या धीरो नचिकेतोऽत्यस्राक्षीः ॥ ११॥
तं दुर्दर्शं गूढमनुप्रविष्टं
गुहाहितं गह्वरेष्ठं पुराणम् ।
अध्यात्मयोगाधिगमेन देवं
मत्वा धीरो हर्षशोकौ जहाति ॥ १२॥
एतच्छ्रुत्वा सम्परिगृह्य मर्त्यः
प्रवृह्य धर्म्यमणुमेतमाप्य ।
स मोदते मोदनीयँ हि लब्ध्वा
विवृतँ सद्म नचिकेतसं मन्ये ॥ १३॥
अन्यत्र धर्मादन्यत्राधर्मा-
दन्यत्रास्मात्कृताकृतात् ।
अन्यत्र भूताच्च भव्याच्च
यत्तत्पश्यसि तद्वद ॥ १४॥
सर्वे वेदा यत्पदमामनन्ति
तपाꣳसि सर्वाणि च यद्वदन्ति ।
यदिच्छन्तो ब्रह्मचर्यं चरन्ति
तत्ते पदꣳ सङ्ग्रहेण ब्रवीम्योमित्येतत् ॥ १५॥
एतद्ध्येवाक्षरं ब्रह्म एतद्ध्येवाक्षरं परम् ।
एतद्ध्येवाक्षरं ज्ञात्वा यो यदिच्छति तस्य तत् ॥ १६॥
एतदालम्बनँ श्रेष्ठमेतदालम्बनं परम् ।
एतदालम्बनं ज्ञात्वा ब्रह्मलोके महीयते ॥ १७॥
न जायते म्रियते वा विपश्चि-
न्नायं कुतश्चिन्न बभूव कश्चित् ।
अजो नित्यः शाश्वतोऽयं पुराणो
न हन्यते हन्यमाने शरीरे ॥ १८॥
हन्ता चेन्मन्यते हन्तुँ हतश्चेन्मन्यते हतम् ।
उभौ तौ न विजानीतो नायँ हन्ति न हन्यते ॥ १९॥
अणोरणीयान्महतो महीया-
नात्माऽस्य जन्तोर्निहितो गुहायाम् ।
तमक्रतुः पश्यति वीतशोको
धातुप्रसादान्महिमानमात्मनः ॥ २०॥
आसीनो दूरं व्रजति शयानो याति सर्वतः ।
कस्तं मदामदं देवं मदन्यो ज्ञातुमर्हति ॥ २१॥
अशरीरँ शरीरेष्वनवस्थेष्ववस्थितम् ।
महान्तं विभुमात्मानं मत्वा धीरो न शोचति ॥ २२॥
नायमात्मा प्रवचनेन लभ्यो
न मेधया न बहुना श्रुतेन ।
यमेवैष वृणुते तेन लभ्यः
तस्यैष आत्मा विवृणुते तनूꣳ स्वाम् ॥ २३॥
नाविरतो दुश्चरितान्नाशान्तो नासमाहितः ।
नाशान्तमानसो वाऽपि प्रज्ञानेनैनमाप्नुयात् ॥ २४॥
यस्य ब्रह्म च क्षत्रं च उभे भवत ओदनः ।
मृत्युर्यस्योपसेचनं क इत्था वेद यत्र सः ॥ २५॥
इति काठकोपनिषदि प्रथमाध्याये द्वितीया वल्ली ॥
अध्याय १
वल्ली ३
ऋतं पिबन्तौ सुकृतस्य लोके
गुहां प्रविष्टौ परमे परार्धे ।
छायातपौ ब्रह्मविदो वदन्ति
पञ्चाग्नयो ये च त्रिणाचिकेताः ॥ १॥
यः सेतुरीजानानामक्षरं ब्रह्म यत् परम् ।
अभयं तितीर्षतां पारं नाचिकेतँ शकेमहि ॥ २॥
आत्मानँ रथितं विद्धि शरीरँ रथमेव तु ।
बुद्धिं तु सारथिं विद्धि मनः प्रग्रहमेव च ॥ ३॥
इन्द्रियाणि हयानाहुर्विषयाँ स्तेषु गोचरान् ।
आत्मेन्द्रियमनोयुक्तं भोक्तेत्याहुर्मनीषिणः ॥ ४॥
यस्त्वविज्ञानवान्भवत्ययुक्तेन मनसा सदा ।
तस्येन्द्रियाण्यवश्यानि दुष्टाश्वा इव सारथेः ॥ ५॥
यस्तु विज्ञानवान्भवति युक्तेन मनसा सदा ।
तस्येन्द्रियाणि वश्यानि सदश्वा इव सारथेः ॥ ६॥
यस्त्वविज्ञानवान्भवत्यमनस्कः सदाऽशुचिः ।
न स तत्पदमाप्नोति संसारं चाधिगच्छति ॥ ७॥
यस्तु विज्ञानवान्भवति समनस्कः सदा शुचिः ।
स तु तत्पदमाप्नोति यस्माद्भूयो न जायते ॥ ८॥
विज्ञानसारथिर्यस्तु मनः प्रग्रहवान्नरः ।
सोऽध्वनः पारमाप्नोति तद्विष्णोः परमं पदम् ॥ ९॥
इन्द्रियेभ्यः परा ह्यर्था अर्थेभ्यश्च परं मनः ।
मनसस्तु परा बुद्धिर्बुद्धेरात्मा महान्परः ॥ १०॥
महतः परमव्यक्तमव्यक्तात्पुरुषः परः ।
पुरुषान्न परं किंचित्सा काष्ठा सा परा गतिः ॥ ११॥
एष सर्वेषु भूतेषु गूढोऽऽत्मा न प्रकाशते ।
दृश्यते त्वग्र्यया बुद्ध्या सूक्ष्मया सूक्ष्मदर्शिभिः ॥ १२॥
यच्छेद्वाङ्मनसी प्राज्ञस्तद्यच्छेज्ज्ञान आत्मनि ।
ज्ञानमात्मनि महति नियच्छेत्तद्यच्छेच्छान्त आत्मनि ॥ १३॥
उत्तिष्ठत जाग्रत
प्राप्य वरान्निबोधत ।
क्षुरस्य धारा निशिता दुरत्यया
दुर्गं पथस्तत्कवयो वदन्ति ॥ १४॥
अशब्दमस्पर्शमरूपमव्ययं
तथाऽरसं नित्यमगन्धवच्च यत् ।
अनाद्यनन्तं महतः परं ध्रुवं
निचाय्य तन्मृत्युमुखात् प्रमुच्यते ॥ १५॥
नाचिकेतमुपाख्यानं मृत्युप्रोक्तँ सनातनम् ।
उक्त्वा श्रुत्वा च मेधावी ब्रह्मलोके महीयते ॥ १६॥
य इमं परमं गुह्यं श्रावयेद् ब्रह्मसंसदि ।
प्रयतः श्राद्धकाले वा तदानन्त्याय कल्पते ।
तदानन्त्याय कल्पत इति ॥ १७॥
इति काठकोपनिषदि प्रथमाध्याये तृतीया वल्ली ॥
अध्याय २
वल्ली १
पराञ्चि खानि व्यतृणत् स्वयम्भू-
स्तस्मात्पराङ्पश्यति नान्तरात्मन् ।
कश्चिद्धीरः प्रत्यगात्मानमैक्ष-
दावृत्तचक्षुरमृतत्वमिच्छन् ॥ १॥
पराचः कामाननुयन्ति बाला-
स्ते मृत्योर्यन्ति विततस्य पाशम् ।
अथ धीरा अमृतत्वं विदित्वा
ध्रुवमध्रुवेष्विह न प्रार्थयन्ते ॥ २॥
येन रूपं रसं गन्धं शब्दान् स्पर्शाꣳश्च मैथुनान् ।
एतेनैव विजानाति किमत्र परिशिष्यते । एतद्वै तत् ॥ ३॥
स्वप्नान्तं जागरितान्तं चोभौ येनानुपश्यति ।
महान्तं विभुमात्मानं मत्वा धीरो न शोचति ॥ ४॥
य इमं मध्वदं वेद आत्मानं जीवमन्तिकात् ।
ईशानं भूतभव्यस्य न ततो विजुगुप्सते । एतद्वै तत् ॥ ५॥
यः पूर्वं तपसो जातमद्भ्यः पूर्वमजायत ।
गुहां प्रविश्य तिष्ठन्तं यो भूतेभिर्व्यपश्यत । एतद्वै तत् ॥ ६॥
या प्राणेन संभवत्यदितिर्देवतामयी ।
गुहां प्रविश्य तिष्ठन्तीं या भूतेभिर्व्यजायत । एतद्वै तत् ॥ ७॥
अरण्योर्निहितो जातवेदा गर्भ इव सुभृतो गर्भिणीभिः ।
दिवे दिवे ईड्यो जागृवद्भिर्हविष्मद्भिर्मनुष्येभिरग्निः । एतद्वै तत् ॥ ८॥
यतश्चोदेति सूर्योऽस्तं यत्र च गच्छति ।
तं देवाः सर्वेऽर्पितास्तदु नात्येति कश्चन । एतद्वै तत् ॥ ९॥
यदेवेह तदमुत्र यदमुत्र तदन्विह ।
मृत्योः स मृत्युमाप्नोति य इह नानेव पश्यति ॥ १०॥
मनसैवेदमाप्तव्यं नेह नानाऽस्ति किंचन ।
मृत्योः स मृत्युं गच्छति य इह नानेव पश्यति ॥ ११॥
अङ्गुष्ठमात्रः पुरुषो मध्य आत्मनि तिष्ठति ।
ईशानं भूतभव्यस्य न ततो विजुगुप्सते । एतद्वै तत् ॥ १२॥
अङ्गुष्ठमात्रः पुरुषो ज्योतिरिवाधूमकः ।
ईशानो भूतभव्यस्य स एवाद्य स उ श्वः । एतद्वै तत् ॥ १३॥
यथोदकं दुर्गे वृष्टं पर्वतेषु विधावति ।
एवं धर्मान् पृथक् पश्यंस्तानेवानुविधावति ॥ १४॥
यथोदकं शुद्धे शुद्धमासिक्तं तादृगेव भवति ।
एवं मुनेर्विजानत आत्मा भवति गौतम ॥ १५॥
इति काठकोपनिषदि द्वितीयाध्याये प्रथमा वल्ली ॥
अध्याय २
वल्ली २
पुरमेकादशद्वारमजस्यावक्रचेतसः ।
अनुष्ठाय न शोचति विमुक्तश्च विमुच्यते । एतद्वै तत् ॥ १॥
हँसः शुचिषद्वसुरन्तरिक्षसद्-
होता वेदिषदतिथिर्दुरोणसत् ।
नृषद्वरसदृतसद्व्योमसद्
अब्जा गोजा ऋतजा अद्रिजा ऋतं बृहत् ॥ २॥
ऊर्ध्वं प्राणमुन्नयत्यपानं प्रत्यगस्यति ।
मध्ये वामनमासीनं विश्वे देवा उपासते ॥ ३॥
अस्य विस्रंसमानस्य शरीरस्थस्य देहिनः ।
देहाद्विमुच्यमानस्य किमत्र परिशिष्यते । एतद्वै तत् ॥ ४॥
न प्राणेन नापानेन मर्त्यो जीवति कश्चन ।
इतरेण तु जीवन्ति यस्मिन्नेतावुपाश्रितौ ॥ ५॥
हन्त त इदं प्रवक्ष्यामि गुह्यं ब्रह्म सनातनम् ।
यथा च मरणं प्राप्य आत्मा भवति गौतम ॥ ६॥
योनिमन्ये प्रपद्यन्ते शरीरत्वाय देहिनः ।
स्थाणुमन्येऽनुसंयन्ति यथाकर्म यथाश्रुतम् ॥ ७॥
य एष सुप्तेषु जागर्ति कामं कामं पुरुषो निर्मिमाणः ।
तदेव शुक्रं तद्ब्रह्म तदेवामृतमुच्यते ।
तस्मिँल्लोकाः श्रिताः सर्वे तदु नात्येति कश्चन । एतद्वै तत् ॥ ८॥
अग्निर्यथैको भुवनं प्रविष्टो
रूपं रूपं प्रतिरूपो बभूव ।
एकस्तथा सर्वभूतान्तरात्मा
रूपं रूपं प्रतिरूपो बहिश्च ॥ ९॥
वायुर्यथैको भुवनं प्रविष्टो
रूपं रूपं प्रतिरूपो बभूव ।
एकस्तथा सर्वभूतान्तरात्मा
रूपं रूपं प्रतिरूपो बहिश्च ॥ १०॥
सूर्यो यथा सर्वलोकस्य चक्षुः
न लिप्यते चाक्षुषैर्बाह्यदोषैः ।
एकस्तथा सर्वभूतान्तरात्मा
न लिप्यते लोकदुःखेन बाह्यः ॥ ११॥
एको वशी सर्वभूतान्तरात्मा
एकं रूपं बहुधा यः करोति ।
तमात्मस्थं येऽनुपश्यन्ति धीराः
तेषां सुखं शाश्वतं नेतरेषाम् ॥ १२॥
नित्योऽनित्यानां चेतनश्चेतनानाम्
एको बहूनां यो विदधाति कामान् ।
तमात्मस्थं येऽनुपश्यन्ति धीराः
तेषां शान्तिःशाश्वती नेतरेषाम् ॥ १३॥
तदेतदिति मन्यन्तेऽनिर्देश्यं परमं सुखम् ।
कथं नु तद्विजानीयां किमु भाति विभाति वा ॥ १४॥
न तत्र सूर्यो भाति न चन्द्रतारकं
नेमा विद्युतो भान्ति कुतोऽयमग्निः ।
तमेव भान्तमनुभाति सर्वं
तस्य भासा सर्वमिदं विभाति ॥ १५॥
इति काठकोपनिषदि द्वितीयाध्याये द्वितीया वल्ली ॥
अध्याय २
वल्ली ३
ऊर्ध्वमूलोऽवाक्शाख एषोऽश्वत्थः सनातनः ।
तदेव शुक्रं तद्ब्रह्म तदेवामृतमुच्यते ।
तस्मिँल्लोकाः श्रिताः सर्वे तदु नात्येति कश्चन । एतद्वै तत् ॥ १॥
यदिदं किं च जगत् सर्वं प्राण एजति निःसृतम् ।
महद्भयं वज्रमुद्यतं य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति ॥ २॥
भयादस्याग्निस्तपति भयात्तपति सूर्यः ।
भयादिन्द्रश्च वायुश्च मृत्युर्धावति पञ्चमः ॥ ३॥
इह चेदशकद्बोद्धुं प्राक्षरीरस्य विस्रसः ।
ततः सर्गेषु लोकेषु शरीरत्वाय कल्पते ॥ ४॥
यथाऽऽदर्शे तथाऽऽत्मनि यथा स्वप्ने तथा पितृलोके ।
यथाऽप्सु परीव ददृशे तथा गन्धर्वलोके
छायातपयोरिव ब्रह्मलोके ॥ ५॥
इन्द्रियाणां पृथग्भावमुदयास्तमयौ च यत् ।
पृथगुत्पद्यमानानां मत्वा धीरो न शोचति ॥ ६॥
इन्द्रियेभ्यः परं मनो मनसः सत्त्वमुत्तमम् ।
सत्त्वादधि महानात्मा महतोऽव्यक्तमुत्तमम् ॥ ७॥
अव्यक्तात्तु परः पुरुषो व्यापकोऽलिङ्ग एव च ।
यं ज्ञात्वा मुच्यते जन्तुरमृतत्वं च गच्छति ॥ ८॥
न संदृशे तिष्ठति रूपमस्य
न चक्षुषा पश्यति कश्चनैनम् ।
हृदा मनीषा मनसाऽभिक्लृप्तो
य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति ॥ ९॥
यदा पञ्चावतिष्ठन्ते ज्ञानानि मनसा सह ।
बुद्धिश्च न विचेष्टते तामाहुः परमां गतिम् ॥ १०॥
तां योगमिति मन्यन्ते स्थिरामिन्द्रियधारणाम् ।
अप्रमत्तस्तदा भवति योगो हि प्रभवाप्ययौ ॥ ११॥
नैव वाचा न मनसा प्राप्तुं शक्यो न चक्षुषा ।
अस्तीति ब्रुवतोऽन्यत्र कथं तदुपलभ्यते ॥ १२॥
अस्तीत्येवोपलब्धव्यस्तत्त्वभावेन चोभयोः ।
अस्तीत्येवोपलब्धस्य तत्त्वभावः प्रसीदति ॥ १३॥
यदा सर्वे प्रमुच्यन्ते कामा येऽस्य हृदि श्रिताः ।
अथ मर्त्योऽमृतो भवत्यत्र ब्रह्म समश्नुते ॥ १४॥
यदा सर्वे प्रभिद्यन्ते हृदयस्येह ग्रन्थयः ।
अथ मर्त्योऽमृतो भवत्येतावद्ध्यनुशासनम् ॥ १५॥
शतं चैका च हृदयस्य नाड्य-
स्तासां मूर्धानमभिनिःसृतैका ।
तयोर्ध्वमायन्नमृतत्वमेति
विष्वङ्ङन्या उत्क्रमणे भवन्ति ॥ १६॥
अङ्गुष्ठमात्रः पुरुषोऽन्तरात्मा
सदा जनानां हृदये संनिविष्टः ।
तं स्वाच्छरीरात्प्रवृहेन्मुञ्जादिवेषीकां धैर्येण ।
तं विद्याच्छुक्रममृतं तं विद्याच्छुक्रममृतमिति ॥ १७॥
मृत्युप्रोक्तां नचिकेतोऽथ लब्ध्वा
विद्यामेतां योगविधिं च कृत्स्नम् ।
ब्रह्मप्राप्तो विरजोऽभूद्विमृत्यु-
रन्योऽप्येवं यो विदध्यात्ममेव ॥ १८॥
सह नाववतु । सह नौ भुनक्तु । सह वीर्यं करवावहै ।
तेजस्विनावधीतमस्तु मा विद्विषावहै ॥ १९॥
ॐ शान्तिः शान्तिः शान्तिः ॥
इति काठकोपनिषदि द्वितीयाध्याये तृतीया वल्ली ॥
ॐ सह नाववतु । सह नौ भुनक्तु । सहवीर्यं करवावहै ।
तेजस्वि नावधीतमस्तु । मा विद्विषावहै ॥
ॐ शान्तिः शान्तिः शान्तिः ॥
ॐ तत् सत् ॥

Katha Upanishad: Sanskrit Text, Übersetzung und Erläuterung von Swami Sivananda

Einleitung

Verehrung dem Todesgott Yama, dem Sohn des Vivasvan (Sūrya)!

Die Kaṭha-Upaniṣad ist in sechs vallīs aufgeteilt. Vallī bedeutet wörtlich „Schlingpflanze“, denn ähnlich einer Schlingpflanze haftet sie an den śākhās (Zweigen) der Veden. Vallī wird in derselben Bedeutung gebraucht wie parvam – Blattansatz, Spross, Zweig, also ein Abschnitt. Diese upaniṣad besteht somit aus zwei adhyāyas (Kapitel) mit je drei vallīs (Stränge).

Dies ist eine der schönsten upaniṣads. In ihr werden die ewigen Wahrheiten in Form einer Erzählung dargebracht. Die Erzählung ist dem Taittirīya-Brāhmaṇa (3.11.8) entnommen, mit einigen Abweichungen. Der einzige Unterschied zwischen den Texten ist, dass gemäß dem brāhmaṇa Freiheit von Geburt und Tod durch die spezielle Ausführung eines Opfers erreicht wird. In der upaniṣad dagegen wird sie allein durch Wissen gewonnen.

Die Geschichte geht so:

Vājaśravas opferte, in seinem Wunsch nach Belohnung, all seinen Reichtum. Er hatte einen Sohn, Naciketas. Während der noch ein Knabe war, ergriff ihn der Glaube, und zwar in dem Moment, wo die Kühe hereingetrieben wurden, die den Priestern vom Vater als Geschenk dargebracht werden sollten. Naciketas sagte: „Vater, wem wirst du mich geben?“ Er wiederholte dies ein zweites und ein drittes Mal. Da drehte sich der Vater zu ihm und sagte: „Dem Tod gebe ich dich.“

Da sprach eine Stimme zu dem jungen Naciketas, als dieser aufstand: „Dein Vater sagte: ‚Gehe zum Haus des Todes; ich gebe dich dem Tod.‘ Deshalb geh zu Yama (dem Todesgott), wenn er gerade nicht zu Hause ist, und bleib für drei Nächte in seinem Haus, ohne zu essen. Wenn er dich dann fragt: ‚Junge, wie viele Nächte bist du hier gewesen?‘, sage: ‚Drei‘. Wenn er dich fragt: ‚Was hast du in der ersten Nacht gegessen?‘, sage: ‚Deine Nachkommen‘; auf, was hast du in der zweiten Nacht gegessen?‘, sage: ‚Dein Vieh‘, auf‚ was hast du in der dritten Nacht gegessen?, sage: ‚Deine guten Werke.‘“

Naciketas ging zum Todesgott Yama, während dieser nicht zu Hause war, und blieb in seinem Haus für drei Nächte, ohne zu essen. Als Yama zurückkehrte, sagte er:

„Junge, wie viele Nächte bist du hier gewesen?“

Naciketas antwortete: „Drei“.
Yama fragte: „Was hast du in der ersten Nacht gegessen?“
Naciketas antwortete: „Deine Nachkommen.“
Yama fragte: „Was hast du in der zweiten Nacht gegessen?“
Naciketas: „Dein Vieh.“
Yama: „Was hast du in der dritten Nacht gegessen?“
Naciketas: „Deine guten Werke“.
Yama: „Alle Achtung, o verehrter Knabe! Du darfst dir etwas wünschen!“
Naciketas: „Möge ich lebend zu meinem Vater zurückkehren.“
Yama: „Nenn mir noch einen zweiten Wunsch!“
Naciketas: „Sag mir, wie meine guten Werke niemals vergehen werden!“
Yama lehrte ihn das Nāciketa-Feuerritual, was dazu führte, dass seine guten Werke niemals vergehen.
Yama: „Du hast noch einen dritten Wunsch frei!“
Naciketas: „Sag mir, wie man den Tod überwindet!“
Yama lehrte ihn das Nāciketa-Hauptritual, was dazu führte, dass er den Tod besiegte.

Diese Upanishad ist sehr populär geworden, nicht nur in Indien sondern in der ganzen Welt. Sie ist in viele Sprachen übersetzt worden. Sie ist ein Zweig des Kṛṣṇa-yajur-Veda, und zwar ist sie Teil des kaṭha-śākhā-brāhmaṇa. Einige Verse dieser Upanishad tauchen in der Bhagavad-Gītā auf. Sie verdient sorgfältige Beachtung durch all jene, die an der Entwicklung religiöser und philosophischer Ideen interessiert sind. Die erhabenen Lehren des vedānta werden in dieser upaniṣad in einer sehr ansprechenden Weise vorgetragen.

Die Kaṭha-Upaniṣad ist immer als eine der besten Upanishaden angesehen worden. Sie hat auch die Wertschätzung vieler englischer, französischer und deutscher Autoren gewonnen; sie betrachten diese Upanishad als das beste Buch über Philosophie und Dichtkunst der frühen Hindus. In Bezug auf Erhabenheit der Gedanken, Tiefe des Ausdrucks und Schönheit der Bildsymbolik kommt keine andere Upanishad der Kaṭha-Upaniṣad gleich.

Der Vergleich des Körpers mit einem Streitwagen, der Seele mit dem Herrn des Wagens, des Intellekts mit dem Wagenlenker, des manas mit den Zügeln, der Sinne mit den Pferden, der fünf Objekte der Sinne mit den Straßen – diese Vergleiche sind in der Tat besonders schön. In dieser Upanishad wird der Weg beschrieben, wie man Selbstverwirklichung erlangt.

Durch Passagen wie „Dieser ist schwer zu erkennen, er ist sehr subtil, er kann nicht durch Argumentation erreicht werden“ ist es offensichtlich, dass Offenbarung bzw. direkte Intuition (aparokṣa-anubhūti) die Quelle des Wissens um das Selbst ist.

Passagen wie „Ein wunderbarer Lehrer ist erforderlich“, „Steh auf, erwache; wenn du einen ausgezeichneten Lehrer gefunden hast, lerne!“ (3.14), „Wie kann dieser ātman anders erkannt werden als von denen, die sagen, dass Er existiert?“ (6.12) – diese Passagen machen sehr klar, dass ein verwirklichter guru notwendig ist, den Aspiranten auf dem spirituellen Pfad zu führen.

Der 11. Vers der 6. vallī wird zeigen, dass diese Upanishad auch die Notwendigkeit des Yoga anerkennt. Der Vers sagt: „Sie betrachten die feste Kontrolle der Sinne als Yoga. Von dem Moment an wird man wachsam, denn Yoga kann gewonnen und auch verloren werden.“

Einige Autoren beklagen, dass die Kaṭha-Upaniṣad keine Schöpfung eines originellen Schöpfers bzw. Sehers ist. Sie sagen, dass teilweise wenig Verbindung zwischen den Gedanken und den Versen besteht, dass kein Fortschritt von einer Idee zur anderen zu sehen ist, dass anderswo keine Ordnung oder logische Abfolge herrscht und dass das Ganze ein reines Sammelwerk ist. Das ist ein trauriges Missverständnis. Die Seher hatten direkte Offenbarungen während Meditation und Innenschau. Sie haben einfach ihre Erfahrungen ausgesprochen. Ihre inspirierten Gedanken sind verstreut in verschiedenen śākhās (Zweigen) der Veden. In alten Zeiten wurden die Gedanken der Seher und ihre Dichtungen Mund zu Mund von Lehrer zum Schüler weitergegeben. Die ursprünglichen Verfasser, die Bearbeiter, die Sammler und Wiederholer und schließlich die, die die Upanishaden aufschrieben, haben sich vielleicht nicht die Mühe gemacht, sie in geordneter Weise zu arrangieren. In einigen Fällen ist der Text vielleicht von späteren Bearbeitern, Schreibern oder Druckern verfälscht oder durcheinandergebracht worden. Diese Upanishad wurde den europäischen Gelehrten zum ersten Mal durch Raja Ram Mohun Roy (1772-1833 n. Chr.) nahegebracht. Sie wurde von Karl. J. H. Windischmann (1775-1839 n. Chr.) und Ludwig Poley (ca. 1812-1885) ins Deutsche übersetzt. Dr. Albrecht F. Weber (1825-1901) schrieb einen Kommentar. Ānandagiri (9. Jh. n. Chr.) verfasste Erklärungen zu dem Kommentar von Śaṅkara (ca. 788-820 n. Chr.) verfasst. Desweiteren wurde diese Upanishad von John Muir (1838-1914), Rose Rignaud (19. Jh.), Archibald E. Gough (1845-1915) und vielen anderen übersetzt (bzw. kommentiert).

Mögen die Wahrheiten der Upanishaden sich euch allen eröffnen. Mögt ihr alle richtiges Verständnis, Unterscheidungsvermögen und einen reinen Intellekt mitbringen! Mögt ihr alle frei sein von den Knoten der Unwissenheit, den Bindungen des saṃsāra und den Fesseln von Geburt und Tod! Mögt ihr alle gesegnet sein mit einem śrotriya brahmaniṣṭha guru, der euch auf dem spirituellen Weg leitet und führt! Mögt ihr alle noch in diesem Leben leuchten als jīvan-muktas und brahma-jñānīs!


Prathamo 'dhyāyaḥ, Prathamā Vallī - Erstes Kapitel, erster Handlungsstrang Katha Upanishad

Shanti Mantra

oṃ saha nāvavatu।
saha nau bhunaktu।
saha vīryaṃ karavāvahai।
tejasvi nāvadhītamastu।
mā vidviṣāvahai॥
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥

Om! Möge Es uns beide (Lehrer und Schüler) beschützen. Möge Er uns beiden die Glückseligkeit von mukti schenken. Mögen wir uns beide bemühen, die wahre Bedeutung der Schriften herauszufinden. Mögen unsere Studien fruchtbar sein. Mögen wir niemals untereinander streiten. Oṃ, Frieden! Frieden! Frieden!


om uśan ha vai vājaśravasaḥ sarvavedasaṃ dadau।
tasya ha naciketā nāma putra āsa॥ 1॥

1.1. Zu einer Zeit gab (in einem Opferritual) der Sohn von Vājaśravas (Gautama), in seinem Wunsch, den Himmel zu erreichen, alles weg, was er besaß. Er hatte einen Sohn namens Naciketas.

ERLÄUTERUNG: Uśan – mit dem Wunsch (nach himmlischer Belohnung); vāja – Nahrung; śrava – Ruhm. Der Name Vājaśrava bezeichnet also einen Menschen, der bekannt geworden ist durch Spenden von Nahrung. Oder es ist einfach ein Eigenname. Der Sohn von Vājaśravas ist Vājaśravasah. Vājaśravasah führte ein viśvajit-Opfer durch. Viśvajit ist ein Opfer, in dem vom Opfernden verlangt wird, dass er all seinen Besitz und Reichtum weggibt. Dieses Opfer wird im Allgemeinen von Königen ausgeführt, die von einer Eroberung anderer Königreiche (digvijaya) zurückkommen. Es kann auch von Brahmanen durchgeführt werden.


taṃ ha kumāraṃ santaṃ dakṣiṇāsu nīyamānāsu śraddhāviveśa। so'manyata॥ 2॥

1.2. Als die Geschenke verteilt werden sollten, ergriff liebevolle Besorgnis (um das Wohlergehen des Vaters) das Herz des Naciketas, der noch ein Knabe war, und er dachte:

ERLÄUTERUNG: Obwohl Naciketas noch sehr jung war, war doch sein Herz erfüllt von śraddhā (Glauben). Er wollte Gutes für seinen Vater tun. „Als die dakṣiṇās (Abschlussgaben, nämlich Kühe) hereingebracht wurden, um an die ṛtviks (Priester) verteilt zu werden, überlegte Naciketas bei sich …“

Śraddhā – unumstößlicher Glaube in die Worte des guru, die Lehren der Schriften und das eigene Selbst. Dies ist eine der sechs Tugenden (ṣaṭ-sampad). Jeder Sucher sollte als allererstes mit dieser wichtigen Tugend ausgestattet sein. Ohne śraddhā ist kein spiritueller Fortschritt möglich. Ohne śraddhā kann niemand einen Fuß auf den spirituellen Weg setzen bzw. ein spirituelles Leben beginnen. Du kannst śraddhā entwickeln durch regelmäßigen satsaṅg, d.h. Zusammensein mit Weisen oder Erleuchteten, und durch Dienst an deinem guru.

Naciketas hatte śraddhā, d.h. einen festen und starken Glauben. Daher war er ein geeigneter und würdiger Schüler, um die spirituellen Unterweisungen von Yama zu empfangen. Er wurde durch dessen Versuchungen nicht vom Weg abgebracht. Yama merkte auch, dass Naciketas ein geeigneter adhikārī war, um seine Instruktionen zu empfangen. Deshalb weihte er Naciketas in die Mysterien des ātman ein.


pītodakā jagdhatṛṇā dugdhadohā nirindriyāḥ।
anandā nāma te lokāstānsa gacchati tā dadat॥ 3॥

1.3. Freudlos, wahrhaftig, sind jene Welten, die ein Mensch gewinnt, der Kühe weggibt (als Geschenke in einem Opferritual), die ihr letztes Wasser getrunken, ihr letztes Gras gefressen, ihre letzte Milch gegeben haben und unfruchtbar sind.

ERLÄUTERUNG: Der Mensch, der den ṛtviks, als Opferlohn, nutzlose, verkrüppelte und alte Kühe gibt, die ihr letztes Wasser getrunken, ihr letztes Gras gegessen, ihre letzte Milch gegeben haben und unfruchtbar sind, wandert in jene Welten, die ohne Freude sind. Pītodakāḥ – die kein Wasser mehr trinken; jagdhatṛṇāḥ – die kein Gras mehr fressen können; dugdhadohāḥ – die alle Milch gegeben haben, aber jetzt zu alt dazu sind; nirindriyāḥ – unfruchtbar, die keine Kälber mehr gebären können.


sa hovāca pitaraṃ tata kasmai māṃ dāsyasīti।
dvitīyaṃ tṛtīyaṃ taṃ hovāca mṛtyave tvā dadāmīti॥ 4॥

1.4. Naciketas fragte seinen Vater: „O Vater, wem wirst du micht geben?“ Er wiederholte es und dann, beim dritten Mal, antwortete der (verärgerte) Vater: „Dem Tod gebe ich dich!“

ERLÄUTERUNG: Naciketas dachte, dass sein Vater beim Opfer nicht alle seine Reichtümer weggab und dass er deshalb keine himmlische Belohnung und keine glücklichen Welten erreichen würde. Er dachte, es sei die Pflicht eines guten Sohnes, die unerwünschten Konsequenzen für den Vater zu verhindern, wenn der das Opfer in unkorrekter Weise durchführen würde. Deshalb bot Naciketas sich selbst an, um das Gelübde zu erfüllen, das der Vater nur sehr widerwillig und unvollkommen erfüllte. Er war ziemlich verstört, als er sah, dass der Vater den Priestern nur völlig nutzlose Kühe als Geschenk darbrachte. Er dachte, dass der Vater sein Gelübde nicht einhielt und dass die Gabe nutzloser Kühe ihn nicht in den Himmel bringen würde. Die Sorge, als Sohn, um das Wohlergehen des Vaters, drang in sein Herz ein, obwohl er noch sehr jung war. Der Sohn ist auch ein Besitz des Vaters. Deshalb sollte man auch den Sohn den Priestern als Opferlohn geben, wenn man das Gelübde wirklich ernst nimmt. Insofern bedrängte Naciketas seinen Vater indirekt, sein Versprechen einzuhalten. Er ging zu seinem Vater und fragte: „Vater, wem unter den ṛtviks wirst du mich als dakṣiṇā (Belohnung) geben?“ Der Vater antwortete nicht sofort. Naciketas wiederholte seine Frage noch zwei Mal: „Wem wirst du mich geben ... Wem wirst du mich geben?“ Der Vater wurde ärgerlich über das ungehörige Verhalten des Jungen und antwortete: „Dem Tod gebe ich dich!“


bahūnāmemi prathamo bahūnāmemi madhyamaḥ।
kiṃ svidyamasya kartavyaṃ yanmayā'dya kariṣyati॥ 5॥

1.5. Naciketas dachte: „Unter vielen gelte ich als der erste; unter vielen gelte ich als mittelgut. Was wird die Arbeit von Yama sein, die er mir heute aufgibt?“

ERLÄUTERUNG: Daraufhin überlegte Naciketas bei sich selbst: „Unter vielen seiner Schüler bin ich der erste, der Dienste leistet. Unter vielen bin ich der erste, der seine Sohnespflichten erfüllt. Unter vielen bin ich auch in der Mitte, was gute Qualitäten betrifft, aber ich bin nie der schlechteste gewesen. Und doch sagt mein Vater, dass er mich dem Tod geben will. Welche Aufgabe wird Yama wohl durch mich verwirklichen? Mein Vater hat im Ärger gesprochen; aber sein Wort sollte auf keinen Fall gebrochen werden.“


anupaśya yathā pūrve pratipaśya tathā'pare।
sasyamiva martyaḥ pacyate sasyamivājāyate punaḥ॥ 6॥

1.6. Naciketas sagte: „Erinnere dich daran, wie unsere Vorfahren handelten; und sieh, wie andere jetzt handeln. Wie Getreide vergeht der Sterbliche, und wie Getreide wird er wiedergeboren“ (Naciketas betrat den Wohnsitz des Yama Vaivasvata. Da war niemand, der ihn empfing; Yama war ausgegangen.)

ERLÄUTERUNG: Denke daran, geliebter Vater, wie unsere Vorväter sich verhielten. Sie standen zu ihrem Wort und sprachen unter allen Umständen die Wahrheit. Weise, Heilige und tugendhafte Menschen der Gegenwart weichen niemals von dem Pfad der Wahrheit ab. Sie sprechen niemals eine Unwahrheit, was auch kommen möge. Sie werden für die Wahrheit sogar ihr Leben hergeben. Nichts kann sie in Versuchung bringen, von der Wahrheit abzuweichen. Wahrheit ist ihr Ziel. Brahman ist Wahrheit, und man kann sie nur erreichen, indem man die Wahrheit spricht. Niemand, der sein Wort gebrochen hat, kann unsterblich werden. Diese Welt ist vergänglich. Der Mensch vergeht und stirbt wie das Getreide. Wie Getreide wird er wiedergeboren. Was könnte man in dieser vergänglichen Welt gewinnen, wenn man sein Wort bricht. Der Same wird in die Erde geworfen. Das Getreide reift und fällt. Und wieder wächst es. Genauso verhält es sich mit dem Kreislauf von Geburt und Tod für den Menschen. Wer geboren wird muss sterben und wer stirbt, muss wieder geboren werden.

Naciketas wollte den Vater dazu bringen, sein Wort zu halten und ihn, Naciketas, zum Tod (Yama) zu schicken. Das ist der Gedankengang dieses Verses.


vaiśvānaraḥ praviśatyatithirbrāhmaṇo gṛhān।
tasyaitāṃ śāntiṃ kurvanti hara vaivasvatodakam॥ 7॥

1.7. Ein Gast, der ein Brahmane ist, betritt das Haus wie ein Feuer. Die Menschen bringen ihm dieses Friedensopfer (um das Feuer zu löschen oder zu beruhigen). Bring Wasser, o Vaivasvata (o Sohn des Vivasvat, der Sonne).

ERLÄUTERUNG: Der Vater sandte Naciketas zu Yama, um sein Wort zu halten. Yama war gerade nicht zu Hause. So fastete Naciketas drei Nächte lang. Als Yama zurückkehrte, erzählten ihm seine Frau und seine Minister: „Ein Gast, der Brahmane ist, betritt das Haus wie ein Feuer. Gute Hausherren stimmen ihn versöhn- lich, indem sie ihm Wasser darbringen, seine Füße zu waschen (padya); sie geben ihm einen Sitz (āsana), Nahrung und andere Gaben. Deshalb, o Vaivasvata, bring ihm Wasser, um seine Füße zu waschen. Wenn das nicht getan wird, wird es schlimme Folgen haben.“ So wie Feuer ein Haus verzehrt, so zerstört der Ärger eines Brahmanen-Gastes das Glück des Hausherrn, falls er nicht angemessen behandelt wird.

Śāntiṃ tasya – 1. das Löschen eines Feuers, 2. das Beruhigen des Ärgers eines Brahmanen-Gastes durch die Gabe von Wasser; vaivasvata – ein vedischer Beiname des Todesgottes Yama.


āśāpratīkṣe saṃgataṃ sūnṛtāṃ ceṣṭāpūrte putrapaśūṃśca sarvān।
etad vṛṅkte puruṣasyālpamedhaso yasyānaśnanvasati brāhmaṇo gṛhe॥ 8॥

1.8. Hoffnung, Erwartungen, Gemeinschaft mit guten Menschen, freundliche Gespräche, Opferhandlungen, fromme Gaben, Söhne und Vieh – all dies wird zerstört für den unwissenden Menschen, in dessen Haus ein Brahmanen-Gast verweilt, ohne Nahrung zu erhalten.

ERLÄUTERUNG: Āśā (Hoffnung) – der Wunsch nach etwas Unbekanntem, wie z.B. Freuden im Himmel; pratīkṣā (Erwartung) – die Zuversicht, ein bekanntes Objekt zu erhalten, z.B. Reichtum; saṃgatam (saṅgatam) – das Verdienst, das einen durch die Verbindung mit tugendhaften Menschen zufällt; sūnṛtām – angenehme Gespräche, d.h. das Verdienst, das einem zufällt, indem man wahre und erfreuliche Worte zu anderen spricht; iṣṭam – die Frucht einer Opferhandlung; pūrtam – das Verdienst, das einem dadurch zukommt, dass man wohltätige Handlungen vollbringt, wie z.B. Bauen von Krankenhäusern, Herbergen, Anlage von Gärten, Graben von Brunnen etc.; putra-paśūn – Söhne (Kinder) und Vieh.

All dies wird zerstört für einen dummen Menschen, in dessen Haus ein Brahmane als Gast verweilt, ohne Essen zu bekommen. Deshalb muss ein Gast gut behandelt werden. Er sollte auf gar keinen Fall vernachlässigt werden.

Ein Gast ist ein Verkörperung (atithi) von Gott (Nārāyaṇa). Einen Gast mit Gottesverehrung (nārāyaṇa bhāva) zu bewirten, ist eins der fünf großen Opferrituale (pañca-mahā-yajñas), die ein Haushälter ausführen soll.


tisro rātrīryadavātsīrgṛhe me'naśnanbrahmannatithirnamasyaḥ।
namaste'stu brahmansvasti me'stu tasmātprati trīnvarānvṛṇīṣva॥ 9॥

1.9. YAMA: O Brahmane, da du, ein verehrungswürdiger Gast, drei Nächte in meinem Haus verbracht hat, ohne zu essen: Nenne mir dafür drei Wünsche, die ich dir erfüllen werde. O Brahmane, ich verneige mich vor dir. Möge dir Gutes widerfahren!

ERLÄUTERUNG: Yama trat Naciketas mit großer Hochachtung gegenüber und sagte: „Da du drei Nächte in meinem Haus gelebt hast, ohne zu essen, so äußere drei Wünsche, einen für jede Nacht, die du gefastet hast. O Brahmane, du bist ein verehrungswürdiger Gast. Ich verneige mich vor dir. Sei mir wohlgesonnen. Du hast drei Nächte lang gefastet. Das bedeutet eine große Sünde für mich. Befreie mich von dieser Sünde. Möge mir durch deine Gnade alles Gute zufallen. Ich möchte dir zu Diensten sein. Deswegen nenne mir drei Wünsche.“


śāntasaṃkalpaḥ sumanā yathā syādvītamanyurgautamo mābhi mṛtyo।
tvatprasṛṣṭaṃ mābhivadetpratīta etattrayāṇāṃ prathamaṃ varaṃ vṛṇe॥ 10॥

1.10. NACIKETAS: O Tod, der erste Wunsch, den ich habe, ist, dass Gautama, mein Vater, besänftigt und freundlich mir gegenüber ist, frei von Ärger, und dass er mich erkennt und mich grüßt, wenn ich von dir zurückgesandt werde.“

ERLÄUTERUNG: „Lass meinen Vater frei sein von Sorge darüber, wie es mir ergehen mag, nachdem ich den Wohnsitz von Yama erreicht habe. Möge er Frieden empfinden. Möge er frei sein von Ärger gegen mich. Möge er mich erkennen und willkommen heißen, wenn ich durch dich zu ihm zurückgesandt werde.“ Dies ist der erste der drei Wünsche.


yathā purastād bhavitā pratīta auddālakirāruṇirmatprasṛṣṭaḥ।
sukhaṃ rātrīḥ śayitā vītamanyustvāṃ dadṛśivānmṛtyumukhātpramuktam॥ 11॥

1.11. YAMA: Nach meinem Willen wird Auddālaki, der Sohn von Aruṇi, dich erkennen wie früher. Er wird in der Nacht friedlich schlafen und wenn er dich vom Rachen des Todes befreit sieht, wird sein Ärger schwinden.“

ERLÄUTERUNG: „So wie dein Vater Auddālaki Aruṇi dich vorher geliebt hat, so wird er dich auch jetzt lieben. Du wirst von deinem Vater erkannt werden wie jemand, der aus einer anderen Stadt zurückkehrt. Er wird in der Nacht angenehm Schlafen haben. Er wird frei von Ärger sein, wenn er sieht, dass du aus dem Rachen des Todes befreit bist“. Naciketas’ Vater hat drei Namen: Gautama, Auddālaki Aruṇi und Vājaśravasah.



svarge loke na bhayaṃ kiñcanāsti na tatra tvaṃ na jarayā bibheti।
ubhe tīrtvā'śanāyāpipāse śokātigo modate svargaloke॥ 12॥

1.12. NACIKETAS: Im Himmel gibt es keine Furcht; dort bist du nicht, o Tod, und niemand hat Angst vorm Altwerden. Man hat Hunger und Durst besiegt und freut sich daher im Himmel; man ist jenseits von Kummer und Leid.

ERLÄUTERUNG: „Im Himmel gibt es keine Augst vor Krankheiten. Du regierst dort nicht. Es gibt keine Angst vor Alter und Tod. Die Menschen in dieser Welt haben Angst vor dir, wenn sie alt werden, aber die devas haben keine Angst vor dir. Außerdem leiden sie niemals unter Hunger oder Durst, denn sie trinken den himmlischen Nektar, den soma-Saft. Sie sind in ständiger Freude, da sie frei sind von Krankheit, Hunger und Durst.“


sa tvamagniṃ svargyamadhyeṣi mṛtyo prabrūhi taṃ śraddadhānāya mahyam।
svargalokā amṛtatvaṃ bhajanta etad dvitīyena vṛṇe vareṇa॥ 13॥

1.13. O Tod, du kennst das Feueropfer, das uns zum Himmel führt; erkläre es mir, denn ich bin voll Glauben. Die in der Welt leben erreichen Unsterblichkeit – dies ist mein zweiter Wunsch.

ERLÄUTERUNG: Agni – Feuer, d.h. das Opfer, das zum Himmel führt, wo es keine Krankheit, keinen Hunger und keinen Durst gibt – das Feuer, durch das der Himmel erreicht wird; amṛtatvam – Unsterblichkeit. Dies ist nicht die absolute Unsterblichkeit der jīvanmuktas bzw. befreiten Weisen. Dies ist nur die relative Unsterblichkeit – also das lange Leben – der devas, die ihre Aufgabe in der kosmischen Hierarchie haben, der inneren göttlichen Regierung; das geht bis zum Ende des kalpa (Schöpfungszyklus).

O Yama, lehre mich das Wissen um das Feueropfer, durch das die Menschen den Himmel bzw. die relative Unsterblichkeit erlangen und devas werden. Das ist mein zweiter Wunsch.


pra te bravīmi tadu me nibodha svargyamagniṃ naciketaḥ prajānan।
anantalokāptimatho pratiṣṭhāṃ viddhi tvametaṃ nihitaṃ guhāyām॥ 14॥

1.14. YAMA: „Ich werde es dir genau erklären; lerne es von mir, o Naciketas. Ich kenne das Feuer, das zum Himmel führt, durch das man unendliche Welten erlangt, welches wiederum die Stütze des Universums ist und welches im Herzen wohnt.

ERLÄUTERUNG: Yama sagte: „O Naciketas, ich kenne das Feuer, das zum Himmel führt. Ich werde es dir erklären. Höre konzentriert zu.“ Pratiṣṭhām – die Grundlage aller Religionen. Das Feuer ist die Grundlage und Stütze des Universums in seiner Form von virāṭ, dem makroskopischen physischen Leben, wie es im buddhi, dem Intellekt, von Menschen mit Wissen verankert ist. Guhāyām – in der Höhlung, d.h. im Herzen des Wissenden; die Höhlung oder das Herz ist buddhi, der Intellekt.


lokādimagniṃ tamuvāca tasmai yā iṣṭakā yāvatīrvā yathā vā।
sa cāpi tatpratyavadadyathoktamathāsya mṛtyuḥ punarevāha tuṣṭaḥ॥ 15॥

1.15. Yama erklärte ihm dann jenes Feueropfer, die Quelle der Welten – welche Ziegelsteine für den Alter notwendig sind, wie viele und wie sie angeordnet sein sollen, und Naciketas wiederholte alles, wie es erklärt wurde. Dann sprach Yama, der sehr zufrieden mit ihm war, erneut zu ihm.

ERLÄUTERUNG: Yama erklärte Naciketas jenes Feueropfer, welches die Quelle der Welt ist, welches die erste verkörperte Existenz in der Form von virāṭ ist. Er erklärte auch, welche Art Ziegelsteine und wie viele man für den Altar braucht und wie das Feuer angezündet werden soll. Naciketas wiederholte sehr ernsthaft, was ihm von Yama erklärt worden war und Yama war sehr zufrieden damit. Er wollte Naciketas noch einen zusätzlichen Wunsch erfüllen – über die drei versprochenen hinaus. Er sprach erneut zu ihm. Feuer ist hier gleichbedeutend mit virāṭ, der ersten Schöpfung durch Brahmā. Iṣṭakāḥ – Ziegel; sie stehen auch für die devatās (göttliche Wesen), die angerufen werden sollen; yāvatīḥ – wie viele, nämlich 360. Der Altar wird in Form eines Kreises gebaut, mit 360 Ziegeln, von denen jeder um einen Grad gedreht ist. Der ganze Kreis wird Viṣṇu genannt und jeder Ziegel iṣṭakā oder devatā.


tamabravītprīyamāṇo mahātmā varaṃ tavehādya dadāmi bhūyaḥ।
tavaiva nāmnā bhavitā'yamagniḥ sṛṅkāṃ cemāmanekarūpāṃ gṛhāṇa॥ 16॥

1.16. Sehr erfreut und zufrieden, sprach der großmütige Tod zu ihm: „Ich gebe dir hier noch einen anderen Segen: Dieses Feueropfer soll nach dir benannt werden. Und nimm auch diese vielfarbige Kette.

ERLÄUTERUNG: āmanekarūpāṃ sṛṅkām – eine Kette aus kostbaren Steinen verschiedener Farben; eine vielfarbige Halskette. Nach Śaṅkara könnte diese auch das Wissen um die karmas (Opferhandlungen) bedeuten, das viele verschiedene Wohltaten mit sich bringt. Yama lehrte Naciketas auch das Geheimnis, wie man die Opfer durchführt.


triṇāciketastribhiretya sandhiṃ trikarmakṛttarati janmamṛtyū।
brahmajajñaṃ devamīḍyaṃ viditvā nicāyyemāṃ śāntimatyantameti॥ 17॥

1.17. Wer immer dieses Opfer des Nāciketa-Feuer drei Mal ausführt und wer zugleich mit den dreien (Vater, Mutter und Lehrer) vereint ist und wer außerdem seine drei Pflichten (Studium, Opferrituale, Spenden) erfüllt hat, der überwindet Geburt und Tod. Wenn er dieses anbetungswürdige, gleißende und allwissende Feuer verstanden hat, das aus brahman geboren ist, und wenn er Ihn realisiert hat, dann erreicht er ewigen Frieden.

ERLÄUTERUNG: Triṇāciketaḥ – der dreifache Naciketas, d.h., wer dreimal das Naci-ketā-Feueropfer ausgeführt hat bzw. wer das Nāciketa-Feuer kennt, studiert und ausführt. Tribhiḥ sandhiṃ etya – vereint mit den dreien, d.h. wer ordnungsgemäß durch Mutter, Vater und Lehrer unterwiesen worden ist – oder durch die Veden, die smṛtis und tugendhafte Menschen; wer Wissen gewonnen hat durch die drei pramāṇas (Quellen wahren Wissens), d.h. direkte Wahrnehmung (pratyakṣa), Schlussfolgerung (anumāna) und die Schriften (śābda). Die drei Pflichten: Studium der Veden, Durchführung von Opferhandlungen und Almosen-Geben. Brahmaja – geboren aus brahman, d.h. hiraṇya-garbha; brahmajajña – der aus brahman geboren und allwissend ist; devam – der Leuchtende, Strahlende etc.; īḍyaṃ – verehrenswert, anbetungswürdig. Man erreicht den Wohnsitz von virāṭ durch die stetige Praxis von upāsana (Verehrung) und karma.


triṇāciketastrayametadviditvā ya evaṃ vidvāṃścinute nāciketam।
sa mṛtyupāśānpurataḥ praṇodya śokātigo modate svargaloke॥ 18॥

1.18. Wer die drei Nāciketa-Feuer kennt und das Nāciketa-Feuer mit diesem Wissen verehrt, wirft die Fesseln des Todes ab, überwindet allen Kummer und hat ein Leben der Freude im Himmel.

ERLÄUTERUNG: Trayam viditvā – wer die drei kennt: die Arten von Ziegeln, die für den Altar gebraucht werden, die Anzahl der Ziegel und, drittens die Weise, wie das Opferfeuer angezündet werden muss.

Mṛtyupāśān – die Fesseln oder Ketten des Todes, in der Form von Lastern, Unwissenheit, Wunsch, Gier, Anhaftung, Hass etc.

Svargaloke modate – erfreut sich im Himmel, dadurch, dass er sich als virāṭ erkennt. Er genießt die Glückseligkeit des kosmischen Lebens, dadurch, dass er virāṭ als sein eigenes Selbst realisiert. Virāṭ ist das makrokosmische physische Leben. Die ganze Welt ist der Körper von virāṭ. Die Gesamtmenge aller physischen Körper ist der Körper von virāṭ.

(Die ślokas 16-18 passen hier nicht ganz. Sie wurden möglicherweise später hinzugefügt.)


eṣa te'gnirnaciketaḥ svargyo yamavṛṇīthā dvitīyena vareṇa।
etamagniṃ tavaiva pravakṣyanti janāsastṛtīyaṃ varaṃ naciketo vṛṇīṣva॥ 19॥

1.19. „Dies, o Naciketas, ist dein Feuer, das zum himmlischen Reich führt und das du als zweiten Wunsch gewählt hast. Die Menschen werden es als dein Feuer bezeichnen. Nenne nun, o Naciketas, deinen dritten Wunsch.“

ERLÄUTERUNG: Yama schließt in diesem Vers das Thema des Feueropfers ab: „Dies ist das Feuer, das zum Himmel führt. Dein zweiter Wunsch ist damit erfüllt. Die Menschen werden es dir zu Ehren Nāciketa-Feuer nennen. Ich habe dir diesen Segen gegeben, weil ich sehr zufrieden mit dir bin.“

„Dein Feuer“ – „Dies ist das Feueropfer, das du als zweiten Wunsch genannt hast und das du mich batest, dir zu erklären.“

„O Naciketas, nenne nun deinen dritten Wunsch.“

Yama dachte, dass er Naciketas weiterhin verpflichtet bleiben würde, wenn der dritte Wunsch nicht gewährt würde.


yeyaṃ prete vicikitsā manuṣye'stītyeke nāyamastīti caike।
etadvidyāmanuśiṣṭastvayā'haṃ varāṇāmeṣa varastṛtīyaḥ॥ 20॥

1.20. NACIKETAS: „Da ist dieser Zweifel, wenn ein Mensch stirbt – einige sagen, dass er dann noch existiert, andere sagen, dass er dann nicht mehr existiert – das würde ich gerne wissen, so wie es von dir gelehrt wird. Das ist mein dritter Wunsch.“

ERLÄUTERUNG: Die ersten beiden Wünsche sind ohne philosophische Bedeutung, der dritte Wunsch aber umso mehr. Hier geht es um das Mysterium der Seele. Naciketas möchte wissen, ob es eine Entität gibt, die man „Seele“ nennt, bzw. den unsterblichen ātman bzw. brahman, der getrennt existiert vom Körper, den Sinnen, dem Geist und dem Intellekt. Er möchte Wissen über die wahre Natur des ātman erhalten. Naciketas sagte: „O Yama, das Erreichen des Summum bonum (Befreiung, mokṣa) hängt ab vom klaren Wissen über das Selbt. Deswegen lehre mich dieses Wissen. Einige sagen, dass da der ist, die unsterbliche Seele, die verschieden ist von Körper, Sinnen, Geist und Intellekt; andere sagen, dass es keinen solchen ātman gibt. Bitte nimm mir diesen Zweifel. Dies ist etwas, das wir nicht durch direkte Wahrnehmung und auch nicht durch Überlegungen erkennen können. Daher brauchen wir eine Offenbarung darüber. Das ist mein dritter Wunsch.“ Yama gab bei der ersten und auch bei der zweiten Frage sofort Antwort, aber die dritte Frage beantwortete er nur mit großen Zögern.


devairatrāpi vicikitsitaṃ purā na hi suvijñeyamaṇureṣa dharmaḥ।
anyaṃ varaṃ naciketo vṛṇīṣva mā moparotsīrati mā sṛjainam॥ 21॥

1.21. YAMA: „Über diesen Punkt hatten sogar die Götter der alten Zeit große Zweifel. Wahrlich, es ist nicht leicht, diese Sache zu verstehen – sehr subtil ist ihre Natur. O Naciketas, wähle einen anderen Wunsch. Dränge mich nicht. Bitte gib, mir zuliebe, diesen Wunsch auf.“

ERLÄUTERUNG: Yama wollte Naciketas testen, ob der wirklich bereit war, brahma- jñāna zu erhalten, das Wissen um das Selbst – das Wissen, welches zu mokṣa führt, zur Erlösung bzw. Befreiung. Daher sagte er: „Dieses Thema ist sehr subtil und schwer zu verstehen. Bitte dränge mich nicht wie ein Gläubiger den Schuldner unter Druck setzt. Wähle einen anderen Wunsch. Bitte gib dies auf.


devairatrāpi vicikitsitaṃ kila tvaṃ ca mṛtyo yanna sujñeyamāttha।
vaktā cāsya tvādṛganyo na labhyo nānyo varastulya etasya kaścit॥ 22॥

1.22. NACIKETAS: „Du sagst, dass in diesem Punkt selbst die Götter Zweifel haben und dass dies nicht leicht zu verstehen ist. Einen zweiten Lehrer wie dich findet man nicht. Ganz sicher habe ich keinen anderen Wunsch als diesen.“

ERLÄUTERUNG: Naciketas sagte: „O Yama, ich möchte keinen anderen Wunsch erfüllt bekommen. Andere Gefälligkeiten tragen nur kurzfristige Früchte. Es gibt kein Geschenk, das diesem gleich kommt. Dies ist der Weg zu Freiheit und Erlösung. Ich kann keinen Lehrer finden, der diese transzendentalen Belange besser erklären könnte als du, wo es doch um das Leben nach dem Tod und um das Jenseits geht. Du kennst das Geheimnis des Lebens. Du bist der Herr des Todes. Du kontrollierst die Schicksale der Menschen. Sicherlich hatten selbst die devas Zweifel hinsichtlich dieser Fragen und du selbst sagst, dass sie schwer zu beantworten sind. Es gibt kein anderen Lehrer wie dich und ich habe keinen anderen Wunsch als diesen.


śatāyuṣaḥ putrapautrānvṛṇīṣva bahūnpaśūnhastihiraṇyamaśvān।
bhūmermahadāyatanaṃ vṛṇīṣva svayaṃ ca jīva śarado yāvadicchasi॥ 23॥

1.23. YAMA: „Wünsche dir Söhne und Enkel, die hundert Jahre leben. Wünsche dir Rinderherden, Elefanten, Gold und Pferde. Wünsche dir das ganze Erdreich und lebe so viele Jahre, wie du möchtest.“

ERLÄUTERUNG: Erneut will Yama Naciketas testen. So sagt er: „Wünsche dir Söhne und Enkel, die hundert Jahre leben. Wünsche dir Kühe, Elefanten, Gold und Pferde. Wünsche dir die Herrschaft über ein riesiges Reich.“ All diese Besitztümer wären allerdings von keinem Nutzen, wenn Naciketas nur kurze Zeit leben würde. Daher fügte Yama hinzu: „Lebe so viele Jahre, wie du dir wünscht, mit einem starken und gesunden Körper.“ Śatāyuṣaḥ – diejenigen, die hundert Jahre leben, d.h. Hundertjährige.


etattulyaṃ yadi manyase varaṃ vṛṇīṣva vittaṃ cirajīvikāṃ ca।
mahābhūmau naciketātvamedhi kāmānāṃ tvāṃ kāmabhājaṃ karomi॥ 24॥

1.24. „Wenn du dir irgendeinen Wunsch vorstellen kannst, der diesem gleichkommt, wähle dir Reichtum und ein langes Leben! Sei ein König der weiten Erde, o Naciketas! Ich werde dir all deine Wünsche erfüllen!“

ERLÄUTERUNG: Wenn dir noch irgendein anderer Wunsch einfällt, der diesem gleichkommt, bitte auch um den. Verlange Reichtum und ein langes Leben! Ich werde dir all deine Wünsche erfüllen, denn ich bin ein deva (Halbgott): Was immer ich will, wird geschehen.


ye ye kāmā durlabhā martyaloke sarvānkāmāṃśchandataḥ prārthayasva।
imā rāmāḥ sarathāḥ satūryā na hīdṛśā lambhanīyā manuṣyaiḥ।
ābhirmatprattābhiḥ paricārayasva naciketo maraṇaṃ mā'nuprākṣīḥ॥ 25॥

1.25. „Welche Wünsche auch immer in der Welt der Sterblichen schwer zu erfüllen sind, bitte um die nach deinem Belieben. Diese schönen Mädchen, mit ihren Festwagen und ihren Musikinstrumenten – solche gibt es wahrlich nicht unter der Sterblichen – lass dich von ihnen unterhalten; ich werde sie dir schenken. Aber, o Naciketas, frage mich nicht danach, was mit dem Dasein der Seele nach dem Tod geschieht!“

ERLÄUTERUNG: Bitte um alles, was man sich wünschen kann, was dir auch immer einfällt, was in der Welt der Sterblichen nicht leicht erhältlich ist. Ich gebe dir himmlische Jungfrauen mit Festwagen und Musikinstrumenten. Diese himmlischen Nymphen bekommt man als Sterblicher nicht ohne die Gnade von Wesen wie mir. Sie werden dir dienen. Lass dich von ihnen erfreuen, lass dir von ihnen die Füße waschen und dich von ihnen fächeln. Aber frage mich nichts über den Tod, d.h. darüber ob es wirklich eine unsterbliche Seele gibt, die den Tod übersteht. Diese Frage ist so zwecklos wie die, wie viele Blätter ein Baum hat oder wie viele Zähne eine Kuh.

Immer wieder testet Yama Naciketas. Er will herausfinden, ob Naciketas ein richtiger adhikārī ist, d.h. eine Person, die qualifiziert ist, das Wissen um das Selbst zu empfangen. Er führt Naciketas in verschiedenste Versuchungen. Er will herausfinden, ob Naciketas wirklich mit Leidenschaftslosigkeit und Unterscheidungsvermögen ausgestattet ist.

Naciketas bleibt eisern, fest in seinem Beschluss. Nichts kann ihn verführen; er behält sein Unterscheidungsvermögen. Er hat den intensiven Wunsch, die Wahrheit zu erfahren. Er hat ein sehr klares Verständnis der vergänglichen und trügerischen Natur des Lebens auf dieser Erde. Er hat die feste Überzeugung, dass die Sinnesfreuden wertlos sind.


śvobhāvā martyasya yadantakaitatsarvendriyāṇāṃ jarayanti tejaḥ ।
api sarvaṃ jīvitamalpameva tavaiva vāhāstava nṛtyagīte ॥ 26॥

1.26. NACIKETAS: „Diese Dinge dauern nur bis zum nächsten Morgen an (sie sind kurzlebig). O Tod (Yama), sie laugen die Kraft der Sinne aus. Sogar das längste Leben ist doch nur kurz. Behalte deine Vergnügungswagen, den Tanz und die Musik!“

ERLÄUTERUNG: Śvobhāvāḥ – kurzlebig, eintägig; Vergnügungen, die unsicher und zweifelhaft sind, die höchstens bis zum nächsten Tag andauern.

Obwohl Yama Naciketas auf alle Weisen in Versuchung führt, so bleibt dieser doch unberührt und in sich ruhend wie ein Ozean. Naciketas sagt: „O Yama, diese Vergnügungen laugen die Kraft der Sinne aus. Diese himmlischen Jungfrauen und diese Freuden zerstören Tugend, Stärke, Intellekt, Kraft und Ruhm. Sie machen den Mann weltlich gesinnt und führen ihn fort von Gott. Was ist schon Langlebigkeit auf dieser irdischen Ebene? Sogar Brahmās Leben ist kurz. Schließlich: Was bedeutet langes Leben im Lichte der Ewigkeit? Sogar mahā-kalpas sind insignifikante Momente im Vergleich zu Ewigkeit. Von Standpunkt des Absoluten ist Zeit nichts. Nichts hier ist ewig. Ewigkeit, Unsterblichkeit, Unendlichkeit – das ist doch das, wonach man strebt. Bewusst oder unbewusst sehnt sich der Mensch nur danach. Wie verzaubernd und groß ein Objekt auch zu sein scheint, es ist vergänglich und kurzlebig. Ich will keine endlichen und vergänglichen Objekte. Ich will dieses begrenzte Leben nicht. Ich möchte Unsterblichkeit. Deshalb behalte deine Wagen, Pferde, Jungfrauen, deinen Tanz und die Musik für dich!“

Sieh diese Entschlossenheit des Naciketas – obwohl er nur ein Knabe ist! Nichts kann seine feste Zielgerichtetheit erschüttern! Er hat einen eisernen Willen und leidenschaftliche Entschlossenheit. So muss ein Suchender sein! Nur dann ist er qualifiziert Unsterblichkeit (amṛtatvam) zu erlangen!


na vittena tarpaṇīyo manuṣyo lapsyāmahe vittamadrākṣma cettvā ।
jīviṣyāmo yāvadīśiṣyasi tvaṃ varastu me varaṇīyaḥ sa eva ॥ 27॥

1.27. „Kein Mensch kann durch Reichtum glücklich werden und siehe, wir werden bloß so lange leben, wie es dir (Yama) gefällt. Nur der Wunsch, den ich gewählt habe, ist es wert, von mir herbeigesehnt zu werden.“

ERLÄUTERUNG: „O Yama, Reichtum kann keine/n ewige/n Befriedigung, Glückseligkeit und Frieden geben. Reichtum ist nur ein Mittel, Dinge, die man sich wünscht, zu erwerben. Reichtum ist eine Quelle von Übel, er bringt unzählige Leiden mit sich. Wie kann ich gering und kurzlebig sein, wenn ich dich (den Tod) gesehen habe? Warum sollte ich dann um Reichtum und langes Leben bitten? Bitte bringe mich nicht weiter in Versuchung, ich bin darüber hinausgewachsen. Gewähre mir nur diesen einen Wunsch: das Wissen um die unsterbliche Seele (ātma-jñāna), die nach dem Tod weiterlebt.“


ajīryatāmamṛtānāmupetya jīryanmartyaḥ kvadhaḥsthaḥ prajānan ।
abhidhyāyanvarṇaratipramodānatidīrghe jīvite ko rameta ॥ 28॥

1.28. „Welcher Sterbliche, der in der Welt da unten lebt und der Wissen besitzt, könnte sich noch über ein langes Leben freuen, nachdem er sich der Gesellschaft der Unsterblichen genähert hat und nachdem er über die Natur der Vergnügungen durch Gesang und Spiele (Schönheit und Liebe) nachgedacht hat?“

ERLÄUTERUNG: Wie könnte ein Sterblicher, der die Unsterblichen kennengelernt hat, um solche vergänglichen Dinge wie Söhne, Reichtum und Jungfrauen bitten? Wie könnte ein armer Sterblicher, der da unten lebt, um kleine Gaben bitten, nachdem er die Unsterblichen kennengelernt hat und weiß, dass man höhere Geschenke als Reichtum und Söhne von ihnen erhalten kann. Diese kurzlebigen Dinge strebt nur einer an, der unwissend und weltlich ist. Suchende, die nach Befreiung dürsten, sollten um Unsterblichkeit bitten und um nichts anderes. Kein vernunftbegabter Mensch wird sich an Langlebigkeit erfreuen, der die Vergänglichkeit des irdischen Lebens erkannt hat und dem klargeworden ist, dass Sinnesfreuden eine Illusion sind, flüchtig und nur eine Reizung des Nervensystems. Wie lange auch immer ein menschliches Leben dauern mag, am Ende muss er sterben.


yasminnidaṃ vicikitsanti mṛtyo yatsāmparāye mahati brūhi nastat।
yo'yaṃ varo gūḍhamanupraviṣṭo nānyaṃ tasmānnaciketā vṛṇīte॥ 29॥

1.29. „O Yama, sprich über das, worin die Menschen im Zweifel sind: die großartige Existenz nach diesem Leben. Naciketas wünscht sich nichts anderes als das Wissen (über die Seele), das sonst verborgen ist.“

ERLÄUTERUNG: „O Yama, verführe mich nicht mit kurzlebigen Dingen. Lehre mich das Wissen um den ātman. Lass mich Unsterblichkeit erlangen. Gib mir Unterweisungen in brahma-vidyā. Kläre mich auf über das Leben danach. Schenke mir ewiges Leben. Lass mich für immer in der ewigen Seele verweilen. Warum verbirgst du dieses Geheimnis vor mir? Ich bin ausgestattet mit den vier Werkzeugen der Erlösung (siehe S. 87). Du hast mich schon in verschiedenster Form getestet. Ich möchte (alles) über das höchste Selbst erfahren, das in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft existiert. „Sag mir, O Yama, was ist das, was die Menschen unbedingt wissen wollen – diese große Frage, welche die Welt nach dem Tod betrifft und worüber sie den Zweifel haben: Was passiert nach diesem Leben?“ Naciketas bittet um nichts anderes, als genau das (was die Seele betrifft), dessen Wissen verborgen ist. Diese Frage, die in das Verborgene eindringt – nichts anderes wird Naciketas wählen. Er hat keinen anderen Wunsch, als dieses uralte Geheimnis zu enträtseln.

HIER ENDET DER ERSTE HANDLUNGSSTRANG (VALLĪ) DES ERSTEN KAPITELS.

Prathamo 'dhyāyo, Dvitīyā Vallī - Erstes Kapitel, zweiter Handlungsstrang Katha Upanishad

anyacchreyo'nyadutaiva preyaste ubhe nānārthe puruṣaṃ sinītaḥ।
tayoḥ śreya ādadānasya sādhu bhavati hīyate'rthādya u preyo vṛṇīte॥ 1॥

1. YAMA: „Das eine ist das Gute und das andere das Angenehme. Diese zwei, die unterschiedliche Zwecke haben, binden den Menschen. Gesegnet ist, wer das Gute wählt. Wer das Angenehme wählt, verliert das wahre Ziel (aus den Augen).“

ERLÄUTERUNG: Die Philosophie der Upanishaden beginnt ab der zweiten vallī dieses Buches, also hier. Naciketas blieb fest in seiner Haltung. Yama testete ihn und fand, dass er ein geeigneter adhikārī war, ein Schüler, qualifiziert, die Unterweisungen über brahma-vidyā zu erhalten. Er begann, Naciketas das große Geheimnis zu erklären.

Śreya – das Gute; das Wissen, das zu mokṣa, der endgültigen Befreiung, führt; preya – das Angenehme, die Sinnesfreuden.

Insofern die Menschen notwendigerweise handeln müssen, um das zu bekommen, was gut ist und was angenehm ist, sagt man, sie seien dadurch gebunden. Brahman, das höchste Selbst, ist allzeit frei (nitya-mukta) und ohne Handlung (niṣkriya). Vom Blickpunkt des Absoluten, also vom transzendenten Standpunkt, ist der Wunsch nach Sinnesfreuden eine Bindung, genauso wie die Bemühung nach Befreiung, obwohl letztere dem Individuum, das in der Täuschung lebt, hilft, seine Unwissenheit zu zerstören und das Summum bonum zu erreichen.

Jīva, die individuelle Seele, ist identisch mit brahman, der höchsten Seele. Aufgrund von Täuschung und Unwissenheit bildet sie sich ein, dass sie gebunden ist, handelt und versucht, Befreiung und Erlösung zu erlangen. Wer den Pfad der Wahrheit beschreitet, wer das Gute akzeptiert, erreicht Unsterblichkeit und ewige Glückseligkeit. Wer aber das Angenehme wählt, die Sinnesfreuden, verliert das Ziel des Lebens und ist Elend, Kummer und Schwierigkeiten unterworfen. Er ist gefangen im Rad von Geburt und Tod. Diese beiden Pfade sind einander entgegengesetzt. Śreya-mārga ist der Weg des Wisssens; preya-mārga ist der Weg der Unwissenheit, der Weg des Vergnügens. Du musst ganz entschlossen die Sinnesfreuden aufgeben, falls du die ewigwährende Glückseligkeit der Seele, des ātman, erlangen willst.


śreyaśca preyaśca manuṣyametastau samparītya vivinakti dhīraḥ।
śreyo hi dhīro'bhi preyaso vṛṇīte preyo mando yogakṣemādvṛṇīte॥ 2॥

2. „Das Gute und das Angenehme – beides hält den Menschen fest. Der Weise untersucht und unterscheidet beides. Der Weise zieht das Gute (śreya) dem Angenehmen vor; der Unwissende jedoch wählt das Angenehme (preya), zur Befriedigung seines Körpers.“

ERLÄUTERUNG: Der Pfad des Wissens und der Pfad des Vergnügens stehen dem Menschen offen. Er kann den Weg wählen, den er will. Der Weise untersucht und unterscheidet die Wege genau. So wie der Schwan die Milch aus dem Gemisch von Milch und Wasser herauslöst und nur die Milch trinkt, so isoliert der Weise das Gute heraus und folgt nur diesem. Er weiß, dass śreya-mārga zur Unsterblichkeit führt, zu Freiheit und immerwährender Glückseligkeit, der preya-marga dagegen zu vergänglichen Sinnesfreuden und Bindung. Daher zieht er das Gute dem Angenehmen vor. Aber der Narr, der Unwissende, dem die Intelligenz fehlt, zwischen gut und angenehm zu unterscheiden, der keine Vorstellung von dem Ziel hat, von den Früchten und auch nicht von den Mitteln, sie zu erreichen, der wählt das Angenehme aus Gier, Neid und Geiz, um seinen Körper zu mästen und am Leben zu halten und um sinnliche körperliches Vergnügen zu erfahren.


sa tvaṃ priyānpriyarūpāṃśca kāmānabhidhyāyannaciketo'tyasrākṣīḥ।
naitāṃ sṛṅkāṃ vittamayīmavāpto yasyāṃ majjanti bahavo manuṣyāḥ॥ 3॥

3. „O Naciketas, du hast auf die Objekte der Wünsche (z.B. Söhne und Enkel) und auf verführerische schöne Gestalten (himmlische Jungfrauen) verzichtet, indem du sie nach ihrem wahren Wert beurteilt hast. Du hast nicht den Weg des Reichtums gewählt, auf dem die Menschen zugrunde gehen.“

ERLÄUTERUNG: „O Naciketas, obwohl ich dich immer wieder in Versuchung geführt habe, hast du die Objekte der Wünsche (priyān) abgelehnt, wie etwa Söhne und Enkel, und auch die wohlgeformten (priyarūpān) himmlischen Jungfrauen mit ihren Festwagen und Musikinstrumenten. Du hast über ihre Unzulänglichkeiten nachgedacht, nämlich ihre vergängliche Natur. Wie bewusst und intelligent du bist! Du besitzt Leidenschaftslosigkeit und Unterscheidungsvermögen.

Vittamayīṃ etaṃ sṛṅkām – „die Girlande“ bzw. der Weg des Reichtums: Das Wort sṛṅkām („Girlande“, Weg, Pfad) taucht auch in 1.16 auf; seine Bedeutung ist unklar und kann nur vermutet werden. Śaṅkara interpretiert es an beiden Stellen unterschiedlich, hier als Weg oder Pfad.

Du hast nicht den Weg der weltlichen Menschen gewählt, wo das Ziel Reichtum ist, wo dem Mammon [aramäisch für unmoralisch erworbenen Gewinn, Geld] gehuldigt wird, wo Reichtum am höchsten bewertet wird und wo sich die Menschen Tag und Nacht um Reichtum abmühen. Du hast ganz offensichtlich nicht den Weg des Reichtums gewählt, der von den Unwissenden beschritten wird und auf dem viele Narren Kummer erfahren, herabsinken und zugrunde gehen.


dūramete viparīte viṣūcī avidyā yā ca vidyeti jñātā।
vidyābhīpsinaṃ naciketasaṃ manye na tvā kāmā bahavo'lolupanta॥ 4॥

4. Diese beiden – Unwissenheit und Wissen – liegen weit auseinander und führen zu verschiedenen Orten bzw. Zielen. Ich sehe Naciketas als jemanden, der Wissen anstrebt, denn sogar viele Wunschobjekte konnten ihn nicht ins Wanken bringen.

ERLÄUTERUNG: Die zwei Wege sind ganz sicher gegensätzlich und weit auseinander. Die zwei Wege führen zu verschiedenen Resultaten, weit entfernt voneinander. Sie liegen weit auseinander und haben verschiedene Endpunkte. Sie sind unterschiedlich wie Licht und Dunkelheit. Avidyā (Unwissenheit) ist der Weg des Angenehmen. Er führt zu Elend, Kummer und Unfreiheit. Vidyā (Wissen) dagegen ist der Pfad des Guten. Er ist förderlich. Er verleiht Freiheit und letztendliche Erlösung.

Ich betrachte Naciketas als einen Anwärter auf höchstes Wisssen, einen Suchender nach Wahrheit und Weisheit, weil alle Versuchungen ihn nicht schwankend gemacht haben und ihn nicht von dem Weg des Guten abgebracht haben. Sie haben nicht den Wunsch nach sinnlichen Vergnügungen in ihm hervorgerufen. Er ist ein Schüler, der sich als würdig erwiesen hat, in brahma-vidyā eingeweiht zu werden. Er ist bereit, das Wissen um das Selbst zu erlangen. Dieser Vers taucht auch in der Maitrāyaṇīya-Upaniṣad (7.9) auf.


avidyāyāmantare vartamānāḥ svayaṃ dhīrāḥ paṇḍitaṃ manyamānāḥ।
dandramyamāṇāḥ pariyanti mūḍhā andhenaiva nīyamānā yathāndhāḥ॥ 5॥

5. Die Unwissenden, die inmitten der Dunkelheit leben, sich aber einbilden, weise und gelehrt zu sein, bewegen sich immer wieder im Kreis, fehlgeleitet in vielfach verdrehter Weise, wie Blinde, die von Blinden geführt werden.

ERLÄUTERUNG: Leicht abgewandelt erscheint dieser Vers in der Muṇḍaka-Upaniṣad (1.2-8) und in der Maitrāyaṇīya-Upaniṣad (7-9).

Yama gibt im fünften und sechsten Vers eine Beschreibung der Natur und des Schicksals derjenigen, die nicht an ein Leben jenseits des irdischen glauben. Avidyāyām – in Unwissenheit, ausgerichtet auf Kinder und unerwachte Menschen; pariyanti – im Kreis wandern.

Die Menschen, die im saṃsāra leben, befinden sich inmitten von Unwissenheit und tiefer Dunkelheit. Sie besitzen weder ein richtiges Verständnis noch Unterscheidungsvermögen. Sie werden gefangen gehalten durch tausend und einen Strick der Erwartung. Sie sind im Netz der Anhaftung (aśakti) und Verlangen (rāga) gefangen, das sich in Form von Kindern, Ehepartnern, Reichtum, Besitz, Haus etc. offenbart. Solche Menschen sind unwissend, aber sehen sich selbst als intelligent und versiert in den śāstras. Sie erreichen keine Befreiung. Sie sind gefangen in dem Rad der Wiedergeburt. Sie erfahren das Elend des saṃsāra: Geburt, Tod, Alter, Krankheit, Kummer, Schmerz etc. Ähnlich wie die Blinden, die durch Blinde auf unwegsamer Straße geleitet werden, erfahren die Unwisssenden ein Leiden nach dem anderen. Sie werden hin und her geweht wie ein Strohhalm oder ein Stück Papier im Wind.


na sāmparāyaḥ pratibhāti bālaṃ pramādyantaṃ vittamohena mūḍham।
ayaṃ loko nāsti para iti mānī punaḥ punarvaśamāpadyate me॥ 6॥

6. Der Weg zum Jenseits wird nicht von den unwissenden, törichten Menschen, der von Reichtum geblendet ist, wahrgenommen. „Dies ist die Welt“, denkt er, „es gibt keine andere“, und so fällt er wieder und wieder unter meine Herrschaft.

ERLÄUTERUNG: Sāmparāyaḥ – die andere Welt bzw. das Leben nach dem Tod, mokṣa; die spirituellen Werkzeuge, die in den śāstras aufgezeigt werden, um mokṣa (endgültige Befreiung) zu erreichen.

Das jenseitige Leben taucht niemals vor den Augen des sorglosen Kindes auf, das durch die Täuschung von Reichtum fehlgeleitet ist. Der Weg zu mokṣa kommt dem Unwissenden, der sich von Reichtum blenden lässt, nicht in den Sinn. Die notwendigen Schritte, um Befreiung zu erlangen, kommen dem sorglosen Menschen nicht in den Sinn, der immer nur an Kinder, Frau und Reichtum denkt und der eingehüllt ist in die Dunkelheit der Unwissenheit, die durch Reichtum erzeugt wird. Reichtum ist das machtvollste Rauschmittel in der Welt. Es erzeugt Stolz und Eitelkeit. Es erzeugt Verwirrung im Geist und benebelt das Verständnis. Es verschleiert den Intellekt. So weiß ein Reicher nicht, was er eigentlich tut. Er glaubt, dass nur diese Welt existiert, die aus Ehepartnern, Kindern, Essen und Trinken besteht. Die Welt ist das Ein und Alles für ihn. Nichts gibt für ihn nichts jenseits dieser Welt. Sinnliche Vergnügungen allein sind sein Ziel. Geld ist sein Gott und sein Ziel. „Iss, trink und habet Spaß“ – das ist seine oberste Philosophie. Nicht nur praktiziert er selbst diese ‘feinfühlige’ Philosophie, sondern predigt sie auch noch jenen, mit denen er in Kontakt kommt. Solch ein törichter Mensch wird immer wieder in diesem saṃsāra geboren. Er wird meine (Yamas) Beute. Er ist fest in meinem Griff.

Bālam – (dem) Kind bzw. dem, der wie ein Kind ist: unwissend und ohne Unterscheidungskraft; vaśam-āpadyate – er fällt unter meine Herrschaft und Kontrolle; er wird wieder und wieder geboren, nur um wieder zu sterben; er wird mein Opfer, er ist im Netz des Todes gefangen.


śravaṇāyāpi bahubhiryo na labhyaḥ śṛṇvanto'pi bahavo yaṃ na vidyuḥ।
āścaryo vaktā kuśalo'sya labdhāścaryo jñātā kuśalānuśiṣṭaḥ॥ 7॥

7. Er (das Selbst), über den viele noch nicht einmal fähig sind, etwas zu hören, und den viele, selbst wenn sie von ihm hören, nicht verstehen – wundervoll ist es, wenn ein Mensch das Selbst lehren kann; wundervoll ist auch der, der das Selbst versteht, gelehrt von einem fähigen Lehrer.

ERLÄUTERUNG: Viele sind nicht einmal in der Lage, über den ātman zu hören. Viele – selbst wenn sie vom ātman hören – verstehen nicht, denn ihr Geist ist nicht gereinigt. Wundervoll ist der Mensch, der das Selbst verstehen kann, wenn es von einem fähigen Lehrer erklärt wird. In der Bhagavad-Gītā (2.29) sagt Kṛṣṇa: „Der eine sieht Ihn als ein Wunder, der andere spricht von Ihm als ein Wunder, ein dritter hört von Ihm als ein Wunder, und doch selbst wenn er von Ihm gehört hat, versteht Ihn niemand.“

Brahma-vidyā ist die wundervollste Wissenschaft. Es ist die Wissenschaft der Wissenschaften. Welche ist jene höchste spirituelle Wissenschaft, durch die, wenn erkannt, alle anderen weltlichen Wissenschaften erkannt werden? Es ist para-vidyā, durch die das unsterbliche brahman erkannt wird.

Wunderbar ist die Wissenschaft des Selbst. Wundervoll ist der brahma-jñānī, der das Selbst erkennt. Wundervoll ist auch der Schüler, der ein geeigneter Empfänger der Unterweisungen über das höchste Selbst, den ātman, ist. Brahma-jñānīs und qualifizierte Suchende sind äußerst selten in dieser Welt. Derjenige, der mit sādhana-catuṣṭaya (den vier Werkzeugen, S. 87)ausgestattet ist, ist fähig, den Weg des jñāna-yoga zu beschreiten. Unter Tausenden, die von diesem ātman gehört haben, und die das Gute suchen, wird nur einer ein ātman-Kenner (ātma-jñānī ).

In der Bhagavad-Gītā (7.3) sagt Gott: „Unter Tausenden strebt vielleicht einer nach Vollkommenheit; und sogar unter den vollkommenen Suchenden erkennt vielleicht nur einer mein wahres Wesen.“


na nareṇāvareṇa prokta eṣa suvijñeyo bahudhā cintyamānaḥ।
ananyaprokte gatiratra nāstyaṇīyān hyatarkyamaṇupramāṇāt॥ 8॥

8. Das Selbst (brahman) ist kaum begreifbar, wenn es von einem Menschen mit unentwickeltem manas (hier: jemand, der brahman nicht wirklich erkannt hat) gelehrt wird, weil brahman auf unterschiedliche Weisen verstanden werden kann. Lehrt jedoch ein Meister der eins mit brahman ist, fällt alle Zweifel über brahman – das feiner ist als das Feinste und das nicht durch Argumentieren erreicht werden kann – weg.

ERLÄUTERUNG: Avareṇa nareṇa – niedrigstehend; ein Mensch, der keine Selbstverwirklichung erlangt hat, der kein Wissen vom Selbst hat; ein Mensch mit unkultiviertem Intellekt/Geist bzw. mit weltlichem Verständnis.

Bahudhā cintyamānaḥ – der ātman kann kaum verstanden werden, wenn Er von einem Nichtkenner brahmans gelehrt wird, weil über das Selbst verschiedene Meinungen herrschen, z.B. ob brahman existiert oder nicht; handelt oder nicht; rein ist oder nicht etc.

Ananya-prokte – Śaṅkara interpretiert dies auf vier verschiedene Weisen:

1. Wenn ātman von einem Lehrer gelehrt wird, der eins ist mit brahman, dann kann es keine Unsicherheit und keinen Zweifel geben.

2. Wenn gelehrt worden ist, dass der ātman identisch ist mit uns selbst, dann gibt es keine Wahrnehmung von etwas anderem; dann gibt es nichts anderes, das man wissen könnte, denn dann gibt es kein anderes Wissbares und das Wissen um die Einheit des ātman ist das höchste Wissen.

3. Es gibt keine Wiedergeburt, wenn der ātman, der mit dem Selbst identisch ist, gelehrt worden ist, denn mokṣa, Befreiung, ist die Frucht von brahma-jñāna und ist unlöslich verbunden mit dem Wissen um das Selbst.

4. Wenn Es gelehrt worden ist von jemandem, der eins geworden ist mit brahman, dann kann Es nicht falsch verstanden werden.

Atarkyam – jenseits aller Argumentation. Dieser ātman kann nicht durch Argumentieren oder Nachdenken verwirklicht werden, denn er ist transzendental, d.h. jenseits der Reichweite von Verstand und Intellekt. Der Intellekt ist ein begrenztes Instrument, das bedingt ist durch Zeit, Raum und Kausalität. Durch Argumentieren können wir niemals zu einer endgültigen Klarheit kommen. Ein Mensch mit unentwickeltem Intellekt wird besiegt durch einen mit einem überlegenen Intellekt bzw. Genius. Einer sagt: „Dieser ātman ist subtil“. Der andere sagt: „Dieser ātman ist feiner als das Feinste“. Ein Mensch argumentiert leidenschaftlich und sagt: „Es gibt einen ātman“. Ein anderer betont: „Es gibt keinen ātman, einzig und allein dieser Körper hier ist der ātman“. Das Argumentieren nimmt kein Ende. Argumentieren ist nur ein Jonglieren mit Worten; es ist intellektuelle Gymnastik und Kriegführung durch Sprache. Wer sein Leben mit Argumentieren verbringt, ist gefangen in dem dichten Urwald von Dunkelheit und Unwissenheit. Man sollte das Argumentieren aufgeben und still werden – nach innen schauen. Dieser ātman ist nur durch stille Meditation zu verwirklichen.


naiṣā tarkeṇa matirāpaneyā proktā'nyenaiva sujñānāya preṣṭha।
yāṃ tvamāpaḥ satyadhṛtirbatāsi tvādṛṅ no bhūyānnaciketaḥ praṣṭā॥ 9॥

9. Dieses Wissen kann nicht durch Argumente erreicht werden, aber es ist leicht zu verstehen, o liebster Naciketas, wenn es von einem Lehrer gelehrt wird, der keine Unterschiede sieht. Du hast es jetzt bekommen, du bist in der Wahrheit gefestigt. Möge es immer einen Suchenden wie dich geben, o Naciketas!

ERLÄUTERUNG: Brahma-jñāna (das Wissen um das Selbst) kann nicht durch Argumentieren erreicht werden. Man muss das brahman-Bewusstsein durch spirituelle Erfahrung realisieren und fühlen – durch unmittelbare intuitive Wahrnehmung (aparokṣa-anubhūti).

[DIE HRSG.: O geliebter Naciketas, diese Weisheit ist nicht durch Vernunft zu erlangen; nur wenn es dir von einem anderen gesagt wird, bringt es echtes Wissen, die Weisheit, die du bekommen hast. Wahrlich, du bist fest in der Wahrheit! Einen solchen Fragesteller, wie du es bist, möge es immer geben).

preṣṭha naciketaḥ – o geliebter Naciketas; tvam – du; yām – dass dem; āpa – bekommen haben; eṣā – diese; matiḥ – Weisheit; tarkeṇa – durch Überlegung, Vernunft; na āpaneyā – ist nicht zu haben; anyena – von einem anderen; proktā – gesagt, gesprochen; sujñānāya – bringt echtes Wissen; eva – tatsächlich/wahrlich; satyadhṛtiḥ – standhaft/fest in der Wahrheit; asi – du bist; bata – wahrhaft; naḥ – für mich; tvādṛk – wie du/wie du bist; praṣṭā – Fragesteller; bhūyāt – möge es immer geben.]


jānāmyahaṃ śevadhirityanityaṃ na hyadhruvaiḥ prāpyate hi dhruvaṃ tat।
tato mayā nāciketaścito'gniranityairdravyaiḥ prāptavānasmi nityam॥ 10॥

10. Ich weiß, dass der Schatz vergänglich ist, denn das Ewige wird nicht erreicht durch Dinge, die nicht ewig sind. Deswegen ist das Nāciketa-Feuer von mir mit den vergänglichen Dingen gnädig gestimmt worden und ich habe das Ewige erreicht.

ERLÄUTERUNG: Śevadhiḥ – Schatz; der Lohn des karma. Warum wird er „Schatz“ genannt? Weil man danach sucht wie nach einem Schatz. Dieser Schatz ist nicht ewig oder dauerhaft. Der ewige oder höchste Schatz des ātman, der beständig ist, kann nicht erreicht werden durch das Nichtewige (Vergängliche), d.h. durch karma, das unstetig und nicht dauerhaft ist.

Tena nityam prāptavān-asmi – Dadurch habe ich das Ewige erreicht. Yama sagte: „Das Nāciketa-Feuer wurde von mir mit vergänglichen Dingen durchgeführt und dadurch habe ich die Position des Yama erreicht.“ Das „ewig“ bezieht sich hier nicht auf brahman oder das Absolute, sondern bedeutet nur die Position des Yama, die in einem relativen Sinne ewig ist, wenn man sie vergleicht mit dem Leben in dieser Welt.

Im zehnten und elften Vers huldigt Yama Naciketas. Er sagt: „O Naciketas, du übertriffst sogar mich. Ich musste das Nāciketa-Feuer ausführen, um diese Position von Yama zu erreichen – obwohl ich wusste, dass karmas und ihre Früchte vergänglich sind. Du dagegen hast radikal alle weltlichen Objekte verworfen und hast allen Versuchungen widerstanden. Du willst ausschließlich den ewigen ātman verwirklichen. Das ist in der Tat höchst lobenswert.“ Einige Kommentatoren haben geglaubt, dass dieser Vers die Worte des ⁠Naciketas enthält. Das ist falsch. Naciketas hatte bis dahin dieses Opfer nicht selbst ausgeführt. Er hatte gerade eben die Anweisungen darüber von Yama empfangen. Wie hätte er sagen können: „Deshalb ist das Nāciketa-Feuer von mir, mit vergänglichen Dingen, ausgeführt worden und ich habe das Ewige erlangt“?


kāmasyāptiṃ jagataḥ pratiṣṭhāṃ kratorānantyamabhayasya pāram।
stomaṃ mahadurugāyaṃ pratiṣṭhāṃ dṛṣṭvā dhṛtyā dhīro naciketo'tyasrākṣīḥ॥ 11॥

11. Das Ziel aller Wünsche, die Stütze der ganzen Welt, die unzähligen Belohnungen der Opferrituale, das andere Ufer jeglicher Furcht, das Preiswürdige, das Großartige, den weiten Weltenkreis und den Sitz der Seele – all das hast du gesehen und, da du weise bist, o Naciketas, hast du all das mit festem Entschluss zurückgewiesen.

ERLÄUTERUNG: Das Ende aller Wünsche, die Stütze des Universums etc. beziehen sich auf hiraṇya-garbha bzw. brahma-loka. In hiraṇya-garbha sind alle Wünsche erfüllt. hiraṇya-garbha ist die Stütze aller Welten, die die adhyātma (Körper), die adhibhūta (Elemente) und die adhidaiva (Götter) umfassen.

Mahat – großartig; denn der Zustand von hiraṇya-garbha ist nicht zu übertreffen; wer diesen Status erreicht, besitzt die acht siddhis (übernatürlichen Kräfte) und ist daher sehr bewundernswert.

O Naciketas, du hast all dies aufgegeben. Du willst nur den ewigen ātman erreichen. Oh, welche wundervollen Qualitäten du besitzt! Sogar der Zustand von hiraṇya-garbha ist nichts im Vergleich zu dem ewigem Leben in para-brahman. Während des kosmischen pralaya verschmilzt hiraṇya-garbha, d.h. kārya-brahman, mit dem reinen para-brahman. Das ist der Grund, warum Naciketas sogar den Zustand von hiraṇya-garbha zurückwies und nur den Zustand von brahman erreichen wollte. Naciketas besaß para-vairāgya, den höchsten Grad von Wunschlosigkeit und Unterscheidungsvermögen. Das ist der Grund, warum er allen Versuchungen widerstand und sogar den Reichtum von brahmaloka, den Zustand von hiraṇya-garbha, zurückwies.


taṃ durdarśaṃ gūḍhamanupraviṣṭaṃ guhāhitaṃ gahvareṣṭhaṃ purāṇam।
adhyātmayogādhigamena devaṃ matvā dhīro harṣaśokau jahāti॥ 12॥

12. Der Weise, der durch Meditation über das Selbst den „Uralten“ ātman erkennt, welcher nur sehr schwer zu sehen ist, der unergründlich und verborgen ist, der in der Höhle des Herzens, in der Tiefe der Unendlichkeit wohnt, der im Innern der Intelligenz ruht, dieser Weise lässt Freude und Kummer hinter sich.

ERLÄUTERUNG: Der ātman ist sehr subtil und im Innern verborgen. Er ist versteckt in der tiefsten Tiefe. Er wohnt im Herzen bzw. im Intellekt. Er ist versteckt in der Höhle des Herzens. Es ist dadurch sehr schwierig, diesen ātman wahrzunehmen oder zu kennen.

Adhyātma-yoga – durch Zurückziehen des manas von den äußeren Objekten, indem man ihn fest auf das innere Selbst ausrichtet.

Der Weise (dhīraḥ) zieht den Geist von den äußeren Objekten zurück; er verwirklicht diesen ātman mittels der Meditation auf das innere Selbst und lässt sowohl Freude als auch Kummer hinter sich. Dieser ātman ist jenseits von Vergnügen und Schmerz, Freude und Kummer. Er ist der volle Ausdruck von Glückseligkeit. Er ist saccidānanda-svarūpa. Vergnügen und Schmerz sind nur Modifikationen des manas.

Durdarśam – sehr schwer wahrzunehmen; gūḍham – verborgen; anupra-viṣṭam – im Herzen bzw. Intellekt wohnend; gahvareṣṭham – im Körper wohnend.


etacchrutvā samparigṛhya martyaḥ pravṛhya dharmyamaṇumetamāpya।
sa modate modanīyaṃ hi labdhvā vivṛtaṃ sadma naciketasaṃ manye॥ 13॥

13. Nachdem der Sterbliche von diesem (dem Selbst) gehört hat und Es sauber von dem tugendhaften ātman getrennt hat – wodurch er dieses subtile Selbst gewinnt – jubiliert er, denn er hat das gewonnen, was die Grund aller Freude ist. Ich glaube, dass der Wohnsitz des brahman für Naciketās weit offen steht.

ERLÄUTERUNG: Der Suchende hört von seinem fähigen und wissenden Lehrer alles über diesen ātman und versteht die wahre Natur des ātman. Daraufhin trennt er klar den ātman vom Körper und vom manas – durch Unterscheidung zwischen Wirklichem und Unwirklichem (viveka). Er meditiert über das innere Selbst und verwirklicht es durch direkte intuitive Wahrnehmung. Jetzt erfreut er sich am Selbst. Die Tür zum Wohnsitz des brahman steht dir weit offen, o Naciketas, da du ein würdiger Aspirant bist, mit den vier Werkzeugen der Befreiung (S. 87) ausgestattet.

Modanīyam – was Freude erzeugt (das Selbst, der ātman); sadma – die Tür oder das Haus des brahman (der Zustand des absoluten Bewusstseins des brahman); dharmyam (od. dharmam) – der die Welten aufrechterhält; verbunden mit dharma. Diese Welt wird aufrechterhalten durch dharma, Gerechtigkeit. Brahman ist das innerste Zentrum jeglichen dharmas. Warum lebt ein Mensch ein Leben der Gerechtigkeit? Weil er brahman (das Selbst) erreichen will worin allein er wirklich Freude haben kann.

Modate – er freut sich, er jubiliert. Das svarūpa, die Essenz, des brahman ist die Verkörperung von Glückseligkeit. Sinnliches Vergnügen ist nur eine flüchtige Empfindung, hervorgerufen durch ein Kitzeln, eine Erregung der Nerven. Dabei gibt es immer eine nachteilige Rückwirkung. Der Zustand des brahman ist vollkommen, homogen und immerwährend. Es ist ein absolut unveränderlicher Zustand.


anyatra dharmādanyatrādharmādanyatrāsmātkṛtākṛtāt।
anyatra bhūtācca bhavyācca yattatpaśyasi tadvada॥ 14॥

14. NACIKETAS: Sprich zu mir über das, was du als verschieden von Tugend und Laster, verschieden von Ursache und Wirkung, von Vergangenheit und Zukunft siehst.

ERLÄUTERUNG: Wenn ich dessen wert bin, wenn du zufrieden bist mit mir, o Yama, dann erkläre mir das, was du als verschieden von Tugend und Laster siehst, verschieden von Ursache und Wirkung, verschieden von Vergangenheit und Zukunft.

In brahman, dem ātman, da gibt es weder Tugend noch Laster, weder Ursache noch Wirkung, weder Vergangenheit noch Zukunft. Tugend und Laster, Vergangenheit und Zukunft sind nur Schöpfungen des manas. Zeit ist ein Modus des manas. Zeit ist eine Schöpfung des manas. Zeit wird erzeugt durch eine Abfolge von Ereignissen. In īśvara gibt es nur gleichzeitige Wahrnehnung. Alles ist nur „gegenwärtig“. Alles ist nur „jetzt“. Brahman ist Ewigkeit, ist jenseits von Zeit.


sarve vedā yatpadamāmananti tapāṃsi sarvāṇi ca yadvadanti।
yadicchanto brahmacaryaṃ caranti tatte padaṃ saṃgraheṇa bravīmyomit-yetat॥ 15॥

15. YAMA: „Das Ziel (Wort) das alle Veden preisen, von dem alle spirituellen Übungen zeugen, wonach die Suchenden streben, indem sie das Leben eines brahma-cārī leben, dieses Ziel (Wort) will ich dir sagen: Es ist om.“

ERLÄUTERUNG: Das Wort padam hat 22 Bedeutungen, u.a. Weg; Platz; Wohnsitz; Zustand. Das Üben von Askese, Entsagung und brahmacarya führt zu der Verwirklichung von brahman.

Om ist sowohl eine Anfangssilbe (pratīka), ein Symbol (ॐ) als auch ein Platzhalter für brahman. Das Ziel, das du lernen und erreichen willst, ist das Ziel, das angedeutet oder bezeichnet wird durch die heilige Silbe om. Om wird śābda-brahman (der Klang brahmans), praṇava, ekākṣara und oṃ-kāra genannt. Om ist die Basis oder Wurzel aller Klänge und somit das perfekte Klangsymbol für brahman. Eigentlich besteht om aus drei Buchstaben, nämlich a, u und ṃ. Klang, Wort und Name sind untrennbar verbunden mit dem Gedanken bzw. der Idee. Weitere Einzelheiten zur Silbe om findest du in der Māṇḍūkya-Upaniṣad – zudem taucht der Grundgedanke dieses Verses in der Bhagavad-Gītā (8.11) auf.


etaddhyevākṣaraṃ brahma etaddhyevākṣaraṃ param।
etaddhyevākṣaraṃ jñātvā yo yadicchati tasya tat॥ 16॥

16. Dieses Wort ist wahrlich brahman; dieses Wort ist wirklich das höchste. Wer dieses Wort kennt, erhält in der Tat alles, was er sich wünscht.

ERLÄUTERUNG: Das Wort ākṣara hat 14 Bedeutungen, u.a. Silbe; unvergänglich.

Om und brahman sind untrennbar miteinander verbunden, deshalb meditiere stets über om.

Brahma – das manifestierte, das niedere bzw. saguṇa-brahman (brahman mit Eigenschaften); param – das höchste, höhere bzw. nirguṇa-brahman (brahman ohne Eigenschaften).

Die Silbe om kann sowohl für saguṇa-brahman als auch für nirguṇa-brahman eingesetzt werden. Wenn jemand über om mit saguṇa-bhāva (innere Einstellung mit Eigenschaften, d.h. mit Mantras, Licht, Bildern) meditiert, erreicht er das manifeste bzw. saguṇa-brahman; wenn er über om mit nirguṇa-bhāva (innere Einstellung ohne Eigenschaften, d.h. abstrakt) meditiert, wird er nirguṇa-brahman erreichen. Das manifestierte brahman sollte erreicht, das unmanifeste brahman sollte erkannt werden.


etadālambanaṃ śreṣṭhametadālambanaṃ param।
etadālambanaṃ jñātvā brahmaloke mahīyate॥ 17॥

17. Dies ist die beste Stütze. Dies ist die höchste Stütze. Wer diese Stütze kennt, wird in der Welt des brahman verehrt.

ERLÄUTERUNG: Ālambanam – Unterstützung, Stütze, Pfeiler, Zuflucht, Mittel, um brahman zu realisieren.

Om ist die beste Stütze, der beste Stützpfeiler. Es ist das beste Mittel, um das höchste, nirguṇa-brahman zu erreichen sowie auch des manifesten oder saguṇa-brahman. Wer über brahman meditiert wird eins mit brahman und wird würdig, wie brahman verehrt zu werden. Der Kenner des brahman wird brahman (bzw. geht in brahman auf).

Etadālambanaṃ jñātvā – wer diese Stütze kennt, wer brahman verwirklicht hat, wer die Bedeutsamkeit von om erkannt hat.


na jāyate mriyate vā vipaścinnāyaṃ kutaścinna babhūva kaścit।
ajo nityaḥ śāśvato'yaṃ purāṇo na hanyate hanyamāne śarīre॥ 18॥

18. Der intelligente ātman wird nicht geboren und stirbt auch nicht. Er trat nicht aus irgendetwas hervor und nichts trat aus Ihm hervor. Ungeboren, ewig, immerwährend, uralt, wird er nicht getötet, selbst wenn der Körper getötet wird.

ERLÄUTERUNG: In Vers 14 bittet Naciketas Yama, von dem Wesen zu sprechen, das jenseits von Tugend und Laster ist, jenseits von Ursache und Wirkung etc. Im 15., 16. und 17. Vers antwortet Yama darauf, indem er die Silbe om als eine Stütze bzw. ein Mittel beschribt, um brahman zu verwirklichen. Ab hier und in den folgenden Versen spricht Yama über die wahre Natur brahmans.

Na jāyate mriyate – brahman ist nicht geboren noch stirbt Es. Es ist nicht geboren (aja), d.h. Es ist nicht geschaffen worden wie ein Topf aus dem Lehm oder wie ein Stück Stoff aus der Baumwolle. Es ist ohne Ursache. In diesem Vers werden also die erste und die letzte Änderung, Geburt und Tod, dem brahman abgesprochen. Daraus können wir schlussfolgern, dass brahman auch frei ist von allen anderen Modifikationen, denen die Dinge unterworfen sind, die geboren werden und daher nicht ewig sind.

Dieser ātman kam nicht aus irgendetwas oder durch irgendeine Ursache, noch kam irgendetwas aus ihm ins Sein. Daher ist Er ungeboren, ewig (nitya), unvergänglich, unveränderlich, ewigwährend (śāśvata). Alle Dinge in dieser Welt, die nicht ewig sind, vergehen, aber brahman vergeht nie, da es ewigwährend ist. Wir nennen ein Ding „neu“, wenn gewisse Veränderungen bzw. eine Entwicklung seiner Teile in ihm stattgefunden haben, z.B. im Falle eines „neuen“ Gebäudes. Aber solche Veränderungen bzw. eine derartige Entwicklung seiner Teile finden in brahman nicht statt, da Es unveränderlich und immerwährend ist. Daher ist Es „uralt“ (purāṇa). Da Es ewig und immerwährend ist, wird Es nicht erschlagen, auch wenn der Körper erschlagen wird, z.B. durch ein Schwert. Genau wie der Raum in einem Topf nicht beeinträchtigt wird, selbst wenn der Topf zerbricht, so wird auch dieser ātman nicht zerstört oder beeinflusst, selbst wenn der Körper durch ein Schwert erschlagen wird. In diesem mantra ist also die Rede von der Unsterblichkeit der Seele.

Dieser Vers ist praktisch identisch mit Kapitel 2, Vers 20 in der Bhagavad-Gītā.


hantā cenmanyate hantuṃ hataścenmanyate hatam।
ubhau tau na vijānīto nāyaṃ hanti na hanyate॥ 19॥

19. Wenn der Erschlagende denkt: „Ich erschlage“, und wenn der Erschlagene denkt: „Ich werde erschlagen“, so haben beide unrecht. Dieser ātman erschlägt nicht, noch wird Er erschlagen.

ERLÄUTERUNG: Der ātman ist extrem fein und subtil. Er kann nicht durch ein Schwert erschlagen werden. Unwissende Menschen denken, dass dieser Körper ātman ist, und sie identifizieren die Seele mit dem Körper. Wenn der Erschlagende denkt: „Ich erschlage“, indem er den Körper für die Seele hält, und wenn der Erschlagene denkt: „Ich werde erschlagen“, dann kennen beide nicht ihren ātman. Beide sind unwissend. Er (die Seele) erschlägt nicht noch wird er erschlagen. Die Verse 18 und 19 sind fast identisch mit Kapitel 2, Vers 19-20 in der Bhagavad-Gītā, in der die Essenz der Upanishaden enthalten ist.


aṇoraṇīyānmahato mahīyānātmā'sya jantornihito guhāyām।
tamakratuḥ paśyati vītaśoko dhātuprasādānmahimānamātmanaḥ॥ 20॥

20. Der ātman, feiner als das Feinste, größer als das Größte, wohnt im Herzen eines jeden Lebewesens. Wer frei ist von Wünschen, mit Geist und Sinne in sich ruhend, erblickt die Herrlichkeit des Selbst und wird frei von Kummer und Leiden.

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers wird beschrieben, wie man Selbstverwirklichung erreicht. Der ātman wohnt im Herzen jedes Lebewesens, angefangen von Brahmā bis hinunter zu einem Wurm. Die Seele einer Ameise ist dieselbe wie die Seele eines Elefanten. Es gibt ein gemeinsames Bewusstsein in allen Wesen. Die Grundlage und die Stütze aller Dinge dieser Welt ist der ātman. Die ganze Welt ist dem ātman überlagert, ähnlich wie eine Schlange dem Seil überlagert ist. Diese Welt hat keine unabhängige Existenz außerhalb des ātman.

Wer alle Wünsche nach weltlichen Vergnügungen – in dieser Welt und der danach – abgelegt hat und wer die Sinne und den manas kontrolliert und beruhigt hat, erlangt Selbstverwirklichung und ist dadurch frei von Leiden.

Dhātu – Geist und Sinne werden dhātus genannt, weil sie den Körper unterstützen; dhātu-prasādāt – Śaṅkara interpretiert dies als dhātu-samprasādāt: durch die Beruhigung der Sinne und des Geistes.

Dvaita-Kommentatoren interpretieren es, wie folgt: „Wenn er, durch die Gnade (prasāda) des Schöpfers (dhātṛ), die Größe der Seele (ātman) wahrnimmt [...].“ Dies ist eine wichtige Textstelle, da hier zum ersten Mal explizit die Lehre von der Gnade (prasāda) auftaucht. Derselbe Vers, mit leichter Abwandlung, erscheint in der Śvetāśvatara-Upaniṣad (3.20) und in der Mahānārāyaṇa-Upaniṣad (8.3).


āsīno dūraṃ vrajati śayāno yāti sarvataḥ।
kastaṃ madāmadaṃ devaṃ madanyo jñātumarhati॥ 21॥

21. Wenn Er sitzt, geht Er weit; wenn Er liegt, geht er überall hin. Daher: Wer sonst, außer mir, kann den Gott begreifen, der sich freut und sich nicht freut?

ERLÄUTERUNG: Āsīno dūraṃ vrajati – wenn Er sitzt, geht Er weit. Dieser ātman bewegt sich nicht, und doch geht er eine große Distanz. Dies erscheint offensichtlich ein Widerspruch in sich, ist aber wirklich wahr. Vom absoluten Standpunkt aus ist dieser ātman bewegungslos. Wohin soll Er sich bewegen, wenn Er all-voll (pari-pūrṇa) ist? Er ist, wenn man so will, durch den Körper begrenzt. Vom relativen Standpunkt aus könnt man sagen: Er bewegt sich, wenn der Körper sich bewegt. Bedingt durch die Bewegung des Körpers und des Geistes erhält Er eine Art Bewegung.

Śayāno yāti sarvataḥ – wenn er liegt, geht Er überall hin. Dass Er überall hin geht, bedeutet, dass Er alldurchdringend ist.

Er ist freudvoll und freudlos. Er freut sich und freut sich nicht. Er genießt die Welt in Seinem relativen Aspekt, ist aber ein stiller Zeuge in Seiner absoluten Natur und daher freut Er sich auch wieder nicht.

Der ātman hat Eigenschaften, die sich gegenseitig widersprechen. Daher ist es schwierig, Ihn zu erkennen.

Fähige Menschen wie ich, die einen subtilen, scharfen und reinen Intellekt haben, die Gelehrsamkeit haben und die vier Werkzeuge (S. 87), die können diesen ātman erkennen. Dieser ātman scheint gegensätzliche Eigenschaften zu haben, wie viśvarūpa oder wie der cintāmaṇi (Stein der Weisen), die auf verschiedene Weise erscheinen, entsprechend der Laune des Menschen, der sie wahrnimmt.


aśarīraṃ śarīreṣvanavastheṣvavasthitam।
mahāntaṃ vibhumātmānaṃ matvā dhīro na śocati॥ 22॥

22. Der Weise, der den ātman als körperlos erkannt hat, als das Feste in vergänglichen Körpern, groß und alldurchdringend, der hat niemals Kummer.

ERLÄUTERUNG: Die Weisen, die Selbstverwirklichung erreicht haben, die also den ātman erkannt haben durch unmittelbare, intuitive Wahrnehmung (aparokṣa-anubhūti), leiden nicht. Wie könnte der alldurchdringende ātman einen Körper haben? Der ātman ist wie ākāśa, der alldurchdringende Äther.

Aśarīram – körperlos; śarīreṣu – in den Körpern der Götter, Manen, Menschen etc.; in physischen, astralen und kausalen Körpern.

Dieser ātman, der körperlos ist, wohnt fest in vergänglichen Körpern. Er ist körperlos innerhalb der Körper. Er ist unvergänglich in den vergänglichen Dingen.

Avasthitam – fest sitzend, d.h. ewig, keinen Modifikationen und Veränderungen unterworfen, unveränderlich; mahāntam – groß, großartig; vibhu – alldurchdringend. Es mag ein Zweifel aufkommen, ob die Größe nicht relativ ist . Um diesen Zweifel zu beseitigen, haben wir das Attribut vibhu, alldurchdringend.


nāyamātmā pravacanena labhyo na medhayā na bahunā śrutena।
yamevaiṣa vṛṇute tena labhyastasyaiṣa ātmā vivṛṇute tanūṃ svām॥ 23॥

23. Dieser ātman kann nicht durch Studium der Veden erreicht werden, auch nicht durch Intelligenz oder dadurch, dass man viel darüber hört. Derjenige, den das Selbst auswählt – durch den kann das Selbst erreicht werden. Dem offenbart der ātman (bzw. Gott) seine wahre Natur.

ERLÄUTERUNG: Dieser ātman kann nicht durch das Studium der Veden erreicht werden, auch nicht durch Intelligenz oder durch Erinnern und auch nicht dadurch, dass man viel die śrutis hört. Der ātman kann nur durch denjenigen erreicht werden, der frei von Wünschen ist und der danach strebt, Ihn (bzw. Es) zu erkennen. Diesem ātman offenbart seine wahre Form und seine wahre Natur. Die Seele desjenigen, der wirklich wünscht, seine eigene Seele zu kennen, dem offenbart sie ihre eigene Wahrheit.

Nach Śaṅkara ist ātman nur für jene Schüler erreichbar, die Ihn (von ganzem Herzen und mit Fleiß) suchen.

Nach den dvaitīs (hingegen) kann ātman nur durch Gottes Gnade erreicht werden. Dieselbe Idee ist in den Versen 7 bis 9 (s. o.) enthalten. Sie erscheint auch in der Muṇḍaka-Upaniṣad 3.2.3.

[Die Hrsg: Das Selbst wird weder durch Exegese noch durch den Verstand oder durch intensives Lernen der Schrift gewonnen. Nur von dem, den Es/Er (das Selbst, ātman, Gott) wählt, kann es gewonnen werden; (nur) für ihn enthüllt dieses Selbst seine wahre Natur.

ayam ātmā – dieses Selbst/dieser ātman; pravacanena – durch Auslegung; na labhyaḥ – nicht gewonnen/erreicht; na medhayā – noch durch Verstand, Intelligenz; na bahunā śrutena – noch durch das Studieren der Schriften; yam eva – wem; eṣaḥ vṛṇute – es auswählt; tena labhyaḥ – nur durch Ihn kann es gewonnen werden; tasya – zu ihm; eṣaḥ ātmā – der ātman, das Selbst; svām tanum – seine/n eigene/n Körper, Natur; vivṛṇute – enthüllt.]


nāvirato duścaritānnāśānto nāsamāhitaḥ।
nāśāntamānaso vāpi prajñānenainamāpnuyāt॥ 24॥

24. Aber wer sich nicht von schlechtem Verhalten abgewandt hat, wessen Sinne nicht gebändigt sind, wessen Geist nicht konzentriert ist und wessen manas nicht beruhigt ist, der kann diesen ātman niemals durch Wissen erreichen.

ERLÄUTERUNG: Aśāntaḥ („nichtfrieden“) – jemand der seine Sinne nicht unter Kontrolle hat; asamāhitaḥ („nichtvereint“) – jemand der unkonzentriert ist; aśānta-mānasaḥ – jemand, der einen unruhigen Geist hat.

Wer sündige Taten vollbringt, die von den Schriften verboten sind, wer seine Sinne nicht kontrolliert hat, wer keinen zielgerichteten und ruhigen Geist hat, der kann keine intuitive Wahrnehmung des ātman haben.


yasya brahma ca kṣatraṃ ca ubhe bhavata odanaḥ।
mṛtyuryasyopasecanaṃ ka itthā veda yatra saḥ॥ 25॥

25. Für welchen (ātman) die brāhmaṇas (Brahmanen) und die kṣatriyas (Krieger) quasi nur Nahrung sind und der Tod das Gewürz dazu – wie kann man wissen, wo dieser ātman ist?

ERLÄUTERUNG: Wie kann jemand, der unwissend und weltlich gesinnt ist und der nicht mit den oben genannten Qualifikationen ausgestattet ist, den ātman kennen, das höchste Selbst – in dem alle Kasten- und Glaubensunterschiede verschwinden und von dem sogar der Tod verschlungen wird. Nur wer die oben beschriebenen Qualifikationen hat, kann diesen ātman erkennen.

HIER ENDET DER ZWEITE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ERSTEN KAPITELS DER KATHA UPANISHAD.

Prathamo 'dhyāyaḥ, Tṛtīyā Vallī - Katha Upanishad Erstes Kapitel, dritter Handlungsstrang

ṛtaṃ pibantau sukṛtasya loke guhāṃ praviṣṭau parame parārdhe।
chāyātapau brahmavido vadanti pañcāgnayo ye ca triṇāciketāḥ॥ 1॥

1. Die zwei, welche die Früchte ihrer guten Taten genießen, die beide in der Höhle des Wohnsitzes des Höchsten weilen – die Kenner des brahman nennen sie Schatten und Licht, wie auch die Opfernden des fünffachen Feuers und diejenigen, die dreimal das Nāciketa-Feuer verehrt haben.

ERLÄUTERUNG: Da sind die beiden, d.h. der paramātman (die höchste Seele) und der jīvātman (die individuelle Seele); der erstere ist das Licht und der letztere der Schatten. Ersterer ist immer frei und letzterer ist gebunden. Daher wird hier das Bild von Licht und Schatten verwendet. Sie sind so verschieden wie Licht und Schatten.

Ṛtam – Wahrheit, die Frucht guter Taten; loke – in diesem Körper.

Pibantau – genießend (Dual-Form). Obwohl eigentlich nur die individuelle Seele die Früchte ihrer Taten genießt – deswegen hätte man die Einzahl erwartet – ist hier doch der Dual benutzt worden, wegen der Verbindung des Individuums mit der Höchsten Seele. Der Dual wird hier gebraucht nach der Analogie der „Schirm-Träger“: „Die Schirmträger gehen …“ – das sagt man, obwohl nicht alle in der Gruppe einen Schirm tragen. Paramātman ist nicht berührt von den Werken und ihren Resultaten. Er ist immer der stille Zeuge.

Wie könnte man vom höchsten Selbst sagen, dass es den Lohn früherer Tage genießt (wörtl.: „trinkt“), wo es doch über allen Taten und ihren Früchten steht? Dies sollte man nur als einen metaphorischen Ausdruck ansehen, so wie wir oftmals von vielen sprechen, wenn wir eigentlich nur einen meinen. (Vgl. Muṇḍaka-Upaniṣad 3.1.1).

Sukṛta – „gute Tat“; sukṛtasya – „Taten, die durch sie selbst getan worden sind“ und ist verbunden mit dem vorangehenden Wort „Früchte“. Guhāṃ praviṣṭau – wohnend in Intelligenz; parame – in dem höchsten ākāśa des Herzens, der höher steht als der äußere ākāśa (bhūtākāśa), weil brahman im Herzen manifest wird; parārdhe – in dem Wohnsitz des brahman, in der Höhle des Herzens.

Sie wohnen in dem ākāśa in der Höhle des Herzens. Sie sind eingetreten in die Intelligenz in der erhabenen Höhle des Herzens.

Die Kenner des brahman sagen dies. Und die Hausväter, welche die fünf Opfer-feuer aufrechterhalten, und andere, welche das Nāciketa-Feuer dreimal ausgeführt haben, sagen es auch.


yaḥ seturījānānāmakṣaraṃ brahma yatparam।
abhayaṃ titīrṣatāṃ pāraṃ nāciketaṃ śakemahi॥ 2॥

2. Wir sind fähig, beides zu verstehen: das Nāciketa-Feuer, das die Brücke aller Opferhandlungen ist (um über Elend hinauszugelangen) und auch das höchste, unzerstörbare brahman, das furchtlos ist und die Zuflucht derer, die den Ozean des saṃsāra zu überqueren wollen.

ERLÄUTERUNG: Setu – Brücke, Zuflucht. Das Nāciketa-Feuer ist eine Brücke, um diejenigen, die die Opferhandlung ausführen, von dieser sterblichen Welt zu dem unsterblichen Wohnsitz des brahman zu führen. Es ist sozusagen eine Brücke für den Opfernden, die den Zweck hat, jeglichen Kummer zu überschreiten. Wir können auch das höchste, unsterbliche und furchtlose brahman erkennen, das die andere Küste ist, die Zuflucht für diejenigen, die den furchterregenden Ozean des saṃsāra überqueren wollen. Die gegenüberliegende Küste des saṃsāra ist mokṣa. Sowohl das unmanifeste brahman (das Ziel der vedāntīs) als auch das manifeste brahman (das Ziel derjenigen, die karma [Opferhandlungen] ausführen), sind es wert, erkannt zu werden. Pāram – Küste, Ufer. (Vers 1 und 2 sind möglicherweise spätere Hinzufügungen.)


ātmānaṃ rathinaṃ viddhi śarīraṃ rathameva tu।
buddhiṃ tu sārathiṃ viddhi manaḥ pragrahameva ca॥ 3॥

3. Erkenne den ātman als den Herrn des Streitwagens, den Körper als den Wagen; erkenne den Intellekt als den Wagenlenker und den manas als die Zügel.

ERLÄUTERUNG: Die Analogie des Streitwagens in diesem Vers soll dem besseren Verständnis dienen. Diese schöne Analogie wird sehr oft von Vortragsrednern und Schriftstellern benutzt. Erkenne den jīvātman (die individuelle Seele) als den Herrn des Wagens. Er ist es, der die Früchte seines karma erntet und der durch Unwissenheit an diesen saṃsāra gebunden ist.

Genau wie der Kampfwagen von Pferden gezogen wird, so wird auch dieser Körper-Wagen durch die Pferde der Sinne gezogen. Auf diese Weise wird der Körper mit dem Streitwagen verglichen. So wie der Wagen sehr umsichtig von dem Lenker dirigiert wird, so wird auch dieser Körper-Wagen bewegt bzw. gelenkt durch den Lenker-Intellekt, der mit Unterscheidungsfähigkeit ausgestattet ist. Der Körper tut alles, was er tut, nach den Anweisungen des Intellekts. Die Pferde bewegen sich, sobald der Lenker die Zügel in die Hand nimmt. Entsprechend führen die Sinne ihre Aufgabe aus, wenn sie von dem manas in den Griff genommen werden. Siehe auch die Śvetāśvatara-Upaniṣad (2.9), wo ein ähnlicher Vergleich auftaucht: „Indem er die Sinne bändigt, seine Wünsche unterdrückt und sanft durch die Nase atmet, lass den Weisen sorgfältig den manas lenken, so wie der Wagenlenker einen Wagen führt, der von widerspenstigen Pferde gezogen wird.“


indriyāṇi hayānāhurviṣayāṃsteṣu gocarān।
ātmendriyamanoyuktaṃ bhoktetyāhurmanīṣiṇaḥ॥ 4॥

4. Sie sagen: Die Sinne sind die Pferde und ihre Objekte sind die Straßen; der ātman, die Sinne und der manas gemeinsam – das nennen die Weisen den Genießenden (den, der in der Welt Erfahrungen macht).

ERLÄUTERUNG: Die Sinne, wie z.B. die Ohren, die Haut, die Zunge und die Nase sind die Pferde, denn sie ziehen den Körper-Wagen. Die Objekte – Klang, Tastgefühl, Form, Geschmack und Geruch – bilden die Straßen, auf denen die Pferde der Sinne traben.

Der reine ātman kann nicht der Genießende sein. Er ist immer nur der stille Zeuge (sākṣī). Er kann nicht der Handelnde sein. Er ist aktionslos, untätig (niṣkriya, akriyā). Er ist nichthandelnd (akartā). Er erscheint (nur) als der Handelnde oder als der Genießende, wenn Er – durch avidyā (Unwissenheit) – vereint ist mit dem manas, den Sinnen und dem Körper. Der manas handelt und genießt durch die Sinne und den Körper. Die Attribute des manas, der Sinne, des prāṇa und des Körpers werden übertragen auf den reinen ātman und die Attribute des ātman werden übertragen auf den manas und den Körper. Das wird wechselseitige Überlagerung genannt (anyonya adhyāsa). Durch diese Überlagerung scheint der manas, der eigentlich kein Bewusstsein hat, intelligent zu sein; und der unreine und unintelligente Körper wird fälschlich für den reinen und bewussten ātman genommen. Der reine ātman erscheint als jīva – durch diese Überlagerung, die durch Unwissenheit erzeugt wird – und unterliegt scheinbar den Schmerzen von saṃsāra, Geburt und Tod. Der jīva ist, in seiner Essenz, sac-cidānanda svarūpa (Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit). Wenn avidyā durch Wissen um das Selbst zerstört wird, wird er (der jīva) identisch mit brahman bzw. paramātman (dem höchsten Selbst).


yastvavijñānavānbhavatyayuktena manasā sadā
tasyendriyāṇyavaśyāni duṣṭāśvā iva sāratheḥ॥ 5॥

5. Wer keine Unterscheidungskraft hat und wessen manas immer ungezügelt ist, dessen Sinne sind nicht kontrollierbar – wie die widerspenstigen Pferde des Wagenlenkers.

ERLÄUTERUNG: Avijñānavān – wer kein rechtes Verständnis hat; wer nicht buddhi, den Intellekt, als Wagenlenker hat; wer ohne Unterscheidungsfähigkeit ist. Wenn jemand nicht zwischen dem Wahren und dem Unwahren, dem Wirklichen und dem Unwirklichen unterscheiden kann, wenn er nicht zwischen dem unterscheiden kann, was zu tun ist und was zu lassen ist und wenn sein Geist nicht kontrolliert ist, dann ist er unfähig, seinen Körper-Streitwagen zu lenken. Seine Sinne geraten durcheinander und werden unkontrollierbar wie bösartige Pferde vor dem Wagen. Genau wie ein unfähiger Lenker seine widerspenstigen Pferde nicht kontrollieren kann, so kann auch ein inkompetenter Lenker seines Körper-Streitwagens – also der Intellekt, der nicht fähig ist zu unterscheiden – die Sinne nicht kontrollieren.


yastu vijñānavānbhavati yuktena manasā sadā
tasyendriyāṇi vaśyāni sadaśvā iva sāratheḥ॥ 6॥

6. Wer aber wahres Verständnis hat und wessen Geist immer unter Kontrolle ist, dessen Sinne sind auch unter Kontrolle wie die Pferde eines guten Lenkers.

ERLÄUTERUNG: Vijñānavān – der rechtes Verständnis hat; der seine manas-Zügel fest in der Hand hält.

Genau wie ein fähiger Wagenlenker seine Pferde durch geschicktes Handhaben der Zügel kontrolliert, so zügelt auch ein fähiger Lenker seines Körper-Gefährtes seine Sinne – durch rechtes Verständnis, Unterscheidungsvermögen und Willenskraft. Die letzten beiden Verse zeigen, dass die Sinne durch die Kontrolle des manas gezügelt werden können. Kontrolle der Sinne ist ein indirektes Mittel, das Ziel, mokṣa, zu erreichen.



yastvavijñānavānbhavatyamanaskaḥ sadā'śuciḥ । na sa tatpadamāpnoti saṃsāraṃ cādhigacchati॥ 7॥

7. Wer aber keine Unterscheidungskraft hat und wessen manas nicht unter Kontrolle ist und wer außerdem immer unrein ist, der erreicht nicht das Ziel, sondern tritt ein in den Kreislauf von Geburt und Tod.

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers werden die Wirkungen aufgezeigt, die ein unfähiger Wagenlenker (Intellekt) erzeugt, der kein rechtes Verständnis hat. Der Herr des Streitwagens, also der jīva bzw. die individuelle Seele, die weder rechtes Verständnis noch Unterscheidungskraft hat, die deshalb unrein ist, erreicht nicht das unsterbliche Ziel unendlicher Strahlkraft und Glorie, weil sie einen derart unfähigen Wagenlenker (Intellekt) hat. Nicht nur das: Er, der jīva, bleibt weiterhin im saṃsāra (Zyklus von Geburt und Tod) gefangen.

Padam – Ziel, Zustand, der in 1.2.15 erwähnt wurde; saṃsāra – der Prozess der Welt bzw. der Zyklus von Geburt und Tod.


yastu vijñānavānbhavati samanaskaḥ sadā śuciḥ ।
sa tu tatpadamāpnoti yasmād bhūyo na jāyate॥ 8॥

8. Wer aber Begriffsvermögen hat, wessen manas immer unter Kontrolle ist und wer rein ist, erreicht das Ziel, von dem aus er nicht wiedergeboren wird.

ERLÄUTERUNG: Wer richtiges Verstehen und Unterscheidungskraft hat, wer seinen manas immer unter Kontrolle hat und wer daher immer rein ist, erreicht das Ziel, von dem aus er nicht wieder im saṃsāra geboren wird.


vijñānasārathiryastu manaḥ pragrahavānnaraḥ।
so'dhvanaḥ pāramāpnoti tadviṣṇoḥ paramaṃ padam॥ 9॥

9. Wer unterscheidende Intelligenz als Lenker hat und einen wohlkontrollierten manas als Zügel, der erreicht das Ziel der Reise, den höchsten Sitz von Viṣṇu.

ERLÄUTERUNG: Vijñāna-sārathiḥ – wer unterscheidende Intelligenz als Wagenlenker hat; manaḥ pragrahavān – wer einen wohlkontrollierten manas als Zügel hat. So wie ein Mensch das Ziel seiner Reise erreichen kann, wenn sein Wagenleker klug ist und den Wagen umsichtig lenkt, indem er die Pferde mittels der Zügel kontrolliert, so kann auch der jīva das Ende der Straße des saṃsāra erreichen. Er kann den höchsten Sitz von Viṣṇu erreichen, d.h. die Natur des alldurchdringenden unsterblichen brahman, wenn seine unterscheidende Intelligenz den manas und die Sinne kontrolliert.

Viṣṇu – das alldurchdringende brahman (aus dem Ṛg-Veda 1.22.20); tadviṣṇoḥ paramaṃ padam – „der höchste Sitz von Viṣṇu, der unsterbliche Status von Viṣṇu, der alldurchdringende param-ātman, der auch „Vāsudeva“ genannt wird (der selbstleuchtende svayam-prakāśa)“.

Vyāpanaśīlasya brahmaṇaḥ param-ātmano vāsudevākhyasya – „Viṣṇu wird gleichgesetzt mit dem Sohn von Vasudeva“. (aus Śaṅkaras Ten Principal Upaniṣads)


indriyebhyaḥ parā hyarthā arthebhyaśca paraṃ manaḥ।
manasastu parā buddhirbuddherātmā mahānparaḥ॥ 10॥

10. Jenseits der Sinne sind die Rudimente der Objekte, jenseits dieser Rudimente ist der manas, jenseits des manas ist der Intellekt, jenseits des Intellekt ist das große Selbst.

ERLÄUTERUNG: Die aufsteigende Abfolge in der Feinstofflichkeit der Dinge wird im 10. und 11. Vers beschrieben. Dabei gilt ein Objekt als höherrangig, je feiner es ist. Der ātman ist das feinste vastu (Ding, Substanz). Er steht höher als alles andere. Es gibt eine Abstufung, gemäß der das Wissen um dem ātman erreicht wird. Es gibt Stufen und Grade, gemäß denen sich das Bewusstsein ausdehnt und mehr und mehr Wissen einfließt. Die Ursache ist subtiler und durchdringender als die Wirkung. Die pañca-mahā-bhūtas sind die fünf feinen Grundelemente der Materie – stehen höher als die Sinne bzw. Organe, denn die Sinne sind aus ihnen gebildet. Der manas steht höher als die Objekte, denn er ist feiner als die grobe Materie (sthūla-bhūta). Der manas ist aus subtiler Materie gebildet, aus den tan-mātras bzw. sūkṣma-bhutas. Die pañca-mahā-bhūtas sind die Wirkungen der tan-mātras bzw. sūkṣma-bhutas. Weiterhin: Der manas ist der Wahrnehmende (dṛk), die Objekte sind das Wahrgenommene (dṛśya). Der manas ist mehr innerlich als die Sinne. Daher ist der manas höherstehend als die Objekte.

Der Intellekt, der mahat, steht höher als der manas, denn der Intellekt ist subtiler, größer und mehr innerlich als der manas. Der manas leitet den Gedanken weiter an den Intellekt, der die Dinge einordnet, entscheidet und zu endgültigen Schlussfolgerungen kommt. Der Intellekt ist wie der Premierminister für den ātman. Der Intellekt ist der Richter. Er ist dem ātman sehr nahe. Der manas ist nur der Verwaltungschef bzw. wie ein Rechtsanwalt.

Mahān ātmā – „der große ātman“ bzw. „das große Selbst“ ist hiraṇya-garbha, die kosmische Intelligenz, das universelle Leben, die Gesamtsumme aller Seelen. Warum wird Er mahān (groß) genannt? Weil Er der größte von allen ist. Hiraṇya-garbha ist es, der als erster von avyakta, der unmanifesten Urmaterie, geboren wurde. Er ist subtiler als buddhi, der individuelle Intellekt. In der Bhagavad-Gītā (3.42) sagt Kṛṣṇa: „Die Sinne stehen höher als der Körper, höher als die Sinne steht der manas, höher als der manas ist der Intellekt; der eine aber, der noch höher steht als der Intellekt ist Er (ātman)“. (siehe auch Brahma-Sūtra, 3.3.14)


mahataḥ paramavyaktamavyaktātpuruṣaḥ paraḥ।
puruṣānna paraṃ kiṃcitsā kāṣṭhā sā parā gatiḥ॥ 11॥

11. Jenseit des Großen (mahat) ist das Unmanifeste (avyakta). Jenseits des avyakta ist der puruṣa. Jenseits des puruṣa ist nichts, das ist das Ende, das ist das höchste Ziel.

ERLÄUTERUNG: Jenseits sogar von hiraṇya-garbha, der kosmischen Seele, ist avyakta, das Unmanifeste. Dieses avyakta ist subtiler als hiraṇya-garbha. Dies ist der Same aller Welten. So wie der Baum in potentieller Form im Samen existiert, so existiert die Welt in Samenform in avyakta. Die drei guṇas sind in avyakta (Zustand des Gleichgewichts). Materie, Energie und Klang sind in avyakta (in einem undifferenzierten, potentiellen Zustand). Im pralaya wird die ganze Welt hineingezogen in avyakta. Avyakta existiert in para-brahman als Kette und Schuss (Grundgewebe). Es ist der der Zustand, in dem die Potentialitäten aller Ursachen und Wirkungen kombiniert sind. Mūla-prakṛti, pradhāna, avyakta, avyākṛta, māyā sind Synonyme. Jenseits von avyakta ist puruṣa, der innere ātman von allem. Puruṣa ist das größte und subtilste vastu. Er ist die Ursache aller Ursachen. Er füllt alles. Daher wird Er puruṣa bzw. ātman genannt. Er ist das Ende, das höchste Ziel des Lebens, das Summum bonum. Er ist das Extrem an Feinheit und Größe. Wer diesen puruṣa erreicht, wird nicht wiedergeboren in diesem saṃsāra. Er erreicht mokṣa, die endgültige Befreiung.


eṣa sarveṣu bhūteṣu gūḍhotmā na prakāśate।
dṛśyate tvagryayā buddhyā sūkṣmayā sūkṣmadarśibhiḥ॥ 12॥

12. Dieser ātman ist verborgen in allen Wesen und ist nicht äußerlich sichtbar (leuchtet nicht), kann aber von denen, die einen scharfen und subtilen Intellekt haben, gesehen werden.

ERLÄUTERUNG: Dieser ātman ist verborgen in allen lebenden Geschöpfen, angefangen von Brahmā bis hinunter zum Wurm. Durch den Einfluss von avidyā ist der Mensch nicht fähig, die Wahrheit, „Ich bin brahman“, zu begreifen, obwohl er in seiner Essenz brahman ist und obwohl ihm das auch gelehrt wurde. Aber er denkt: „Ich bin der Sohn von dem und dem“, und das, obwohl er gar nicht entsprechend belehrt wurde. Er hält seinen Körper fälschlicherweise für den reinen ātman und wandert im Wahn umher in diesem saṃsāra. Wie unbegreiflich ist doch avidyā! Wie tief und unbegreiflich ist māyā! Wie tief wundervoll und unergründlich ist moha! Eṣa ātma na prakāśate – dieser ātman leuchtet nicht für diejenigen, die einen unreinen, schwerfälligen und groben Intellekt haben, aber Er wird gesehen, d.h. gefühlt und verwirklicht, durch diejenigen, die einen reinen, scharfen und subtilen Intellekt besitzen.

Agryayā – scharf, ausgerichtet. Dieser Intellekt wird gereinigt und geschärft durch ständiges Hören, Nachdenken und Meditieren über brahman. Nur ein scharfer und subtiler Intellekt ist fähig, subtile Objekte wahrzunehmen.

Sūkṣma-darśibhiḥ – durch die Seher oder Weisen, die mit ihrem scharfen, zielgerichteten und feinen Intellekt fähig sind, die Feinheiten der Dinge zu erkennen – wie in den zwei vorangehenden mantras erwähnt. Solche vollendeten Seher können den höchst subtilen ātman erblicken.


yacchedvāṅmanasī prājñastadyacchejjñāna ātmani।
jñānamātmani mahati niyacchettadyacchecchānta ātmani॥ 13॥

13. Der Weise sollte seine Sprache in den manas versinken lassen, den manas in den Intellekt, den Intellekt in den großen ātman und den großen ātman in den friedvollen ātman.

ERLÄUTERUNG: Zieh die Sprache und anderen Organe in den manas zurück (pratyāhāra = Zurückziehen) durch Abstraktion und Selbstkontrolle (dama). Verschmilz den manas in den Intellekt, den Intellekt in die kosmische Intelligenz, hiraṇya-garbha, und hiraṇya-garbha in den friedvollen ātman (śānta ātmani), d.h. in den reinen nichtbedingten para-brahman. Dieser ist die Basis und die Stütze von allem, was unveränderlich ist. Er ist das innere Selbst von allem und der Zeuge aller Bewegungen und Modifikationen des Intellekts. – Hier wird der Prozess der Involution angesprochen, der Prozess des Zurückziehens nach innen. Dies ist die Methode der Selbstverwirklichung durch laya-cintana (die Auflösung der Wirkungen in die letzte und tiefste Ursache).

Praktiziere Introspektion und Selbstanalyse. Kontrolliere den niederen Geist (manas) durch den höheren. Halte alle Aktivitäten der Sinne an und konzentriere das Bewusstsein im manas. Danach ziehe das Bewusstsein vom manas zurück und sammle es im Intellekt. Dann ziehe das Bewusstsein vom Intellekt zurück und fixiere es auf die kosmische Intelligenz. Schließlich ziehe das Bewusstsein von der kosmischen Intelligenz ab und hefte es auf das absolute Bewusstsein, brahman, das Absolute.

Prājñaḥ – der Weise; yacchet – ziehe zurück oder ziehe es hinein, verschmelze, erzeuge laya (Auflösung); vāc – Sprache.

Durch upalakṣaṇa (indirekte, verbergende Ausdrucksweise) wird das Wort „Sprache“ gebraucht, um alle Sinne zu bezeichnen. Genau wie die Schildkröte ihre Gliedmaßen in den Körper einzieht, so werden alle Sinne in den manas zurückgezogen.

Jñānam ātmani – in den Intellekt, in das Selbst des Wissens. Der Intellekt wird hier „ātman“ genannt, weil er den manas und die Sinne durchdringt. Insofern ist er ihr pratyag-ātman, d.h. ihr inneres Prinzip.

Jñānam [ātmani] mahati niyacchet – lass ihn den Intellekt auflösen in den großen ātman, d.h. in hiraṇya-garbha. Das bedeutet: Lass ihn den Intellekt so klar machen wie hiraṇya-garbha.


uttiṣṭhata jāgrata prāpya varānnibodhata।
kṣurasya dhārā niśitā duratyayā durgaṃ pathastatkavayo vadanti॥ 14॥

14. Erhebt euch, wacht auf! Wenn ihr die Großen (bzw. Weisen) gefunden habt, lernt (verwirklicht den ātman)! Wie die scharfe Schneide eines Rasiermessers ist dieser Weg, schwierig zu durchqueren und schwer zu begehen – so sagen die Weisen.

ERLÄUTERUNG: Wenn in dieser Weise Sinne, manas, Intellekt und der große ātman, d.i. hiraṇya-garbha, in das höchste Selbst (para-brahman) eingegangen und mit Ihm verschmolzen sind, erfährt man ewige Glückseligkeit und immerwährenden Frieden. Man erreicht mokṣa, die endgültige Befreiung, und wahres Wissen um das Selbst. Genau wie das Wasser einer Fata Morgana, die Schlange in dem Seil und die blaue Farbe des Himmels verschwinden, wenn man die wahre Natur der Fata Morgana, der Schlange und des Himmels gesehen hat, so verschwindet auch diese Scheinwelt aus Namen, Formen und karma, die Welt aus Handelndem, Handlung und deren Früchten – die letztlich nur aus falschem Wissen entstanden ist –, wenn man das Wissen um den ātman gewonnen hat.

Uttiṣṭhata – erhebt euch, o Menschen, aus dem Morast des saṃsāra! Wendet euch spirituellem Wissen zu, dem Wissen des ātman, des höchsten Selbst! Denkt nicht mehr an die weltlichen Dinge! Jāgrata – erwacht aus dem Schlummer der Unwissenheit, zerstört den Schlaf der Unwissenheit, den Samen allen Elends! Varān – die Großen (bzw. Weisen, Meister).

Wie zerstört man diese Unwissenheit? Nachdem du einen brahmaniṣṭha (ein spiritueller Lehrer bzw. guru, der brahman verwirklicht hat) aufgesucht hast, verwirkliche selbst den ātman, wie Er von ihm (dem guru) gelehrt wurde. Fühle „Ich bin Er“. Vernachlässige dies nicht. Dies ist deine erste und wichtigste Aufgabe. Die śruti bhagavatī (Bez. der göttlichen Mutter) ist gütig und liebevoll. Sie spricht aus Mitgefühl, wie eine Mutter. Da der ātman sehr subtil ist, ist der Pfad des Wissens, der dazu führt, schwer zu begehen. Der Aspirant, der diesen Weg beschreitet, muss sehr vorsichtig, wachsam, fleißig und intelligent sein.

Aus dem Studium der mantras 1.2.7-8 und dieses mantra (1.3.14) wird deutlich, dass ein guru absolut notwendig ist.


aśabdamasparśamarūpamavyayaṃ tathā'rasaṃ nityamagandhavacca yat।
anādyanantaṃ mahataḥ paraṃ dhruvaṃ nicāyya tanmṛtyumukhāt pramucyate॥ 15॥

15. Wer erkennt, was ohne Klang, ohne Berührung, ohne Form, ohne Verfall, ohne Geschmack, ohne Geruch, ohne Anfang, ohne Ende, ewig, jenseits des mahat (Großen) und unveränderlich ist, wird aus den Klauen des Todes befreit.

ERLÄUTERUNG: Das Selbst (ātman bzw. brahman) ist transzendental, d.h. jenseits aller Sinneswahrnehmungen. ES ist aśabdam (ohne Ton), asparśam (ohne Berührung), arūpam (ohne Form), arasam (ohne Geschmack) und agandhavat (ohne Geruch). ES ist jenseits der Materie. ES ist reiner Geist. ES ist absolutes Bewusstsein. ES ist jenseits von Verstand und Sprache. ES hat keine materiellen Eigenschaften wie Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch. ES ist von Natur aus reine Glückseligkeit und Wissen. Die Erde ist grob-, das Weltall feinstofflich (subtil). Das Selbst jedoch, ist subtiler als alles Subtile.

Grob- und feinstoffliche Eigenschaften (Form, Klang, Geruch, Geschmack, Berührung) existieren nicht im Selbst – daher gibt es keinen Verfall. ES kann weder zunehmen noch abnehmen. Etwas, das vergeht, ist (logischerweise) vergänglich. Das, was einen Anfang hat, hat eine Wirkung und wird in seine Ursache aufgesogen – deshalb ist es nicht ewig. Das Selbst hingegen hat keine Ursache, in die ES aufgesogen werden könnte. Da ES die Ursache von allem ist, ist ES keine Wirkung. Da ES kein Effekt ist, ist ES ewig.

Anādyanantam – ohne Anfang und Ende, ewig. Vergängliche Objekte, wie Bäume, Blumen, Körper etc. haben einen Anfang und ein Ende, aber das Selbst ist anfangslos und endlos, da ES ewig ist.

Mahataḥ param – jenseits von mahat; das Selbst (der ātman) unterscheidet sich in seiner Natur von mahat, weil es der stille Zeuge aller, das höchste Wissen und die innere Seele aller Objekte ist. Im mantra 1.3.12 heißt es: „Dieser ātman ist verborgen in allen Wesen [...]“.

Dhruvam – unwandelbar, unveränderlich. Was unveränderlich ist, kann nur als ewig bezeichnet werden.

Mṛtyumukhāt pramucyate – Wer den oben beschriebenen ātman erkannt hat, wird aus den Klauen des Todes bzw. von der Gebundenheit an Geburt und Tod befreit. Er wird von der Gebundenheit an Unwissenheit (avidyā), Verlangen (kāma) und Handeln (karma) befreit. Die drei Knoten (granthis) – Unwissenheit, Begehren und Handeln – werden auseinandergerissen. Er erlangt Unsterblichkeit.


nāciketamupākhyānaṃ mṛtyuproktaṃ sanātanam।
uktvā śrutvā ca medhāvī brahmaloke mahīyate॥ 16॥

16. Ein weiser Mann, der die uralte Geschichte Naciketas’ von Yama (Name des Todesgottes) hört und weitergibt, erlangt Ruhm im Reich brahmans.

ERLÄUTERUNG: Das Wissen des (brahma-vidyā) wird im 16. und 17. Vers gepriesen.

Nāciketam – von Nāchiketa; mṛtyuproktam – vom Tod (Yama) erzählt; upā-khyānam – die Geschichte (in den drei vallīs enthalten); sanātanam – uralt; uktvā śrutvā ca – gesprochen und/oder gehört; brahmaloke – Welt (bzw. Reich) brahmans; mahīyate („großartig werden“) – verherrlicht, wird angebetet, erlangt Ruhm.


ya imaṃ paramaṃ guhyaṃ śrāvayed brahmasaṃsadi।
prayataḥ śrāddhakāle vā tadānantyāya kalpate।
tadānantyāya kalpata iti॥ 17॥

17. Wer dieses höchste Geheimnis mit Hingabe – vor einer Versammlung von Brahmanan oder während des śrāddha (Totenritual für die Ahnen) – rezitiert, erlangt Unsterblichkeit.

ERLÄUTERUNG: Der letzte Teil dieses mantra wurde zweimal wiederholt. Diese Wiederholung dient zum Abschluss des Kapitels.

Brahmasaṃsadi – Versammlung von Personen, die Nachforschungen über brahman anstellen und in der Lage sind, die Natur und Geheimnisse von brahman zu verstehen, die in der Geschichte von Naciketas offenbart wurden.

Śrāddhakāle – zum Zeitpunkt der śrāddha-Zeremonie. Śrāddha ist das Jubiläum bzw. die jährliche Zeremonie zu Ehren der verstorbenen Seelen (Ahnen/ Vorfahren), um ihnen Frieden zu bringen.

Ānantyāya – himmlische Belohnungen, unzählige Früchte, (unendliche Existenz). Wer die Geschichte (das höchste Geheimnis) mit Hingabe, Reinheit, Wort für Wort und mit Sinn vorträgt und vor allem an diejenigen weitergibt, die in der Ahnen-Zeremonie genährt werden (wollen), erhält himmlische Belohnungen. Dieses Ritual (śraddhā) sichert ihm endlose Früchte (bzw. unendliche Existenz).

HIER ENDET DER DRITTE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ERSTEN KAPITELS DER KATHA UPANISHAD

Dvitīyo 'dhyāyaḥ, Prathamā Vallī - Zweites Kapitel, erster Handlungsstrang Katha Upanishad

parāñci khāni vyatṛṇatsvayaṃbhūstasmātparāṅpaśyati nāntarātman।
kaściddhīraḥ pratyagātmānamaikṣadāvṛttacakṣuramṛtatvamicchan॥ 1॥

1. Yama: Der Selbstexistierende (brahman) schuf die Sinne mit der Tendenz, nach außen zu gehen. Deswegen sieht der Mensch das äußere Universum und nicht das innere Selbst (ātman). Aber einige weise Menschen, welche die Augen von den Sinnesobjekten abgewandt haben und die sich nach Unsterblichkeit sehnen, sehen den ātman im Innern.

ERLÄUTERUNG: In mantra 1.3.12 wird gesagt, dass dieser ātman in allen Wesen verborgen ist und nicht sichtbar leuchtet, dass Er aber von hochentwickelten Sehern mit ihrem scharfen und feinen Intellekt wahrgenommen wird. Was ist nun das Hindernis, das der Selbstverwirklichung im Wege steht? Das wird in diesem mantra (bzw. Vers) aufgezeigt. Wenn jemand weiß, was dieses Hindernis ist, kann er danach streben, es zu beseitigen, sonst aber nicht.

Parāñci – nach außen gehend; khāni – die Sinne; svayaṃbhūḥ – der Selbstexistierende (Gott), der höchste Herrscher, der Gott von allem, denn Er allein ist immer unabhängig.

Das selbstexistierende brahman schuf die Sinne mit nach außen gehender Tendenz. Deshalb streben die Organe hin zu den äußeren Objekten, wie z.B. Klang, Form etc., und der Wahrnehmende erblickt die äußeren Gegenstände, aber nicht den ātman im Innern. Aber irgendein weiser Mensch zieht den manas und die Sinne von den äußeren Objekten ab; er hält den nach außen fließenden Strom der Sinne auf und wendet ihn nach innen, so wie man die Strömung eines Flusses umkehrt; er meditiert über das innere Selbst und erblickt den pratyag-ātman. Die unsterbliche Seele kann nicht erreicht werden durch die Sinne, die nach außen gehen.

Ātman – das, was alles durchdringt und absorbiert; aikṣat – sah; das bedeutet hier „sieht“ – die Vergangenheitsform wird für die Gegenwart benutzt (die Zeiten werden in den Veden nicht strikt beachtet); āvṛtta-cakṣuḥ – mit abgewandtem Blick, die Augen nach innen gewandt. Hier bedeutet das, dass nicht nur die Augen, sondern alle Sinnesorgane von ihren Objekten abgezogen werden. Es ist nicht möglich, Licht und Dunkelheit zur gleichen Zeit zu haben. Ebenso ist es nicht möglich, sinnliche Genüsse und die Glückseligkeit der Seele gleichzeitig zu genießen, sich in sinnlichen Dingen zu verlieren und gleichzeitig das innere Selbst zu erfahren, Gott anzubeten und gleichzeitig den Mammon (weltliche Güter).

Warum strebt ein weiser Mensch mit großer Anstrengung danach, das innere Selbst wahrzunehmen? Warum zieht er die Sinne von ihren Objekten ab, mit großer Mühe? Weil er Unsterblichkeit erlangen will und die ewige Glückseligkeit des ātman.

Pratyag-ātmanam – das innere Selbst; amṛtatvam – Unsterblichkeit, Befreiung; icchan – wünschend.


parācaḥ kāmānanuyanti bālāste mṛtyoryanti vitatasya pāśam।
atha dhīrā amṛtatvaṃ viditvā dhruvamadhruveṣviha na prārthayante॥ 2॥

2. Die Unwissenden laufen äußeren Wunschobjekten hinterher und geraten in die Fallen des allgegenwärtigen Todes, aber die Weisen, die die Natur der Unsterblichkeit kennen, begehren nicht die flüchtigen (unstetigen) Dinge hier.

ERLÄUTERUNG: Bāla – Kinder, d.h. kindliche, unwissende Leute ohne Unterscheidungskraft.

Die zwei Hindernisse, die der Selbstverwirklichung entgegenstehen, sind:

1. die natürliche Tendenz der Sinne, sich auf äußere Objekte auszurichten

2. der Wunsch, diese und die nächste Welt zu genießen

Die Sinne gehen auf die äußeren Objekte, bedingt durch vikṣepa-śakti oder rajas. Wenn rajas aus den Sinnen herausgequetscht wird durch zunehmendes sattva, dann werden sie durch den manas absorbiert. Sie werden nicht mehr nach außen gehen. Die Ursache des Wünschens ist Unwissenheit (avidyā).

Mṛtyoḥ – des Todes (Yama); yanti – sie gehen, fallen hinein in; vitatasya – weit ausgedehnt, alldurchdringend; pāśam – Schlinge, Falle.

Der Mensch hat, durch Unwissenheit, seine wesentliche göttliche Natur vergessen, und so läuft der manas hinter sinnlichen Vergnügungen her. Unwissende Menschen, denen rechtes Verständnis und Unterscheidungskraft fehlen, verfolgen äußere Wunschobjekte, und so laufen sie in die Falle bzw. die Schlingen (pāśam) des allgegenwärtigen Yama (Name des Todesgottes). Unwissenheit (avidyā), Wunsch (kāma) und Handlung (karma) sind die drei Knoten (granthis) der Schlinge Yamas. Sie leiden unter den Qualen von Geburt, Tod, Alter, Krankheit etc. Das Wort „Tod“ schließt hier andere Formen des Leben ein: Geburt, Krankheit, Verfall, Alter etc. Aber die Weisen (die Kenner des brahman) trachten nicht nach kurzlebigen, unstetigen Dingen.

Der pratyag-ātman (das innere Selbst) wächst nicht durch karma noch wird Er dadurch vermindert – Er ist beständig und unveränderlich. Die Weisen, die sich der ewigen Glückseligkeit des ātman erfreuen, kümmern sich nicht um die kleinen Sinnesfreuden. Die Gesamtsumme aller Vergnügungen dieser Welt ist nur ein Tropfen, verglichen mit dem Ozean der Glückseligkeit des ātman. Sie wissen, dass die Sinnesobjekte die Feinde des ātman sind. Sie sind sich voll bewusst, dass die Sinnesobjekte der Selbstverwirklichung im Wege stehen. Daher geben sie radikal die Wünsche nach Kindern, Reichtum, sogar Himmel etc. auf. Wird irgendjemand Melasse und Beeren essen, wenn er Kandiszucker und Mangos in Fülle hat?


yena rūpaṃ rasaṃ gandhaṃ śabdānsparśāṃśca maithunān।
etenaiva vijānāti kimatra pariśiṣyate। etadvai tat॥ 3॥

3. Dem Selbst, durch welches man Form, Geschmack, Klang, Berührung und sexuelles Vergnügen erfährt, bleibt nichts unbekannt. Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Der ātman (bzw. brahman) ist absolutes Wissen, absolutes Bewusstsein. Was könnte dem ātman unbekannt sein in dieser Welt? Ganz sicher weiß der ātman alles. Der manas (dieser Begriff steht u.a. für Geist, Denkorgan, Intellekt, Sinne) hat kein Bewusstsein. Er borgt sein Licht, seine Intelligenz vom ātman, genau wie der Mond sein Licht von der Sonne borgt. Der manas funktioniert nur durch das Licht des ātman. Der ātman steht hinter allen Sinneswahrnehmungen, dem Geist, dem Intellekt etc. So wie sich Eisenspäne in Gegenwart eines Magneten bewegen, so bewegen sich Sinne, Geist etc., d.h. so führen sie ihre Tätigkeit aus in der Gegenwart des ātman.

Dies ist nun wahrhaftig der ātman, über den du wissen wolltest und über den die Götter schon in alten Zeiten Zweifel hatten. Dieser ātman ist jenseits von Tugend und Laster, Ursache und Wirkung. Dies ist der höchste Ort von Viṣṇu (Viṣṇupada), und jenseits dessen gibt es nichts.


svapnāntaṃ jāgaritāntaṃ cobhau yenānupaśyati।
mahāntaṃ vibhumātmānaṃ matvā dhīro na śocati॥ 4॥

4. Wenn der Weise erkennt, dass das, durch das er alle Objekte im Traum oder im Wachen wahrnimmt, der große allgegenwärtige ātman ist, dann hat er keinen Kummer mehr.

ERLÄUTERUNG: Der Weise leidet nicht mehr, wenn er den großen, alldurchdringenden ātman verwirklicht hat, durch den er alle Objekte im Traum und im Wachen wahrnimmt.

Svapnāntam („Traum-Ende“) – Traumobjekte; im Traum. Mit „im Traum“ ist auch Tiefschlaf (suṣupti) gemeint. Anta („Platz“) – der Ort von Traum und Schlaf. Turīya (Überbewusstsein, der vierte Bewusstseinszustand) transzendiert die Zustände von Wachen, Träumen und Tiefschlaf. Der ātman ist der stille Zeuge dieser drei Zustände. Deswegen wird er auch turīya genannt. Allein durch die Intelligenz des ātman ist man der Zustände von Wachen und Träumen bewusst. Matvā – wissend, verwirklicht habend: wenn man den großen, alldurchdringenden ātman als sein eigenes Selbst verwirklicht hat – in dem Sinne: „Ich bin brahman, das unsterbliche Selbst“.

[Die Hrsg.: Jene ruhige Seele, die den großen Herrn begriffen hat – das allgegenwärtige Selbst, durch das man sowohl das Ende des Traumes als auch das Ende des Erwachens erblickt – hört auf zu trauern.

svapnāntam – bis zum Ende des Traumes; jāgaritāntam – bis zum Ende des Aufwachens; ca – und; ubhau – beides; yena – von wem; anupaśyati – man sieht; mahāntam – der große Herr; vibhum – das Allgegenwärtige; ātmānam – Selbst; matvā – verstanden zu haben; dhīraḥ – die [jene] ruhige Seele; na śocati – hört auf zu trauern.]


ya imaṃ madhvadaṃ veda ātmānaṃ jīvamantikāt।
īśānaṃ bhūtabhavyasya na tato vijugupsate। etadvai tat॥ 5॥

5. Wer ātman – den Honigesser, die (höchste) Seele, der immer nahe ist, den Gott der Vergangenheit und der Zukunft – kennt, fürchtet sich fortan nicht mehr. Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Madhvadam („Honigesser“) – der Genießer von Honig und Vergnügungen; der Genießer der Früchte des karma; die individuelle Seele (jīva); das empirische Selbst. Honig ist die Frucht des karma. Jīvam – der Unterstützer von prāṇa (Lebensenergie); antikāt – sehr nah, d.h. innerhalb des Körpers als das innere Selbst, der ātman.

Wer den ewigen ātman kennt wird vollkommen furchtlos. Furcht manifestiert sich nur, wenn man an dem Körper hängt, wenn man sich mit dem physischen Körper identifiziert. Wer sich mit seinem physischen Körper gleichsetzt, denkt, dass er nichtewig (vergänglich) ist, und deshalb versucht er, seinen Körper zu schützen. Dort wo es Anhaftung (rāga) gibt, erscheinen sofort Furcht (bhaya) und Ärger (krodha). Wenn jemand ātman, der einmalig und ewig ist, durch Selbstverwirklichung erkennt, wovon und vor wem, will sich dieser dann beschützen? Er sieht überall nur das Selbst, ist jenseits von Körperbewusstsein und ist vollkommen ohne Ängste. Ātman zu kennen bedeutet, ātman zu werden. „Dies ist wahrlich DAS!“ – Dies ist wahrlich brahman, wonach du gefragt hast.


yaḥ pūrvaṃ tapaso jātamadbhyaḥ pūrvamajāyata।
guhāṃ praviśya tiṣṭhantaṃ yo bhūtebhirvyapaśyata। etadvai tat॥ 6॥

6. Wer Ihn wahrnimmt, der in den fünf Elementen wohnt, Ihn, der aus tapas (aus brahman) geboren wurde, der vor den Wassern geschaffen wurde, der die Höhle im Innern des Herzen betreten hat und darin wohnt – (der ninnt wahrlich brahman wahr). Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – wer; der Sucher nach Befreiung (mumukṣu); pūrvam – am Anfang, der erste (brahman, hiraṇya-garbha); tapasaḥ – aus Wissen (Askese), aus brahman, d.h. definiert als Wissen, als Askese, die durch Wissen charakterisiert ist; jātam – geboren, geschaffen oder erzeugt; der Erstgeborene von brahman, d.h. hiraṇya-garbha; adbhyaḥ – den Wassern; pūrvam – vor, vorangehend. Mit Wasser sind hier alle fünf Elemente gemeint; also: vor den fünf Elementen, einschließlich Wasser, nicht nur vor dem Wasser. Hiraṇya-garbha wurde vor der Schöpfung der fünf Elemente geboren; ajāyata – wurde geboren.

Jīva (die individuelle Seele) und hiraṇya-garbha (die kosmische Seele) sind die zwei Aspekte von brahman. Brahman erscheint als jīva (individuelle Seele) durch den upādhi (das begrenzende Attribut) avidyā und hiraṇya-garbha durch den upādhi māyā. Die Gesamtheit der jīvas (genannt: samaṣṭi) ist hiraṇya-garbha. Der makroskopische Aspekt von brahman ist hiraṇya-garbha, der mikroskopische Aspekt ist jīva. Wenn bei beiden das begrenzende Attribut wegfällt, werden sie identisch mit dem transzendentalen brahman. Hiraṇya-garbha ist die erste Mani- festation von brahman durch Sein tapas (Askese) bzw. Sein Wissen. Erst durch brahman wurde hiraṇya-garbha geboren.

Bhūtebhiḥ – mit den Elementen; tiṣṭhantam – bleibt/wohnt darin.

Hiraṇya-garbha wohnt in dem Körper, der aus den fünf Elementen aufgebaut ist. Hiraṇya-garbha, der Erstgeborene, nachdem er die Körper der devas (Halbgötter, Engelswesen) und der Menschen geschaffen hatte, trat ein in den ākāśa (Raum) des Herzens jeden Lebewesens. Er wohnt dort und nimmt Klänge etc. wahr. Wer brahman in seinen beiden Aspekten kennt, den makroskopischen als hiraṇya-garbha und den mikroskopischen als jīva, der kennt brahman wirklich.


yā prāṇena saṃbhavatyaditirdevatāmayī।
guhāṃ praviśya tiṣṭhantīṃ yā bhūtebhirvyajāyata। etadvai tat॥ 7॥

7. Der zusammen mit prāṇa, in Form aller devatās, geboren wurde und der, in das Herz eingetreten, in diesem wohnt und der zusammen mit den Elementen geboren wurde (wer Diesen kennt, der kennt wirklich brahman). Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Devatāmayī – in der Form aller devatās; prāṇena – in der Form von prāṇa, als hiraṇya-garbha; aditiḥ - der Esser, der Genießende. Hiraṇya-garbha wird hier aditi genannt, denn er ist der eine und einzige Genießer des ganzen Universums. Er ist das makroskopische Leben, der kosmische prāṇa, die kosmische Intelligenz. Er isst sozusagen die Klänge etc. Er trat in das Herz ein und bleibt darin. Er wurde gleichzeitig mit den bhūtas (Elementen) und den lebenden Kreaturen geboren. Wer Ihn wirklich kennt, kennt brahman. Dies ist wahrlich der brahman, nach dem du gefragt hast.


araṇyornihito jātavedā garbha iva subhṛto garbhiṇībhiḥ।
dive dive īḍyo jāgṛvadbhirhaviṣmadbhirmanuṣyebhiragniḥ। etadvai tat॥ 8॥

8. Wie der Fötus wohlbehütet ist in der Schwangeren, so ist das Feuer verborgen in den zwei Reibehölzern; es wird täglich verehrt durch Menschen, die wach sind und die Opfergaben darbringen. Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: In den vedischen Opferritualen wird das Feuer entzündet, indem man zwei Holzscheite aneinander reibt, den oberen (uttarāraṇi) und den unteren (adharāraṇi). Das Opferfeuer ist wohlbehütet durch die ṛtviks (Opferpriester), genau wie der Fötus – durch nahrhaftes Essen – wohlbehütet ist durch die schwangere Frau.

Darselbe brahman, das durch die Weisen, die jñānīs, in ihrem Herzen durch Meditation verehrt wird, wird von den Hausvätern als agni, Feuer, durch Opferhandlungen angebetet.

Jāgṛvadbhiḥ – durch erwachte Menschen, d.h. Weise (jñānīs) die wach und aufmerksam sind; haviṣmadbhiḥ – Opfernde, die Opfergüsse von ghī o.Ä. darbringen d.h. karma-yogīs, wie z.B. Hausväter, die das agnihotra ausführen.


yataścodeti sūryo'staṃ yatra ca gacchati।
taṃ devāḥ sarve'rpitāstadu nātyeti kaścana। etadvai tat॥ 9॥

9. Und das, aus dem die Sonne aufgeht und in das sie untergeht – von dem hängen alle devatas ab, und niemand geht darüber hinaus. Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Yata udeti – der prāṇa bzw. das brahman, aus dem die Sonne zur Zeit der Schöpfung aufgeht.

Yatra astam gacchati – in welchen die Sonne absorbiert wird zur Zeit des pralaya; der prāṇa oder das brahman, aus dem die Sonne täglich aufgeht und in das es täglich untergeht; der prāṇa – das ist der adhidaiva- und der adhyātma-Aspekt des ātman, der die Götter und die Sinne darstellt.

Devāḥ sarve'rpitāḥ – alle devas sind festgemacht in brahman, so wie die Speichen eines Rades in der Nabe festgemacht sind. Alle devas hängen von brahman ab. Das ist dieses brahman, der ātman oder das innere Selbst von allen (sarvātma-kam brahman). Niemand wahrlich kann über Ihn hinausgelangen. Dies ist wahrlich DAS!


yadeveha tadamutra yadamutra tadanviha।
mṛtyoḥ sa mṛtyumāpnoti ya iha nāneva paśyati॥ 10॥

10. Was hier ist (sichtbar in der Welt), genau das ist dort (unsichtbar in brahman); und was dort ist, genau das ist hier. Wer hier einen Unterschied sieht (zwischen brahman und der Welt), der geht von Tod zu Tod.

ERLÄUTERUNG: Ihahier, in dieser Welt oder in diesem Körper; amutra – dort, brahman.

Genau wie eine Welle dem Wesen nach nicht verschieden ist von dem Ozean, genau wie ein goldenes Schmuckstück nicht dem Wesen nach verschieden ist vom Gold, so ist auch diese manifeste Welt nicht dem Wesen nach verschieden von brahman. Der Unterschied liegt nur im Namen. Wie eine Schlange in dem liegenden Seil erscheint, so erscheint diese Welt, die aus Name, Form und Handlung (nama, rūpa, kriyā) besteht, in brahman – durch avidyā (Unwissenheit) und māyā (Illusion). Mṛtyoḥ sa mṛtyumāpnoti – wer nur den geringsten Unterschied zwischen diesen beiden sieht, geht von Tod zu Tod – durch Unwissenheit, d.h. Mangel an Wissen um das Selbst. Wer glaubt: „Ich bin verschieden von brahman“, wird wiedergeboren und stirbt. Wer aber denkt und fühlt: „Ich bin wahrhaftig das all-durchdringende, unsterbliche saccidānanda brahman, gewinnt Unsterblichkeit.

Brahman ist Seiner Natur nach kompaktes, ewiges Wissen (nitya vijñāna-ghana svabhāva). Es ist frei von den Attributen des saṃsāra (sarva-saṃsāra-dharma-varjita). Die höchste Seele, brahman, ist identisch mit dem Individuum und mit der ganzen Schöpfung. Wenn man die grundlegende Einheit allen Seins nicht begreift und verwirklicht, ist das die Ursache von Wiedergeburt.


manasaivedamāptavyaṃ neha nānā'sti kiṃcana।
mṛtyoḥ sa mṛtyuṃ gacchati ya iha nāneva paśyati॥ 11॥

11. Nur durch den manas allein kann Dieses (brahman) erreicht werden; dann gibt es hier nirgendwo irgendeinen Unterschied. Wer aber hier einen Unterschied sieht, geht von Tod zu Tod.

ERLÄUTERUNG: Manasā eva idam āptavyam – nur mit dem manas kann Dies (para-brahman) erreicht und verwirklicht werden; manas bzw. śuddha manas – reiner Geist; idam – Dies (para-brahman).

Es gibt zwei Arten von Geist (manas): den reinen Geist (śuddha manas) und den unreinen Geist (aśuddha manas), der mit unbewussten Eindrücken/Neigungen (vāsanās), wie Egoismus, Gier etc. angefüllt ist.

Brahman kann nur erreicht werden durch den manas, der gereinigt ist durch die śāstras, durch den Meister mit seinen Lehren, durch Yoga, durch das Üben der vierfachen Werkzeuge (S. 87) und durch stetige Meditation über das innere Selbst.

Wenn man Selbstverwirklichung erreicht, dann verschwindet avidyā (Unwissenheit) vollständig – welche die Ursache davon ist, dass man Unterschiede wahrnimmt. Der Wissende, der Weise, erkennt, dass da nur brahman und nichts anderes existiert, dass diese Welt nur eine Manifestation ein und desselben brahmans ist und dass die Welt eigentlich nicht verschieden ist von ihm selbst.

Iha – hier: da ist nicht der geringste Unterschied hier, also in brahman.

Wer aber einen Unterschied sieht, blind in seiner Unwissenheit, der geht von Tod zu Tod.


aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo madhya ātmani tiṣṭhati।
īśāno bhūtabhavyasya na tato vijugupsate।
etadvai tat॥ 12॥

12. Die Person (puruṣa) von der Größe eines Daumens wohnt in der Mitte des Körpers, als Gott der Vergangenheit und der Zukunft. Daher fürchtet man sich von da an nicht mehr (nachdem man Ihn erkannt hat). Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Puruṣa, der ātman, lebt im eigenen Herzen. Der ātman wird puruṣa genannt, weil Er in der Stadt (Puri) des Körpers wohnt oder weil alles von Ihm durchdrungen ist und die ganze Welt von Ihm erfüllt ist.

Aṅguṣṭha-mātraḥ – von der Größe eines Daumens. Die Höhle des Herzens – der „Lotos“ des Herzens – jedes Menschen ist so groß wie der eigene Daumen. Man sagt auch vom jīva im Kausalkörper, dass er diese Größe hat. Der ātman ist (in Wahrheit) unbegrenzt, aber diese Größe wird angegeben, für Anfänger, zur Erleichterung der Meditation. Anfangs meditieren die Suchender auf den ātman als ein Licht (jyoti) von Daumengröße in der Höhle des Herzens.

Madhye ātmani – im Innern des Körpers; bedeutet hier „Körper“; na tato vijugupsate – von da an: Nachdem man den furchtlosen unsterblichen ātman erkannt hat, fürchtet man sich nicht mehr; man hat nicht mehr das Gefühl, sich schützen zu müssen.

Die Śvetāśvatara-Upaniṣad (3.13) sagt: „Er ist der vollkommene puruṣa, von der Größe eines Daumens, die innere Seele, die immer im Herzen eines jeden Menschen wohnt, der Herrscher des Wissens, der verborgen ist durch das Herz und den Geist (manas). Die Ihn kennen, werden unsterblich.“


aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo jyotirivādhūmakaḥ।
īśāno bhūtabhavyasya sa evādya sa u śvaḥ।
etadvai tat॥ 13॥

13. Jene Person, von der Größe eines Daumens, ist wie eine Flamme ohne Rauch, Herr der Vergangenheit und der Zukunft. Wahrlich: Er allein ist heute und ist auch morgen. Dies ist wahrhaftig DAS!

ERLÄUTERUNG: Jener puruṣa, der ātman, von der Größe eines Daumens, der wahrgenommen wird als ein Licht (jyotis) im Herzen des yogī, existiert in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Er ist ewig, unveränderlich (kūṭastha) und stetig. Er existiert in allen Lebewesen heute und Er wird ganz sicher auch morgen existieren.

Adhūmakaḥ – ohne Rauch, rein, leuchtend.


yathodakaṃ durge vṛṣṭaṃ parvateṣu vidhāvati।
evaṃ dharmānpṛthak paśyaṃstānevānuvidhāvati॥ 14॥

14. Wie Wasser, wenn es auf einen Berg herniederregnet, auf allen Seiten herunterläuft, so läuft einer, der die Dinge als verschieden sieht, hinter ihnen her in alle Richtungen.

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers wird beschrieben, was geschieht, wenn man nur die Vielheit wahrnimmt. Wie der Regen, der auf einen Berg fällt, eilig die Hänge herunterläuft, in den Tälern versickert und verlorengeht, so treibt es den Unwissenden, der nur die Unterschiede zwischen einem Leben und dem anderen sieht, in die Dunkelheit und er ist gefangen in dem Zyklus von Geburt und Tod. So geschieht es, wenn er glaubt, dass in den verschiedenen Körpern jeweils ein unterschiedliches Selbst ist, dass die Welt verschieden ist von brahman, dass das Individuum verschieden ist von der höchsten Seele und von anderen Seelen, der weiterhin die Dinge als verschieden von der Seele ansieht, der nicht das Substratum von allem erkennt, der nicht das eine ungeteilten brahman in allem wahrnimmt – das eine, wahre, ewige, unveränderliche Grundprinzip der Einheit.

Anu-vidhāvati – fließt herab, abwärtsfließend.

Wenn man Verschiedenheit in brahman sieht, ist das ein schwerwiegender Fehler.


yathodakaṃ śuddhe śuddhamāsiktaṃ tādṛgeva bhavati।
evaṃ munervijānata ātmā bhavati gautama॥ 15॥

15. So wie reines Wasser, das in reines Wasser gegossen wird, nicht mehr von diesem zu unterscheiden ist, so ist es mit dem ātman dessen, der dies weiß, o Gautama.

ERLÄUTERUNG: So wie reines Wasser, das in reines Wasser gegossen wird, mit diesem eins wird, so wird auch die individuelle Seele, die von Unreinheiten befreit ist, eins mit der höchsten Seele. Das geschieht, wenn der Mensch das höchste Selbst durch unmittelbare intuitive Wahrnehmung erkannt hat, wenn er, durch das Wissen um ātman, nicht die Unterschiede im Blick hat; wenn er überall die Einheit des Selbst sieht, die Einheit des ātman.

Die Veden, auch als śruti bhagavatī (Bez. der göttlichen Mutter) bekannt, sind ein besserer Wohltäter als Tausende von Müttern und Vätern. Deswegen sollten Wahrheitssucher die śrutis verehren, welche das Wissen um die Einheit des Selbst behandeln, die Einheit der individuellen Seele mit dem höchsten Selbst. Sie sollten vollkommenen unerschütterlichen Glauben in die Lehren der śrutis haben. Wenn kein Glaube da ist, gibt es wenig Aussicht, Selbstverwirklichung zu erlangen.

HIER ENDET DER ERSTE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ZWEITEN KAPITELS DER KATHA UPANISHAD.


Dvitīyo 'dhyāyaḥ, Dvitīyā Vallī - Katha Upanishad Zweites Kapitel, zweiter Handlungsstrang

puramekādaśadvāramajasyāvakracetasaḥ।
anuṣṭhāya na śocati vimuktaśca vimucyate।
etadvai tat॥ 1॥

1. Die Stadt des Ungeborenen (brahman), dessen Wissen ewig ist, hat elf Tore. Wer Ihn anbetet, sorgt sich nicht; er wird befreit (von allen Fesseln der Unwissenheit) und bleibt für immer frei. Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Puramekādaśadvāram – Stadt mit elf Toren, der Körper mit elf Öffnungen bzw. „Toren“. Augen, Ohren, Nasenlöcher, Mund, Nabel und die Ausscheidungsorgane ergeben zusammen zehn Öffnungen. Die elfte ist das brahmarandhra oben am Scheitel des Kopfes.

Puram – Stadt. Der Körper ist wie eine Stadt, denn wir finden in ihm das, was zu einer Stadt gehört: Torhüter, Wächter, Kontrolleure etc. Die Öffnungen repräsentieren die Tore. Die devatās, die den jeweiligen Organen zugeordnet sind, stellen die Kontrolleure dar. Und genau wie eine Stadt einem König gehört, der aber unabhängig ist von der Stadt und ihr eigentlich nicht zugehört, so gehört auch die Stadt dieses Körpers einem König, nämlich dem ātman, der unabhängig vom Körper, nicht mit ihm vermischt ist.

Diese Stadt gehört dem Ungeborenen (ajasya, dem ewigen brahman, dem ātman), der nicht den Modifikationen wie Geburt, Verfall, Tod etc. unterworfen ist, der den Platz des Königs einnimmt und der der Besitzer der Stadt dieses großartigen Körpers ist. Die Seele, param, der höchste Herrscher, wird hier als König bezeichnet.

Avakra-cetasaḥ – dessen Wissen nicht krumm oder verdreht ist, d.h. gerade, ewig existierend.

Wer über brahman meditiert und Selbstverwirklichung erreicht hat, hat keinen Kummer mehr. Er ist befreit von den Fesseln der Unwissenheit und ist nicht mehr dem Kreislauf von Geburt und Tod unterworfen. Er ist frei von allen Wünschen und von den Bindungen des karma, die durch Unwissenheit verursacht worden sind. Er wird absolut furchtlos. Er nimmt keinen neuen Körper mehr an. Er verschmilzt mit brahman. Die Śvetāśvatara-Upaniṣad (3.18) sagt: „Verkörpert in der Stadt mit neun Toren, wendet sich die Seele den Dingen im Äußeren zu, unterwirft die ganze Welt, alles was unbeweglich und beweglich ist.“ Vergleiche auch Bhagavad-Gītā (5.13): „Geistig alle Attraktionen verwerfend und selbstkontrolliert, ruht die verkörperte Seele glücklich in der Stadt mit neun Toren, wobei er weder handelt noch andere (Körper und Sinne) dazu bringt zu handeln.“

Der Körper wird also sowohl in der Śvetāśvatara-Upaniṣad wie auch in der Bhagavad-Gītā mit einer Neun-Tore-Stadt verglichen, wobei der Nabel und das brahma-randhra nicht mitgezählt werden.


haṃsaḥ śuciṣadvasurantarikṣasaddhotā vediṣadatithirduroṇasat।
nṛṣadvarasadṛtasadvyomasadabjā gojā ṛtajā adrijā ṛtaṃ bṛhat॥ 2॥

2. Als haṃsa (Sonne) weilt er im Himmel, als vasu (Luft) weilt er in der Atmosphäre, als Feuer weilt er auf der Erde, als Gast weilt er im Haus. Er weilt in Menschen, in Göttern, in der Wahrheit, im Äther. Er ist geboren in den Wassern, er ist geboren in der Erde, er ist geboren im Opfer, er ist geboren in den Bergen; er ist wahr und groß.

ERLÄUTERUNG: Dieser ātman lebt nicht nur in der Stadt eines einzelnen Körpers. Er lebt in allen Städten, in allen Körpern.

Haṃsaḥ – hier: die Sonne, wörtl. „jemand, der sich bewegt und fortschreitet“. Haṃsaḥ ist abgeleitet von haṃsati (er geht voran, bewegt sich); śuciṣat – im Himmel weilend als die Sonne; vasu – jemand, der alles belebt, der im Zwischenraum (zwischen Himmel und Erde) lebt als Wind; hotā – Feuer; wörtl. „der Opferer“, der hotṛ-Priester; vediṣat – der in vedi (auf der Erde) weilt; atithiḥ – Gast (der Gott Soma); duroṇa – Gefäß, Wohnung, Heim etc.; duroṇasat – der im Gefäß (des Soma) weilt; ein brahmane, der sich in einem Haus (duroṇa) als Gast aufhält; nṛṣat – der in den Menschen weilt; varasat – der in den Höheren weilt (den Gottheiten, devas); ṛitasat – der in ṛta, d.h. in der Wahrheit (der Veden) oder im Opfer weilt; vyomasat – der in ākāśa (Äther), dem Himmel, dem Raum (dem Zwischenbereich) weilt; abjaḥ – geboren im Wasser, in der Form von Muscheln, Perlmutt, Fischen, Insekten etc.; gojāh – geboren aus der Erde in Form von Getreide, Pflanzen, Kräutern etc.; ṛtajāḥ – geboren aus dem Opfer; adrijāḥ – geboren aus den Bergen als Flüsse; ṛtam – Wahrheit; bṛhat – das große Wesen, die Ursache von allem.

Der ātman ist nur einer und alldurchdringend. Es gibt keine Unterschiede innerhalb des ātman. Dieser mantra (bzw. Vers) bezeugt die allgegenwärtige Natur des ātman. (Vgl. Ṛg-Veda, 4.40.5).


ūrdhvaṃ prāṇamunnayatyapānaṃ pratyagasyati।
madhye vāmanamāsīnaṃ viśve devā upāsate॥ 3॥

3. Er (brahman) schickt prāṇa aufwärts und apāna abwärts; jener Anbetungswürdige wohnt im Herzen; alle devas (hier: Sinne) verehren Ihn.

ERLÄUTERUNG: Die fünf Haupt-prāṇas (vāyus) sind bekannt als die mukhya-prāṇas: prāṇa-vāyu, apāna-vāyu, samāna-vāyu, udāna-vāyu und vyāna-vāyu. Und es gibt fünf untergeordnete Energien, die upa-prāṇas. Die Lebensenergie nimmt quasi zehn verschiedene Formen an, entsprechend der Funktion des jeweiligen prāṇa (vṛtti-bheda).

Die Funktion von prāṇa-vāyu ist die Atmung, die von apāna-vāyu die Ausscheidung, samāna-vāyu ist für die Verdauung zuständig, udāna-vāyu für die Stimme und vyāna-vāyu für die Blutzirkulation. Prāṇa ist nicht gleichzusetzen mit dem Atem. Prāṇa ist die Vitalenergie. Der Atem ist nur eine der Manifestationen des prāṇa. Die Funktion des prāṇa ist verbunden mit dem Atem.

Unnayati – führt aufwärts, schickt nach oben; ūrdhvam – aufwärts; pratyag – abwärts; asyati – wirft ; āsīnam – sitzend, sitzt; madhye – in der Mitte, im Herzen; hṛdaya puṇḍarīkākāśa āsīnam buddhavabhivyakta vijñāna-prakāśanam („Sitzend im Äther inmitten des Herzens, mit dem Licht des Wissens, das im Intellekt leuchtet und dazu geeignet ist, angebetet zu werden“).

Vāmanam – Zwerg, eine Person von der Größe eines Daumens (siehe auch mantra 2.1.12), fünfte Inkarnation Viṣṇus, das Entzückende; vāmana bedeutet auch „Herr der Schönheit“ (vāma Schönheit, na Führer, Leiter); viśve – alle; devāḥ – Götter (hier als Sinne bzw. indriyas); upāsate – anbetend, dienen.

Alle indriyas* (die zehn Sinne) und der manas (der elfte Sinn) beten den ātman, ihrem Gott, an, indem sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben ordentlich ausführen. Sie stimmen ātman gnädig, indem sie die verschiedenen Empfindungen herbeibringen – Form, Farbe, Klang, Geruch, Geschmack etc. –, genau wie die Untertanen ihrem König gefällig sind durch Opfergaben. Allzeit geschäftig, dienen die Sinne, der manas und die prāṇas dem ātman. Der ātman leitet sie nur an, ihre Pflichten zu erfüllen. Die fünf jñānendriyas, die Organe des Wissens, sammeln die Erfahrungen von der Außenwelt und präsentieren sie dem ātman. Das ist ihre wahre Anbetung und Verehrung.


asya visraṃsamānasya śarīrasthasya dehinaḥ।
dehādvimucyamānasya kimatra pariśiṣyate।
etadvai tat॥ 4॥

4. Wenn der ātman, der im Körper weilt, diesen verlässt – was bleibt dann? Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Visraṃsamānasya – der, der eigentlich vom Körper getrennt ist, verlässt diesen, er flieht; dehinaḥ – der Besitzer des Körpers (jīva, der im Körper weilt). Die Bedeutung des Wortes visraṃsamāna wird erklärt durch den Ausdruck dehād vimucyamānasya – dessen, der vom Körper frei ist; kimatra pariśiṣyate – was bleibt zurück? Was bleibt hier (nach dem Tod)?; atra – hier, in diesem Körper.

Nichts bleibt vom ātman im Körper, wenn Er diesen verlässt. Nichts von dem ganzen prāṇa bleibt. Der ganze Körper zerfällt. Sobald der ātman (das Selbst, die Seele) den Körper verlässt, zerfällt dieser – ähnlich wie die Einwohner einer Stadt sich zerstreuen, wenn der König vertrieben wird.


na prāṇena nā'pānena martyo jīvati kaścana।
itareṇa tu jīvanti yasminnetāvupāśritau॥ 5॥

5. Nicht durch prāṇa nicht durch apāna lebt ein Sterblicher, sondern durch einen anderen, von dem diese beiden abhängen.

ERLÄUTERUNG: Die wahre Quelle des Lebens ist der ātman. Prāṇa, apāna etc. können nicht die Quelle des Lebens sein. Sie arbeiten gemeinsam zu Wohle des ātman, der von ihnen verschieden ist. Der Körper wird nicht nur dadurch zerstört, dass prāṇa und apāna ihn verlassen. Er wird zerstört, weil der ātman weggeht.

Ein Haus existiert zum Nutzen des Besitzers, der von dem Haus verschieden ist und der der Direktor ist. Genauso existieren prāṇa, apāna etc., sowie die Sinne und der manas zum Wohle des ātman, der von ihnen verschieden ist und der sie lenkt. Sie haben ihr Leben durch den ātman. Ihr Leben hängt von dem ātman ab. Sie führen ihre zugewiesenen Pflichten in Harmonie und Zusammenarbeit aus – zum Wohle des ātman, ihren Dirigenten. Das Leben hängt nicht von prāṇa, apāna, den Sinnen (indriyas) und dem Denkorgan (manas) ab, denn ihre innere Struktur ist so, dass sie bezogen sind auf etwas anderes. Ohne etwas außerhalb von ihnen, das sie ordnet und arrangiert, können die Dinge nicht – aus sich selbst heraus – ein Ganzes bilden, so wie die Baumaterialien eines Haus aus sich selbst kein Haus bilden können, ohne dass jemand da ist, der sie zusammenbringt. Daher ist es sehr klar, dass der ātman unterschieden ist vom prāṇa, den indriyas und dem manas. Itareṇa – durch etwas anderes als sie, das verschieden ist von dem Verbund der Sinne etc. Sobald von prāṇa und apāna die Rede ist, sind damit auch alle anderen prāṇas und die indriyas gemeint. Das nennt man upalakṣaṇa.

Die höchste und grundlegendste Stütze aller Dinge – wie prāṇa, apāna, indriyas und manas – ist der ātman. Er ist absolut unabhängig.


hanta ta idaṃ pravakṣyāmi guhyaṃ brahma sanātanam।
yathā ca maraṇaṃ prāpya ātmā bhavati gautama॥ 6॥

6. Nun denn, o Gautama, jetzt will ich das geheimnisvolle, uralte (ewige) brahman erklären und was nach dem Tod mit dem Selbst geschieht.

ERLÄUTERUNG: Ich will jetzt, o Gautama, noch einmal das geheime und geheimnisvolle, uralte und ewige brahman erklären, durch dessen Wissen man befreit wird von den Fesseln von Geburt und Tod; und ich will beschreiben, wie der jīva im saṃsāra herumirrt, wenn er es nicht kennt. Höre gut zu, o Gautama!


yonimanye prapadyante śarīratvāya dehinaḥ।
sthāṇumanye'nusaṃyanti yathākarma yathāśrutam॥ 7॥

7. Manche jīvas treten in einen Mutterleib ein, um einen Körper zu bekommen. Andere gehen in unbelebte Materie ein, entsprechend ihrem karma und ihrem Wissen.

ERLÄUTERUNG: In mantra 1.1.6 finden wir einen klaren Hinweis auf das Gesetz des karma und die Lehre von der Wiedergeburt. Dort heißt es: „Wie Getreidekörner vergehen die Sterblichen und wie Körner werden sie wiedergeboren.“ In unserem mantra hier spricht die śruti ganz deutlich von dem Gesetz des karma und der Reinkarnationslehre.

Der jīva (die individuelle Seele) nimmt einen Körper an gemäß seinem karma und gemäß seinem Wissen, dass er erworben hat. Er könnte sogar Indra werden oder Hiraṇyagarbha. Er könnte jeden Posten in der kosmischen Hierarchie annehmen oder in der göttlichen Regierung. Er könnte sich auch zum letzten Mal als Mensch inkarnieren und ein jīvan-mukta werden, befreit als ein Erwachter. Er könnte ein muni (Heiliger), ein tapasvī (Asket) oder ein yogī werden – falls er sehr gute spirituelle saṃsāras hat. Er könnte auch ein Baum werden oder unbelebte Materie, falls er sehr schlecht gehandelt hat. Yathā-karma – gemäß seinem karma, seinen Handlungen, die er auf der physischen Ebene vollbracht hat; yathā-śrutam – entsprechend seinem Wissen.



ya eṣa supteṣu jāgarti kāmaṃ kāmaṃ puruṣo nirmimāṇaḥ।
tadeva śukraṃ tad brahma tadevāmṛtamucyate।

tasmiṃllokāḥ śritāḥ sarve tadu nātyeti kaścana। etadvai tat॥ 8॥

8. Dieser puruṣa, der Wunsch nach Wunsch erzeugt (im Traum) und wach ist, wenn alle schlafen, wird mit Recht „der Reine“ genannt; er wird „brahman“ genannt und sogar „unsterblich“. Auf ihm ruhen alle Welten. Niemand geht darüber hinaus. Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Brahman ist der stille Zeuge der drei Zustände: Wachen (jāgrat- avasthā), Schlafen (suṣupti-avasthā) und Träumen (svapna-avasthā). Der puruṣa (brahman) bleibt wach, wenn alle – prāṇa, indriyas und manas – schlafen, da Er der Zeuge (sākṣin) ist. Er ist immer rein, unsterblich. Er ist die Ursache aller Welten. Alle Welten hängen einzig und allein von Ihm ab. Er ist die Stütze, die Grundlage aller Welten. In Ihm sind alle Welten enthalten.

Im Tiefschlaf ruhst du in brahman, du kommst tatsächlich in Kontakt mit brahman, aber da ist dann dieser Schleier der Unwissenheit. Deswegen kannst du nicht wirklich den brahman bewusst erfahren. In samādhi ist dieser Schleier zerrissen, da ist dann vollkommenes Gewahrsein, und du bist eins mit dem absoluten Bewusstsein. Wenn der manas und die indriyas während des Tiefschlafs ruhen, erfährst du nicht die wahre Glückseligkeit des brahman. Das ist der Grund, warum du, wenn du aufwachst, sagst: „Ich habe gut und tief geschlafen, ich kann mich an nichts mehr erinnern.“ Diese Erinnerung an das Wohlgefühl kann man als den Beweis ansehen, dass brahman existiert, dass er nondual (ungeteilt, absolut) ist und dass er die Natur von Glückseligkeit hat. (Vgl. 2.1.9 und 2.3.1)

Kāmaṃ kāmam – verschiedene wünschenswerte Dinge; nirmimāṇaḥ – formend, schaffend, aufbauend; verschiedene Wunschobjekte im Traum erschaffend.


agniryathaiko bhuvanaṃ praviṣṭo rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo babhūva।
ekastathā sarvabhūtāntarātmā rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo bahiśca॥ 9॥

9. So, wie das eine Feuer, nachdem es in die Welt eingetreten ist, verschiedene Formen annimmt, je nachdem, was es gerade verbrennt – und dabei doch eins bleibt –, so nimmt der innere ātman aller Lebewesen, obwohl er eins bleibt, doch jeweils eine andere Form an, je nachdem in was er eintritt; und Er bleibt dabei doch außerhalb aller Formen.

ERLÄUTERUNG: Viele Menschen argumentieren bloß, um ihre Gelehrsamkeit zu demonstrieren und einen Sieg über andere davonzutragen. Sie argumentieren nicht, um zur Wahrheit zu gelangen. Ehrliche und aufrichtige Diskussion unter großen Seelen, die Zweifel beseitigen und Licht und Klarheit erreichen soll, ist sehr wünschenswert. Aufrechte Sucher mögen untereinander über verzwickte und schwierige Probleme diskutieren. Das ist sehr hilfreich für ihr Wachstum und rechtes Verständnis.

Viele paṇḍits (Gelehrte) und Logiker mit fehlgeleitetem Intellekt verunsichern manche Menschen mit Argumenten, sodass diese nicht die Natur von brahman, dem höchsten Selbst, erfassen können. So begreifen diese nicht die Einheit des , obwohl durch Autorität unterstützt und vielfach wiederholt. Deswegen erklären die śrutis die Wahrheit immer wieder mit verschiedenartigen Bildern, Illustrationen und Analogien. Śruti bhagavatī (die göttliche Mutter als Verkörperung der Veden) ist so bemüht, die Wahrheiten des vedānta in ihren Kindern zu verankern, egal wie fehlgeleitet oder gleichgültig die auch sein mögen. Sie hat den starken Wunsch, dass ihre Kinder aus dem Sumpf des saṃsāra herauskommen und jīvan-muktas (befreite Seelen) werden.

Bhuvanam – die Welt, weil alle hier geboren sind; abgeleitet von der Wurzel bhu – sein.

Wie das Feuer verschiedene Formen annimmt, je nach der Gestalt des Gegenstandes, den es verbrennt, so erscheint auch der ātman in verschiedenen Formen, entsprechend den verschiedenen Wesen, in die Er eintritt. Und doch ist Er trans- zendental – jenseits von ihnen bzw. ohne Form, wie der ākāśa. Der ātman ist ewig rein und verschieden von den Formen. Er wird nicht im Geringsten durch die Formen beeinflusst, denn er ist ohne Attribute und subtil. Er ist reines Bewusstsein (bzw. Seele). Wie könnte es eine Verbindung geben zwischen Seele (Bewusstsein) und Materie? Der ātman nimmt verschiedene Formen an durch die upādhis (begrenzenden Attribute), d.h. den manas, die indriyas, die prāṇas und den Körper. Und gleichzeitig ist er jenseits aller Namen und Formen. Dieser ātman ist ein geheimnisvolles Wesen bzw. Grundprinzip. (Vgl. Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad 2.5.19).


vāyuryathaiko bhuvanaṃ praviṣṭo rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo babhūva।
ekastathā sarvabhūtāntarātmā rūpaṃ rūpaṃ pratirūpo bahiśca॥ 10॥

10. So wie die Luft eins bleibt, selbst nachdem sie in diese Welt und in verschiedenen Formen eingedrungen ist; bleibt auch der innere ātman aller Lebewesen eins, wenn er verschiedene Formen bewohnt. Er bleibt inner- und außer- halb aller Formen stets eins.

ERLÄUTERUNG: In diesem Vers finden wir eine andere schöne Illustration, welche die Einheit des ātman verdeutlicht. Der ātman tritt in alle Körper ein und belebt die jeweilige Form mit prāṇa; dennoch bleibt Er transzendental und jenseits aller Namen und Formen.


sūryo yathā sarvalokasya cakṣurna lipyate cākṣuṣairbāhyadoṣaiḥ।
ekastathā sarvabhūtāntarātmā na lipyate lokaduḥkhena bāhyaḥ॥ 11॥

11. So wie die Sonne, das Auge der gesamten Welt, nicht verunreinigt wird – durch die Fehler des Auges oder durch die äußeren Dinge –, so wird der eine innere ātman nicht verunreinigt durch das Elend der Welt, da Er außerhalb davon bleibt.

ERLÄUTERUNG: Genau wie die Sonne, welche die Dinge der Welt beleuchtet, nicht von den Mängeln des Auges oder durch unreine Objekte beeinträchtigt wird, so wird auch der ātman nicht durch die Leiden der Welt berührt, die durch Wunsch und karma entstehen (kāma karmodbhavaṃ duḥkham); denn er bleibt außerhalb all dessen. Genau wie die Schlange mit dem Seil oder wie Silber mit dem Perlmutt im Dämmerlicht manchmal „überlagert“ (verwechselt, vermischt) werden, wird auch der ātman bzw. brahman (Subjekt) mit der Welt, dem Körper (Objekt) verwechselt – und zwar durch Unwissenheit (avidyā). Genauso wenig wie das Seil von der Schlange, die an seiner Stelle gesehen, beeinträchtigt wird, wird auch der reine transzendentale ātman nicht im Geringsten durch die Verwechslung beeinflusst. Die Schlange, das Silber, das Wasser, die blaue Farbe existieren nicht wirklich, auch wenn sie anstatt von Seil, Perlmutt, Wüste und Himmel wahrgenommen werden. Sie werden nur aus Mangel an Wissen wahrgenommen. Der ātman bleibt grundsätzlich unberührt von Wahrnehmungen, auch wenn diese sich scheinbar mit Ihm überlagern. Handelnder, Handlung und die Früchte davon (kāraka, kriyā und phala) wer⁠den dem ātman fälschlich zugesprochen. Sie sind einfach nur falsche Wahrnehmungen, wie die falsche Idee einer Schlange, obwohl es nur ein Seil ist. Ātman ist ein Nichthandelnder (akartṛ), Nichtgenießer (abhoktṛ) und nicht verhaftet (asaṅga). Dies ist vivarta vāda, die Lehre der „Überlagerung“ (Vermischung, Verwechslung), wie sie von Śaṅkara vertreten wurde.


eko vaśī sarvabhūtāntarātmā ekaṃ rūpaṃ bahudhā yaḥ karoti।
tamātmasthaṃ ye'nupaśyanti dhīrāsteṣāṃ sukhaṃ śāśvataṃ netareṣām॥ 12॥

12. Er (ātman) ist eins, der Herrscher, das innere Selbst aller Wesen, der seine eine Form vielfach macht. Jenen Weisen, die Ihn in ihrem Herzen erkennen, fällt ewige Glückseligkeit zu, anderen nicht.

ERLÄUTERUNG: Er (ātman) ist der höchste Gott von allem (parameśvara), alldurchdringend (sarvagata), unabhängig (svatantra). Es gibt niemanden, der Ihm gleich käme oder größer als Er wäre.

Vaśī – der Lenker, der Herrscher; das ganze Universum ist in der Kontrolle Gottes; sarva-bhūtāntarātmā – das innere Selbst, der ātman aller Kreaturen. Er macht sich selbst zu Vielem, obwohl er eins ist, durch die Unterschiede unreiner Bedingungen, wie Name, Form etc.; ātmastham – im Selbst wohnend, im eigenen Raum (ākāśa) des Herzens, im Intellekt ruhend; dhīrāḥ – die Weisen, die Ihn in sich selbst wahrnehmen; sukham śāśvatam – erfahren ewige Glückseligkeit.

Die weltlich Gesinnten, die sich auf äußere Objekte ausrichten, die keine Unterscheidungsfähigkeit haben und keinen Abstand von den Dingen, können diese ewige Glückseligkeit des ātman nicht erfahren. Dieser ātman ist aufgrund von Unwissenheit für sie verborgen.


nityo'nityānāṃ cetanaścetanānāmeko bahūnāṃ yo vidadhāti kāmān।
tamātmasthaṃ ye'nupaśyanti dhīrāsteṣāṃ śāntiḥ śāśvatī netareṣām॥ 13॥

13. Die Weisen, die das Selbst wahrnehmen als ewig unter den Vergänglichen, als bewusst unter den Bewussten – das Selbst, welches, obwohl eins, die Wünsche von vielen erfüllt, indem Es in ihrem eigenen Selbst wohnt – diesen Weisen gehört der ewige Friede, nicht den anderen.

ERLÄUTERUNG: Ātman bzw. brahman ist ewig, dauerhaft und unveränderlich. Diese Welt aus Namen und Formen ist nichtewig, vergänglich und verändert sich ständig. Körper, manas und Sinne sind eingeschlossen in den Begriff „Welt“. Die Welt ist wie ein flüchtiger Schatten. Die Idee der Veränderung impliziert, dass eine zugrundeliegende Substanz existiert, die immer unveränderlich und dauerhaft ist. Veränderungen oder Phänomene können nur in/auf einer unveränderlichen Sache oder einem unveränderlichen Moment stattfinden. Die Leinwand im Kino verändert sich nicht, aber die Bilder auf der Leinwand kommen und gehen. Brahman entspricht der Leinwand und dieses Universum aus flüchtigen Formen den Bildern.

Genau wie das heiße Wasser seine Hitze von dem Feuer borgt, so borgt auch der Intellekt seine Intelligenz vom ātman, der Quelle von allem.

Bahūnāṃ yo vidadhāti kāmān – der die Wünsche von vielen erfüllt, d.h. der den jīvas die Früchte ihrer karmas zuteilt, nach dem Gesetz und der Gerechtigkeit. Diejenigen, die den ātman in ihre jeweiligen Selbst wahrnehmen, freuen sich an ewigem Frieden. Andere, die unwissend sind, unterliegen den Leiden des saṃsāra. Die Śvetāśvatara-Upaniṣad (6.12) sagt: „Der einzige Selbstabhängige unter den vielen Nichtaktiven (Seelen), der den einen Samen vervielfältigt – die Weisen, die Ihn als in ihrem jeweiligen Selbst wohnend erfahren, gewinnen ewige Glückseligkeit, nicht die anderen.“


tadetaditi manyante'nirdeśyaṃ paramaṃ sukham।
kathaṃ nu tadvijānīyāṃ kimu bhāti vibhāti vā॥ 14॥

14. Sie (die Weisen) erleben diese höchste Glückseligkeit als „Dies ist DAS!“ Wie soll ich Das erkennen? Scheint Es (aus sich selbst heraus) oder scheint Es durch ein anderes Licht?

ERLÄUTERUNG: Die Weisen, die frei sind von allen Wünschen, erfahren und verwirklichen die unbeschreibbare höchste Glückseligkeit des ātman, die jenseits der Reichweite von Sprache und manas ist, und beschreiben sie als „Dies ist DAS!“ – als etwas, was direkt erfahren und intuitiv verwirklicht wurde. Wie, durch welche Methode, kann ich jene Glückseligkeit als mein eigenes Selbst erkennen und verwirklichen – so wie die sannyāsīs und Weisen es tun, die frei von Wünschen sind?

Strahlt es in seinem eigenen Selbstleuchten? Kann es klar wahrgenommen und verwirklicht werden als mein eigenes Selbst, das meinen Intellekt erleuchtet – oder nicht?

„Dies ist DAS!“ wird unmittelbar und intuitiv wahrgenommen/verwirklicht.


na tatra sūryo bhāti na candratārakaṃ nemā vidyuto bhānti kuto'yamagniḥ।
tameva bhāntamanubhāti sarvaṃ tasya bhāsā sarvamidaṃ vibhāti॥ 15॥

15. Die Sonne scheint dort nicht, noch der Mond und die Sterne und auch nicht der Blitz und noch viel weniger das Feuer. Wenn Er scheint, dann scheint alles durch und nach Ihm. Durch Sein Licht leuchtet all dies.

ERLÄUTERUNG: In dem vorangehenden Vers wird gefragt: „Scheint der ātman durch sich selbst oder scheint Er durch ein anderes Licht?“ Die Antwort kommt in diesem Vers: Der ātman ist selbstleuchtend. Er scheint durch sich selbst. Er braucht kein anderes von außen kommendes Licht, um selbst zu leuchten und zu strahlen. Sonne, Mond, Sterne, Blitz und Feuer borgen ihr Licht vom ātman. Die Sonne kann den ātman nicht beleuchten oder erleuchten; vielmehr erhält sie ihr Licht vom ātman, genau wie etwa das Wasser seine eigene Hitze durch einen Kontakt mit dem Feuer erhält. Wasser hat selbst nicht die innere Qualität von Hitze.

Aus den verschiedenen Arten von Licht, die durch ātman und nach ātman scheinen, kann man die selbstleuchtende Natur des brahman erschließen.

Wenn du jetzt sagst, dass auch der ātman sein Licht von einem anderen Licht erhält, dann müsste ja dieses wieder ein weiteres Licht als seine Lichtquelle haben. Das würde zu anavasthā doṣa führen, zu einem Regressus ad infinitum (lat. für „Rückgriff ins Unendliche“). Daher muss der ātman selbstleuchtend sein, (d.h. ātman bezieht Energie aus sich selbst).

Nur DAS, das aus sich selbst leuchtet, kann anderen Dingen Licht borgen. Ein Topf kann andere Dinge nicht erleuchten, wohl aber kann das die Sonne, da sie ihrer Natur nach leuchtet.

(Vgl. Muṇḍaka-Upaniṣad, 2.2.10 und Śvetāśvatara-Upaniṣad, 4.14 – dort wird der mantra exakt wiederholt. Er erscheint auch mit einer leichten Abweichung in der Bhagavad-Gītā, 15.6)

HIER ENDET DER ZWEITE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ZWEITEN KAPITELS der Katha Upanishad


Dvitīyo 'dhyāyaḥ, Tṛtīyā Vallī - Zweites Kapitel, dritter Handlungsstrang Katha Upanishad

ūrdhvamūlo'vākśākha eṣo'śvatthaḥ sanātanaḥ।
tadeva śukraṃ tad brahma tadevāmṛtamucyate।
tasmiṃllokāḥ śritāḥ sarve tadu nātyeti kaścana।
etadvai tat॥ 1॥

1. YAMA: Da ist dieser immerwährende, heilige Feigenbaum (aśvattha), dessen Wurzel nach oben weist und dessen Zweige nach unten gehen. Er ist in der Tat rein. Er ist brahman und der allein wird „unsterblich“ genannt. Von Ihm hängen die Welten ab, und niemand geht darüber hinaus. Dies ist wahrlich DAS!

ERLÄUTERUNG: Wenn du die Natur der Blüten eines Baumes (vṛkṣa) erkennst, erkennst du auch die Natur seiner Wurzeln. Ebenso wirst du die Natur brahmans erkennen, sobald du die Natur von Ursache und Wirkung (bzw. die Wurzel vom saṃsāra-vṛkṣa) herausfindest. Dieser letzte Abschnitt beginnt jetzt mit dem Ziel, die Natur von brahman zu ergründen.

Aśvattha (heiliger Feigenbaum) bzw. saṃsāra-vṛkṣa (Baum der Wiedergeburt) – symbolisiert die Welt, der sich vom avyakta bis hinunter zum Unbeweglichen erstreckt. Dieser hat seine Wurzel in brahman. Aus brahman allein entwickelt sich das ganze Universum.

So wie der (natürliche) Baum mit einer Axt gefällt wird, wird saṃsāra-vṛkṣa mit Nichtanhaftung und mit dem Wissen vom Selbst (ātma-jñāna) gefällt. Der Baum empfängt seinen Saft von dessen Quelle, para-brahman, dem höchsten Selbst, und wächst aus dem Samen der Unwissenheit. Hiraṇya-garbha, der kārya-brahman, ist der Spross. Die subtilen Körper aller Lebewesen repräsentieren den Stamm.

So wie ein Topf, der aus Lehm gemacht ist, nicht über den Lehm hinausgeht, so geht auch keine Modifikation über brahman hinaus. Dies ist wahrlich DAS! (Vgl. Bhagavad-Gītā, 15.1-3).


yadidaṃ kiṃ ca jagatsarvaṃ prāṇa ejati niḥsṛtam।
mahad bhayaṃ vajramudyataṃ ya etadviduramṛtāste bhavanti॥ 2॥

2. Dieses ganze Universum, das sich aus brahman entwickelt hat, bewegt sich im prāṇa (dem höchsten brahman). Jener brahman ist ein großer Schrecken, wie ein erhobener Donnerkeil. Die das wissen, werden unsterblich.

ERLÄUTERUNG: Prāṇa – steht hier für brahman. Brahman ist die Quelle der Welt. Aus Ihm entstand die Schöpfung. Der Mensch wird unsterblich durch Wissen um brahman. Einige unwissende Menschen sagen: Brahman existiert nicht; die Welt ist aus nichts entstanden. Das ist völlig absurd. Das Universum ist aus brahman hervorgekommen. Es bewegt sich und schwingt in brahman. Es ruht in brahman. Es löst sich auf in brahman. Brahman ist das Fundament und die Grundlage dieser unsteten Welt. Es ist immer unveränderlich und bewegungslos. Bewegung und Schwingung können nur in etwas auftreten, das bewegungslos ist. Dieses unbewegliche Etwas ist brahman.

Mahad bhayam – ein großer Schrecken, groß und furchtbar; vajram udyatam – ein erhobener Donnerkeil.

Wie die Diener den Befehlen ihres Meisters gehorchen, wenn sie den erhobenen Donnerkeil in seiner Hand sehen, so gehorcht diese Welt mit all ihren Gottheiten – Sonne, Mond, Planeten, Konstellationen und Sternen – dem universellen Gesetz. Nichts kann dem Gesetz entkommen, das unerbittlich und unnachgiebig ist. Niemand kann es übertreten. Alles ist unter Seiner strengen Kontrolle. Schöpfung, Erhaltung und Auflösung werden beherrscht durch ein unabänderliches göttliches Gesetz, das niemand verletzen oder brechen kann. Deswegen wird Es „großer Schrecken“ genannt – wie ein erhobener Donnerkeil.

Ye – wer; etat – Ihn (Es), diesen (dieses) brahman; viduḥ – weiß, kennt; te – sie; amṛtāḥ – unsterblich, Unsterblichkeit; bhavanti – werden, sind. Diejenigen, die auf diese Weise das höchste Selbst, para-brahman, kennen – den Zeugen all unserer geistigen Aktivitäten und Modifikationen (vṛttis) – und die wissen, dass brahman die Ursache des Universum ist und dass Es die Welt von innen heraus durch präzise Gesetze lenkt – die erreichen Unsterblichkeit.


bhayādasyāgnistapati bhayāttapati sūryaḥ।
bhayādindraśca vāyuśca mṛtyurdhāvati pañcamaḥ॥ 3॥

3. Aus Furcht vor brahman brennt das Feuer, aus Furcht scheint die Sonne, aus Furcht eilen Indra, Vāyu und der Tod, als fünfter.

ERLÄUTERUNG: Wenn brahman nicht da wäre als Lenker und Regent der verschiedenen Beschützer der Welt – so wie einer mit einem Donnerkeil in der erhobenen Hand –, so würde die Welt nicht glatt und harmonisch laufen, in geordneter Weise, und die wohlregulierte Aktivität der Himmlischen (devas) und der Hüter der Welt (loka-pālas) wäre nicht möglich.

Vgl. Taittirīya-Upaniṣad, 2.8.1 (S. 365). Dort sind nur einige Worte anders: „Aus Furcht vor Ihm bläst der Wind; aus Furcht vor Ihm geht die Sonne auf; und aus Furcht vor Ihm gehen Indra, Feuer und als fünftes der Tod ihren Aufgaben nach.“


iha cedaśakadboddhuṃ prāk śarīrasya visrasaḥ।
tataḥ sargeṣu lokeṣu śarīratvāya kalpate॥ 4॥

4. Wenn es jemandem hier (in diesem Leben) gelingt, Ihn (brahman) zu begreifen, vor dem Tod seines Körper, wird er befreit von den Fesseln der Welt; wenn er es nicht schafft, Ihn zu verstehen, dann muss er erneut einen Körper annehmen in den Welten der Schöpfung.

ERLÄUTERUNG: Wenn jemand Selbstverwirklichung erlangt, bevor er seine physische Hülle abwirft und den Wirrwarr des Irdischen, dann wird er ganz sicher befreit von der Bindung an den saṃsāra. Dann ist er erlöst von den Fesseln von Geburt und Tod – durch das Wissen von brahman. Wenn er das nicht kann, dann muss er erneut einen Körper annehmen in den Welten der Schöpfung – durch den Mangel an Wissen um das Selbst. Deshalb sollte man sich ernsthaft bemühen, dieses unsterbliche, ewige, selbstleuchtende brahman bevor dem Verfall des Körpers zu verwirklichen.


yathādarśe tathātmani yathā svapne tathā pitṛloke।
yathā'psu parīva dadṛśe tathā gandharvaloke chāyātapayoriva brahmaloke॥ 5॥

5. Wie in einem Spiegel, so (kann brahman klar gesehen werden) hier im eigenen Selbst; wie in Träumen, so in der Welt der Ahnen; wie im Wasser, so in der Welt der gandharvas; wie in Licht und Schatten, so in der Welt des brahman.

ERLÄUTERUNG: Genau wie man sein eigenes Bild sehr klar in einem Spiegel sieht, so kann brahman sehr klar im eigenen buddhi (Intellekt) wahrgenommen werden. Die Wahrnehmung wird undeutlich in der Welt der Ahnen, welche sich darin verlieren, die Früchte des karma zu genießen – so wie die Wahrnehmung unklar ist im Traum. So wie das eigene Bild im Wasser nur ungenau reflektiert wird, so wird auch der ātman in der Welt der gandharvas nur undeutlich verwirklicht. Es gibt also Abstufungen in der Wahrnehmung der Seele (ātman). Die Klarheit wird geringer und geringer in den Welten der Ahnen, der gandharvas etc. Aber in brahmāloka wird brahman sehr klar realisiert, so wie Licht und Schatten, d.h. so klar, wie man Licht von Dunkelheit unterscheiden kann. Aber es ist schwierig, brahmāloka zu erreichen. Spezielles karma, also Opferrituale, sind nötig. Deshalb sollte man hier in dieser Welt versuchen, den ātman im Selbst (buddhi) zu verwirklichen.


indriyāṇāṃ pṛthagbhāvamudayāstamayau ca yat।
pṛthagutpadyamānānāṃ matvā dhīro na śocati॥ 6॥

6. Der Weise, der verstanden hat, dass die Sinne, getrennt voneinander geschaffen, verschieden sind vom ātman, und auch, wie sie aufsteigen und untergehen, der hat keinen Kummer mehr.

ERLÄUTERUNG: Pṛthak-utpadyamānānāṃ – geschaffen mit verschiedenen Ursprüngen, geboren auf verschiedene Weisen. Die Sinne, Ohren, Augen etc. entspringen separat aus ihren Ursachen ākāśa etc., um ihre jeweiligen Objekte wahrzunehmen.

Pṛthak-bhāvam – unterschiedene Natur; die absolute Unterschiedenheit der Sinne vom ātman; die Nichtvergleichbarkeit ihrer Natur und der Natur des ātman, welcher rein, makellos, selbstleuchtend und unabhängig ist.

Udayāstamayau – Aufsteigen und Untergehen (der Sinne). Die Sinne arbeiten während des Wachens. Das ist ihr Aufsteigen. Sie werden absorbiert während des Schlafes. Das ist ihr Untergehen. Das Entstehen und die Absorption der Sinne hängen ab vom Wach- oder Schlafzustand. Es gibt aber kein Aufsteigen und Untergehen für den ātman. Der ātman hat weder Anfang noch Ende. Die Sinne und der manas, die der Veränderung unterworfen sind, können klar unterschieden und getrennt werden vom ātman, der rein ist, unveränderlich, ewig, alldurchdringend, unteilbar, ohne Anfang und Ende. Die Weisen, die verstanden haben, dass die Sinne verschieden sind vom ātman und dass ihr Aufwachen und Einschlafen ihnen gehören und nicht dem ātman, sorgen sich nicht mehr. Auch eine andere śruti sagt: tarati śokaṃ ātmavit – „Der Kenner des ātman lässt Kummer und Sorgen hinter sich“.


indriyebhyaḥ paraṃ mano manasaḥ sattvamuttamam।
sattvādadhi mahānātmā mahato'vyaktamuttamam॥ 7॥

7. Jenseits der Sinne ist der manas, höher als der manas ist der Intellekt, höher als der Intellekt ist der große ātman, höher als der mahat ist avyaktam (das Unmanifeste).

ERLÄUTERUNG: Da sich die Sinne vom ātman unterscheiden, kann dieser von den Sinnen nicht äußerlich wahrgenommen werden, da er das innere Selbst aller ist (siehe Verse 1.3.10-11). Rudimente gehören zur selben Gruppe wie die Sinne oder Organe, sie sind im Wort indriya enthalten.

Sattva steht hier für buddhi (Intellekt). Es gibt eine Abstufung bis hinauf zum puruṣa, dem ātman, jenseits der Sinne. Diese Abstufung fanden wir auch in den mantras 1.3.10-11. Dort wurde sie nur als eine Tatsache der Natur hingestellt. Hier, in den mantras 2.3.7-8, wird sie wiederholt, um zu zeigen, dass das Wissen um ātman notwendig ist, um Unsterblichkeit bzw. endgültige Befreiung zu erlangen.



avyaktāttu paraḥ puruṣo vyāpako'liṅga eva ca ।
yaṃ jñātvā mucyate janturamṛtatvaṃ ca gacchati ॥ 8॥

8. Jenseits des avyakta ist puruṣa, alldurchdringend und ohne liṅga (spezifische Merkmale). Wer Ihn kennt, ist befreit und erlangt Unsterblichkeit.

ERLÄUTERUNG: Avyakta – das Unmanifeste, die mūla-prakṛti bzw. māyā. Während pralaya ist die ganze Welt zurückgezogen in das avyakta. Jenseits des avyakta ist der alldurchdringende puruṣa, der Grund aller Objekte, wie ākāśa etc. Aliṅgaḥ – ohne spezifische bzw. unterscheidende Merkmale. Das, wodurch etwas – z.B. der buddhi (Intellekt), der manas etc. – erreicht, erkannt oder verstanden wird, wird liṅga genannt. Wer solche Merkmale nicht hat, ist aliṅga. Sarva saṃsāra dharma varjitaḥ – „Der ist ohne alle Attribute des saṃsāra“. Wer Ihn, in seinem eigenen Intellekt, erkennt – durch den Lehrer, die śāstras und durch unmittelbare intuitive Wahrnehmung –, erreicht Unsterblichkeit bzw. endgültige Befreiung. Er ist befreit von den Knoten des Herzens, wie z.B. Unwissenheit (avidyā), Wunsch (kāma) und Handlung (karma). Er ist der puruṣa, jenseits des avyakta.


na saṃdṛśe tiṣṭhati rūpamasya na cakṣuṣā paśyati kaścanainam।
hṛdā manīṣā manasā'bhikḷpto ya etadviduramṛtāste bhavanti॥ 9॥

9. Seine Form kann nicht gesehen werden. Niemand sieht Ihn mit dem Auge. Durch Kontrolle des manas mit dem Intellekt und durch stetige Meditation wird Er offenbart. Diejenigen, die Dies (brahman) kennen, werden unsterblich.

ERLÄUTERUNG: In diesem mantra wird die Methode beschrieben, wie man Selbstverwirklichung erreicht. Der ātman kann nicht mit den physischen Augen gesehen werden, denn er ist tranzendent, jenseits der Sinne und des manas.

Na cakṣuṣā paśyati – niemand kann Ihn mit den Augen sehen, d.h. mit den Sinnen allgemein (upalakṣaṇa). Das Auge steht hier stellvertretend für alle Sinne; hṛdā – im Herzen wohnend; durch den Intellekt im Innern des Herzens; manīṣā – durch Intuition; abhikḷptaḥ – wird offenbart oder verwirklicht. Wer brahman kennt, erreicht Unsterblichkeit.

Vergleiche die Śvetāśvatara-Upaniṣad, 4.20. Dort heißt es: „Nicht im Gesichtssinn existiert Seine Form; niemand nimmt Ihn mit den Augen wahr. Diejenigen, die Ihn im Herzen erkennen (in dem Raum des Herzens) durch das Herz (den reinen Intellekt) und den manas, werden unsterblich.“


yadā pañcāvatiṣṭhante jñānāni manasā saha।
buddhiśca na viceṣṭate tāmāhuḥ paramāṃ gatim॥ 10॥

10. Wenn die fünf Organe des Wissens in Ruhe sind, zugleich mit dem manas, und wenn der Intellekt zu arbeiten aufhört (ruhig wird) – das nennen sie den höchsten Zustand.

ERLÄUTERUNG: In den Versen 10 und 11 wird jetzt „Yoga“erklärt.

Pañca jñānāni – die fünf Organe des Wissens (Ohren, Augen, Mund, Nase und Haut). Diese Sinne sammeln die Erfahrungen von dieser Welt ein und präsentieren sie dem ātman, durch den manas und den Intellekt. Der Mensch gewinnt Wissen von der Welt durch die fünf Sinne der Wahrnehmung.

Wenn die fünf Sinne von den äußeren Objekten abgezogen werden und mit dem manas verschmelzen, wenn dann der manas zentriert oder fixiert wird im ātman und wenn der Intellekt – der gekennzeichnet ist durch das Fassen von Entschlüssen – nicht aktiv ist bzw. sich nicht bemüht, dann nennt man diesen Zustand den höchsten. Wenn die Sinne beruhigt sind, wenn die Gefühle kontrolliert sind und wenn der Intellekt sich nicht mehr bemüht, ist das der höchste Zustand – so sagen die Weisen. Das wird „Yoga“ genannt. Yoga ist der höchste Weg, denn er führt zu mokṣa, der letztendlichen Befreiung.


tāṃ yogamiti manyante sthirāmindriyadhāraṇām।
apramattastadā bhavati yogo hi prabhavāpyayau॥ 11॥

11. Die feste Kontrolle der Sinne betrachten sie als Yoga. Dabei wird man sehr achtsam, denn Yoga kann man erlangen und auch verlieren.

ERLÄUTERUNG: Sthirām indriya-dhāraṇām – feste Kontrolle der Sinne, Zügelung der Sinne, feste Kontrolle der inneren und äußeren Sinnesorgane.

Die Sinne werden gezügelt und der manas durch stetige Konzentration und Meditation auf den ātman fixiert. Dabei wird der yogī sorgfältig und aufmerksam. Er wird sehr wachsam, denn Yoga kann man gewinnen oder auch verlieren. Yoga kommt und geht, wenn der manas nicht sehr stetig gemacht wird, wenn der manas nicht richtig kontrolliert wird, wenn Nichtanhaftung (vairāgya) schwindet, wenn die Meditation lasch oder unregelmäßig wird.

Apramattaḥ (bhavati) - frei von mangelnder Sorgfalt, nicht achtlos oder nachlässig, frei von Aufregung und Hast, also immer nach Konzentration strebend, frei von den Launen des manas, nicht abgelenkt.

Vollkommene Wachsamkeit ist notwendig, wenn man die yogische Übung begonnen hat – bevor die Aktivität des Intellekt, der Sinne und des manas zur Ruhe kommt. Diesen Zustand betrachten sie als yoga (Verbundenheit), aber eigentlich ist es viyoga (Abtrennung), denn der yogī hat sich völlig von allem abgesondert und ruht in seinem eigenen ātman, der frei ist von jeglicher Überlagerung durch Unwissenheit und durch die Dualität.

Wörtlich bedeutet yoga „vereinen“ (Engl. yoking) bzw. „anschirren“, d.h. die Sinne unterjochen (unter das Joch bringen), und es bedeutet auch verbinden (Engl. joining), nämlich mit der höchsten Seele.


naiva vācā na manasā prāptuṃ śakyo na cakṣuṣā।
astīti bruvato'nyatra kathaṃ tadupalabhyate॥ 12॥

12. Das Selbst kann nicht durch Sprache, durch den manas oder durch das Auge erreicht werden. Wie könnte ES anders verwirklicht werden als durch jene, die sagen: „ES ist“?

ERLÄUTERUNG: Noch so viele Argumente und logische Schlussfolgerungen werden dem Sucher nicht helfen, brahman zu erlangen. Er muss sein volles Vertrauen setzen in die Worte der śrutis oder der Seher, die wirklich den ātman durch direktes intuitives Wahrnehmen realisiert haben und die mit Bestimmtheit versichern, dass ātman existiert. Śabda-pramāṇa (śrutis) und āpta-vākya (Worte der Seher) sind von allergrößter Bedeutung. Śaṅkara und Vyāsa verwarfen Argument und logische Schlussfolgerung und bauten ihre Lehre ausschließlich auf śabda-pramāṇa auf, welches unfehlbar ist.

Wenn du ātman erreichen willst, habe Vertrauen in die Worte des guru, der das Selbst verwirklich hat, und folge seinen Anweisungen. Der ātman muss von dem guru übernommen werden, der weiß, dass der ātman existiert.

Wenn ātman also nicht durch Sprache, manas oder das Auge erkannt werden kann, wie kann Er gewusst werden? Er wird nur gewusst durch die Anweisungen, die durch einen sadguru vermittelt worden sind, der, aus seiner Selbstverwirklichung heraus, weiß, dass der ātman existiert.


astītyevopalabdhavyastattvabhāvena cobhayoḥ।
astītyevopalabdhasya tattvabhāvaḥ prasīdati॥ 13॥

13. Es sollte gewusst werden, dass ES existiert und wie ES in Wahrheit ist. Für beides gilt: Wer weiß, dass ES existiert, dem offenbart sich Seine wahre Natur.

ERLÄUTERUNG: „Für beides gilt: [...]“ – bezieht sich auf das bedingte (saupādhika oder saguṇa-brahman mit Attributen) und das nichtbedingte (nirupādhika oder nirguṇa-brahman ohne Attribute), welches verschieden ist von dem Bekannten und dem Nichtbekannten (dem manifesten Universum und der mūla-prakṛti). Es ist eins ohne ein Zweites, angedeutet in den śrutis durch „neti, neti!“ („nicht dies..., nicht dies...“), d.h. nicht grob, nicht fein, nicht kurz; Es ist körperlos (atanu), ohne Stütze (nirālamba) etc. Dies ist die Sicht von Śaṅkara.

Aber in unserem Zusammenhang taucht die Frage nach dem bedingten oder dem nichtbedingten, dem saguṇa-brahman oder dem nirguṇa-brahman gar nicht auf. Es geht hier um asti iti (Er/ātman ist) und nāsti iti (Er/ātman ist nicht).

Wer über das reine brahman meditiert, nachdem er sich mit den vier „Mitteln“ ausgerüstet hat, dem offenbart sich die wahre Natur des brahman.


yadā sarve pramucyante kāmā ye'sya hṛdi śritāḥ।
atha martyo'mṛto bhavatyatra brahma samaśnute॥ 14॥

14. Wenn alle Wünsche aufhören, die im Herzen eines Menschen wohnen dann wird der Sterbliche unsterblich und erreicht brahman schon hier.

ERLÄUTERUNG: Die Bedingung für Unsterblichkeit ist das Aufgeben aller Wünsche und Anhaftungen. Die weltlichen Wünsche können nur dann aufgegeben werden, wenn die Fesseln des falschen Wissens durchtrennt werden.

Der Intellekt ist der Sitz der Wünsche. Im ātman gibt es keinen Wunsch. Der ātman ist immer rein und makellos. Wunsch ist die Ursache für Schmerz und Bindung. Wenn alle Wünsche zerstört sind durch Wissen um das Selbst, wird, wer vorher sterblich war durch dieses Wissen unsterblich. Er wird bereits hier, während er noch im Körper weilt zu brahman. Er ist frei von der Bindung durch karma.


yathā sarve prabhidyante hṛdayasyeha granthayaḥ।
atha martyo'mṛto bhavatyetāvaddhyanuśāsanam॥ 15॥

15. Wenn alle Knoten des Herzens durchtrennt sind, hier auf der Erde, dann wird der Sterbliche unsterblich – so lautet die Lehre (des gesamten vedānta).

ERLÄUTERUNG: Hṛdayasyeha granthayaḥ – die Knoten des Herzens, die Knoten der Unwissenheit. Unwissenheit (avidyā), Wunsch (kāma) und Handlung (karma) sind die drei wichtigen Knoten. Egoismus, Hass, Lust, Eifersucht und Stolz – alle geboren aus der Unwissenheit – sind kleine Knoten.

Die Glaubensvorstellungen „Ich bin dieser Körper“, „Dies ist mein Besitz“, „Dies ist mein Sohn“, „Ich bin ein rājā (König)“, „Ich bin ein kṣatriya (Krieger)“, „Ich bin glücklich“, „Ich bin elend“ sind auch Knoten. Sie werden zerstört, wenn der gegenteilige Glaube sich durchsetzt, der Glaube in die Identität des ātman bzw. brahman, in der Form: „Ich bin in der Tat brahman“.

Wenn alle Knoten des Herzens zerstört sind, dann erreicht der Sterbliche Unsterblichkeit.

So weit geht die Lehre des gesamten vedānta. Um den Satz zu vervollständigen sollte der Satz „des gesamten vedānta“ (immer) hinzugefügt werden. Dies ist die Vollendung aller Lehren des vedānta.


śataṃ caikā ca hṛdayasya nāḍyastāsāṃ mūrdhānamabhiniḥsṛtaikā।
tayordhvamāyannamṛtatvameti viśvaṅṅanyā utkramaṇe bhavanti॥ 16॥

16. Es gibt hundertundein Nerven (nāḍīs) des Herzens. Eine von ihnen (suṣum-ṇā) durchdringt die Krone des Kopfes. Durch sie aufsteigend (im Moment des Todes), erreicht man Unsterblichkeit. Die anderen Nerven verlaufen auf unterschiedlichen Wegen.

ERLÄUTERUNG: Der jīvan-mukta, der Selbstverwirklichung erreicht hat, geht nirgendwo hin. Na tasya prāṇā utkramanti („Sein prāṇa geht nicht oben her-aus).“(Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad, 4.4.6) Er ist schon brahman und kommt zu brahman. Er erreicht kaivalya-mukti.

Wer nicht kaivalya-mukti erreicht hat, d.h. wer nicht das absolute brahman verwirklicht hat, sondern nur das niedere brahman, nämlich saguṇa-brahman (mit Attributen), der geht durch den suṣumṇā-Weg, die suṣumṇā-nāḍī, zu der Ebene der Sonne und von dort aus durch weitere Ebenen zum brahmā-loka, wo er bis zum Ende des Schöpfungszyklus weilt. Im brahmā-loka genießt er unvergleichliche Freuden. Wenn der Zyklus endet, verschmilzt er mit brahman zugleich mit Brahmā (dem Schöpfer). Dieser Weg wird krama-mukti genannt, schrittweise Befreiung.

Die anderen Nerven (nāḍīs) führen beim Tod in verschiedene Richtungen. Wenn die Seele durch andere Nerven den Körper verlässt, wird sie im saṃsāra wiedergeboren. Sie nimmt verschiedene Körper an, entsprechend ihres karma und ihrer Wünsche. Die suṣumṇā-nāḍī wird auch brahma-nāḍī genannt.


aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo'ntarātmā sadā janānāṃ hṛdaye saṃniviṣṭaḥ।
taṃ svāccharīrātpravṛhenmuñjādiveṣīkāṃ dhairyeṇa।
taṃ vidyācchukramamṛtaṃ taṃ vidyācchukramamṛtamiti॥ 17॥

17. Der puruṣa von der Größe eines Daumens, das innere Selbst, wohnt immer im Herzen aller Lebewesen: Man sollte Ihn aus seinem eigenen Körper herausziehen, so wie man das Mark aus einem Schilfrohr zieht. Man sollte Ihn als rein und unsterblich erkennen.

ERLÄUTERUNG: Muñjāt– aus dem Schilfrohr oder Riedgras; iṣīkāṃ – das innere Mark oder der Stängel; (iṣīkām iva – wie man seine Hauptfaser trennt).

Dies ist das abschließende mantra aller vallīs. Genau wie du das Mark oder den Stängel aus dem Schilfrohr herausziehst, so solltest du auch deine Essenz, den ātman, aus den fünf koṣas (Hüllen) herausziehen, geduldig und doch mutig, durch vicāra (Unterscheidung) und Meditation. Du musst den ātman vom Körper trennen. Man sollte Ihn, der auf diese Weise aus dem Körper herausgezogen worden ist, als brahman erkennen, als rein und unsterblich.

Die Wiederholung von taṃ vidyācchukramamṛtam und die Partikel iti zeigen an, dass die Upanishad hier endet; (tam – Ihn; śukram – den Hellen, Leuchtenden; amṛtam – den Unsterblichen; vidyāt – sollst du kennen).


mṛtyuproktāṃ naciketo'tha labdhvā vidyāmetāṃ yogavidhiṃ ca kṛtsnam।
brahmaprāpto virajo'bhūdvimṛtyuranyo'pyevaṃ yo vidadhyātmameva॥ 18॥

18. Naciketas, der nun dieses Wissen erhalten hatte, das ihm von Yama übermittelt worden war, und auch die ganze Lehre über Yoga, erreichte brahman, nachdem er frei geworden war von allen Unreinheiten und vom Tod. So wird es auch anderen erfolgen, die die Natur des ātman erkannt haben.

ERLÄUTERUNG: Virajaḥ - frei von rajas, Sünde, Unreinheiten, Lastern und (gar) Tugend. Naciketas erhielt von Yama, als Erfüllung seines dritten Wunsches, klare Unterweisungen über brahma-vidyā und Yoga. Er praktizierte Meditation und erreichte schließlich brahman; er wurde unsterblich durch Wissen um das Selbst. Er war ein gut vorbereiteter Suchender. Er war schon vorher frei von Laster, Leidenschaft und allen anderen Arten von Unreinheit. So war es für ihn leicht, brahma-jñāna zu erreichen. Jeder wie Naciketas gut vorbereiteter Suchender, der den ātman kennt, kann sicherlich Unsterblichkeit erreichen.

HIER ENDET DER DRITTE HANDLUNGSSTRAG (VALLĪ) DES ZWEITEN KAPITELS UND SOMIT DIE KAṬHA-UPANIṢAD.


ABSCHLUSS-MANTRA - Śāntiḥ Mantra (oṃ saha nāvavatu)


oṃ saha nāvavatu।
saha nau bhunaktu।
saha vīryaṃ karavāvahai।
tejasvināvadhītamastu mā vidviṣāvahai।
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥

Oṃ, es soll uns beide fördern, soll mit uns beiden genießen. Wir beide wollen zusammen Kraftvolles tun, strahlend soll uns beiden das Gelernte sein, wir beide wollen keine Feindschaft hegen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.

ERLÄUTERUNG: Dieser śāntiḥ mantra (aus das Taittirīya-Āraṇyaka, 8.1.1) ist ein Sühne-mantra. Seine Absicht ist, alle Fehler zu beseitigen, die dem Schüler oder dem Lehrer unterlaufen sein mögen während des Empfangens oder des Gebens von Wissen – wo vielleicht gewisse Regeln verletzt oder in der Aufregung übersehen worden sind. Um alles Übel abzuwehren, wird das Wort śāntiḥ (Frieden) dreimal wiederholt.

saha mit; nau uns beide (Lehrer und Schüler); avatu (av) soll fördern, förderlich sein: wer das ist, wird nicht angegeben, nach dem Kommentar handelt es sich um das brahman; bhunaktu (bhuj) soll genießen; vīrya n. Kraftvolles; karavāvahai (kṛ) wir beide wollen tun; tejasvin m. mit Glanz ausgestattet, strahlend; adhīta (adhi-ī) n. das Gelernte; mā nicht; mā vi-dviṣāvahai (dviṣ) wir beide wollen nicht hassen; śānti f. Beruhigung, Frieden.

OṂ, FRIEDEN! FRIEDEN! FRIEDEN!

Über die Katha Upanishad

Nachiketas ging zum Palast von Yama

- Ein Artikel aus dem Yoga Vidya Journal Nr. 40 Frühjahr 2020 von Sukadev Bretz -

Die Katha Upanishad ist die vielleicht bekannteste Geschichte aus den Upanishaden, die Geschichte von Nachiketas und Yama, dem Gott des Todes. Es ist eine Geschichte, in der es um die allerhöchsten Fragen geht.

Sie hat einen lustigen, fast eigenartigen Anfang. Nachiketas hatte einen Vater, der gern in den Himmel kommen wollte. Vajashravas hatte schon ein gewisses Alter und wollte sicherstellen, dass er nach dem Tod nicht in die Hölle käme, sondern in den Himmel. Nach der damaligen Vorstellung war das Ziel des Lebens, in den Himmel zu kommen. Was hierfür nötig war, tat man und praktizierte daher ein bestimmtes Ritual, das dies ermöglichen sollte.

Die Opfergaben des Vaters

Teil dieses Opferrituals war es, die Hälfte seines Besitzes als barmherzige Gabe zu spenden. Vajashravas teilte also seine Besitztümer in zwei Teile. Er schaute sich seine Ländereien an, behielt die fruchtbaren Äcker und gab die Unfruchtbaren, wo die Böden nichts mehr hergaben, weg. Er schaute sich seine Kühe an. Die Hälfte der Kühe, die keine Milch mehr hatten, gab er weg, die Milch gebenden Kühe behielt er.

Als Nachiketas, sein Sohn, das sah, machte er sich Sorgen um seinen Vater. Er fürchtete, diese Zeremonie könnten seinem Vater mehr schaden als nutzen. Daher sagte er zu ihm: „Vater das sind keine Opfer, die dir Verdienst bringen werden. Welchen Verdienst kann es geben, wenn du das Minderwertige als Opfergabe gibst?“

Der Vater antwortete: „Nachiketas, sei ruhig, das spielt keine Rolle. Du verstehst davon nichts. In den Schriften heißt es, man solle die Hälfte seiner Besitztümer weggeben, genau das tue ich.“

Der Vater fuhr fort, seinen Besitz zu teilen. Er teilte seine Kleider in zwei Hälften. Welche er nicht mehr trug, gab er weg, welche er mochte, behielt er. Dann teilte er seine Möbel in zwei Teile. Was nicht richtig funktionierte oder er nicht mochte, gab er weg, die anderen behielt er.

Wieder kam Nachiketas zu seinem Vater und sagte: „Vater das sind keine Opfer, die dir Verdienst bringen werden.“ Doch auch diesmal reagierte sein Vater abweisend.

Schließlich sagte Nachiketas zu seinem Vater: „Vater, da du alles in zwei Teile teilst und das Schlechtere weggibst, gib auch mich weg. Da du zwei Söhne hast und mit mir immer unzufrieden bist, bin ich der weniger Gute. Wem gibst du mich?“ Hierauf antwortet der Vater erbost: „Erzähl keinen Unsinn, lass mich in Ruhe. Das (die Söhne) gehört nicht dazu.“

Doch Nachiketas fuhr unbeirrt fort: „Wenn du die Opfervorschriften wörtlich nimmst, wie du es ja machst, dann musst du auch mich weggeben. Wem gibst du mich?“

In Rage geraten, sagte daraufhin der Vater: „Ich gebe dich Yama, dem Tod.“ [Kommentar Sukadev: Das hat er natürlich nicht so gemeint. Er war nur so genervt.]

Begegnung mit dem Totengott Yama

Yama - Der Totengott

Daraufhin ging Nachiketas weg und dachte: Jetzt bin ich dem Tod übergeben. Also legte er sich hin und entschied sich zu sterben. Er hörte auf zu atmen. Sein Herzschlag stoppte. Dann verließ er seinen physischen Leib.

In der feinstofflichen Welt ging er zum Palast von Yama, dem Totengott. Als er beim Palast des Totengottes ankam, traf er Yama nicht an. Nachiketas Zeit war noch nicht reif, deshalb wurde er nicht empfangen. [Kommentar von Sukadev: Ich habe euch ja gesagt, dass die Geschichte etwas eigenartig beginnt.] Drei Tage und drei Nächte musste Nachiketas auf die Rückkehr Yamas warten.

Bei seiner Rückkehr fragte Yama ihn: „Was machst du hier?“

Nachiketas antwortete: „Ich warte auf dich. Mein Vater hat mich zu dir geschickt.“

Yama fragte weiter: „Seit wann bist du hier, seit wann wartest du auf mich?“

Nachiketas: „Seit drei Tagen sitze ich hier.“

Yama daraufhin: „Drei Tage? Die ganze Zeit hast du hier gewartet? Bist nirgends sonst hingegangen, wo es doch hier auf der Astralebene so viel Schönes zu erleben gibt?“

Nachiketas: „Nein, mein Vater hat gesagt, er gibt mich dir. Da bin ich zu deinem Palast gegangen und dort geblieben.“

Yama: „Ich gewähre dir drei Wünsche, für jede Nacht, die du gewartet hast einen. Denn es ist nicht an der Zeit für dich, gestorben zu sein. Was auch immer es ist, was du dir wünschst, wenn es in meiner Macht liegt, werde ich es dir geben.“

Nachiketas werden drei Wünsche gewährt

Nachiketas dachte, wenn es jetzt nicht an der Zeit ist in diesem Totenreich zu sein, dann wünsche ich mir, dass ich zum Vater zurückkehren kann und er mir nicht mehr böse ist. Darum bat er Yama.

Yama antwortete: „Dein Wunsch wird erfüllt. Dein Vater hat seine Worte schon bedauert. Wenn du wieder zu ihm zurückkehrst, wird er dich mit offenen Armen und offenem Herzen empfangen.“

Nachiketas bedankte sich und sagte: „Mein zweiter Wunsch ist, dass du meinem Vater verzeihst. Er hat ein unwirksames Ritual gemacht. Gibt es ein Ritual, mit dem er den Himmel erreichen kann?“

Yama antwortete: „Ja, das gibt es. Lehre deinen Vater ein Ritual, welches Mantra Rezitation, Pranayama und Meditation beinhaltet. Wegen deiner Hingabe wird dieses Opfer zukünftig als Nachiketas Ritual bezeichnet werden. Wenn dein Vater das praktiziert, erhebt er seine Schwingungsebene, erhebt er seinen Geist. Dann erreicht er den Himmel auch schon zu Lebzeiten. Wenn er mit diesem Prana, mit diesem Energielevel, mit dieser Weite von Herz und Geist anschließend stirbt, dann wird er in die höheren Welten aufsteigen. Du hast noch einen dritten Wunsch.“

Nachiketas: „Mein dritter Wunsch ist: Sage mir, wie ich unsterblich sein kann.“

Yama: „Unsterblichkeit? Du bist doch noch jung. Was kümmert dich die Unsterblichkeit? Ich gebe dir ein langes Leben.“

Nachiketas: „Und nach dem langen Leben?“

Yama: „Dann musst du sterben.“

Nachiketas: „Dann verzichte ich auf das lange Leben. Ich will unsterblich sein.“

Yama: „Ich gebe dir erstens ein langes Leben. Zweitens gebe ich dir so viele Frauen wie du willst, oder die schönste Frau.“ [Kommentar Sukadev: Eigentlich ist dieser Teil der Geschichte auch wieder komisch. Denn nach der Geschichte ist Nachiketas nur elf oder zwölf Jahre alt. Dennoch, so steht es in der Geschichte.] Doch damit war Nachiketas nicht in Versuchung zu führen, er lehnte ab.

Yama: „Ich gebe dir alles Geld der Welt. Ich gebe dir Macht. Alle sollen dich verehren und bewundern. Ich gebe dir einen Intellekt, mit dem du alle überragen wirst, mit dem du bewundert werden wirst.“

Nachiketas: „Und irgendwann muss ich dann trotzdem sterben?“

Yama: „Ja.“

Nachiketas: „Du hast mir versprochen, dass du mir alles gibst, worum ich dich bitte, sofern es dir möglich ist. Ist es dir möglich mir die Unsterblichkeit zu geben? Wenn ja, dann bitte zeige mir, wie ich sie finden kann.“

Yama: „Ich werde dir deinen Wunsch erfüllen. Nachdem ich dich geprüft habe und du allen Versuchungen widerstanden hast, du ein tiefes Vairagya (Wunschlosigkeit gegenüber Dingen) in dir hast, kann ich dir den Weg zur Unsterblichkeit zeigen.

Wie der Mensch Unsterblichkeit erlangen kann

Yama unterweist Nachiketas

Höre meine Lehre: Der physische Körper kann nicht unsterblich sein. Was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Alles, was beginnt, hört irgendwann auf. Alles, was dir gehört, wird dir irgendwann genommen. Wenn du mich um Unsterblichkeit bittest, dann kann es nicht um die Unsterblichkeit des physischen Körpers gehen.

Der Körper ist sterblich und wird sterben. Aber es gibt etwas, das jenseits des physischen Körpers ist. Es gibt etwas, was jenseits des Denkens und Fühlens ist, etwas, was jenseits von allem Prana ist, das höhere Selbst, und dieses gilt es zu verwirklichen.

Das Gute und das Vergnügliche

[Kommentar von Sukadev: Um es zu verwirklichen, gilt es den Shreya Marga zu folgen und nicht dem Preya Marga. Shreya Marga ist der Weg des Guten. Preya Marga ist der Weg des Vergnüglichen.] Das, was zuerst Nektar ist und nachher wie Gift, das ist Vergnügen ohne Unterscheidungskraft.

Das, was erst wie Gift ist und nachher wie Nektar, das ist das, was einem zum Guten führen kann. [Kommentar von Sukadev: Glücklicherweise gibt es auch viele Mischformen, aber zwischen dem Vergnüglichen, Angenehmen und dem Guten gilt es zu unterscheiden.

Wenn man den Weg des Guten geht, dann wird der Geist reif für höhere Erkenntnis. Wie man zur höheren Erkenntnis kommt, das beschreibt Yama seinem Schüler Nachiketas im Hauptteil der Katha Upanishad. Die findet ihr in dem Buch „Klassische Upanishaden“ im Yoga Vidya Verlag.]

Erläuterungen zur Katha Upanishad

Ich möchte noch ein paar Erklärungen zu dieser Upanishad geben. In gewisser Weise erklärt sie sich selbst und es gibt ein paar Dinge, die sie uns darüber hinaus zeigt.

Viele Menschen beginnen den spirituellen Weg aus einem gewissen Aberglauben heraus, so wie in der Upanishad der Vater von Nachiketas, der versucht Gott zu bestechen.

Dann kann eine Phase des Infragestellens kommen, das wird durch Nachiketas symbolisiert, der seinem Vater offen die Frage stellt, ob eine äußerlich gelebte Religiosität wirklich für einen gut sein kann. Wenn man die äußerlich zur Schau getragene Religiosität in Frage stellt, dann kann es geschehen, dass man von einigen Menschen (eine gewisse Zeit) gemieden wird. Auch in der heutigen Zeit kann das geschehen.

Der heutige „‚Allgemein-Glaube“ hat ein neues Gesicht bekommen. Es ist vielleicht nicht mehr der kirchlich geprägte Glaube, stattdessen glauben Menschen von heute an Attraktivität und wirtschaftliche Werte. „Wenn wir nur gut genug lernen, wenn wir ausreichend Geld verdienen, erfolgreich sind und den richtigen Partner finden, dann ist alles in Ordnung, dann werde ich glücklich sein.“ Wie Nachiketas Vater, probieren auch wir, ein bisschen zu tricksen: Abschreiben in der Schule, Tricks bei der Partnersuche (Flirtschulen sind inzwischen en vogue), Geld verdienen ohne Wissen und Kompetenz. Und wir erhoffen uns, so dauerhaft glücklich zu werden.

Die Reise beginnt - bisherige Werte in Frage stellen

In dem Moment, wenn man beginnt diese Spielchen in Frage zu stellen, rückt man weiter davon ab und manchmal fühlt man sich gar wie auf einem anderen Stern. Hier beginnt oft die Suche nach einem Lehrer.

In dieser Phase des spirituellen Weges kann es Entbehrungen geben, Nachiketas musste drei Tage lang auf Essen und ein Nachtlager verzichten, auch er musste Entbehrungen auf sich nehmen.

Viele Menschen, die ihren Weg gehen, haben eine Phase erlebt, in der sie sich verloren gefühlt haben. Dann, wenn die Zeit reif ist, begegnet man Yama, dem Tod, dem größten Lehrer. Es ist der Lehrer, der uns führt und durch den wir nach einiger Zeit auch in der normalen Welt wieder zurechtkommen. Durch ihn lernen wir Methoden, die uns tiefes Verständnis schenken.

Yoga ist so ein Weg, der eine Reihe von Methoden und Techniken beinhaltet, durch die man lernt sich wohlzufühlen, mehr Energie zu haben, eine harmonische Ausstrahlung zu haben und im Berufsleben erfolgreicher zu sein. Man lernt auch, wie man Beziehungen besser gestalten kann.

Im klassischen, ganzheitlichen Yoga beginnt man diesen Weg mit Asana, Pranayama und Entspannungstechniken. Nach einiger Zeit kommen weitere Techniken hinzu, so wie bei Nachiketas zweitem Wunsch, das Feueropfer, welches Yama nach ihm benannte (Nachiketas Feuer), weil Nachiketas, als hingebungsvoller Schüler, dieses intensiv praktizierte.

Für uns ist das eine Phase intensiver spiritueller Praktiken. Hierdurch wird das Prana (Lebensenergie) deutlich erhöht, feinere Schwingungen breiten sich aus, ein starkes Glücksgefühl stellt sich ein. In diesem Zustand können wir Gott schon erfahren, erahnen eine höhere Wirklichkeit.

Versuchungen auf dem spirituellen Weg

Die zentrale Frage: Wer bin ich?

Dann kommt der letzte Schritt. Doch bevor wir diesen gehen können, bieten sich uns eine Reihe attraktiver Versuchungen und Ablenkungen, denen wir widerstehen müssen, um zum höchsten Selbst zu kommen. Auf diesem Weg stellen wir Fragen wie:

  • Wer bin ich wirklich?
  • Wie erreiche ich die höchste Wirklichkeit?

Die Versuchungen können sogar im Yoga liegen. Wenn man über Asana, Pranayama und Meditation mehr Energie entwickelt hat, kann man in Versuchung kommen, sich mehr mit den Astralthemen zu beschäftigen. Dann kann es passieren, dass man auf der Ebene der Chakras (Energiezentren) und Nadis (Energiekanäle), der Heilungen, Wunderheilungen, Astralwelten und Astralreisen hängen bleibt.

Eine Versuchung kann auch darin liegen, dass man nach Bewunderung strebt. Durch die Erhöhung des Prana entsteht eine stärkere Ausstrahlung auf andere Menschen, die sich hierdurch angezogen fühlen. Da kann es geschehen, dass man nach dem Gefühl süchtig wird, bewundert zu werden.

Vieles kann uns auf Abwege führen und Probleme bereiten, das gilt es zu beachten. Gerade wenn man die ersten Schritte im Yoga gegangen ist, bietet einem das Leben eine Vielzahl von Angeboten. In der Upanishad gehört dazu, dass Nachiketas zur Familie zurückkehren kann. Es gehört dazu, dass er Ausstrahlung hat und höhere Ebenen erfährt. Aber es gehört auch dazu, dass er auf der Ebene nicht steckenbleibt und bereit ist, den angebotenen Versuchungen zu entsagen.

Wir müssen uns bewusst machen: Auch wenn wir zu Anfang des Weges lernen, alles anzunehmen und wenn wir lernen friedlich mit uns selbst und mit anderen zu leben, gilt es doch Viveka, die Unterscheidungskraft, zu leben.

Es gibt Dinge, die uns helfen spirituell zu wachsen, und andere helfen uns nicht. Daher gilt es, die Selbstbefragung immer wieder durchzuführen.

Es gilt, weiter zu praktizieren und uns mit keiner Erfahrung, und sei sie noch so schön und noch so wonnevoll, zu identifizieren, sondern stattdessen irgendwann zur Verwirklichung zu kommen. Aham Brahma Asmi – ich bin Brahman. Ich bin das Unendliche. Ich bin reines Bewusstsein.

Hari Om Tat Sat.


Kleiner Hinweis: Die umfangreiche Hintergrundgeschichte der Katha Upanishad wird nicht in der Upanishad selbst, sondern im Taittiriya-brahmana 3.11.8. erzählt. In diesem Artikel zur Katha Upanishad bezieht sich Sukadev sowohl auf die Katha Upanishad selbst als auch auf die Hintergrundgeschichte im Taittiriya-brahmana 3.11.8.

Kernaussagen der Katha Upanishad von Swami Sivananda

Swami Sivananda

Om. Möge Das uns (Lehrer und Schüler) beschützen. Möge Das uns zur Glückseligkeit (Mukti) führen. Mögen wir beide fähig sein, die wahre Bedeutung der Schriften zu erfassen. Möge unser Lernen erfolgreich sein. Mögen wir nie in Streit geraten. Om Frieden! Frieden!! Frieden!!!

1. Intuition (Aparokshanubhuti) ist die Quelle des Wissens über Atman.

2. Der Atman ist schwer zu erfassen. Er ist feinstofflich. Er kann nicht durch Schlussfolgerungen erfasst werden.

3. Ein selbstverwirklichter Guru allein kann den Aspiranten auf dem spirituellen Weg führen.

Das Angenehme vs. das Gute

4. Das eine ist gut, während das andere angenehm ist. Gesegnet ist der, der sich für das Gute (Shreyas) allein entscheidet. Wer das Angenehme (Preyas) wählt, verliert letztendlich.

5. Sreyas ist das Gute, das Höchste Selbst, das Wissen, das zu Moksha (Befreiung) führt.

6. Preyas ist das Angenehme, die Sinnesfreuden.

7. Die verkörperte Seele ist in ihrer Essenz identisch mit Brahman. Aufgrund von Unwissenheit und Illusion sind wir an Handlung gebunden und versuchen, Befreiung zu erlangen.

8. Wer den Pfad der Wahrhaftigkeit beschreitet und sich dem Guten verschreibt, erreicht Glückseligkeit und Unsterblichkeit. Wer den Sinnesfreuden frönt, verfehlt das Ziel des Lebens. Er versinkt in Sorge und Leid und ist gefangen im Rad von Geburt und Tod.

9. Shreya Marga ist der Pfad des Wissens. Preya Marga ist der Pfad des Nichtwissens.

10. Du musst die Sinnesfreuden überwinden, so du Glückseligkeit in Atman erlangen willst.

11. Das Gute und das Angenehme haben den Menschen fest im Griff. Der Weise untersucht und unterscheidet zwischen beiden, er wählt das Gute. Der Unwissende wählt das Angenehme, seinem Körper zuliebe.

12. Der Pfad des Wissens und der Pfad des Angenehmen stehen dem Menschen offen, er kann den Pfad wählen, der im zusagt.

13. So wie der Schwan Milch von Wasser trennt und nur die Milch trinkt, so trennt der Weise Gut von Böse und folgt dem Guten allein.

14. Der Weise weiß, dass Shreyo Marga zu Unsterblichkeit, Freiheit und Glückseligkeit führt, Preyo Marga dagegen zu vergänglichen sinnlichen Freuden und zu Bindung. Deshalb bevorzugt er Sreyo Marga.

15. Den Unwissenden fehlt das Unterscheidungsvermögen zwischen dem Guten und dem Angenehmen. Sie haben keine Vorstellung vom Ziel, vom Erreichen des Zieles und von den Früchten. Sie wählen das Angenehme, um gierig ihren Körper zu mästen und geben sich den Sinnesfreuden hin.

16. Die beiden Wege liegen weit auseinander und führen zu unterschiedlichen Resultaten. Sie sind wie Licht und Dunkelheit.

17. Avidya ist der Weg des Angenehmen. Er führt zu Leid und Bindung.

18. Vidya ist der Weg des Guten. Er führt zu Freiheit und Befreiung.

Zeichen der Täuschung

19. Die Unwissenden leben in Dunkelheit, sehen sich jedoch als weise und gebildet. In Illusion gehen sie verschlungene Wege, wie Blinde, die von Blinden geführt werden.

20. Die in Samsara leben, leben in Unwissenheit und Dunkelheit. Sie haben weder Verstehen noch Unterscheidungskraft.

21. Sie sind an Tausende von Seilen der Erwartung gebunden. Sie sind in Tausende von Schlingen in Form von Anhaftung an Kinder, Ehe, Wohlstand, Besitz und vieles mehr verwickelt.

22. Unwissend sind sie, doch sehen sie sich als intelligent und belesen in den Shastras.

23. Sie werden Befreiung nicht erlangen. Sie sind immer wieder an das Rad von Geburt und Tod gebunden.

24. Sie gehen im Leid von Samsara durch Geburt, Alter, Krankheit, Sorge, Leid und Tod unter.

25. So wie der Blinde, der von einem Blinden auf steiniger Straße geführt wird, leidet, so leiden die Unwissenden.

26. Der Weg in die Zukunft ist dem Unwissenden nicht klar. Er verfällt der Illusion des Wohlstandes. Das ist die Welt, es gibt keine andere, so denkt er. So fällt er wieder und wieder in das Netz von Geburt und Tod.

27. Wohlstand ist das Gift der Welt. Er schafft Stolz und Eitelkeit. Er schafft einen wirren Geist und vernebelt den Verstand. Er verschleiert den Intellekt.

28. Die Notwendigkeit, Befreiung zu erlangen, ist dem Leichtsinnigen kein Bedürfnis. Er ist in Gedanken an Kinder, Ehe und Wohlstand eingehüllt.

29. Die Sinnesfreuden sind das Ziel des weltlichen Menschen. Geld ist sein Ziel. Essen, Trinken, Spaß sind seine höchste Philosophie.

30. Viele sind nicht in der Lage auf den Atman zu hören. Auch wenn sie von Atman hören, können sie die Worte nicht erfassen, da ihr Geist nicht klar ist.

Die Erhabenheit von Brahma Vidya

31. Unübertrefflich ist es, sein Selbst ausdrücken zu können. Unübertrefflich ist es, sein Selbst zu erfassen, gelehrt von einem fähigen Lehrer.

32. Brahma Vidya ist die vollkommene Wissenschaft. Sie ist die Wissenschaft der Wissenschaften.

33. Welche ist diese höchste spirituelle Wissenschaft, die, so wir sie kennen, uns alle anderen Wissenschaften kennen lässt. Es ist Para Vidya oder Brahma Vidya, das Erkennen des unsterblichen Atmans.

34. Unübertrefflich muss der Lehrer sein, der Brahma Vidya lehrt. Unübertrefflich muss auch der Schüler sein.

35. Brahma Jnanis und befähigte Aspiranten sind sehr, sehr rar in der Welt.

36. Wer mit den vier Absichten - Viveka (Unterscheidungskraft), Vairagya (Leidenschaftslosigkeit), Shat Sampat (sechsfache Tugenden), Mumukshutva (Sehnsucht nach Befreiung) - ausgestattet ist, der ist für den Weg des Jnana Yoga befähigt.

37. Von Tausenden, die von Atman hören, die Gott suchen, erkennt einer Atman.

38. Der Atman kann nicht leicht erkannt werden, wenn Er von einem Unerfahrenen, der selbst Atman nicht erkannt hat, gelehrt wird.

39. Der Atman kann nicht durch Behauptung und Beweisführung erkannt werden, denn Er ist transzendent, jenseits von Verstand und Intellekt.

40. Der Intellekt ist ein vergängliches Instrument, bedingt durch Zeit, Raum und Ursache. Nur durch Behauptung kommen wir zu keiner endgültigen Entscheidung.

41. Ein Mensch mit niederem Intellekt wird von einem Menschen mit hohem Intellekt besiegt.

42. Argumentieren ist nur ein Jonglieren mit Worten. Es ist intellektuelle Gymnastik und sprachliche Kriegsführung.

43. Wer sein Leben nur mit Argumentieren verbringt, ist im dichten Dschungel von Dunkelheit und Nichtwissen gefangen.

44. Höre auf zu argumentieren und werde still, wende dich nach Innen und meditiere.

45. Der Atman ist nur durch stille Meditation zu erfahren.

46. Brahma Jnana kann nicht durch Behauptung und Beweisführung erlangt werden. Man muss das Brahman-Bewusstsein durch spirituelle Erfahrung erlangen.

47. Es ist leicht, Brahman zu verstehen und zu erkennen, wenn von einem verwirklichten Lehrer gelehrt.

48. Das Ewige kann nicht durch Vergängliches erkannt werden.

49. Das Ewige ist unveränderlich, es kann nicht durch Veränderliches erkannt werden.

50. Selbst Hiranyagarbha ist nichts im Vergleich zu Para Brahman.

51. Der Atman ist feinstofflich und innewohnend. Er liegt in der Höhle des Herzens verborgen. Deshalb ist er schwer zu erkennen.

52. Der Weise zieht seine Sinne von den Objekten im Außen zurück, erkennt den Atman durch Meditation auf das Selbst und ist frei von Freude und Leid.

53. Der Atman ist jenseits von Freude und Leid. Er ist Glückseligkeit. Er ist Satchidananda Svarupa.

54. Glück und Leid, Freude und Kummer sind nur Modifikationen des Geistes.

Upanishaden Sadhana

55. Der Weise meditieret auf den Atman, erkennt Ihn, den Unsichtbaren, den Unergründlichen, den in der Höhle des Herzens Verborgenen, den in der Hölle Weilenden, den in der Intelligenz Erscheinenden und ist frei von Freude und Leid.

56. Der Aspirant hört von seinem befähigten Lehrer alles über den Atman und erfasst Sein wahres Wesen.

57. Dann trennt er durch Unterscheiden zwischen Wirklichem und Nichtwirklichem den Atman von Körper und Geist, meditiert auf den Atman und erkennt Ihn durch seine Intuition.

58. Diese Welt wird von Dharma getragen. Brahman ist das Zentrum des Dharma.

59. Warum führt ein Mensch ein rechtschaffenes Leben? Weil er nur durch das Erkennen von Brahman wirklich genießen kann.

60. Das Prinzip (Svarupa) von Brahman ist Glückseligkeit.

61. Sinnesfreuden sind nur flüchtige Eindrücke, angeregt durch Reizung der Nerven. Es sind nur Reaktionen.

62. Brahman ist Fülle, Einheit, Ewigkeit.

63. Brahman ist anders als Tugend und Laster, anders als Ursache und Wirkung, anders als Vergangenheit und Zukunft.

64. Tugend und Laster, Vergangenheit und Zukunft sind nur mentale Schöpfungen.

65. Zeit ist nur ein Wert des Geistes, eine ebenso nur mentale Schöpfung.

66. In Ishvara besteht gleichzeitige Wahrnehmung. Alles ist nur. Alles ist nur jetzt.

67. Brahman ist Ewigkeit. Es ist jenseits von Zeit.

68. Das Ziel, das die Veden verkünden und für das der Aspirant in Brahmacharya lebt, dieses Ziel ist OM.

69. Buße und Brahmacharya führen zum Erkennen von Brahman.

Pranava

Das Symbol Om

70. OM ist auch unter den Namen Pranava, Ekakshara und Omkara bekannt.

71. OM ist ein Symbol (Pratika) für Brahman. Es ist Klang (Shabda Brahman).

72. OM ist der Urklang, die erste Manifestation Brahmans.

73. OM ist das geeignetste Symbol für Brahman. Es besteht aus drei Buchstaben - A, U, M.

74. Klang, Wort und Name sind untrennbar mit dem Gedanken verbunden.

75. OM ist wahrlich Brahman. OM ist wahrlich das Höchste. Jener, der OM kennt, erlangt alles, was er wünscht.

76. OM ist Brahman selbst. OM und Brahman sind untrennbar miteinander verbunden. Über OM sollte wie über Brahman selbst meditiert werden.

77. OM ist ein Symbol, sowohl für Saguna als auch für Nirguna Brahman.

78. Wer auf OM mit Saguna (gestalthaft) Bhava meditiert, der wird Saguna Brahman erlangen.

79. Wer auf OM mit Nirguna (gestaltlos) Bhava meditiert, der wird Nirguna Brahman erlangen.

80. Das manifestierte Brahman sollte erreicht werden. Das unmanifestierte Brahman sollte erkannt werden.

81. OM ist die beste Hilfe. Es ist das beste Mittel, um das Manifeste (Saguna Brahman) oder das Höchste (Nirguna Brahman) zu erkennen.

82. Wer auf Brahman meditiert, wird eins mit Brahman und ist es wert, wie Brahman verehrt zu werden.

83. Der Kenner Brahmans wird Brahman.

84. OM ist die wertvollste Hilfe. Wer diese Hilfe kennt, wird in dieser Welt als Brahman verehrt. Er wird wie Brahman verehrt.

Das Wesen des Höchsten Selbst

85. Der Atman ist ohne Geburt und ohne Tod. Er entstand nicht aus etwas. Er ist ewig. Er stirbt nicht, wenn der Körper stirbt.

86. Brahman wurde nicht wie ein Topf aus Lehm gefertigt. Es ist frei von Bedingung. Es ist frei von Modifikationen, wie sie Dingen eigen sind, die eine Form besitzen.

87. Brahman ist unvergänglich und unveränderlich.

88. Brahman ist frei von Veränderung und Entwicklung, Es ist unvergänglich und unveränderlich. Es ist archaisch (Purana).

89. So wie die Luft im Topf nicht davon berührt wird, wenn der Topf zerbricht, so ist der Atman nicht davon berührt, wenn der Körper stirbt.

90. Der Atman ist feinstofflich, kein Schwert kann Ihn töten.

91. Unwissende glauben, der Körper sei Atman und identifizieren die Seele mit dem Körper.

92. Wenn der Mörder, den Körper für die Seele haltend, denkt: ‚Ich töte‘, und wenn der Ermordete denkt: ‚Ich wurde getötet‘, dann kennen beide den Atman nicht. Beide sind unwissend. Die Seele tötet nicht und kann nicht getötet werden.

93. Der Atman, feiner als fein, größer als groß, weilend im Herzen eines jeden Wesens. Wer wunschlos ist, ruhig im Geist, die Sinne zurückgezogen hat, der behält die Würde des Selbst und wird frei von Kummer und Leid.

94. Die Seele einer Ameise ist dieselbe wie die eines Elefanten. Nur ein Bewusstsein weilt in allen Wesen.

95. Die Essenz aller Wesen ist der Atman.

96. Der Atman wird von der Welt überlagert, so wie das Seil von der Schlange überlagert wird.

97. Für sich allein hat die Welt keine eigene Existenz, alles ist Atman.

98. Der Atman ist weit, Er ist überall, denn Er ist alldurchdringend und ewig.

99. Der Atman frohlockt und frohlockt nicht. Er genießt die Welt in ihren Begrenzungen. Er ist der stille Zeuge in seinem reinsten Wesen und so frohlockt Er nicht.

100. Befähigte Aspiranten, ausgestattet mit einem feinen, scharfen und reinen Intellekt, lernbegierig und mit den vier Absichten (siehe Vers 36) vertraut, können den Atman erkennen.

101. Der Weise, der den Atman als körperlos, nur im vergänglichen Körper weilend, erhaben und alldurchdringend erkannt hat, kennt kein Leid.

102. Der Atman weilt körperlos im Körper. Er ist unveränderlich inmitten des Veränderlichen.

103. Die Weisen, die das Selbst erfahren und den Atman durch direkte intuitive Wahrnehmung (Aparokshanubhuti) erkannt haben, kennen kein Leid.

Wer erreicht Atma Jnana

104. Der Atman kann durch das Studium der Veden, durch Intelligenz oder Hören nicht erkannt werden. Der, den das Selbst erwählt, der kann das Selbst erkennen. Dem enthüllt der Atman Sein wahres Wesen.

105. Den Atman kann nur der erkennen, der wunschlos ist und nach Wissen strebt. Dem enthüllt der Atman Sein wahres Wesen.

106. Das Selbst dessen, der nach Wissen strebt, enthüllt Sich ihm.

107. Nur der Aspirant, der Atman sucht, erkennt Atman.

108. Der Atman wird nur von dem erkannt, den Gott erwählt, dem Gott Seine Gnade gewährt, den Er liebt.

109. Wer nicht von Untugenden ablässt, wer seine Sinne nicht unter Kontrolle hat, wessen Geist nicht einpünktig und geläutert ist, der kann Atman nicht erkennen.

Metaphysik des Menschen

110. Da sind zwei, Paramatman (die höchste Seele) und Jivatman (die verkörperte Seele). Paramatman ist das Licht, Jivatman ist der Schatten.

111. Paramatman kennt weder Handlung noch daraus resultierende Früchte. Er ist stets der stille Zeuge.

112. Das gegenüberliegende Ufer von Samsara ist Moksha (Befreiung).

113. Der Körper ist der Wagen, der Atman ist der Herr des Wagens, der Intellekt ist der Wagenlenker, der Geist ist die Zügel, die Sinne sind die Pferde, die Objekte sind die Straße. Der Atman, vereint mit Sinnen und Geist, ist der Genießer.

114. Der reine Atman ist tatenlos (Nishkriya). Er ist untätig (Akarta).

115. Der Atman erscheint als der Genießer, so Er Sich durch Avidya mit dem Geist, den Sinnen und dem Körper verbindet.

116. Der Geist agiert und genießt durch Sinne und Körper.

117. Die Eigenschaften von Geist, Sinnen, Prana und Körper werden auf den Atman übertragen und die Attribute des Atman werden auf Geist, Sinne, Prana und Körper übertragen. Dies wird wechselseitige Übertragung (Anyonya Adhyasa) genannt.

118. Durch diese Übertragung scheint der empfindungslose Geist, intelligent zu sein und der unreine und empfindungslose Körper wird für den reinen und empfindungsfähigen Atman gehalten.

119. Der reine Atman nimmt die Erscheinung des Jivas an und aufgrund der durch Avidya ausgelösten Übertragung verfällt Er in das Leid von Samsara - Geburt und Tod.

120. Die Essenz des Jivas ist Satchidananda Svarupa.

121. Wenn Avidya durch das Erkennen des Selbst überwunden ist, wird man eins mit Brahman.

Wichtigkeit von Selbstkontrolle

122. Wer keine Unterscheidungskraft besitzt und seinen Geist nicht unter Kontrolle hat, dessen Sinne sind derart unkontrollierbar wie wilde Pferde durch den Kutscher.

123. Wer nicht mit Unterscheidungskraft zwischen Wirklichem und Nichtwirklichem ausgestattet ist, wer nicht fähig ist zu unterscheiden, was zu tun ist und was nicht zu tun ist, wer seinen Geist nicht unter Kontrolle hat, der ist ein unfähiger Führer seines Körpers.

124. Wer Wissen besitzt, Geist und Sinne stetig unter Kontrolle hält, dessen Pferde sind vom Kutscher gezähmt.

125. So wie ein guter Kutscher seine Pferde durch die Zügel kontrolliert, so kontrolliert der gute Führer die Körper-Kutsche durch Verstehen, Unterscheidungskraft und Willen.

126. Die Sinne werden durch den beherrschten Geist kontrolliert.

127. Kontrolle der Sinne ist ein indirektes Mittel, um das Ziel, Moksha, zu erlangen.

128. Wer keine Unterscheidungskraft besitzt, wer seinen Geist nicht beherrscht, wer nicht geläutert ist, der kann das Ziel nicht erreichen, er gerät immer wieder in den Kreislauf von Geburt und Tod.

129. Wer versteht, wer seinen geläuterten Geist stets beherrscht, der erreicht das Ziel und wird nicht mehr geboren.

130. Wer als Führer eine scharfsinnige Intelligenz und als Zügel einen gut kontrollierten Geist besitzt, der erreicht am Ende seiner Reise das Reich Vishnus.

131. Der kluge Kutscher lenkt die Pferde durch die Zügel und bringt die Kutsche sicher ans Ziel, das Ende der Reise. Ebenso erreicht der Jiva sein Ziel, das Reich Vishnus, auf der Straße des Samsara, wenn er Geist und Sinne durch Unterscheidungskraft lenkt.

Die innere Ordnung

132. Hier wird der aufsteigende Grad der Feinstofflichkeit der Dinge beschrieben. Jenseits der Sinne sind die Grundlagen der Dinge, jenseits dieser Grundlagen ist der Geist, jenseits des Geistes ist der Intellekt, jenseits des Intellekts ist der kosmische Intellekt.

133. Jenseits des kosmischen Intellekts ist das Unmanifestierte (Avyakta). Jenseits des Unmanifestierten ist der Purusha. Jenseits des Purusha ist nichts. Das ist das Ende, das ist das höchste Ziel.

134. Die Überlegenheit richtet sich nach dem Grad der Feinstofflichkeit. Das Feinstoffliche ist dem Grobstofflichen überlegen. Das Feinstofflichere ist dem Feinstofflichen überlegen.

135. Der Atman ist das feinstofflichste Vastu (Substanz). Er ist allem überlegen.

136. Die Ursache ist feinstofflicher als die Wirkung.

137. Die fünf Grundlagen der Materie sind den Sinnen überlegen, denn die Sinne werden durch die Grundlagen der Materie geformt.

138. Der Geist ist den Grundlagen überlegen, denn er ist feinstofflicher und wird durch die feinstofflichen Tanmatras (Sukshma Bhutas) in ihrer feinsten Prägung geformt.

139. Die fünf Elemente sind die Auswirkungen der Tanmatras.

140. Der Geist ist der Seher (Drik), die Objekte sind das Gesehene (Drishya).

141. Der Geist ist inwendiger als die Sinne. Deshalb ist der Geist den Objekten überlegen.

142. Der Intellekt ist dem Geist überlegen, denn der Intellekt ist feinstofflicher, erhabener und inwendiger als der Geist.

143. Der Geist gibt den Gedanken an den Intellekt. Der Intellekt untersucht, entscheidet und kommt zu einer endgültigen Lösung.

144. Der Intellekt ist der Ministerpräsident des Atman. Er handelt wie ein Präsident des Obersten Gerichtshofs. Er steht dem Atman ganz nahe.

145. Der Geist ist nur ein Instrument. Er arbeitet durch die Intelligenz, die sich in ihm reflektiert.

146. Hiranyagarbha ist der Mahat Atman. Er ist die kosmische Intelligenz. Er ist das universelle Leben. Er ist die Summe aller individuellen Seelen. Er ist der Erstgeborene des Unmanifestierten (Avyakta).

147. Avyakta ist der Same aller Welten.

148. So wie der Baum potentiell im Samen enthalten ist, so ist die Welt potentiell in Avyakta enthalten.

149. Die drei Gunas sind das Gleichgewicht in Avyakta.

150. Materie, Energie und Klang sind potentiell in Avyakta enthalten.

151. In Pralaya geht die Welt in Avyakta ein.

152. Avyakta geht in Parabrahman ein wie Schuss und Kette. Es ist das Gewebe aller Potenzen von Ursache und Wirkung.

153. Der Purusha ist die Ursache aller Ursachen. Er ist Fülle. Deshalb wird er Purusha genannt.

154. Der Atman ist das Ende, das höchste Ziel. Hier enden Feinheit und Erhabenheit.

155. Wer den Purusha erkennt, wird nicht mehr in Samsara geboren. Er erreicht Moksha.

156. Der Atman ist in allen Wesen verborgen, nur die Seher nehmen Ihn wahr, durch ihren scharfen und feinen Intellekt.

157. Aufgrund von Avidya kann der Mensch, obwohl sein Wesen Brahman ist, die Wahrheit ‚Ich bin Brahman‘ nicht ermessen. Selbst dann nicht, wenn man sie ihn lehrt.

158. Doch weiß er, dass er der Sohn von dem und dem ist. Selbst wenn man ihn dieses nicht lehrt.

159. Mula Prakriti, Pradhana, Avyakta, Avyakriti und Maya sind gleichbedeutende Begriffe.

Der inwendige Pfad des Yogas

160. Der unwissende weltliche Mensch hält seinen Körper für Atman und wandert in Selbsttäuschung durch Samsara. Wie rätselhaft Avidya doch ist! Wie tief und unergründlich Maya doch ist! Wie fantastisch und undurchschaubar Moha doch ist!

161. Der Atman strahlt nicht für die, die einen unreinen, engen und groben Intellekt haben, doch Er wird von denen erkannt, die einen reinen, scharfen und feinen Intellekt haben.

162. Der Intellekt wird rein und scharf erhalten, indem man über Brahman hört, reflektiert und meditiert.

163. Der Weise versenkt seine Sinne in den Geist, den Geist in den Intellekt, den Intellekt in den kosmischen Intellekt und den kosmischen Intellekt in den friedvollen Atman.

164. Ziehe das Reden und andere Werkzeuge durch Versenkung (Pratyahara) und Selbstkontrolle (Dama) zurück.

165. Lasse den Geist mit dem Intellekt und der kosmischen Intelligenz Hiranyagarbha verschmelzen.

166. Lasse Hiranyagarbha mit dem friedvollen Atman (Shanta Atman), dem reinen, unbedingten Parabrahman, dem Nährboden für alles, dem Unwandelbaren, dem Selbst, dem Zeugen aller Modifikationen des Intellekts verschmelzen. Das ist der Prozess des Verschmelzens des Geistes mit dem Unendlichen, Laya Chintana.

167. Praktiziere Innenschau und Selbstanalyse. Kontrolliere den niederen Geist durch den höheren. Beende alle Aktivitäten der Sinne und richte das Bewusstsein auf den Geist. Dann ziehe das Bewusstsein vom Geist zurück und richte es auf den Intellekt. Ziehe das Bewusstsein vom Intellekt zurück und richte es auf die kosmische Intelligenz. Schließlich ziehe das Bewusstsein von der kosmischen Intelligenz zurück und richte es auf das absolute Bewusstsein, auf Brahman.

Göttliche Schildkröte, Gemälde des Jin-Dynastie Malers Zhang Gui, ca. 1156-1161

168. So wie die Schildkröte ihre Glieder einzieht, so ziehe die Sinne in den Geist zurück.

169. Der Intellekt wird Mahat Atman genannt, weil er Geist und Sinne durchdringt. Er ist ihr inneres Prinzip.

170. Lasse den Intellekt mit Mahat Atman, Hiranyagarbha, verschmelzen. Lasse deinen Intellekt klar und rein werden wie Hiranyagarbha.

171. Erhebe dich, erwache! Lerne von großen Lehrern, erkenne Atman. Der Weg führt auf einer scharfen Klinge, schwierig ist er zu gehen, sagen die Weisen.

172. Sind Sinne, Geist, Intellekt und Mahat Atman mit Parabrahman verschmolzen, erfährt man Glückseligkeit, ewigen Frieden und erlangt Moksha. Man erfährt das wahre Wissen über das Selbst.

173. Das Wasser der Luftspiegelung vergeht, die Schlange im Seil löst sich auf und das Blau des Himmels entweicht, sobald das wahre Wesen der Luftspiegelung, des Seiles und des Himmels erkannt ist. Wenn Atman erkannt ist, verlieren sich ebenso Name, Form und Handlung, da sie auf falschem Wissen beruhen und vom Wesen her Ursache, Wirkung und Frucht sind.

174. Erhebe dich, Mensch, aus dem Morast des Samsara, wende dich spirituellem Wissen über Atman zu. Höre auf, über weltliche Gebilde zu sinnieren.

175. Erwache aus dem Schlummer der Unwissenheit. Beende den Schlaf, den Samen allen Leides.

176. Suche hervorragende Lehrer, Brahma Nishtha, Brahma Srotriya Gurus, die Atman erkannt haben. Erkenne Atman, so wie sie es dich lehren. Fühle ‚Ich bin Das‘, Soham.

177. Er hat Das erkannt, das ohne Klang, ohne Berührung, ohne Gestalt, ohne Verfall, ohne Geschmack, ohne Geruch, ohne Anfang, ohne Ende, jenseits des Intellekts ist, ewig und unveränderbar. Er ist dem Rachen des Todes entkommen.

178. Der Atman ist transzendent, jenseits aller Vorstellungen. Er ist jenseits von Materie. Er ist reiner Geist. Er ist reines Bewusstsein.

179. Der Atman ist jenseits von Geist und Sprache. Jenseits von Klang, Berührung, Geschmack und Geruch.

180. Der Atman ist Glückseligkeit und Wissen.

181. Die Erde ist grob. Der Körper ist grob. Doch der Atman ist feiner als das Feine.

182. Klang, Berührung, Geschmack und Geruch existieren nicht in Atman. Deshalb kann Er nicht erlöschen, Er kann nicht steigen und nicht sinken.

183. Etwas, das vergeht, ist flüchtig. Der Atman ist ewig.

184. Was einen Anfang hat, hat eine Wirkung und geht in die Ursache ein. Deshalb ist es nicht ewig.

185. Der Atman hat keine Ursache, in die Er eingehen könnte. Er ist die Ursache von allem und hat keine Wirkung. Da Er keine Wirkung hat, ist Er ewig.

186. Vergängliche Objekte, wie Bäume, Blumen, Körper haben einen Anfang und ein Ende. Der Atman jedoch ist ohne Anfang und ohne Ende, da Er ewig ist.

187. Vernachlässige das nicht. Das ist deine erste Pflicht. Das ist deine höchste Pflicht.

188. Da der Atman feinstofflich ist, ist der Pfad des Wissens, der zu Ihm führt, schwierig zu gehen.

189. Der Aspirant, der auf der Klinge wandelt, muss vorsichtig, wachsam, bestrebt und intelligent sein.

190. Es versteht sich von selbst, dass ein Guru unverzichtbar ist.

191. Die Upanishaden sind Aufzeichnungen der intuitiven Erfahrungen großer Weiser und Seher.

192. Der Atman ist verschieden vom Intellekt, denn Er ist der stille Zeuge, das absolute Wissen und die Seele aller Wesen.

193. Nur das Unveränderliche kann als ewig bezeichnet werden.

194. Wer den Atman erkannt hat, ist dem Rachen des Todes entkommen. Er ist frei von den Fesseln von Geburt und Tod. Er ist frei von den drei Blockaden (Granthi) - von Unwissenheit, Wunsch und Handlung. Er erlangt Unsterblichkeit.

Philosophie der Sehnsucht

195. Das aus Sich Selbst Seiende (Brahman) schuf die nach außen gerichteten Sinne. Deshalb sieht der Mensch das externe Universum und nicht das innewohnende Selbst (Atman). Doch der Weise wendet Sinne und Augen von den äußeren Sinnesobjekten ab, sehnt sich nach Unsterblichkeit und erkennt den Atman in sich.

196. Es ist nicht möglich, Licht und Dunkelheit zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu haben. Es ist nicht möglich, Sinnesfreuden und gleichzeitig Glückseligkeit zu erfahren. Es ist nicht möglich, in Sinnesfreuden zu schwelgen und zur gleichen Zeit das innere Selbst zu erblicken. Es ist nicht möglich, den Mammon und Gott gleichzeitig anzubeten.

197. Der Unwissende läuft den externen Objekten der Begierde hinterher und gerät in den Fallstrick des Todes. Doch der Weise, das Wesen der Unsterblichkeit kennend, trachtet nicht nach den flüchtigen Objekten hier auf Erden.

198. Die zwei Hindernisse, die dem Erkennen des Selbst im Wege stehen, sind die Tendenz der Sinne, externen Objekten zu verfallen und der Wunsch nach Freuden in dieser und der nächsten Welt.

199. Die Sinne suchen aufgrund von Vikshepa Shakti (Rajas) im Außen.

200. Nicht nur die Augen, alle Sinnesorgane müssen von ihren jeweiligen Objekten zurückgezogen werden.

201. Der Grund für das Wünschen ist Unwissenheit. Wünschen entsteht aus Avidya.

202. Wenn Rajas in den Sinnen durch Sattva erdrückt wird, gehen die Sinne in den Geist ein. Sie wenden sich nicht mehr nach außen.

203. Der Mensch hat seine Göttlichkeit aufgrund von Unwissenheit vergessen. Sein Geist folgt den Sinnesfreuden.

204. Unwissende, die weder Verstand noch Unterscheidungskraft besitzen, rennen externen Objekten hinterher und verfangen sich so in den Maschen des Todes.

205. Der Atman steigt nicht und sinkt nicht. Er ist unveränderlich und unsterblich.

206. Die Weisen, die die Glückseligkeit des Atman genießen, kümmern sich nicht um Sinnesfreuden.

207. Die Summe der Sinnesfreuden ist nur ein Tropfen im Vergleich zur Glückseligkeit des Atman. Der Atman ist der Ozean der Glückseligkeit.

208. Der Wunsch nach Sinnesfreuden steht dem Wissen über das Selbst entgegen. Er steht dem Erkennen des Selbst entgegen.

209. Würde jemand Zucker essen, wenn Mangos reichlich vorhanden sind?

210. Dem Selbst, durch das wir Form, Geschmack, Geruch, Klang und Berührung erfahren, bleibt nichts verborgen. Wahrlich, Dieses ist Das (Brahman).

211. Der Atman ist absolutes Wissen. Er ist absolutes Bewusstsein.

212. Was in dieser Welt bleibt dem Atman verborgen? Alles ist dem Atman bekannt.

213. Geist und Intellekt sind unempfänglich. Sie borgen ihr Licht von Atman. So wie der Mond Licht von der Sonne borgt.

214. Geist, Intellekt und Sinne erfüllen ihre Aufgaben durch das Licht des Atman.

215. Der Atman steht hinter allen Sinneswahrnehmungen, Geist und Intellekt.

216. So wie Eisenspäne sich zum Magnet hin bewegen. So bewegen sich Geist, Sinne und Intellekt hin zu Atman.

Jenseits von Furcht und Leid

217. Das, wahrlich, ist der Atman, verschieden von Tugend und Untugend, Ursache und Wirkung. Er ist Vishnu, darüber hinaus ist nichts.

218. Der Weise weiß, dass alles was er im Wachen und im Traum wahrnimmt, der allgegenwärtige Atman ist. Er leidet nicht mehr.

219. Turiya (der vierte Zustand) übertrifft Wachen, Schlaf und Tiefschlaf.

220. Der Atman ist der stille Zeuge der drei Bewusstseinszustände. Er wird Turiya genannt.

221. Durch Atman allein ist man sich des Träumens und Wachens bewusst.

222. Wer den ewigen Atman erkennt, wird absolut furchtlos.

223. Furcht kommt nur auf, wenn man am Körper anhaftet, wenn man sich mit dem Körper identifiziert.

224. Wer sich mit seinem physischen Körper identifiziert, versucht, ihn zu schützen.

225. Wo immer Anhaftung herrscht, herrschen auch Furcht und Ärger.

226. Der Atman ist Eins ohne ein Zweites und ewig; so Er erkannt ist, was will man dann vor wem schützen?

227. Der Weise sieht das Selbst überall.

228. Der Weise steht über dem Körperbewusstsein. Er ist vollkommen furchtlos.

229. Atman zu kennen heißt, Atman zu verwirklichen.

230. Atman zu kennen heißt, Atman zu sein.

Einheit von Brahman, Mensch und Welt

231. Brahman erscheint durch den Upadhi (begrenzende Beifügung), d.h.Avidya, als Jiva.

232. Brahman erscheint durch den Upadhi Maya als Hiranyagarbha.

233. Die Gesamtheit aller Jivas (Samashti) ist Hiranyagarbha.

234. Der Jiva ist der mikrokosmische Aspekt Brahmans.

235. Wenn der Upadhi weicht, werden Hiranyagarbha und Jiva eins mit Brahman.

236. Hiranyagarbha ist die erste Manifestation Brahmans durch Meditation.

237. Brahman, Hiranyagarbha genannt, entstand.

238. Hiranyagarbha ist kosmischer Prana oder kosmische Intelligenz.

239. Alle Götter weilen in Brahman wie die Speichen in der Nabe. Alle Götter hängen von Brahman ab.

240. So wie die Welle nicht vom Ozean verschieden ist, so wie Goldschmuck nicht verschieden ist von Gold, so ist diese manifestierte Welt nicht verschieden von Brahman.

241. Der Unterschied besteht nur im Namen. So wie ein Seil als Schlange erscheint, so erscheint Brahman durch Avidya bzw. Maya als Welt der Namen, Formen und Handlungen, (Nama, Rupa, Kriya).

242. Wer denkt: ‚Ich bin verschieden von Brahman‘, der wird wiedergeboren und stirbt. Doch wer fühlt: ‚Ich bin wahrlich das alldurchdringende, unsterbliche Satchidananda Brahman‘, der erlangt Unsterblichkeit.

243. Brahman ist die Verkörperung der ewigen Erkenntnis (Nitya Vijnanaghana Svabhava).

244. Brahman ist frei von Eigenschaften des Samsara (Sarva Samsara Dharma Varjitam).

245. Die Höchste Seele ist mit der individuellen Seele und mit der gesamten Schöpfung identisch.

246. Das Fehlen von Unterscheidungsfähigkeit ist der Grund für Wiedergeburt.

Ästhetik und das Selbst

247. Allein durch den Geist kann Brahman erkannt werden. Es gibt keinen Unterschied zwischen Geist und Brahman. Wer einen solchen sieht, geht von Tod zu Tod.

248. Der Geist ist zweigestaltig: Suddha Manas - der reine Geist und Asuddha Manas - der verunreinigte Geist, angefüllt mit Vasanas, Ego und Gier.

249. Brahman kann nur durch einen geläuterten Geist erkannt werden. Dazu lese man die Schriften, lerne bei einem Lehrer, praktiziere die vier Absichten (siehe Vers 36) und meditiere stetig auf das Selbst.

250. So man das Selbst erkannt hat, verschwindet die Unwissenheit.

251. Der Weise erkennt Brahman in allem, nichts anderes existiert. Die Welt ist die Manifestation Brahmans allein, sie ist in ihrem Wesen nicht verschieden von Brahman.

252. Wer Verschiedenheit sieht, mit von Unwissenheit verdunkelten Augen, geht von Tod zu Tod.

253. Daumengroß sitzt der Purusha in der Mitte des Körpers. Er ist der Herr der Vergangenheit und der Zukunft, nachdem er Ihn erkannt hat, kennt der Weise keine Furcht mehr. Dieses ist Das.

254. Der Purusha weilt im Herzen. Der Atman wird Purusha genannt, weil Er in der Stadt (Puri) des Körpers weilt, und weil alles von Ihm durchdrungen ist, die ganze Welt ist Seine Fülle.

255. Der Atman ist grenzenlos, die Größe eines Daumens ist nur ein Hilfsmittel zur Meditation für Anfänger.

256. Zu Beginn meditiert der Aspirant auf den Atman als ein im Herzen strahlendes Licht (Jyoti) in Größe eines Daumens.

257. Nachdem der furchtlose, unsterbliche Atman erkannt ist, ist die Furcht vergangen.

258. Brahman ist der perfekte Purusha. Es ist die Seele, die im Herzen eines jeden Menschen weilt. Es ist der Herrscher über das Wissen. Es ist in Herz und Geist verborgen. Wer so weiß, erlangt Unsterblichkeit.

259. Brahman ist eine Flamme ohne Rauch. Es ist der Herr über Vergangenheit und Zukunft. Nur Es allein ist heute und wird morgen sein. Dieses ist wahrlich Das.

260. Brahman ist ewig, unsterblich (Kutastha) und unbewegt.

261. Brahman weilt heute in allen Lebewesen, und so wird es sicher auch morgen noch sein.

262. Der Regen fällt auf den Berg, das Wasser rinnt hinunter ins Tal, verteilt sich und verliert sich. Der Unwissende sieht Unterschiede im Leben; denkt, verschiedene Selbste seien in verschiedenen Körpern; denkt, die Welt sei verschieden von Brahman und die einzelnen Seelen seien verschieden von anderen Seelen und von der Höchsten Seele; sieht Dinge als verschieden von der Seele; hat nicht das Substrat von allem erkannt; hat nicht die Nichtzweiheit Brahmans und Seine ewige, unsterbliche, unwandelbare Einheit erfasst. Dieser Unwissende ist im Kreislauf von Geburt und Tod gefangen.

263. Reines Wasser in reines Wasser gegossen wird eins mit dem reinen Wasser. Die geläuterte individuelle Seele wird eins mit der Höchsten Seele, so sie das Höchste Selbst durch Intuition erkannt hat, die Vorstellung von Unterschieden durch das Wissen über Atman überwunden hat, die Einheit von Selbst und Atman erkannt hat.

264. Der Aspirant sollte unerschütterliches Vertrauen in die Lehren der Shrutis haben. Ohne dieses Vertrauen gibt es kein Erkennen des Selbst.

Der innere Herrscher

265. Die Stadt Brahmans, dessen Wissen ewig ist, hat elf Tore. Brahman verehren lässt Kummer vergehen und befreit von allen Bindungen, man wird frei. Dieses ist wahrlich Das.

266. Zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, ein Mund, das sind sieben Tore. Der Nabel und die zwei unteren Öffnungen sind zusammen zehn. Das elfte ist Brahmarandhra, die Öffnung Brahmans, die Fontanelle.

267. So wie eine Stadt einem König gehört, er jedoch unabhängig von der Stadt ist, so gehört der Körper einem König (Atman), der unabhängig vom Körper ist.

268. Wer auf Brahman meditiert und das Selbst erkannt hat, der ist frei von Kummer. Er ist frei von allen Bindungen und frei vom Kreislauf von Geburt und Tod.

269. Der Weise ist frei von den Wünschen und Fesseln des Karma, die durch Unwissenheit entstehen. Er wird vollkommen furchtlos. Er nimmt keinen weiteren Körper an. Er geht in Brahman ein.

270. Brahman schickt Prana nach oben und Apana nach unten. Dieses im Inneren weilende Verehrungswürdige verehren die Götter.

271. Fünf Prinzipien der Lebenskraft kennen wir - Prana, Apana, Vyana, Udana und Samana. Es gibt weitere fünf untergeordnete Pranas (Upapranas). Der höchste Prana, Mukhyaprana, nimmt die zehn Formen an, je nach Aufgabe eines jeden einzelnen Pranas (Vritti Bheda).

272. Prana ist Odem. Apana hat die Funktion der Ausscheidung. Vyana lässt das Blut zirkulieren. Udana lässt die Stimme wirken. Samana hat die Funktion der Verdauung.

273. Prana ist nicht Atem. Prana ist Lebensenergie. Atem ist nur eine der vielen Manifestationen von Prana. Prana ist mit Atem verbunden.

274. Geist und Sinne verehren ihren Herrn, den Atman, indem sie die ihnen zugeteilten Aufgaben erfüllen.

275. Sie stimmen ihren Herrn, den Atman, günstig, indem sie die verschiedenen Wahrnehmungen - Form, Klang, Geruch, Geschmack und Berührung - Ihm darbringen, so wie das Volk den König günstig stimmt, indem es ihm Gaben darbringt.

276. Sinne, Geist und Prana sind stets damit beschäftigt, dem Atman zu dienen und Ihn zu erfreuen.

277. Der Atman allein leitet Geist, Sinne und Prana in den ihnen zugeteilten Aufgaben an.

278. Die fünf Sinnesorgane sammeln Empfindungen aus der Außenwelt und bringen sie dem Atman dar. Das ist ihre Art der Verehrung.

279. Sobald der Atman den Körper verlässt, löst dieser sich auf. So wie ein Volk sich auflöst, wenn der König aus dem Land gejagt wurde.

280. Der Sterbliche lebt weder durch Prana noch durch Apana, sondern durch Das, von dem diese beiden abhängen.

281. Die wahre Grundlage des Lebens ist der Atman. Prana, Apana, Vyana, Udana und Samana können nicht die Grundlage des Lebens sein. Sie arbeiten nur zusammen zum Wohle des Atmans.

282. Der Körper löst sich auf, wenn Prana und Apana ihn verlassen und sich der Atman zurückzieht.

283. Ein Haus besteht zum Wohle des Besitzers, der verschieden ist vom Haus und sein Herr ist. Prana, Apana, Vyana, Udana, Samana, die Sinne und der Geist bestehen zum Wohle des Atmans, der verschieden von ihnen ist und ihr Herr.

284. Prana und Apana hängen von Atman ab.

285. Sie vollziehen ihre Pflichten in Harmonie zum Wohle des Atman, ihres Herrn.

286. Die Stütze der Wesen, des Pranas, der Sinne und des Geistes ist der Atman. Er ist völlig unabhängig.

287. Wie Getreide vergeht der Sterbliche und wie Getreide wird er wiedergeboren.

288. Manche Jivas gehen in einen Leib ein, um einen Körper zu erhalten, andere gehen in anorganische Substanzen ein, je nach deren Karma und Bewusstsein.

289. Der Jiva nimmt den Körper an, den sein Karma bedingt und seinem Bewusstsein entspricht.

290. Er kann Indra werden oder sogar Hiranyagarbha. Er kann in der kosmischen Hierarchie alles werden. Er kann sein letztes Leben antreten und ein Jivanmukta, ein befreiter Weiser, werden.

291. Er kann ein Muni, ein Tapasvin oder ein Yogi werden, so er sehr gute spirituelle Samskaras mit sich bringt.

292. Er kann je nach seinem Karma auch ein Baum oder etwas Anorganisches werden.

293. Brahman ist der stille Zeuge der drei Bewusstseinszustände Wachen, Traum, Tiefschlaf.

294. Der Purusha schläft nie. Selbst wenn Prana, die Sinne und der Geist schlafen, ist Er der Zeuge (Sakshi) von allem.

295. Brahman ist ewig rein und unsterblich.

296. Brahman ist die Ursache der Welt. Alle Welten hängen nur von Ihm ab. Er ist die Stütze aller Welten. In Ihm sind alle Welten enthalten.

297. Im Tiefschlaf ruhst du in Brahman. Du kommst in Kontakt mit Brahman, doch da ist der Schleier der Unwissenheit. Deshalb bist du dir Brahmans nicht bewusst.

298. In Samadhi ist dieser Schleier verschwunden. Dein reines Bewusstsein ist eins mit dem absoluten Bewusstsein.

299. Während der Geist und die Sinne im Tiefschlaf ruhen erfährst du die Glückseligkeit in Brahman.

300. Deshalb sagst du, wenn du ins Wachbewusstsein zurückkommst: ‚Ich habe gut geschlafen, ich weiß von nichts‘.

301. Dieses Erinnern an die Glückseligkeit beweist, dass Brahman ist, nichtdual, glückselig.

Das allgegenwärtige Selbst

302. Wie das eine Feuer, sobald es in der Welt erstrahlt, verschiedene Formen annimmt, je nachdem, was es verbrennt, so nimmt der ewige Atman aller Lebewesen, obwohl Eines, verschiedene Gestalten an, je nachdem, in was er in der Außenwelt eingeht. Und dennoch ist Er jenseits aller Gestalt.

303. Viele sprechen, um ihre Belesenheit zu zeigen oder über anderen zu stehen. Sie sprechen nicht der Wahrheit wegen.

304. Ehrliche und ernstgemeinte Gespräche mit großen Seelen, um Zweifel zu beseitigen und Klarheit zu erlangen, ist wünschenswert.

305. Ernsthafte Aspiranten mögen unter sich schwierige und abwegige Probleme erörtern. Das ist sehr hilfreich für ihr Wachstum und ihr Verständnis.

306. Das Wissen über die Einheit mit dem Atman ist auch nach Erklärungen und Wiederholungen nicht leicht zu verstehen. Deshalb erklären die Srutis die Wahrheit über Atman durch verschiedene Darstellungen, Gleichnisse und Analogien.

307. Der Atman ist stets rein und verschieden von Gestalt. Es wird nicht im Geringsten von Gestalt berührt, denn Er ist ohne Beifügungen und feinstofflich, reines Bewusstsein, Seele, Geist.

308. Wie sollte es eine Verbindung zwischen Materie und Geist geben?

309. Der Atman nimmt durch die Upadhis verschiedene Gestalten an, Geist, Sinne, Prana, Körper, Er ist jenseits von Name und Form.

310. Der Atman ist ein Mysterium.

311. Die Luft nimmt, nachdem sie die Welt betreten hat, verschiedene Formen an, je nachdem in welches Behältnis sie eingeht. Der Atman nimmt ebenso verschiedene Gestalten an, je nachdem in welchen Körper Er eingeht. Dennoch ist er jenseits von Name und Form.

312. Die Sonne, das Auge des Universums, wird von den Defekten des physischen Auges nicht berührt. Der Atman, das Wesen von allem, wird nicht durch das Leid der Welt, das aus Wunsch und Karma entsteht, berührt.

313. Die Schlange überlagert das Seil, so das Licht schwach ist. Silber überlagert Perlmutt. Die Welt und der Körper überlagern den Atman durch Avidya.

314. Das Seil bleibt von der Schlange unberührt, der Atman wird nicht berührt von Überlagerung.

315. Handlung, Wirkung, Frucht (Kriya, Karta, Phala) überlagern fälschlicherweise den Atman durch Unwissen. Es sind alles nur falsche Wahrnehmungen, wie die falsche Wahrnehmung einer Schlange im Seil.

316. Der Atman handelt nicht (Akarta) und genießt nicht (Abhokta). Er ist unberührt (Asanga, Nirlipta).

317. Brahman ist Eines. Es ist der Herrscher, der Atman aller Wesen. Es wird nicht berührt vom Leid der Welt.

318. Brahman ist der Herr über alles. Alldurchdringend, unabhängig. Nichts ist Ihm gleich.

319. Obwohl Eines, manifestiert Es sich in verschiedenen Namen und Formen.

320. Der Weise der Es schaut, erfährt ewige Glückseligkeit.

321. Der weltliche Mensch, bar jeder Unterscheidungskraft, erfreut sich an den Objekten im Außen. Er wird nie die Glückseligkeit Atmans genießen. Der Atman wird durch seine Unwissenheit verdeckt.

322. Für den Weisen ist das Selbst das Ewige inmitten des Transzendenten, das Bewusstsein inmitten des Bewusstseins. Es, obwohl Eines, gewährt die Wünsche vieler, weilend in ihnen. Ihnen sei ewiger Frieden. Niemand anderem.

323. Der Atman ist ewig und unveränderlich. Die Welt von Name und Form ist vergänglich und veränderlich.

324. Körper, Geist, Sinne und Prana, sie alle sind mit der Bezeichnung ‚Welt‘ gemeint.

325. Die Welt ist ein flüchtiger Schatten.

326. Der Wandel setzt eine Grundlage voraus, die ewig und unveränderlich ist.

327. Wandel kann nur im Unwandelbaren erfolgen.

328. Die Leinwand im Kino verändert sich nicht, doch die Bilder wandeln sich ständig. Brahman repräsentiert die Leinwand, die flüchtige Welt der Namen und Formen repräsentiert die Bilder.

329. Heißes Wasser borgt seine Hitze vom Feuer, der Intellekt borgt seine Intelligenz von Atman, der Grundlage von allem.

330. Wer den in seinem Herzen weilenden Atman erkennt, erfährt ewigen Frieden. Die Unwissenden leiden in Samsara.

331. Der Weise, der Wunschlosigkeit erreicht hat, erkennt diese unbeschreibliche Glückseligkeit von Dieses ist Das.

332. Weder Sonne, Mond, Sterne, Blitze noch Feuer strahlen. Wenn Es strahlt, strahlt alles andere auch. Durch Sein Licht strahlen sie.

333. Der Atman strahlt aus Sich Selbst heraus.

334. Etwas aus Sich Selbst Strahlendes benötigt kein Licht für sein Erstrahlen (Nirapeksha).

335. Wenn du sagst, der Atman erhält Sein Licht von einem Licht, dann muss dieses Licht wiederum ein Licht haben, das es illuminiert. Dies führt zu Anavasthadosha, in die Unendlichkeit. Deshalb muss der Atman aus Sich Selbst heraus strahlen.

Der Baum des Samsaras

336. Wir kennen den alten Ashvattha Baum, dessen Wurzeln oben und die Äste unten sind. Das ist der Baum der Schöpfung. Das ist Brahman und nur Das wird unsterblich genannt. Davon hängen die Welten ab und niemand sieht dahinter. Dieses ist wahrlich Das.

337. Du kannst das Wesen Brahmans erkennen, die Quelle des Samsara Baumes (Maya Vriksha), so du die Wirkung erfasst, den Samsara Baum.

338. Die Welt hat ihre Wurzeln in Brahman. Aus Brahman allein gedeiht das Universum.

339. Wie ein Baum mit der Axt gefällt werden kann, so kann der Samsara Baum ebenfalls gefällt werden. Die Axt ist Verhaftungslosigkeit, Atma Jnana oder Kenntnis über das Selbst.

340. Der Samsara Baum erhält seinen Lebenssaft von seiner Quelle, Parabrahman und wächst durch den Samen der Unwissenheit.

341. Hiranyagarbha oder Karya Brahman]] ist sein Spross. Die feinstofflichen Körper aller Lebewesen sind sein Rumpf.

342. Das Universum hat sich aus Brahman entfaltet. Brahman ist ein Donnerkeil. Wer so weiß, erlangt Unsterblichkeit.

343. Prana ist Brahman. Brahman ist der Ursprung der Welt. Er ist der Herr der Schöpfung. Der Mensch erlangt Unsterblichkeit durch Wissen über Brahman.

344. Die Aussage, die Welt sei aus dem Nichts entstanden ist absurd. Sie ist aus Brahman entstanden. Sie schwingt in Brahman. Sie ruht in Brahman. Sie geht in Brahman ein.

345. Brahman ist das Substrat der veränderlichen Welt.

346. Brahman ist ohne Veränderung und ohne Bewegung.

347. Schwingung kann nur in Unbewegtem entstehen. Dieses Unbewegte ist Brahman.

348. So wie der Diener den Anordnungen des Herrn gehorcht, so gehorcht die Welt den Schöpfungsgesetzen.

349. Den Schöpfungsgesetzen kann niemand entrinnen. Niemand kann sie übertreten.

350. Alles ist unter deren Kontrolle. Schöpfung, Erhaltung, Auflösung sind einem unveränderlichen, göttlichen Gesetz unterworfen, dem niemand zuwider handeln kann. Deshalb ist Brahman, handelnd als dieses Gesetz, ein Donnerkeil.

351. Jene, die Brahman erkennen, den Zeugen all unserer mentalen Erregungen (Vritti), den Urgrund allen Seins, den Herrn der Schöpfungsgesetze, erlangen Unsterblichkeit.

352. Aus Furcht vor Brahman brennt das Feuer, scheint die Sonne und tun Indra, Vayu und Yama ihre Pflicht.

353. Wäre Brahman nicht der Herrscher der Welt, mit dem Donnerkeil in den Händen, würde die Welt nicht in Harmonie und Perfektion bestehen. Ein sinnvolles Wirken der Weltenhüter (Loka Palas) wäre nicht möglich.

Erkenne das Selbst jetzt

354. Wer noch in diesem Leben hier auf Erden, vor dem Tod seines Körpers, Brahman erkennt, wird von den Fesseln der Welt befreit. Dem dies nicht gelingt, kommt in einem neuen Körper zurück in die Welt.

355. Deshalb sollten ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, vor dem Verfall des Körpers, Brahman zu erkennen.

356. So wie man im Spiegel klar sein Spiegelbild erkennt, so kann Brahman im eigenen Intellekt klar erkannt werden.

357. In der Welt der Ahnen wird die Wahrnehmungundeutlich, sie sind in den Genuss ihrer karmischen Früchte vertieft. Auch im Traum ist die Wahrnehmung getrübt.

358. Die Reflektion unseres Bildes im Wasser ist verschwommen, ebenso ist die Wahrnehmung des Atman in der Welt der Gandharvas verschwommen.

359. In Brahmaloka kann der Atman deutlich wahrgenommen werden. Er hebt Sich ab wie Licht vom Schatten.

360. Schwierig ist es, Brahmaloka zu erreichen. Besonderes Karma oder Verehrung sind nötig, um es zu erreichen.

361. Deshalb sollte man den Atman im Intellekt erkennen, solange man noch in der Welt weilt.

362. Der Weise hat erkannt, dass die Sinne von Atman verschieden sind, ihre Aktivitäten berühren ihn nicht mehr.

363. Die fünf Sinne bestehen neben ihrer Quelle, um die ihnen zugeordneten Objekte wahrzunehmen.

364. Der Atman ist rein, unbefleckt und aus Sich Selbst strahlend. Das Wesen der Sinne unterscheidet sich vom Wesen Brahmans.

365. Die Sinne wirken während des Wachens. Sie gehen auf beim Erwachen und unter im Tiefschlaf.

366. Der Atman geht weder auf noch unter.

367. Der Atman kennt weder Anfang noch Ende.

368. Sprunghaft sind Sinne und Geist und können klar von Atman unterschieden werden, der klar, unveränderbar, alldurchdringend, unteilbar, ohne Anfang und ohne Ende ist.

369. Der Weise leidet nicht, er hat den Unterschied zwischen Atman und Sinnen erkannt, ihr Auf und Ab, ihr Wachen und Schlafen.

370. Der Kenner des Atmans hat das Leid überwunden und ruht in Glückseligkeit.

Höchstes Bewusstsein

371. Höher als die Sinne ist der Geist. Höher als der Geist ist der Intellekt. Höher als der Intellekt ist der kosmische Intellekt, höher als dieser ist Avyakta, das Unmanifestierte.

372. Jenseits von Avyakta ist der Purusha, der Alldurchdringende, jenseits eines Sinnbildes. Wer Ihn erkennt, erlangt Befreiung und Unsterblichkeit.

373. Die Sinne sind von Atman verschieden, Er kann von den Sinnen im Außen nicht erfasst werden, denn Er ist das Innerste aller Dinge.

374. Das Wissen über diese Abstufung ist notwendig, um Unsterblichkeit und letztendliche Befreiung zu erlangen.

375. Zum Zeitpunkt von Pralaya geht die Welt in Avyakta ein. Jenseits von Avyakta ist der alldurchdringende Purusha.

376. Das Symbol, das durch die Sinne erkannt und verstanden werden kann, wird Linga genannt. Kein Linga zu haben ist Alinga.

377. Wer von Ihm durch den Lehrer, durch die Shastras und durch Intuition erfahren hat, der erreicht Unsterblichkeit und letztendliche Befreiung. Er ist von den Knoten des Herzens wie Wunsch, Unwissenheit und Handlung befreit.

378. Seine Gestalt kann nicht gesehen werden. Niemand sieht Ihn mit seinen physischen Augen. Er enthüllt sich dem Aspiranten durch Kontrolle des Geistes und tiefe Meditation. Die Brahman erkennen, erlangen Unsterblichkeit.

379. Der Atman kann nicht durch das physische Auge gesehen werden, denn Er ist feinstofflich, jenseits der Wahrnehmung von Geist und Sinnen.

Schriften und Guru

380. Wer durch reinen Intellekt den im Herzen Weilenden erkennt, erlangt Unsterblichkeit.

381. Wenn die fünf Sinnesorgane zusammen mit Geist und Intellekt ruhen, ist der höchste Zustand erreicht.

382. Der Mensch erfährt das Wissen der Welt durch die fünf Wahrnehmungsorgane.

383. Die Sinne sammeln die Erfahrungen aus der Welt und präsentieren sie dem Atman durch Geist und Intellekt.

384. Wenn die fünf Wahrnehmungsorgane vom Außen zurückgezogen werden und in den Geist eingehen, wenn der Geist auf den Atman gerichtet ist, wenn der Intellekt zur Ruhe gekommen ist, dann ist der höchste Bewusstseinszustand erreicht.

385. Wenn Sinne und Intellekt zur Ruhe gekommen sind, die Emotionen unter Kontrolle, dann ist der höchste Bewusstseinszustand erreicht. Das wird Yoga genannt.

386. Yoga ist der erhabenste Weg, denn er führt zu Moksha.

387. Die Kontrolle der Sinne nennen sie Yoga. Sei vorsichtig, denn Yoga wird erlangt und verloren.

388. Die Sinne sind zurückgezogen und der Geist ist durch stetige Konzentration und Meditation auf Atman fixiert.

389. Der Yogi sei wachsam, denn Yoga kommt und geht.

390. Yoga kommt. Und geht, wenn der Geist nicht ruhig ist, wenn die Sinne nicht unter Kontrolle sind, wenn Leidenschaftslosigkeit nachlässt, wenn Unlust bei der Meditation aufkommt.

391. Vollkommene Wachsamkeit ist nötig, wenn man mit der Yoga Praxis beginnt.

Die zwei Augen eines Sadhaka

392. Der Atman kann durch Sprache nicht beschrieben, durch den Geist nicht erfasst und durch das Auge nicht erkannt werden.

393. Weder Darlegungen noch metaphysisches Denken helfen dem Aspiranten, Brahman zu erkennen.

394. Maharshi Vyasa und Shri Shankara lehrten durch Beweis und Logik. Ihre Doktrin basiert hauptsächlich auf Shabda Pramana (Zeugnis der Veden), das so gut wie unfehlbar ist.

395. Vertraue den Worten der Shrutis und den Sehern, die Atman durch Intuition erkannt und versichert haben, dass Atman ist.

396. Shabda Pramana, die Shrutis, Apta Vakya, die Worte der Seher, sind von äußerster Wichtigkeit.

397. So du Atman erkennen willst, habe Vertrauen in die Worte des Gurus, der das Selbst erkannt hat, und folge seinen Anweisungen.

398. Der Atman muss von einem Guru erkannt worden sein, der weiß, dass Atman ist.

399. Wenn der Atman durch die Sinne nicht wahrgenommen werden kann, wie kann Er dann wahrgenommen werden? Nur durch die Belehrungen eines Gurus, der weiß, dass Er ist.

400. Ihr müsst wissen, dass Es ist und was Es ist. Wer so weiß, erkennt Sein wahres Wesen.

401. Dem, der auf Brahman meditiert und sich mit den vier Absichten (siehe Vers 36) ausstattet, dem enthüllt Sich Brahman.

Entsagung: die Voraussetzungen

402. Wenn Wunschlosigkeit erlangt ist, erlangt der Sterbliche Unsterblichkeit und erkennt Brahman.

403. Die Voraussetzung für Unsterblichkeit ist Entsagung aller Wünsche und Anhaftungen.

404. Die weltlichen Wünsche werden nur überwunden, wenn die Fesseln der Unwissenheit zerschnitten sind.

405. Der Geist ist der Sitz des Wunsches. In Atman ist kein Wunsch, Er ist rein und makellos.

406. Wünschen ist die Ursache für Leid und Bindung.

407. Wenn durch Erkenntnis des Selbst Wunschlosigkeit erlangt ist, erlangt der Sterbliche Unsterblichkeit. Er wird Brahman noch während er in diesem Körper weilt. Er ist von den Fesseln des Karma befreit.

408. Wenn alle Knoten des Herzen hier auf Erden gelöst werden, erlangt der Sterbliche Unsterblichkeit.

409. Unwissen, Wunsch und Handlung sind die drei großen Knoten. Egoismus, Hass, Lust, Eifersucht und Stolz entstanden aus Unwissenheit, sind kleine Knoten.

410. Weitere Knoten sind die Vorstellungen ‚Ich bin dieser Körper‘, ‚Das ist mein Besitz‘, ‚Ich bin ein Brahmane‘, ‚Ich bin ein Minister‘.

411. Sie werden durch die Erkenntnis der Einheit mit Brahman ‚Ich bin Brahman‘ vernichtet.

Das menschliche Energiesystem: Nadis, Chakren, Marmapunkte

Wissen über die Nadis

412. Einhundertundein Nervenkanäle (Nadis) sind bekannt. Einer von ihnen, Sushumna, durchdringt die Krone des Kopfes. Eine energetische Aufwärtsbewegung entlang der Sushumna zum Zeitpunkt des Todes lässt Unsterblichkeit erlangen. Die anderen Nervenkanäle haben andere Wirkungen.

413. Der Jivanmukta, der das Selbst erkannt hat, geht nirgendwohin. Seine Pranas gehen nirgendwohin. Brahman seiend erreicht er Brahman. Er erlangt Kaivalya Mukti]].

414. Wer Kaivalya Mukti nicht erlangt hat, wer das höchste Brahman nicht erkannt hat, jedoch das niedere Brahman (Saguna Brahman) verehrt hat, geht durch den Sushumna Nadi zur Sonne und dann durch weitere Bereiche nach Brahmaloka, wo er bis zum Ende des Schöpfungszyklus‘ weilt. In Brahmaloka genießt er unvergleichliche Freuden. Wenn der Zyklus endet, geht er mit Brahma in Brahman ein. Das ist Krama Mukti (allmähliche Befreiung).

415. Die anderen Nadis haben andere Auswirkungen. Sie führen zum Zeitpunkt des Todes auf verschiedene Wege. Wenn die Seele durch diese Nerven geht, wird sie wieder in Samsara geboren. Sie nimmt einen ihrem Karma entsprechenden Körper an.

416. Der Sushumna Nadi wird auch Brahma Nadi genannt.

417. Der daumengroße Purusha, das innere Selbst, weilt im Herzen aller Wesen. Man muss Ihn mit Stetigkeit aus dem Körper herausziehen, so wie man einen Halm aus der Erde herauszieht. Man sollte Ihn als rein und unsterblich erkennen. 418. Du musst die Essenz, das heißt den Atman, aus den fünf Koshas (Hüllen) herausziehen, geduldig und mutig durch Vichara und Meditation. Du musst den Atman vom Körper trennen.

419. Als Nachiketas das ihn durch Yama Gelehrte verinnerlicht hatte, erreichte er Brahman, wurde frei von allen Unreinheiten und vom Tod. So wird es allen ergehen, die das Wesen Brahmans erkannt haben.

Die Kathaka Upanishad des schwarzen Yajurveda - Erläuterungen nach Paul Deussen

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 335 - 341.

Die Kathas bilden eine Schule des schwarzen Yajurveda und besitzen ein umfangreiches, zur Zeit noch nicht publiziertes, Brahmanawerk, das Kathakam, in fünf Granthas, deren aus Mantras und Brahmanas gemischter Inhalt im allgemeinen dem der Taittiriya-Samhita (oben S. 212) parallel läuft und nach Webers Mitteilungen darüber (Berl. Handschr. I, 38. Ind. Stud. III, 451f. Literaturgesch., 2. Aufl., S. 98f.) der Hauptsache nach folgender ist:

I. 1-4 Mantras zum Neu- und Vollmondsopfer und Agnishtoma. 5 Mantras für den Yajamana. 6-15 Mantras und Brahmanas gemischt; 6-9:

Agnihotram, Agnyadhanam, Punaradheyam, Agnyupasthanam; - 10-13: Kamyaishtayah, : Sautramani, Kamyah Pasavah; - 14-15: Vajapeya und Rajasuya.
16-18 Mantras zum Agnicayanam.

II. 19-22 Brahmanas zu 16-18. 23-30 Brahmanas zu 2-4 und 1.

III. 31-32 Brahmanas zu 1 (Fortsetzung) und 5.

33-37 Vorwiegend Brahmana's: Sattras, Prayascittis, Caturmasyani u. a.

IV. Die dem Hotar zu singenden Verse aus I-III nochmals zusammengestellt.

V. Mantras zum Asvamedha.

Außer diesem Hauptwerke sind noch acht kürzere Abschnitte vorhanden, welche sich auf fünf besondere Arten der Feuerschichtung (als Savitra, Naciketa, Caturhotra, Vaisvasrija und Aruna Agni) und einiges andere beziehen. Diese acht Abschnitte, welche nach dem übereinstimmenden Zeugnis des Kandanukrama der Atreyi Sakha (Ind. Stud. III, 376) und des Sayana (zu Taitt. Ar. p. 2) ursprünglich den Kathas angehören, finden sich bei diesen nicht mehr, haben aber Aufnahme gefunden in Taitt. Br. 3,10-12. Taitt. Ar. 1-2 (vgl. oben S. 213) und geben sich, wie Weber (Literaturgesch., 2. Aufl., S. 102) bemerkt, schon durch die äußere Form als anderswoher entlehnt zu erkennen.

Der zweite dieser acht Kathaka-Abschnitte, Taitt. Br. 3,11, behandelt die Schichtung eines "Naciketa" genannten Feuers, eine Zeremonie, welche dem, der sie vollbringt und dabei die Bedeutung dieses Feuers kennt (Yo 'gnim Naciketam Cinute, Ya'u Ca Evam Veda), die Erlangung der "unendlichen, uferlosen, unvergänglichen Welt", welche jenseits der Sonne liegt, sichert. In Zusammenhang mit diesem Ritus wird Taitt. Br. 3,11,8 die Legende von dem Knaben Naciketas erzählt, welcher, von seinem Vater bei Gelegenheit eines Opfers verwünscht, in das Haus des Todes (Mrityor Grihan) hinüberwandern (nicht sterben) muß und von dem Todesgott die Gewährung dreier Wünsche erhält, als welche er

1) Rückkehr zu seinem Vater,
2) Nichtversiegung (Na Kshiti, Wortspiel mit Naciketa) der guten Werke (Nichtlässigwerden in denselben das ganze Leben durch), und
3) Nichtbesiegung (Na Jiti, Wortspiel mit Naciketa) durch den Wiedertod erwählt.

(Eine unbestimmte Befürchtung, nach dem leiblichen Sterben, im Jenseits nochmals den Tod erleiden zu müssen, findet sich oftmals in den Brahmanas ausgesprochen.) Als Mittel zur Erreichung des zweiten und auch des dritten Wunsches lehrt der Tod dem Jünglinge Naciketas die Schichtung des Naciketa genannten Feuers.

Taittiriya Brahmanam 3,11,8: "Willig gab einstmals Vajasravasa [bei einem Opfer] seine ganze Habe dahin. Ihm war ein Sohn mit Namen Naciketas. Den, obgleich er erst ein Knabe war, überkam, als die Opferlohnkühe [zur Verteilung an die Brahmanen] hergetrieben wurden, der Glaube [an die Wirksamkeit des Allhabeopfers], und er sprach [um dasselbe vollständig zu machen]: "Mein Vater, wem wirst du mich geben?" so sprach er [in ihn dringend] zum zweitenmal und drittenmal. Ihm antwortete [von Zorn, über diese Unterschätzung seiner Opfergaben] ergriffen der Vater: "Dem Tode gebe ich dich." - Zu diesem, nachdem er [vom Opfer] aufgestanden, spricht eine Stimme: "Gautama! Den Knaben!" - Da sprach er: "Gehe hin zu den Wohnstätten des Todes, denn dem Tode habe ich dich gegeben. Er wird aber, wenn du zu ihm kommst, verreist sein", fuhr er fort, "und dann sollst du drei Nächte, ohne zu essen, in seinem Hause weilen. Wenn er dich dann fragt: 'Knabe, wie viele Nächte hast du geweilt?' so sollst du antworten: ,drei`. Fragt er, was du die erste Nacht gegessen? so antworte ihm: ,deine Nachkommenschaft`; was die zweite? ,deine Herden`; was die dritte? ,dein gutes Werk`." - Als er nun zu ihm kam, war der Tod verreist; er aber weilte drei Nächte, ohne zu essen, in seinem Haus. Da traf ihn der Tod an und fragte: "Knabe, wie viele Nächte hast du geweilt?" - Er antwortete: "Drei!" - "Was hast du die erste Nacht gegessen?" - "Deine Nachkommenschaft", sprach er. - "Was die zweite?" - "Deine Herden." - "Was die dritte?" - "Dein gutes Werk." - Da sprach der Tod: "Verehrung sei dir, ehrwürdiger [Brahmane]! Wähle ein Geschenk!" - "So laß mich lebend zum Vater wiederkommen!" - "Wähle noch ein Geschenk!" - Er sprach: "So lehre mich die Nichtversiegung der Opfer und frommen Werke!" Da lehrte er ihm jenes Feuer Naciketa; dadurch kommen seine Opfer und frommen Werke nicht zum Versiegen (Na Akshiyete). Dessen Opfer und fromme Werke versiegen nicht, der das Feuer Naciketa schichtet und auch dessen, welcher es also [als Mittel der Nichtversiegung] weiß. - "Wähle noch ein drittes Geschenk!" - Da sprach er: "So lehre mich die Abwehr des Wiedersterbens!" - Da lehrte er ihm jenes Feuer Naciketa; damit, fürwahr, wehrte er das Wiedersterben ab. Der wehrt das Wiedersterben ab, der das Feuer Naciketa schichtet, und auch der, welcher es also [als Mittel des Nichtwiedersterbens] weiß."

An diese Erzählung, wahrscheinlich schon ganz in der Form, in der sie uns vorliegt[1], knüpft die Kathaka Upanishad an; und wenn sie die ersten Sätze der Erzählung wörtlich nach dem Brahmanam wiederholt, so liegt hierin wohl ein absichtlicher Hinweis auf dasselbe und eine Aufforderung an den Leser oder Hörer, den weiteren Gang der Erzählung, den die Upanishad nur in den flüchtigsten Umrissen andeutet, sich aus der als bekannt vorausgesetzten Brahmanastelle zu vergegenwärtigen. Diese Anknüpfung an einen Text der Kathas ist aber vielleicht auch der einzige Rechtstitel, durch den die Kathaka Upanishad ihren Namen führt. Denn daß sie in der vorliegenden Form, ähnlich wie die alten Prosa-Upanishaden Aitareya, Kaushitaki, Chandogya, Taittiriya, Brihadaranyaka, als eine Sammlung der Spekulationen einer alten Vedaschule über Gott und Seele, — daß sie als die ursprüngliche Upanishad derjenigen Sakha, welche das Kathakam hervorgebracht hat, angesehen werden könnte, daran ist jedenfalls nicht zu denken. Im Gegensatze zu den genannten fünf Upanishaden mit ihrem unbeholfenen Brahmanastil und ihren allegorischen Ausdeutungen des Rituals, gehört die Kathaka Upanishad einem viel fortgeschritteneren Zeitalter an, einer Zeit, in der man anfing, das Gold der Upanishadgedanken in einzelnen metrischen Sinnsprüchen auszuprägen und diese zu einem mehr oder weniger losen Zusammenhang aneinanderzureihen. Sammlungen solcher Sinnsprüche sind namentlich Kena 1-13, Isa, die eingelegten Verse Brih. 4,4,8-21, Mundaka, Maha Narayana 1.10.11, Svetasvatara, und so auch die Kathaka Upanishad, welche im ganzen und großen mit jenen auf einer Stufe steht and demselben Zeitalter angehört; daher so vielfach dieselben Sprüche in den verschiedenen Sammlungen wiederkehren. In allen diesen Werken erscheint der Upanishadgedanke nicht mehr in suchender, tastender Form wie in den früheren Upanishaden, sondern von vornherein schon in vollständiger Reife, ja, schon Überreife; das häufige Predigen über den Atman hat eine Phraseologie erzeugt, vermöge deren gewisse stehende Floskeln immer wiederkehren (vgl. z. B. Kath. 4,3 und 5,4; 4,9 und 5,8; 5,9. 10 und 11; 5,12 und 13) und mitunter auch da verwendet werden, wo sie nicht am Platze sind, wie denn namentlich Kath. 1 das Feuer Naciketa mit Ausdrucken gepriesen wird, die nicht bei ihm, sondern nur bei der Atmanlehre berechtigt sind.

Dem Inhalt nach zerfällt die Kathaka Upanishad in zwei wohlgeschiedene Teile, den ersten Adhyaya (Valli 1-3), welcher die ursprüngliche Upanishad umfaßt[2], und den zweiten Adhyaya (Valli 4-6), welcher ein derselben später aufgesetztes Stockwerk ist. Als Beweis für die Posteriorität von Valli 4-6 wollen wir nur anführen, daß die Schilderung des Yoga 6,6-13 verglichen mit der 3,10-13, so sehr beide zusammenstimmen, doch bedeutend entwickelter erscheint, und daß die Lehre von der Nichtigkeit der vielheitlichen Welt im zweiten Adhyaya 4,10-11 mit einer Schärfe ausgesprochen wird, welcher der erste Adhyaya nichts Ähnliches an die Seite zu stellen hat; wie denn auch aus den Bildern 5,9-11 uns der Geist einer späteren, schon über schwierige Punkte der Vedantalehre reflektierenden Zeit anweht. (Vgl. auch Weber, Ind. Stud. II, 198f)

Der erste Adhyaya, wenn auch wohl schwerlich frei von späteren Einschiebungen, hält doch im ganzen einen wohlgeordneten Gang inne. Die erste Valli enthält die einleitende Erzählung, die zweite behandelt den Atman nach seinem ansichseienden Wesen (Metaphysik), die dritte die Verkörperung desselben in der Leiblichkeit und die Rückkehr aus ihr auf dem Wege der Moralität und zuhöchst des Yoga (Psychologie, Ethik und Mystik).

Weniger geordnet, doch im allgemeinen dem ersten Teile analog gehalten, ist in seinem Gedankengange der zweite Adhyaya. Die vierte Valli behandelt vorwiegend den Atman als das Subjekt des Erkennens, die fünfte bis 6,5 betrachtet unter mancherlei Abschweifungen die Erscheinung des Atman in der Welt und speziell im Menschen, und zum Schluß 6,6 f. wird wieder der Yoga als der Weg zum höchsten Ziel gelehrt, woran sich 6,14-18 nachträgliche Betrachtungen schließen. Besonders auffallend ist in diesem Adhyaya das zwölfmal hinter den Versen (4,3. 5. 6. 7. 8. 9. 12. 13. 5,1. 4. 8. 6,1) in Prosa angefügte, feierliche: Etad Vai Tad. Dasselbe kann weder mit dem üblichen "Darüber ist dieser Vers" auf eine Stufe gestellt werden (Weber), noch auch bedeuten: "Dieses ist das, wonach du gefragt hast" (M. Müller), vielmehr liegt der Schlüssel in 5,14, woselbst das Bewußtsein "Tad Etad" als unbeschreibliche höchste Lust bezeichnet wird. Eine solche kann nur in dem Bewußtsein der Einheit der Seele mit Brahman bestehen, und somit werden wir auch die Formel Etad Vai Tad zu interpretieren haben: "wahrlich, dieses (wovon vorher gesprochen) ist jenes (Brahman)". (Vgl. auch Brih. 5,4.) Wir haben also in Etad Vai Tad ein Analogon und vielleicht eine Nachbildung des Chand. 6 neunmal wiederholten Tat Tvam Asi, und es liegt nur in der Natur solcher feierlichen Versicherungsformeln, wenn sie, an beiden Stellen, mitunter auch da durchbrechen, wo sie weniger am Platz zu sein scheinen.

Von großem Interesse für die Vorgeschichte des Samkhya- und Yogasystems ist, wie in weiterem Sinne die ganze Upanishad, so namentlich die 3,10-13 und, im wesentlichen übereinstimmend, 6,7-11 entwickelte Stufenfolge des psychischen Organismus:

Purushah (entspr. Atma)
Avyaktam (entspr.Santa Atma)
Mahan Atma
Buddhih(entspr. Jnana, Atma entspr. Sattvam)
Manas
Arthah und Indriyani;

beim Yoga wird das jedesmal niedere Vermögen in dem jedesmal höheren "gehemmt", bis alle unteren Vermögen im Avyaktam (aus dem sie nach Samkhya-Anschauung entsprungen sind) zur Ruhe kommen, und der Atman von ihnen allen isoliert - wie der Halm aus dem Schilf aus ihnen herausgezogen, 6,17 - und dadurch der Erlösung teilhaftig wird.

Der hierbei unbewußt sich durchziehende Widerspruch, daß der Atman alles in allem ist und doch wiederum als Purusha in schärfstem Gegensatz gegen das Avyaktam und alles ihm Untergeordnete steht, ist der Keim des Widerspruches zwischen dem späteren System des Vedanta und dem des Samkhya-Yoga.

Fußnoten

  1. Nach der ganzen Anlage der Erzählung muß in den drei Wünschen, und so auch in ihrer Gewährung, eine Steigerung erwartet werden, welche in dem Brahmanatexte, auch bei möglichst entgegenkommender Interpretation, wie wir sie oben versucht haben, doch noch vermißt wird. Aus diesem Grunde haben wir (Gesch. d. Phil. I, 177) die Vermutung aufgestellt, daß die Erzählung schon ursprünglich eine philosophische Spitze gehabt habe, welche vom Brahmanam abgebrochen und durch die nochmalige Einschiebung des Naciketafeuers ersetzt worden sei. Freilich könnte man aus der Benennung dieses Feuers nach dem Namen des Jünglings schließen, daß das Feuer Naciketa die wichtigste Errungenschaft sein muß, die sich an den Namen des Naciketas knüpft. Es bleibt aber noch die Frage, ob überhaupt beide Benennungen ursprünglich miteinander zusammenhängen (von Naciketas sollte man doch die Ableitung Naciketasa erwarten), und ob es nicht der zufällige Gleichklang war, welcher zu einer Kontaminierung der dem Feuer als dem "nichtunglänzenden" (wenn man etwa Nasatya vergleichen darf) gewidmeten Schichtung mit der philosophischen Legende von "dem tumben (Na Ciketas) Menschen" führte, welchem der Gott, und, sehr passend, gerade der Gott des Todes die höchsten Aufschlüsse über die Geheimnisse des Daseins erteilt. (Vgl. die Anm. zu 1,19.)
  2. Daß die Upanishad ursprünglich mit 3,16-17 abschloß, bedarf keines Beweises, sondern nur eines Hinblickes auf diese Stelle und hätte von M. Müller (Upanishaden II p XXIII) nicht wieder bezweifelt werden sollen.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Indische Schriften

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Jnana Yoga, Philosophie

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Jnana Yoga und Vedanta Einführung

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Vom Begrenzten zum Unendlichen - Geschichten aus den Upanishaden

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111 Geschichten aus den Upanishaden

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