Erwachen

Aus Yogawiki

Das Erwachen bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch die Phase, die die Phase des Schlafs beendet. Das Wort Buddha leitet sich vom Sanscrit budh, 'zum Bewusstsein gelangen', 'erwachen', ab, und bezeichnet im Buddhismus ein Wesen, das die Erleuchtung (bodhi) und insbesondere deren höchsten Grad (Samyaksambodhi) erreicht hat.

Ein schöner Tag

Videos zum Thema Erwachen

Was heißt Erwachen?

Erwachen, was heißt das? Was heißt insbesondere spirituelles Erwachen? Jeden Morgen wachst du aus dem Schlaf auch. Es gilt auch, aus dem spirituellen Schlaf aufzuwachen. Und wie kannst du spirituell erwachen? Wo erkennst du spirituelles Erwachen? Und was gilt es zu tun Komma um systematisch auf dem spirituellen Weg Fortschritte zu machen? Darum geht es in diesem Vortrag von und mit Sukadev, freie Übersetzung eines Vortrags von Swami Chidananda.


Inneres Erwachen und spirituelle Praxis

Es ist nicht ausreichend, ein Inneres Erwachen zu erfahren. Es reicht auch nicht aus, spirituelle Erfahrungen zu haben. Vielmehr muss Inneres erwachen gefolgt sein durch Spirituelle Praxis. Erst die regelmäßige spirituelle Übung macht aus einer Erweckungserfahrung eine Grundlage für wirkliche Erleuchtung. Spirituelles Erwachen sollte gefolgt werden durch spirituelle Praxis - so lautet die These des folgenden Video Vortrags von und mit Sukadev, inspiriert durch die Lektüre eines Buches von Swami Chidananda:

Erwachen und bewusste spirituelle Praxis

Hier ein weiteres Video zum Thema Erwachen und bewusste spirituelle Praxis:

Der Yoga des Erwachens und der Entwicklung

Baum aus Yoga Sicht

- Ein Artikel aus dem Yoga Vidya Journal Nr. 40 Frühjahr 2020 von Swami Bodhichitananda übersetzt von Solveig Meister -

aufwachen, aufwachsen, aufräumen, „auftauchen“ (in Erscheinung treten) - wake up, grow up, clean up, show up - ist ein ganzheitlicher Ansatz, um die verschiedenen Bereiche menschlichen Wachstums zu verstehen.

Für eine harmonische geistige Entwicklung müssen all diese Bereiche gleichsam berücksichtigt werden. Obwohl wir sie hier in gewisser Weise einzeln nacheinander behandeln, müssen sie doch alle zusammen laufen, um ein einseitiges Wachstum oder die Vernachlässigung von Teilen unserer Psyche zu vermeiden, während wir auf dem Pfad des Yogas voranschreiten und spirituell wachsen.

Wake up - Aufwachen

Aufwachen ist die Fähigkeit zur Transzendenz des eigenen Selbst, der Bewegung hin zu einem Zustand jenseits einer aus der Enge geprägten, narzisstischen Selbstverstrickung, einer beschränkten oder vom Ego gelenkten Persona, die sich mit unserem Körper und Geist identifiziert, hinein in die direkte nicht-duale Erfahrung des Absoluten, der Göttlichen Realität, Gottes oder des Höheren Selbst. In diesem Seinszustand verstehen wir das als ein auftauchendes Prinzip der Realität, das mit dem Urgrund des Seins und der Ganzheit an sich verbunden ist. Wir werden uns unserer Verwurzelung im Urgrund allen Seins vollständig gewahr und agieren unser relatives Selbst aus diesem Gefühl der Ganzheit des Seins oder des Transzendenten Selbst heraus aus. Das Erwachen kann mit verschieden tief gehenden Erfahrungen einhergehen, dementsprechend mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Gefühl von Freiheit, glückseliger Freude, Fülle des Seins und so weiter. Das Erwachen ist nicht nur ein Zustand zeitlich vorübergehender Erfahrung, sondern kann durch regelmäßiges Sadhana oder der täglichen Praxis von Swami Sivanandas Integralem Yoga trainiert und so als dauerhafte Erfahrung etabliert werden. Das Aufwachen muss also nicht nur ein Gipfelerlebnis bleiben, sondern kann, wenn die Fähigkeit der Stabilisierung jener Erfahrung durch Übung vertieft wird, zur beständigen, dauerhaften Sicht der Realität werden, einem ständigen Wissen und Verwirklichen des Selbst als nichts anderem als eins zu sein mit der nicht- dualen Realität oder Brahman, als Satchidananda (Sein, Bewusstsein, Glückseligkeit).

In einer der Traditionen der amerikanischen Ureinwohner wird von klein auf den Kindern gelehrt, Gegenstände nicht nur als Berg, Hund, Person und so weiter zu identifizieren, sondern als der Eine Geist, der sich als Berg, Hund, Person und so weiter manifestiert. Auf diese Weise lehren und lernen sie von klein auf die Ganzheit und Verbundenheit primär in ihrer ursprünglichen wörtlichen Bedeutung und deren Seinszustand (Ontologie) kennen, und sekundär den jeweiligen einzigartigen Ausdruck als Objektivierung wahrzunehmen. Die Ganzheit oder Einheit wird als die primäre Wahrnehmung gelehrt und die Dualität als Ausdruck oder Manifestation des Einen Geistes. Dieses Prinzip des Erwachens kann in unsere Sprache und Kultur eingebaut werden, als eine Weltanschauung von klein auf.

Grow up - Aufwachsen

Aufwachsen bezieht sich auf die psychologische Entwicklung durch die verschiedenen, dem menschlichen System inhärenten, Entwicklungsstufen menschlichen Wachstums, zunächst beginnend mit der Entwicklung vom Säuglings- bis hin zum Erwachsenenalter, und später durch die verschiedenen Weltanschauungen oder Sichtweisen und die verschiedenen Stränge der darin enthaltenen Intelligenz, wie die kognitive, emotionale, zwischenmenschliche, moralische Intelligenz und so weiter. Bis vor kurzem glaubte man in spirituellen Traditionen, dass das Aufwachen nicht nur eine freudige Erfahrung unseres eigenen Selbst sei, sondern auch all unsere persönlichen weltlichen Probleme löse. Die direkte nicht-duale Erfahrung des Selbst oder des Absoluten kann aus jeder Weltsicht heraus oder auf jeder Entwicklungsstufe des persönlichen Egos passieren; sie wird dann dementsprechend erfahren und interpretiert. Schamanen, die mit dem Stammesbewusstsein auf die Welt schauen, erfahren oft Zustände nicht dualen Gewahrseins, und führen eventuell dann ihren Stamm in einen Krieg mit benachbarten Stämmen, töten andere. Heilige innerhalb traditioneller Religionen zeigen oft stark ethnozentrische Ansichten, sehen diejenigen der eigenen Religion als „uns“ und die einer anderen Religion als „andere“, nicht wert desselben Mitgefühls und derselben Rücksichtnahme. Mit ansteigender Komplexität in der Welt und dem Rückgang geographischer Barrieren zu Gunsten einer globaleren Gemeinschaft ist es uns möglich, ein viel nuancierteres Verständnis unserer Umwelt aufzunehmen und zu verstoffwechseln, das von einem ganz egozentrischen Bewusstsein über das Bewusstsein der Großfamilie, der Gemeinschaft oder dem Stammesbewusstsein zu einem weltzentrischen, die ganze Menschheit einschließenden Bewusstsein und in eine kosmozentrische Weltsicht übergeht, die alle fühlenden Wesen einschließt.

Diese Fähigkeit, die innere Sichtweise des anderen wahrzunehmen, erweitert sich ständig. Wir entwickeln immer mehr Aufgeschlossenheit, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl.

Clean up - Aufräumen

Aufräumen beschreibt im Wesentlichen die Schattenarbeit, die sich mit all den unterdrückten Elementen in unserem Unterbewusstsein befasst: Mittels lichtvollem Gewahrsein geht es darum, Licht in die Schatten des Halbbewussten und ins tiefe instinktbasierte und geprägte Unbewusste unseres tierischen Geistes zu bringen und fragmentierte Aspekte unseres eigenen Selbst zurückzufordern und wieder zu integrieren.

Yoga, die großen Religionen und spirituelle Ansätze konzentrieren sich in erster Linie auf das Erwachen, die Transzendenz oder die Befreiung von dieser weltlichen Welt der Vergänglichkeit. Sie sind als solche im Allgemeinen nicht gut gerüstet, um die psychologische Entwicklung des Individuums durch die ihm innewohnenden Wachstumsstadien zu verstehen, vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter, von der ursprünglichen Vereinigung von Subjekt und Objekt im Kindesalter über die Trennung zwischen dem sich entwickelnden Ego und der objektiven Welt von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter bis zur Wiedervereinigung von Subjekt, „Ich“, und der objektiven Welt, wenn das eingeengte Egobasierte-Selbst beginnt, sich spirituell in Richtung der Freiheit des Selbst auszudehnen.

Indem der Fokus in erster Linie auf der Transzendenz liegt, womit ein unzureichendes Verständnis für die Entwicklung des gesunden individuellen Selbstgefühls, eines gesunden Egos, einhergeht, kann es dazu kommen, dass im Yoga und in den anderen großen spirituellen Traditionen Aspekte unserer Psyche oder unseres Ego-Selbst durch traumatische Ereignisse oder religiöse Unterdrückung fragmentiert und unterdrückt werden. Dadurch entstehen unterbewusste Schatten, die auch einen Teil unserer Prana- oder Lebensenergie abziehen und unter für sie günstigen Bedingungen ins Bewusstsein aufsteigen und ungesunde Verhaltensweisen auslösen. Die meisten spirituellen Traditionen betonen die Konzentration auf reines, undifferenziertes Gewahrsein oder Bewusstsein in der Meditation und vermeiden im Allgemeinen jedweden Fokus auf den Geist selbst und auf Themen, die aus dem Unbewussten ins Bewusstsein aufsteigen können.

Infolgedessen verbleiben viele Schatten im Unbewussten, werden nicht in angemessener Weise behandelt und im Allgemeinen verdrängt, anstatt sie als eine Stimme aus dem tiefsten Inneren mit wirklichen Themen, mit denen es sich auf gesunde Weise auseinanderzusetzen gilt, zu verstehen. In den Religionen werden diese als „Sünde“ oder im Yoga bestenfalls als geistige Verunreinigungen (kleshas) bezeichnet. Viele der unbewussten und im Unterbewusstsein liegenden Emotionen sind instinktive Emotionen, die grundlegenden Bausteine des tierischen Geistes und dementsprechend auch für die höhere Entwicklung des Geistes relevant.

Obwohl viele spirituelle Lehrer im Yoga und in anderen Traditionen in vielerlei Hinsicht hoch entwickelt sind, ist es oft so, dass der Fokus fast ausschließlich auf das nicht-duale Erwachen gerichtet ist und eine gesunde psychologische Entwicklung sowie die Heilung und Integration fragmentierter Aspekte unseres Selbst in das Unterbewusstsein vernachlässigt werden. Deshalb landen wir oft bei „Gurus und spirituellen Lehrern“, die für sich selbst nicht alles angeschaut und geklärt haben, und bei denen sich dann diese ungelösten Dinge unter gewissen Umständen in ihrem Verhalten zu manifestieren beginnen. Häufig sind spirituelle Lehrer bezüglich ihrer Schüler und Studierenden in Autoritätspositionen und so bleibt ihr Verhalten, das sie mit ihrer überzeugenden Präsenz gegebenenfalls rechtfertigen können, weitestgehend unkontrolliert. Ein solides Verständnis der Stufe psychologischen Wachstums, auf der das jeweilige Individuum steht, mit der starken Betonung spirituellen Erwachens und der Transzendenz des eigenen Selbst in Einklang zu bringen, ist die Herausforderung, vor dem der Yoga nach wie vor steht.

Um ein gesundes individuelles Wachstum zu unterstützen und jene Mängel, die regelmäßig Ursache von Fehlverhalten sind, und das Vertrauen und den Glauben in Yoga-Gemeinschaften zwischen den spirituellen Lehrern und Schülern schwächen, muss der Yoga möglicherweise durch Entwicklungspsychologie und Psychotherapie aus der westlichen Psychologie ergänzt werden.

In den Seminaren, die ich bei Yoga Vidya unterrichte, sowohl in Seminaren der „evolutionären Spiritualität & des Big Mind“ als auch in „Geheimnisse der Geisteskontrolle“, biete ich eine hervorragende erfahrungsorientierte Lehre an: „Big Mind, Big Heart“(großer Geist, großes Herz), in der ich die Schüler durch den Dialog mit vielen ihrer Ich-Personen führe, um ein Verständnis für diese Persönlichkeiten, ihre Funktionen und ihre Bedürfnisse zu entwickeln, um so ihr Vertrauen darin zu gewinnen, tiefer in subtilere Aspekte der Ich-Persönlichkeiten zu gehen, bis so schließlich das Nicht-Duale Selbst als vollständige Freiheit erfahren wird.

Dies ist nicht nur ein Weg, Freiheit von den Ich- Persönlichkeiten zu erlangen, sondern auch die direkte Erfahrung von Befreiung oder Selbst-Transzendenz innerhalb kurzer Zeit.

Show up -„Auftauchen“/in Erscheinung treten

Ohne gründliche Reinigung der unbewussten Schatten im Unbewussten oder ohne die Integration fragmentierter Aspekte des Selbst, die sich während des Heranwachsens von unserem gesunden bewussten Selbst abgespalten haben, können wir nicht vollständig, mit einem gesunden, integrierten Gefühl und Verständnis des Selbst in Erscheinung treten, wir können nicht vollständig als unser eigenes Selbst mit voller Freude und Vitalität präsent sein.

Wenn wir aber unser ganzes Wesen heilen und in das Licht der Freiheit integrieren, werden wir zur wahren Heilung für die Welt; mit unserem ganzen Wesen werden wir allen, denen wir begegnen, wahrhaft gegenwärtig. Dies ist die wahre und vollständige Verwirklichung des Ideals und Ziels des Yoga.

Swami Venkateshananda: Erwache!

Was sind die heiligen Schriften oder Texte? Wo liegt ihr Ursprung und für wen sind sie bestimmt? Diese Frage erscheint banal, aber sie ist sehr interessant, denn die Schriften begleiten uns seit Tausenden von Jahren, doch unser Leben ist unverändert, als ob es die Wahrheit gar nicht gäbe, als ob es nichts gäbe, woran wir uns halten könnten. Was geschieht mit den Schriften? Gewöhnlich schmücken sie unsere Bibliotheken, und kaum jemand wirft je einen Blick hinein.

Vielleicht ist euch aufgefallen, dass, wenn man jemanden bittet, aus der Bibel oder einem anderen Text zu lesen, er immer zu seinem Lieblingsabschnitt blättert und diesen vorträgt. Dieses Verhalten erinnert an das Tragen von Scheuklappen. Wir sehen nicht die ganze Wahrheit, daher haben die Schriften offenbar keinen sonderlich großen Einfluss auf uns.

Wir hören die Wahrheit so häufig, doch selbst dann, wenn sie von einem Weisen, einem Heiligen, einem Yogi oder einem Buddha verkündet wird, haben wir für diese Wahrheit nicht mehr als ein zustimmendes Nicken. Die folgende Erfahrung habe ich in Indien gemacht: Jemand hörte eine Rede und sagte bewundernd: “Oh, das war großartig, sehr inspirierend!” Es soll aber nicht inspirierend sein, es soll aufrütteln! Ich habe witzige Bemerkungen nach einer Rede gehört, mit der ein Yogi z.B. das Übel des Reichtums erläutert hatte, und der Großteil der Zuhörer waren wohlhabende Leute. Die Rede hat sie überhaupt nicht berührt!

Wie kann es sein, dass trotz dieser großartigen Weisen und ihrer Lehren keine Veränderung in unserem Leben stattgefunden hat? Wir sind immer noch auf dem gleichen Karussell gefangen. Der Grund dafür könnte sein, dass wir eine wesentliche Voraussetzung noch nicht erfüllt haben: Unser inneres Erwachen steht noch aus. Äußerlich scheinen wir ständig wach zu sein, in unserem Inneren jedoch schlafen wir fest. Wir kaufen uns dicke Bücher über verschiedene Schriften und benutzen sie als Kopfkissen in der Hoffnung, die Botschaft möge irgendwie aus dem Bettzeug in unsere Köpfe gelangen. Doch das wird nicht geschehen. Und wenn wir zu Vorträgen großer Menschen gehen, dann dringt der Sinn ihrer Worte nicht zu uns durch und oft schlafen wir auch physisch ein!

Was ist die erste und wichtigste Bedingung oder Qualifizierung dafür, ein wirklicher Anhänger, ein wirklicher Schüler zu sein, oder auch dafür, sich eine Schrift ernsthaft vorzunehmen? Eine sehr schöne Definition finden wir in der wundervollen Schrift mit dem Namen Yoga Vasishtha. Die wesentliche Voraussetzung ist ein klares Verständnis und die Erkenntnis: „Ich bin gefangen, und ich möchte aus meinem Gefängnis befreit werden.“ Wenn diese Erkenntnis nicht gegeben ist, dann haben Schriften und Lektüre keinerlei Wirkung auf uns. Wenn du den Gedanken hegst: „Ich bin gefangen, aber ich denke, ich kann einen Ausweg finden“, dann wird ebenfalls kein Erwachen stattfinden. „Ich bin gefangen“ bedeutet „Ich bin auf jeden Fall gefangen, ohne Erlösung, ohne Fluchtmöglichkeit.“

Wenden wir uns beispielsweise dem Problem der Einsamkeit und Langeweile zu. Was tun wir, um Langeweile und Einsamkeit zu überwinden? Wir versuchen, uns in etwas zu flüchten, das uns unsere Einsamkeit nur bestätigt. Wir suchen uns einen Freund (zu dem wir keine Bindung aufbauen können) und beginnen eine Beziehung. Nun haben wir gemeinsam Langeweile und sind zusammen einsam. Oder wir stellen den Kassettenrecorder oder Plattenspieler an, aber das nimmt uns nicht die Langeweile. Wir verstecken unsere Langeweile, unsere Einsamkeit, und versuchen, ihr zu entfliehen. Doch so gelangen wir nur in eine tiefere, gefährlichere, tödliche Falle. Wenn einem das nicht klar ist, kann kein inneres Erwachen stattfinden.

Können wir sehen, dass wir in der Falle sind, was auch immer wir tun? Alles, was unser Geist erschafft, ist eine Falle. Wenn das innere Erwachen kommt, dann werden wir von den Schriften und von unserer Lektüre profitieren - wenn wir nicht völlig beschränkt sind und nicht erleuchtet. Das sind die Voraussetzungen. Sehr beschränkte Menschen haben keine Probleme und erleuchtete ebenfalls nicht. Wir zwei, du und ich, sind die, die irgendwo dazwischen liegen und von Problemen heimgesucht werden.

Völlige Beschränktheit kann unterschiedliche Formen annehmen, doch eine typische Eigenschaft ist die Fähigkeit, wie ein intelligenter Mensch zu funktionieren. Diese Menschen scheuen davor zurück, die richtigen Fragen zu stellen und können alle falschen beantworten. Sie sind Philosophen, die einen intelligenten Eindruck erwecken können, ohne intelligent zu sein. Doch was sind die richtigen Fragen? Das ist der entscheidende Punkt. „Wohin ich auch schaue und wie immer ich es wende, ich bin gefangen. Von Tagesanbruch bis in die Nacht strebe ich nach Glück und finde nur Unglück.“ Die bloße Tatsache, dass wir nach Glück suchen, zeigt, dass wir unglücklich sind. Stelle dich dieser Tatsache. Was auch immer wir tun, um unser Glück zu fördern, zerstört es doch nur.

Und doch fahren auch intelligente Menschen mit ihrer Suche fort. Sie wünschen sich Frieden des Geistes und kämpfen dafür. Dieser Kampf lässt jedoch den Geist zerbrechen. Dann erhaschen sie ein kleines Stück und denken, sie seien im Frieden! Das ist der ganze Witz. Ist das intelligent? Warum spielen wir dieses Spiel weiter, obwohl wir doch die Abfolge unglücklicher Ereignisse begriffen haben?

Wenn feststeht, dass es unmöglich ist, Frieden und Glück zu erlangen, gib auf. Ist das möglich? Nein. Immer noch regt sich etwas in unserem Inneren: „Ich bin gefangen, es muss möglich sein, da raus zu kommen, ich will da raus!“ Wenn dieser doppelte Sog da ist, und du nicht völlig beschränkt oder erleuchtet bist, dann kannst du beim Studium der Schriften im Verständnis weiter vordringen. Und wenn die Schrift einmal für dich nicht aussagekräftig ist, kannst du sie dir von einem Lehrer erläutern lassen.

In der Katha Upanishad findest du einen sehr schönen Ausdruck: uttishthata jagrata – Erwache! Niemand anders kann dies für dich tun. Du kannst der Schüler von Gott dem Allmächtigen selbst sein, aber nicht einmal er kann dir das Erwachen abnehmen. Wenn du Hunger hast, musst du selbst essen. Der Guru wird nicht für dich essen. Er wird dir Anweisungen geben, doch sie umzusetzen ist dein Problem. Und erst wenn du erkennst, dass es dein Problem ist, erwachst du, dann kannst du dich wachen Sinnes mit dem Problem befassen.

Daher ist für einen Yoga-Praktizierenden die Erkenntnis immens wichtig, dass niemand verantwortlich ist für den Zustand, in dem er sich befindet. Niemand kann das spirituelle Erwachen in dir hervorrufen. Zwar kann dir jemand helfen, jeder kann dir helfen, doch tun musst du es selbst. Das Leben selbst bringt das spirituelle Erwachen mit sich, doch selbst für das durch unser Leben herbeigeführte Erwachen sind ein gewisses Maß an Gnade und eine gewisse innere Wachsamkeit notwendig.

Aufzuwachen ist einfach, aber wach zu bleiben ist schwer. Diejenigen unter euch, die schon einmal versucht haben, am frühen Morgen aufzustehen, um zu meditieren, werden dies nachvollziehen können. Du stellst dir den Wecker, er klingelt und Du wirst wach. Doch danach auch wach zu bleiben ist gar nicht so einfach. Der Geist schläft viel zu gern. Warum? Weil der Geist sich auf Unwissenheit gründet, liebt er den Schlaf und eine dicke psychologische Decke.

Deshalb wach auf! Es ist dein Problem und du bist verantwortlich, nicht dein Lehrer. Von nun an, sei immer wachsam. Wann immer ich den Begriff ‘wachsam’ verwende, werde ich an Buddhas berühmte Lehren erinnert. In manchen Texten steht, dass Buddha während einer seiner letzten Reden zu seinen Schülern sagte: „Lebt in dieser Welt so, als ob ihr in einem Raum lebtet, vor dessen Tür eine lebende Kobra liegt.“ Kannst du dir das vorstellen? Wenn du dich in einem einzigen kleinen Raum mit nur einer Tür und ohne Fenster befändest, ohne Fluchtmöglichkeit, und du fändest mitten in der Nacht eine Kobra vor deiner Tür – was würdest du tun? Würdest du schlafen? Würdest du auch nur einnicken? Wie wachsam wärest du dann! Solch eine Wachsamkeit sollte auch der Suchende an den Tag legen!

Wir können diese Wachsamkeit entwickeln, wenn wir verstehen, dass wir gefangen sind, und dass wir, was auch immer wir tun, um uns daraus zu befreien, in eine noch größere Falle gehen. Da unser Geist auf Unwissenheit beruht und nicht über sie hinauskommt, kann er nur Ruhelosigkeit erzeugen und unseren Frieden stören. Dann und wann kann er ein Glücksgefühl hervorbringen, doch das ist nur ein Zustand der Verwirrung. (Wenn du jemals 15 Sekunden lang wirkliches Glück verspürt hast, warum hast du es dann aufgegeben? Weil es überhaupt kein Glück war!) Wenn alles, was wir tun, scheiterte, würden wir gar nichts mehr tun. Auf diese Weise führt uns unser Geist von einem Unglück zum nächsten und vermittelt uns manchmal ein Gefühl der Freude. Das ist das Spiel, das der Geist mit uns spielt. Wenn du das zu verstehen beginnst, dann stellt sich Wachsamkeit ein.

Wenn du wach und aufmerksam bist, kannst du dann die Wahrheit des Lebens nicht erkennen? Durch was kann man die Wahrheit entdecken? Gedanken und Geist können nicht die Wahrheit entdecken, weil sie auf Unwissenheit beruhen. Was haben wir sonst noch? Hier ist der Fragende auch schon am Ende angelangt. Wir können uns hinsetzen und nachdenken, aber wir haben bereits festgestellt, dass Denken uns nicht weiter bringt. Wir sind wach, wir sind wachsam, aber nun wissen wir nicht, was wir noch tun können. Wohin können wir uns von hier aus wenden? Wir können zu einer erleuchteten Person gehen und erleuchtet werden. Es ist unsere Aufgabe, zu erwachen, unser Privileg. Erleuchtung ist mit der Hilfe eines Meisters möglich. (Andernfalls besteht die Gefahr, dass wir denken, wir seien erleuchtet, weil unser Geist uns dies vorgaukelt – noch eine Falle.) Das Gebot der Upanishaden ist also: „Uttishthata jagrata - Erwache, bleibe aufmerksam. Gehe zu den Erleuchteten und erlange die Erleuchtung.“

Es gibt eine kleine Geschichte ganz am Anfang der Yoga Vasishtha, die dies erläutert:

Vyasa, ein großer Weiser, hatte einen Sohn namens Suka. Von ihm heißt es, er sei im Moment seiner Geburt zu einem 16jährigen Jungen herangewachsen und fortgegangen. Der alte Weise Vyasa hatte den Jungen sehr gern und lief rufend hinter ihm her. Suka, der als Weiser geborene, antwortete seinem Vater nicht einmal. Der Junge ging seines Weges und die Bäume antworteten auf die Rufe seines Vaters.

Wie kam es dazu? Der Grund ist, dass der Junge sich mit dem gesamten Universum identifiziert hatte.

Dieser als Weise geborene wurde von seinem Vater, dem Weisen, in Atma Jnana (Selbsterkenntnis) unterwiesen. Der Junge hatte allein schon die heiligen Schriften studiert und während sein Vater ihm Verschiedenes erläuterte, dachte er: „Ich weiß das bereits.“ Daher sagte er zu seinem Vater: „Vater, worin besteht die Wahrheit unserer Existenz? Was ist die Wahrheit unseres Lebens? Ich fühle die kosmische Einheit und zugleich sind wir so viele.“ Der Vater sagte: „Ja, das scheint mir richtig und so steht es auch in den Schriften. Offenbar weist dein Verständnis in die gleiche Richtung.“

Es gibt einen Grundsatz, der besagt, dass man seinen Ehemann, seine Frau oder seine Kinder nicht erziehen kann - sie werden nicht zuhören. Dem alten Mann war dieses Problem bewusst und er sagte:“ Mein Sohn, dies ist alles, was ich weiß, aber das Wissen ist grenzenlos. Es wäre besser, wenn du ein erleuchtetes Wesen, einen erleuchteten Weisen, um Bestätigung deiner Erkenntnis bittest. Nur dann kann dieser kleine Schatten des Zweifels, der in deinem Geist aufgetaucht ist und um dessentwillen du mit deiner Frage zu mir gekommen bist, vollständig zerstreut werden. Wenn du höchste Erleuchtung erlangen willst, würde ich dir empfehlen, dich an den erleuchteten Herrscher Janaka zu wenden. Er wird dich weiter lehren und dir helfen, deine Erkenntnis zu bestätigen.“

Der Junge ging zum Palast Janakas, stand vor den Toren und ließ durch einen Boten ausrichten, dass Suka, der Sohn des Vyasa, den Segen des Herrschers erbitte. Janaka hörte dies, schickte jedoch weder Antwort noch Willkommensgruß. Vielmehr befahl er seinen Müllsammlern, allen Abfall über dem Kopf des Jungen auszukippen und ihn jeder Art von Demütigung zu unterziehen. Der Junge stand unbeweglich da. „Ich bin gekommen, weil ich von diesem Herrscher, der auch ein Weiser ist, lernen möchte, und das ist alles. Nichts anderes interessiert mich.“

Das nennt man Konzentration, Hingabe, Glaube, Begeisterung.

Eine Woche verging und der Herrscher ließ den Jungen in den Palast bringen. Man führte Tänze auf, Dramen, Musik und vieles mehr und badete ihn in Wasser, das mit duftenden Essenzen versetzt war. Doch wieder zeigte der Junge keine Regung. „Ich bin gekommen, um den Herrscher zu sehen und um atma jnana zu erlangen.“

Das nennt man Erwachen. Warum ist dieses Erwachen so wichtig? Weil es uns zeigt, dass alles, was der Geist erzeugt, zur Knechtschaft führt, ganz gleich, ob diese Knechtschaft Gutes oder Schlechtes bedeutet.

Schließlich, nach Ablauf der zweiten Woche, wurde Suka zum Herrscher geführt und der Herrscher sagte:“ Du strahlst wie ein erleuchtetes Wesen, das bereits das Wissen erlangt hat. Was soll ich dir sagen?“ Der junge Mann erwiderte: „Herr, mein Vater hat mir dies und jenes gesagt, und so habe ich gedacht, und dies stand in den Schriften…“ Der Herrscher antwortete: „Das ist korrekt! Ich sage genau das Gleiche. Und nun geh!“

Nach Sukas zweiwöchiger Qual bestätigte so der Erleuchtete das, was Suka selbst erkannt und was er von seinem Vater und aus den Schriften gelernt hatte. Was ein Erleuchteter sagt ist nicht das Produkt seines Denkens, und daher ist es akzeptabel. Das ist der Prozess der Erleuchtung, und wenn wir diese Methode anwenden, könnte unser Streben durchaus Früchte tragen.

Viveka Chudamani - Erwache

Jeder muss sich selbst befreien

- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 473 von Sukadev Bretz -

Ich will ihn nur lesen, ihn dreimal lesen, folge dem.

„Vertiefe auch du dich in diese Höchste Wirklichkeit, in die wahre Wesensnatur von atman, die reine Glückseligkeit ist! Befreie dich von allem Irrtum, den dein eigener Geist (manas) kreiert hat. Sei frei, erreiche das Ziel des Lebens, erwache!

Vertiefe auch du dich in diese Höchste Wirklichkeit, in die wahre Wesensnatur von atman, die reine Glückseligkeit ist! Befreie dich von allem Irrtum, den dein eigener Geist (manas) kreiert hat. Sei frei, erreiche das Ziel des Lebens, erwache!

Vertiefe auch du dich in diese Höchste Wirklichkeit, in die wahre Wesensnatur von atman, die reine Glückseligkeit ist! Befreie dich von allem Irrtum, den dein eigener Geist (manas) kreiert hat. Sei frei, erreiche das Ziel des Lebens, erwache!“

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Siehe auch

Literatur

  • Yoga Vasishta Bd 1 in der Übersetzung von Swami Venkatesananda
  • Swami Sivananda: Die Kraft der Gedanken; Books. ISBN 3-922477-94-1
  • Swami Sivananda: Shrimad Bhagavad Gita, Erläuternder Text und Kommentar von Swami Sivananda; Mangalam Books. ISBN 3-922477-06-2
  • Swami Sivananda: Hatha-Yoga / Der sichere Weg zu guter Gesundheit, langem Leben und Erweckung der höheren Kräfte; Heinrich Schwab Verlag. ISBN 3-7964-0097-3
  • Swami Sivananda: Göttliche Erkenntnis; Mangalam Books. ISBN 3-922477-00-3
  • Swami Sivananda: Sadhana; Mangalam Books. ISBN 3-922477-07-0
  • Swami Sivananda: Autobiographie von Swami Sivananda; Bad Mainberg 1999. ISBN 3-931854-24-8

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