Yogazweige
Yogazweige ist eine Auflistung der 17 bekannten Yogazweige, wie sie im Yoga Journal erschienen sind. Jeder der 17 Yogazweige führt auf seine Weise zur Vollkommenheit: Hatha Yoga, Ashtanga Yoga, Bhakti Yoga, Jnana Yoga, Prana Yoga, Laya Yoga, Purna Yoga, Mantra Yoga, Yantra Yoga, Raja Yoga, Svara Yoga, Ghatastha Yoga, Karma Yoga, Tantra Yoga, Kriya Yoga, Kundalini Yoga, Integraler Yoga. Artikel von Lore Tomalla, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 17
Hatha Yoga
Hatha Yoga ist die bekannteste Yoga-Art. "Ha" bedeutet "Sonne" und "Tha" bedeutet "Mond". Wir Europäer verstehen das am besten, wenn wir es so auffassen, dass wir unsere anregenden und hemmenden Nervenenergien in Harmonie bringen. Das erreichen wir mit Atemtechniken, Körperhaltungen und Meditationstechniken des Yoga.
Ashtanga Yoga
Ashtanga Yoga hat acht Stufen: Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana, Samadhi. Die Yamas sind die Verbote: alles, was ich nicht tun sollte, wenn ich glücklich werden will: Nicht lügen, nicht stehlen, mich anständig benehmen, nicht verletzen in Wort und Tat.
Niyamas sind die Gebote: alles was ich tun sollte, wenn ich glücklich werden will. Santosha (Zufriedenheit), Tapas (Strebsamkeit), Swadhyaya (Selbststudium), Ishwara Pranidhana, sich demjenigen, was man als höchste Wahrheit erkennt, bedingungslos unterwerfen, d.h. es ausführen, in den Alltag integrieren.
Asana nennt man die Körperhaltungen des Yoga. Man beginnt mit ganz einfachen Körperhaltungen, die jedem gesunden Menschen möglich sind. Es ist anders als wir das vom Sport her kennen: Man nimmt eine Position ein, verharrt mindestens drei Atemzüge in dieser Position, legt sich dann ruhig hin und beobachtet den Atem, bis er sich wieder beruhigt. Erst dann nimmt man die nächste Position ein. Man praktiziert täglich vor dem Frühstück, weil der Magen noch leer sein soll. Es dauert zunächst eine Viertelstunde, wenn man schon mehrere Asanas kennt, dauert es eine halbe Stunde.
Länger als 90 Minuten braucht man nicht zu üben. Der Alltag soll nicht vernachlässigt werden, sagt eine der wichtigsten Yogaüberlieferungen, die Siva Samhita. Die Asanas sind beschrieben in der Hatha Yoga Pradipika. Das bedeutet, unbeweglich sitzen.
In Bewegung ist nur unser Atem. Wir spüren, wie der Atem uns durchströmt. Wenn wir eine Asana schon zehn Atemzüge beibehalten können, werden sogar die schwierigen Yogaübungen leicht und angenehm. Asana bedeutet "bequeme, feste Haltung". Während der Anleitung zu praktischen Übungen ernte ich zunächst Lacherfolge: das ist doch nicht leicht! Wenn sechs Wochen praktisches Training vorüber sind, bestätigen alle, dass die Asanas tatsächlich leicht und angenehm sind und dass ihnen etwas zum Wohlbefinden fehlt, wenn sie nicht üben.
Ich beginne jede Yogapraxis mit Pranayama, den Atemtechniken des Yoga. Zuerst einfach still sitzen und den Atem beobachten. Luft strömt ein und aus. Wo im Körper kann ich das spüren? Es gibt Atemräume im Körper: im Brustkorb bewegen sich die Schlüsselbeine, das ist die obere Atmung, die Rippen bewegen sich, das ist die mittlere Atmung, das Zwerchfell bewegt sich, das ist die untere Atmung. Wenn wir auf dem Bauch liegen, bewegt sich der Rücken. Es ist wichtig, in den Rücken zu atmen. Eine der vielen Pranayama-Atemtechniken ist die Wechselatmung oder Nadi Sodhana Pranayama. Nadis sind Energiebahnen.
Unsere Lebensenergie entsteht durch den Atem. Unsere Lebensenergie ist eine Lichtenergie. Wir sind Lichtwesen, Kinder des Lichtes. Dieses Lebenslicht fließt in den Energiebahnen, den Nadis. Sodhana bedeutet rein. Die Shiva Samhita lehrt in Kap. 3 Vers 64 wie man die Wechselatmung mit Kumbhakas (Atem anhalten) verbindet. Täglich eine halbe Stunde vor dem Sonnenaufgang und eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang durchgeführt, werden nicht nur die Atemwege rein, sondern auch die Energiebahnen.
Die Nadis müssen rein sein, damit die Lebensenergie (Prana) ungehindert fließen kann. Durch unreine Ernährung verschlacken die Nadis, der Energiefluss wird gestört und wir erkranken. Wir lernen während des Pranayama unsere Lebensenergie zu lenken. Das entspannt und was entspannt ist, kann heilen, z.B. können Magengeschwüre abheilen, wenn diese Übung konsequent ein halbes Jahr lang täglich dreimal ausgeführt wird. Die nächste Stufe ist Pratyahara. Praty heißt „darüber hinausgehen“. Pratyahara kann man nicht lehren, Pratyahara geschieht.
Wenn wir regelmäßig Yoga üben, geschieht das, was unser Sprichwort: „Mensch werde wesentlich“, sagen will. Yogatechniken bewirken, dass wir Prioritäten setzen. Wir nehmen freiwillig eine Disziplin auf uns, regeln damit unser Leben, werden besser mit Problemen fertig. Wir haben nicht weniger Probleme, aber sie zermürben uns nicht. Es macht Freude, sie zu meistern und zu überwinden.
Ich beschließe jede Yoga Praxis mit Dharana, stillsitzen, den Atem beobachten, an nichts denken. Das Denken soll ruhen. Das schaffen wir nicht ohne weiteres. Je mehr wir uns bemühen, nichts zu denken, desto heftiger stören uns Gedanken. Gestern habe ich dies vergessen, morgen muss ich jenes erledigen und und und... Gedanken ohne Ende. Wir nehmen ein "Desha" zu Hilfe. Desha heißt "Gegend". Wir können uns eine schöne Gegend vorstellen, wo wir in Gedanken spazieren gehen, oder wir blicken die Sonne an. Man kann auch den Mond anblicken oder ein christliches Symbol, z.B. das Kreuz.
Ich möchte meditieren, aber es gelingt noch nicht. Ich schaffe Bedingungen, die mir helfen, meine Gedanken zu beruhigen. Ich wähle ein Meditationsobjekt und bleibe dabei. Ich wechsle nicht, ich benutze immer dasselbe Desha. Jeden Tag. Ich sitze. Ich setze mich jeden Tag zur einmal gewählten Zeit hin. Ich meditiere täglich zehn Minuten. Ich übe die Gedankenstille. Ich gönne meinem Gehirn ein Ausruhen. Es wird mir diese Pause danken.
Eines Tages geschieht es: Ich werde eins mit dem Meditationsobjekt. Es ist mir gelungen, zehn Minuten nur an mein Meditationsobjekt zu denken. Das ist Dhyana, die siebente Stufe des Ashtanga Yoga. Wenn ich das erreicht habe, dauert es nicht mehr lange, bis ich die achte Stufe, das Ziel des Ashtanga Yoga, erreichen kann: Samadhi. Ich sitze bewegungslos, ich schlafe nicht, aber ich nehme nichts mehr wahr, es geschieht reines Sein.
Bhakti Yoga
Bhakti heißt, dass ein Gott verehrt wird. Im Hinduismus hilft man sich mit der Definition: Es gibt nur einen Gott. Er hat viele Namen. Die hinduistische Glaubenswelt ist bunt wie unsere Gedanken. Erst wenn man weiß, wie die Kanpatha Yogis geübt haben, versteht man, wie das gemeint ist. Es heißt: "ICH bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir." Lächerlich, Gott ist eifersüchtig. Das darf doch nicht wahr sein!
Wir haben aber andere Götter neben ihm, zum Beispiel das Geld. Wir rennen dem Geld hinterher, statt Gott zu verehren. Jesus hat uns ermahnt, anspruchslos zu sein. Im Bhakti Yoga ist das der Digambarji, der „Luftbekleidete“, der sich nur das Allernotwendigste gönnt. Im Buch „Reise in die innere Welt“ hat uns Kumbaripava ein Schaubild überliefert, das uns erklärt, was Jesus gemeint hat, als er sagte: „Das Himmelreich ist in euch.“
Im Beckenboden wohnt laut Hinduismus Ganesha. Hier ist Bhoga zu Hause, das Genießen, das zur Ausschweifung werden kann. Darüber wohnt Brahma, der Schöpfergott, wo in der Höhle, im warmen Bauch der Mutter das Kind heranwächst. Darüber wohnt Rudra. Wer hat nicht schon mal festgestellt, dass er „Wut im Bauch“ hatte? Darüber befindet sich der Bereich Antakarana Sthana, eine Ampel mit acht Herzblättern.
Je nachdem, auf welchem dieser Herzblätter sich unsere Gedanken konzentrieren, ist unser Verhalten ausgerichtet. Darüber befindet sich die Stimme. Es ist erforderlich, reine Gedanken zu formulieren und auszusprechen, wenn wir gesund bleiben wollen.
Bhakti Yoga ist der Weg der dienenden Liebe. Ein Bhakta ist nicht fanatisch. Er nimmt nicht das Schwert, wie Petrus – er verteidigt seinen Gott nicht gegen imaginäre andere Götter – weil es sie nicht gibt. Ein Bhakta ist glücklich. Er singt und tanzt und preist Gott in allem, was er tut. Ein Bhakta betet:
"O Herr, wenn ich mich mit meinem Körper identifiziere, bin ich dein Diener. Wenn ich mich als eine verkörperte Seele betrachte, bin ich eine Zelle deiner Herrlichkeit. Wenn ich mich mit dem Selbst identifiziere, tue ich nichts ohne dich. Das ist meine feste Überzeugung.“
Jeder Gottesbegriff beschreibt nur einen Teil des Göttlichen. Jeder Kult wendet sich an einen speziellen Aspekt dieser Einen höchsten Wirklichkeit. Dieses höchste Sein ist Eines, unteilbar, neben ihm gibt es kein Zweites, es hat viele Namen, aber es gibt nur das EINE.
Ein Gleichnis: Eine Gruppe Blinder wurde zu einem Elefanten geführt. Jeder fasste einen Teil des Elefanten an und glaubte Bescheid zu wissen. Einer hatte das Ohr angefasst und sagte: "Ein Elefant ist wie eine Matte." Ein anderer hatte den Bauch angefasst und sagte: "Ein Elefant ist wie ein großes Fass." Ein anderer fasste den Rüssel an und sagte: "Ein Elefant ist wie eine Schlange." Ein anderer fasste ein Bein an und sagte: "Ein Elefant ist wie eine Säule." Keiner hat begriffen, was ein Elefant ist, jeder vermag lediglich über einen Teil des Elefanten zu reden. So verhalten sich Fanatiker, die ihre Religion gegen andere Religionen verteidigen.
Jnana Yoga
Jnana heißt Weisheit, Erkenntnis. Jede Wissenschaft könnte man als Jnana Yoga bezeichnen. Alles, was jemals gewusst wurde, in Frage stellen, neu überdenken, das ist Jnana Yoga. Wer Jnana Yoga übt, sucht die absolute Wirklichkeit (Brahman). Er verwirft die relative, begrenzte Wirklichkeit, die Bedingungen unterworfen ist, als Maya, als Illusion. Nur die absolute Wirklichkeit ist ewig und real. Alle Phänomene, seien sie nun subjektiv oder objektiv, sind in Bewegung, sind vergänglich und ständiger Umformung unterworfen. Viveka – die Unterscheidung, macht uns diese Tatsache bewusst. Indien hatte immer diese großartige Idee religiöser Freiheit.
In Unfreiheit kann nichts wachsen. Nur wenn Menschen die Freiheit genießen, ist die einzig richtige Bedingung für Wachstum vorhanden. Gut und Böse gibt es nicht. Es gibt nur unser subjektives Urteil. Ein ganz einfaches Beispiel: Dieselbe Sache kann Vergnügen und Verdruss bereiten: Die Gartenpflanzen drohen zu verdorren, es regnet, wie erfreulich – aber gerade an dem Tag hatten wir zu einer Gartenparty eingeladen.
Prana Yoga
Prana Yoga ist ein eigenständiger Yogapfad für Menschen, die hauptsächlich die vierte Stufe des Ashtanga Yoga üben, Atemtechniken und Pranalenkung. Vasishtha Samhita beschreibt vierzehn der wichtigsten Nadis in Kapitel 2 Vers 1 bis 69 und wie diese zu reinigen sind. Die wichtigste Nadi ist Sushumna Nadi. Sie durchzieht den Rumpf vom Scheitel bis zum Steiß. Goraksa Satakam widmet Vers 56 Sushumna Nadi und den beiden sie umgebenden Nadis Ida und Pingala. Es heißt, die Sushumna zieht zum Soma Mandala und die beiden anderen Nadis überkreuzen sie in jedem Chakra. Mit Chakra sind Energiefelder gemeint, die in der Siva Samhita im fünften Kapitel Vers 56 bis 131 erwähnt werden. Sie haben folgende Namen: Im Beckenboden Muladhara Chakra, darüber, etwa auf Höhe der Bauchfalte Swadhisthana Chakra, im Nabelbereich Manipura Chakra, im Herzbereich Anahata Chakra, im Kehlbereich Vishuddha Chakra, im Stirnbereich Ajna Chakra. Über dem Gaumendach, das ihm als Basis dient, befindet sich der tausendblättrige Lotus Sahasrara Chakra.
Vers 106 erwähnt, dass sich zwischen Brahmarandhra und Muladhara die Sonne befindet. Die Sonnenenergie fließt in der an der rechten Seite befindlichen Pingala Nadi, die Mondenergie in der an der linken Seite befindlichen Ida Nadi. Der menschliche Körper wird von 72000 Nadis durchzogen, so Siva Samhita. Wie die Meridiane der Erde vom Nordpol zum Südpol ziehen, so beginnen die Nadis im Mula Chakra und ziehen zum Brahmarandhra. Diese Form wird das Brahmanda genannt, das Ei Brahmans. In der Meditation kann man die Ränder der Aura spüren, man kann auch Lichterlebnisse haben als wäre man eine mit Sonnenlicht erfüllte Pyramide. Die Schriften betonen die Wichtigkeit bestimmter Yogahaltungen.
Siva Samhita nennt die Vorwärtsbeuge und die Dehnung der Rückenpartie vornehme Haltungen, die jeden Tag zu üben sind. In der Vorwärtbeuge (Paschimottanasana) hat man die Fingerspitzen an den Zehen. Nun ist es möglich, die Lebensenergie von den Fingerspitzen über die Zehen die Beine hinauf, den Rücken hinauf und über die Schultern wieder die Arme hinunter zu den Fingerspitzen und den Beinen zu führen. Wenn man regelmäßig übt, wird dieser Pranastrom deutlich spürbar.
Das 3. Kapitel der Shiva Samhita betont, was von Sängern und Rednern intensiv geübt wird: Nämlich dass Vokale und Konsonanten, wenn mit Einsatz der Unterleibsmuskulatur (d.h. vom Swadhisthana Chakra aus) die Sprache „gestützt“ und gesprochen wird, sich in den verschiedenen Chakras gesundheitsfördernd auswirken.
Von der bei HATHA YOGA als Pranayama erwähnten Wechselatmung Nadi Sodhana wird in Shiva Samhita Kap. 3 Vers 64 ausführlich erläutert, dass man diesen mit Konzentration auf die verschiedenen Chakras üben soll, ein halbes Jahr auf das Muladhara Chakra, ein halbes Jahr auf Swadhisthana, ein weiteres halbes Jahr auf Manipura, ein halbes Jahr auf Anahata, danach ein halbes Jahr auf Vishuddha und ein halbes Jahr auf Ajna, die Stelle zwischen den Augenbrauen. Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass mehrere Jahre Praxis dieser Atemtechnik, jeden Morgen und Abend je eine halbe Stunde, Herzbeschwerden zu lindern vermag.
Konsequentes Üben ist unerlässlich. Das dritte Kapitel der Vasishtha Samhita klärt uns in den Versen 61 bis 75 über die Vitalen Punkte, die Marmas auf. Das ist Geheimwissen der Kshatrya, der Kriegerkaste. Diese wichtigen Punkte, so lernen es die jungen Krieger, sind bei sich selbst zu schützen und bei den Feinden zu verletzen, um sie zu töten oder mindestens außer Gefecht zu setzen. In den Yoga Zentren wird Meditation auf diese Körperzentren durchgeführt, um die Übenden gesund zu halten und zu kräftigen. Wenn sich Menschen zum regelmäßigen Pranayama-Üben treffen, nennt man das ein Prana Darshana.
Laya Yoga
Laya Yoga ist der Yoga der Auflösung von Granthis, „Knoten“, die sich infolge unreiner Ernährung oder auch durch Ärger in den Nadis als Verunreinigungen bilden. Das kann sogar zu Verschlüssen führen, dass die Energie nicht mehr strömen kann. Dadurch werden die Organe unzureichend oder gar nicht mit wichtiger Lebensenergie versorgt, und wir erkranken. Die Sprachen Sanskrit und Deutsch sind verwandt: Es gibt umgangssprachlich für jemanden der ärgerlich ist das Sprichwort: „Der ist heute aber grantig.“
Über Laya Yoga klärt uns ein Buch von Shyam Sundar Goswami auf, der diese Techniken regelmäßig praktizierte und mit neunzig Jahren wie sechzig aussah. In Kapitel 14 beschreibt er die Disziplin der „mental rejuvenation“ und wie Ojas (sublimierte Energie) zu gewinnen ist, die Voraussetzung für Verjüngung.
Zu Beginn der Yoga-Praktiken wird ein mildes Fasten angeraten, viel Trinken, Wasser mit Orangen- und/oder Zitronensaft, viel Liegen, damit der Körper Schlacken ausschwemmen kann. Es gibt viele Beispiele: Eine Frau hatte Gallensteine, fuhr nach Indien, meditierte dort sechs Wochen unter Anleitung, praktizierte Asanas und Pranayama. Als sie nach Deutschland zurückkehrte, hatten sich die Gallensteine aufgelöst.
Purna Yoga
(„vollständiger Yoga“) ist ein Unding. Den vollständigen Yoga kann es nicht geben. Im Laufe der Zeit ist unendlich viel verloren gegangen, Palmblätter durch Insektenfraß unleserlich geworden, kenntnisreiche Yogis fanden keine Schüler und nahmen ihr Wissen mit ins Grab. Außerdem haben übereifrige Schreiber beim Abschreiben der Texte offensichtlich Textstellen eingefügt, die sie für wichtig hielten, die aber nicht dazu gehörten. Bis all das gesichtet und abgeklärt ist, werden Jahrzehnte vergehen.
Mantra Yoga
Mantra Yoga ist ein sehr umfangreiches Gebiet und wichtiger als man zunächst glaubt. Das Chanten von Mantras kann Menschen so aufbauen, dass es deren Erfolg bewirkt. Unumstritten ist die Wirksamkeit des Heiligen Lautes Om. Es wird in allen Yoga Schriften gelobt, so im Kapitel 6 der Vasishtha Samhita, außerdem besonders ausführlich in der Brihadyogi Yajnavalkya Smritih im Omkara Nirnaya. Beim Chanten der Mantras zählt man die Anzahl mit einer Mala, einer Kette aus Sandelholzkügelchen. Es gibt verschiedene Anweisungen, je nach Absicht des Guru und auch nach Fähigkeit des Schülers, die der Guru durch Erfahrung einschätzen gelernt hat. Das Mitschwingen der Buchstaben läßt sich sehr leicht nachprüfen, indem man die Vokale summt: a im Herzen, e in der Kehle, das i im Kopf, das o im Bauchraum und das u im Unterleib bis zu den Füßen.
Es gibt viel Mystisches und Unerklärliches in Indien, das man selbst erlebt haben muss, sonst vermag man es nicht zu glauben. So wird z.B. dem Gangeswasser heilende Kraft zugeschrieben, obwohl es sehr trübe aussieht. Außerdem werfen Leute ihre toten Angehörigen hinein, weil sie kein Geld für teures Holz und die Feuerbestattung haben. Ein europäischer Indienbesucher hatte eine Wunde am Fuß und schützte sie ängstlich vor dem vermeintlich verunreinigten Gangeswasser. Durch Zufall bekam sein Fuß trotzdem eine Welle ab. Zu seinem größten Erstaunen heilte die Wunde anschließend. Indien ist für Europäer voller Wunder. Die Wunder des Mantra Yoga können wir hier zu Hause erleben.
Yantra Yoga
Yantras sind Zeichnungen, denen mystische Wirkungen zugeschrieben werden. Man legt sie mit verschiedenfarbigen Steinen in den Sand – wie z.B. auch die Indianer. Mandalas und Yantras bestehen aus Quadraten, Kreisen und mystischen Zeichen. Jesus soll seine Jünger in einer bestimmten Weise aufgestellt haben. Jeder stellte eine mystische Zahl dar, so wie im Hebräischen jeder Buchstabe zugleich eine Zahl ist. Es gibt drei Arten von Yantras: Raksha Yantras (beschützende), Devata oder Pujana Yantras (für den Gottesdienst) und Dhyana Yantras (für die Meditation). Sie werden von einem zentralen Punkt aus, dem Bindu, angefertigt oder von den Randfiguren zur Mitte hin.
Dabei werden Mantras rezitiert. Wie alle Yogawege enthält auch Yantra Yoga in sich verschiedene Wege: Mosaike aus Blumen, Steinen oder farbigem Sand, geometrische Zeichnungen. Es gibt unendliche Möglichkeiten, schöpferisch tätig zu sein. Entsprechend unserer Bewusstseinsstufe entscheiden wir uns für den individuell notwendigen Weg zur Vollkommenheit.
Energieyoga wird in Frankreich geübt. Es ist eine sehr anspruchsvolle Yoga Praxis für Fortgeschrittene. Die bereits oben erwähnte Pranalenkung wird in schwierigen Yogapositionen geübt. Es heißt: Gymnastik kostet Kraft, Yoga schenkt Kraft.
Raja Yoga
Raja Yoga ist der königliche Pfad des Yoga. Raja Yoga beinhaltet hauptsächlich Vorstellungsübungen, Meditation und Gleichnisse. Als Körperpositionen werden lediglich Siddha Asana (Sitzhaltung) und Padma Asana (Lotussitz) praktiziert. Auch Raja Yoga fordert Ishvara Pranidhana, die Unterwerfung unter den Willen Gottes, der im Herzen wohnt und keine Form hat. Vivekananda, ein Schüler Rama Krishnas, hielt 1893 in Europa und Nordamerika Vorträge über Raja Yoga, die heute noch aktuell sind.
Er berief sich auf die Sutras des Patanjali, die auf Deutsch in einer auch für Anfänger nachvollziehbaren Übersetzung von Sukadev Bretz im Buchhandel sind. Yoga bedeutet Disziplin. Hatha Yoga verlangt Disziplin der Körperhaltungen, führt aber weiter zu den mentalen und geistigen Techniken des Raja Yoga. Raja Yoga geht zurück auf die in Indien sehr bekannte Shankhya-Philosophie.
Der Purusha ist reiner Geist und nicht materiell, er kann sich durch Hinzutreten der Prakriti in unsere Welt begeben, die ihn spiegelt. Das ist so zu verstehen: Die Wirklichkeit befindet sich außerhalb unserer Wahrnehmungsfähigkeit, weil wir uns jenseits dieser Spiegelungsebene befinden, eben in der Maya. Yoga Praktiken wollen erreichen, dass es zu einer Zusammenschau der Intuition, zu Samyama kommt. Es ist ein psychophysischer Vorgang: Was ein Auge ist, wissen wir alle, auch was ein Ohr ist. In der Mitte unseres Kopfes, in der Mitte unseres Denkorgans haben wir einen Bereich, wo alles Wahrgenommene bewusst gemacht und koordiniert wird.
Religion erwartet, dass wir etwas glauben, ohne es zu sehen oder zu erkennen. Yoga verhilft zu intuitivem Erfassen. Ein Gleichnis für Raja Yoga: Ein Mann wurde in einem Turm eingekerkert. Abends kam seine Frau und rief von unten zu seinem Turmfenster hinauf. Er bat sie, am anderen Tag wieder zu kommen und Honig, einen Käfer, einen Nähfaden, einen Zwirn, einen dicken Bindfaden und ein starkes Seil mitzubringen. Die Frau verstand sein Vorhaben nicht, aber sie brachte am anderen Abend das Gewünschte mit. Nun bat der Mann: "Binde den Nähfaden an ein Bein des Käfers und reibe ihm etwas von dem Honig an seine Fühler. Dann setze ihn an den Turm, dass er zu mir hinaufklettern kann. Es dauerte lange, bis der Käfer oben ankam. Endlich konnte der Mann ihn anfassen. Nun ging alles sehr schnell: An den Nähfaden wurde der Zwirnsfaden angebunden, der Mann zog ihn hoch, befreite den Käfer und ließ ihn davonfliegen. An den Zwirnsfaden kam der Bindfaden, an den Bindfaden der dicke Strick. Den band der Mann an das Fensterkreuz und konnte sich abseilen und so in die Freiheit gelangen.
Genauso führen die Yogaübungen zur Befreiung: Zuerst langsam, dann folgen immer raschere Fortschritte. Wovon werden wir befreit? Von unseren schlechten Eigenschaften, die uns am Erfolg hindern. Wie ein blank geputzter Edelstein erstrahlen wir in unserer reinsten Schönheit durch regelmäßige Yogapraxis. Unsere Bewusstseinskraft wird immer wacher und intensiver, bis Samyama, die Zusammenschau, zur Befreiung von weltlichen Bindungen führt, in denen wir gefangen sind.
Swara Yoga
Durch Swara Yoga erwirbt man Kenntnis von zukünftigen Dingen. Es hängt mit unserem Atem zusammen, damit, dass unser Atem alle zwei Stunden wechselt, d.h. zwei Stunden durch das rechte und zwei Stunden durch das linke Nasenloch freier und intensiver fließt. Swara Yoga finden wir als Anhang im Yoga Kanda der Vasishtha Samhita. Es ist eine Anleitung für Astrologen. Die heiligen drei Könige, die den Stern über dem Stall in Bethlehem suchten, müssen Swara Yogis gewesen sein! Zu diesem Yoga gehören die Pranayama Techniken aus dem Goraksa Satakam, nämlich Surya Gambhyasa und Chandra Gambhyasa, der Sonnen- und der Mondatem. Der Sonnenatem wirkt anregend. Ich rate immer, ihn vor Beginn einer Vorlesung zu üben, weil er wacher macht.
Den beruhigenden Mondatem sollte man vor dem Einschlafen üben. Er schenkt tiefen traumlosen Schlaf. Als meine Yogalehrerin Girija über Swara Yoga sprach, konnte ich es nicht glauben. Ich übte damals täglich fünf Stunden Yoga. Bei mir waren immer alle beide Nasenlöcher gleich aktiv und damit das Ziel des Yoga erreicht: Die Lebensenergie strömte im mittleren Kanal, in der Sushumna. Eine ältere Yoga-Fachzeitschrift, die „Yoga Mimamsa“ der Kaivalyadhama Institutionen in Lonavla bei Bombay, berichtete 1967 Vol. IX No 4 über die Wissenschaft der Swara Yoga Auguren.
Man beginnt zur Sonnenwendzeit, ob Winter- oder Sommersonnenwende ist nicht angegeben. Beobachtet wird, welcher Planet gerade aufgeht, während der Atem durch das rechte und welcher Planet, wenn der Atem durch das linke Nasenloch geht und welche Vorbedeutungen je nach Eigenschaften, die dem Planeten zugeschrieben werden, diesem Ereignis zugeschrieben werden müssen. In Indien richten sich viele Geschäftsleute nach diesen Orakeln. Unsere beiden Nasenlöcher gelten im Yoga als die „himmlischen Ärzte“. Yogapraxis führt zu Harmonie im Denken, zu Homöostasis im ganzen Körper. Wer in Harmonie ist, dem kann alles gelingen.
Ghatasta Yoga
Ghatasta Yoga wird in der Gheranda Samhita beschrieben. Die Lehrschrift ist von einem Schüler des Gheranda verfasst, der ehrerbietig zu dem Guru ging, seine Füße berührte, dreimal um ihn herumging und sich dann zu seinen Füßen niedersetzte. Kapitel 2 Vers 4 lautet: „Unsere Illusionen halten uns in Fesseln, Kraft erlangt man durch Disziplin (Yoga). Einen besseren Freund als Wissen gibt es nicht.
Unser schlimmster Feind ist Egoismus.“ Schon auf den ersten Seiten lässt Gheranda keinen Zweifel daran, dass Yogaschulung ganzheitlich ausgelegt ist und sich nicht auf Körpertraining beschränkt. Yogaschüler können allmählich folgende Zustände (Avasthas) erreichen: Aramba, Ghata, Parichaya und Nishpatti Avastha. Nishpatti ist höchste Vollendung, Ghata Avastha ist der „Wasserkrug-Zustand“. Man wird fähig, das „Wasser des Lebens“ in sich zu bewahren. Zuerst werden die Reinigungsübungen (Dhautis) Basti, Neti und Shankprakshalana und daraufhin Asana, Pranayama und Mudras beschrieben. Die Wichtigkeit der Konzentration auf Chitra-Nadi, die sich innerhalb der Sushumna befindet und in allen Regenbogenfarben leuchtet, wird hier erwähnt. Wiederum wird betont, dass Nadi Sodhana Pranayama regelmäßig zu üben ist.
Karma Yoga
Auch mit Karma Yoga kann höchste Erleuchtung erlangt werden. Jeden Tag erfüllen wir unsere Alltagspflichten, die uns das Karma durch Geburt in eine bestimmte Umgebung auferlegt. Es gibt drei Arten von Pflichten: Nitya, die regelmäßigen, Naimittika, die gelegentlichen und Kamya, die freiwillig übernommenen Pflichten. Nitya muss ausgeführt werden, sonst geraten wir in Schande, Naimittika bewirkt keine besonderen Verdienste, Kamya, die freiwillig übernommenen Aufgaben, bewirken Glück.
Alle Handlungen sollen Gott geopfert werden, damit sie kein neues Karma bewirken. Gute und schlechte Taten binden gleichermaßen. Nur Handlungen, die für Gott getan werden, bewirken kein neues Karma. Unsere schlimmsten Feinde sind unsere eigenen Wünsche. Es geht darum, seine Alltagspflichten mit Freude zu erfüllen. Es ist die Botschaft von Jesus, der seinen Jüngern die Füße wusch: „Einer trage des anderen Last.“ Es geht um selbstloses Tun, ohne nach den Früchten der Arbeit zu schielen. Es ist wichtig, alles mit reinem Denken zu tun. Karma Yoga verlangt mehr Sein als Schein.
Tantra Yoga
Tantra heißt weben. Wie der Weber die Fäden verbindet, so ist im Universum alles miteinander verwoben. Es ist wie bei einem Mobile: Stößt man an ein kleines Teilchen, so gerät alles in Bewegung. Im Weltall finden wir diese Kreisbewegungen, z.B. bei Galaxien und Sternennebeln. Wir finden Schneckengehäuse, die diese Form haben; in unserem Ohr gibt es die Gehörschnecke, die ebenfalls diese gewundene Form aufweist. Betrachten wir die Wellen des Meeres, so sehen wir diese runde Röhrenform der sich überschlagenden Welle und wenn wir weiter forschen, haben die Molekularbiologen für uns eine Neuigkeit: Die DNS, wichtiger Träger unserer Lebensenergie, hat ebenfalls diese gewundene Form: Kugeln, die wie eine Wendeltreppe angeordnet sind, gewunden in der Art wie sich Ida und Pingala Nadi um die Sushumna, unsere Körperachse aus Licht, herumwinden.
Tantra setzt alles in Eins: Wie oben, so unten. Stehe ich auf einem Berg, so finde ich das tief, wenn ich hinunterblicke, stehe ich am Fuße des Berges und blicke zum Gipfel hinauf, so finde ich das hoch. In der lateinischen Sprache gibt es dafür nur ein und dasselbe Wort: "altus". Die Entfernung ist gleich, nur meine Einstellung dazu ist subjektiv, hängt von meinem Standpunkt ab.
Tantra führt uns zu göttlichem Gleichmut: Im Moment finde ich ein Erlebnis traurig. Wenn ich mich dazu auf einen anderen Standpunkt stelle, so ist dieses Erlebnis womöglich höchstes Glück! Das kann bei sensiblen Naturen zu ekstatischen Zuständen führen, weshalb vor diesem Yogaweg manchmal gewarnt wird. Es ist aber ein Weg höchster Erkenntnis. Man denke an Franz von Assisi, der sich für ein Unglück bei Gott bedanken konnte, weil er viel daraus gelernt hatte. Der Unterschied der Lehrmeinungen verwischt sich hier: Befreite Seelen sind glücklich, weil sie nach dem Tode in Gottes Licht aufgelöst werden. Die viel diskutierten Charakterveränderungen, die durch Yoga vorkommen, lassen sich am besten durch folgendes Erlebnis meiner Yogalehrerin aus Hannover ins rechte Licht rücken:
Sie hatte im Gefängnis unterrichtet. Am Schluss des Kurses kam einer der hartgesottensten Lebenslänglichen zu ihr und sagte: „Wer hätte es mir denn sagen sollen. Meine Verwandten waren doch alle so. Ich habe es wirklich nicht anders gekannt.“ Das ist doch der Beweis dafür, dass jeder Mensch läuterungsfähig ist.
Tantra ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Erforschung des Kosmischen aus der Sicht des Individuums, die Erforschung des Makrokosmos durch die Betrachtung des Mikrokosmos – so beginnt Harisch Johari sein Buch „Wege zum Tantra“. Nach Vijnana Bhairava Tantra wird die tantrische Meditation wie folgt geübt: Das Sinnen auf die Atemkraft gerichtet, als wäre sie ein Lichtstrahl feinster Art.
Das ist dann wieder Pranayama. Die Atemkraft wird mit dem Atem in der Sushumna hinauf und hinunter geschickt. Dadurch entwickelt sich die Fähigkeit, dieses Licht der Lebenskraft sehen zu können. Auch auf die Mittelpunkte der einzelnen Chakras kann man sich konzentrieren, z.B. ist die Konzentration auf Herzchakra oder Stirnchakra erfolgversprechend.
Vers 155 des Vijnana Bhairava Tantra belehrt uns: "Sah"-tönend geht der Atem der Lebewesen hinaus, "Ha"-tönend kommt er wieder herein. "Hamsah Hamsah" ist das Mantra, das jedes Lebewesen zeitlebens ständig spricht. Der Hamsah (Schwan oder Wildgans), dieser mystische Vogel der indischen Legende ist zu Land (Mula) und im Wasser (Svadhisthan) zu Hause, und er kann sich darüber hinaus in die Luft (Anahat) erheben.
In der Hamsah Upanishad wird die individuelle Seele als Hamsah bezeichnet, die beiden Atemlaute "ham" und "sah" zu einem Namen zusammenfassend. Durch Meditation mit Om wird die individuelle Seele Hamsah zum Paramhamsah, zur Höchsten Seele. Ajit Mukerji schreibt in seinem Buch „Tantra Asana“: Ein jedes Yogasystem erlaubt dem Menschen über die Bedingungen, in die er gestellt ist, hinauszuschreiten. Tantra Yoga ist eine Synthese von Yoga und Bhoga (Genießen), Meditationspraxis und Wonne. Im tantrischen System gibt es keine Entsagung oder Verleugnung der uns umgebenden Lebensvorgänge. Im Tantrismus steigt das Spirituelle nicht von oben zu uns herab.
Es geht um das Wissen des festen Mittelpunktes in diesem sich ständig wandelnden Universum (Shiva). Die Erleuchtung muss in uns selbst entdeckt werden. Verehrt werden die Göttin Saraswati als weder grob noch fein, weder gestalthabend noch gestaltlos, unteilbar und in ihrer Fülle überall und die Göttin Tripura Bhairavi, als drei Augen und Macht der Rede habend. Sie ist Wurzel der Welten und unüberquerbarer Ozean der Gnade. Sie erhält die Welt und zerstört sie am Ende durch das Feuer, das sie ist. Ein Bhairav hat immense Kraft.
Kriya Yoga
Kriya Yoga verlangt von uns zunächst die Satkarmas, die Reinigungsübungen. Der Körper wird außen und innen mit Wasser gereinigt, Nase, Zähne, Magen und Darm. Dann folgen die Bandhas. Sie stauen Blut- und Lymphstrom zunächst auf. Wenn der Stau aufgelöst wird, strömt die Flüssigkeit und reißt Unreinheiten mit sich fort. Wir arbeiten mit der Lebensenergie (Prana), die in Energiebahnen (Nadis) fließt und durch Dehnübungen angeregt wird, Energieblockaden im Körper aufzulösen. Die Nadis werden dadurch gereinigt, die Lebensenergie kann frei im Körper fließen.
Ziel des Kriya Yoga ist es, auch das Denken von Schmutz zu befreien. Nicht nur unflätige Redensarten sollen aufgegeben werden, auch unnützes Herumgrübeln über Vergangenes. Letztlich führt das zu sehr konsequentem positivem Handeln. Wer Kriya Yoga übt, wird angestaunt, weil er Arbeiten, für die normalerweise sehr viel Zeit notwendig ist, viel schneller und fehlerfrei erledigt.
Kriya Yoga als ethischer Weg mündet in höchster Andacht und Verehrung der himmlischen Mächte. Kriya Yoga greift wie auch Raja Yoga gern auf die Sutras des Patanjali zurück. Wenn Denken stattfindet, so bewegen sich in unserem Denkorgan Vrittis (Wirbel). Der angestrebte Nirvanazustand ist aufzufassen als „Nicht-Wehen des Windes“. Leider gibt es auch hier Missverständnisse: Kritiker behaupten, das Ziel des Kriya Yoga sei „aus eigener Kraft Gott gleich zu werden“. Es ist aber so aufzufassen, wie wir es auch aus der Bibel kennen: „Nehmt euer Kreuz auf euch und folgt mir nach“, heißt es da. Von uns wird erwartet, dass wir die Gnade Gottes erleben, indem wir unsere schlechten Eigenschaften ablegen und wirklich nach den zehn Geboten leben.
Kriya Yoga verlangt, dass wir unser Benehmen so schulen, dass wir diese Forderungen im Alltag tatsächlich erfüllen. Wenn wir Vipassana Meditation ehrlich durchführen und unsere Gedanken und Regungen regelmäßig überprüfen, werden wir bemerken, wie streng diese Forderungen sind und dass wir im Alltag immer wieder daran scheitern.
Es gehört Disziplin dazu, diesen Weg zu gehen. Ziel ist es, die allumfassende Liebe zu erreichen, so wie Franz von Assisi Leprakranke umarmen konnte, ohne sich anzustecken. Wertvoll sind die Atemtechniken, die zum unmerklichen Atem führen und Jyoti Dhyana (Lichtmeditation). Die Kleshas (Ursachen der Leiden) sind zu überwinden: Unwissenheit, Egoismus, Leidenschaft, Hass und Anhänglichkeit. Zum Kriya Yoga gehört das Rezitieren der heiligen Verse des Rigveda morgens, mittags und abends und eine Feuerzeremonie. Man chantet Tryambakam und Gayatri Mantras.
Kundalini Yoga
Halb ängstlich, halb neugierig wird mir immer wieder die Frage nach Kundalini Yoga gestellt. Tatsache ist, dass diese geheimnisvolle Kraft Kundalini „erwacht“, wenn der/die Übende gut geführt wird. Sind beim Üben Andacht und Begeisterung nicht da, erwacht die Kundalini wohl kaum, denn es setzt (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen) voraus, dass über längere Zeit praktisch geübt wird. Wer nur aus Gier, die Kundalini kennenlernen zu wollen, übt, wird unangenehme Erfahrungen machen, denn: „lobha papasya karanam“ (Gier verursacht boshaftes Tun). Die Kundalini braucht nicht zu erwachen, es gibt sie von Anfang an, und es wird sie immer geben.
Durch Lichtmeditation erwacht in uns die Fähigkeit, sie mit unserem inneren Auge sehen zu können. Diese Fähigkeit erwacht nicht ohne weiteres. Dieses Lichterlebnis tritt nur in Augenblicken auf, wenn wirklich reines Sein geschieht, ohne jegliche Absicht. Die Kundalini ist in allem, was ist, enthalten.
Wir unterscheiden zwischen der kosmischen Lichtkraft, die sich z.B. bei Gewittern in Blitzen äußert und unserer Lebenskraft (Prana), die in den Nadis fließt, so lange wir leben. Bei den Kundalini-Yoga-Übungstechniken kann ein Meditationserlebnis auftreten, das sich anfühlt, als ob Milch den Rücken hinauffließt, Mondenergie, strömend in Ida Nadi. Auf dem Kopf kann eine Lichtkrone erscheinen, eine leuchtende Lotosblüte aus Licht. Wie beim Äskulapstab der Mediziner winden sich zwei Schlangen, Ida und Pingala Nadi, um die Sushumna. Man kann auch eine weiße Tulpe sehen, die aus dem Anahata-Chakra mit dem Kopf nach unten heraushängt. Die Mediziner kennen Plexen, Nervenknoten, von denen die anregenden und hemmenden Nervenenergien an die Organe verteilt werden. Auf gleicher Höhe befinden sich die Chakras, von denen die Lichtenergie in die Energiebahnen verteilt wird.
Es ist wichtig, zu wissen, dass Nervenenergie nicht dasselbe ist wie Lichtenergie. Es ist wie ein Programm, das in unserer DNS einprogrammiert ist und das unser Karma bewirkt. Schicksal und Handeln gehen Hand in Hand. Unser Programm weiß ohne Zutun unseres Verstandes, wie z.B. eine Wunde zu heilen ist. Die Kundalini Übungspraktiken sind einfach: Atemenergie vom Steiß zum Scheitel schicken und die Sitzung damit beenden, die Energie im Anahata sammeln. (Anmerkung der Redaktion: In anderen Übungstraditionen konzentriert man sich auf das Ajna und/oder Sahasrara Chakra und die Verbindung mit dem Unendlichen).
Man übt dazu Techniken aus der Gheranda Samhita, z.B. Yoni Mudra. Man wird eine kleine Flamme sehen, die Selbstquelle im Svadhisthana Chakra. Das verhilft zu eigenen Einfällen und löst uns von Fremdbestimmtheit. Wer zu den wenigen Begnadeten gehört und Kundalini rasch „erwecken“ kann, sollte sich darüber freuen, aber darauf achten, dass er sein Nervensystem nicht durch Gier, dieses Gefühl nun täglich erleben zu wollen, überreizt. Schließlich klettert man auch nur einmal im Leben auf den Mount Everest und nicht gleich am nächsten Tag nochmal.
Sollten Beschwerden, z.B. Magenprobleme, auftreten, genügt eine Pause von einigen Wochen. Man kann Haferbrei essen, alle zwei Stunden etwas von dem Brei warm machen und man kann „Bauchatmung“ durchführen. Nadi Sodhana Pranayama ist immer nützlich, weil die anregenden und hemmenden Nervenenergien in Harmonie gebracht werden und die Kundalini dadurch in den mittleren Kanal, die Sushumna, geleitet wird. Letztendlich ist es Sache der persönlichen Entscheidung des Einzelnen.
Wir haben das Beispiel eines Inders, der schon 92 Jahre alt war und die Kundalini durch den Sonnen-Nadi hochzog. Die Neulinge durften seine Glatze berühren, die sich sehr heiß anfühlte. Gheranda Samhita Kap.6 Vers 16 schreibt: Kundalini befindet sich im Muladhara Chakra. Sie hat eine gewundene Form, wie eine Schlange. Der Jivatma ist dort wie das Licht einer Kerzenflamme. Es ist Brahmans Licht. Das nennt man Lichtmeditation.
Integraler Yoga
Der integrale Yoga wurde von Sri Aurobindo (1872 bis 1950) in Auroville begründet. Er hatte in England studiert und wollte seine dort erworbenen Kenntnisse in die Überlieferungen seiner Heimat Indien integrieren. Es ist ein sehr anspruchsvoller Yogaweg, dem sich auch heute noch Menschen unterwerfen und in Auroville nach seinen Ideen ein einfaches Leben auf sich nehmen. Der Drang über sich selbst hinaus zu wachsen, ist dem Menschen angeboren. „Tamaso ma sat gamaya.“ (Vom Nicht-Sein führe mich zum Sein). Wir wollen nicht dumpf unser Schicksal ertragen, sondern aktiv auf uns nehmen und meistern.
Die Shiva Samhita sagt: Das Höchste Selbst ist EINES. Die Seelen, in denen sich dieses Selbst verkörpert, sind zahlreich. So wie die Sonne sich in vielen Tassen im Wasser spiegelt, so spiegelt sich das Selbst in unseren Seelen. Und so wie sich die Sonne in Tassen mit reinem Wasser schöner spiegeln kann als in Tassen mit schmuddeligem Wasser, so kann sich das Selbst in durch Yogatechniken gereinigten Seelen schöner spiegeln. Dem Suchenden öffnen sich drei Wege: Der Weg des Intellektes oder des Wissens (Jnana), der Weg des Herzens und der Liebe (Bhakti), der Weg des Willens und der Tat (Kriya). Samyama fasst diese drei Wege zusammen zur Vollkommenheit des Heiligen. Auch Swami Sivananda lehrte den ganzheitlichen Yoga zur Entwicklung der ganzen Persönlichkeit, ebenso wie andere Yogameister.
Siehe auch
- Yoga Arten
- Yoga Stile
- Yoga Schriften
- Yoga
- Wirkungen des Yoga
- Wissenschaftlich Studien
- Wissenschaftliche Studien Meditation
- Wissenschaftliche Studien Ayurveda
- Wissenschaftliche Studien Tiefenentspannung
- Wissenschaftliche Studien Yoga für Kinder und Jugendliche
- Die zehn Yoga-Grundsätze
- Meditation
- Runen Yoga
- Panchanga
- Upayoga
- Samyoga
Literatur
- Doktorarbeit über Yoga und Tantra (Lehren und Praktiken der Nath-Yogis): [1]
- J. Reinelt: Der Yoga-Pfad, Liebe und Achtsamkeit im täglichen Leben. Aquamarin Verlag 2009, ISBN 978-3-89427-488-7
- S. Cope, Leseprobe zu "Die Weisheit des Yoga" [2]
Weblinks
- Großes Hatha Yoga Portal: Alle wichtigen Asanas und Pranayama mit vielen Erläuterungen, Übungsanleitungen, Fotos, Videos
- Was ist Yoga? - Infos für Yoga Anfänger
- Jnana Yoga und Vedanta
- "Bhakti" aus Göttliche Erkenntnis von Swami Sivananda
- Kundalini Yoga und Bhakti Yoga
- "Bhakti Yoga Sadhana" aus Sadhana von Swami Sivananda
- "Guru Bhakti" aus Inspierierende Geschichten von Sivananda
- Bhakti Yoga – Höchste Gottesliebe – Bhagavad Gita XII.
- Bhakti Yoga – Yoga der Hingabe und Liebe
- Bhakti Yoga von Swami Venkateshananda.
- "Geheimnis des Karma Yoga" aus Swami Sivanandas Buch Göttliches Leben
- "Karma Yoga Sadhana" aus Swami Sivanandas Buch "Sadhana"
- Karma-Gesetz der Gedankenkraft
- Yoga Wege
- Sivanandas Integraler Yoga
- Selbstlose Taten
- "Dienen" aus Swami Sivanandas Buch Göttliche Erkenntnis
- Kundalini Yoga Portal
- Tantra Portal
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Seminare
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- Seminare über Karma Yoga
Multimedia
Raja Yoga Teil 1: Die Gedanken beherrschen lernen
Raja Yoga Teil 2: Ethik im Alltag
Raja Yoga Teil 3: Niyama, die persönliche Disziplin
Jnana Yoga und Vedanta Einführung
Jnana Yoga Vedanta Meditation - Durch Nachdenken zur Erkenntnis
Hatha Yoga Pradipika
Kundalini Yoga: Subtile Wirkungen von Yoga Pranayama
Bhakti Yoga Meditation: Erfahrung Gottes
Laya Yoga Tiefenentspannung
Tantra Yoga: Shiva Shakti Meditation