Tantra

Aus Yogawiki
Die Chakras - Energiezentren

Tantra (Sanskrit: तन्त्र tantra n.) Webstuhl; Gewebe, Kontinuum, Zusammenhang, Grundlage; Lehrwerk, Lehre; Saitenspiel; eine Klasse von Werken, die ursprünglich streng geheim gehaltene (esoterische) Inhalte lehrten und sich hauptsächlich mit Mystik, Magie und Techniken zur Selbsterkenntnis und Erlösung (Moksha aus dem Kreislauf der Wiedergeburt, Samsara) beschäftigen.

Tantra ist ein Sanskritwort und bedeutet Webstuhl; der Aufzug des Gewebes; übertragen die Grundlage, Hauptsache, Norm, Ordnung, Regel, Lehre, Lehrbuch; best. Gattung magisch mystischer Schriften Beschwörungsformel, Mittel, Kunstgriff.

Shiva und Kamadeva, der Liebesgott

Tantra wird von der Sanskritwurzel tan ("ausdehnen, spannen") abgeleitet. Die Ursprünge des Tantra als soteriologische (zur Erlösung hinführende) Systeme liegen etwa im 2. Jahrhundert, in seinen heute bekannten Ausprägungen wird es seit dem 7. oder 8. Jahrhundert weitergegeben. Aus der tantrischen Tradition stammt unter anderem die Lehre von den sieben Chakras.

Es gibt außerdem eine weitere, modernere Einteilung in drei Arten von Tantra: weißes, rotes und schwarzes Tantra. Rotes Tantra sind die sexuellen Praktiken, schwarzes Tantra die magischen und schwarzmagischen Praktiken zur egoistischen Manipulation von Energien und Geistern für selbstsüchtige Zwecke. Weißes Tantra sind die Praktiken zur Reinigung des Astralkörpers und zur Erweckung der Kundalini ohne selbstsüchtige Motive und wird daher Kundalini Yoga genannt.

Sukadev über Tantra

Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Tantra

Tantra ist ein Sanskrit-Wort und heißt ursprünglich Webstuhl, oder auch, auf einem Webstuhl aufgestellten Faden, es heißt also auch Faden. Tantra ist dann natürlich die Bezeichnung für ein religionsübergreifendes spirituelles System, welches insbesondere die Shakti verehrt, die Göttliche Mutter. Tantra gibt es im Hinduismus, Tantra gibt es im Buddhismus, Tantra gibt es im Sikhismus, im Jainismus und sogar im Taoismus. Tantra ist eine religionsübergreifende spirituelle Bewegung, in welcher Energie als Grundlage von allem gesehen wird.

Tantra ist aber auch eine Bezeichnung für eine bestimmte Schriftgattung. Die Tantras sind in Dialogform geschriebene bestimmte Schriften zwischen Shiva und Parvati. Es gibt auch Vishnu, Vaishnava Tantras, Shaiva Tantras, und buddhistische Tantras. Tantra wird manchmal beschreiben als "das" (Tat), was zu "Tra" führt, zur Befreiung. Tantra ist also alles, was zu Tra, zur Befreiung führt. Tantra ist insbesondere ein praktisches Übungssystem, mit dem das Höchste, das "Tat", die Essenz des Universums, erfahren werden kann. Tantra besagt auch, dass die Essenz des Universums sich im Universum manifestiert. Tantra ist also auch ein spirituelles System, welches die immanente göttliche Natur proklamiert. Das heißt, Gott ist nicht nur im Himmel, Gott ist auch nicht nur tief im Herzen, Gott ist in der Welt, die Göttliche Mutter ist in der Welt und ist überall erfahrbar.

Tantra ist ein radikal monistisches System, welches besagt, dass es nur das Göttliche gibt, nichts ist zu überwinden, außer Begrenzungen. Und egal, wo du bist, du kannst in allem das Göttliche entdecken. Tantra hat so viele verschiedene Aspekte. Dies ist ja jetzt nur ein kurzer Eintrag im Yoga Vidya Sanskrit-Lexikon. In den folgenden Rubriken bekommst du eine Übersicht über Tantra, die Tantra-Philosophie, schwarzes, rotes und weißes Tantra, linkshändiges Tantra, rechtshändiges Tantra, spirituelles Tantra, sexuelles Tantra und vieles mehr gibt es. Tantra, also eine sehr breite spirituelle Strömung in seinen verschiedenen Ausprägungen. Vielleicht noch kurz, Hatha Yoga und Kundalini Yoga gehören, mindestens in einer Interpretation, zum großen Tantra dazu. Tantra bedeutet wörtlich: Webstuhl, Faden. Tantra ist im weiteren Sinne so etwas wie ein Werkzeug oder eine Maschine.

Traditionelle Richtungen

Im wesentlichen gibt es in Indien drei Hauptrichtungen des Tantra, wozu noch die Form des tibetischen tantrischen Buddhismus (Vajrayana) kommt, der auch in Nepal praktiziert wird:

  • 1. Vaishnavacara (vaiṣṇavācāra): Hier werden die Formen des Gottes Vishnu als höchstes Prinzip verehrt.
  • 2. Shaivacara (śaivācāra): Hier werden die Formen des Gottes Shiva als höchstes Prinzip verehrt.
  • 3. Shaktacara (śāktācāra): hier werden die Formen der Göttin (Shakti) als höchstes Prinzip verehrt. Die als Shakta bekannten Tantriker folgen ihrerseits einem der beiden folgenden Wege bzw. Lebenswandel (Acara): entweder dem "Weg der rechten Hand" (Dakshinacara dakṣiṇācāra), in dem keine sexuellen Praktiken ausgeübt, wenn überhaupt imaginiert werden, oder dem "Weg der linken Hand" (Vamacara vāmācāra), der auch sexuelle Praktiken in das Ritual integriert.

Tantra im Yoga

Tantra als Teil der yogischen Tradition und beruht auf der Shiva-Shakti-Philosophie. Shiva repräsentiert das Unveränderliche, das Unbewegte, das absolute Bewusstsein, im Vedanta "Brahman" genannt. Shakti repräsentiert die schöpferische Energie, welche das Universum in sechs Schritten in Analogie der sechs Chakras (unterhalb des Sahasrara Chakras, der Sitz von Shiva), geschaffen hat. Ursprünglich sind Shiva und Shakti eins. Durch eine erste Schwingung, "Spandana" („Spaltung“), trennt sich Shakti von Shiva und schafft erst die zwei Kausalwelten, dann die drei Astralwelten und schließlich die physische Welt. Zyklisch vereinigen sich Shiva und Shakti wieder (Auflösung), bleiben zusammen (Pralaya, kosmische Nacht) und trennen sich wieder (Schöpfung).

In jedem Teil des Kosmos sind Shiva und Shakti. Im Menschen manifestiert sich Shiva als reines Bewusstsein, als Satchidananda. Shakti manifestiert sich als die drei Körper mit den fünf Hüllen. Solange Shakti von Shiva getrennt ist, ist der Mensch unzufrieden. Im Laufe der individuellen Evolution über viele Leben hinweg erwacht die Kundalini (Shakti im Menschen) und vereinigt die individuelle Seele wieder mit der kosmischen Seele. Kundalini Yoga ist die Wissenschaft der Beschleunigung dieses natürlichen Evolutionsprozesses.

Guru und Shishya im Tantra - Lehrer-Schüler Beziehung im Tantra

Im Tantra ist die Beziehung zwischen Lehrer (Guru) und Schüler (Shishya) ein unerlässlicher Teil der Tradition. Hier gibt es Parallelen zu anderen traditionellen Praktiken. Die Guru-Shishya Beziehung ist ein Bestandteil innerhalb der zahlreichen Traditionen der Hindu-Religion. Einige wichtige Punkte sind folgende:

  • Die Etablierung einer Lehrer-Schüler Beziehung.
  • Diese Beziehung wird durch eine strukturierte Initiations-Zeremonie formell anerkannt. Hierbei akzeptiert der Guru den Anwärter als Schüler und übernimmt die Verantwortung für dessen Wohl und spirituellen Fortschritt.
  • Dieser Prozess beinhaltet manchmal das Übermitteln von speziellem spirituellem Wissen und Meditationstechniken.
  • Die Gurudakshina ist eine Gabe des Schülers an den Lehrer als Dankeschön für die Unterweisung.

Für die tantrische Praxis ist ein lebender Guru, der den spirituellen Weg bereits selbst gegangen ist, unerlässlich. Das Diksha-Ritual, bei dem der Guru etwas von sich auf den Schüler überträgt, erweckt häufig das spirituelle Bewusstsein des Aspiranten. Somit ist diese sehr enge Guru-Shishya Beziehung für den Erfolg des Schülers notwendig. Um ein tantrischer Sadhu (Mönch) zu werden, muss man zunächst die Sadhu Weihe von einem bereits initiierten Sannyasin erhalten. Während dieser Einweihung gelobt der Aspirant Entsagung von der Welt und wiederholt das Praisha Mantra nach dem Guru. Sobald dieses Mantra gesungen wurde, darf der Sadhu in diesem Leben niemals wieder zu einer weltlichen Lebensweise zurückkehren.

Jemand, der im Berufs- und Familienleben steht und dem tantrischen Pfad folgt, kann die Guru Diksha von jedem tantrischen Lehrer annehmen. Die Ehefrau muss die Diksha-Einweihung jedoch von demselben Guru bekommen. Im Tantra ist es üblich, dass beide zu unterschiedlichen Zeiten eingeweiht werden. In der tantrischen Tradition ist diese Einweihung eine komplizierte Prozedur, welche sich in mehrere Stufen aufteilt. Während der Ausübung der tantrischen Riten sollte man die Hilfe seines Gurus in Anspruch nehmen.

Folgende Eigenschaften befähigen einen Menschen dazu, ein spiritueller Schüler zu sein: ruhig, bescheiden, rein, respektvoll, lobenswert, in der Lage, verschiedene Arbeiten auszuführen, aus gutem Stand, weise, guter Charakter, fromm, selbstbeherrscht, großzügig und fähig zu meditieren. Bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem Guru wird erwartet, das Verlassen des Gurus wird streng verurteilt. In der Tantra Tradition ist es dem Schüler erlaubt, den Guru zu verlassen, wenn sich der Schüler als unfähig erweist.

Menschen mit folgenden Charakterzügen sind als spirituelle Aspiranten ungeeignet: sündig, grausam, bösartig, geizig, gemein, frei von gutem Benehmen, starke Abneigung gegen Mantras, schlechtes Sprechen, töricht, starke Abneigung gegen heilige Plätze, keinen Respekt gegenüber dem Guru, ein unreines Herz, faul, prahlerisch, arm, kränklich, süchtig nach Sinnesbefriedigung, eifersüchtig, zweifelhaften Reichtum besitzend, ehebrecherisch, feindselig gegenüber Gelehrten, kleinlich, die große Schwierigkeiten haben, den Lebensunterhalt zu bestreiten, sehr ehrgeizig sind oder von anderen verurteilt wurden. Im Mahanirvana wird die Brahma-Diksha als höchste Form der Einweihung angesehen. Menschen jeder Kaste ist es erlaubt, spiritueller Schüler zu werden.

Tantra - Erläuterungen von Swami Krishnananda

Auszug aus dem Buch „Tantra Yoga, Nada Yoga and Kriya Yoga“ von Swami Sivananda, Buch I - Tantra Yoga, 5. Auflage, 2000, Shivanandanagar, S. VII - XII. Divine Life Society

Tantra

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Das System, welches Tantra genannt wird, wurde schon von jeher als esoterischer Geheimpfad der spirituellen Praxis betrachtet und war nicht jedem Ungeübten oder dem gemeinen Volk zugänglich. Das Geheimnis dieser Praxis scheint aus einem ungewöhnlichen Weltentwurf zu bestehen, der dem Suchenden abverlangt, die Dinge auf eine vollständig andere Art zu interpretieren und zu bewerten und der von der normalen, gewohnten Betrachtungsweise der Dinge abweicht. Die Tantra-Lehrer sagen, dass ein Suchender auf diesem Pfad der sozialen und sogar menschlichen Sichtweise entwachsen und eine übermenschliche und göttliche Sicht der Dinge entwickeln muss. Da dies jedoch vom gemeinen Menschen dieser Welt zuviel abverlangen würde, soll der Tantra auch ein verschlossenes Geheimnis sein und bleiben, dessen Türen nur mit dem Schlüssel geöffnet werden können, den allein ein befähigter Guru zur Verfügung stellt.

Philosophie

Die Philosophie von Tantra basiert auf dem Konzept der Doppelnatur aller Dinge. Nichts ist einzeln, sondern alles ist bipolar oder doppelpolig. Die sogenannte Einheit der Dinge ist nur eine Erscheinungsform, welche von dem besonderen Verhalten des Zusammentritts zweier Kräfte, nämlich Shiva und Shakti angenommen wird, man könnte auch sagen, der positiven und negativen Pole. Um diese mystische Konzeption des Universums verstehen zu können, möchten wir auf die traditionellen Lehrsätze der Puranas verweisen, Manusmriti und Mahabharata, die besagen, dass es im Anbeginne eine universelle Einzelzelle gegeben hat, die schon immer da war, bekannt als Brahmanda, und die sich dann zweiteilte. Der eine Teil wurde zum Kosmischen Mann und der andere zur Kosmischen Frau. Wenn wir wollen, können wir diese Teile auch Shiva und Shakti nennen. Selbst unsere modernen Naturwissenschaften scheinen diese Sichtweise zu bestätigen, wenn sie sagen, dass das Universum im Anfang ein einzelnes Atom war, welches sich zuerst zweiteilte und sich dann in die Vielfalt der gegenwärtigen Formen des Universums aufspaltete.

Da diese zwei Teile und ihre darauffolgenden Unterteilungen eigentlich zu einem gesamten Ganzen gehören, gibt es eine natürliche Anziehungkraft, die von einem Teil zum anderen Teil ausgeübt wird. Es gibt also eine beidseitige Zugkraft zwischen den positiven und negativen Polen auf der kosmischen Ebene sowie auf der ihrer niedrigeren vielfältigen Abstammungsformen, sogar hinunter bis zum Atom. Wir wissen heute, dass auch das Atom in einer bipolaren Struktur aufgebaut ist, mit dem Nukleus im Zentrum und den Elektronen, die ihn in absolut rätselhafter Weise umkreisen. Die Reaktion der zwei verschiedenen Teile eines jeden einzelnen Organismus scheint eine doppelte Auffassung von Bewusstsein gegenüber Einheit und Zweiheit zur selben Zeit zu sein. Es kann keine Anziehung zwischen dem Positiven und Negativen geben, solange sie nicht zwei Pole formen und nicht nur ein einzelnes Etwas. Dennoch kann es andererseits ohne eine grundlegende Einheit, die in und zwischen ihnen wirkt, gar nicht diese Anziehung geben, wenn es zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Das ist also das Geheimnisvolle, das Mysterium und auch die Schwierigkeit, jenes Phänomen zu verstehen, welches als Anziehung bekannt ist und gewöhnlich in der Gemeinsprache Liebe oder Zuneigung genannt wird.

Bipolarität

Ardhanarishvara, Gemälde aus Indien, um 1800

Das Konzept von Shiva und Shakti repräsentiert also in seiner höchsten Essenz diese Oberste Kosmische Dualität. Man kann sich vornehmlich vorstellen, dass dort nur Anziehung und Liebe zusammenwirken, so dass Shiva und Shakti als untrennbare Aspekte einer einheitlichen Realität zu betrachten sind, welche manchmal auch Ardhanareesvara, der kosmische Androgyn, genannt wird. Auf den niedrigeren Ebenen jedoch wirkt das Prinzip der Abstoßung, was bedeutet, dass Abneigung mit Zuneigung zusammengeht, so wie auch Liebe mit Hass. Dort nimmt die bipolare Einheit eine Vielfalt an Form an, so dass ein bipolares Element nicht die Beeinflussung oder manchmal sogar nicht einmal die bloße Gegenwart solch eines anderen bipolaren Elementes tolerieren kann - aus Angst davor, seine isolierte, sich selbst bewusste bipolare Hälfte und dadurch seine Einheit zu verlieren. Dieses subtile Zusammenspiel kann in seiner groberen Art offenkundig werden, wenn z. B. eine Familiengruppe Schwierigkeiten hat, eine andere anzuerkennen und ihr die gleiche Liebe zu schenken wie der eigenen. Auf dieser Ebene können sich dann eine Gesellschaft, eine soziale Schicht und sogar eine bipolare Einzelperson nicht ohne einigen Argwohn und gewisse Vorbehalte gegenübertreten.

Den Lehrsätzen oder dem Tantra nach ist die Ursache allen Leids im Leben die bipolare Existenz, diese in zwei geteilte Einheit, weil nicht eine duale Existenz in jeder ihr gegebenen Form die Wahrheit der Dinge ist, sondern das Eins-Sein. Da die zweifache Form allen Lebens in gewisser Hinsicht eine unnatürliche Art des Lebens darstellt, gibt es immer einen ambivalenten Standpunkt zwischen dem einen und dem anderen Pol von Mögen und Ablehnen, zu ein und derselben Zeit. So wird Liebe niedergehalten, wenn Hass überwiegt und Hass unterdrückt, wenn Liebe die Oberhand behält. Fakt dabei ist jedoch, dass immer beide dieser Haltungen in einem Individuum versteckt sind, aber nur einer dieser Aspekte zum Vorschein kommt, wenn oder wie die Situation es gerade erfordert. Anstelle der Zweiheit wieder die Einheit zu bekommen, das ist der Vorgang im Tantra Sadhana - wobei dies jedoch die Zielsetzung eines jeden Sadhanas ist.

Unterschied

Was ist also das Besondere am Tantra, und wodurch unterscheidet er sich von anderen Sadhanas, um dieses Ziel zu ereichen? Der Unterschied ist sehr subtil und nicht leicht wahrzunehmen. In jeder Form religiöser Praxis gibt es meistens asketische Vorschriften für die Geisteshaltung des Praktizierenden. Das Äußere solle dem Inneren und das Materielle dem Spirituellen zuliebe abgelehnt werden. Jegliches Verlangen solle als schädliches Hindernis für den Sadhana unterbunden und alle Lebensfreude als Übel betrachtet werden, welches so früh wie möglich ausgemerzt werden muss.

Nun, im Tantra sind die Dinge der Welt, die materiellen Formen der Wahrnehmung, nicht wirklich Hindernisse, und ein Verlangen nach ihnen kann nicht dadurch besiegt werden, dass man das Verlangen an sich ablehnt. Alles in dieser Welt, und sogar die ganze Welt selbst, befindet sich in einem Übergang von der Unvollkommenheit hin zur Vollkommenheit. Das Sichtbare ist ein Weg hin zum Unsichtbaren und nicht sein Hindernis. Menschliches Begehren erwächst gerade wegen jener unintelligenten Auffassung, die der Mensch gegenüber dieser Lust entwickelt hat. Er hat sozusagen Lust-Angst, seitdem ihm erzählt worden ist, dass jegliche Begierde schlecht ist und alle äußeren Dinge nur zu Knechtschaft führen.

Der Tantra sagt, dass das äußere Ding, das Objekt, kein fesselnder Zwang ist, allein schon wegen der Tatsache, dass das Objekt untrennbar mit dem Subjekt verbunden ist. Das Objekt ist der andere Pol des Subjekts, der Komplementär-Pol sozusagen. Beide Pole ergänzen sich gegenseitig. Jegliche Erfahrung steht in einer Subjekt-Objekt-Relation, und deshalb kann auch niemand nur im Geringsten daran denken, das Objekt der Begierde bewusst zu überwinden, ausgenommen, er hat vorher eine Beziehung zu dem Objekt hergestellt. Daher bedeutet die Überwindung des Objekts für uns immer wieder, in einen Teufelskreis einzutreten. Es gibt trotz aller Anstrengungen keine Möglichkeit, das Objekt loszuwerden, da schon im Bewusstsein die Gegenwart des Objekts da ist. Daher kommt also der großartige Tantra-Spruch, dass Begierde nur durch Begierde überwunden werden kann, genauso wie das Objekt nur vom Objekt bezwungen werden kann. Auch wird im Tantra gesagt, der andere Aspekt dieses Prinzips sei, "dass man sich durch das, wodurch man fällt, auch wieder aufrichten kann." (Yaireva patanam dravyaih siddhih taireva.)

Hier tritt der Kernpunkt der ganzen Sache hinsichtlich des Tantra zutage, welche ihn deutlich von allen anderen religiösen Praktiken und Sadhana-Formen abgrenzt. Warum diese Praxis schwierig und sogar gefährlich ist, wird durch die Art der Glaubenslehre offensichtlich, obwohl man wohl einräumen muss, dass der Glaubenssatz vielleicht etwas sehr rational verfasst ist und auf Tiefenpsychologie der menschlichen Natur basiert.

Die Stufen des Tantra

Die Tantra-Lehrer wissen, dass es große Schwierigkeiten gibt, wenn es darum geht, sich diese Lehrsätze einzuprägen und zu praktizieren. Insofern wird die Kunst des Sadhana auf diesem Pfad als gestaffelte Aufwärtsbewegung während der verschiedenen Stufen des Aufstiegs betrachtet. Indem man zu einem Zustand aufsteigt, wo eben jenes Verhältnis zwischen Subjekt und Objekt transzendiert oder überwunden wird, erreicht man unterschiedliche Stufen von Erkenntnis und eine Loslösung des Subjekts von der Verstrickung des Objekts.

Diese festgesetzten Stufen lauten: Vedechara, Vaishnavachara, Saivachara, Dakshinachara, Vamachara, Siddhantachara und zuletzt Kaulachara. Von diesen sieben aufgeführten Stufen sind die ersten drei für die niedrigere Kategorie der Sadhakas bestimmt, welche als Pasu Jiva (Personen, in welchen die tierische Natur vorherrschend ist) bekannt sind. Die nächsten zwei stehen für die Vira Jiva (Personen, in welchen der normale menschliche Instinkt vorherrscht) und die letzten zwei für die Divya Jiva (Personen, in welchen das göttliche Element vorherrschend ist).

Es wird geglaubt, dass die ersten drei Acharas besonders für Karma stehen. Bhakti und Jnana, der Veda, der für das Ritual steht, Vaishnava für die Hingabe und Saiva für das Wissen. Der vierte Achara, welcher Dakshina genannt wird, versucht die Ergebnisse zu bewahren, die durch das Praktizieren der ersten drei Stufen erreicht wurden. Bis zu dieser Ebene ist die Bewegung fast linear und praktisch gerade. Auf der nächsten Stufe (Vamachara) aber gibt es einen seltsamen Unterschied des Blickwinkels, denn dieser Begriff beinhaltet den Beginn der Rückwärts-Strömung der Seelen-Bewegung hin zur Realität. "Vama" bedeutet nicht "links", wie die meisten Leute zu denken scheinen, sondern "Umkehr-Prozess", Nivritti oder die Rückkehr - im Gegensatz zu Pravritti oder dem Vorwärts-Fließen mit der natürlichen Strömung der Sinne. Hier liegt der Beginn der allergeheimsten Praxis oder des esoterischen Aspektes des Tantra Sadhana, wo Objekte der Anziehung, des Reizes, egal welcher Art sie sind, gerade als Instrumente und Werkzeuge betrachtet werden, nicht, damit sie abgelehnt, sondern damit sie integriert und zu einem Teil des eigenen Seins gemacht werden. Die Absicht dabei ist aber, jenes Bewusstsein zu überwinden, dass sie außerhalb von einem selbst sind, als so eine Art gegenüberliegendes, entgegengesetztes Objekt oder irgendein äußerliches Etwas. Diese besondere Phase soll eigentlich auch nicht erklärt, sondern nur auf direktem Weg von einem Lehrmeister gelernt werden.

Die Natur der Dinge

Im Allgemeinen werden Reichtum, Macht und Sex als die wohl größten Hindernisse auf dem Weg zu spiritueller Vollkommenheit betrachtet. Der Tantra jedoch versucht gerade diese sich nutzbar zu machen und zu überwinden, und zwar mit genau den Mitteln, mit welchen ein ungeübter Verstand sich ins Unheil stürzen würde.

Die Pasu, Vira und Divya Bhavas entsprechen den tierischen, menschlichen und göttlichen Naturen und ziehen die groben, die feinen und die göttlichen Aspekte der Dinge in Betracht, welchen man in seinem spirituellen Leben als Gegensätze begegnen muss. Das ist das verbotene Gebiet von Tantra Sadhana, der Bereich, welchen der wahrhaft Suchende nicht offenlegt, da der gemeine Mensch ihn nicht wissen, verstehen oder aus ihm Nutzen ziehen soll. Jedes Objekt hat eine grobe, eine feine und eine göttliche Form, und jeder Sadhaka muss all diese Phasen durchlaufen. Der Tantra beharrt darauf, dass keine Stufe oder Phase als Hindernis abgelehnt werden soll, sondern von jedem Individuum selbst genommen und durchschritten werden soll. Mann kann nur ein unbekanntes Ding, ein Objekt der Angst, nicht unter seine Kontrolle bringen.

Der Tantra sagt, dass die unreinen, häßlichen und unheiligen Dinge des Lebens eigentlich Dinge sind, die fälschlicherweise nicht in ihrem wirklichen Zusammenhang gesehen wurden, nicht von ihrer eigenen besonderen Position oder vom Standpunkt der Dinge selbst her. Sie sind weder gut noch schlecht, weder schön noch häßlich und weder heilig noch unheilig. Das alles sind nur Vorstellungen, die uns unser Verstand von einem speziellen Interessenstandpunkt aus gibt. Unser Verstand sträubt sich dagegen, in Erwägung zu ziehen, dass es auch noch andere Interessen als seine eigenen geben könnte. Das Universum muss man von vielen Blickwinkeln aus sehen, nicht nur von einem. Vom Ersteren muss man zum Letzteren steigen, mit einer systematischen und progressiven Bewegung seines ganzen Seins durch den groben, den feinen und den göttlichen Aufbau der Dinge. Am Anfang hat man Kontakt mit dem Objekt. Als nächstes denkt man es bloß noch mit seinem Verstand. Zuletzt visualisiert man es nur noch als einen Unruheherd oder Stress-Punkt in der Universellen Realität.

Die oben erwähnten Siddhantachara und Kaulachara vervollständigen den Prozess des Sadhana, wobei man in die wahre Natur der Dinge eintaucht und regelrecht übermenschlich wird. Die Aufgabe, welche die religiöse Praxis mit sich bringt, ist nicht die Ablehnung des Objektes oder des Dinges an sich, sondern die der Idee oder der Vorstellung, dass es, das Objekt, außerhalb von einem selbst sei. Die falsche Vorstellung weckt die Begierde, nicht das Objekt oder das Ding selbst. Die Verordnung ist hier in der Tat sehr subtil.

Shri Yantra, gefertigt vom Devipuram Tempel, Andhra Pradesh, India

Ritual

Tantra Sadhana beinhaltet das Rezitieren von Mantras, die Ritualausführung mittels Yantras und die eigene Abstimmung mit einer speziellen Ebene der Realität, was eigentlich die spezifische Bedeutung des Tantra ist. Während dieses Prozesses muss man viele kleine Details direkt von seinem Guru lernen. Die Entschlackung des Körpers, die Reinigung des Geistes und die Klärung seiner sozialen Beziehungen sind alles wichtige Vorbereitungen des Sadhana. Die übliche Shodasopachara-Puja (sechzehngliedrige Gebetszeremonie), welche für eine Gottheit abgehalten wird, sind auch geeignete Maßnahmen für all das, was man bewundert, schätzt und liebt. Durch solch einen Gottesdienst sucht man die Verbindung mit der Gottheit durch die Aufhebung der Trennung zwischen Ihr und einem selbst. Die geheimnisvollen Prozesse, Nyasa (Anga-Nyasa und Kara-Nyasa) genannt, sind wiederum nach innen gerichtete Techniken, mittels derer man das Objekt in einem selbst und die Gottheit in seinem ureigenen Sein fühlt.

All das macht es mehr als deutlich, dass der Tantra Sadhana genauso höchst wissenschaftlich und präzise wie auch schwierig und gefährlich ist. Dies ist seine Besonderheit.

Tantra im Hinduismus

Shiva-Shakti

Tantra im Hinduismus ist eng verbunden mit den vedischen Konzepten des Hinduismus. Es ist dabei eine komplexe religiöse Komponente des Hinduismus.

Tantra im Hinduismus ist der spirituelle Teil der Religion. Und dabei ist das Konzept des Tantra sehr eng verwoben mit dem Konzept des Hinduismus insgesamt. Tantra zielt darauf ab, das verborgene Selbst mit dem inneren Selbst zusammen zu bringen und so jeden Einzelnen auf seinen Weg zu bringen. Die links-händischen tantrischen Rituale werden von den meisten orthodoxen Hindus jedoch als zu unsicher abgelehnt. Das Tantra wird als "Abkürzungsmethode" für die Erlangung der Selbstverwirklichung und der spirituellen Erleuchtung betrachtet. Und die allgemeine Wahrnehmung des Tantras unter Hindus ist vergleichbar mit schwarzer Magie.

Veden und Tantra

Hinduismus ist typischerweise verbunden mit dem vedischen Konzept an sich, aber die Tantras sind nicht Teile der orthodoxen Hindu oder vedischen Schriften. Die Veden des orthodoxen Hinduismus stellen dabei die eine Seite dar, während die Agamas des Tantras die andere Seite darstellen. Dennoch sind die Praktiken, die Mantras und die Grundideen des Atharva Veda typischerweise unterschiedlich zu den drei anderen Vedas. Der Atharva Veda wird in vielen tantrischen Texten als die uralte Quelle des Wissens angesehen. Die Veden ziehen sich durch die gesamten Tantras durch, wie z.B. durch das Mahanirvana Tantra. Tantra existiert für die spirituellen Suchenden im Kali Yuga, in diesem sind die vedischen Praktiken nicht im tagtäglichen Leben einsetzbar. Tantra ist darin das direkteste Mittel, um die Spiritualität zu verwirklichen. Der tantrische Grundgedanke ist im Hindu Tantra die Verehrung von Shiva und der göttlichen Mutter Kali.

Techniken des Tantra im Hinduismus

Im Hinduismus benutzt das Tantra typischerweise die Form eines Dialoges zwischen Shiva und der Göttin Shakti. Shiva wird darin als Yogiraj oder Yogeshwara, der König des Yoga oder der Gott des Yoga bezeichnet, während Shakti, seine Gefährtin, als das weibliche Gegenstück von Shiva angesehen wird. Es gibt dabei eine bestimmte Gruppe von Techniken oder eine bestimmte Art von Philosophie, um die Befreiung oder Moksha zu erlangen. Agamas bedeuten dabei Shiva zu Shakti und Nigamas sind Shakti zu Shiva.

Und so wie in allen Hindu Yogas spielt das Mantra eine wichtige Rolle im Tantra. Damit wird der Geist auf bestimmte Hindu Gottheiten fokussiert, wie Shiva, Ma Kali(eine andere Form der Shakti) und sogar Ganesha, der elephantenköpfige Gott der Weisheit. Der Bezug zu Ganesha ist in der Ganesha Upanishade zu finden. Und so konzentrieren sich die Tantra Pujas im Hinduismus oft auf ein bestimmtes Yantra oder Mandala.

Tantra in Hinduismus ist die Manifestation von sehr frühen Hindu-vedischen Gedanken und es bezieht sich auf die Hindu Götter und Göttinnen, insbesondere auf Shiva und Shakti. Tantra ist auch mit der Advaita Philosophie oder der non-dualistischen vedischen Philosophie verknüpft, diese repräsentiert den ultimativen Aspekt von Para Shiva oder Brahman. Diese Gottheiten können im Äußeren verehrt werden durch Blumen, Räucherwerk u.ä. Aber viel wichtiger sind diese Götter als Objekte der Meditation. Dabei stellt sich der Praktizierende den Gott oder die Göttin vor und erfährt dabei eine Vision von ihnen. Tantra in Hinduismus stellt somit eine besondere Form der Puja dar, in der die Gottheiten auf unvergleichliche Weise angerufen oder angefleht werden.

Die grundsätzliche Idee hinter dieser speziellen Hindu Tradition ist, dass ein Individuum danach streben muss, die vollständige Kontrolle über sich selbst zu erlangen. Und dadurch wird das Universum dann selbst erleuchtet mit Hilfe der göttlichen Kräfte, die letztendlich zur Erleuchtung führen.

Tantra im Vaishnavismus

Tantra im Vaishnavismus, eine der Hauptrichtungen des Hinduismus, war eine unvermeidbare Entwicklung, denn es gab eine bestimmte Anhängerschaft an Vaishnava Tantras.

Tantra im Vaishnavismus bedeutet, dass Krishna-Radha eine zusätzliche Form von Shiva und Shakti ist. Gemäß der Vaishnavas sind Krishna und Radha zwei Manifestationen einer einzigen absoluten Realität. Das Konzept von Shiva-Shakti im Tantra soll dabei die Vereinigung von Krishna und Radha inspiriert haben. Eine enge Verbindung zu Shakta ist erkennbar in den Pancharatra Werken der Vaishnavas. In beiden Traditionen wird Lakshmi als die Höchste Energie, die im Muladhara Chakra sitzt, angesehen. Und gleichbedeutend nennen die Panchratra Werke Nyasas als eine Form der Sadhana.

Der Körper wird im Tantra als eine Wohnstätte Gottes angesehen. Und in den verschiedenen Chakras im Körper finden sich dann Shaktidhama und Shivadhama. In einigen der Vaishnava Samhitas werden Mathura und Vrindavan als die Wohnstätten Gottes betrachtet. Gokula wird in einigen der Puranas als der Aufenthaltsort Gottes in dem tausendblättrigen Lotos beschrieben. Im Tantra heißt dieser Lotos Sahasra-Padma und dieser befindet sich im Innern des Kopfes. Die Beschreibungen von Vishnu und seiner entsprechenden Shakti, nämlich Lakshmi, und ihre Wohnstätte finden sich in der Brahma Samhita und sind Tantra in Reinform.

Die Tradition des Tantra hat sich eine wichtige und erhabene Position innerhalb der Gesellschaft der Vaishnavas erworben und diese hat Tantras oder tantrische Praktiken als notwendig angesehen, um Hilfe oder Unterstützung zu bekommen. Die Bhagavata Purana erkennt die Autorität des Tantra im Bezug auf die Verehrungen und die Initiation an. Dennoch haben sich auch beide - Tantra und der Vaishnavismus - gegenseitig auf vielfältige Weisen beeinflusst. Und so findet sich in einigen der Tantras auch Chaitanya, dies zeigt wiederum den Einfluss des Vaishnavismus.

Der Vaishnava-Sahajiya ist eine Art des tantrischen Vaishnavismus, der seinen Ursprung im Bengalen des 16. Jahrhunderts hat. Dieser wird im Allgemeinen als der "linkshändische Weg" und als "flüchtig" im Gegensatz zu den "orthodoxen" Standpunkten betrachtet. Im Vaishnava-Sahajiya wird versucht, religiöse Erfahrungen über die fünf Sinne zu machen. Als ein System der Verehrung von Sahaja ist dieses sehr häufig in tantrischen Traditionen anzutreffen und sowohl in den Hinduismus als auch in den Buddhismus in Bengalen im achten und neunten Jahrhundert eingegangen. Diese Tradition benutzt die Romanze von Krishna und Radha als ein Symbol der Einheit mit Gott und versucht, diese Erfahrung durch körperliche Vereinigung zu erfahren. Dieser Kult hat sich jedoch nur innerhalb von Bengalen erhalten.

Tantra im Shivaismus

Tantra im Shivaismus -auch Shaivismus-, einer weiteren hinduistischen Richtung, ist die Praxis der Verehrung von Purusha und Prakriti als eine Einheit, die mit dem gesamten Universum vereinigt wird.

Die Philosophie des Tantra im Shivaismus hatte einen sehr großen Einfluss. Der Advaita Shivaismus ist einer der Hauptaspekte im Tantra, der im Kaschmir Tal entstanden ist und der später als der Kaschmirische Shivaismus bekannt geworden ist. Das Ziel der Shaivites ist es, ihre wahre Natur als Shiva, welcher die Manifestation des Bewusstseins darstellt, zu erkennen und sich dann der gesamten Schöpfung zuzuwenden und in ihr die Göttlichkeit zu sehen.

Das ultimative Ziel des Shiva Tantra ist die Selbsterkenntnis und die Erkenntnis, dass das eigene Selbst eins mit Shiva ist. Im Shivaismus sind Purusha und Prakriti integriert. Shiva im Shaiva Tantra wird als der Yogeshwara dargestellt. Shiva hat das System der yogischen Meditation in die tantrischen Praktiken gebracht. Gott wird dabei personifiziert und mit Namen wie "der unerbittliche Mediator", "Dakshinamurti" oder der "Mahayogi" bezeichnet. Shiva ist die Basis der Begründung der yogischen Praktiken im Tantra: Ihm wird der Besitz des dritten Auges zugesprochen und er kann damit alle drei Welten gleichzeitig transzendieren. Zu Shiva gibt es in den tantrischen Praktiken unzählige Legenden und Geschichten, die von der Verniedlichung von Brahma, dem Stammvater des Universums, handeln. Die Form des Shambhavi, Shiva und Shakti sind auch ein wesentlicher Bestandteil des Shaiva Tantra. Shambhavi, wenn er vereint mit Shiva und Shakti ist, wird auch mit dem gleichnamigen Mudra in Verbindung gebracht, in diesem ist Shiva dargestellt in einer sitzenden Position mit einem heiteren Gesicht und halboffenen Augen. Shambhavi steht dabei für die Vereinigung des Mikrokosmos mit dem Makrokosmos durch das Darbringen aller Sinne zur Göttin Kali.

Die göttliche Shakti dient dazu, die göttliche Herrlichkeit Shivas gleichzeitig als transzendentes Wesen und als Kosmos zu offenbaren. Die unablässige Aktivität von Shakti wird als Schwingung bezeichnet. Die Selbsterkenntnis ist das letztendliche Ziel des Shaiva Tantra. Die gesamte Schöpfung drückt damit ihre Göttlichkeit aus. Shaktipata ist ein ausdrückliches und zentrales Konzept im Shaiva Tantra. Es wird gesagt, dass sich dieses durch all das ausdrückt, was uns auf den spirituellen Weg und uns dem ultimativen Ziel näher bringt. Dennoch wird im Shaivismus angenommen, dass die Gnade Gottes mittels der Initiation durch einen Guru kommt. Die Shaivites erkennen ihre wahre Natur als Shiva und dann nehmen sie die gesamte Schöpfung als göttlich wahr.

Eine der wichtigsten philosophischen Darstellungen, die aus den Praktiken des Kundalini Maha Yoga entstand, war der tantrische Shaivismus. Der tantrische Shaivismus war eine nicht-dualistische Denkschule, welche aus den inneren Praktiken des Kundalini entstand. Diese Praktiken sind aus den Herzen von vielen großen tantrischen Meistern entstanden, diese Meister werden als Mahasiddhas bezeichnet.

Tantra im Buddhismus

Figur aus dem Tantra Buddhismus

Tantra ist eine uralte Praxis im Buddhismus und umfasst viele Praktiken zum Erreichen von Nirvana bzw. Nirvikalpa Samadhi. Gemäß des Buddhistischen Tantrismus' sind alle menschlichen Wesen Bestandteil der gleichen universellen Energie.

Tantra im Buddhismus entstand aus einer Vielzahl methaphysischer Strömungen und religiöser Praktiken innerhalb eines bestimmten soziopolitischen Kontexts. Die Essenz des Tantra offenbart sich in seiner Etymologie. Im Buddhismus kann ein/ Tantriker/in ein ununterbrochenes Kontinuum kultivieren zwischen einem ursprünglichen Geist, einem fortgeschrittenen Geist und dem voll erleuchteten Geist des Buddhas.

Quellen der Tantrischen Theorie

Die Tantrische Theorie hat viele Gemeinsamkeiten mit den klassischen indischen Philosophiesystemen. Linguistische und metalinguistische Überlegungen basieren dabei auf der Mimamsa. Ihre Kosmologie gründet wiederum auf den Kategorien der Samkhya. Tantrische Metaphysik - größtenteils non-dualistisch und absolutistisch - ist vedantisch, insbesondere im Falle des Hindu-Tantras oder mahayanisch im Falle des buddhistischen Tantra. Die Tantrische Theorie vereint unterschiedliche Ideen, welche die leitenden Grundsätzen des Buddhismus' miteinschließen.

Methoden und Techniken im Tantrischen Buddhismus

Die wichtigsten tantrischen Praktiken im Buddhismus können in den Vier Reinheiten zusammengefasst werden: Es geht erstens darum, den eigenen Körper im Körper der Gottheit zu sehen. Zweitens soll die eigene Umgebung als das Reine Land oder das Mandala der Gottheit betrachtet werden. Drittens sollen die eigenen Freuden als der Segen der Gottheit wahrgenommen werden, und zwar unter Berücksichtigung der Freiheit von jeglicher Anhaftung. Viertens sollen eigene Handlungen ausschließlich zum Nutzen Anderer durchgeführt werden.

Der Tantrische Buddhismus verfolgt drei Methoden – das Guru-Yoga, das Gottheiten-Yoga und den Todes-Yoga.

  • 1. Guru-Yoga ist die tantrische Praxis der Hingabe, in der die Praktizierenden ihren Geistesstrom mit dem Geistesstrom des Gurus verbinden. Die Praxis des Guru-Yoga beinhaltet oft die Visualisierung eines Zufluchtsbaumes als Anrufung der Übertragungslinie.
  • 2. Im Gottheiten-Yoga werden ausgeklügelte Techniken der Imagination und der Visualisation angewendet, um sich selbst mit der göttlichen Form und den heiligen Qualitäten einer bestimmten Gottheit zu identifizieren. Diese Form kann als Einheit von Methode und Weisheit gesehen werden. Die Gottheit ist als Murti, Tangka oder Mandala dargestellt. Anrufungen sind ein wichtiger Teil des Gottheiten-Yogas. Mandalas sind dabei heilige Bestandteile und unaufhaltsame Essenz eines Yidams.
  • 3. Der Todes-Yoga ist ein anderer wichtiger Aspekt der Tantratechniken und wird zu Lebzeiten praktiziert. Er ist eine meditative Praxis, welche die Praktizierenden dazu verhilft, sich für das vorzubereiten, was sie im Augenblick des physischen Todes tun sollten. Dann nämlich befindet sich der Geist in einem klaren Zustand, der zur Erleuchtung führen kann, wenn ein geschicktes Handeln geschieht. Während der Zeit des Todes, der Wiedergeburt und im Zwischenststadium befindet sich der Geist in einem sehr feinen Zustand. Ein fortgeschrittener Praktizierender kann diesen natürlichen Zustand nutzen, um bedeutende Fortschritte auf dem spirituellen Pfad zu machen.

Liebe und Leidenschaft sind wichtige Aspekte des Tantrischen Buddhismus'. Buddhistische Ikonographie nutzt die sexuelle Polarität, um die miteinander verbundenen Konzepte von Einsicht und Mitgefühl zu symbolisieren. Alle Göttinnen sind Symbole der Einsicht, während die männlichen Götter das Mitgefühl darstellen. Diese Einheit wird bildlich dargestellt, indem die Gottheiten in sexueller Begegnung gezeigt werden. In Sanskrit werden solche Bilder Yuganaddha genannt. Diese sexuelle Metapher wird auch verwendet, um auf die höchste Stufe des Yoga hinzudeuten, die frei ist von Gegensätzen oder von Unterscheidungen. Die buddhistischen Paare in der tantrischen Ikonographie feiern die tiefe Harmonie der Geschlechter und sind der Verwirklichung der letzten Wahrheit gewidmet.

Götter des hinduistischen Pantheon werden im Buddhistischen Tantra nicht anerkannt. Shakti oder Shaktismus werden nicht erwähnt. Die Buddhisten haben Upaya und Prajna, der buddhistische Verteidiger Sunyata. Bezüglich des Ziels und Weges dorthin, sind Ähnlichkeiten zum hinduistischen Tantra erkennbar. Mantren, Gurus und Mandalas werden im Buddhistischen Tantra ebenfalls verwendet. Es wird behauptet, dass Namen von Hindu-Gottheiten, die mit -vajra enden oder anfangen, ihren Ursprung im Tantrischen Buddhismus haben. Buddhistisches Tantra erkennt puranische Gottheiten - wie Ganesha oder Sarasvati - an.

Buddhistisches Tantra betont den Kult der Mutter-Göttinnen nicht, so wie es im Hindu-Tantra der Fall ist. Guhyasamajatantra und Manjusri-Mulkalpa sind Buddhistische Tantras, die auf die Zeit ca. 650 v.Chr. zurückgeführt werden können. In manchen Werken werden dem Buddha erstaunliche Kräfte zugesprochen, wie die Verwandlung eines Drachens in ein Insekt oder die Möglichkeit, Flüsse zu Fuß zu überqueren. Es gibt literarische Nachweise, die zeigen, dass Buddha von tantrischen Ideen beeinflusst wurde.

Grundsätze des Buddhistischen Tantrismus'

Die Grundsätze des Buddhistischen Tantra basieren auf der Philosophie des Hinayana, des Mahayana und des Vajrayana. Tantrischer Buddhismus ist auch als Vajrayana-Buddhismus bekannt.

Die Grundsätze des Buddhistischen Tantras kreisen im Wesentlichen um das Erreichen der Erleuchtung durch Identifizierung mit tantrischen Gottheiten. Tantra ist die Methode, durch welche Unterweisungen anschaulich werden. Buddhistisches Tantra wird oft mit den Vajrayana-Geheimnissen des Tibetischen Buddhismus' in Verbindung gebracht. Vajrayana ist ein komplexes buddhistisches Gedankensystem, welches sich über mehrere Jahrhunderte entwickelt hat und dessen Hauptschriften als Tantras bezeichnet wurden. Buddhistischer Tantrismus ist sehr rituell gesprägt.

Laut dem Tantrischen Buddhismus' ist Tantra ein Weg, die Energie des Verlangens zu lenken und die Erfahrung des Genusses in Erleuchtung umzuwandeln. Die “Vier Reinheiten” bieten eine Kurzfassung der Grundsätze des Buddhistischen Tantra:

  • der eigene Körper muss als Körper der Gottheit angesehen werden
  • die eigene Umgebung muss als das Mandala der Gottheit angesehen werden
  • Genuss und Glück müssen als das Glück der Gottheit angesehen werden, wobei keine Anhaftung erkennbar sein soll
  • sein Handeln soll sich am Nutzen für Andere orientieren

Die Praxis des Vajrayana galt als der erfolgreicheste Weg, um das Ziel der Erleuchtung zu erreichen. Die Anweisungen des Gurus sind wesentlich, um die komplexen psychophysischen Meditationstechniken zu praktizieren. Mantras werden als Anrufung Buddhas verwendet. Mantras werden wiederholt, um karmische Verbindungen zwischen dem Praktizierenden und der Gottheit zu schaffen. Praktizierende erwecken somit ihr eigenes verborgenes Potential, um Erleuchtung zu erreichen.

Rituale spielen im Tantrischen Buddhismus eine wichtige Rolle. Sie sind eine Alternative für die früher praktizierten begriffsgebundenen Meditationen. Das Ziel der spirituellen Praxis liegt darin durch das Erreichen der vollständigen Erleuchtung, Buddha zu werden. Alle Praktiken müssen mit der Motivation ausgeführt werden, die Buddhaschaft zum Nutzen aller Lebewesen zu erreichen.

Alle tantrischen Praktiken haben das Ziel, die unreine Wahrnehmung des Praktizierenden zu reinigen, so dass er die letztendliche Wahrheit sehen kann. Diese schließen fortgeschrittenere Techniken des tantrischen Sadhana ein. Es gibt gewisse Gelübde für die niederen Ebenen des Tantra, die während einer Einweihung für ein bestimmtes Anuttarayoga-Tantra angewandt werden. Diese Gelübde variieren in Abhängigkeit von der spezifischen Mandala-Praxis, für welche die Einweihung erfolgt. Von einem tantrischen Guru wird erwartet, dass er/sie, die Gelübde in gleicher Weise einhält, wie dies für seine/ihre Schüler-/innen gilt.

Varianten der Buddhistischen Tantras

Die Varianten der Buddhistischen Tantras werden in vier Kategorien unterteilt. Das Ziel aller Tantras ist, Erleuchtung des Geistes hervorzubringen. Die am meistens anerkannten Buddhistischen Tantras sind: Kriya-Tantra, Carya-Tantra, Yoga-Tantra und Anuttara-Tantra.

Der mantrayanische Buddhismus identifiziert neun Yanas. Diese sind Sravaka-Yana, Pratyebuddha-Yana, Bodhisattva-Yana, Kriya-Tantra-Yana, Carya-Tantra-Yana, Yoga-Tantra-Yana, Maha-Yoga-Tantra-Yana, Anuttara-Yoga-Tantra-Yana und Ati-Yoga-Tantra-Yana. Die letzten Yanas sind allgemein als Anuttara-Tantra bekannt.

Kriya-Tantra Kriya-Tantra ist für Aspiranten gedacht, die Freude an äußeren Handlungen haben. Diese äußeren Handlungen sind z.B. baden, säubern usw. Diese helfen dem/der Sadhaka, Körper und Geist zu reinigen. Im Kriya-Tantra wird die Gottheit als außerhalb des/der Sadhaka/s stehend angesehen. Die Praxis von Kriya-Tantra soll Praktizierende in einer Zeitspanne von sechzehn Lebensjahren zur Erleuchtung führen.

Das Sadhana des Kriya Tantra beinhaltet drei Methoden zur Durchführung: Meditation mit Murmeln (Japa), Meditation ohne Murmeln und die Vollendung der Siddhis nach erfülltem selbstlosen Dienst (Seva).

Susiddhikara und Dhyanottaraopa Talakrama werden als wichtige Kriya-Tantras angesehen.

Carya-Tantra Das Carya-Tantra richtet sich an Aspiranten, die Freude daran haben, sowohl äußere Handlungen zu praktizieren als auch sich dem inneren Yoga zu widmen. Der Begriff Carya bedeutet Verhalten und bezieht sich einerseits auf die Handlung, die im Rahmen des Rituals auszuführen ist. Andererseits ist damit der wichtige Aspekt der Haltung der ausführenden Person gemeint, den diese während der Vorbereitung und der Durchführung des Rituals einnehmen muss.

Das Carya-Tantra hat vier Teile. Der erste Teil umfasst die Einweihung, um eine Person zum geeigneten Gefäß für die ernsthafte Kontemplation des Pfades zu machen. Der zweite Teil ist die Reinigung der Gelübde und Versprechen, die auch im Kriya-Tantra vorkommen. Der dritte Aspekt umfasst den Vorgang des vorbereitenden selbstlosen Dienstes.

Schließlich ist der vierte Teil die Methode zur Vollendung der Siddhis, nachdem eine gewisse Vervollkommnung im selbstlosen Dienst erreicht wurde. Dabei visualisiert der Sadhaka die Gottheit als extern und über ihm/ihr stehend. Die Praxis des Carya hilft dem/der Sadhaka, sich mit dem Dharma vertraut zu machen. Es wird behauptet, dass Carya zur Befreiung innerhalb einer Zeitspanne von sieben Lebenszyklen führt.

Die Hauptpraxis des Carya-Tantra ist Mahavairocanaabhisambodhi-Tantra. Diese Art des Tantras beinhaltet Einweihungen und Meditationshaltungen sowie Rituale mit Symbolen und geometrischen Formen und Diagrammen, welche der Verschmelzung der eigenen Identität mit Buddha dienen.

Yoga-Tantra Das Yoga-Tantra soll die Aspiranten dazu motivieren, Freude im Yoga des inneren Samadhis zu finden. In diesem Fall bedeutet Yoga die Vereinigung mit Dharmadhatu, indem eine intensive Kontemplation einer Gottheit durchgeführt. Der Schüler bzw. die Schülern begibt sich auf eine Reise vom Äußeren zum Inneren. Das Ziel ist eine tiefgreifende Konzentration, die das Tor zur persönlichen Befreiung darstellt. Samadhi wird durch das Unterdrücken des Umherziehens der diskursiven Gedanken und durch das einpünktige Fixieren des Geistes auf ein Meditationsobjekt erreicht.

Alle vier Tantra-Formen bedienen sich dem Gottheiten-Yoga. Im Yoga-Tantra stellt sich der Praktizierende selbst in Form von Buddha vor. Auf diese Weise werden Körper und Geist samt ihrer Verhaltensweisen in Buddhas Körper und Geist transformiert.

Im Yoga-Tantra stellt sich der/die Sadhaka als Gottheit vor und der Yidam verschmilzt mit ihm. Der Praktizierende soll demnach Befreiung innerhalb von drei Lebenszyklen erlangen.

Anuttarayoga-Tantra Der Anuttarayoga-Tantra ist eine Tantra-Form, die sich an Aspiranten richtet, die Freude an inneren Formen von Yoga finden. Es gibt vier Einweihungen, die in Annuttarayoga-Tantra gegeben werden. Diese sind: die Behälter/Meister-Einweihung, die geheime Einweihung, die Einweihung in Wissen und die vierte Einweihung. Die Schritte auf dem Pfad des Annuttarayoga-Tantra sind in zwei Schritte unterteilt: die Erzeugung und die Vollendung.

Der erste Schritt wird Pfad der Reifung genannt, in dem die Formen der männlichen und weiblichen Gottheiten als vollständiges Mandala visualisiert werden. Ihre Formen, Mandalas, Symbole und Bija-Mantren werden benutzt, um die unterschiedlichen Manifestationen der Persönlichkeit einzufangen und zu reinigen. Der Schritt der Reinigung ist notwendig, um zum nächsten Schritt der Vollendung fortschreiten zu können. Die Schritte der Vollendung werden 'Pfad der Befreiung' genannt, In der Vereinigung der zwei bereinigten Formen werden Mandalas und die Bija-Mantren der Gottheiten durchgeführt. Das gesamte Prozess wird 'Evam' bezeichnet.

Der Vorgang der Erzeugung wird durch den Buchstaben “e” und der Silbe “vam” angezeigt. Diese zwei Komponenten des Wortes “Evam” repräsentieren die gereinigten männlichen und weiblichen, Sonnen- und Mondgottheiten samt ihrer Mandalas. Der Vorgang der Vollendung wird durch die Vereinigung dieser zwei Komponenten angezeigt, was die Einheit der zwei Gottheiten, der Weisheit und der Methode, symbolisiert.

Anuttarayoga-Tantra lässt sich in drei Bereiche untergliedern; diese werden Mahayoga, Anuyoga und Atiyoga genannt. Mahayoga and Anuyoga werden Vater- bzw. Mutter-Tantra genannt, da bei der ersten Form der Schwerpunkt auf der aktiven Verwirklichung des Ideals des Karuna liegt, während bei der zweiten Form die Betonung auf dem Ideal des Prajna oder auf der transzendentalen Weisheit gelegt wird.

Mahayoga und Anuyoga sind beide Vorbereitungen für das Ziel des Atiyoga. Im Mahayoga wird der Vorgang der Erzeugung praktiziert und der Sadhaka erlangt eine klare Sicht und eine ununterbrochene Meditation. Im Anuyoga führen die Praktiken der Energielenkung zur Erlangung von Siddhis. In Atiyoga wird der Geist in einen Zustand spontaner Leuchtkraft versetzt. Atiyoga-Tantra ist non-duales Tantra.

Buddhistische Tantra-Praktiken haben somit das Ziel, den Geist des/der Sadhaka zu reinigen und einen Weg zur Erleuchtung herzustellen.

Tantra im Jainismus

Yajna-Feuerzeremonie

Tantra hat im Jainismus einen unübersehbaren Einfluss gehabt. In den Anweisungen für die psychologischen und physischen Disziplinen sowie in den Glaubensprinzipien hinter den magischen Ritualen sind diverse Elemente aus dem Tantrismus zu finden.

Tantra im Jainismus ist bedeutend, dies zeigt sich auch in dem Bezug auf die Mudras in dem wichtigen Werk des Jainismus, dem Jaina Matrkas Vidyadhari, dies sind die Regeln für die physische und psychologische Disziplin. Hier zeigt sich dies u.a. in Yoginis, dem Glauben an magische Rituale und die Kraft der Mantras und an wundersamen Kräfte von Mahavira. Auch wurde niemals die Möglichkeit, dass mit Hilfe der heiligen Sprache eines tantrischen Idioms weltliche Ziele erreicht werden können, in Abrede gestellt. Ganz im Gegenteil wurde eine ausgefeilte Wissenschaft der Mantras und Yantras entwickelt, und diese erlaubte ihnen, an der Welt der magischen und mystischen Rituale teilzuhaben. Mantras und magische Schwüre sind in großer Vielfalt im Jainismus zu finden.

Um etwa das elfte Jahrhundert herum begannen die Jains damit, ihre eigene Form der Mantrasastra und der Rituale zu erarbeiten. Dabei wurde die Fähigkeit, mit Hilfe eines magischen Fluches, sowohl menschliche als auch göttliche Widersacher zu überwinden, als ein Weg angesehen, wie ein Mönch Ruhm und Ehre für die Religion des Jainismus mehren konnte. Die Yoginis repräsentierten gemäß der Jains eine unheilvolle Form der tantrischen Magie.

Die Methoden und Eigenarten des Gottesdienstes im Jainismus haben ihren Ursprung im System des Hinduismus. Diese beinhalten auch Rituale der Anbetung der hinduistischen Göttinnen gemäß tantrischen Methoden. Die Puja oder auch die Yajna sind Formen von heiligen Praktiken, wie sie von den Jains praktiziert werden und sind dabei stark vom Tantrismus beeinflusst worden. Einige Digambaras wie z.B. Jinasena, Camundaraya, Asadhara, Medhavin und Vamadeva nennen eine unrealistische Einteilung der Pujas in fünf Grundtypen, und diese sind ebenfalls wieder von tantrischen Methoden der Gottesverehrung geprägt worden. Nitya-Maha ist darin die gewöhnliche Puja, wie sie zu Hause oder in einem Tempel ausgeführt wird. Und im Tantra-System gibt es ebenfalls eine vergleichbare Verehrung. Mahamaha ist darin die Art von Puja, wie sie von Königen ausgeführt wird und sie vergleichbar mit dem tantrischen Prozess an sich. Die dritte Sorte von Pujas wird von Chakravartins durchgeführt, die damit all ihre Wünsche erfüllen möchten. Und auch in der tantrischen Tradition gibt es eine ähnliche Puja, die Chakrapuja, mit der Sadhakas versuchen, all ihre Wünsche erfüllt zu bekommen. Die vierte Art von Puja dauert insgesamt acht Tage, und diese wird von den Herrschern in Nandisvaradvipa angeboten. Und auch diese Art von Puja findet sich als die Vamachara Puja im Tantrismus, diese ist eine Art von Astahniki, die mittels tantrischen Methoden ausgeführt wird.

Es gibt dabei grundsätzlich vier Elemente der Verehrung in der Digambara Sekte- das Baden der Figuren und Abbildungen, die Opfergaben (Bali, Arca, Puja), das Lobpreisen der Jina und das Murmeln oder Wiederholen der heiligen Anrufungsformeln. Und diese sind genauso im Tantrismus zu finden: Bali, Japa, Stava und Abhishekas. Und auch die Swetambara Sekte ist nicht weit von dem Einfluss des Tantrismus in Ihren Anbetungen entfernt. Diese haben dabei drei Sorten von Pujas, diese sind bekannt als: Angapuja, Agra Puja und Bhava Puja. Und genauso werden auch diese drei Typen der Anrufungen in den tantrischen Gottesdiensten und Praktiken verwendet. Es gibt insgesamt sieben Arten der Vyasanas im Jainismus, die durch das tantrische Panchamakara System beeinflusst sind.

Und so lässt sich zusammenfassen, dass der Tantrismus den Jainismus auf die verschiedensten Weisen beeinflusst hat, insbesondere in den Gottesverehrungen und Ritualen.

Tantra und Schamanismus – Energien im Fluss

Interview mit Maharani Fritsch de Navarrete, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 27, Herbst 2013

Anlässlich des Yoga Kongress 2012 ‚Chakra, Tantra, Kundalini‘ haben wir mit Maharani Fritsch de Navarrete gesprochen. Als Yogini und Schamanin mit westlicher psychologischer Ausbildung schlägt sie energetische Brücken zwischen Amazonien und Indien.

Ich durfte in meinem Workshop wunderbare Zusammenhänge zwischen Yoga, Tantra und Schamanismus herstellen und diese hoffentlich nicht nur durch den informativen Part, sondern auch vor allem durch den rituellen Teil zum Ausdruck bringen. Diese alten holistischen Systeme sind nur scheinbar voneinander getrennt- in allen geht es um Heilung, Heil-Werden, Ganz-Werden, Heilig-Werden, Verbunden-Sein. Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich auf die Brücken hinweisen darf, auf die Ur-Quelle und die Ur-Verbindung. Höheres Sein bedeutet immer ein höheres Verbundensein. Für Yogis, für Tantriker, für Schamanen, für Bewusste.

Nach so vielen Jahren spiritueller Praxis verschiedenster Traditionen, als Yogalehrerin und Schamanin - siehst du Verbindungen zwischen Tantra und Schamanismus und wenn ja, welcher Art?

Für den Schamanen geht die kosmische Evolution vom Schamanismus (Ur-Form des spirituellen Ausdrucks) über den Hinduismus zum Buddhismus. Tantra und Schamanismus decken sich dermaßen, dass sie fast identisch sind in der Vorstellung, dass männlich und weiblich oder auch das Spiel der Gegensätze die Grundlage aller Prozesse im Universum sind. Vor allem in Nepal, wo ich - neben Peru - auch meine Lehrer habe, ist dies sehr gut sichtbar. Dort fließen Yoga, Tantrismus und Schamanismus permanent zusammen und sind nur schwer voneinander zu trennen. Ein Yogi gilt als Shivait, was mit Tantriker gleichgesetzt wird, und ein Tantriker ist in diesem Kontext auch ein Schamane. Zum Beispiel schamanische Elementenverehrung, also Naturrituale, verfeinerten sich nach und nach in der vedischen Zeit zum Havan/Agnihotra, Puja und Yajna (Feuer- und andere Rituale). Shiva selbst ist ja der Urahne der Schamanen als Pashupati, Herr der Tiere, als Shankara und Bhairava.

Gleichzeitig ist er der Ur-Tantriker und Ur-Asket als Mahadev, Mahesvar und Yogeshwara, der Vater des Yoga. Er zieht einsam, mit Asche beschmiert, auf seiner Damaru trommelnd, durch die Wälder und hält sich auch an den Ghats, den Verbrennungsstätten (Orte der Transformation), auf. Gleichzeitig meditiert er als Sadashiva über das Höchste und als Nataraj tanzt er das Spiel der Gegensätze und Transformation. Der Name Shaman bedeutet ja: „der, der wirklich sieht”. Ein Drsthi also, ein Seher.

Bagalamukhi Tantra Gemälde: Die Göttin Bagalamukhi Devi, eine der 10 Mahavidyas, Weisheitsgöttinnen aus dem Tantra, mit Yoni und Lingam

Und wer kann besser sehen, als der dreiäugige Shiva? Yoga- Asanas entsprangen der Nachahmung der Natur und viele haben Tier- oder Pflanzennamen.

Weitere Gemeinsamkeiten gibt es im Verständnis, dass alles miteinander verbunden ist, dass wir vom Energieuniversum umgeben sind, das heißt, dass Schwingung die Grundlage der grobstofflichen Manifestation ist.

Gibt es dann in der schamanischen Energiemedizin auch eine Art von Kundalini-Erfahrung?

Natürlich! Im nepalesischen, aber auch im peruvianischen (dort gibt es mehrere Schulen) Schamanismus sind Energieerfahrungen die tägliche Praxis-Erfahrung. Mahakali (Indien und Nepal) und Pachamama (Peru, Bolivien, Ecuador) ist die Urquelle der schöpferischen Kundalini-Shakti. Das Erwachen im schamanisch-tantrischen Sinne ist die konstante Rückverbindung mit dieser Kraft, die allen Phänomenen zugrunde liegt. Bei meinen ersten Peru-Reisen staunte ich nicht schlecht, als ich entdeckte, dass das Energiesystem der Schamanen und die Vorstellung vom Energieuniversum und Energiemedizin sich mit dem Kundalini Yoga deckt bzw. ihm sehr, sehr ähnelt. Natürlich werden andere Termini benutzt, für die Inka-Schamanen sind die Chakras Nawis oder Ojos de cinturon, also „Augen”, das Aufsteigen von Kundalini heißt el kawsay und sushumna Nadi heißt kurku. Statt Sahasrara haben wir Uma oder Pujuy... etc. Aber die Phänomene sind exakt die gleichen.

Du hast den Workshop ‚Schamanische Energiemedizin für das neue Zeitalter gehalten’, was sind die Kennzeichen des neuen Zeitalters aus deiner Sicht und wie kann man sich energetisch darauf vorbereiten?

Für die Schamanen ist die Periode momentan eine besondere Zeit, vor allem im Inka Schamanismus - diese Zeit wird Pachakutec (Wandel) genannt. Aber: es gibt keinen Erlöser, keinen Heiland von außen, keinen Zauberstab, der dich rettet… Für die Schamanen, für bewusste Spiritualisten ist die Zukunft jetzt schon da! Der erwartete Pachakuti-Inka, der letzte König ist kein erlösender Avatar, sondern vielmehr eine besondere Schwingung zum Empfangen hochfrequenter spiritueller Energie. Das Bewusstsein ist entscheidend und dein eigenes JA zur Heilung auf allen Ebenen- das ist die Absichtserklärung an das Universum. Es geschieht momentan, dass mir in meinen Kursen und Ausbildungen immer mehr Menschen begegnen, die an der Heilung aus der ersten Hand interessiert sind, nicht an den Dogmen alter schulmedizinischer Systeme... Und immer mehr Menschen machen die reale Erfahrung, dass dein innerer Heiler nur darauf wartet, wieder aktiviert zu werden! Für bewusste Yogis, Tantriker, Schamanen, Spiritualisten ist dies eine Zeitqualität des Umschwungs. Mein Meister in Peru sagte einmal so schön: „Diese Zeit ist eine Entwicklungshilfe.”...

Göttinnenverehrung im Tantrismus

Im Tantrismus wird die Göttin in zahllosen Namen und Gestalten verehrt.

Shakti

Shakti ist der abstrakte Name und bedeutet „Kosmische Energie“. Viele westliche Aspiranten haben heutzutage gerne ein abstraktes Gottesbild ohne Darstellung der Göttin als Person und beziehen sich gerne auf diese „Kosmische Energie“.

Kali

Kali tanzt auf Shiva

Kali ist die schwarze Göttin. Schwarz steht für geheimnisvoll, unergründbar. In vielen Darstellungen tanzt sie auf dem liegenden, lächelnden, unbeweglichen Shiva. Shiva symbolisiert das Bewusstsein, das sich nicht bewegt. Kali ist der Tanz der Energie, in beständiger Bewegung. Kali wird dabei mit verschiedenen Waffen dargestellt. Sie streckt die Zunge heraus, reißt ihre Augen auf und hat eine Girlande aus Schädeln um den Hals hängen. Dies symbolisiert zum einen die Intensität der Erfahrung, mit der wir das Leben erleben können und zum anderen die Vergänglichkeit: Nichts bleibt, alles ist im Fluss. Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Es gilt, mit der Schöpfung mitzutanzen, an nichts zu hängen, nirgends festhalten zu wollen, alles loszulassen. Dann ist der Schöpfungstanz wunderbar und ekstatisch. Andernfalls bringt er uns um.

Durga

Durga symbolisiert die Muttergöttin in Reinform. Sie reitet auf einem Tiger (oder einem Löwen), lächelt, hat verschiedene Waffen und hebt ihre Hände zum Segen. Dies symbolisiert, dass die Göttin beziehungsweise Kosmische Energie sich wie unsere Mutter um uns kümmert. Sie will uns erziehen, fordert uns auf, stark zu sein wie ein Tiger, zu brüllen wie ein Löwe (und nicht zu blöken wie ein Schaf). Sie schützt uns, tadelt uns aber auch, und macht uns das Leben unangenehm, wenn wir uns ausruhen wollen. Wenn wir uns ihr aber wie ein Kind ganz anvertrauen, hält sie ihre schützende Hand über uns und führt uns bis zur höchsten Verwirklichung. Nicht umsonst heißt es, dass wir aus eigener Kraft die höchste Verwirklichung nicht erreichen können, sondern die Gnade und den Segen der göttlichen Mutter benötigen.

Lakshmi

Lakshmi ist die Göttin der Fülle, der Schönheit und des Wohlstands. Sie steht auf einem Lotus im Wasser. Um sie herum heben zwei Elefanten ihre Rüssel (was Glück und Wohlstand symbolisiert). Lakshmi hat vier Hände. Zwei davon halten nach oben geöffnete Lotusblüten. Zwei Hände sind in einer Segensgeste nach vorne beziehungsweise unten gehalten. Aus diesen Händen fallen Goldmünzen (oder auch Blüten) nach unten. Lakshmi symbolisiert die Schönheit der Schöpfung. Sie symbolisiert, dass die Göttin in der Schönheit der Natur und in allen Gaben gegenwärtig ist. Sie steht auch für das Ideal des Karma-Yogis, des uneigennützig Dienenden: Wenn wir anderen helfen wollen, müssen wir uns nach oben hin öffnen, um Kraft und Gaben zu bekommen. Dies wird symbolisiert durch die zwei nach oben zeigenden Hände von Lakshmi beziehungsweise dadurch, dass wir uns für die nach unten zeigenden segnenden Hände Lakshmis öffnen. Diese Kräfte und Gaben wollen wir an andere Menschen weiter geben (symbolisiert durch die nach unten zeigenden Hände und die Münzen beziehungsweise Blüten). Um geben zu können, müssen wir empfangen. Und wenn wir uns zum Instrument machen und nicht unsere eigene Energie, sondern göttliche Kraft weitergeben, werden wir durch Geben niemals arm werden, sondern uns im Gegenteil stets reich beschenkt fühlen.

Saraswati

Saraswati ist die Göttin der Künste, der Erkenntnis und der Weisheit. Sie sitzt meist auf einem Felsen. Dies symbolisiert, dass wahre Weisheit Festigkeit gibt. Sie trägt einen weißen Sari, der für Reinheit steht. Saraswati spielt eine Vina (Musikinstrument) und hält in den Händen ein Buch und eine Kette. Dies symbolisiert die wichtigsten Künste Musik, Literatur und bildende Kunst. Ein echter Künstler meint nicht, dass er selbst schafft. Vielmehr hat er das Gefühl, dass es durch ihn hindurch wirkt. Wenn wir uns ganz zu Instrumenten der Kosmischen Energie machen, werden wir wahrhaft kreativ und wunderbare Kräfte können durch uns wirken. Schließlich symbolisiert Saraswati aber auch die höchste Erkenntnis und Verwirklichung der Einheit.

Gayatri

Gayatri

Gayatri wird im Westen seit ein paar Jahren immer populärer. Zum einen deshalb, weil das Gayatri-Mantra in wunderschönen Vertonungen die „Charts“ spiritueller Musik immer wieder anführt, zum anderen weil Gayatri als Manifestation göttlichen Lichts dem Bedürfnis moderner Aspiranten nach nicht vermenschlichter Gottesvorstellung nachkommt. Das Gayatri Mantra lautet

„Om Bhur Bhuvah Swaha

Tat Savitur Varenyam

Bhargo Devasya Dhimahi

Dhiyo Yo Nah Prachodayat“

(In recht freier Übersetzung: „Wir verehren die Höchste Göttliche Lichtenergie, die die physische, astrale und kausale Welt geschaffen hat. Wir meditieren über diese göttliche Kraft. Möge sie unseren Verstand erleuchten, sodass wir die Wahrheit erfahren.“) So können wir in Gayatri die Lichtkraft hinter allem verehren. Die moderne Physik sagt, dass hinter allem die gleiche Energie steckt. Und da Licht das Urbild von Energie ist, ist die Verehrung der Kosmischen Energie als Lichtkraft etwas ganz Wunderbares.

Multimedia

Kundalini Yoga: Tantra

Das Ewige und das Vergängliche – Shiva-Shakti 1

Sei verhaftungslos und … Shiva-Shakti 2

Setze dich durch – und gebe nach – Shiva-Shakti 3

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Pranayama

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