Jnana Yoga
Jnana Yoga (Sanskrit: ज्ञानयोग jñānayoga m.) ist der Weg der Erkenntnis, oder auch der "Yoga des Wissens". Jnana Yoga stellt die Frage: „Wer bin ich?" Die Grundlage für Jnana Yoga ist Vedanta. Du findest auf dieser Seite viele interessante Beiträge zum Thema Vedanta und Jnana Yoga, u.a. auch von Swami Sivananda und von Sukadev Bretz, Gründer und Leiter von Yoga Vidya.
Jnana Yoga ist allerdings nicht einfach intellektuelles Philosophieren. Es ist ein Prozess, der sich in 4 Stufen vollzieht.
Jnanayoga ज्ञानयोग jñāna-yoga Aussprache
Hier kannst du hören, wie das Sanskritwort Jnanayoga, ज्ञानयोग, jñāna-yoga ausgesprochen wird:
Die vier Schritte im Jnana Yoga
Shravana: Hören
Der erste Schritt ist Shravana, das Hören der Weisheit, vorzugsweise aus dem Mund eines Selbstverwirklichten.
Manana: Nachdenken
Der zweite Schritt ist Manana, eigenes Nachdenken bzw. Kontemplation über das Gehörte. Die meisten Jnana Yoga Schriften sind als Zwiegespräch zwischen Meister und zweifelndem Schüler geschrieben.
Nididhyasana: Meditieren
Der dritte Schritt ist Nididhyasana, die Meditation, die über das Intellektuelle hinausgeht und den Zugang zum intuitiven Begreifen öffnet. Eine Umsetzung in die Praxis des täglichen Lebens ist auf dieser Stufe parallel zur Meditation notwendig.
Anubhava: Verwirklichen
Im vierten und letzten Schritt erfolgt Anubhava, die volle Verwirklichung. Hier werden alle Antworten voll beantwortet und der Jnana Yogi erkennt die Wahrheit, oder besser, sein eigens Selbst.
Sukadev über Jnana Yoga
Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Jnana Yoga
Jnana Yoga ist der Yoga des Wissens. Jnana Yoga, der Yoga der Erkenntnis. Yoga heißt Einheit, Yoga heißt Verbindung. Yoga heißt sowohl die Erfahrung der Einheit, wie auch jede Praxis, die man macht, um die Einheit zu erlangen. So ist Jnana Yoga zum einen die höchste Einheit aus der Erkenntnis heraus; Jnana Yoga heißt aber auch, durch Erkenntnis zur höchsten Einheit zu kommen. Jede Praxis, um Jnana zu erreichen, ist Jnana Yoga. Vielleicht hast du schon den Vortrag gehört über Jnana Abhyasa, das ist jede Bemühung. Und Jnana Yoga ist der gesamte Yoga Weg, um zum Jnana, zum Höchsten zu kommen. Jnana Yoga basiert auf Vedanta, der Philosophie des Absoluten. Jnana Yoga ist der Weg, die Philosophie von Vedanta zur Verwirklichung zu bringen. Jnana Yoga ist der Yoga, um durch Erkenntnis zur Befreiung zu gelangen.
Es ist oft die Frage, wie erreicht man Mukti, Befreiung? Wie erreicht man die Erleuchtung? Und da gibt es viele Aussagen und gerade die Schriften von Shankara sagen, durch Jnana, durch Erkenntnis. Wenn du erkennst, wer du wirklich bist, dann bist du frei. Angenommen, du hast bisher gedacht, du bist der Sohn eines Handwerkers und du erfährst, dass es bei der Geburt irgendwo eine Vertauschung gab, und in Wahrheit bist du der Sohn eines Königs, nehmen wir das einmal an. In dem Moment, wo du es erkennst, ist dein Sein anders. Die Erkenntnis „ich bin ein Prinz“, ändert dein Leben radikal. Oder wenn du hörst, der Mann, den du bisher als deinen Vater angesehen hast, ist nicht dein Vater – dein Leben ist radikal anders.
Erkenntnis ändert das Seinsgefühl, daher ist Erkenntnis nicht nur irgendetwas, sondern es ist etwas Wichtiges. Jnana Yoga sagt, über Erkenntnis des Selbst erreichst du Befreiung und die höchste Wirklichkeit. So ist also Jnana Yoga der Weg der Erkenntnis. Jnana Yoga hat so viele Teile und wenn du auf den Yoga Vidya Seiten nach Jnana Yoga suchst, dann findest du dort eine ganze Menge. Wir haben ganze Bücher über Jnana Yoga, die es auch als Online-Versionen gibt, es gibt viele Artikel, viele Videos darüber. Jnana Yoga – der Yoga der Erkenntnis. Jnana Yoga – der Yoga der Weisheit und des Wissens.
Shankaracharya Yoga Vedanta Blog
Lerne mehr über Shankaracharya, den großen Philosophen und Lehrer des Vedanta. Der Shankaracharya Yoga und Vedanta Blog stellt Kommentare zu Shankaracharyas wichtigsten Ausarbeitungen als Podcasts oder Videos über Yoga und Vedanta zum Studium bereit. Insbesondere Atma Bodha (Die Erkenntnis des Selbst) und Viveka Chudamani (Das Kronjuwel der Unterscheidung).
Swami Sivananda über Jnana Yoga
aus seinem Buch "Yoga im täglichen Leben"
Der Yoga der Erkenntnis ( Jnana-Yoga)
„Befreiung (Moksha) ist das höchste Gut des Lebens, Freiheit von Geburt und Tod, aber keineswegs Vernichtung, nur Vernichtung dieses kleinen Ichs. Man erlangt Moksha durch Erkenntnis des Selbst. Man muss durch unmittelbare intuitive Erfahrung die Wahrheit erkennen. Man muss durch Meditation über das Selbst den Schleier des Nichtwissens zerreißen. Dann wird man in seiner ursprünglichen Reinheit und göttlichen Herrlichkeit leuchten.“
Bejahe die Majestät deines wirklichen Selbst
Du bist nicht das kleine Selbst Herr Fritz Müller. Du bist auch nicht Fräulein Grete Meier. Und du bist nicht Herr Karl Schmidt und du nicht Frau Bergmann. Versuche doch diese körperliche Vorstellung zu beseitigen. Versuche diese Geschlechtsvorstellung auszulöschen. Du bist weder männlich noch weiblich. Verwandle die Geschlechtskraft oder Zeugungskraft in geistige Energie oder Ojas Shakti durch fromme Gedanken, andauernden Verkehr mit Heiligen (Satsanga), ununterbrochene Atma-Erforschung, Studium von Atma-Jnana-Büchern, geistige Schulung und Meditation. Denke immer: „Ich bin. Ich existiere. Ich bin ein Zentrum des Bewusstseins im Ozean des Lebens. Ich bin ein Zentrum von Denken, Einfluss und Macht.“
Mut, Kraft, Stärke, Weisheit und Freude sind dein göttliches Erbe, dein Geburtsrecht aus dem Absoluten. Entwickle deine Willenskraft. Der Wille hat schon Riesen des Intellekts und des Geistes geschaffen. Du bist ebensoviel wie jeder andere Mensch. Du bist aus derselben Quelle hervorgegangen. Du bist ein Ausdruck desselben einen Lebens, des einen Seins, des einen Seienden (Sat), der einen Wirklichkeit. Du bist das wirkliche „Ich“, das wirkliche Atma. Du bist unsterblich. Du kannst kaum vernichtet werden. Du bist unbesiegbar. Du kannst auf keine Weise zerstört werden. Glaube an diese Sinnenwelt allein bedeutet Tod. Deine eigentliche Natur ist absolute Wirklichkeit (Satchidananda), Unsterblichkeit und Seligkeit. Wer das Selbst schaut, schaut weder Tod noch Krankheit noch Sorgen. Der Schauende schaut alles als sein eigenes Selbst. Er durchdringt alles. Er erkennt alles. Er ist allmächtig.
Jnana Yoga, der Yoga des Wissens
Was ist Atman?
Atman oder Brahman ist absolute Existenz, absolute Erkenntnis, absolute Seligkeit. Es ist etwas anderes als der grobe, feine und ursächliche Leib. Es reicht über die fünf Hüllen des Nichtwissens (Pancha Koshas) hinaus. Es ist Zeuge der drei Zustände: Wachen, Träumen und Tiefschlaf. Es ist Grundlage und Voraussetzung der 24 Tattwas. Es unterscheidet sich von Jiva und Ishwara, die mit Avidya und Maya verbunden sind.
Das Selbst scheint infolge von Avidya (Nichtwissen) endlich zu sein. Wenn aber das Nichtwissen vernichtet wird, leuchtet dieses Eine Atman aus seiner eigenen Leuchtkraft wie die Sonne, sobald die Wolken aufreißen. Dieses irdische Leben (Samsara), das mit Liebe, Hass und so weiter erfüllt ist, gleicht tatsächlich einem Traum. Es scheint alles wirklich zu sein, solange man darin verwickelt ist. Wenn man aber durch Erkenntnis erwacht, wird alles unwirklich. Wie im Wasser Blasen aufsteigen, schweben und zerplatzen, so nimmt offensichtlich der Höchste Herr, das reine Atman, das die stoffliche Ursache von allem ist, durch die Berührung mit den fünf Hüllen und so weiter ihre entsprechenden Eigenschaften an. Wie wir den Himmel für blau halten, legen wir uns infolge unserer unscharfen Unterscheidung die Eigenschaften und Tätigkeiten des Körpers und seiner Organe im reinen Satchidananda Atman bei. Leidenschaft, Begierden, Glück, Elend und so weiter wirken nur während des Wach- und Traumzustandes, wenn der Intellekt zugegen ist. Im Tiefschlaf, wo der Intellekt abwesend ist, merkt man nichts von ihnen. Also sind das alles Eigenschaften des Intellekts und nicht des reinen Nirvikalpa Atman. Selbstsucht und die Vorstellung „Ich weiß“ entstehen, weil wir ohne genaue Unterscheidung die Satchidananda-Wirklichkeit Atmans (reines Dasein, reine Erkenntnis, reine Seligkeit) mit den Funktionen Buddhis vermengen.
Vedanta-Vortrag mit Chandra Cohen
Vedanta Sadhana
Ein Vedanta-Anfänger sollte Atma Bodha studieren, Tattwa Bodha, Laghu Vasudeva Manana und Viveka Chudamani. Es gibt davon englische Übersetzungen. Er muss Vedanta Prakiyas gründlich verstanden haben und einen klaren Begriff von den drei Körpern, fünf Hüllen und ihren Dharmas oder Funktionen sowie den drei Bewusstseinszuständen besitzen, nämlich Jagrat (Wachzustand), Swapana (Traum) und Sushupti (Tiefschlaf).
Er muss die verschiedenen Yuktis kennen wie positive und negative Behauptungen (Anvaya Vyatireka), falsche Attribute (Adhyaropa Apavada), den analytischen Prozess, alle Namen zu verneinen, um die ewige Wahrheit zu finden (Neti Neti), Konzentration der Gedanken, um sie aufzulösen (Laya Chintana), Feststellung des wahren Bedeutung von Tat Twam Asi (Bhaga Tyaga Lakshana) und so weiter. Er sollte eine genaue Kenntnis von Phänomenalismus (Vivarta Vada), Monismus (Adwaita Vada), die Lehre, dass nichts existiert als Vorstellung (Drihti Sristri Vada), Selbstleuchten (Sva Prakasha) und Akosmismus (Ajati Vada) besitzen.
Der Fortgeschrittene muss die Upanishaden studieren, Brahma Sutras, Panchadasi, Vichar Sagar, Naishkarma Siddhi, Chit Sukhi, Khandam Khadyam. Adwaita Siddhi, die klassischen Werke über Vedanta. Schwierige Bücher sollten unter einem Brahma Stotri, der Brahma kennt (Brahmanishta) studiert werden. Pranava (OM) muss im Geist täglich wenigstens 21 600 mal wiederholt werden. Früh morgens beginnt man um vier Uhr Sadhana, Japa und Nirakara Meditation. Die vier Mittel der Erlösung sollte der Fortgeschrittene besitzen.
Meditation
- 1. Meditiere anfangs über die alldurchdringende Luft, Äther, Licht, unendlichen Himmel, unendlichen Ozean, um den Verstand für abstrakte Meditation zu verfeinern und zu ertüchtigen.
- 2. Dann meditiere über abstrakte Tugenden, wie Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Großmut, Mut, Geduld, Frieden, Ausgeglichenheit, inneres Gleichgewicht und so weiter. Erringe dir diese Tugenden soweit du nur kannst. Werde eine Verkörperung dieser Tugenden. Mache dir im Geiste ein Bild von OM-Mut, OM-Barmherzigkeit. Wiederhole diese Formeln täglich mehrmals.
- 3. Meditiere über die folgenden Texte. Nimm jeden Monat eine neue Formel hinzu. Wiederhole sie jeden Tag mehrmals.
Vedanta-Formeln
- a) Es existiert nichts (Namen und Gestalten).
- b) Die Welt ist ein langer Traum.
- c) Nichts gehört mir. (Wenn in deinem Haus jemand stirbt, wenn du etwas verlierst, wiederhole täglich mehrmals diese Formel. Du wirst wahren Seelenfrieden erlangen.)
- d) Ich bin nicht dieser Körper (ich bin von meinem Körper verschieden). Ich bin nicht dieser Verstand (ich bin etwas anderes als der Geist). Ich bin nicht die Lebenskraft, Prana (ich unterscheide mich von Prana). Ich bin nichts das Sinnesorgan, Indriyas (ich unterscheide mich von den Indriyas). Ich bin unsterbliches Atman (die Körpervorstellung wird verschwinden).
- e) Ich bin Zeuge (Sakshi) OM OM OM. Ich bin Sakshi des Verstandes OM OM OM. Ich bin nicht an die Sinneswelt gefesselt (Asanga) OM OM OM. Ich bin nicht der Handelnde (Akarta) OM OM OM.
- f) Ich bin unsterbliches Atma OM OM OM.
- g) Ich bin Dasein-Erkenntnis-Seligkeit (Satchidananda) Brahman OM OM OM.
- h) Ich bin Brahman OM OM OM.
Alle, welche über diese Ideen und Formeln meditieren, werden verwandelt. Sie werden wie leibhaftige Götter auf Erden, die überall Freude und Frieden ausstrahlen. Wenn du einige Übung erlangst hast, beschäftige dich nur mit einer einzigen Idee. Diese eine Idee wird von selber absterben, sobald du in Brahman, in reine Ekstase (Nirvikalpa Samadhi) eingingst. Wähle irgendeinen Dreireim, den du am liebsten hast, und meditiere darüber gründlich in vollem Ernste.
- 4. Meditiere über das Folgende, wobei du dich als identisch mit der ganzen Welt fühlst.
Meditationsformeln
- a) Die ganze Welt ist mein Körper.
- b) Die ganze Welt ist mein Heim.
- c) Ich leide und freue mich in allen Körpern.
- d) Ich wirke durch alle Hände.
- e) Ich esse mit allen Zungen.
- f) Ich sehe durch alle Augen.
- g) Ich höre durch alle Ohren.
Das Ergebnis dieser Meditationen wird kosmisches Bewusstsein und Einheit des Lebens sein. Allerlei Hass, Neid, Eifersucht und Missgunst werden verschwinden. Du wirst Eins mit dem Weltall (Virat) und Hiranyagarbha, dem aus dem goldenen Ei entstandenen Brahman.
Vedanta-Lehre von Shankara: Vortrag von Sukadev
- 5. Meditiere über folgende Ideen:
- a) Alles ist gut.
- b) Alles ist heilig.
- c) Alles ist Eins.
- d) Alles ist Gott (Brahman).
- e) Alle Körper sind mein.
- 6. Positive Meditation über das unpersönliche Absolute (Nirguna):
- a) Ich bin das All.
- b) Ich bin alles in allem.
- c) Ich bin das unsterbliche Selbst in allem. Fühle das! Fühle das!
Vedanta-Aufgaben für Selbstverwirklichung
- 1. Untersuche: Wer bin ich?
- 2. Suche den Schauenden der Schau.
- 3. Du bist weder Körper noch Verstand, o Sushil. Du bist das unsterbliche Atman. Fühle das! Fühle das!
- 4. Leugne den Körper. Leugne die Welt. Bejahe Erkennen, verwirkliche: Ich bin die lebendige Wirklichkeit. Ich bin die lebendige Wahrheit. Ich bin Satchidananda Brahman. Aham Brahma Asmi. Ich bin das unsterbliche Selbst.
- 5. Brülle OM OM OM, Soham, Soham, Soham, Sivoham, Sivoham, Sivoham, wie ein Vedanta-Löwe und komme heraus aus diesem Käfig des Fleisches, mein lieber Sushil. Tat Twam Asi!
Soham-Meditation (Dhyan)
Soham und OM sind ein und dasselbe. Soham Dhyana ist nur Nirguna, gestaltlose (Nirakara) Meditation. Soham bedeutet: Ich bin er. Das hängt mit dem Atem zusammen. Denke jedes Mal So, wenn du einatmest, und Ham, wenn du ausatmest. Das ist ganz leicht. Man nennt es auch Ajapa Japa. Fühle dich als das alldurchdringende reine Bewusstsein, wenn du Soham denkst. Die Quelle dieses Atems ist Brahman oder Atman. Du bist identisch mit dieser Quelle und Wirklichkeit.
Das Problem von Gut und Böse
Das All enthält zwei dynamische Kräfte, nämlich Gut und Böse. Gut und Böse sind Zwillingskräfte, als Zwillinge vom selben Vater abstammend. Sie sind Dvandvas oder Gegensatzpaare und existieren nicht unabhängig von einander. Das Böse ist zur Verherrlichung des Guten da. Das ist seine raison d’être. Böse ist ein negatives Gut. Böse ist eine zerstörende, das Gute eine aufbauende Kraft. Es gibt in dieser Welt weder ein absolut Gutes noch ein absolut Böses. Das Böse kann nicht unabhängig vom Guten bestehen. Wo Böse ist, ist auch Gut und wo Gut ist, ist auch Böse. Du kannst in dieser relativen Welt kein absolut Gutes erwarten. Das absolut Gute findet sich nur in Brahman allein. Vor der Ur-Wirklichkeit, die hinter allem Gut und Böse steht, lösen sich Gut und Böse in ein luftiges Nichts auf.
Böse und Gut sind Gedankenschöpfungen. Wenn du Gut und Böse übersteigst, erreichst du die Heimat des höchsten Friedens und der Unsterblichkeit. Für einen Jnani, der das Selbst erkannte, gibt es weder Gut noch Böse. Das Warum des Bösen kann man erst verstehen, wenn man unmittelbare Erkenntnisse des Selbst (Atma Jnana) erreicht. Zergrüble dir jetzt nicht deswegen dein Hirn. Es ist ein transzendentales Mysterium. Nur Brahma weiß es. Ein redlicher Intellekt, der durch Zeit, Raum und Ursache bedingt ist, vermag für dieses Problem des Bösen keine Lösung zu finden. Wenn man aber erst einmal im Wesen des Seienden (Swaroop), im Selbst (Atma Nishta) fest gegründet ist, verschwinden Böse und Gut zugleich miteinander. Du musst die Pferde nicht hinter den Wagen spannen. Verwandle Böse in Gut, indem du deine Denkhaltung oder Betätigungsweise änderst. Oftmals kommt Böses aus Gutem. Zerstörung ist unerlässlich, bevor Neues, Umbau oder Wiederaufbau, werden kann. Will etwa ein Patient, der an akuter Blinddarmreizung leidet, erst die Zusammensetzung der Pille wissen, wenn ihm der Arzt Medizin reicht? Wird er sie ohne zu fragen einnehmen? Wird ein Mensch, dessen Kleider in Brand gerieten, erst das Warum und Wieso des Brandes erforschen? Wird er nicht auf kürzestem Weg zum Wasser eilen, um zu löschen?
Unwissenheit (Tamas) ist böse, Reinheit (Sattwa) ist gut. Verwandle also in Sattwa, dann wird Böse in gut verwandelt. Selbstsucht ist böse, Selbstlosigkeit ist gut. Lüsternheit ist böse, Keuschheit (Brahmacharya) ist gut. Habsucht ist böse, Rechtschaffenheit und Uneigennützigkeit sind gut. Stolz ist böse, Demut ist gut.
Oft kommt aus Bösem Gutes. Schwere Wolkenbrüche zur Erntezeit gelten den Menschen als böse. Gott jedoch weiß, was für seine Kinder gut ist. Er hat diesen Regen geschickt, um die Krankheitskeime, welche die gefährlichen Seuchen hervorrufen, von der Erde fortzuschwemmen. Ohne diesen Regen wären schwere, ansteckende epidemische Krankheiten ausgebrochen, die in einem Augenblick Tausende von Menschen hinraffen könnten. Erkenne daran, o Freund, die Gnade Gottes. Versuche nicht, in die göttlichen Geheimnisse einzudringen. Das würde nur deinen Verstand verwirren.
Oder wie ist es mit dem Krieg? Er ist zweifellos ein Übel. Aber oft bringt sogar der Krieg Gutes. Er kann nicht ohne Gottes Zulassung ausbrechen. ER treibt die Minister, Könige, Diktatoren, Präsidenten und Generäle an, Krieg zu führen. Der Krieg erzeugt ritterliche Krieger, furchtlose Soldaten, furchtlose und unerschrockene Staatsmänner. Der Krieg macht den Menschen furchtlos. Furchtlosigkeit ist eine sehr wichtige Eigenschaft für jeden, der geistig vorwärts kommen will. Die erregten Leidenschaften führen zur Geburtensteigerung. Es werden nicht genügend Lebensmittel erzeugt, um die Bevölkerung satt zu machen. Krieg beseitigt den Bevölkerungsüberschuss und verhütet den Ausbruch einer schweren Hungersnot. Krieg wirft den Hochmut der herrschenden Mächte in den Staub. Krieg weckt aber auch Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und kosmische Liebe in den Herzen der sonst so geizigen Reichen und zwingt sie, den Hilflosen, Witwen, Waisen und Verwundeten zu geben.
Die Welt oder die menschliche Gesellschaft muss durch das Böse höher entwickelt werden. Begreife diese geheimnisvollen Wege und werde weise.
Einheit und Verschiedenheit
Obwohl du mannigfache Formen mit verschiedenfarbigen Schatten siehst, steht doch hinter ihnen allen eine bestimmte Einheit. Den Philosophen oder ernsthaften Denker überfällt großes Staunen. Er hat ein besonderes, feinempfindliches Augenpaar, um das geheimnisvolle Universum der Töne und Farben wahrzunehmen. Er fühlt und sieht überall Einheit. Für den Wissenschaftler ist die Welt eine Masse von Elektronen oder Kräften oder Energien. Für den Jünger der Kanâda-Schule oder Lehre ist die Welt lauter Denken, für den Vijnana-Vadin eine bloße Idee, für den Vedantin ist diese Welt nichts als Brahma oder Atman.
Alle Dinge sind Erzeugnisse der fünf Elemente. Man kann die fünf Elemente auf Eines zurückzuführen: Äther (Akasa). Die Erde ist eine Grobform von Wasser. Erde löst sich in Wasser auf oder verwandelt sich in Wasser. Wasser ist eine Grobform von Feuer. Wasser verwandelt sich in Feuer. Wasser kommt aus Feuer: wenn man starke Hitze fühlt, schwitzt man reichlich Wasser. Feuer ist eine Grobform von Luft (Vayu). Sobald sich Vayu bewegt, entsteht Hitze. Feuer verwandelt sich in Luft. Vayu ist eine Grobform von Äther (Akasa). Vayu wird in Akasa zurückverwandelt. Die ganze Welt ist nur aus einem Element, Akasa, herausgestaltet.
Dann kann man wieder alle Energien, wie Elektrizität, Magnetismus und so weiter auf eine Energie, Lebensenergie (Prana), zurückzuführen. Sie werden in das kosmische Prana (Hiranyagarbha) verwandelt. Alle Verstandeskraft kann man auf einen kosmischen Verstand zurückführen. Obwohl es verschiedene Sprachen spricht, ist das Gedankenbild nur ein einziges. Es ist nur ein einziges Gedankenbild für Wasser (Apas) oder Pani oder Jal.
Kühe haben verschiedene Farben, aber die Farbe der Milch ist immer nur ein Weiß. Es gibt verschiedene Rosenarten, aber nur einen Rosenduft. Auge, Ohren, Zunge sind verschieden, aber die Sehkraft, Gehör und Geschmack sind immer eins.
Das Gefühl für Reinheit ist in aller Welt Eines, obwohl alle Nationen verschieden sind. Wenn Barmherzigkeit, Liebe, Freundschaft, Brüderlichkeit wirksam sind, fühlen alle Menschen sich im Herzen Eins. Überall ist Einheit.
Es gibt nur eine Sprache, die Sprache des Herzens, es gibt nur eine rechte Lebensweise (Dharma, Sanatana oder ewiges Dharma). Es gibt nur ein Gesetz, das von Ursache und Wirkung. Es gibt nur eine Religion, die Religion der Liebe oder der Vedantareligion. Es gibt nur eine Sonne, einen Mond, ein Akasha, ein Brahman, ein Atman, eine höchste Person (Purushottama), ein absolutes Bewusstsein (Chaitanya). Fühle nur die Einheit überall. Verwirkliche Satchidananda Atma, das gemeinsame Band des Bewusstseins, das alle diese Namen und Gestalten verbindet. Alle Verschiedenheiten, alle Unterschiede, alle Eigenschaften, die Gedankenschöpfungen oder Maya-bürtig sind, werden dann völlig verschwinden. Du wirst dann die Wahrheit der Weisheitsworte der Upanishaden erkenne, fühlen und verwirklichen. „Ich bin Brahman. Alles ist Brahman, alles ist Atma. Alles ist nur Om.
Einheit ist ewiges Leben. Verschiedenheit ist der Tod. Einheit bringt Eintracht, Harmonie, höchsten Frieden. Verschiedenheit bringt Zwietracht, Disharmonie und Rastlosigkeit. Einheit ist göttliches Leben im Geiste. Verschiedenheit ist übles (Asura-) Leben im Stoff.
Möchte doch Einheit unser Mittelpunkt, Ideal und Ziel sein. Möchten wir alle mit vollem Ernste versuchen, ein unsterbliches Leben höchster Freude in nicht-dualistischer (Advaita-) Einheit des Bewusstseins zu gewinnen. Möchte uns dieses Brahman der Upanishaden leiten, den Pfad der Einheit erleuchten und die Hindernisse auf dem Wege zu unserer Verwirklichung der Einheit beseitigen. Möge der Segen Brahmans über uns allen sein. Möchten wir doch alle uns bemühen, Einheit in der Menschheit zu verwirklichen.
Copyright Divine Life Society
Swami Sivananda über Jnana Yoga
Auszüge aus dem Buch "Lord Krishna, His Lilas and Teachings" von Swami Sivananda, The Divine Life Society Publication. Nacherzählung der Geschichte "Jnana Yoga"
Shri Krishna sprach: „Bewerte und beurteile andere Menschen und ihre Handlungen nicht, denn das ganze Universum beinhaltet den einen Paramatman, ist eins mit Purusha und Prakriti. Sobald man anfängt, das Verhalten oder die Art anderer zu kritisieren oder hervorzuheben, ist man dabei, die Welt mit scheinbar getrennten Wesen als real anzusehen. Das hindert einen daran, wahre Weisheit und Erkenntnis zu erlangen. Dadurch wird der Geist in andere Bahnen gelenkt und man kommt vom Ziel, Wissen und Erkenntnis zu erlangen, ab. Was ist gut und was ist schlecht in dieser Welt der Dualität und in welchem Grad? Wo könnte es gut oder böse geben für jemanden, der das Selbst verwirklicht hat und den einen Atman überall sieht? Alles was in Worten ausgedrückt oder vom Geist erfasst werden kann, ist nicht die tatsächliche Realität.
Um das zu verdeutlichen: Selbst unwirkliche Dinge wie eine Spiegelung von etwas, ein Echo, oder wenn man versehentlich ein Seil für eine Schlange hat, haben einen gewissen Effekt, solange sie andauern. Ähnlich produzieren das Körper-Geist-System und andere Dinge Angst oder andere Vorstellungen, bis sie wieder vergehen. Der Atman (Brahman) projiziert diese Welt aus sich heraus und wird so projiziert (als Erscheinung in dieser von ihm ausgehenden Welt); er erhält sie und seine Erscheinungsweisen werden darin aufrechterhalten; er löst sie auf und seine Erscheinungen lösen sich mit ihr auf. Brahman allein erscheint als diese Welt, so wie das Seil als Schlange erscheint (d. h., in Wirklichkeit gab es immer nur das Seil = entspricht in der Analogie Brahman und nie eine Schlange = entspricht der Welt, obwohl jemand das Seil als vermeintliche Schlange wahrgenommen hat). Nichts ist real außer dem Atman bzw. Brahman. Die Einwirkung von drei Arten von Erscheinungen auf den Atman (Adhyatmika = auf sich selbst als Individuum bezogen, Adhibautika = auf andere Wesen bezogen, Adhidaivika = auf göttliche oder Naturereignisse bezogen) haben wir schon als unfundiert bewiesen.
Die ganze scheinbare Vielfalt beruht auf Maya und den drei Gunas. Daher wertet und urteilt jemand, der Erkenntnis und Selbstverwirklichung erlangt hat, nicht. Er ist in der Welt wie die Sonne, die gleichermaßen auf alles scheint, ohne einen Unterschied zu machen zwischen dem, was sie bescheint. Wenn man durch direkte Wahrnehmung, Schlussfolgerung, Logik, die Aussagen der Schriften und die eigene Selbstverwirklichung erkannt hat, dass alles, was einen Anfang und ein Ende hat, unwirklich ist, kann man gleichmütig in der Welt leben, frei von Anhaftung.“
Uddhava fragte: „Wer erfährt denn nun die relative Existenz mit dem Kreislauf der Geburten, da es tatsächlich ja weder der Atman (der neutrale Seher; Bewusstsein) noch der Körper (das Gesehene; das Objekt) ist? Der Atman ist unveränderlich, jenseits der Gunas, rein, aus sich selbst leuchtend, der Beobachter von allem und selbst von nichts beobachtet. Er ist wie das Feuer, welches erhellt und den Brennstoff zum Glühen bringt. Der Körper ist an sich unbelebt wie das Brennholz. Der Atman ist wie derjenige, der Maschinen steuert; der Körper ist das Instrument. Die Karmas können sich weder an den einen noch an den anderen binden. Wer unterliegt also dem Kreislauf von Geburt und Tod und wie kommt dieser Kreislauf überhaupt auf?“
Sri Krishna sprach: „Solange Kontakt besteht zwischen dem Atman und dem Körper, den Sinnen und den Pranas (Lebensenergin), ist der Samsara real für den, der noch nicht zwischen ihnen unterscheiden kann. So lange die Handlungs- und Sinnesorgane den Geist nach außern ziehen, besteht die Kette von Geburt und Tod fort, aufgrund dieser Unwissenheit (dass man nämlich den Atman, „sich selbst“, für das Körper-Geist-Psyche-System hält). Zwar ist die Welt so, wie wir sie wahrnehmen (nämlich als eine Ansammlung getrennter Objekte) nicht real. Dennoch verschwindet der Samsara nicht, solange man in und an Objekte denkt – so wie die nicht-realen Dinge in einem Traum nicht verschwinden, so lange man träumt. Probleme und Situationen im Traum belasten nur den Schlafenden; sie verschwinden, sobald er wach ist. Ebenso ist man frei und die Täuschung schwindet, sobald man durch wahre Erkenntnis bzw. Selbstverwirklichung aus diesem „Welttraum“ aufwacht. Kummer, Freude, Angst, Zorn, Gier, Täuschung, Wünsche wie auch Geburt und Tod nimmt man nur auf der Bewusstseinsebene des Ahamkara (Ich-Identifikation) wahr, nicht auf der Ebene des Atman. Sie beziehen sich nur auf Ahamkara (Jiva, Individuum), nicht auf den Atman. Das Bewusstsein im Körper identifiziert sich mit Körper, Organen, Pranas und Geist. Es wohnt in ihnen und wird so zum Jiva, zum Individuum.
Der Jiva legt sich eine Gestalt zu, die aus den Gunas und Karmas (Neigungen, Tendenzen, Handlungen) besteht und unter dem Einfluss der Zeit (die synonym zu Ishvara ist) durchläuft er so all die relativen Existenzen. Diese Bindung kann man durch Meditation und wahres Wissen, wie man es vom Lehrer vermittelt bekommt, durchtrennen. Dann verliert Ahamkara die Basis seiner Identifikation und man bewegt sich nun in der Welt ohne jegliche Anhaftung. Wahres Wissen ist die Fähigkeit zur Unterscheidung des Selbst vom Nicht- Selbst mit den Mitteln des Veda und der Schriften, direkter Wahrnehmung, Überlieferung und Schlussfolgerung. Damit erkennt man, dass das, was vor dem Entstehen der Welt und nach ihrem Ende existiert, dasselbe ist wie das, was auch in der Mitte – also als die Welterscheinungen – existiert. Das ist ihre Ursache (das was bestehen bleibt, ist die Ursache der Welterscheinung). So wie reines unbearbeitetes Gold vor und nach der Verarbeitung zu Schmuck dasselbe Gold ist, auch wenn es dazwischen als Schmuckstücke verschiedene Bezeichnungen bekommt, bin Ich am Anfang, in der Mitte und am Ende. Brahman ist reine Bewusstheit, unberührt von Veränderung. Die drei Gunas in ihren Wechselwirkungen erscheinen als die Welt. In den drei Zuständen, die das Bewusstsein annehmen kann – Wachen, Träumen, Schlafen – ist dieses eine Bewusstsein immer dasselbe. (Es gibt nicht ein Bewusstsein im Wachzustand, welches ein anderes wäre als das im Traum oder im Tiefschlaf, obwohl sich die Bewusstseinsinhalte/Spiegelungen in diesem Bewusstsein verändern.)
Der vierte Zustand, Turiya, ist das reine Bewusstsein an sich. Dieses ist die einzige Realität hinter allen Veränderungen. Wenn du tief darüber nachdenkst und meditierst, wirst du erkennen, dass Brahman allein die immer zugrundeliegende Realität ist. Die unreflektierte Annahme der meisten Menschen, dass die Welt (oder ihr jetziges Leben) die einzige Wirklichkeit sei, unabhängig von etwas, was vorher und nachher da ist, hält der Logik nicht stand. Denn etwas, was vorher nicht da war und nachher nicht mehr sein wird, ist auch in der Zwischenzeit nicht wirklich existent. Es ist nur ein Name. Nur das, woraus etwas besteht, ist in diesem Sinn wirklich existent (wie das Beispiel mit dem Gold und verschiedenen Schmuckstücken). Daher ist alles, was Name und Form hat bzw. vom Geist als ein Objekt wahrgenommen wird, nicht real als diese eine Erscheinungsform seiner Substanz. Es ist essentiell nichts anderes als die zugrunde liegende Substanz - im Fall der Welt also Brahman, das zugrunde liegende absolute Sein, absolute Bewusstsein. Die Welt erscheint nur aufgrund von Brahman, als seine Projektion. Da es nichts anderes gibt, ist Brahman „aus sich selbst leuchtend“ und beleuchtet und belebt alles. Es ist nichts anderes als Brahman, was in wunderbaren Modifikationen als Sinne, ihre Objekte, die Elemente, der Geist usw. erscheint. Durch die Methode der Unterscheidung und die Negierung aller Namen und Formen klären sich alle Zweifel und man erfreut sich der Wonne des wahren Selbst. Dieser aus Materie bestehende Körper ist nicht das wahre Selbst. Auch die Sinne oder die Gottheiten, die sie leiten, die Lebenskraft, der Intellekt, der Geist, das Ego oder Luft, Wasser, Feuer, Raum, Erde, die feinstofflichen Elemente oder die Urmaterie sind nicht das wahre Selbst, da alle nur Materie sind. Wenn man Brahman, die Natur des Göttlichen, des Absoluten, auf diese Weise richtig erkannt und verwirklicht hat, stört es nicht mehr, wenn der Geist nach außen geht, denn er bleibt davon unberührt – so wie es der Sonne nichts ausmacht, wenn Wolken aufziehen oder verschwinden. So, wie der Raum nicht berührt ist von den Eigenschaften der Luft, des Feuers, des Wassers und der Erde oder von den Veränderungen der Jahreszeiten, so ist auch das Unvergängliche vollkommen unberührt von den Veränderungen der Materie, der Gunas, welche zu Geburt und Tod führen.
Bis man jedoch soweit ist – solange der Geist noch nicht ganz frei ist von Anhaftungen und Vorstellungen -, sollte man spirituelle Praktiken und Hingabe üben. Denn ebenso wie eine nicht auskurierte Krankheit immer wieder auftreten kann und Probleme macht, ist es auch mit dem Geist: Solange er noch nicht ganz von seinen Anhaftungen, Wünschen, Tendenzen usw. geheilt ist, wird er dem spirituellen Aspiranten/der Aspirantin immer wieder Probleme bereiten. Wer in diesem Leben ernsthaft praktiziert und nach Verwirklichung strebt, aber noch nicht die Vollkommenheit erreicht, weil das Schicksal ihm/ihr Hindernisse in den Weg stellt – zum Beispiel in Form von relativen Zielen, Anhaftung an Familie usw. – wird im nächsten Leben aufgrund der Kraft ihrer/seiner früheren Gewohnheit wieder intensiv Yoga praktizieren und so weiter voranschreiten.
Solange man sich identifiziert mit seinen Handlungen, die aus vergangenen Eindrücken und Tendenzen kommen, unterliegt man ständiger Veränderung und Karmas. Wer die wahre Wonne des Selbst verwirklicht hat, lebt und handelt zwar in der Welt, aber ohne konkrete Wünsche und Vorstellungen und ist daher vom Karma nicht mehr betroffen. Er hat eine völlig andere Weltsicht und Einstellung, da er sich ihrer illusionären Erscheinung voll bewusst ist. Selbst wenn er handelt und die Welt wahrnimmt, ist er sich dabei immer bewusst, dass die Dinge an sich nicht real sind, sondern alles nur Erscheinungsformen des Absoluten sind. Ein Mensch, der diese Verwirklichung nicht hat, hält seine relative Existenz für sein wahres Ich. Sein Körper, Geist usw. sind aufgrund der Unwissenheit vollkommen verwoben mit den Gunas und dem Karma. Sobald er Brahman erkennt, das Selbst verwirklicht, verschwinden sie. So wie das Licht der aufgehenden Sonne nur die Dunkelheit vertreibt, so dass man die Dinge wieder sieht, sie aber nicht neu erschafft, so löst wahres Wissen den Schleier der Unwissenheit auf. Dieser Atman ist selbstleuchtend, ungeboren, unermesslich, absolutes Bewusstsein, Eins ohne ein Zweites, unteilbar, jenseits aller Worte und Sprache. Durch ihn funktionieren die Pranas und die Rede. Die Täuschung hält nur so lange an wie die Vorstellung von Verschiedenheit. Die Denksysteme, die argumentieren, die Welt der Namen und Formen sei real, weil es die tägliche empirische Erfahrung ist, halten die Vedanta-Philosophie der Einheit für nicht erwiesen. Wer jedoch die Wahrheit selbst verwirklicht, weiß, dass es so ist.
Praktische Tipps für ernsthaft Übende
Wenn im Laufe der spirituellen Entwicklung und Praxis Krankheiten oder andere Hindernisse auftreten, gibt es die folgenden Empfehlungen: Durch Konzenttration und Meditation kann man gewisse Störungen auflösen. Empfindlichkeit gegenüber Hitze und Kälte kann man durch Konzentration auf den Mond und die Sonne verringern. Bei gewissen Krankheiten helfen Yoga Asanas und Atemübungen. Andere Schwierigkeiten überwindet man zum Beispiel durch Askese (Tapas) wie Fasten usw., das Rezitieren von Mantras und Heilpflanzen. Manchen Problemen (wie bereits überwunden geglaubte Wünsche und Leidenschaften) begegnet man, indem man mit einem Mantra auf Gott meditiert, Mantras singt und rezitiert usw. Hinderliche Tendenzen wie Stolz, Egoismus usw. verringert man durch selbstloses Dienen. Manche praktizieren Yoga nur, um den Körper sehr stark und jung zu erhalten und übernatürliche Kräfte zu bekommen. Das als alleinige Motivation ist jedoch nicht wirklich sinnvoll, da der Körper irgendwann doch vergehen wird, ähnlich wie eine reife Frucht vom Baum abfällt. Etwaigen Siddhis (übernatürlichen Kräften) sollte man keine Beachtung schenken, dem Körper keinen zu hohen Stellenwert einräumen, demütig und bescheiden bleiben und sich ganz auf Gott konzentrieren. Wer Mich so zu seinem höchsten Ziel macht, ganz bei mir Zuflucht sucht und alle persönlichen Wünsche und Vorstellungen aufgibt, wird sich von Hindernissen und Problemen nicht überwältigen lassen und die Wonne seines eigenen Selbst verwirklichen."
Wissensyoga ist die spirituelle Hauptpraxis
- Abschnitt aus der Bhagavad Gita Zusammenfassung nach James Swartz -
Die grundlegende Natur des Individuums ist unbegrenztes Bewusstsein. Was ist das??
- 1. Bewusstsein ist kein Teil, Produkt oder Eigenschaft des Körpers.
- 2. Bewusstsein ist ein unabhängiger Faktor der den Körper empfindsam macht, genauso wie Elektrizität einen Ventilator antreibt.
- 3. Bewusstsein ist nicht auf den Körper begrenzt. Es ist alldurchdringend wie Raum.
- 4. Es stirbt nicht, wenn der Körper stirbt. Es ist ewig (satyam). Es steht für sich, insbesondere existiert es vollständig unabhängig von Objekten
- 5. Es ist kein Tuender oder Genießender. Wenn es nicht karma ausführt, kann es nicht die Ergebnisse der Handlungen genießen. Es verändert sich nicht (nirvikara).
Bei der Praxis von Wissen des Selbst (self knowledge) kommt es darauf an, sich schrittweise als das ewige Bewusstsein zu sehen und nicht als Körper/Geist. Der Körper sollte als ein Geschenk gesehen werden, das einem irgendwann weggenommen wird. Es sollte in glücklicher Weise dem zurückgegeben werden, der es gegeben hat: Ishvara.
Unangebrachtes Mitgefühl für dein Leiden oder die Idee, dass Du leiden könntest oder Leid verursachen könntest ist ein nicht hilfreicher Impuls. Es scheint als ob Arjuna irregeleitet sei, wenn er entscheidet gegen seine Verwandten zu kämpfen. Aber es ist die richtige Sache für ihn, weil er ein Krieger ist, der auf hinterlistige Weise verletzt wurde. Wenn er diese Angelegenheit nicht wieder ins Lot bringt, heißt er die Verletzung von Aufrichtigkeit und Anständigkeit (adharma) gut, weil Duryodhana damit fortfahren wird, den Menschen Leid zuzufügen und Arjunas Reputation zerstört wird. Das wiederum wird die ganze Gesellschaft schädigen da er ein Vorbild ist. Duryodana ist ein Symbol des ängstlichen, harten, egoistischen Teils des Selbst Arjuna ist ein Symbols des Suchers. Der Verlust seiner Reputation ist ein Symbol für den Verlust von Selbstachtung, der eintritt, wenn Du nicht das tust, was für Deine Selbsterforschung das Beste ist.
Jnana Yoga – Quintessenz
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -
Om Namah Shivaya und Herzlich Willkommen zu einem weiteren zusammenfassenden Video für solche, die sich mit Jnana Yoga beschäftigt haben und einmal zusammenfassend wissen wollen: Was ist denn die Quintessenz – das Wichtigste – des Jnana Yoga.
Jnana Yoga ist der Yoga des Wissens. Es geht darum, dich selbst zu erfahren. Sat Chit Ananda Swarupoham – Meine wahre Natur ist Sein Wissen Glückseligkeit.
Vier Mahavakyas
Jnana Yoga beruht auf der Vedanda Philosophie, wo die 4 Mahavakyas eine große Rolle spielen:
- 1. Aham Brahmasmi – „Ich bin Brahman.“
- 2. Tat Tvam Asi – „Das bist du.“
- 3. Ayam Atma Brahman – „Dieses Selbst ist Brahman.“
- 4. Prajnanam Brahma – „Bewusstsein ist Brahman.“
Vier Schritte der Jnana Yoga Praxis
Wie verwirklichst du all das? Jnana Yoga ist ja Verwirklichung, nicht nur Philosophie. Dort gibt es die vier Schritte des Jnana Yoga, der Jnana Yoga Praxis. Die nennen sich Shravana, Manana, Nididhyasana und Anubhava.
- Shravana heißt hören der vedantischen Lehrsätze, lesen von Vedanta-Büchern oder auch anschauen von Vedanta-Vorträgen.
- Manana heißt das darüber Nachdenken, reflektieren und auch diskutieren. Nachdenken über die großen Lehrsätze. Dann folgt
- Nididhyasana – Nididhyasana heißt tiefe Meditation. Du meditierst darüber, denn Jnana Yoga, obgleich es der Yoga des Wissens ist, wird letztlich nicht zur höchsten Erkenntnis allein durch den Intellekt führen. Tiefe Meditation Nididhyasana ist unabdinglich dafür. Ein zweiter Aspekt von Nididhyasana heißt auch mit einer solchen Haltung, Asana in den Alltag hineinzugehen und von dieser vedantischen Einstellung der Einheit und Harmonie auszugehen und schließlich das vierte ist
- Anubhava, d.h. die tiefe Verwirklichung der Einheit.
Quintessenz also:
- 1. Shravana – Hören, lesen der vedantischen Lehrsätze,
- 2. Manana – darüber nachdenken, diskutieren,
- 3. Nididhyasana – meditieren und in die Tat umsetzen,
- 4. Anubhava – kleinere Verwirklichungen, die irgendwann in die große Selbstverwirklichung, Gottverwirklichung münden.
Drei Hindernisse überwinden
Auf dem Weg dorthin gilt es, drei Hindernisse zu überwinden: Mala, Vikshepa und Avarana.
- Mala ist die grundlegende Unreinheit,
- Vikshepa ist die Unruhe des Geistes.
- Avarana ist der Schleier der Unwissenheit.
Mala, die Unreinheiten, überwindest du, indem du einen sattwigen Lebensstil pflegst, indem du deine negativen Gedanken und Emotionen kultivieren lernst, indem du auch dich rein ernährst und spirituelle Praktiken übst. Auch eine der Unreinheiten ist das Ego. Das überwindest du durch uneigennützigen Dienst und auch Bhakti Yoga.
Vikshepa, die Unruhe des Geistes, überwindest du durch Meditation, durch Geisteskontrolle, durch bewusste Kultivierung der Konzentration und auch wieder durch spirituelle Praktiken wie Asana, Pranayama und Meditation, welche dir helfen, den Geist klar zu machen und zu konzentrieren. Mit diesem konzentrierten, reinen Geist, der Mala und Vikshepa überwunden hat, kannst du schließlich Avarana, den Schleier der Unwissenheit, überwinden durch Viveka – Unterscheidungskraft und Nididhyasana – tiefe Meditation. Dann kommst du zur Gottverwirklichung, auch genannt Atmajnana – Wissen des Selbst, Brahmajnana – Wissen um das höchste Brahman.
Soweit die Quintessenz des Jnana Yoga. Mein Name: Sukadev, Hinter der Kamera: Durgadas. Wir haben auf den Yoga Vidya Seiten auch den Kurs „Vedanta Meditation und Jnana Yoga in 20 Lektionen“. So kannst du Jnana Yoga und Vedanta sehr ausführlich verstehen und durch Meditation auch immer mehr verwirklichen und durch die praktischen Anleitungen für den Alltag auch in die Tat umsetzen.
Bei Yoga Vidya haben wir auch viele Vedanta Yoga Seminare. Diese findest du, ebenso wie den Video- und Audiokurs über Vedanta Meditation und Jnana Yoga auf den Yoga Vidya Internetseiten.
Video - Jnana Yoga Quintessenz
Warum wirkt Yoga - Jnana Yoga Konzepte
- Die fünf Koshas -
Das Konzept des Jnana Yoga, ist das Konzept der fünf Koshas. Jnana Yoga ist der Yoga des Wissens und der Erkenntnis. Jnana Yoga beruht auf dem Vedanta System, das gerade von Shankaracharya in seinen Schriften wie Viveka Chudamani gut dargelegt worden ist. Dort steht unter anderem das fünf Kosha Modell. Dieses fünf Kosha Modell gibt natürlich ein ganz geniales System, um zu sehen, wie Hatha Yoga wirkt.
Die fünf Koshas - Hüllen
- Da gibt es die Annamaya Kosha, d.h. die Hülle, bestehend aus der Nahrung, eben der psychische Körper.
- Es gibt die Pranamaya Kosha. Das ist die Energiehülle bestehend aus den Pranas, Nadis und Chakras.
- Es gibt die Manomaya Kosha, die psychische Hülle bestehend aus den Emotionen unter Bewusstsein und den einfachen Gedanken.
- Vijnanamaya Kosha, die Erkenntnishülle bestehend aus Buddhi, also der Vernunft, und Ahamkara, dem Ego.
- Und es gibt noch die Anandamaya Kosha, man kann sagen der Sitz der Intuition und der inneren grundlose Freude.
Zusammenhänge von Einwirkungen
Und natürlich jenseits von allem ist der Atman, das Selbst, welches Eins ist mit Brahman. Im Jnana Yoga würde man sagen, alles hängt miteinander zusammen und wenn wir die Gesundheit sehen, was die Annamaya Kosha betrifft, dann hängt sie zusammen mit den anderen Koshas. Wenn es also eine Störung im Pranasystem gibt, dann hat das Auswirkungen auf die Gesundheit und auf die Psyche.
- Wenn das Selbstwertgefühl gestört ist oder die Sinnkontexte zusammenbrechen, wegen einer Erfahrung, weil sie in der Vijnanamaya Kosha wäre, hat es eine Auswirkung auf die Psyche, auf das Prana und auf den physischen Körper.
- Wenn es einen Unfall gibt, der zunächst mal auf der der Annamaya Kosha ist, hat es eine Auswirkung auf das Prana, auf die Psyche und unser Selbstbild wie auch auf unsere Sinnkontexte und unsere Beurteilungen. Alles Vijnanamaja Kosha.
- Wenn wir eine tiefe, intuitive Gotteserfahrung haben, Anandamaya Kosha, dann strahlt die auch aus auf die anderen Ebenen.
- Umgekehrt auf der Anandamaya Kosha, das ist auch die Ebene des Karmas, also die karmischen Dinge, die Lektionen, die wir noch haben, und von der Ebene kann es auch aus heiterem Himmel Erkrankungen geben auf der physischen Ebene, es kann aus heiterem Himmel eine psychische Prädisposition sein.
Dimensionen von Krankheiten
So könnten wir auch im Jnana Yoga, wenn wir Krankheit sehen:
- es gibt eine physische Dimension,
- eine energetische Dimension,
- eine emotionale Dimension,
- eine Dimension, die Sinn- und Selbstbild betrifft, und
- eine spirituelle Dimension.
Koshas zu beachten wirkt präventiv
Wenn man all diese Koshas beachtet, dann wirkt das erstmal präventiv gegen Erkrankungen.
Ebenen anschauen bei Erkrankung
Wenn wir irgendwo eine Erkrankung haben, könnte man schauen, wie man sie auf allen Ebenen angeht. Also angenommen, jemand hat ein Verdauungsproblem, dann sollte er natürlich schauen, welche Nahrung er am besten verdaut und, dass er die Ernährung besser macht. Er sollte natürlich dafür sorgen, dass er sein Agni stärkt, indem er zum Beispiel die Vorwärtsbeuge und den Drehsitz macht. Er sollte vielleicht auch Tiefenentspannungstechniken machen, weil das allgemein hilft, dass der Parasympathikus das Verdauungsfeuer besser steuert. Das wäre alles Annamaya Kosha. Verdauungeprobleme haben auch etwas mit dem Prana zu tun und so kann man schauen, wie man das Prana vielleicht mehr im Bauch aktiviert.
Verdauungsprobleme können aber auch etwas mit der Manomaya Kosha zu tun haben, in Form von bestimmten Ängsten, auch vielleicht bestimmten älteren Ängsten, vielleicht bestimmten Emotionen, vielleicht bestimmten Reaktionsmustern. Also könnte man auf der Ebene arbeiten.
Letztlich kann ein Verdauungsproblem aber ebenso etwas mit dem Selbstbild und voreiligen Beurteilungen von Situationen zu tun haben oder einem mangelnden Sinnkontext, was die Vjinanamaya Kosha betrifft.
Und manchmal ist es eine tiefe spirituelle Lektion, die sich auf den ersten Blick nicht erschließt. So würde man in einer Jnana Yoga Betrachtung all diese Dinge hinein bringen, aber sich dann bewusst machen, ganz so tragisch ist es nicht. Denn meine wahre Natur ist Atma, Höchstes Selbst, Satchidananda, Sein-Wissen-Glückseligkeit. Letztlich betrifft Gesundheit und Krankheit nur meine Koshas, ich selbst bin davon unberührt.
Swami Sivananda wird in seinen Büchern nicht müde zu sagen, wenn man sich bewusst ist, ich bin das unsterbliche Selbst, wenn man sich nicht so sehr sorgt um Körper und Psyche, dann werden Körper und Psyche von selbst besser funktionieren. Zuviel Sorge um Körper und Psyche ist nicht förderlich für die Erkrankung. So ist es gut manchmal zu Atma zu gehen, sich bewusst zu machen, meine wahre Natur ist Sein Wissen Glückseligkeit und dann die verschiedenen Yogatechniken zu nutzen, um seine Koshas zu harmonisieren.
Video - warum wirkt Yoga - Jnana Yoga Konzepte
Weitere Texte von Swami Sivananda über Jnana Yoga
Der indische Yoga Meister Swami Sivananda schrieb über Jnana Yoga:
Jnana Yoga - der Pfad spiritueller Einsicht
Jnana Yoga ist der Pfad des Wissens. Moksha wird durch Wissen über Brahman erreicht. Befreiung wird durch Erkenntnis der Einheit der individuellen Seele mit der höchsten Seele oder Brahman erlangt. Der Grund für Verhaftung und Leiden ist Avidya oder Unwissenheit. Der kleine Jiva glaubt törichterweise, aufgrund seiner Unwissenheit, dass er von Brahman getrennt ist. Avidya agiert als ein Schleier oder eine Sichtblende und hält den Jiva davon ab, seine wahre göttliche Natur zu erkennen. Das Wissen von Brahman oder Brahma Jnana hebt diesen Schleier und lässt den Jiva in seinem eigenen Sat-Chit-Ananda Svarupa (Essentielle Natur als absolute Existenz-Bewusstsein-Wonne) ruhen.
Spirituelle Einsicht und intellektuelles Wissen
Der Jnana Yogi erkennt, dass Brahman das Leben seines Lebens ist, die Seele seiner Seele. Er fühlt und weiß, dass Gott sein eigenes Selbst ist. Er erkennt, dass er Eins mit dem Ewigen ist, durch spirituelle Einsicht oder Intuition, Aparoksha Anubhuti oder göttliche Wahrnehmung, jedoch nicht durch bloßes Studium der Bücher oder Dogmen oder Theorien. Religion ist für ihn nun Erkenntnis. Sie ist keine Theorie mehr. Er versinkt tief in den Windungesn seines Herzens, durch stetige und tiefe Meditation—Nididhyasana—und erhält die wunderbare Perle des Atman, ein wundervoller Schatz, viel wertvoller als aller Reichtum der Erde.
Jnana ist nicht bloß intellektuelles Wissen. Es ist nicht nur hören oder anerkennen. Es ist nicht bloße intellektuelle Zustimmung. Es ist direkte Erkenntnis der Einheit oder Einigkeit mit dem Höchsten Sein. Es ist Para Vidya. Intellektuelle Überzeugung allein führt dich nicht zu Brahma-Jnana (Wissen über das Absolute).
Hilfsmittel und Studien im Jnana Yoga
Der Student des Jnana Yoga rüstet sich zuerst mit vier Hilfsmitteln aus, nämlich Unterscheidungskraft (Viveka), Leidenschaftslosigkeit (Vairagya), die sechs edlen Tugenden (Shatsampat)—nämlich Ruhe des Geistes (Sama), Sinneskontrolle (Dama), Überdruss oder Abkehr (Uparati), Duldungskraft (Titiksha), festes Vertrauen (Shraddha) und vollkommene Konzentration (Samadhana)—und die starke Sehnsucht nach Befreiung (Mumukshutva). Dann hört er die Schriften, während er zu den Lotusfüßen eines Gurus sitzt, der nicht nur ein Gelehrter der heiligen Schriften ist (Shrotriya), sondern einer der selbst mit Brahman vertraut ist (Brahma Nishtha). Danach praktiziert der Student Reflektion, die alle Zweifel komplett zerstreut. Dann praktiziert er tiefe Meditation über Brahman und erreicht Brahma Sakshatkara. Er wird ein Jivanmukta oder ein befreiter Weiser. Er ist erlöst, obwohl er noch in diesem Körper ist.
Es gibt sieben Stadien von Jnana oder Wissen: nämlich Sehnsucht nach Wahrheit (Subhechha), rechtes Befragen (Vicharana), Ausdünnen des Geistes (Tanumanasa), Erlangen der Reinheit (Sattvapatti), durch nichts berührt sein (Asamshakti), Brahman in allem sehen (Padarthabhavana) und immerwährender Samadhi (Turiya).
Das Gleichnis der beiden Vögel
Auf einem Baum leben zwei Vögel. Einer sitzt oben in der Krone und der andere in den unteren Ästen. Der Vogel, der oben sitzt, ist wunderbar gelassen, ruhig und stets majestätisch. Er ist immer glückselig. Der andere Vogel, der weiter unten sitzt, isst abwechselnd die süßen und die bitteren Früchte. Manchmal tanzt er vor Vergnügen. Manchmal geht es ihm schlecht. Er ist erst glücklich und weint dann nach einer Weile. Manchmal probiert er eine extreme bittere Frucht und ekelt sich. Er schaut nach oben und sieht den anderen wunderbaren Vogel mit goldenem Gefieder, der stets glückselig ist. Er wünscht sich, auch so zu werden, wie der Vogel mit dem goldenen Gefieder, aber bald vergisst er alles wieder. Wieder beginnt er die süßen und bitteren Früchte zu essen. Er isst eine weitere, ganz besonders bittere Frucht und fühlt sich schrecklich. Wieder versucht er wie der obere Vogel zu werden. Nach und nach hört er auf von den Früchten zu essen, und wird gelassen und glückselig wie der obere Vogel. Der obere Vogel ist Gott oder Brahman. Der niedrige Vogel ist Jiva oder die individuelle Seele, die die Früchte ihres Karmas erntet, nämlich Freude und Schmerz. Er erhält Hiebe und Schläge in der Schlacht des Lebens. Er steigt auf und fällt wieder herunter, wenn die Sinne ihn herabziehen. Nach und nach entwickelt er Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) und Unterscheidungskraft, lenkt seinen Geist in Richtung Gott, praktiziert Meditation, erreicht Selbsterkenntnis und genießt die ewige Wonne von Brahman.
Copyright dieses Artikels von Swami Sivananda bei der Divine Life Society
Der Weg der spirituellen Erkenntnis
Artikel von Swami Sivananda
Jnana Yoga ist der Pfad der Erkenntnis. Moksha wird durch die Erkenntnis von Brahman erreicht. Befreiung wird durch Selbstverwirklichung der individuellen Seele mit der höchsten Seele oder Brahman erreicht. Der Grund für Anhaftung und Leid sind Avidya oder Unwissenheit. Das kleine Jiva stellt sich dummerweise aufgrund seiner Unwissenheit vor, das er von Brahman getrennt ist. Avidya wirkt wie ein Schleier oder Bildschirm und hält das Jiva, von seiner wahren, göttlichen Natur ab. Kenntnis über Brahman oder Brahma-Jnana entfert diesen Schleier und lässt Jiva in ihrer eignenen Sat-Chid-Ananda Svarupa (Wesen von Bewusstsein-Glückseligkeit-das Absolute) ruhen.
Spirituelle Einsicht und geistiges Wissen
Der Jnana-Yogi erkennt, dass Brahman das Leben seines Lebens ist, die Seele seiner Seele. Er fühlt und weiß, daß Gott sein eigenes Selbst ist. Er erkennt, daß er Eins ist mit dem Unendlichen, durch spirituelle Einsicht oder Intuition, Aparokhsha Anubhuti oder göttlichen Wahrnehmung und nicht nur durch das bloße Studieren der Schriften oder Dogmas oder Theorien. Religion ist für ihn nun Erkenntnis. Es ist nicht nur Gerede. Er stürzt sich in die tiefe Weite seines Herzens durch konstante und intensive Meditation – Nididhyasana- und bekommt die wunderbare Perle des Atman, einen wundervollen Schatz, der viel mehr wert ist als alle Schätze der Welt.
Jnana ist nicht bloß intellektuelles Wissen. Es ist nicht Hören oder Anzuerkennen. Es ist nicht nur intellektuelle Zustimmung. Es ist direkte Selbstverwirklichung oder die Einheit mit dem höchsten Wesen. Es ist Para Vidya. Intellektuelle Überzeugung allein wird Dich nicht zu Brahma-Jnana führen ( Wissen des Absoluten). Ein Schüler des Jnana-Yogas stattet sich erst mit den vier Bedeutungen aus, das wären: Unterscheidungskraft (Viveka), Leidenschaftslosigkeit (Vairagya), die sechsfachen Tugenden (Shat-Sampat), nämlich Gelassenheit (Sama), Mäßigkeit (Dama), Sättigung oder Verzicht (Uparati), Durchhaltevermögen (Titiksha), Glaube (Sraddha) und Konzentration (Samadhana)- und eine starke Sehnsucht nach Befreiung (Mumukshutva). Dann hört er sich die Schriften zu Füßen der Lotus-Füße eines Gurus an, der nicht nur ein Gelehrter der Heiligen Schriften (Srotriyas) ist, sondern auch ein gut fundierter Brahmane (Brahman-Nishta) ist. Anschließend praktiziert der Schüler Reflektion, die alle Zweifel völlig vertreibt. Dann übt er tiefe Meditation über Brahman und erreicht Brahma-Sakshatkara. Er wird ein Jivamukti oder befreiter Weiser. Er ist befreit obwohl er in seinem Körper ist.
Es gibt sieben Stufen von Jnana oder Wissen, nämlich Streben nach dem rechten (Subhecha), philosophische Nachforschung (Vicharana), Feinheit des Geistes (Tanumanasi), Erlangung des Lichts (Sattvapatti), Inneres Loslösen (Asamsakti), geistige Anschauung (Padarthabhavana) und Höchste Freiheit (Turiya).
Die Analogie der beiden Vögel
Es gibt zwei Vögel auf dem selben Baum. Einer thront auf der Spitze und der andere unterhalb. Der Vogel auf der Spitze sitzt, ist allezeit heiter, ruhig und majestätisch. Er ist immer glückselig. Der andere Vogel, der auf den unteren Ästen hockt, frisst die süßen und bitteren Früchte abwechselnd. Manchmal tanzt er vor Freude. Andere Male wieder ist er unglücklich. Jetzt freut er sich und weint dann nach einiger Zeit. Manchmal schmeckt er eine extrem bittere Frucht und ist angewidert. Er schaut nach oben und erblickt den anderen wundervollen Vogel mit den goldenen Federn, welcher immer glückselig ist. Er möchte auch gerne so werden wie der Vogel mit den goldenen Federn, doch vergisst er bald wieder alles. Wieder fängt er an die süßen und bitteren Früchte zu fressen. Er isst noch eine Frucht die überaus bitter ist und fühlt sich sehr jämmerlich. Wieder versucht er so zu werden wie der obere Vogel. Allmählich hört er auf die Früchte zu essen und wird gelassen und glückselig wie der obere Vogel. Der obere Vogel ist Gott oder Brahman. Der untere Vogel ist Jiva oder die individuelle Seele, die die Früchte seines Karmas, nämlich Genuss und Schmerz erntet. Er erhält Tritte und Schläge im Kampf des Lebens. Er erhebt sich und fällt dann wieder, so wie die Sinne ihn nach unten ziehen. Allmählich entwickelt er Vairagya (Leidenschaftlosigkeit) und Unterscheidung, übt sich in Meditation, erreicht Selbstverwirklichung und genießt die ewige Glückseligkeit Brahmans.
Er versucht wider so zu werden wie der obere Vogel. Allmählich hört er auf die Früchte zu fressen und wird gelassen und glückselig wie der obere Vogel. Der obere Vogel ist Gott oder Brahman. Der untere Vogel ist Jiva oder die individuelle Seele, die die Früchte seines Karmas, nämlich Genuss und Schmerz erntet. Er erhält Tritte und Schläge im Kampf des Lebens. Er erhebt sich und fällt dann wieder, so wie die Sinne ihn nach unten ziehen. Allmählich entwickelt er Vairagya (Leidenschaftlosigkeit) und Unterscheidung, übt sich in Meditation, erreicht Selbstverwirklichung und genießt die ewige Glückseligkeit Brahmans.
Karmalehre und Philosophie als Bedingung der Meditation des Jnana Yoga
Artikel von Hanspeter Sperzel, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 17
Wir leben in einer unbegrenzten, unendlichen Welt, die eine sowohl denkbare als auch undenkbare Fülle von Möglichkeiten enthält, eine Welt, die weder durch Zeit noch durch Raum begrenzt ist und die keinen Zeitpfeil kennt. Aber als Mensch sind wir eine gebundene Form des Lebens, gebunden an die Physis eines Organismus, gebunden an eine Richtung in der Zeit, gebunden durch Begrenzung des Raumes und gebunden durch Endlichkeit. An einer Stelle, einem Ort und einem Moment in diese Welt geworfen, beginnt zunächst die Kette von Ursache und Wirkung unser Leben zu bestimmen, lässt uns dieser Automatismus keine oder nur noch wenige Möglichkeiten zur Wahl. Hier liegt unser Ausgangspunkt, hier stehen wir am Anfang unserer Praxis. Diesen Punkt zu erkennen, ist der erste Schritt auf dem Weg zur Befreiung aus den Rad des Lebens. Als begrenzte und gebundene Form besitzen wir nur die Fähigkeit, eine begrenzte Auswahl von Möglichkeiten aufzunehmen, zu erkennen und auch zu nutzen.
Diese Erkenntnis (der zweite Schritt) ist zwangsläufig eine Folgerung der ersten und ist von außergewöhnlicher Banalität. Trotzdem sagt sie uns klar und deutlich, wie unser Leben zu gestalten sei, wenn wir Veränderung anstreben. Wenn wir selbst unser Leben in die Hand nehmen wollen, selbst gestalten und wählen wollen, müssen wir (erstens) das bereits laufende Rad anhalten oder zumindest stark verlangsamen, müssen uns weiterhin (zweitens) über die Fülle unserer Möglichkeiten klar geworden sein und dann (der dritte Schritt) mit Bedacht wählen. Jede Wahl setzt das Rad erneut in Gang, jede Wahl ist eine Begrenzung und eine Einschränkung zukünftiger Möglichkeiten. Dies ist die dritte Erkenntnis, sie folgt aus den anderen und ist unvermeidbar und unwiderlegbar. Wir können als begrenztes Wesen nur begrenzt aufnehmen, einerseits wird alles nicht aufgenommene wie ein Opfer preisgegeben und daher Leiden verursachen, andererseits wird alles aufgenommene unsere zukünftigen Möglichkeiten begrenzen, eine weitere Auswahl erschweren oder verhindern und daher ebenfalls Leiden nach sich ziehen.
Was also können/sollten wir tun? Wir sind niemals frei in der Entscheidung, und wir können niemals ganz frei werden, denn dazu müsste uns als Mensch Unbegrenztheit zufallen. Wählen wir also unseren Teil aus, und dreht sich damit das Rad in eindrucksvollen Geschwindigkeit, so sind wir begrenzt für den Rest unserer Tage in dieser Form als Mensch, das Rad dreht sich und wir folgen ihm. Das nicht Erwählte wird bald als Verlust erfahren werden. Wählen wir nur begrenzt und sparsam aus, halten wir also das Rad nur in langsamer Drehung, verzichten wir damit auf eine Vielzahl von Möglichkeiten und damit verbunden von Eindrücken zugunsten einer unbestimmten Zukunft, was zumindest im Moment des Verzichts ebenfalls als Verlust erfahren wird. Lassen wir uns treiben im Strom der immerwährenden Bewegung um uns herum, wählen wir also nicht und bestimmen wir nicht, so verzichten wir auf die Selbstbestimmtheit unseres Lebens, andere wählen für uns und wir werden zu „Getriebenen“. Wo liegt da die Lösung?
Aspekte des Yoga: Karmalehre
Die Bhagavad Gita hält daher einen Rat für uns bereit, der in etwa so lautet: Wir wählen aus der Fülle der Möglichkeiten aus nach bestem Wissen und Gewissen, tun dann, was wir tun müssen, aber wir gestalten unser Tun so, dass wir nicht hängen an den Früchten dieser Handlungen. Aber was genau bedeutet dieser Satz, und wie geschieht so etwas in der Praxis? Wie kann ich mir dies vorstellen? Ist dieser Sinngehalt dieses Satzes nicht paradox? Gerade doch aus dem Streben nach den Früchten heraus haben wir begonnen, den Mechanismus unseres Leidens zu durchschauen. Um das Leiden zu mindern, und das sind doch die Früchte unseres Strebens, haben wir doch mit einer Praxis begonnen und sind erst so auf diesen Satz der Bhagavad Gita gestoßen. Fehlt hier dann nicht etwas entscheidendes? Müssen wir dann aufgrund dieses Satzes die Wege des Vergangenen nicht trennen von den Wegen, die vor uns liegen? War der vergangene Irrweg nicht erforderlich, ja zwangsläufig dann auch richtig, um hierher zu finden? Und ist diese Aussage nicht eine neues Paradox, dass ich nämlich nur auf Irrwegen zur Wahrheit finde, und mein neu einzuschlagender Weg ebenfalls ein Irrweg sein muss? Und wie kann ich mit dieser Paradoxie im Gepäck fortschreiten?
Dieser Sinngehalt ist unserem, zu Differenzierbarem zugeneigten einfachen Denken nicht erfassbar. Wir brauchen eine Hilfe, um dies zu erfassen. Wir müssen sich widersprechende Aussagen nebeneinander stellen können, ohne sie in Beziehung zu bringen, ohne sie aufeinander wirken zu lassen. Diese Hilfe finden wir in der philosophischen Idee vom Hintergrund, vom Einen, vom Umgreifenden, von Gott, von Tao oder von Brahman, auf dem sich solche konträren Facetten (Pardoxien) abbilden lassen. Auf diesen Hintergrund sehen wir die Paradoxie wie die zwei Seiten einer Münze, wir nehmen auf, ohne zu verarbeiten, betrachten ohne Auswahl und Urteil, verzichten also auf die Schlussfolgerung, die sich z.B. in der Theorie von These, Antithese (diese bilden die Paradoxie) und Synthese (Urteil) ausdrückt. Diese Betrachtung dann schafft Bilder und Symbole, zu denen sich durch „wirken lassen“, das ist eine bewusst herbeigeführte Unbestimmtheit in unserem Denken, in der unendlichen Fülle der Möglichkeiten eines unbegrenzten Universums Entsprechungen finden lassen, die in ihrem Bewusstwerden als Idee sich in unserem Denken Ausdruck verleihen. Diese Idee (nach Platon), wir können sie auch Intuition (im Yoga) nennen, steht uns, einmal erkannt, dann als erweiterte, fast immer auch neue Möglichkeit offen. Durch ihre Herkunft aus der Fülle, aus dem Hintergrund, verbindet sie uns symbolisch mit allem und ist daher dem, was wir als die eine Wahrheit bezeichnen, sehr nahe. Diese Betrachtung und dieses „Wirken lassen“ erreichen wir in der Praxis der stillen Meditation. Aber diese Praxis erfordert Bedingungen:
- Die Bereitschaft zur Analyse, des Erkennens, was ist (jetzt und hier).
- Die Bereitschaft des ”offen-seins” und ”offen-bleibens” für unbestimmte Zeit.
- Die Bereitschaft, weiterhin zu erkennen und zu lernen.
- Die Bereitschaft, die aufleuchtenden Paradoxien solange zu ertragen.
Aspekte des Yoga: Karmalehre
Ohne diese Bedingungen ist die Meditation oft nur ein unbestimmtes Staunen, wird sie wie zu einer kurzen Flucht aus dem Häusermeer der Städte in die freie Wildnis der Natur, von der nach der Rückkehr nichts bleibt als eine sehnsuchtsvolle Erinnerung, die bald neues Leiden gebiert. Wirkliche Meditation arbeitet im und mit dem Meditierenden, sie formt und weitet, erhellt und vermindert so Leiden. Sie braucht dazu eine Analyse und Kenntnis dessen, was ist (z.B. Erkenntnis des Prinzips von Ursache und Wirkung – Karmalehre des Yoga), und sie braucht eine Methode der Vorstellung, die nicht formt, sondern wahrnimmt (z.B. Philosophie der Idee nach Platon). Kenntnis, Wahrnehmung und Einwirkung in der Meditation führen nur gemeinsam zum Erfolg, so wie erst ein Tisch mit drei Beinen zum sicheren Stehen findet.
Von den Veden zum Jñana Yoga der Erkenntnis
Ein Artikel von Steven Daniels, aus dem Yoga Vidya Journal Nr.32 - Frühjahr 2016
Warum soll sich ein Yogi heute noch mit altindischen Schriften herumplagen? Und vielleicht auch noch Sanskrit lernen? Der Verfasser stellt dar, wie aktuell der Vedanta im 21. Jahrhundert wieder ist und jedem Yoga-Interessenten zu denken geben kann.
Die vedischen Schriften sind nicht einfach nur heilige Schriften oder eine Religion sondern auch Wissenschaft. Ich halte es für wichtig, die bei uns übliche moderne (Natur-) Wissenschaft und die vedische Wissenschaft einmal gegenüber zu stellen, um zu zeigen, wie der Veda Wissenschaft und Religion miteinander verbinden kann. Die moderne Wissenschaft wehrt sich gegen die Verbindung von Begriffen wie Wissenschaft und Offenbarung. Weil ihr der Glaube an göttliche Quellen und Offenbarungen höchst dubios erscheint. Wissenschaft ist ein geordnetes, folgerichtig aufgebautes, zusammenhängendes Gebiet von Erkenntnissen, und zeichnet sich dadurch aus, dass jede ihrer Erkenntnisse beweisbar, nachprüfbar ist.
Weil die Existenz Gottes sowie göttliche Offenbarungen nicht nachprüfbar sind, werden sie von der Wissenschaft nicht als wissenschaftliche Faktoren berücksichtigt. Anderseits muss auch erwähnt werden, dass viele Religionen die Erkenntnisse der Wissenschaft ablehnen und bekämpfen oder dies eine lange Zeit getan haben. Viele Formen des religiösen ( Aber-) Glaubens haben sich im Laufe der Zeit als falsch, unheilvoll und dogmatisch erwiesen, weshalb es im Westen zu einer Trennung von Religion und Wissenschaft gekommen ist. Unter dem Einfluss gewisser historischer Epochen und ideologischer Strömungen kam es sogar zu einer offenen Gegnerschaft.
Die Veden sind spirituelle und wissenschaftliche Texte
Wenn Religion und Wissenschaft sich entfremden, bedeutet dies, dass bei beiden etwas nicht stimmt Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind, lautete Albert Einsteins treffende Diagnose. Wissenschaft und Religion werden heute weitgehend als Gegensätze aufgefasst, weil sich Wissenschaft mit dem sichtbaren Diesseits und Religion mit dem unsichtbaren Jenseits befasst. Ein unvoreingenommener Mensch wird jedoch erkennen, dass beide Bereiche sich in der Mitte treffen und vieles gemeinsam haben. Wissenschaft und Religion streben beide nach Erkenntnis der Wahrheit, und der Kern dieser Wahrheit ist das Leben an sich, denn ohne Leben gäbe es weder Bewusstsein noch Erkenntnis. Und zum Leben gehört das Sterben.
Was ist Leben? Was ist Sterben? Was ist Materie? Was ist der Ursprung des Bewusstseins?
Diese Fragen werden gerne von der Naturwissenschaft an die Philosophie und Theologie delegiert, mit der Begründung, es handle sich hier um naturwissenschaftlich nicht relevante Fragestellungen, weil man sie nur subjektiv beantworten könne. Es zeigt sich aber schnell, dass bei diesen Fragen auch die universitäre Philosophie und Theologie hoffnungslos überfordert sind. Dabei kommen oft heraus: nichtssagende Floskeln, unschlüssige Spekulationen, unsinnige Dogmen, die mit echter Wissenschaft und echter Religion nichts zu tun haben. Dafür wäre eine wissenschaftliche Religion oder eine religiöse Wissenschaft nötig. Obwohl beide in diesem Moment nicht mehr verschieden wären, könnte man aber die großen Fragen des Menschseins beantworten.
Genau diese Ansprüche erfüllt die vedische Wissenschaft schon seit Menschengedenken und beschäftigt sich mit der Vielfalt der Wege und der Einheit des Ziels. Im Gegensatz zu der gängigen Wissenschaft, die sich bei uns eingebürgert hat und die aus direkter Beobachtung und Hypothese (Vermutung), Experiment und Forschung Regelmäßigkeiten entdeckt, was zur Formulierung eines Gesetzes führt, das zu einer bewiesenen Erkenntnis wird. Im Vedischen bedeutet Wissenschaft: Finden von wahrem Wissen – Finden von Wahrheit, denn alles andere als Wahrheit ist falsches Wissen.
Der Mensch selbst kann nie diese vollkommene Wissensquelle sein, da der Mensch unvollkommen ist und jeder schließlich Fehler macht. Das bedeutet, dass der Mensch Wissen von Gott bekommt oder sein Wissen beschränkt bleibt. Aus diesem Grund hat sich die moderne materialistische Naturwissenschaft darauf beschränkt Technologie zu sein. Die vedischen Schriften bieten eine Möglichkeit, eine Wissenschaft kennen zu lernen, die gleichzeitig die Existenz Gottes und die beobachtbaren Fakten berücksichtigt. Es geht nicht um blinden Glauben oder eine abstrakte Universitätslehre, sondern um ein universales System, das jeder praktisch anwenden kann. Es geht um Selbsterkenntnis, d.h. die Erkenntnis der eigenen Identität und des eigenen Ursprungs.
Was bedeutet das für Yoga?
Die Veden markieren den Beginn der indischen Literatur und sind die ältesten überlieferten Schriften der Welt, und das Erbe aus der Hochkultur des alten Indiens. Im Yoga gehen die moderne (Natur-) Wissenschaft, Philosophie und Religion zusammen und unterstützen die spirituellen Wissenschaften. Grundlage dafür sind die vedischen Wissenschaften. Die individuelle Position des einzelnen Menschen steht im Vordergrund. Yoga ist die Kunst des individuellen Handelns ohne jegliche Religion, zieht aber die Existenz eines Gottes in Betracht.
Aber auch in unserer postmodernen Industriegesellschaft begegnen uns die Veden oder Teile davon, wie z.B im Ayurveda, der ein Zweig des Athara Veda ist. Die Grundlage für Jnana Yoga, den Yoga des Wissens oder der Pfad der Erkenntnis, ist der Veda. Jnana Yoga stellt die Frage: "Wer bin ich"? Der Jnana Yoga ist ein wichtiger Teil des bei Yoga Vidya gelehrten 6-fachen Yogaweges nach Swami Sivananda. Von daher sind die Veden und ihre Aussagen auch für jeden Yogatreibenden wichtig – bis heute.
Über den Autor Steven Daniels - durch mein Hobby Boxen habe ich 2010 angefangen, mich mit Shaolin Qi-Gong zu beschäftigen. Dadurch wurde mein Interesse an ganzheitlicher Körperarbeit geweckt und das brachte mich zum Yoga. 2012 habe ich eine Ausbildung als Vinyasa Power Yoga- und Kinderyogalehrer nach AYA gemacht. Seit April 2014 bin ich als Mitarbeiter bei Yoga Vidya, um das Erlernte zu vertiefen , getreu dem Motto: "Mit der Kraft des Denkens zur Ruhe, Klarheit und inneren Stärke."
Siehe auch
Literatur
- Swami Vivekananda, Der Ozean der Weisheit
- Sri Shnakaracharya, Das Kronjuwel der Unterscheidung, mit Kommentar von Emanuel Meyer
- Sri Shankaracharya, Atma Bodha und Aparoksha Anubhuti
- Kostenloses Online-Buch Upanishaden von Swami Krishananda
- Klassische Upanishaden - Die Weisheit des Yoga von Paul Deussen, 1980
- Das Kronjuwel der Unterscheidung von Shri Shankaracharya, Kommentar von Emanuel Meyer, 2002
- Swami Vivekananda, Vedanta - Der Ozean der Weisheit
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
Weblinks
- Jnana Yoga und Vedanta
- Divine Life Society - Sivananda Ashram
- THE ART OF YOGA Online Kongress Oktober 2018
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