Verhaftung

Aus Yogawiki

Verhaftung aus spiritueller und psychologischer Sicht. Verhaftung bedeutet Anhaftung, etwas nicht loslassen können. Verhaftung bedeutet auch, dass jemand von der Polizei festgenommen wird, um diese Person in Verwahrung zu nehmen, also ins Gefängnis zu bringen. Verhaftung bedeutet als seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines Strafverdächtigen. Normalerweise geschieht Verhaftung aufgrund einer richterlichen Anordnung, aufgrund eines Haftbefehls. Allerdings kann ein Polizist jemanden auch verhaften, den er auf frischer Tat ertappt hat.

Sehnsucht steckt oft hinter Verhaftung

Verhaftung im spirituellen Kontext

Im spirituellen Kontext bedeutet Verhaftung aber etwas anderes. Verhaftung bedeutet Anhaftung, Anhaften, an etwas Weltlichem. Das Ziel des spirituellen Lebens ist die Erfahrung des Göttlichen. Dieses ist unbedingt, jenseits von allem konkret Fassbaren. Um das Unendliche zu erfahren, muss man das Begrenzte loslassen können. Wer Verhaftung an Relatives hat, an Begrenztes hat, der wird das Unendliche nicht erfahren können.

Der deutsche Begriff Verhaftung ist die Übersetzung des englischen attachment. Verhaftungslosigkeit ist eine wichtige Eigenschaft, die ein Aspirant kultivieren sollte. Es gibt verschiedene Formen von Verhaftung: Man kann Verhaftung haben an weltlichem Besitz. Man kann Verhaftung haben an eine bestimmte Position, eine bestimmte Arbeitsstelle. Man kann Verhaftung haben in Bezug auf gesellschaftliche Anerkennung. Menschen haben auch Verhaftung an ihr gemütliches Leben und sind nicht bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. Man kann verhaftet sein an seine Frau, seinen Mann, seine Eltern, seine Kinder.

Das Gegenteil von Verhaftung ist die Verhaftungslosigkeit, die Bedingungslosigkeit, auch das Leben im absoluten Hier und Jetzt, ein Leben der vollständigen und bedingungslosen Hingabe. Verhaftung hält einen gefangen. Verhaftungen bilden ein Gefängnis. Wer in Freiheit sein will, muss allen Verhaftungen entsagen. Natürlich ist der spirituelle Weg eine Entwicklung. Man muss nicht allen Verhaftungen gleich entsagen. Aber man kann Schritt für Schritt vorgehen.

Verhaftung aus Yoga Sicht

Die Verhaftung kann auch an Gegenständlichem sein

Der indische Yoga Meister Swami Sivananda hat folgenden Artikel zum Thema Verhaftung geschrieben:

Verhaftung an Gegenstände ist überall vorhanden. Niemand ist von irgendeiner Verhaftung frei.

Das Sanskritwort hierfür ist Ashakti. Das Verlangen besteht aus dreierlei: aus Verhaftung, Sehnsucht und Vorliebe. Verhaftung ist die mächtigste Waffe, mit der Maya den Menschen an das Rad von Geburt und Tod kettet. Ihr würdet niemals in die Welt kommen, wenn ihr an nichts gebunden wäret.

Die erste Verhaftung beginnt mit dem physischen Körper. Daraus entsteht jede andere Gebundenheit. Dann kommt die Beziehung zu Eltern, Geschwistern, zu Frau, Kind und so fort. Man kann an einem Platz, an einem Menschen oder an einem Gegenstand haften. Sobald man gebunden ist, entsteht der Gedanke des »Mein«. Der Verstand bindet sich an Objekte oder Menschen, weil er Freude daran findet. Wo Vergnügen herrscht, ist auch Verhaftung vorhanden.

Verhaftung ist die Ursache aller menschlichen Leiden und Übel

Swami Sivananda der große Yoga-Meister des 20. Jahrhunderts

Verhaftung entsteht aus Unwissenheit, Avidya. Jede Verhaftung bringt Täuschung und Furcht, weil man an diesem vergänglichen Körper und an Besitz hängt. Verhaftung und Furcht sind unzertrennlich wie Feuer und Hitze. Die Verhaftung nimmt verschiedenste Formen an. Man muß achtsam sein, um ihre äußerst geschickten Auswirkungen zu bemerken. Selbst Sannyasins können von ihr befallen werden, wenn sie auch allem entsagt haben. So binden sie sich langsam an ihren Ashram oder ihre Schüler. Eine solche Verhaftung ist stärker als die weltlicher Menschen. Denn sie ist schwerer auszurotten.

Der Gedanke sucht mit äußerster Mühe sich an irgendeine Form zu binden. Er kann ohne sie gar nicht existieren. Wenn er eine Verhaftung läßt, greift er sofort zur nächsten. Dies ist auf seine Bewegung (Rajas) zurückzuführen. Hat sich seine Energie verzehrt, vergehen alle Verhaftungen von selbst. Die Menschen sind an die größten wie kleinsten Dinge gebunden und die Gedanken kehren immer wieder in die alten Gleise und Gräben zurück. Es wird eine sehr strenge und harte Zucht verlangt und ein wahrhaft geistiger Pfad, um von allen Arten der Verhaftung fortzukommen.

Die Gedanken verlangen andauernde Schulung. Durch Verhaftung identifiziert man sich mit dem Objekt, an dem man hängt oder mit einem Menschen. So ist man voller Sorge und Angst. Die Samen der Verhaftung sind in das Unbewußte eingegraben. Durch rechtes Denken müssen wir diese Samen völlig vertilgen oder ausbrennen. Durch das Schwert der Nichtgebundenheit müssen die trugvollen Verhaftungen abgeschnitten werden. Vergleiche hierzu den Anfang des 15. Kapitels der Bhagavad Gita.

Die Paramahamsa-Sannyasin wandern umher und sollten nirgends länger als drei Tage bleiben, um alle Verhaftungen abzuschneiden. Wahrer Verzicht besteht im Aufgeben des Gedankens: "Ich bin der Körper" und im Entsagen jeder Art von Verhaftung an diesen Körper. Das bedeutet nicht, daß man sich von der Welt zurückziehen muß. Denn man kann auch in der Einsamkeit noch an den Korper gebunden, in der Welt aber vollkommen frei sein, selbst wenn man ein Herrscher ist. Du mußt deine Gedanken täglich schulen und dich weder an die Familie noch an Besitz binden. Die Welt gleicht einem Wirtshaus. Menschen kommen und bleiben einige Zeit zusammen. Dann gehen sie wieder auseinander.

Verhaftung ist wahrer Tod

Sukadev im Lotussitz

Nicht-Gebundensein ist ewiges Leben. Verhaftung bringt mannigfaltiges Elend; Nicht-Gebundensein vielfältigen Segen. Verhaftung zieht das Herz zusammen; Nicht-Gebundensein weitet es ins Übermaß. Verhaftung macht den Menschen klein; Nicht-Gebundensein bringt Freiheit, Unabhängigkeit, Vollendung. Verhaftung bringt Uneinigkeit, Bruch und Zank; Nicht-Gebundensein führt zu Eintracht und Harmonie.

Verhaftung ist Gift; Nicht-Gebundensein ist Nektar. Verhaftung ist dein täglicher Feind; Nicht-Gebundensein ist dein enger Freund. Verhaftung zieht dich in diesen elenden Kreislauf von Geburt und Tod herab. Nicht-Gebundensein hebt dich zu den Höhen des Brahmanenturms empor. Lerne zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen zu unterscheiden. Versuche, so gut du kannst, Vairagya zu entwickeln.

Sei mit keinem zu eng verbunden, lebe ein Leben des Nicht-Gebundenseins in dieser Welt. Gleiche dem Wasser auf einem Lotusblatt. Rege dich nicht auf, wenn du geringes verlierst. Denke stets, daß die vergänglichen Gegenstände dieserWelt wertlos sind. Wiederhole in Gedanken die Worte: "Alle Gegenstände sind vergänglich." Tue dies mehrere Male am Tag.

Meditiere täglich

Wer ohne Verhaftung in dieser Welt lebt, ist der glücklichste Mensch. Er ist Gott selbst. Seine Freude ist unbeschreiblich. Er muß bewundert werden. Verhaftung ist die Wurzel allen Elends und macht die Geschöpfe unglücklich. Alle weltlichen Begierden entspringen der Verhaftung. Ebenso wie Feuer in einer Baumhöhle den ganzen Baum bis auf die Wurzel verbrennt, so zerstört die Verhaftung, auch wenn sie noch so gering ist, Ordnung und Ziel des Lebens. Wer sich von seinem Besitz zurückgezogen hat, braucht noch nicht der Welt entsagt zu haben.

Dagegen kann ein Mensch, der im Kontakt mit der Welt bleibt, aber ihre Fehler und ihr Versagen sicht, wahrhaft auf die Welt verzichtet haben. Er ist frei von allen bösen Leidenschaften und hängt an nichts mehr.

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Verhaftung und Depression

Traurigkeit Trauer Beten.jpg

Patanjali in den Yoga Sutras über Verhaftung

In diesem Skript wird Depression definiert als Niedergeschlagenheit – nicht als klinische Depression. Depression kann zusammenhängen mit Verhaftungen. Und Verhaftungen hängen natürlich zusammen mit Wünschen. Es gibt eine wichtige Yogaschrift, nämlich das Yoga Sutra von Patanjali. Und dort wird von den sogenannten Kleshas gesprochen. Den Ursachen des Leidens.

Patanjali, der große Yoga Meister, sagt: "Die erste Ursache des Leidens ist "Avidya" – Unwissenheit. Du weißt nicht, wer du wirklich bist. Du hast vergessen, dass du in Wirklichkeit eins bist, mit dem Göttlichen.

Identifikation als Ursache für Verhaftung

Die zweite Ursache des Leidens ist "Asmita" - Ich-Identifikation. Das heißt, du denkst, ich bin der und der bzw. ich bin so und so, ich hab das und das Temperament, ich bin groß, ich bin klein, ich dick, ich bin männlich, ich bin weiblich, ich bin Deutscher, ich bin Italiener, christlich, katholisch, jüdisch, Moslem, Atheist, Agnostiker, ich bin introvertiert, extrovertiert, ich bin Mathematiker, ich bin Künstler, usw. Es gibt so viel Identifikationen.

Und dann gibt es auch noch Identifikationen mit dem Besitz: mein Geld, meine Aktien, mein Haus, mein Iphone, mein Auto, usw. Darüber hinaus gibt es z.B. Identifikationen und Verhaftungen an Menschen: meine Frau, mein Mann, mein Kind, usw. – also, es gibt so viele Verhaftungen. Diese Verhaftungen führen dann zu Wünschen: "Ich mag dies." Und es führt zu Ablehnungen: "Ich mag dies nicht." Und daraus entsteht dann Avinivesha, das heißt Angst und Depressivität. Wenn du also große Identifikationen hast, daran dann Verhaftungen hast, daraus dann Wünsche bei dir entstanden sind, dann kannst du mit Ärger, Angst oder Depression reagieren, wenn das Objekt deiner Verhaftung oder deiner Wünsche verschwindet.

Ärger, Angst und Depression als 3 Grundemotionen

Ärger, Angst und Depression sind die drei Grundemotionen in diesem Zusammenhang. Man könnte sagen, dass ist auch wie der Flucht-Kampf-Mechanismus. Früher hatte man nur von Flucht und Kampf gesprochen. Heute nennt man ihn Flucht-Kampf-Todstell-Reflex. Angenommen, es gibt Gefahr, dann kannst du fliehen. Fliehen hängt mit der Emotion Angst zusammen. Du kannst kämpfen. Kämpfen hängt zusammen mit der Emotion Ärger. Und du kannst dich Tod stellen und so tun, als ob nichts ist, und das hängt zusammen mit Depression.

Und so kann es in der Depression kommen, dass du dich öfters Tod stellst, was wiederum aus den Verhaftungen resultiert. Verhaftungen führen dazu, dass du ängstlich bist, dass du Gefahren witterst, wenn z.B. ein Verlust droht, und dass du darauf vielleicht mit Depressivität reagierst. Verhaftung kann also zu Angst führen, zu Ärger und Reizbarkeit und zur Depression.

In diesem Sinne kannst du überlegen, ob deine Depression oder Depressivität, deine Niedergeschlagenheit etwas mit Verhaftung zu tun. Hast du irgendeinen Wunsch gehabt? Hast du gedacht, etwas steht dir zu? Hast du Erwartungen gehabt, wie andere handeln sollten? Haben sie nicht so gehandelt? Hast du das verloren, an das du dich verhaftet hast? Dann entsteht daraus eine Niedergeschlagenheit.

Nimm das dann zur Kenntnis und sei dankbar für die Erkenntnis. Und erfahre, ich bin das Unsterbliche selbst, der Atman. Ich bin nicht begrenzt auf Körper und Psyche. Nichts brauche ich. Ich bin jenseits aller Verhaftungen. Wenn du dich jenseits aller Verhaftungen begibst, dann brauchst du keine Angst, kein Ärger, keine Depression. Du erfährst, wer du wirklich bist. Und damit erfährst du ein Glücksgefühl jenseits aller Verhaftungen. Ein Glücksgefühl, das dir niemand nehmen kann!

Jede Verhaftung führt dich irgendwann in Niedergeschlagenheit, in Angst oder Ärger. Daher ist es sinnvoll alle Verhaftungen zu überwinden.

Aus folgendem Vortrag von Sukadev Bretz:

Viveka Chudamani - Überwinde Verhaftungen

Sei unberührt wie der Lotus

- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 79 von Sukadev Bretz -

Diejenigen, die nur scheinbar entsagt haben, jedoch noch verhaftet sind und so versuchen den Ozean der Wiedergeburt zu überqueren, werden auf der halben Strecke von der Begierde in Gestalt eines Krokodils am Hals gepackt und ertrinken.

Shankara sagt hier: Du musst Verhaftungen überwinden. Es reicht nicht aus, nur den spirituellen Weg zu gehen. Und es reicht auch nicht aus, nur Yogapraktiken zu machen. Es reicht auch nicht aus, einfach die Schriften zu studieren. Es reicht nicht aus zu sagen, „ich bin Brahman.“

Werde dir deiner Verhaftungen bewusst

Es ist wichtig und notwendig, Verhaftungen zu entsagen. Und so werde dir deiner Verhaftungen bewusst. Woran erkennst du deine Verhaftungen? Du erkennst sie zum einen daran, wo du gekränkt werden kannst. Wann immer du dich irgendwo gekränkt fühlst, dann wisse, da war eine Verhaftung, eine Identifikation. Oder wenn du etwas verlierst, überlege, macht dir dass Angst, macht dich das wütend, macht dich das traurig? Wenn du ängstlich, wütend oder traurig bist, dann war eine Verhaftung da. Die Verhaftung kann auch mild sein und sie dauert ein paar Stunden. Gut, dann war die Verhaftung nicht stark. Oder, wenn nur etwas droht. Der Mensch kann sich ja alles Mögliche einbilden. Wenn du Ängste hast, etwas zu verlieren, oder wenn du wütend bist, weil du denkst, jemand will dir etwas wegnehmen. Wenn du schon traurig bist, weil du denkst, irgendwas könnte verschwinden. All das sind Zeichen für Verhaftungen.

Alles ist dir vorübergehend anvertraut

Im Buch Hiob im alten Testament gibt es den Ausdruck. „Gott hat`s gegeben, Gott hat`s genommen. Gepriesen sei Gott.“ Nichts gehört dir. Alles ist dir vorübergehend anvertraut worden. Shankara wird an einer späteren Stelle sagen: „Alles ist letztlich nur ein Traum.“ Es ist so ähnlich, wie wenn du einen schönen Traum hattest und du wachst auf und du bist todtraurig, dass du alles verloren hast, was im Traum war.

Aber angenommen du bist im Traum vielleicht ein König, der durch eine Palastrevolution alles weggenommen bekommt und dann wachst du auf. Wirst du dich dann ärgern über alles, was du verloren hast und über die Unverschämtheit der Revolutionäre? Nein. Es war alles nur ein Traum.

Diese Welt ist wie ein Schauspiel

In diesem Sinne ist diese Welt wie ein Schauspiel. Es ist wie ein anderer Traum. Du hast da eine Maske, die dein Körper ist. Du hast eine Rolle zu spielen, das ist deine Psyche. Du hast bestimmte Dinge zu tun und das sind deine Aufgaben. Du hast einen Text zu sprechen, es kann sich sogar wie ein Impro-Theater verhalten, das heißt, du weißt gar nicht, was du zu sagen hast.

Aber du weißt, das Ganze ist ein Spiel. Die ganze Welt ist wie ein Impro-Theater. Zwischendurch gehen irgendwelche Dinge schief, vielleicht sprechen nochmal deine Emotionen an, aber im Inneren weißt du: ich bin das Unendliche, das Ewige. Ich bin nicht der Körper und ich bin nicht die Rolle. Wenn du das weißt, kannst du Verhaftungen überwinden.

Überprüfe deine Einstellung gegenüber Sinnesobjekten

Natürlich könntest du auch sagen: Verhaftung ist Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins. Und so hat die Verhaftung auch eine gewisse Rolle. Aber du bist nicht gebunden an die Verhaftung.

Ähnlich, wie im vorherigen Vers gesagt wurde:

Sinnesobjekte sind neutral. Begierden, sind Handlungsempfehlungen mit Energie. Wenn du die Wünsche als Handlungsempfehlung mit Energie ansiehst, dann bist du frei und nicht gefesselt. Du kannst den Empfehlungen folgen oder auch nicht. So ähnlich kannst du sagen: Verhaftung ist Verantwortungsgefühl mit Energie.

Du hast zum Beispiel ein Haus oder eine Wohnung und darum musst du dich kümmern. Dabei hilft es, wenn es dort eine gewisse Verhaftung gibt, dass du dich darum kümmerst. Aber es kann auch sein, dass es Zeit ist, die Wohnung zu verlassen. Vielleicht hast du einen anderen Arbeitsplatz, vielleicht merkst du, es wartet etwas anderes auf dich. Wenn du einfach dort bleibst, nur weil du die Wohnung so magst, ist das Verhaftung. Wenn du aber merkst, es ist Verantwortungsbewusstsein mit Energie, dann ist es gut. Du kannst auch sagen, in dieser Wohnung fühle ich mich wohl, hier konnte ich gut mein Yoga machen, die Wohnung war okay für meinen Partner, meine Kinder und mich, ich habe mich darum gekümmert.

Nur wenn du daran gefesselt bist, dann ist es nicht okay. Angenommen deine Kinder haben das Haus verlassen, jetzt bist du allein dort oder mit deinem Partner allein und eine Wohnung mit fünf Schlafzimmern brauchst du nicht mehr.

Es ist ökologisch sinnlos das ganze Haus zu heizen, es verbraucht eine Menge deiner Zeit. Klüger wäre es, es zu verkaufen, es loszulassen. Keine Verhaftung und es wird etwas Neues auftauchen.

Oder genauso: du kannst verhaftet sein an deinen Partner und deine Kinder. Man könnte hier auch sagen, Verhaftung könne hier geronnene Liebe sein. Diese Art von Verhaftung ist auch wieder gut. Es ist auch zusätzlich Verantwortungsbewusstsein. Du bist verhaftet an deinen Partner, was auch heißt, dass du nicht schnell sexuelle Handlungen mit einem anderen haben wirst. Und du bist verhaftet an deine Kinder, also kümmerst du dich um sie.

Also ist es Liebe plus Verantwortung plus Energie. Dies ist ein positiver Ausdruck der Verhaftung und die ist okay. Nur wenn sie dich fesselt, ist es schlecht. Wenn du nicht willst, dass dein zwanzig jähriges „Kind“ dein Zuhause verlässt. Wenn du unbedingt willst, dass dein erwachsener Sohn oder Tochter, das so und so macht. Oder wenn du unbedingt willst, dass deine Eltern sich so und so verhalten. Oder wenn dein Kind außer Haus gegangen ist und du trauerst. Etwas Trauer ist wiederum menschlich. Trauer ist eine Weise, wie die Psyche mit Verlusten umgeht. Wenn das nach einer Weile vorbei ist, ist es auch wieder okay. Du könntest auch sagen, Trauer ist letztlich eine Emotion, die dir hilft mit Verlusten umzugehen und ein sinnvoller psychologischer Mechanismus. Aber du bist nicht die Trauer. Tief im Inneren weißt du, die Trauer wird irgendwann vorbei gehen, etwas Neues wird kommen.

Genauso: dein Kind ist gegangen und geht seine eigenen Wege, distanziert sich von dir und will deine Ratschläge nicht mehr hören. Lasse los! Sei nicht verhaftet. Sei nicht gefesselt an die Verhaftung.

Ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Ich interpretiere diesen Vers vielleicht etwas um, dessen bin ich mir bewusst. Durchaus meine ich, dass man das Ganze auch mit einem positiveren Hintergrund sehen kann. Du musst nicht unbedingt sagen, alles so schlimm. Aber es ist gut sich bewusst zu machen, dass es gilt die Fesseln zu überwinden. Alles andere kannst du irgendwie als Teil der Rolle sehen.

Wünsche und Begierden sind Handlungsempfehlungen mit Energie. Dann könnte man auch sagen, Emotionen sind Informationen und Handlungsempfehlungen mit Energie. Und du könntest auch sagen, Verhaftung ist Verantwortungsbewusstsein mit Energie. Oder Liebe plus Energie. Oder Liebe plus Verantwortungsbewusstsein plus Energie.

Viveka Chudamani - Gib innere und äußere Verhaftungen auf

- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 373 von Sukadev Bretz -

Nur ein losgelöster Mensch ist geeignet für diesen inneren und äußeren Verzicht, da nur ein leidenschaftsloser Mensch, der den Wunsch nach Befreiung hegt, bereit ist, sowohl innere als auch äußere Verhaftungen aufzugeben.

Kultiviere innere und äußere Entsagung

Es gibt eine innere Entsagung (antas-tyagah) und eine äußere Entsagung (bahis-tyagah). Die äußere Entsagung heißt durchaus öfters mal, auf etwas Äußeres zu verzichten. Manchmal ist es wichtig nicht nur die innere Entsagung zu üben, die Krishna in der Bhagavad Gita immer wieder vorschlägt, sondern auch eine äußere Entsagung. Nicht das tolle Auto kaufen, obgleich du es dir leisten könntest. Nicht in ein tolles Hotel gehen, obgleich du denkst, das könnte ich mir leisten, das habe ich mir verdient.

Ab und zu bewusst verzichten

Es ist gut, ab und zu mal bewusst auf Dinge zu verzichten. Es ist nicht notwendig, gleich das Kleid zu kaufen, dass du siehst oder das neueste Smartphone zu kaufen, was es gibt. Es ist gut, bewusst auf äußere Dinge zu verzichten und nicht jedem Gedanken zu folgen. Das ist die äußere Entsagung (bahis-tyagah).

Innerlich loslassen - Identifikationen aufgeben

Und dann gibt es die innere Entsagung (antas-tyagah), das heißt, innerlich loszulassen und sich nicht mit etwas zu identifizieren. Wenn du in der äußeren Welt bist, hast du vielleicht einen Partner, eine Partnerin. Du hast Kinder, einen Beruf, ein Haus oder ein Apartment, Zimmer, Yogazentrum und so weiter. Es kann sein, dass du das hast. Die innere Entsagung (antas-tyagah) heißt, dass du weißt, dass dir nichts gehört. Die Menschen mit denen ich zusammen bin, sind nur vorübergehend mit mir zusammen. Es gibt ja diese Analogie, im alten Indien wurden Bäume gefällt, um Häuser flussabwärts zu bauen. Die Baumstämme wurden dann in den Fluss geworfen und dann sind die Baumstämme eine Weile nebeneinander geschwommen. Dann kam eine Stromschnelle und der eine Baum floss alleine weiter, der andere blieb am Ufer bis er weitergetrieben wird.

Nichts gehört dir - alles sind vorübergehende Leihgaben

So bist du eine gewisse Zeit mit einem Menschen und eine gewisse Zeit mit einem anderen Menschen zusammen, vielleicht mit einem Partner für den Rest dieses Lebens, aber ihr seid unterschiedliche Baumstämme und vom Karma her eine Weile zusammen. Innere Loslösung heißt zu wissen, dass dieses Zusammensein jederzeit zu Ende sein kann. Oder du hast bestimmte Aufgaben: Sei dir bewusst, dass sie dir vorübergehend gegeben wurden. Sie können dir jederzeit weggenommen werden. Du hast Besitz. Du hast ihn nicht wirklich. Du hast Leihgaben unbestimmter Nutzungsdauer. Jederzeit kann es dir weggenommen werden. Es ist dir vorübergehend anvertraut worden. Aber sei dir bewusst, dass es dir jederzeit wieder weggenommen werden kann.

In diesem Sinne überlege kurz, ob du heute etwas mehr bahis-tyagah (äußere Entsagung) üben willst und ob du genügend antas-tyagah (innere Entsagung) hast.

Viveka Chudamani - Überwinde alle Bindungen und Verhaftungen an den Körper

Ich bin nicht der Körper

- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 414 von Sukadev Bretz -

Wenn er den Körper einmal aufgegeben hat, wie eine Leiche, hat der Weise (mahatman) keine Bindung mehr an ihn. Wie ein Schatten ist er jedoch noch sichtbar als eine Erscheinung aufgrund von Wirkungen vergangener Handlungen.

Weise haben keine Verhaftung an den Körper

Ein Weiser hat keine Verhaftungen mehr an seinen Körper. Er weiß, ich bin nicht der Körper. So ähnlich wie du hoffentlich auch keine Verhaftung an deine Kleidung hast. Du bist nicht die Kleidung. Aber natürlich in bestimmten gesellschaftlichen Gegebenheiten brauchst du eine bestimmte Kleidung. Du hast die Kleidung, aber du bist nicht die Kleidung. Manche Menschen identifizieren sich mit ihrer Kleidung sehr stark. Und wehe ein Kleidungsstück geht kaputt, vielleicht die falsche Temperatur in der Waschmaschine oder man bleibt irgendwo hängen, jemand klaut die Kleidung. Dann sind manche Menschen sehr entsetzt.

Man sagt zwar, Kleider machen Leute, was heißen soll, dass die Menschen äußerlich sind. Sie achten auf Kleider als Äußerlichkeiten. Aber Kleider machen keine Leute. Du bist das unsterbliche Selbst. Du hast einen Körper und du hast Kleidung, aber du bist nicht der Körper und nicht die Kleidung. Ein Weiser hat das erkannt, er weiß, dass er nicht der Körper und nicht die Kleidung ist.

Der Körper ist dem Karma unterworfen

Weiterhin ist der Körper weiter da und Atman wirkt über den Geist an diesem Körper, aber der Weise hat keine Verhaftung an diesen Körper. Er weiß, der Körper geht irgendwann zu Ende. Er weiß, er geht durch Erfahrungen, durch Unfälle und Krankheiten, Gesundheit und so weiter. Irgendwann altert er und stirbt. Aber ich bin nicht dieser Körper. Der Körper ist dem Karma unterworfen. Solange noch Karma für den Körper vorhanden ist, solange ist das Bewusstsein noch lose mit dem Körper verbunden.

Der Weise kann aber auch sein Bewusstsein lösen und in der Meditation sich erfahren als das Bewusstsein hinter allem. Der Weise kann sich auch bewusst machen, dass er das Bewusstsein hinter anderen Körpern ist. Solange aber noch Karma da ist, solange sind Körper und Psyche noch da, aber nicht mehr verhaftet.

Viveka Chudamani - Umgang mit Verhaftungen aus Vedanta Sicht

Du kannst dir immer wieder sagen: Ich brauche nichts!

- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 536 von Sukadev Bretz -

Du kannst nichts verlieren

  • Bist du dir bewusst, dass du verhaftet bist, starke Bindungen hast an Partner oder Kinder?
  • Dass du sehr an Vorstellungen haftest, wie dein Partner zu sein hat?
  • Dass du dich immer wieder erwischst, wie du denkst, dass deine Kinder zu sein haben?

Erwischst du dich, wie du denkst, dass du das und das brauchst? Dass du Ängste hast, etwas zu verlieren? Dass du vorgefasste Meinungen hast. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Sei dir auch bewusst, dass sich Verhaftungen so manifestieren. Sei dir bewusst, dass diese Verhaftungen dich selbst und andere führen und dann sei dir bewusst, dass du nicht die Verhaftungen bist, deshalb bin ich auch nicht verhaftet. Die Verhaftungen sind Teil meiner Psyche. Ich selbst bin der Atman. Und dann rezitiere den Vers 536 des Viveka Chudamani, dort sagt Shankara:

„Der Kenner des Absoluten ist das aus sich selbst strahlende Selbst, allmächtig, unermesslich, allwissend. Er ist frei von Bindungen, siegreich als bester Kenner von Brahman.“

Dein Glück ist von nichts abhängig

So kannst du dir bewusst machen, dass es auf einer relativen Ebene Verhaftungen auf deinem Geist geben mag, die dich auf einer relativen Ebene unglücklich machen. Aber im Absoluten weißt du, dass du Brahman bist, dass hinter allem Brahman ist und dein Glück von nichts abhängig ist. Ich bin das aus sich selbst strahlende Selbst. Ich brauche nichts, um glücklich zu sein. Ich bin frei von allen Bindungen und Verhaftungen. Und egal, was mein Geist an Bindungen hat, ich bin frei von Verhaftungen und Bindungen, ich brauche nichts.

Umgang mit Verhaftung anderer

Aus einem Vortrag von Sukadev Bretz

Verhaftung ist ja ein Wort mit vielen Bedeutungen. Angenommen die Polizei verhaftet jemanden anderen, dann kannst du überlegen, ob du den Menschen helfen willst. Es gibt Menschen, die werden unschuldig verhaftet. Undd es kann sein, dass ein Freund, ein Bekannter von dir einen Fehler begangen hat, vielleicht auch eine kriminelle Handlungen und er verhaftet worden ist. Er braucht dann anschließend dein Mitgefühl, deine Hilfe oder deinen Nähe. Umso wichtiger zu bedenken ist, dass verhaftete Menschen im Gefängnis noch krimineller werden könnten. Es gibt auch Menschen, die zu Unrecht verhaftet werden und sie brauchen dann Menschen, die ihnen dann beistehen.

Verhaftung im spirituellen Kontext bedeutet natürlich etwas anderes. Und wer Yoga Vidya kennt, der hat den Ausdruck "Verhaftung" in einem anderen Kontext gesehen. Verhaftung bedeutet, dass man an einem Besitz haftet, dass man an einem Menschen haftet, an Vorstellungen haftet, an seiner Arbeit haftet, an seiner Aufgabe haftet usw. Im Yoga will man ja lernen verhaftungslos zu werden, wir sind das unsterbliche Selbst, der Atman, das reine Selbst, eins mit der Weltenseele.

Indem wir uns verhaften an Körper, an Besitz, an Vorstellungen begrenzen wir uns und so ist es wichtig, schrittweise Verhaftungen zu lösen. Wenn du jetzt Verhaftungen anderer siehst, dann kommt es darauf an, ob du sein oder ihr spiritueller Lehrer bist. Wenn ja, hast du vielleicht die Aufgabe, dem anderen zu helfen von Verhaftungen loszukommen. Bist du nicht sein oder ihr spiritueller Lehrer, dann spiele dich auch nicht als solcher auf. Spiele dich auch nicht als Richter auf und auch nicht als Persönlichkeitscoach. Eventuell kannst du einem Freund oder einer Freundin oder einem anderen Menschen auf dem spirituellen Weg den einen oder anderen Tipp geben, aber nur dann wenn der andere dafür offen ist.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

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