Shvetashvatara Upanishad: Unterschied zwischen den Versionen

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Vom Standpunkt der Wahrheit (Brahman) aus gesehen, existiert māyā nicht (yā mā sā māyā - das, was nicht existiert, ist māyā). Folglich ist māyā kein Attribut der Wahrheit/Brahman. Dennoch wird sie vom Standpunkt der Welt aus als die göttliche Kraft von Gott/Wahrheit bezeichnet, die in Gott/Wahrheit existiert und die Welt erschafft. Sie ist in der Tat schwer zu begreifen.  
Vom Standpunkt der Wahrheit (Brahman) aus gesehen, existiert māyā nicht (yā mā sā māyā - das, was nicht existiert, ist māyā). Folglich ist māyā kein Attribut der Wahrheit/Brahman. Dennoch wird sie vom Standpunkt der Welt aus als die göttliche Kraft von Gott/Wahrheit bezeichnet, die in Gott/Wahrheit existiert und die Welt erschafft. Sie ist in der Tat schwer zu begreifen.  


Sie ist durch ihre eigenen Eigenschaften verborgen (svaguṇair-nigūḍhām): Diese unendliche göttliche potentielle Kraft Gottes/Wahrheit bleibt durch ihren eigenen Ausdruck verborgen, der auch die Wahrheit/Brahman verschleiert, so wie die Sonne durch ihren eigenen Glanz verborgen ist. Māyā hat die Eigenschaften von Wissen (sattva), Aktivität (rajas) und Trägheit (tamas). Māyā erschafft die fünf Elemente - Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde mit ihren besonderen Eigenschaften von Klang, Berührung, Farbe, Form, Geschmack und Geruch. Diese Vielfalt in der Welt ist auf die Permutation und Kombination der drei Qualitäten und der fünf Elemente mit ihren besonderen Eigenschaften zurückzuführen. Die Schöpfung verbirgt in der Tat beides - die Kraft der māyā und die Wahrheit. Wir erleben diese faszinierende Schöpfung und nicht die Kraft und Wahrheit dahinter.  
Sie ist durch ihre eigenen Eigenschaften verborgen (svaguṇair-nigūḍhām): Diese unendliche göttliche potentielle Kraft Gottes/Wahrheit bleibt durch ihren eigenen Ausdruck verborgen, der auch die Wahrheit/Brahman verschleiert, so wie die Sonne durch ihren eigenen Glanz verborgen ist. Māyā hat die Eigenschaften von Wissen (sattva), Aktivität (rajas) und Trägheit (tamas). Māyā erschafft die fünf Elemente - Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde mit ihren besonderen Eigenschaften von Klang, Berührung, Farbe, Form, Geschmack und Geruch. Diese Vielfalt in der Welt ist auf die Permutation und Kombination der drei Qualitäten und der fünf Elemente mit ihren besonderen Eigenschaften zurückzuführen. Die Schöpfung verbirgt in der Tat beides - die Kraft der māyā und die Wahrheit. Wir erleben diese faszinierende Schöpfung und nicht die Kraft und Wahrheit dahinter.


In ihrer Meditation stellten sich die Schüler die Wahrheit/Brahman als ein Rad - cakra - vor. Verschiedene Aspekte der Schöpfung sind in dieser Metapher des Rades enthalten.


तमेकनेमिं त्रिवृतं षोडशान्तं शतार्धारं विंशतिप्रत्यराभिः।
अष्टकैः षड्भिर्विश्वरूपैकपाशं त्रिमार्गभेदं द्विनिमित्तैकमोहम्॥ ४॥


tamekanemiṁ trivṛtaṁ ṣoḍaśāntaṁ śatārdhāraṁ viṁśati-pratyarābhiḥ,
aṣṭakaiḥ ṣaḍbhir-viśvarūpaikapāśaṁ trimārgabhedaṁ dvinimittaika-moham. (4)


तम् - Er; एकनेमिम् - mit einer Felge; त्रिवृतम् - mit drei Reifen; षोडशान्तम् - mit sechzehn Extremitäten; शतार्धारम् - mit fünfzig Speichen; विंशतिप्रत्यराभिः - mit zwanzig Verschlüssen; षड्भिः अष्टकैः - mit sechs Achtergruppen; विश्वरूपैकपाशम् - ein Gürtel oder eine Kordel, die einfach und doch vielfältig ist; त्रिमार्गभेदम् - mit drei verschiedenen Pfaden; द्विनिमित्तैकमोहम् - mit einer einzigen Verblendung, die zur Dualität führt
4. (Sie sahen) Ihn (als ein Rad), das eine Felge hat, drei Reifen, sechzehn Extremitäten, fünfzig Speichen, zwanzig Befestigungen, sechs Achtergruppen, die es stärken, einen Gürtel oder eine Schnur, der/die einfach und doch mannigfaltig ist, der/die auf drei verschiedenen Pfaden angetrieben wird, und eine einzige Verblendung (bei jeder Umdrehung des Rades), die Dualität hervorbringt (Verdienst und Sünde, die zu Glück und Leid führen).
Das Wort adhīmaḥ, das "wir wissen" am Ende des nächsten Verses bedeutet, ist auch das bestimmende Verb für diesen Vers. Es zeigt an, dass dieses Verständnis der Wahrheit aus tiefem Nachdenken und Meditation entstanden ist.
Das Rad der Wahrheit (brahma cakram): Das Rad der Schöpfung (saṁsāra-cakra) wird nach der Meditation als das Rad der Wahrheit (brahma-cakra) verstanden, da die Wahrheit allein als diese Schöpfung erscheint. Sie ist das Substrat dieser Schöpfung und ist allumfassend.
Alles in der Schöpfung ist zyklisch wie das Rad, das sich dreht, während es sich vorwärts bewegt. Tage folgen auf Nächte, der Montagmorgen-Blues kommt jede Woche, ebenso wie die Jahreszeiten, Jahre und Yugas. Galaxien rotieren und Schöpfungen lösen sich auf, um wieder aufzutauchen - alles überlagert von der unveränderlichen Wahrheit/Brahman. Wie die Jahreszeiten stirbt auch der Mensch, um immer wieder neu geboren zu werden.
Die Felge (eka nemi): Das Rad existiert innerhalb der Felge, die allein einen Abdruck auf dem Boden hinterlässt, während es sich dreht. Die Felge symbolisiert die unergründliche göttliche unendliche potentielle Kraft Gottes/Wahrheit, die den Abdruck jeder Schöpfung speichert und sich als diese Welt manifestiert. Sie wird in verschiedenen Zusammenhängen auch als māyā, prakṛti, chāyā, pradhāna, avyakta, avyākṛta oder avidyā bezeichnet.
Die drei Reifen (trivṛta): Die Räder großer Fahrzeuge haben drei Reifen, wobei jeder Reifen das Rad verstärkt und seine Drehung erleichtert. Das große Rad der Wahrheit, das die gesamte Schöpfung umfasst, ist dreifach bereift mit den drei Eigenschaften (guṇas), die die göttliche Kraft Gottes/Brahmans ausmachen. Sie sind sattva (Güte und Wissen), rajas (Aktivität) und tamas (Trägheit und Unwissenheit). Man kann sie auch als die Zeit (kāla), den Raum (deśa) und die Verursachung (kāraṇa) verstehen, die die Schöpfung regieren.
Die sechzehn Extremitäten (ṣoḍaśānta): Die runde Form eines hölzernen Rades eines Streitwagens wird aus mehreren kleineren Holzstücken hergestellt; geschnitten, geformt und zusammengefügt. Das Rad der Wahrheit hat sechzehn solcher Teile, die dieser Schöpfung Form geben. Es sind die fünf Elemente (pañca bhūtāni - Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde), die fünf Instrumente, durch die wir die Welt wahrnehmen (pañca jñānendriya - die Fähigkeit, Töne zu hören, zu berühren oder Empfindungen zu spüren, Farbe und Form zu sehen, zu schmecken und zu riechen), die fünf Instrumente des Handelns, durch die wir auf die Welt reagieren (pañca karmendriya - die Fähigkeit zu sprechen, zu greifen, sich zu bewegen, sich fortzupflanzen und auszuscheiden) und der Geist, der das innere Instrument ist, das denkt, fühlt und die anderen Instrumente koordiniert.
Die fünfzig Speichen (śatārdhārā): Die Speichen verbinden die Nabe mit dem Rand des Rades und halten dessen Form, während sie sich drehen. Das Rad der Wahrheit hat fünfzig Speichen. Sie werden auch im Kalpopaniṣad des Brahma Purāṇa beschrieben. Sie sind:
Die fünf Fehlvorstellungen (viparyaya): Es ist seltsam, aber wahr, dass unsere Missverständnisse und falschen Vorstellungen die Welt am Laufen halten. Sie können uns unsagbares Elend bescheren und werden auch als Hölle oder Naraka bezeichnet. Die fünf Fehlvorstellungen sind: 
tama: Das Nicht-Selbst mit dem Selbst zu verwechseln (anātmani ātma buddhi), d.h. zu denken: "Ich bin der Körper", der aus träger Materie besteht, ist der erste Irrtum. 
moha: Aus der irrigen Vorstellung vom Selbst entsteht die Faszination für die Welt der Objekte. Der Mensch wird von den acht außergewöhnlichen Kräften (aṣṭa siddhis) angezogen und hängt an ihnen, wie z.B. der Fähigkeit, sich winzig klein zu machen (aṇimā) oder der Kraft, sich sehr schwer zu machen (garimā). Der Mensch fängt an, sich an diesen Kräften zu messen und wird von ihnen getäuscht und versklavt. Das ist moha.
mahāmoha: Größere Verblendung setzt ein, wenn man die erlebte vergängliche Welt für wirklich hält (jagati satyatva buddhi) und sich an die fünf weltlichen Sinnesobjekte (Klang, Berührung, Farbe und Form, Geschmack und Geruch) und an dieselben fünf Objekte, die in den himmlischen Bereichen erlebt werden, subtiler und angenehmer anhängt.
tamisra: Es ist die Trübsal und der Zorn, der entsteht, wenn man trotz aller Bemühungen nicht in der Lage ist, die oben erwähnten zehn weltlichen und himmlischen Sinnesobjekte und die acht außergewöhnlichen Kräfte zu erlangen. Die Gītā sagt, daß Zorn aus frustrierten Wünschen (kāmāt krodho'bhijāyate) entsteht. Je intensiver das Verlangen ist, desto größer ist der Zorn, den man empfindet. 
andha-tamisra: Es ist das Gefühl von Wut, Frustration, Niedergeschlagenheit und Unzufriedenheit, wenn die Vergnügungen und Kräfte verloren gehen, bevor wir uns erfüllt fühlen. Der Verlust kann sein, weil die Freuden oder Kräfte weggenommen werden oder weil wir selbst aufgrund von Krankheit oder Tod nicht in der Lage sind, sie zu genießen. 
Die achtundzwanzig Behinderungen (aśakti): Wie unsere falschen Vorstellungen sind es seltsamerweise unsere Behinderungen, die uns in weltlichen Aktivitäten verwickelt halten und die Welt in Bewegung halten.  Elf unserer Behinderungen hängen mit den oben erwähnten elf Instrumenten zusammen - fünf Instrumente der Wahrnehmung, fünf Instrumente der Handlungen und das innere Instrument - der Geist. Zum Beispiel können die Augen vom Grauen Star oder von Blindheit befallen sein, in Bezug auf die Sprache kann man durch Stottern oder Stummheit beeinträchtigt sein oder geistig behindert sein.
Weitere neun Arten von Behinderungen sind die Unzufriedenheiten (atuṣṭi), die das Gegenstück zu den neun Arten von Zufriedenheiten sind, die im Folgenden erwähnt werden. Hinzu kommen die acht Behinderungen (asiddhi), die den Unfähigkeiten entsprechen, die acht später aufgezählten Errungenschaften zu erreichen.
Die neun Arten der Zufriedenheit (tuṣṭi): Wie die Speichen des Rades steigen die Vor- und Nachteile, die Fähigkeiten und Behinderungen, das Verständnis und die Missverständnisse im Leben immer wieder auf und ab, während das Leben weitergeht. Die gleichen Dinge im Leben machen uns zu einer Zeit zufrieden und lassen uns zu anderen Zeiten unzufrieden zurück. Die gleichen Dinge erfüllen den einen und frustrieren den anderen. Manche sind zufrieden, indem sie Dinge sammeln, andere, indem sie auf sie verzichten. Der weltliche Mensch will materielle, emotionale oder intellektuelle Befriedigung und der spirituelle Mensch sucht geistige Befriedigung.
Menschen mögen scheinbar zufrieden sein, aber die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Zum Beispiel ist eine Person damit zufrieden, auf einem bestimmten Posten zu bleiben und lehnt eine Beförderung ab, weil eine Beförderung längere Arbeitszeiten mit sich bringen kann und sie mehr Zeit für ihre Familie aufwenden möchte, während eine andere Person eine Beförderung ablehnt, um Verantwortung zu vermeiden, und wieder eine andere, um die mit der Beförderung verbundene Versetzung zu vermeiden. Tuṣṭi wird anhand des Grundes für die Zufriedenheit wie folgt kategorisiert.
Natur (prakṛti jñāna): Manche entwickeln die Fähigkeit, die Geheimnisse der Natur zu enträtseln und sich an den Wundern der geschaffenen Welt zu erfreuen. Manche sind fasziniert vom Studium von Fächern wie Geologie, Physik oder Biochemie und verbringen Jahre in der Forschung und sind begeistert von Entdeckungen auf diesen Gebieten.
Materiell (upādāna): Manche sind von materiellen Dingen fasziniert und ziehen Befriedigung daraus, sie zu besitzen. Sie werden durch das Äußere oder das Grobe befriedigt. Zum Beispiel gibt ihnen das Tragen des Gewandes eines Entsagenden ein Gefühl der Errungenschaft, anstatt nach innerer Entsagung von Schwächen zu streben.
Zeit (kāla): Manche sind überzeugt, dass die richtige Zeit alles im Leben bringen wird, einschließlich der Befreiung. Sie begnügen sich mit dem Glauben, dass die Zeit sich um alle ihre Bedürfnisse kümmern wird und dass sie sich um nichts bemühen müssen.
Glück (bhāgya): Manche verlassen sich auf das Schicksal, das Glück oder die Vorsehung und bleiben daher zufrieden mit dem, was sie haben oder bekommen. Für sie ist die Befreiung auch wie eine Lotterie, die der Glückliche gewinnt.
Verzicht auf Objekte und Aktivitäten, weil der Erwerb von Dingen schwierig ist (ārjana doṣa): Manche fühlen sich zufrieden, nachdem sie hart gearbeitet und Dinge bekommen haben, während andere denken: "Warum nicht jetzt selbst zufrieden sein?" und sich die ganze Anstrengung für etwas ersparen, von dem man nicht sicher ist, es zu bekommen.
Der Verzicht auf Objekte oder Aktivitäten, weil die Aufrechterhaltung der erworbenen Dinge schwierig ist (rakṣaṇa doṣa): Wenn man zum Beispiel die Schwierigkeit sieht, Beziehungen aufrechtzuerhalten, würden manche lieber nicht heiraten, weil sie denken: "Ehen mögen im Himmel geschlossen werden, aber sie aufrechtzuerhalten wird meine Verantwortung sein.“
Manche Menschen sehen den inhärenten Makel in allen Vergnügungen (viṣaya doṣa): Zum Beispiel die Möglichkeit von Krankheiten, die aus dem Genuss resultieren, wie beim Rauchen von Zigaretten (bhoge roga bhayam). Der Prozess des Genießens selbst erschöpft die Lebenskraft, stumpft die Sinne ab und erschöpft die Ressourcen des Menschen. Solche Menschen sind mit dem zufrieden, was sie haben, und weigern sich, nach Objekten des Vergnügens zu streben.
saṅga doṣa: Es gibt diejenigen, die zufrieden bleiben, weil sie das Gefühl haben, je mehr man seine Wünsche erfüllt, desto mehr hängt man an den Objekten und desto mehr wachsen die Wünsche, wie wenn man Öl ins Feuer gießt. Da es unmöglich ist, alle unsere Wünsche zu erfüllen, ist es besser, sie überhaupt nicht zu verfolgen und zufrieden zu bleiben.
hiṁsā doṣa: Bei jedem Vergnügen oder Erwerb besteht die Möglichkeit, einem anderen Schaden oder Verletzungen zuzufügen, und deshalb verzichten manche Menschen darauf und bleiben zufrieden. Zum Beispiel zünden manche Menschen keine Feuerwerkskörper während der Diwali-Feierlichkeiten an, da dies anderen Wesen Schaden zufügen kann.
Die neun Arten von Behinderungen, die bereits erwähnt wurden, sind die entsprechenden Gegensätze zu diesen neun Arten der Zufriedenheit.
Die acht Errungenschaften (siddhis): Die hier erwähnten Siddhis unterscheiden sich von den bekannten außergewöhnlichen Kräften (aṣṭa-Siddhis) wie aṇimā, garimā (Fähigkeit, sehr klein und schwer zu werden) und so weiter. Die Siddhis, auf die hier Bezug genommen wird, beziehen sich auf den Erwerb von Wissen, denn Wissen ist Macht. Es befähigt uns und hält diese Welt in Bewegung. Je nachdem, wie das Wissen erworben wird, werden die Siddhis kategorisiert als:
ūha (angeboren): Manche werden mit Wissen und Talenten geboren, die sie in früheren Leben erworben haben. Wunderkinder zeigen Wissen und Fähigkeiten, ohne gelehrt worden zu sein. Hastāmalakācārya hatte von Geburt an Selbsterkenntnis, ohne gelehrt worden zu sein.
śabda (Zuhören): Manche haben die Fähigkeit, das Thema nur durch Zuhören zu kennen. Sie sind vielleicht nicht einmal sehr belesen, aber das hindert sie nicht daran, schnell zu lernen, ohne die Notwendigkeit, systematisch zu studieren. Toṭakācārya, einer der vier Hauptschüler von Ᾱdi Śaṅkarācārya, erwarb, obwohl er nicht intellektuell brillant war wie viele andere Schüler, das Wissen um die Wahrheit durch bloßes Zuhören, einfachen Glauben und die Gnade des Gurus.
adhyayana (Studium): Wissen, das durch Studium und Forschung gewonnen wird. Einige lernen durch eigenes Studium und andere durch ständige Überarbeitung (abhyāsa).
ādhidaivika duḥkha vighāta: Wissen, das durch das Ertragen von Bedrängnissen durch phänomenale Kräfte wie Erdbeben, Überschwemmungen usw. gewonnen wird.
ādhibhautika duḥkha vighāta: Wissen, das dadurch entsteht, dass man sich den Herausforderungen, die durch die Umstände um uns herum entstehen, wie Kritik durch andere, Verlust von Reichtum usw., freudig stellt.
ādhyātmika duḥkha vighāta: Reife und Weisheit, die man durch geduldiges Durchstehen von körperlichen Beschwerden oder geistigen Aufregungen erlangt.
suhṛt prāpti (Wohlgesinnter): Ein Mentor, der uns führt und bereit ist, aus gutem Willen oder Mitgefühl zu lehren, ist schwer zu bekommen. Wenn wir Glück haben, erlangen wir Wissen von solchen Menschen oder durch einen Wohlwollenden oder Freund.
dāna (Gebühren): Wissen, das durch einen bezahlten Lehrer erlangt wird, oder Wissen, das man erhält, wenn der Lehrer mit Ihrer Gabe oder Ihrem Dienst zufrieden ist. In der heutigen Zeit ist der Erwerb von Wissen durch die Zahlung von Gebühren am weitesten verbreitet.
Die zwanzig Nägel (viṁśati pratyarābhiḥ): Die Speichen werden durch Nägel und Keile an Nabe und Felge befestigt und durch Gegenspeichen verstärkt. Im Rad der Wahrheit gibt es zwanzig solcher Befestigungsmittel. Die fünf Sinnesorgane der Wahrnehmung zusammen mit den fünf Sinnesobjekten, die sie wahrnehmen, und die fünf Handlungsorgane zusammen mit ihren entsprechenden Objekten bilden zusammen die zwanzig Befestigungselemente. Sie halten uns fest an diese Welt gebunden. Zum Beispiel hält uns die Fähigkeit, verschiedene Farben mit den Augen zu sehen und verschiedene Töne mit den Ohren zu hören, an die Welt des Fernsehens gefesselt.
sechs Gruppen von acht Faktoren (ṣaḍ aṣṭaka): Unzählige Vielfalt von grob- und feinstofflichen Objekten und Wesen, Gedanken und Gefühlen bilden dieses Rad der Wahrheit. Einige von ihnen sind in acht (aṣṭakas) gruppiert:
Prakṛti-aṣṭaka: Die achtfache Prakṛti besteht aus den fünf Elementen (Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde), dem Geist, dem Intellekt und dem Ego. 
Dhātu-aṣṭaka: Dhātu ist das, was den Körper aufrechterhält. Der physische Körper besteht aus der äußeren Haut (carma), der inneren Haut (tvak), dem Blut (rakta), dem Fleisch (māṁsa), dem Fett (medas), den Knochen (asthi), dem Mark (majjā) und dem Samen (vīrya oder śukra).Wenn die äußere und die innere Haut (Dermis und Epidermis) als eine Einheit betrachtet werden, wird sie als sapta dhātu - sieben Faktoren - eingestuft.
Aṣṭa siddhi: Das sind die acht übernatürlichen Kräfte: 
#aṇimā: Die Fähigkeit, winzig klein zu werden. mahimā: Die Fähigkeit, groß wie ein Berg zu werden.
#garimā: Die Fähigkeit, sehr schwer zu werden. laghimā: Die Fähigkeit, leicht wie eine Feder zu werden.
#prāpti: Die Kraft, nach Belieben jeden Ort zu erreichen. Zum Beispiel können Sanat Kumāras in einem Augenblick vom Himmel zur Erde reisen. Prāpti wird auch als die Macht verstanden, jede Welt von dort aus zu sehen, wo man sich befindet. Zum Beispiel war ein yogī, der im Sābarmatī Ᾱśrama in Ahmadabad saß, in der Lage, die genauen Details des geheimen Ortes zu nennen, an dem die Briten Mahātmā Gandhi festgehalten hatten. 
#prākāmya: Die Fähigkeit, nach Belieben jede Form anzunehmen. Hanumāna nahm die Gestalt eines brāhmin an, als er Vibhīṣaṇa in Laṅkā zum ersten Mal traf.
#īśitva: Die Fähigkeit, die Kräfte der Natur zu beherrschen. In der Bibel wird erwähnt, dass Jesus einen Sturm stoppte.
#vaśitva: Die Fähigkeit, Menschen zu kontrollieren und zu beeinflussen.
Von Hanumāna wird gesagt, dass er all diese übernatürlichen Kräfte besaß und er benutzte sie nur, um Gott zu dienen und Sein Werk zu vollenden.
bhāva-aṣṭaka: Die vier Tugenden und die entgegengesetzten Zustände des Geistes bilden die acht bhāvas. Sie sind dharma (Rechtschaffenheit) und adharma (Unrechtschaffenheit), jñāna (Wissen) und ajñāna (Unwissenheit), vairāgya (Leidenschaftslosigkeit) und avairāgya (Mangel an Leidenschaftslosigkeit), aiśvarya (Herrschaft oder Wohlstand) und anaiśvarya (Hilflosigkeit oder Armut).
Alles in der Schöpfung - das Gute, das Schlechte und das Hässliche - sind Teil von Gott/Wahrheit. Es wird gesagt, dass die Tugenden auf der Vorderseite des Körpers Gottes erscheinen und die Laster auf seinem Rücken. Das bedeutet, wenn wir hinter Seinem Rücken gehen oder Ihn ignorieren, begehen wir ungerechte Handlungen, leben in Unwissenheit, werden übermäßig nachsichtig, hilflos und arm.
Diese acht können auch in einem breiteren Sinne verstanden werden. Zum Beispiel könnte Armut einen kleinlichen und geizigen Geisteszustand bedeuten und nicht nur den Mangel an Reichtum. Eine Person zeigte ihren Geiz, indem sie dem Herrn einen billigen Plastikstuhl statt eines Throns anbot, sogar während sie geistige Anbetung machte!
aṣṭa deva: Die acht Arten von himmlischen Wesen sind Brahmā, Prajāpati, Devatās (wie Indra, Varuṇa), gandharvas (himmlische Musiker), yakṣas (Hüter des Reichtums wie Kubera), rākṣasas (Dämonen), pitṛs (Ahnen und Mähnen) und piśācas (Ghule). Brahmā, Prajāpati und Devatās sind überwiegend sāttvika (edel). Yakṣa, gandharva und rākṣasas sind überwiegend rājasika (vergnügungssüchtig) und paiśācas sind tāmasika (unedel) in ihrer Natur.
guṇa aṣṭaka: Die acht edlen Eigenschaften sind dayā (Mitgefühl), kṣamā (Vergebung), anasūyā (frei von Eifersucht oder Schuldzuweisung), śauca (Reinheit), anāyāsa (Mühelosigkeit und Vitalität), akārpaṇya (Großzügigkeit), aspṛhā (kein Verlangen nach Sinnesfreuden) und maṅgala (Glückseligkeit oder Güte).
Eine Schnur (eka pāśa): Verlangen ist die Schnur oder der Gürtel des Rades der Wahrheit, das alles in dieser Welt bindet. Begierden sind vielfältig (viśvarūpa). Sie können sāttvika, rājasika oder tāmasika sein. Jeder wird von Wünschen getrieben und selbst edle Wünsche können sich als bindend erweisen.
Die drei Pfade (tri-marga-bheda): Das Rad der Wahrheit wird über die drei Pfade angetrieben. Einige folgen dem Pfad des Dharma (Rechtschaffenheit und edle Taten), andere dem Pfad des Adharma (Unrechtschaffenheit und unedle Taten) und wieder andere dem pfadlosen Pfad des Wissens (jñāna). Dieser letzte Pfad befreit den Menschen vom Kreislauf der weltlichen Existenz (saṁsāra) und allen Fesseln der Welt.
Die eine Ursache der beiden (dvinimitta-eka-moha): Der Grund, warum der Mensch in diesem weltlichen Zyklus immer wieder geboren wird - manchmal durch gute Handlungen (puṇya) in höhere Bereiche und manchmal durch Sünden (pāpa) in die niederen Bereiche -, ist die Verblendung (moha) - die Identifikation mit dem Körper-Geist-Verstand. Es bedeutet auch, dass diese Verblendung die Vision der Dualität hervorbringt, aufgrund derer wir die Welt als verschieden von uns sehen und die Unterscheidungen von "ich und mein" versus "du und dein" schaffen.
So wird durch die Metapher des Rades die gesamte Schöpfung beschrieben - das Unmanifeste, das Feinstoffliche und das Grobstoffliche. Die Gītā sagt: 'Welche Dinge und Wesen auch immer, die rein (sāttvika), aktiv (rājasika) oder träge (tāmasika) sind, sie wissen, dass sie von Mir ausgehen; doch nicht Ich bin in ihnen, sie sind in Mir.'
Im vorherigen Mantra wurde die Welt als ein Rad beschrieben, jetzt wird sie mit einem Fluss verglichen.
पञ्चस्रोतोऽम्बुं पञ्चयोन्युग्रवक्रां पञ्चप्राणोर्मिं पञ्चबुद्ध्यादिमूलाम्।
पञ्चावर्तां पञ्चदुःखौघवेगां पञ्चाशद्भेदां पञ्चपर्वामधीमः॥ ५॥
pañca-sroto'mbuṁ pañca-yonyugravakrāṁ pañca-prāṇormiṁ pañca-buddhyādimūlām,
pañcāvartāṁ pañca-duḥkhaughavegāṁ pañcāśadbhedāṁ pañca-parvām-adhīmaḥ. (5)
:पञ्चस्रोतोऽम्बुम् - das Wasser von fünf Strömen enthält;
:पञ्चयोन्युग्रवक्राम् - der fünf mächtige Wendungen aufgrund von fünf Ursachen hat;
:पञ्चप्राणोर्मिम् - der die fünf prāṇas als die Wellen hat;
:पञ्चबुद्ध्यादिमूलाम् - der den Geist, die Grundlage der fünffachen Wahrnehmung, als Quelle hat;
:पञ्चावर्ताम् - der fünf Strudel hat;
:पञ्चदुःखौघवेगाम् - der das fünffache Elend als die Stromschnellen hat;
:पञ्चाशद्भेदाम् - der fünfzig Aspekte hat;
:पञ्चपर्वाम् - die fünf Verzweigungen hat;
:अधीमः - (wir) denken an.
5. Wir stellen uns Ihn als einen Fluss vor, der das Wasser von fünf Strömen enthält, der fünf große Wendungen aufgrund von fünf Ursachen hat, der die fünf prāṇas als die Wellen, den Geist - die Basis der fünffachen Wahrnehmung - als die Quelle hat, und der fünf Strudel, das fünffache Elend als die Stromschnellen, fünfzig Aspekte und fünf Verzweigungen hat.
Der große Fluss: Die Quelle aller Flüsse lässt sich bis zu den ozeanischen Gewässern zurückverfolgen und sie münden wieder in den Ozean. In ähnlicher Weise entspringt die Welt aus der Wahrheit/Brahman, die ihre eigentliche Grundlage ist, und geht wieder darin auf. Um ein Bad im Fluss zu genießen, sollten wir uns seiner Tiefe und der Strömung bewusst sein, sonst besteht die Gefahr des Ertrinkens. Flüsse haben tückische Strudel und gefährliche Kreaturen. Uns wird geraten, niemals in unbekannte Gewässer zu springen. So auch im Leben - diese Welt wird unheilvoll für unbedachte Menschen, die sich in ihr verfangen und leiden. Doch die Weisen schöpfen aus derselben Welt großes Glück.
Die Schüler meditierten und sahen die Wahrheit/Brahman als einen Fluss. Was dem Unwissenden als der Fluss der weltlichen Existenz (saṁsāra nadī) erscheint, wird von den Weisen als der Fluss der Wahrheit (brahma nadī) gesehen. Die Metapher entfaltet sich so.
pañca-sroto'mbum: Die Wasser vieler Ströme kommen zusammen, um die großen Flüsse zu bilden. Die Sinnesobjekte treten durch die fünf Sinnesorgane der Wahrnehmung - Ohren, Haut, Augen, Zunge und Nase - in uns ein.
pañca-yoni-ugra-vakrām: Die Welt besteht aus den subtilen und groben fünf Elementen - Raum, Luft, Feuer, Wasser und Luft (pañca-yoni). Wenn die Sinnesorgane der Wahrnehmung mit den Sinnesobjekten - die beide aus den fünf Elementen bestehen - in Berührung kommen, sammeln sie Kraft und werden turbulent (ugra), und das führt uns durch so manche Windung und Drehung des Lebens (vakra). Der Mensch kann sehr leicht von der Kraft seiner Sinne in die Welt des Vergnügens und des Genusses hineingerissen werden.
pañca-prāṇa-ūrmim: Wellen und Wogen entstehen, wenn das Wasser auf Hindernisse stößt und gegen das Flussufer prallt. Die fünf physiologischen Funktionen - prāṇa (Atmung), apāna (Ausscheidung), vyāna (Kreislauf), udāna (Umkehrung) und samāna (Verdauung) - sind die Wellen, die in diesem weltlichen Fluss entstehen.
pañca-buddhyādi-mūlām: Was ist die Quelle der fünf Sinne, die die Ströme sind, die diesen Fluss bilden? In der Tat ist es der Geist, ohne dessen Rückhalt die Sinne nicht funktionieren können. Wenn zum Beispiel der Geist abgelenkt ist, sieht man das Auto nicht, auch wenn die Augen offen sind und es direkt vor einem steht, und es gibt einen Unfall. Ein zerstreuter Geist hört nicht einmal, wenn man laut und deutlich angesprochen wird.
pañca-āvartām: Wenn die Ströme der Sinne stromabwärts fließen, verwickeln sie sich in die Strudel der fünf Sinnesobjekte - Töne, Berührung, Farben und Formen, Geschmäcker und Gerüche. Sie sind so verlockend, dass man leicht in ihnen ertrinkt.
pañca-duḥkhaugha-vegām: Der Fluss hat viele Stromschnellen, in denen die reißende Strömung uns leicht mitreißen kann. Die fünf Stromschnellen des Lebens sind die Sorgen, die mit den fünf Stadien des Lebens verbunden sind.
asti: Die Sorgen des Fötus, der in den beengten Verhältnissen des Mutterleibs lebt und der Mutter völlig ausgeliefert ist.
jāyate: Die Schmerzen der Geburt, die sowohl von der Mutter als auch vom Kind erlebt werden.
vardhate: Die Qualen des Wachsens. Jede Stufe des Wachstums - Säuglingsalter, Kindheit, Jugend und Erwachsensein - hat ihre eigenen Prüfungen und Mühen.
apakṣīyate: Die Mühen des Alters sind sehr offensichtlich. Debilität, Senilität, Krankheit und andere endlose Sorgen ziehen uns durch das Alter.
vinaśyatī: Der Mensch steht schließlich dem Leid des Todes gegenüber.
pañcāśad-bhedām: Die fünfzig Faktoren könnten als das Gleiche verstanden werden, von dem im früheren Mantra als den fünfzig Speichen des Rades gesprochen wurde. Die Yoga Śāstras beschreiben Cakras, die die Zentren sind, entlang derer die kuṇḍalini śakti (psychische Energie) reist, um in das Cakra auf der Oberseite des Kopfes zu verschmelzen, das Sahasrāra genannt wird. Jedes cakra wird als ein Lotos mit einer bestimmten Anzahl von Blütenblättern beschrieben. Das mūlādhāra (4), svādhiṣṭhāna (6), nābhi cakra (10), anāhata (12), viśuddha (16) und ājñā cakra (2) haben zusammen 50 Blütenblätter, die verschiedene Arten von Gedanken darstellen, die im Individuum und in der Welt vorherrschen.
pañca-parvām: Einige Flüsse werden als Verzweigungen gesehen. Einige, wie der Brahmaputra, verzweigen sich und bilden eine Deltaregion. Der Fluss des Lebens hat fünf solcher Verzweigungen: avidyā (Unwissenheit über das Selbst), asmitā (Identifikation mit dem Nicht-Selbst, die die Vorstellung des Handelns hervorruft), rāga (Vorliebe für das, was als Quelle der Freude gilt), dveṣa (Abneigung gegen das, was Kummer zu bereiten scheint) und abhiniveśa (Angst vor dem Tod). Faszinierend ist in der Tat dieser Fluss, in dem wir uns befinden.
Die Upaniṣad erklärt nun, wie wir uns in diesem Rad der weltlichen Existenz verfangen und wie wir aus ihm herauskommen können.
:सर्वाजीवे सर्वसंस्थे बृहन्ते अस्मिन्हंसो भ्राम्यते ब्रह्मचक्रे।
:पृथगात्मानं प्रेरितारं च मत्वा जुष्टस्ततस्तेनामृतत्वमेति॥ ६॥
:sarvājīve sarvasaṁsthe bṛhante asmin-haṁso bhrāmyate brahmacakre,
:pṛthagātmānaṁ preritāraṁ ca matvā juṣṭas-tatas-tenāmṛtatvam-eti. (6)
सर्वाजीवे - das, in dem alle Wesen leben oder existieren; सर्वसंस्थे - das der Ort der Auflösung aller Wesen ist; अस्मिन् बृहन्ते ब्रह्मचक्रे - in diesem großen Rad der Wahrheit/Brahman; हंसः - das individuelle Wesen; भ्राम्यते - wandern;
पृथक् - trennen; आत्मानम् - selbst; प्रेरितारम् - die bewegende Kraft oder Steuerung; च - und; मत्वा - unter Berücksichtigung; जुष्टः - gesegnet; ततः - dann; तेन - durch Ihn; अमृतत्वम् - Unsterblichkeit; एति - erlangt.
6. Der jīva (individuelles Wesen), der sich selbst als getrennt und verschieden von dem Herrn betrachtet, der die bewegende Kraft ist, wandert im Rad der Wahrheit/Brahman, in dem alle Wesen leben und ruhen. Von Ihm gesegnet und sich selbst als eins mit dem Herrn wissend, erlangt der jīva Unsterblichkeit.
Dank der Kraft der māyā erscheint die Wahrheit/Brahman als dieses gesamte Universum. So sind auch die Individuen, Sie und ich, nichts anderes als die Wahrheit. In Unkenntnis unserer wesentlichen Natur drehen wir uns in diesem Rad der weltlichen Existenz.
Haṁsa: Das Wort 'haṁsa' hat viele Bedeutungen. Einer, der umherwandert, wird haṁsa genannt (hanti gacchati iti haṁsaḥ). Die Sonne wird so wahrgenommen, dass sie sich vom östlichen zum westlichen Horizont bewegt, daher wird sie haṁsa genannt. Der Schwan bewegt ständig seine Beine, nimmt Tanzhaltungen ein und wird deshalb haṁsa genannt. Es wird gesagt, dass der Schwan die besondere Fähigkeit hat, Milch und Wasser zu trennen. Daher wird jemand, dessen Intellekt zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst unterscheiden kann, auch haṁsa genannt. Einige Mönchsorden der Hindus werden haṁsa oder paramahaṁsa genannt. Der wandernde Mönch wird auch paramahaṁsa parivrājaka genannt. Einer, der erkannt hat 'Ich bin (aham) diese Wahrheit (saḥ)', wird auch paramahaṁsa genannt. Hier bedeutet haṁsa den jīvātmā, das endliche Individuum, wie es in dieser Welt umherwandert und sich mit verschiedenen Körpern identifiziert, ein Mensch oder ein Tier oder ein himmlisches Wesen wird.
Bṛhante: Das Wort Brahman/bṛhante kommt von 'bṛhat', was das unbedingte und uneingeschränkte 'Große' bedeutet. Daher bedeutet bṛhante oder Brahman das Unendliche. Das Rad von Brahman (brahma-cakra) ist unendlich. Alle Lebewesen (sarvājīve) und trägen Objekte existieren und verschmelzen wieder in der unendlichen Wahrheit (sarva-saṁsthe). Warum wandert dann das Individuum und leidet? Es liegt daran, dass wir, die Individuen, denken, wir seien getrennt (pṛthak) von der unendlichen Wahrheit/Gott, der die motivierende Kraft (preritāram) hinter diesem gesamten Universum ist. Dieser Gedanke, getrennt und anders zu sein, gibt uns das Gefühl, endlich, hilflos und der Welt ausgeliefert zu sein. Der Einzelne wird auch zum Ausführenden von Handlungen und zum Genießer oder Leidtragenden der Ergebnisse. Der Pfad der Hingabe befürwortet, dass wir Gott/Wahrheit dienen und verehren. Da der Herr darüber erfreut ist, schenkt Er Seine Gnade (tena īśvareṇa jīvaḥ juṣṭaḥ) und das Individuum erlangt Unsterblichkeit (amṛtatvam eti), da es eins mit dem Herrn wird.
Gemäß dem Pfad der Erkenntnis, wenn das Individuum sein Einssein mit der unendlichen Wahrheit (ahaṁ saḥ) verwirklicht, hört es auf, das hilflose und umherirrende endliche Wesen (haṁsa) zu sein und verwirklicht seine unsterbliche Natur (amṛtatvam eti). So werden die Fragen der Jünger im ersten Mantra beantwortet. Die unendliche Wahrheit mit ihrer unergründlichen göttlichen Kraft ist die letzte Ursache dieser Welt. Die unendliche Wahrheit allein erscheint als diese Schöpfung aufgrund dieser Kraft und regiert sie auch. Wir gehen aus der Wahrheit hervor, werden von Ihr erhalten und kehren zu Ihr zurück. Bis wir unser Einssein mit Ihr erkennen, wandern wir umher, identifizieren uns mit dem Körper und leben als endliche Individuen. Wenn wir Gott/Wahrheit verehren oder unser Einssein verwirklichen, erlangen wir Unsterblichkeit.
Was ist die Ursache der Befreiung?
:उद्गीतमेतत्परमं तु ब्रह्म तस्मिंस्त्रयं सुप्रतिष्ठाक्षरं च।
:अत्रान्तरं ब्रह्मविदो विदित्वा लीना ब्रह्मणि तत्परा योनिमुक्ताः॥ ७॥
:udgītametat-paramaṁ tu brahma tasmiṁs-trayaṁ supratiṣṭhākṣaraṁ ca
:atrāntaraṁ brahmavido viditvā līnā brahmaṇi tatparā yoni-muktāḥ. (7)
उद्गीतम् - verkündet; एतत् - dies; तु - wahrlich; परमं ब्रह्म - höchste Wahrheit/Brahman; तस्मिन् - darin; त्रयम् - die Triade; सुप्रतिष्ठा - existieren; अक्षरम् - unvergänglich; च - und; अत्र - hier; अन्तरम् - die innere Essenz; ब्रह्मविदः - die Wissenden der Wahrheit/Brahman; विदित्वा - das Verstehen; लीनाः - (sie) werden verschmolzen; ब्रह्मणि - in Brahman oder die Wirklichkeit; तत्पराः - darin versunken bleiben; योनिमुक्ताः - (werden) frei von Geburt (befreit).
7. Dies wird als wahrhaft die höchste Wahrheit/Brahman verkündet. In ihm existiert die Triade. Sie ist die feste Stütze und ist unvergänglich. Die Wissenden der Wahrheit/Brahman, die ihr inneres Wesen verstehen und darin versunken bleiben, gehen in der Wahrheit/Brahman auf und werden frei von Geburt.
udgītam-etat paramaṁ tu brahma: Die Weisen und die Heiligen, sie alle sprechen von der höchsten Wahrheit und ihrer Größe. 'Die Veden (Schriften) erklären die Erhabenheit der Wahrheit/Brahman.'
tasmins-trayaṁ supratiṣṭhitā akṣaraṁ ca: Die höchste Wahrheit ist das unvergängliche Substrat dieser vergänglichen Welt der Namen und Formen.
Es gibt viele Triaden - zusammenhängende Dreiergruppen - die in der Welt gesehen werden. Auf der individuellen Ebene gibt es den Erfahrenden - erlebten Gegenstand - Erfahrung (bhoktā-bhogya-bhoga), den Wissenden - Wissenden - Wissen (pramātā-prameya-pramā), den Wach-Traum-Tiefschlaf-Zustand (jāgrat-svapna-suṣupti), den Wach-Träumer-Tiefschlafenden (viśva-taijasa-prājña) und so weiter.
Auf der Ebene der Totalität gibt es den Schöpfer-Erhalter-Zerstörer (Brahmā-Viṣṇu-Maheśa), das Totale Grobstoffliche-Totale Feinstoffliche-Totale Kausalwesen (Virāṭ-Hiraṇyagarbha-Īśvara), die drei Qualitäten von prakṛti (sattva-rajas-tamas) und so weiter. Die Wahrheit durchdringt (aśnute iti akṣaram), unterstützt und erhellt alle diese dreifachen Faktoren dieser Welt.
atra antaraṁ brahmavido viditvā: Auch wenn der Goldschmied verschiedene Formen, Größen und Designs von Goldornamenten herstellt, kauft er das Rohmaterial und verkauft es zum Preis des Goldes. Das Gold wird weder geschaffen noch zerstört, wenn sich die Formen ändern. Gold allein ist die Essenz des Ohrrings, Nasenrings oder Fußkettchens.
'Jedes Objekt hat Existenz, Bewusstsein, Glückseligkeit, Name und Form (mit Eigenschaften). Die drei erstgenannten sind seine unveränderliche Essenz, die Wahrheit/Brahman und die beiden letzteren gehören zur sich verändernden Welt und sind illusorisch.'
Wir brauchen nicht im siebten Himmel nach der Wahrheit zu suchen. Sie ist genau hier (atra) und jetzt verfügbar. Innerhalb des Groben ist die subtile Essenz vorhanden. Die Wahrheit ist im Innern (antara) als das eigentliche innere Selbst des Suchenden zu verwirklichen.
līnā brahmaṇi tatparāḥ yonimuktāḥ: Diejenigen, die die Wahrheit als das höchste Ziel allein (tatparā) betrachten, werden ständig mit einem wachen und fokussierten Geist (tatpara) über sie meditieren. Sie verschmelzen schließlich in der Wahrheit und werden vom Kreislauf von Geburt und Tod befreit und müssen nie wieder in den Schößen verschiedener Arten wiedergeboren werden.
Begriffe wie "Verschmelzung" und "Befreiung" können durch Beispiele aus dem täglichen Leben verstanden werden. Wenn eine Person einschläft und zu träumen beginnt, können wir sagen, dass der Wachende mit dem Träumenden "verschmilzt". Wenn er aufwacht, können wir sagen, dass er von der Traumwelt und dem Traumkörper, den er angenommen hat, "befreit" ist. Normalerweise sprechen wir von solchen Erfahrungen als 'ich habe geträumt und ich bin aufgewacht' und nicht als 'Verschmelzung' und 'Befreiung'. Wenn man aus dem Alptraum erwacht, ist man erleichtert, von dem schmerzhaften Zustand des Träumers und der schrecklichen Traumwelt, der man ausgesetzt war, befreit zu sein. Stellen Sie sich die Erleichterung von jemandem vor, der zu seiner unvergänglichen Natur erwacht und erkennt, dass die Welt unwirklich ist und dass man in keinem Schoß wiedergeboren wird!
Was ist die Ursache der Knechtschaft und was ist das Wissen, das befreit?
संयुक्तमेतत्क्षरमक्षरं च व्यक्ताव्यक्तं भरते विश्वमीशः।
अनीशश्चात्मा बध्यते भोक्तृभावात् ज्ञात्वा देवं मुच्यते सर्वपाशैः॥ ८॥
Saṁyuktametat-kṣaramakṣaraṁ ca vyaktāvyaktaṁ bharate viśvamīśaḥ,
anīśaścātmā badhyate bhoktṛbhāvāt-jñātvā devaṁ mucyate sarvapāśaiḥ. (8)
संयुक्तम् - Kombination; एतत् - dies; क्षरम् - vergänglich; अक्षरम् - unvergänglich; च - und; व्यक्ताव्यक्तम् - das Manifeste und das Unmanifeste; भरते - nährt; विश्वम् - Universum; ईशः - der Herr; अनीशः - machtlos; च - und; आत्मा - das individuelle Wesen; बध्यते - gebunden; भोक्तृभावात् - aufgrund des Gefühls, der Genießer zu sein; ज्ञात्वा - erkannt zu haben; देवम् - der Herr; मुच्यते - befreit; सर्वपाशैः - von allen Bindungen.
8. Der Herr nährt dieses Universum, das aus einer Kombination des Verderblichen und des Unvergänglichen, des Manifesten und des Unmanifesten besteht. Solange der jīva den Herrn nicht kennt, ist er machtlos und wird durch das Gefühl, der Genießer zu sein, gebunden; wenn er aber den Herrn kennenlernt, wird er von allen Bindungen befreit.
Das Vergängliche und das Unvergängliche (kṣaram akṣaram): Der Herr/Gott nährt, erhält und schützt die ganze Welt. Die Welt wird viśva genannt, da sie sich auf viele Arten bewegt (vividhaṁ śvayati). Diese sich verändernde Welt ist eine Kombination aus dem Vergänglichen (kṣara) und dem relativ Unvergänglichen (akṣara). Der Körper verändert sich ständig - alte Zellen sterben ab und es werden ständig neue Zellen gebildet. Das Individuum jedoch bleibt ein Leben lang in diesem Körper. Beide werden von Gott erhalten und genährt, der die absolute unvergängliche Wahrheit ist.
Das Manifeste und das Unmanifeste (vyakta-avyaktam): Die manifeste Welt (vyakta) besteht aus den grob- und feinstofflichen Objekten oder der Materie. Sie wird von den Lebewesen durch ihre grob- und feinstofflichen Körper erfahren. Prakṛti, die unendliche potentielle Kraft des Herrn, ist unmanifest (avyakta). Sie ist die Ursache der Welt und enthält die einzelnen vāsanās oder Kausalkörper. Das Universum ist eine Kombination aus dem Manifesten und dem Unmanifesten. Das Grobstoffliche und das Feinstoffliche gehen in den kausalen Zustand über, um wieder aufzutauchen. Der absolute unmanifeste Gott/die Wahrheit ist jedoch jenseits von beidem und nährt sowohl das Grobe als auch das Subtile und die individuellen und gesamten vāsanās.
Knechtschaft: Das individuelle Selbst (jīvātmā) fühlt sich, obwohl es von Gott getragen und genährt wird, hilflos und machtlos (anīśa). Er klagt sogar darüber, gottverlassen und verwaist zu sein und keinen Meister zu haben, der ihn beschützt. Er wird von seinem zwanghaften Verlangen zu genießen (bhoktṛ-bhāvāt) gefesselt, das ihn in Handlungen hineinzieht und ihn in einen Teufelskreis von Tun und Genießen treibt.
Das Wissen um früher genossene Vergnügungen, die Objekte der Vergnügungen und die Vorstellung des Genießens veranlasst den Menschen zum Handeln. Die falschen Vorstellungen von Tun und Genießen halten uns gebunden (badhyate) und machen uns hilflos (anīśaścātmā).
Ein Mann ließ den Papagei, den er im Käfig gehalten hatte, frei, weil er dachte, dass er seine Freiheit verdiente, um zu fliegen, wohin er wollte, und in der Natur mit seinesgleichen zu sein, statt in der eingesperrten und künstlichen Umgebung einer Wohnung in Mumbai. Nach ein paar Tagen kam der Papagei jedoch sofort zurück. Er hatte sich an das spezielle Futter gewöhnt, das er im Heim bekam. Er betrat fröhlich den Käfig und ließ sich einsperren. In ähnlicher Weise sind wir durch unser Gefühl des Genießens (bhoktṛbhāvāt) gebunden.
Befreiung: Wenn der Mensch erkennt, dass "ich weder der Handelnde noch der Genießer der Ergebnisse bin", wird er von Endlichkeit, zwanghaften Wünschen, begehrenswerten Handlungen und den daraus resultierenden Freuden und Sorgen befreit. Diese Verwirklichung von Gott/Wahrheit im Inneren befreit ihn von allen Fesseln. Wie geschieht dies?
Der Einzelne muss zuerst verstehen, dass er kein Waisenkind ist. Es ist der Herr, der ihn erhält und nährt. Er beginnt, den Herrn zu verehren, und langsam wird sein Geist gereinigt und erfährt die Gnade des Herrn auf vielerlei Weise. Er wendet sich an einen Guru und lernt, dann reflektiert und kontempliert er und erkennt schließlich, dass der Herr das alles erhellende Selbst (deva) im Inneren ist. Er erkennt, dass es der Herr allein war, der ihn die ganze Zeit über erhalten hat, auch als er nicht an die Existenz Gottes glaubte oder als er Gott ignorierte oder ablehnte.
Was der Unterschied und das Einssein zwischen dem Individuum und Gott ist, wird im Folgenden erklärt.
ज्ञाज्ञौ द्वावजावीशनीशावजा ह्येका भोक्तृभोग्यार्थयुक्ता।
अनन्तश्चात्मा विश्वरूपो ह्यकर्ता त्रयं यदा विन्दते ब्रह्ममेतत्॥ ९॥
jñājñau dvāvajāvīśanīśāvajā hyekā bhoktṛ-bhogyārtha-yuktā,
anantaścātmā viśvarūpo hyakartā trayaṁ yadā vindate brahmametat. (9)
ज्ञाज्ञौ - allwissend und unwissend; द्वौ - die beiden; अजौ - (die beiden) Ungeborenen; ईशनीशौ - allmächtig und machtlos; अजा - die Geburtslosen (māyā); हि - allein; एका - eins; भोक्तृभोग्यार्थयुक्ता - der die Vereinigung zwischen dem Genießer und dem Objekt des Genusses bewirkt; अनन्तः - unendlich; च - und; आत्मा - das Selbst; विश्वरूपः - der Form des gesamten Universums; हि - in der Tat; अकर्ता - Nicht-Täter; त्रयम् - die drei; यदा - wenn; विन्दते - weiß; ब्रह्मम् - Brahman; एतत् - dies.
9. Die beiden (Īśvara und jīva) sind (jeweils) allwissend und unwissend, allmächtig und machtlos; beide sind ungeboren. Prakṛti oder māyā allein, ungeboren, bringt die Vereinigung zwischen dem Genießer und dem Objekt des Genusses zustande. Das Selbst (Brahman) ist unendlich, von der Form des gesamten Universums und in der Tat ein Nichttäter. Man wird befreit, wenn man die drei (Īśvara, jīva und prakṛti) als dieses Brahman erkennt.
Das frühere Mantra erklärte, wie wir durch die falschen Vorstellungen von Tun und Genießen gebunden werden und wie wir befreit werden, wenn wir Gott/Wahrheit als unser eigenes wahres Selbst erkennen. Der gleiche Gedanke wird hier erklärt, aber auf eine andere Weise.
Ich und Gott: Ich, das Individuum (jīva) ist endlich - mit wenig Wissen (ajña) und wenig Kraft (alpaśaktimān), unwissend über meine wahre Natur (ajña) und hilflos und abhängig von der Welt (anīśa). Gott (Īśvara) hingegen ist unendlich - allwissend (sarvajña) und allmächtig (sarvaśaktimān), immer vereint mit Seiner unendlichen Natur (jña) und der Herr von allem (īśa).
Da er ein Teil Gottes ist, hat das Individuum Seine Eigenschaften, aber in geringem Maße. Deshalb wünscht er sich, mehr zu wissen, seine Macht zu vergrößern und über andere zu herrschen. Er möchte, dass andere auf ihn hören und seine Befehle ausführen. Er verhält sich wie ein Mini-Lord über seine Mini-Welt. Allerdings wird sein Wissen oft vergessen oder verfälscht, seine geistige und körperliche Energie kann verkümmern und er kann von seiner Machtposition entthront und sogar von anderen, denen er befohlen hat, versklavt werden. Auf der anderen Seite nimmt Gottes Wissen, Macht oder Herrschaft niemals ab.
Das Individuum besitzt in jeder Geburt einen Körper, den es als sein Selbst (dehātmā) betrachtet, während Gott sich mit allen Körpern (sarvātmā) identifiziert. Aber beide sind ungeboren. Wer hat schon die eigene Geburt miterlebt? Von der Geburt in diesem Körper wird uns nur von anderen berichtet. Und wie kann der Teil vor dem Ganzen existieren, um die Geburt des Ganzen/Gottes zu sehen? Wie kann das Individuum vor dem Ganzen/Gott existieren? Gott hat kein Geburtsdatum (Seine Inkarnation in einer bestimmten Form, die Er annimmt, mag an einem bestimmten Tag gefeiert werden!). Der jīvātmā oder das Individuum hat auch kein Geburtsdatum. Sein Eintritt und seine Identifikation mit einer bestimmten Form oder einem bestimmten Körper wird als Geburt seines Körpers betrachtet. Allerdings hat sich das Individuum seit anfangsloser Zeit mit verschiedenen Körpern identifiziert, also ist es tatsächlich anfangslos. Auch wenn beide ungeboren sind, weiß Gott das (jña), aber das Individuum denkt, dass es geboren ist und stirbt (ajña).
Die göttliche Kraft: Prakṛti, die göttliche Kraft Gottes, die immer in Ihm wohnt, ist ebenfalls anfangslos. Vom Herrn geleitet, vereint Seine göttliche Kraft das Individuum mit den Ergebnissen seiner Handlungen (kartā-karmaphala-yukta) und den Genießer mit den Objekten des Genusses (bhoktṛ-bhogyārtha-yukta).
Alles ist die eine Wahrheit: Das Selbst (ātmā) oder höchste Selbst (paramātmā) ist jedoch unendlich (ananta) in Zeit und Raum und daher ewig und alles durchdringend. Da es die Form des gesamten Universums (viśvarūpa) hat, ist es unendlich in Bezug auf Objekte. Obwohl es unendlich ist, ist es weder das Verursachende von Handlungen (akartā) noch das Genießende der Ergebnisse von Handlungen (abhoktā). Wenn das Individuum (jīva) das Wesen von sich selbst, Gott und Seiner göttlichen Kraft erkennt, begreift es, dass sie die eine Wahrheit (Brahman) allein sind. Die Unterschiede sind nur relativ, ihr Einssein ist absolut.
Bhagavān Ramaṇa Maharṣi sagt: 'Alle Philosophien beginnen mit der Benennung der Prinzipien des Individuums, der Welt und des Höchsten. Diese drei Faktoren existieren, solange es die Vorstellung des 'Ich' gibt. Sie verschmelzen zu einem, wenn der Ich-Gedanke nicht vorhanden ist.' Alle Nachforschungen über die Wahrheit beginnen mit diesen dreifachen Faktoren. In der Tat beginnt sie mit mir und der Welt. Dann stellt sich die Frage: "Wer hat mich und diese Welt erschaffen? So beginnt die Befragung über Gott als den Schöpfer. Wenn wir über ihre Essenz - ihre wahre Natur - nachdenken, erkennen wir, dass es nur eine einzige unendliche Wahrheit ist. Sie alle gehen aus dieser unendlichen Wahrheit allein hervor.
Es gibt eine andere Interpretation der Worte jña und ajña. Das individuelle Wesen, ist ein bewusstes Wesen, der Kenner seiner Welt (jña). Die Welt der Objekte ist das Bekannte und Träge (ajña). Das Individuum ist der Herr dieser Objekte, er besitzt sie oder enteignet sie. Die Objekte sind besitzend und abhängig. Prakṛti ist die Kraft, die sowohl das Individuum als auch die Welt erschafft und das Individuum in Kontakt mit der Welt der Objekte bringt. Diese drei Faktoren, das Individuum (jīva), die Welt (jagat) und die schöpferische Kraft (prakṛti), sind jedoch im Wesentlichen die eine unendliche Wahrheit (Brahman) allein.
Der Unterschied und das Einssein zwischen Gott/Wahrheit und seiner göttlichen Macht wird weiter ausgearbeitet.
क्षरं प्रधानममृताक्षरं हरः क्षरात्मानावीशते देव एकः।
तस्याभिध्यानाद्योजनात्तत्त्वभावाद्-भूयश्चान्ते विश्वमायानिवृत्तिः॥ १०॥
kṣaraṁ pradhānam-amṛtākṣaraṁ haraḥ kṣarātmānāvīśate deva ekaḥ,
tasyābhidhyānād-yojanāt-tattvabhāvād-bhūyaścānte viśvamāyānivṛttiḥ . (10)
क्षरम् - vergänglich; प्रधानम् - Materie oder prakṛti; अमृताक्षरम् - unsterblich und unvergänglich; हरः - der (oberste) Gott; क्षरात्मानौ - über die vergängliche Materie und das individuelle Wesen; ईशते - herrscht; देवः - Gott; एकः - einer; तस्य - Sein (Wesen); अभिध्यानात् - durch Meditation über; योजनात् - durch Vereinigung mit; तत्त्वभावात् - durch Verwirklichung; भूयः - wiederholt; च - und; अन्ते - am Ende; विश्वमायानिवृत्तिः - Beendigung der Illusion in der Form des Universums
10. Materie ist vergänglich, aber Gott/Wahrheit ist unvergänglich und unsterblich. Er, der einzige Gott, herrscht über die verderbliche Materie und die individuelle Seele (jīvātmā). Indem man wiederholt über Ihn meditiert, sich mit Ihm vereinigt und Sein Wesen verwirklicht, kommt am Ende alle Illusion (in Form des Universums) zu einem Ende.
Der Unterschied: Gottes göttliche Kraft (prakṛti) wird auch als pradhāna bezeichnet, insbesondere in der Sāṅkhya-Philosophie. 'Das, in dem alles aufbewahrt wird (zur Zeit der Auflösung und aus dem alles als Schöpfung hervorgebracht wird)' wird pradhāna genannt.
Es allein manifestiert sich als diese ganze Welt der Dinge und Wesen und ist ständig im Wandel und Vergehen (kṣara). Alles ist einem ständigen Wandel unterworfen. Veränderung kann als ein Prozess der Erneuerung oder des Alterns, als Beginn des Neuen oder als Ende des Alten, als ständige Geburt oder als immerwährender Tod betrachtet werden.
Gott/Wahrheit hingegen ist geburtslos, todeslos (amṛta) und unveränderlich (akṣara). Ausgestattet mit göttlicher Kraft (pradhāna), wird Gott/Wahrheit in der Form von Śiva - dem Verheißungsvollen - dargestellt. In diesem Vers wird Er Hara genannt - derjenige, der alles wegnimmt (harati). Er nimmt unsere Unwissenheit, Kummer und Anhaftungen weg. Er wird auch als Deva bezeichnet - das selbstverständliche Bewusstsein, das alles erhellt. Gott/Wahrheit ist eins (eka) - eins ohne ein zweites oder nicht-dual. Er kann nicht in zwei Hälften oder Viertel geteilt werden, noch kann Er hinzugefügt werden, um zwei oder drei zu werden. In den Tantra-Schriften wird die Klangsilbe (bījākṣara) 'raṁ', die das Wasserelement repräsentiert, amṛtākṣara genannt - das Unsterbliche und Unvergängliche. Gott/Wahrheit herrscht über die Natur, die Gesamtheit der Materie (pradhāna) und auch über die gesamte Schöpfung der sich ständig verändernden Dinge und Wesen (jīvātmās), die aus der grob- und feinstofflichen Materie hervorgehen.
Die Einheit: Die Unterschiede zwischen den vergehenden Dingen und Wesen und dem unsterblichen Gott/Wahrheit sind offensichtlich und erkennbar. Ihr Einssein ist jedoch subtil und absolut. Dieses essentielle Einssein wird erkannt von:
abhidhyānāt - Meditation: Sich der Wahrheit stellen und dem Bereich des Wandels den Rücken zuwenden (abhimukhena dhyānāt), sie in jeder Form, an jedem Ort und zu jeder Zeit sehen (abhito dhyānāt).
yojanāt - Vereinigung: Sich mit Ihm als dem eigenen Selbst identifizieren.
tattva-bhāvāt - Verwirklichung: Das Besitzen von Es als 'Ich bin die unsterbliche Wahrheit' (ahaṁ brahmāsmi). Diese Praxis der Meditation muss immer wieder durchgeführt werden (bhūya), bis das Ego, das alle Unterschiede erzeugt, aufhört (ante) und es zur völligen Beseitigung von māyā kommt.
Das befreiende Wissen: Ramaṇa Maharṣi sagt: "Mit dem Tod des Egos erstrahlt das unendliche Selbst in seiner reinen, unberührten Herrlichkeit spontan im Herzen.
Die Beseitigung von māyā (viśva-māyā-nivṛtti): Dies kann als die totale (viśva) Eliminierung (nivṛtti) der Illusion, oder der durch Unwissenheit (māyā) geschaffenen Illusion dieser Welt, verstanden werden.
In der Verwirklichung von Gott/Wahrheit wird die Erscheinung der Welt nicht beseitigt. Wir nehmen sie weiterhin wahr und handeln in ihr, aber ohne Sinn für Realität (satyatva buddhi) und Dualität und wie in einem Film schauen wir uns diese Welt an und wissen, dass alles nur eine Erscheinung ist.
Mit der Gottverwirklichung enden die falschen Vorstellungen von Realität und Dualität (māyā nivṛtti), auch wenn die weltliche Existenz und die Erfahrung der Welt weitergehen. Aber mit dem Fall des Körpers kommt auch die weltliche Existenz zu einem totalen Ende - ein für alle Mal (viśva nivṛtti).
Es wird erzählt, dass während des Mahābhārata-Krieges Karṇas Feuerpfeile (agni-astra) Arjunas Streitwagen verbrannt hatten. Doch Śrī Kṛṣṇas Anwesenheit hielt den Streitwagen in Form und Arjuna kämpfte mit ihm weiter. Nach dem Krieg, in dem Moment, in dem Śrī Kṛṣṇa vom Wagen herabstieg, verwandelte er sich in Asche. In ähnlicher Weise brennt das Feuer der Gottverwirklichung die Unwissenheit, das Ego und die Dualität weg. Der Mensch der Verwirklichung funktioniert jedoch weiterhin durch den Körper, bis die Karmas (prārabdha), die seinen Körper aufrechterhalten, erschöpft sind.
Das Ergebnis von Meditation und Verwirklichung wird nun erklärt.
ज्ञात्वा देवं सर्वपाशापहानिः क्षीणैः क्लेशैर्जन्ममृत्युप्रहाणिः।
तस्याभिध्यानात्तृतीयं देहभेदे विश्वैश्वर्यं केवल आप्तकामः॥ ११॥
jñātvā devaṁ sarvapāśāpahāniḥ kṣīṇaiḥ kleśair-janmamṛtyu-prahāṇiḥ,
tasyābhidhyānāt-tṛtīyaṁ dehabhede viśvaiśvaryaṁ kevala āptakāmaḥ. (11)
ज्ञात्वा - das Erkennen; देवम् - Gott; सर्वपाशापहानिः - das Zerreißen aller Fesseln; क्षीणैः क्लेशैः - mit der Erschöpfung aller Sorgen; जन्ममृत्युप्रहाणिः - die Zerstörung (des Kreislaufs von) Geburt und Tod; तस्य - Sein (auf Ihn); अभिध्यानात् - von der Meditation; तृतीयम् - dritter (Zustand); देहभेदे - auf Zerstörung (der Identifikation mit) dem Körper; विश्वैश्वर्यम् - universelle Herrschaft; केवलः - der Einzige (Absolute); आप्तकामः - einer, dessen (alle) Wünsche erfüllt werden (selbst erfüllt)
11. Nachdem man Gott erkannt hat, sind alle Fesseln zerrissen, Unwissenheit und Sorgen sind erschöpft, und dadurch endet der Kreislauf von Geburt und Tod. Indem man über Ihn meditiert, geht man über den Körper hinaus und erreicht den dritten Zustand der universellen Herrschaft, wenn alle Wünsche erfüllt sind.
Das befreiende Wissen: Fesselung ist fiktiv. Ein Bär, der in Gefangenschaft geboren wird, gewöhnt sich daran, in einem begrenzten Bereich zu leben, und selbst wenn er aus seinem Käfig befreit wird, begreift er seine Freiheit nicht. Er fährt fort, sich in einem begrenzten Bereich zu bewegen, da er geistig immer noch im Käfig ist.
Wir mögen sagen, dass wir frei sind, aber wir alle bewegen uns in unserer endlichen Welt der Anhaftungen und sind durch unsere Gedanken begrenzt. Wir mögen behaupten, physisch, wirtschaftlich oder politisch frei zu sein, aber wir sind durch hundert Seile von Erwartungen (āśā-pāśa-śatair-baddhā), unsere Vorlieben, Abneigungen und Vorurteile und Vorstellungen von richtig und falsch gebunden. All dies entsteht aufgrund von Unwissenheit oder Identifikation mit dem Körper. Wenn diese Fesseln der Unwissenheit und der falschen Vorstellungen abgeschnitten sind, erfahren wir völlige Freiheit (niraṅkuśa svātantryam). Dieser Zustand ist in unserem gegenwärtigen Zustand nur schwer vorstellbar. Er wird erfahren, indem wir Gott/Wahrheit als unser eigenes Selbst erkennen.
Gottverwirklichung setzt allem Schmerz, Elend und Kummer (kleśa) ein Ende. Sie vernichtet alle Konflikte und Verwirrungen. Wo immer es einen Zusammenstoß (Konflikt) gibt, gibt es kleśa. Es kann ein Zusammenprall von Worten oder Meinungen sein, grob oder feinstofflich. Wo immer es eine Aktion gibt, gibt es eine Reaktion. Wo immer es eine Veränderung gibt, gibt es einen Widerstand gegen die Veränderung.
Ein gottverwirklichter Mensch hat keine Zusammenstöße mit irgendjemandem. Er streitet nicht, widersetzt sich nicht und stellt sich nicht gegen die Meinung anderer. Was hat er zu verlieren oder zu gewinnen, wenn er einen Streit gewinnt? Wenn jemand am helllichten Tag darauf besteht, dass es Nacht ist, akzeptiert er es - schließlich muss es irgendwo Nacht sein!
Unwissenheit über das Selbst (avidyā), die zur Identifikation mit dem Nicht-Selbst führt, und die Vorstellung vom Tun im Handeln (ahaṅkāra), die zu Ergebnissen führt, die wir mögen oder nicht mögen (rāga und dveṣa), sowie Ängste (abhiniveṣa) werden in den Yoga Śāstras als die fünf kleśas betrachtet. Die Gottverwirklichung setzt ihnen allen ein Ende und beendet so den Kreislauf von Geburt und Tod.
Erst wenn man vollständig begreift, dass man gebunden ist, versucht man, sich zu befreien. Wenn wir verstehen, dass die Gebundenheit fiktiv ist, hören wir auf, anderen die Schuld an unserem Kummer zu geben oder nach äußeren Lösungen zu suchen. Wir bemühen uns dann, unsere falschen Vorstellungen zu beseitigen.
Die heiligen Schriften raten uns, kontinuierlich über Gott/Wahrheit zu meditieren (abhidhyāna). Wenn wir die Wahrheit als unser eigenes Selbst erkennen, fällt die Identifikation mit dem Körper ab (deha-bheda) und wir erreichen den dritten Zustand der universellen Herrschaft (tṛtīyaṁ viśvaiśvaryam). Im Allgemeinen wird die Verwirklichung als vierter Zustand (turīya) in Bezug auf die drei Zustände von Wachen, Traum und Tiefschlaf bezeichnet. Betrachtet man Wachen und Traum als eins, so wird hier die Verwirklichung als der dritte Zustand bezeichnet. Er kann auch anders interpretiert werden. Das Bewusstsein des Körpers ist der erste Zustand, das der Welt - der zweite Zustand und das von Gott/Wahrheit - der dritte Zustand. Ᾱdi Śaṅkarācārya sagt: "Wenn die Identifikation mit dem Körper endet und das höchste Selbst verwirklicht wird, erfahren wir, wohin der Geist auch geht, den Zustand der Absorption in der Wahrheit allein.
Im Zustand der Verwirklichung werden alle Wünsche erfüllt (āpta kāma). Unsere Wünsche sind zahllos. Wenn wir versuchen, sie einen nach dem anderen zu erfüllen, wird es unmöglich sein, dies zu tun. Wenn einer erfüllt ist, taucht der andere auf wie ein Taschentuch in der Ausziehbox. Da wir das Glück allein durch die Erfüllung von Wünschen suchen, sind wir vollkommen erfüllt, wenn wir die unendliche Glückseligkeit im Inneren erfahren. Wir werden dann zu den Meistern der Welt, völlig unabhängig und frei, anstatt von der Welt versklavt zu sein und bei Objekten und Wesen um Glück zu betteln. Wir suchen nichts von der Welt und es gibt nichts mehr von der Welt zu gewinnen.
Was ist das höchste Wissen, das man erlangen kann?
एतज्ज्ञेयं नित्यमेवात्मसंस्थं नातः परं वेदितव्यं हि किञ्चित्।
भोक्ता भोग्यं प्रेरितारं च मत्वा सर्वं प्रोक्तं त्रिविधं ब्रह्ममेतत्॥ १२॥
etajjñeyaṁ nityamevātmasaṁsthaṁ nātaḥ paraṁ veditavyaṁ hi kiñcit,
bhoktā bhogyaṁ preritāraṁ ca matvā sarvaṁ proktaṁ trividhaṁ brahmametat. (12)
एतत् - dies; ज्ञेयम् - bekannt sein; नित्यम् - immer; एव - allein; आत्मसंस्थम् - im eigenen Herzen vorhanden; न किञ्चित् - nichts; अतः परम् - jenseits davon; वेदितव्यम् - zu wissen; हि - in der Tat; भोक्ता - der Genießer; भोग्यम् - das, was genossen wird; प्रेरितारम् - der Motivator; च - und; मत्वा - verstanden haben; सर्वम् - alle; प्रोक्तम् - erklärt werden; त्रिविधम् - die drei Formen; ब्रह्मम् - Wahrheit/Wirklichkeit; एतत् - dies
12. Diese Wahrheit (Brahman), die immer im Herzen existiert, ist allein zu erkennen; in der Tat gibt es nichts, was darüber hinaus zu erkennen ist. Der Genießer, das, was genossen wird, und der Motivator werden alle als drei Formen der Wahrheit (Brahman) allein erklärt.
'Dies' allein (etat eva): Das Pronomen 'dies' zeigt an, dass Gott/Wahrheit nicht weit weg ist ('das'), sondern direkt im Inneren erfahren wird. Gott/Wahrheit allein wird als das Selbst erkannt, alles andere wird nur als das Nicht-Selbst erfahren.
Sollte allein erkannt werden (jñeyam eva): Manche erlernen viele Künste, manche beherrschen die Wissenschaften, wieder andere zeigen verschiedene Talente oder Fähigkeiten. Es gibt kein Ende für das, was gelernt werden kann. Doch den Wissenden - das Selbst in jedem von uns - zu kennen, ist keine Option wie bei allen anderen Kenntnissen. Jeder sollte es kennen (jñeyam eva), denn Gottverwirklichung macht uns furchtlos und unsterblich. 'Ich werde euch das Wissen sagen, das man kennen sollte, wenn man Unsterblichkeit erlangt.' Nur im menschlichen Leben können wir Gott/Wahrheit erkennen, daher sollte man es kennen. 'Wenn dies nicht bekannt ist, gibt es einen großen Verlust.'
Ewig allein (nityam eva): Alles in dieser Welt verändert sich und damit auch das Wissen und Verstehen. Neue Forschungen falsifizieren alte Theorien und selbst sogenannte Fakten ändern sich mit der Zeit. Zum Beispiel hatte Cherrapunji in Indien einst die höchsten Niederschläge der Welt und jetzt hat es ein Problem mit Wasserknappheit. Gott/Wahrheit allein ist ewig und so auch die Gottverwirklichung.
In sich allein (ātmastham eva): Gott/Wahrheit ist alldurchdringend. Aber wir müssen nicht weit gehen, um die Wahrheit zu verwirklichen, da sie als unser eigenes Selbst in uns sitzt. Das Selbst allein ist die Wahrheit. Die Wahrheit ist immer als das Selbst (nitya ātmastham) verfügbar.
Es gibt nichts Größeres, das erkannt werden kann (nātaḥ paraṁ veditavyaṁ hi kiñcit): Gott/Wahrheit/Selbst ist unendlich, ewig und alles durchdringend. Es gibt nichts, was größer als die Wahrheit oder jenseits der Wahrheit ist. Sie ist das Höchste, das erkannt werden kann. Die Wahrheit zu kennen, ist das höchste Wissen, mit dem alles andere so gut wie bekannt wird und nichts mehr zu wissen ist.
Der Schüler fragt den Meister: 'Was ist das Wissen, durch das alles bekannt wird?' Oft verschwenden wir Zeit damit, unwichtige Dinge zu wissen. Wenn wir nur einen Teil unserer Zeit dem Wissen um der Wahrheit widmen, wird unser Leben erfüllt sein.
Bhagavān Śaṅkarācārya schreibt in seinem Kommentar zu Gītā 7.23, daß das Ergebnis der Erkenntnis der Wahrheit unendlich ist, während das Streben nach materiellen Dingen endliche und unbeständige Ergebnisse liefert. Es ist wirklich traurig, daß der Mensch diese einfache Wahrheit nicht versteht.
All dies ist die Wahrheit (sarvam etat brahma): Die Welt ist immer für unsere Erfahrung und unseren Genuss verfügbar. Wir mögen jedoch nicht immer das bekommen, was wir genießen wollen. Jeder von uns findet den Genuss entsprechend seiner individuellen Natur, die sich in unseren Vorlieben und Abneigungen ausdrückt. Jedoch sind alle drei - der Erfahrende (bhoktā), die erfahrene Welt (bhogyam) und die individuelle oder totale Natur (prakṛti) - Gott/Wahrheit allein. Der Herr des Universums ist der Motivator (preritāram), der Wille und die Macht hinter den Individuen und der von ihnen erlebten Welt. Doch in der Essenz sind alle die Wahrheit allein. Herr des Universums ist der Motivator (preritāram), der Wille und die Macht hinter den Individuen und der von ihnen erlebten Welt. Doch in der Essenz sind alle die Wahrheit allein.
Die folgenden zwei Verse erklären sehr schön den Prozess der Verwirklichung der Wahrheit mit Hilfe der Meditation auf Omkāra.
वह्नेर्यथा योनिगतस्य मूर्तिर्न दृश्यते नैव च लिङ्गनाशः।
स भूय एवेन्धनयोनिगृह्यस्तद्वोभयं वै प्रणवेन देहे॥ १३॥
स्वदेहमरणिं कृत्वा प्रणवं चोत्तरारणिम्।
ध्याननिर्मथनाभ्यासाद्देवं पश्येन्निगूढवत्॥ १४॥
vahneryathā yonigatasya mūrtir-na dṛśyate naiva ca liṅganāśaḥ,
sa bhūya evendhanayonigṛhyas-tadvobhayaṁ vai praṇavena dehe. (13)
svadeham-araṇiṁ kṛtvā praṇavaṁ cottarāraṇiṁ,
dhyāna-nirmathanābhyāsāddevaṁ paśyen-nigūḍhavat. (14)
वह्नेः - von Feuer; यथा - wie; योनिगतस्य - wenn es (latent) in seiner Quelle liegt; मूर्तिः - Form; न - nicht; दृश्यते - gesehen; न - nicht; एव - noch; च - und; लिङ्गनाशः - Zerstörung der subtilen Form; सः - das (Feuer); भूयः - wiederholt; एव - dasselbe; इन्धनयोनिगृह्यः - durch das Reiben seiner Quelle manifestiert; तद्वा - auf dieselbe Weise; उभयम् - (wie bei) diesen beiden; वै - wahrlich; प्रणवेन - durch Oṁkāra; देहे - im Körper
स्वदेहम् - dem eigenen Körper; अरणिम् - dem (unteren) araṇi; कृत्वा - machen; प्रणवम् - Om; च - und; उत्तरारणिम् - dem oberen araṇi; ध्याननिर्मथनाभ्यासात् - durch die Aufwühlung durch die Praxis der Meditation; देवम् - der Herr; पश्येत् - sehen sollte; निगूढवत् - verborgen zu sein scheint.
13. So wie die Form des Feuers nicht gesehen wird, wenn es latent in seiner Quelle ist, und dennoch seine subtile Form nicht zerstört wird, und dasselbe Feuer durch das wiederholte Reiben seiner Quelle manifestiert werden kann, so kann auf dieselbe Weise das Selbst wahrhaftig im Körper durch das Oṁkāra verwirklicht werden.
14. Indem man den eigenen Körper zum unteren araṇi und Om zum oberen araṇi macht, sollte man durch das Reiben durch die Praxis der Meditation den Herrn sehen, der verborgen zu sein scheint.
Unmanifest zu manifestieren: Nur weil etwas nicht gesehen wird, heißt das nicht, dass es nicht existiert. Nur die Unreifen denken, dass Gott nicht existiert, weil Er nicht von den Sinnen wahrgenommen wird. Feuer (vahni) ist immanent in seiner Quelle (yoni), einem Stück Holz. Auch wenn sich Holz kalt anfühlt und nicht leuchtet, ist die subtile Form des Feuers im Holz sehr präsent. Wenn zwei Holzstücke wiederholt aneinander gerieben werden, manifestiert sich durch die entstehende Reibung das Feuer. Selbst wenn das manifeste Feuer ausgelöscht wird, wird seine latente Form nicht zerstört (naiva liṅga nāśa) und kann durch rechte Anstrengungen wieder manifestiert werden.
Auf die gleiche Weise ist Gott/Wahrheit immer direkt in uns gegenwärtig, auch wenn wir Ihn nicht sehen. Er kann durch die regelmäßige Praxis der Om-Meditation direkt verwirklicht werden. Ein sāttvika-Mensch mag die Freude des Friedens erfahren, jemand mit Hingabe erlebt die Freude der allumfassenden Liebe, aber nur durch fleißige Praxis kann man in der Glückseligkeit unserer wahren Natur verweilen. Śrī Haribābā fragte den Heiligen Acyutamuni: "Möge ich durch deine Gnade die Wahrheit verwirklichen." Der Heilige antwortete: "Sei nicht faul. Du wirst die Wahrheit durch deine eigenen Anstrengungen erkennen müssen, denn sie liegt in dir. Meditiere regelmäßig." Gott/Wahrheit ist immer im Körper gegenwärtig und wird als 'Om' symbolisiert, und deshalb kann uns Meditation helfen, Gott/Wahrheit zu verwirklichen (ubhayaṁ vai praṇavena dehe).
Om-Meditation: Das heilige Feuer, das für die Vaidika-Rituale verwendet wird, wurde traditionell durch das heftige Drehen zweier hölzerner Schalen (araṇi) entzündet, die mit Hilfe eines Stabes, der sie verbindet, übereinander gestellt wurden. Das Schütteln des Stabes mit einem Seil erzeugte eine Reibung zwischen den Schalen, die die Baumwolle und den Brennstoff im Inneren entzündete. Das Singen der Mantras während des Umwälzens der Schalen reinigte das Feuer, das dann für die Durchführung der heiligen Rituale verwendet wurde.
In der Meditation müssen wir unseren Körper als den unteren Becher (svadeham araṇiṁ kṛtvā) und Om, den Herrn/die Wahrheit als den oberen Becher (praṇavaṁ ca uttara araṇim) betrachten. In der Meditation negieren wir immer wieder - 'Ich bin nicht der grobe Körper, ich bin nicht der subtile oder der kausale Körper. Ich bin nicht der Ausführende von Handlungen, das individuelle endliche Selbst (jīva)' und behaupten - 'Ich bin die höchste Wahrheit.' Dies wird dadurch symbolisiert, dass wir beim Churning abwechselnd jedes Ende des Seils zu uns heranziehen. Diese regelmäßige Praxis von Negation und Behauptung (dhyāna nirmathana) führt zur direkten Verwirklichung von Gott/Wahrheit (devaṁ paśyet).
Der Meditationsvers von Ᾱdi Śaṅkarācārya hat diese beiden Aspekte. "Ich bin weder der Verstand, der Intellekt, das Ego noch die Erinnerungsgedanken. Ich bin auch nicht die Ohren, die Zunge, die Nase oder die Augen. Ich bin nicht der Raum, die Erde, das Feuer oder das Windelement. Ich bin tatsächlich Bewusstseins-Glückseligkeit. Die Glückseligkeit bin ich, die Glückseligkeit bin ich."
Wir können auch die Hilfe des Chantens von Om in Anspruch nehmen. Während wir chanten, müssen wir auf den Klang hören, uns dann der Stille zwischen zwei Om-Klängen bewusst werden und dann die Stille als die Stille jenseits von Klängen und Gedanken, als die unendliche Wahrheit/Gott, als eins mit unserem eigenen Selbst betrachten. Eine solche Meditation muss intensiv mit Wachsamkeit und völliger Absorption durchgeführt werden.
Das Feuer des Wissens: Das Beispiel des Feuers ist sehr passend. In Feuerritualen trägt das Feuer alle Opfergaben an den Herrn. Es führt uns auf den Pfad des Fortschritts und des Wohlstands. Es brennt immer nach oben oder führt uns höher. Das Befolgen des täglichen Feuerrituals (agnihotra) erhellt unseren Tag und befähigt uns, ein Leben der Tugend zu führen. Das Feuer ist die vorsitzende Gottheit der Sprache. Die Anrufung des subtilen Feuers durch das Chanten von Om sorgt für einen reinen und hellen Geist. Die Meditation auf Gott/Wahrheit als Om manifestiert das Feuer des Wissens, das die Dunkelheit der Unwissenheit entfernt, um die Wahrheit im Inneren zu erhellen.
Die in den beiden vorangegangenen Mantras erläuterten Prinzipien werden in den beiden folgenden Mantras durch weitere Beispiele unterstrichen.
तिलेषु तैलं दधनीव सर्पिरापः स्रोतःस्वरणीषु चाग्निः।
एवमात्मात्मनि गृह्यतेऽसौ सत्येनैनं तपसा योऽनुपश्यति॥ १५॥
सर्वव्यापिनमात्मानं क्षीरे सर्पिरिवार्पितम्।
आत्मविद्यातपोमूलं तद्ब्रह्मोपनिषत्परम्॥
तद्ब्रह्मोपनिषत्परम्॥ १६॥
tileṣu tailaṁ dadhanīva sarpir-āpaḥ srotaḥsvaraṇīṣu cāgniḥ,
evamātmātmani gṛhyate'sau satyenainaṁ tapasā yo'nupaśyati. (15)
sarvavyāpinam-ātmānaṁ kṣīre sarpir-ivārpitam,
ātmavidyā-tapomūlaṁ tadbrahmopaniṣat-param.
Tadbrahmopaniṣat-param. (16)
तिलेषु - in Sesam; तैलम् - Öl; दधनि - in Joghurt; इव - wie; सर्पिः - Butter; आपः - Wasser; स्रोतःसु - in den (unterirdischen) Flüssen; अरणीषु - im Brennholz; च - und; अग्निः - Feuer; एवम् - in gleicher Weise; आत्मा - das Selbst; आत्मनि - in sich selbst; गृह्यते - wird realisiert; असौ - dies; सत्येन - durch Wahrheit; एनम् - dieser Eine; तपसा - durch Meditation; यः - einer, der; अनुपश्यति - sieht (kontinuierlich)
सर्वव्यापिनम् - alldurchdringend; आत्मानम् - das Selbst; क्षीरे - in Milch; सर्पिः - Butter; इव - wie; अर्पितम् - gesehen; आत्मविद्या-तपोमूलम् - verwurzelt in Selbsterkenntnis und Buße; तत् - das; ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); उपनिषद् - Upaniṣad; परम् - das höchste; तत् - das; ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); उपनिषद् - Upaniṣad; परम् - das höchste
15. wie Öl im Sesam, Butter im Joghurt, Wasser in den unterirdischen Flüssen und Feuer im Brennholz, wird das Selbst in sich selbst von demjenigen verwirklicht, der diese Eine Person durch Wahrheit und Meditation sieht.
16. das Selbst wird als alldurchdringend gesehen wie Butter in Milch, verwurzelt in Selbsterkenntnis und Buße; diese Wahrheit ist die höchste Upaniṣad. Diese Wahrheit ist die höchste Upaniṣad.
Das vorherige Mantra sagte, dass man die Wahrheit sehen (paśyet) sollte. Sobald die Wahrheit erkannt ist, wird sie immer gesehen (anu-paśyati). Wenn ich zum Beispiel weiß, dass das Objekt, das ich in meiner Hand halte, ein Buch ist, sehe ich es immer als solches. Es wäre unmöglich, es als eine Uhr oder einen Fernseher zu sehen. Anupaśyati könnte auch bedeuten, dass die Wahrheit, obwohl sie immer gegenwärtig ist, nur gesehen wird, nachdem (anu) wir regelmäßig meditieren.
Prozess und richtiges Instrument: Um das zu manifestieren, was bereits in einer unmanifesten Form existiert, sind ein bestimmter Prozess und spezielle Instrumente erforderlich. Sesamsamen (tila), Kokosnuss oder Erdnüsse werden gemahlen, zerkleinert und in speziellen Maschinen gepresst, um daraus Öl zu gewinnen. Milch wird zunächst zu Quark oder Joghurt verarbeitet und dann mit einem Churner gerührt, um Butter zu gewinnen. Es wird ein Brunnen gegraben oder ein Bohrloch gebohrt und das Wasser aus der unterirdischen Quelle geschöpft oder herausgepumpt. Holz wird in den araṇi gerieben, um das heilige Feuer zu entzünden. In ähnlicher Weise wird "das Selbst/die Wahrheit durch Selbsterkenntnis mit einem durch Wahrhaftigkeit, Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung gut gestimmten Körper und Geist gewonnen.
Das Öl, das potenziell in den Sesamkörnern vorhanden ist, kann nicht zum Anzünden einer Lampe verwendet werden, und die Butter in der Milch oder im Joghurt kann als solche nicht zum Kochen verwendet werden. Das Wasser in der unterirdischen Quelle kann unseren Durst nicht stillen und das Feuer im Holz kann den Kamin nicht anzünden und uns Licht und Wärme geben. In ähnlicher Weise kann uns die Wahrheit in ihrer unmanifesten Form nicht nützen. Wir bleiben in Unwissenheit über unsere glückselige Natur und leiden durch das Leben. Erst wenn wir die Wahrheit/das Selbst erkennen, sind wir in der absoluten Glückseligkeit.
Im Pfad der Hingabe wird gesagt, dass der attributlose (nirguṇa) und formlose (nirākāra) Gott/Wahrheit unsere Herzen nicht mit Liebe erfüllen kann. Nur wenn Er sich in einer bestimmten Form wie Śrī Rāma oder Śrī Kṛṣṇa inkarniert, werden wir gesegnet und werden voll und erfüllt.
Das Instrument vorbereiten: Ein durch Wahrhaftigkeit und Enthaltsamkeit gereinigter Geist hat die Kraft, immer in der Wahrheit zu verweilen (anupaśyati).
Einer, der das Falsche respektiert, erlangt niemals die Wahrheit. Ein intellektueller Wert für das Künstliche, Illusorische, Scheinbare oder Virtuelle hält uns von unserer Natur - dem Realen und Tatsächlichen - fern. Wahrhaftigkeit bedeutet, das Gedachte, Gesehene oder Gehörte auf eine angenehme Art und Weise zum Wohle aller auszusprechen. Wir haben immer eine Wahl im Handeln, und die Wahrheit zu sprechen, sollte von denen gewählt werden, die die Wahrheit suchen.
Ein nachsichtiger und extrovertierter Lebensstil ist nicht förderlich, um die Wahrheit im Inneren zu erkennen. Tapas bedeutet, ein einfaches und strenges Leben zu führen oder bestimmte Bußübungen zu befolgen, um unsere Energie zu bewahren und zu steigern. 'Konzentration des Geistes ist die höchste Tapas' und auch 'Tiefe Kontemplation oder Meditation ist Tapas.'
Interessanterweise wird in allen obigen Beispielen Wärme benötigt und erzeugt, bevor sich die subtile Form manifestiert. Selbst der Brunnen wird erhitzt, bevor das Wasser aus der Quelle angezapft wird. In ähnlicher Weise gehen die Hitze des Kummers über weltliche Vergnügungen, der intensive Wunsch nach Befreiung, der Durst nach Wissen und die Sehnsucht nach Gott, der Verwirklichung von Gott/Wahrheit, voraus.
Anders gesehen ist die Enthaltsamkeit das äußere Mittel (bahiraṅga sādhanā) zur Vorbereitung des Geistes und die Selbsterkenntnis (ātmavidyā), die durch Zuhören, Nachdenken und Meditation gekennzeichnet ist, das subtilere Mittel (antaraṅga sādhanā) zur Selbstverwirklichung. Die Wahrheit ist die Quelle (mūla) für beides.
Es ist interessant, dass die Wahrheit (Brahman) selbst Upaniṣad genannt wird. Die Wahrheit wird durch die Upaniṣad offenbart, aber Upaniṣad selbst bedeutet Wissen über die Wahrheit. Der Wissende (Selbst), das Gewusste (Wahrheit) und der Offenbarer (Upaniṣad) sind eins und so wird die Wahrheit Upaniṣad genannt. Die letzte Zeile 'tad-brahmopaniṣad-param' wird zweimal wiederholt, um das Ende des Kapitels anzuzeigen.
Zusammenfassung des Kapitels: Vier Themen werden traditionell am Anfang eines jeden Traktats angegeben. Sie sind die zum Studium der Abhandlung erforderliche Qualifikation (adhikārī), das Thema des Textes (viṣaya), das Ergebnis des Studiums (phala) und die Beziehung zwischen dem Wissen und dem Ergebnis (bodhya-bodhaka-sambandha). Das erste Kapitel befasst sich mit all diesen Punkten im Detail.
Die qualifizierten Personen sind die Wahrheitssuchenden (brahmavādinaḥ). Das Thema des Textes ist die Einheit der Wahrheit und des Selbst (brahmātmaikya bodha) oder die Selbstverwirklichung, deren Ergebnis die Befreiung von aller Begrenzung und Knechtschaft ist (jñātvā devaṁ mucyate sarvapāśaiḥ). So schließt das erste Kapitel für sich allein das Studium der gesamten Upaniṣad ab.
===2. Kapitel Shvetashvatara Upanishad mit Kommentaren von Swami Tejomayananda===
Die Mantras in diesem Kapitel sind in Stil und Sprache etwas unterschiedlich und können auf verschiedene Weise interpretiert werden. Die ersten sechs Mantras erscheinen im rituellen Teil der Veden (karma-kāṇḍa oder saṁhitā), wobei ihre Bedeutung einen rituellen Blickwinkel hat. Da sie hier in der Upaniṣad enthalten sind, haben einige Kommentatoren sie vom Standpunkt des Wissens aus erklärt. Unsere Interpretation stützt sich auf den Kommentar von Śaṅkarācārya, der sowohl einfach als auch klar ist.
Das erste Kapitel endete mit dem Gedanken, dass Gott/Wahrheit in unserem eigenen Herzen verborgen ist und durch Meditation realisiert werden muss (dhyāna-nirmathanābhyāsāt devaṁ paśyet nigūḍhavat). 'Meditation ist die höchste Berufung im Leben' - Śrī Gurudev. Dies erfordert einen außerordentlich wachen, konzentrierten, reinen, subtilen, starken und festen Geist. Ein Auto mag schnittig aussehen, aber sein Motor muss stark genug sein, um uns auf den Gipfel des Berges zu bringen. Wir müssen also unseren Geist "meditationswürdig" machen, damit wir das Höchste erreichen können.
Das Gebet ist eines der mächtigsten Mittel, um dies zu tun. Menschliche Bemühungen sind begrenzt. Gott/Wahrheit ist unendlich. Das Gebet ruft die unendliche Kraft Gottes an und manifestiert sich als Gnade in allem, was wir tun. Eigene Anstrengung manifestiert Gnade und Gnade stärkt die eigene Anstrengung. Die folgenden drei Mantras sind sowohl ein Gebet um Gnade als auch ein Versprechen für die Selbstbemühung.
युञ्जानः प्रथमं मनस्तत्त्वाय सविता धियः।
अग्नेर्ज्योतिर्निचाय्य पृथिव्या अध्याभरत॥ १॥
युक्तेन मनसा वयं देवस्य सवितुः सवे।
सुवर्गेयाय शक्त्या॥ २॥
युक्त्वाय मनसा देवान् सुवर्यतो धिया दिवम्।
बृहज्ज्योतिः करिष्यतः सविता प्रसुवाति तान्॥ ३॥
yuñjānaḥ prathamaṁ manas-tattvāya savitā dhiyaḥ,
agnerjyotir-nicāyya pṛthivyā adhyābharata. (1)
yuktena manasā vayaṁ devasya savituḥ save,
suvargeyāya śaktyā. (2)
yuktvāya manasā devān suvaryato dhiyā divam,
bṛhajjyotiḥ kariṣyataḥ savitā prasuvāti tān. (3)
युञ्जानः - während des Engagements; प्रथमम् - zuerst; मनः - der Geist; तत्त्वाय - um Wissen zu suchen; सविता - der Sonnengott; धियः - die Sinne; अग्नेः - des Feuers; ज्योतिः - des Lichts; निचाय्य - gesehen zu haben; पृथिव्या अधि - auf die Erde; आभरत् - es setzen
युक्तेन - mit dem, der (auf das höchste Selbst) fixiert ist; मनसा - mit dem Geist; वयम् - wir; देवस्य - von Gott; सवितुः - von der Sonne; सवे - mit den Segnungen; सुवर्गेयाय - für das Höchste; शक्त्या - nach besten Kräften
युक्त्वाय - vereint haben; मनसा - (mit) dem Geist; देवान् - den Sinnesorganen; सुवर्यतः - der glückseligen Wahrheit (Brahman) zugewandt; धिया - durch rechtes Wissen; दिवम् - die Ausstrahlung; बृहत् - das Große; ज्योतिः - Licht; करिष्यतः - hinführen; सविता - der Sonnengott; प्रसुवाति - segnen; तान् - sie
1. Möge der Sonnengott zuerst meinen Geist und meine Sinne dazu bringen, nach Wissen zu suchen, und nachdem ich das Licht des Feuers gesehen habe, es auf die Erde legen.
2. Mit dem Geist fixiert (auf das höchste Selbst), mit den Segnungen des Sonnengottes, sollen wir nach besten Kräften nach dem Höchsten streben.
3. Möge der Sonnengott unseren Geist und unsere Sinnesorgane segnen, die der glückseligen Wahrheit (Brahman) zugewandt sind, und sie durch rechtes Wissen zur Ausstrahlung des großen Lichtes des Bewusstseins führen.
Der Sonnengott: Jedes Objekt hat einen grobstofflichen, feinstofflichen und spirituellen Aspekt - ādhibhautika, ādhidaivika und ādhyātmika. Wenn wir zum Beispiel eine Person beiläufig vorstellen, sehen und kennen wir nur den groben physischen Aspekt einer Person - ihren Namen und ihr Aussehen. Der Arbeitgeber muss seine Qualifikationen, seine Fähigkeiten, seine Einstellung, sein Verhalten und so weiter kennen. Dies ist subtiler - bezogen auf das Gemüt und den Intellekt. Der spirituelle Meister jedoch sieht diese Person als die Wahrheit.
Gott/Wahrheit ist einer, auch wenn er mit verschiedenen Namen bezeichnet wird. Hier ist das Gebet an Savitā, den Sonnengott, gerichtet. Im Sanskrit ist Savitā (wie pitā) ein maskulines Substantiv. Mädchen werden in Indien üblicherweise Savitā genannt, da es in den meisten indischen Volkssprachen ein weibliches Substantiv ist. Auch die Sonne hat die drei Aspekte. Die Sonne, die wir wahrnehmen (ādhibhautika), ist die Quelle aller Energie und des Lebens auf der Erde. Die Sonne ist auch die vorsitzende Gottheit (ādhidaivika) des Lichts und damit unserer Augen und all dessen, was wir sehen. Letztlich steht die Sonne für das höchste Bewusstsein, den eigentlichen Kern unserer Existenz (ādhyātmika). Das Gebet ist an alle drei Aspekte der Sonne gerichtet.
Das Gebet: O Sonnengott, segne meinen Geist mit dem richtigen Verständnis der Meditation. Mögen förderliche Gedanken eine meditative Stimmung erzeugen. Möge mein Geist sich nicht ablenken lassen und innerlich fokussiert bleiben (yuñjānaḥ prathamaṁ manaḥ).
Das Wort "dhiya" bezieht sich auf die Sinnesorgane der Wahrnehmung (Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut), die fünf physiologischen Funktionen (prāṇas), den Geist und den Intellekt. Mögen diese alle vitalisiert und auf die Meditation ausgerichtet sein. Zuerst müssen wir still sitzen, den Körper entspannen, die Atmung beruhigen, die Sinne zurückziehen, den Geist zur Ruhe bringen und dann den Intellekt auf die Wahrheit im Inneren konzentrieren. Segne diese Bemühungen (adhyābharat), damit ich die Wahrheit (tattvāya) erkenne.
Die Veden sagen, dass jede Funktion von einer vorsitzenden Gottheit (devatā) geleitet wird. Zum Beispiel erhalten die Sinnesorgane der Wahrnehmung und Handlung ihre Fähigkeit und Energie von den jeweiligen vorsitzenden Gottheiten. Die Augen können nur im Medium des Lichts sehen und der Sonnengott ist die vorsitzende Gottheit des Lichts und der Augen. Wir beten zu den jeweiligen vorsitzenden Gottheiten, um die Sinne, die prāṇas, den Geist und den Intellekt zu segnen. Wenn wir ein Gebäude bauen wollen, müssen wir die Erlaubnis von verschiedenen Abteilungen einholen, wie z. B. dem Stadtplanungsamt, dem Wasseramt und der Feuerwehr. Wenn eine von ihnen ein Problem schafft, müssen wir uns an eine höhere Autorität wenden, um das Problem zu klären. Auf die gleiche Weise beten wir zum Sonnengott als der höchsten Autorität - dem obersten Gott -, der alle vorsitzenden Gottheiten anweisen würde, unsere Sinne und unseren Geist zu stärken. Im Allgemeinen sind unsere Sinne extrovertiert, auf die materielle Welt gerichtet (pṛthivi). Wir beten zum Sonnengott und den vorsitzenden Gottheiten, dass sie uns helfen, uns vom Äußeren zurückzuziehen und uns nach innen zu wenden.
Mit einem so gesegneten und ermächtigten Geist (yuktena manasā) versprechen wir, uns nach besten Kräften (śaktyā) anzustrengen. Wir werden mit fester Entschlossenheit danach streben, die Wahrheit (yatātmā dṛḍhaniścaya) zu verwirklichen.
Die Wahrheit wird hier als svarga oder Himmel bezeichnet. Etymologisch bedeutet svarga 'dort, wo man Glückseligkeit erfährt' (svar sukham gacchati iti svarga). Die Wahrheit/Gott allein ist die Quelle aller Freude und daher bedeutet svarga hier die höchste Glückseligkeit des Selbst/der Wahrheit. Auch Kenopaniṣad verwendet das Wort svarga, um die glückselige Wahrheit in seinem letzten Mantra zu bezeichnen. Derjenige, der die Wahrheit verwirklicht, freut sich und ist in der ewigen Wohnstätte der Glückseligkeit etabliert.
Gott/Wahrheit wird bṛhat-jyoti - das große Licht - genannt, da wir aufgrund des Bewusstseins in der Lage sind, alle physischen Lichter zu sehen, unsere Sinne, Organe und die subtilen Gedanken und Ideen unseres Geistes zu erkennen. Es ist das Licht aller Lichter.
Die Sinne sind von Natur aus extrovertiert. Der Geist findet hundert Gründe, sich ablenken zu lassen. Alte Gewohnheiten sterben schwer. All dies entdecken wir, während wir tatsächlich Meditation praktizieren. Das dritte Mantra ist ein Gebet an den Sonnengott, uns zu beschützen und zu segnen, während wir uns im Sitz der Meditation abmühen, und uns zum Licht aller Lichter zu führen. Im Wissen, dass der barmherzige Herr immer bei uns ist, können wir ohne Angst und Furcht üben. Auch der Herr sagt: "Ich kümmere mich um die Bedürfnisse derer, die mit unerschütterlichem Geist über mich meditieren.
Derselbe Gedanke, der in diesen drei Mantras ausgedrückt wird, kommt in der Friedensanrufung zum Ausdruck - 'sahanāvavatu, saha nau bhunaktu, saha vīryaṁ karavāvahai.' - 'Mögest Du uns beschützen und uns befähigen.' 'O Herr, bitte beschütze und ermächtige uns, und so beschützt und ermächtigt von dir, werden wir uns maximal anstrengen.'
In Anerkennung der Segnungen Gottes fordert das folgende Mantra die Suchenden auf, Sein Lob zu singen.
युञ्जते मन उत युञ्जते धियो विप्रा विप्रस्य बृहतो विपश्चितः।
वि होत्रा दधे वयुनाविदेक इन्मही देवस्य सवितुः परिष्टुतिः॥ ४॥
yuñjate mana uta yuñjate dhiyo viprā viprasya bṛhato vipaścitaḥ,
vi hotrā dadhe vayunāvideka inmahī devasya savituḥ pariṣṭutiḥ. (4)
युञ्जते - Joch; मनः - der Geist; उत - und; युञ्जते - Joch; धियः - die Sinnesorgane; विप्राः - Sucher der Wahrheit (Brahman); विप्रस्य - der alles durchdringende; बृहतः - groß; विपश्चितः - allwissend; होत्राः - die Riten und Rituale; वि दधे - hat gegeben (befohlen); वयुनावित् - Kenner der māyā; एकः - einer allein (nicht-dual); इत् - also; मही - mächtig; देवस्य - von Gott; सवितुः - von der Sonne; परिष्टुतिः - Lobpreis
4. Diejenigen, die (versuchen) ihren Geist und die Sinnesorgane (an das glückselige Selbst oder Paramātmā) anzukoppeln, sollten so mächtige Lobpreisungen des Sonnengottes singen, der alldurchdringend, groß, allwissend, der Kenner der māyā und nicht-dual ist und die Riten und Rituale (yajñas) gegeben hat.
Dieses Mantra ist an vipras oder brāhmaṇas gerichtet. 'Vipras sind diejenigen, die die Veden studieren' und 'Brāhmaṇas sind diejenigen, die die Wahrheit kennen.' Hier bezieht sich das Wort auf alle spirituellen Aspiranten, die über Gott/Wahrheit meditieren, indem sie ihre Sinne zur Ruhe bringen (yuñjate dhiyaḥ) und ihren Geist in die Wahrheit versenken (yuñjate manaḥ).
Die Suchenden, die so zu meditieren versuchen, sollten das Lob des Herrn singen (savituḥ devasya pariṣṭutiḥ). Er erhört ihre Gebete, segnet sie und stärkt ihre Entschlossenheit. Selbst ein weltlicher Mensch dankt jedem, der ihm einen Gefallen tut. Sollten wir nicht auch dem Herrn danken, der uns so sehr gesegnet hat? Der Herr offenbart auch viele Rituale, um unsere weltlichen Wünsche zu erfüllen (hotrā vidadhe). Wir sollten daher unsere Dankbarkeit ausdrücken, indem wir Sein Lob in vollem Umfang singen.
Es gibt immer ein Element der Übertreibung im Lob eines weltlichen Objekts oder einer Person. Der Herr jedoch hat unendliche und immerwährende Eigenschaften in unendlichem Maß. Jedes Lob von Ihm ist nur weniger als das, was Er ist. Der Herr ist in der Tat alldurchdringend (vipra-viśeṣeṇa vyāpta), groß (bṛhat) oder der Größte, allwissend (vipaścitaḥ) und der Kenner der māyā (vayunāvit - māyā tu vayunāṁ jñānam). Eine Hymne an den großen Herrn ist in der Tat groß (mahī pariṣṭutiḥ).
Der Intellekt konzentriert sich auf das, was er schätzt und respektiert, und der Geist auf das, was er liebt. Je mehr wir die Größe Gottes kennen, desto mehr respektieren und lieben wir ihn und desto mehr bleiben unser Intellekt und unser Geist auf Ihn fixiert. Das Erinnern an Seine Herrlichkeiten ist daher eine Hilfe zur Meditation, außerdem ist es ein Ausdruck unserer Dankbarkeit.
Das nächste Mantra ist ein Gebet, das an die Sinne und ihre vorsitzenden Gottheiten gerichtet ist.
युजे वां ब्रह्म पूर्व्यं नमोभिर्विश्लोक एतु पथ्येव सूरेः।
शृण्वन्तु विश्वे अमृतस्य पुत्रा आ ये धामानि दिव्यानि तस्थुः॥ ५॥
yuje vāṁ brahma pūrvyaṁ namobhir-viśloka etu pathyeva sūreḥ,
śṛṇvantu viśve amṛtasya putrā ā ye dhāmāni divyāni tasthuḥ. (5)
युजे - (wir) absorbieren; वाम् - zu euch beiden (den Sinnen und den vorsitzenden Gottheiten der Sinne); ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); पूर्व्यं - uralt; नमोभिः - mit vielen Begrüßungen; श्लोकः - Lobgesang; वि एतु - überall (auf vielerlei Weise) verbreitet; पथि - auf dem Weg; एव - wahrlich; सूरेः - von den Sehern; शृण्वन्तु - hören; विश्वे - alle; अमृतस्य - der Unsterblichkeit; पुत्राः - Kinder; ये - die; धामानि - Wohnstätten; दिव्यानि - himmlisch; आ तस्थुः - bewohnen
5. (O Sinne und die vorsitzenden Gottheiten der Sinne), mit vielen Begrüßungen absorbieren wir unseren Geist in dieser alten Wahrheit (Brahman). Möge sich diese Hymne des Lobes (stuti) wahrlich überall auf dem Pfad der Seher verbreiten. Hört, oh Kinder der Unsterblichkeit, die die himmlischen Wohnstätten bewohnen!
Gebet: Der Geist und die Sinne und ihre vorsitzenden Gottheiten spielen in der Meditation eine wichtige Rolle. Wenn sie gut kontrolliert sind, vereinen sie sich leicht mit Gott/Wahrheit. Wir beten daher in Demut (namobhiḥ) zu ihnen, uns mit Gott zu vereinen (yuje vām) und uns zu befähigen, die Wahrheit (Brahman) zu erkennen, die uralt und ewig ist (pūrvyam).
In der Meditation ziehen wir unsere Aufmerksamkeit vom Körper und der Welt der Objekte (ādhibhautika) zurück. Die Sinne und der Geist (ādhyātmika) und die vorsitzenden Gottheiten, aufgrund derer sie funktionieren (ādhidaivika), sollen mit Gott/Wahrheit (yuje vām) vereint werden. Dieses Verschmelzen zur Einheit ist Meditation.
Niederwerfungen: So wie im vorherigen Mantra Hymnen als Hilfe zur Meditation empfohlen wurden, werden wir hier aufgefordert, uns für die Vereinigung mit Gott niederzuwerfen. Niederwerfungen vermitteln das Erkennen unserer eigenen Begrenzungen und das Anerkennen der Herrlichkeit der höheren Kraft. Es ist die Übergabe an die höhere Kraft mit Demut. Viele Niederwerfungen (namobhiḥ) oder wiederholte Niederwerfungen bringen Demut und lassen uns weich werden. Der Bambus, der biegsam ist, beugt sich tief und übersteht die schlimmsten Stürme, während die große und aufrechte Eiche viel leichter entwurzelt wird. Sich mit einer demütigen Haltung vor einer höheren Macht zu beugen, hält uns fest, auch wenn die Stürme der Begierde und Störungen in der Meditation über uns hinwegziehen.
Möge sich diese Hymne zum Lob dieses Wissens (śloka) überall auf vielerlei Weise (vi-etu pathyeva) unter den Sehern (sūreḥ) verbreiten. Möge sich der Ruhm dieser Hymne und dieses Wissens und der Ruhm desjenigen, der dieses Wissen verwirklicht hat, weit und breit verbreiten, besonders unter den edlen Menschen, damit auch sie inspiriert werden, diesem Weg zur Wahrheit zu folgen.
Der alte Ruf: Die nächste Zeile ist sehr berühmt - śṛṇvantu viśve amṛtasya putrāḥ - 'Höre, o Kinder der Unsterblichkeit'. Manchmal wird das Wort 'sarve' anstelle von 'viśve' verwendet. Diese Zeile hat viele Konnotationen. Sie ist an die präsidierenden Gottheiten gerichtet, die die Söhne des unsterblichen Schöpfers (Lord Brahmā) sind und die in den himmlischen Wohnstätten im Himmel wohnen (ye dhāmāni divyāni ātasthuḥ). 'Möge sich der Ruhm Gottes, der von den Suchenden gesungen wird, sogar bis zu den himmlischen Wohnstätten ausbreiten.' Es bedeutet auch: 'O himmlische Wesen, der Ruhm, die Erhabenheit und die Glückseligkeit, derer sich derjenige erfreut, der die Wahrheit verwirklicht, ist sogar größer als die, derer ihr euch erfreut.' Brahmānanda ist größer als svargānanda. Es ist auch an uns alle gerichtet, denn auch wir sind Kinder der Unsterblichkeit. Wir sind nicht aus der Sünde geboren, sondern tatsächlich aus der unsterblichen Wahrheit und deshalb ist die Unsterblichkeit unser Geburtsrecht.
Was passiert, wenn unser Geist in Rituale vertieft ist, und was, wenn er mit Gott beschäftigt bleibt, wird in dem folgenden Mantra erklärt.
अग्निर्यत्राभिमथ्यते वायुर्यत्राधिरुध्यते।
सोमो यत्रातिरिच्यते तत्र सञ्जायते मनः॥ ६॥
agnir-yatrābhimathyate vāyuryatrādhirudhyate,
somo yatrātiricyate tatra sañjāyate manaḥ. (6)
अग्निः - das Feuer; यत्र - wo; अभिमथ्यते - aufgewühlt; वायुः - der Wind; यत्र - wo; अधिरुध्यते - kontrolliert; सोमः - der Somasaft; यत्र - wo; अतिरिच्यते - fließt übermäßig; तत्र - dort; सञ्जायते - wird er ergriffen; मनः - der Geist
6. Wo das Feuer aufgewühlt ist, der Wind kontrolliert wird und der Somasaft übermäßig fließt, dort wird der Geist vertieft. Wenn unser Geist extrovertiert ist und wir immer mit Aktivitäten beschäftigt sind - seien sie weltlich oder religiös -, bekommen wir zwar materielle Ergebnisse, aber diese erzeugen mehr Wünsche und Aktivitäten und binden uns.
In diesem Zusammenhang bezieht sich das Aufwirbeln des Feuers (agnir-yatra-abhimathyate) auf die Durchführung von Vaidika-Ritualen, bei denen Feuer entzündet und Opfergaben dargebracht werden. Diese Rituale beinhalten auch die Verehrung des Wind-Gottes, das Singen seines Lobes und prāṇāyāma oder Atemkontrolle. Der Saft des Soma, der während des Rituals angeboten wird, wird als Seine Gabe genossen - manchmal exzessiv. Dies kann als exzessives Schwelgen verstanden werden. Ein extrovertierter und wunscherfüllter Geist bleibt immer in Aktivitäten vertieft, unfähig, an etwas Höheres zu denken. Für solche Menschen ist es besser, ihre Wünsche durch religiöse Aktivitäten zu erfüllen, da dies körperliche und geistige Disziplin und die Erinnerung und Verehrung einer höheren Macht beinhaltet. Dies bereitet den Geist auf höhere spirituelle Bestrebungen vor.
Für den spirituell Suchenden ist das Aufwirbeln des Feuers die Praxis der Meditation. Atemkontrolle ist ein Mittel, um den Geist zu konzentrieren, zu reinigen und zu kontrollieren, und das Extrahieren des Somasaftes ist die Durchführung von Buße, um den Körper und den Geist auf die Meditation vorzubereiten. Der spirituell Suchende bleibt immer in solche Aktivitäten vertieft.
Dieses Mantra kann auch als eine Anweisung zur Meditation verstanden werden. Wir werden aufgefordert, den Geist dort zu absorbieren, wo die Sprache endet (Feuer ist die Gottheit der Sprache), der Atem sich verlangsamt und die Gedanken enden - in der Erfahrung der objektlosen Glückseligkeit (somo yatra atiricyate).
Der Zweck des Lebens ist es, die Wahrheit zu verwirklichen. 'Wenn wir dies tun, ist es gut, andernfalls ist es ein großer Verlust.' Die Bṛhadāraṇyaka Upaniṣad sagt - 'Einer, der die Wahrheit verwirklicht und diese Welt verlässt, wird ein brāhmaṇa, ein Verwirklichter, genannt. Einer, der den Körper verlässt, ohne zu verwirklichen, ist ein kṛpaṇa, ein bedauernswerter Mensch.' Es ist in der Tat ein Verlust einer großen Gelegenheit - eine Gelegenheit, das Unendliche zu erlangen, die durch das Streben nach dem Endlichen verloren geht.
Die folgenden drei Mantras geben spezifische Anleitungen für die Praxis der Meditation.
त्रिरुन्नतं स्थाप्य समं शरीरं हृदीन्द्रियाणि मनसा सन्निवेश्य।
ब्रह्मोडुपेन प्रतरेत विद्वान् स्रोतांसि सर्वाणि भयावहानि॥ ८॥
trirunnataṁ sthāpya samaṁ śarīraṁ hṛdīndriyāṇi manasā sanniveśya,
brahmoḍupena pratareta vidvān srotāṁsi sarvāṇi bhayāvahāni. (8)
त्रिः - die drei; उन्नतम् - gerade; स्थाप्य - halten; समम् - aufrecht; शरीरम् - der Körper; हृदि - in das Herz; इन्द्रियाणि - die Sinne; मनसा - mit der (Hilfe des) Geistes; सन्निवेश्य - zurückziehend; ब्रह्म-उडुपेन - mit dem Boot von Brahman; प्रतरेत - überquert; विद्वान् - der Weise; स्रोतांसि - Wasser; सर्वाणि - alle; भयावहानि - furchterregend
8. Die drei (Kopf, Hals und Brust) aufrecht haltend, den Körper aufgerichtet und mit Hilfe des Geistes die Sinne ins Herz zurückziehend, überquert der Weise mit dem Boot des Brahman (Oṁkāra) alle furchterregenden Gewässer.
Anleitung zur Meditation: Die erste Anweisung ist, für die Meditation "zu sitzen". Stehen oder Schlafen sind keine förderlichen Haltungen für die Meditation, da der Geist im Stehen eher rājasika und im Liegen eher tāmasika ist. Im Sitzen bleibt der Geist eher ruhig und wach. Man sollte nicht direkt auf dem Boden sitzen, da unsere Energie geerdet wird. Der Sitz (āsana), auf dem wir sitzen, sollte eben und nicht zu weich oder hart sein, damit der Körper aufrecht und bequem bleibt. Man sollte im Schneidersitz in einer bequemen Haltung (āsana) sitzen (sukhāsana, padmāsana...), wobei Kopf, Hals und Körper gerade und aufrecht gehalten werden, senkrecht zur Basis. Auch die Gītā sagt: "Halte den Kopf, den Hals und den Körper in einer geraden Linie, ruhig und gleichmäßig, mit ruhigem Blick (oder geschlossenen Augen).
Wenn man so sitzt, sollte man den Körper ruhig und entspannt halten. Die Beherrschung dieser Haltung wird 'āsana siddhi' genannt. Wenn wir in der Lage sind, fünfundvierzig Minuten lang bequem und ohne jegliche Anstrengung in der Meditationshaltung zu sitzen, dann sagt man, wir hätten sie gemeistert. Am Anfang sollten wir es nur zehn Minuten lang tun und dann die Zeit allmählich erhöhen.
Danach sollten wir mit rechtem Verständnis und der Hilfe des Geistes die Sinnesorgane in das Herz zurückziehen. Dies wird im Vedānta 'uparati' und im Yoga Śāstra 'pratyāhāra' genannt. Das bedeutet, dass der Geist die Augen nicht zum Sehen, die Ohren nicht zum Hören und so weiter anregen sollte, wodurch alle Aktivitäten der Sinne aufhören. Dies ist leichter gesagt als getan.
Um uns zu helfen, die Sinne zurückzuziehen und den Geist zu beruhigen, nehmen wir die Hilfe von Omkāra in Anspruch. Wir müssen 'Om' wiederholt chanten und dabei seine volle Aufmerksamkeit auf seinen Klang richten. Das lange und wiederholte Chanten von Om beseitigt die Schwankungen des Geistes. Dies hilft, die Sinne zu beruhigen und den Geist zu beruhigen. Wenn der Geist ruhig ist, müssen wir über die Bedeutung von Om kontemplieren - die Buchstaben A, U, M und die Stille zwischen zwei Om-Chantings. Die Stille ist die attributlose Wahrheit und die drei Buchstaben stehen für die drei Bewusstseinszustände (Wachen, Traum und Tiefschlaf) oder die drei Körper (grobstofflich, feinstofflich und kausal). Ich bin die Stille, die attributlose Wahrheit, die den drei Zuständen und drei Körpern zugrunde liegt.
So können wir mit dem Boot (Unterstützung) von Om die beängstigenden Unterströmungen unserer Sinne und unseres Geistes überqueren und die Ufer der höchsten Wahrheit erreichen. Anstelle von Om kann jeder Name Gottes mit der gleichen Wirkung verwendet werden. Hier könnte 'brahma-uḍupena' auch als die Unterstützung durch den Guru und das Wissen der Upaniṣaden interpretiert werden, die uns helfen, die beängstigenden und weiten Gewässer der Seelenwanderung (saṁsāra) zu überqueren.
Das nächste Mantra spricht von der Praxis der Atemkontrolle (prāṇāyāma).
प्राणान्प्रपीड्येह संयुक्तचेष्टः क्षीणे प्राणे नासिकयोच्छ्वसीत।
दुष्टाश्वयुक्तमिव वाहमेनं विद्वान्मनो धारयेताप्रमत्तः॥ ९॥
Prāṇān-prapīḍyeha saṁyuktaceṣṭaḥ kṣīṇe prāṇe nāsikayocchvasīta,
duṣṭāśvayuktamiva vāhamenaṁ vidvān-mano dhārayetāpramattaḥ. (9)
प्राणान् - Atem; प्रपीड्य - reguliert habend; इह - im Sitz der Meditation; संयुक्तचेष्टः - einer, der in allen Aktivitäten gemäßigt ist; क्षीणे प्राणे - wenn der Atem sanft geworden ist; नासिकया - durch die Nasenlöcher; उच्छ्वसीत - (sollte) ausatmen; दुष्ट अश्वयुक्तम् - von wilden Pferden gezogen; इव - wie; वाहम् - ein Streitwagen; एनम् - dies; विद्वान् - der Weise; मनाः - Geist; धारयेत - halten; अप्रमत्तः - aufmerksam
9. Mäßig und diszipliniert in allen seinen Aktivitäten, reguliert der Weise seinen Atem (im Sitz der Meditation) und wenn er sanft geworden ist, atmet er durch die Nasenlöcher aus. Wie er einen von wilden Pferden gezogenen Wagen lenkt, so hält er den Geist einspitzig und wachsam.
Vorbereitung für prāṇāyāma: Sobald wir in der Meditationshaltung (āsana) sitzen, ruhig und gleichmäßig, gehen wir zum nächsten Schritt der regulierten oder kontrollierten Atmung (prāṇāyāma) über. Dies sollte von einem kompetenten Lehrer erlernt werden. Das Yoga-Śāstra gibt Details darüber, wie es praktiziert werden sollte. Śaṅkarācārya betont in seinem Kommentar die Rolle von 'nāḍi śuddhi', der Reinigung des Systems durch einfache Atemtechniken als notwendiger Schritt vor der Praxis von prāṇāyāma. Leichtigkeit des Körpers, ein natürliches Leuchten, eine gute Verdauung und ein gutes Gehör zeigen die Reinigung des Körpersystems an.
Prāṇāyāma: Alle prāṇāyāma-Praktiken beginnen mit dem Ausatmen. Der Atem wird eingeatmet (pūraka), für eine bestimmte Anzahl gehalten, solange man sich wohl fühlt (antaḥ kumbhaka) und dann langsam durch die Nasenlöcher (recaka) und nicht durch den Mund ausgeatmet. Der Atem wird angehalten (bāhya kumbhaka), bevor die nächste Runde der Atmung erfolgt. Wenn diese Praktiken nicht mit der richtigen Anleitung durchgeführt werden, kann man sich sogar selbst schaden. Die einfachste und harmloseste Form ist jedoch die Beobachtung unseres natürlichen Atemprozesses (prāṇa vīkṣaṇa). Auch dies kann zu einem konzentrierten, reinen und subtilen Geist führen.
Pratyāhāra: Nach prāṇāyāma kommt pratyāhāra - die Zurückhaltung der Sinne, die bereits im vorherigen Mantra besprochen wurde. Die Sinne sind wie ungezähmte Wildpferde, immer bereit, in verschiedene Richtungen aufzubrechen. Der Intellekt muss sie durch die Zügel des Geistes, wie ein intelligenter Wagenlenker, mit einem wachen Geist unter Kontrolle halten. Der Meditierende muss wie der Wagenlenker stets wachsam, ruhig und achtsam sein und die Pferde jederzeit auf der Spur halten. Ᾱdi Śaṅkarācārya warnt uns, dass Meditation mit 'großer Wachsamkeit und Vorsicht' praktiziert werden muss.
Dhāraṇā: Diese Praxis des pratyāhāra führt zum nächsten Schritt dhāraṇā - tiefe Konzentration des Geistes. Die Praxis der Meditation ist jedoch nur für denjenigen möglich und wirksam, der ein gemäßigtes Leben (saṁyukta ceṣṭa) führt - regelmäßig, diszipliniert und maßvoll in allen Aktivitäten - beim Essen, Wachen, Schlafen, Unterhalten oder Arbeiten. Eine nachsichtige, hyperaktive oder übermäßig extrovertierte Person wird im Sitz der Meditation unruhig sein.
Was ist ein guter Platz zum Sitzen in der Meditation? Das Mantra sagt -
समे शुचौ शर्करावह्निवालुका-विवर्जिते शब्दजलाश्रयादिभिः।
मनोऽनुकूले न तु चक्षुपीडने गुहानिवाताश्रयणे प्रयोजयेत्॥ १०॥
gleich śucau śarkarā-vahni-vālukā-vivarjite śabda-jalāśrayādibhiḥ,
mano'nukūle na tu cakṣupīḍane guhā-nivātāśrayaṇe prayojayet. (10)
समे - eben; शुचौ - sauber; शर्करा-वह्नि-वालुका-विवर्जिते - frei von Kieselsteinen, Feuer oder Sand; शब्दजल-आश्रयादिभिः - windig (oder laut) oder in der Nähe einer Wasserquelle oder eines öffentlichen Platzes; मनोऽनुकूले - förderlich für den Geist; न - nicht; तु - doch; चक्षु-पीडने - schmerzhaft für die Augen; गुहानिवाताश्रयणे - in einem Schutzraum wie einer Höhle, frei von Wind; प्रयोजयेत् - man sollte sich konzentrieren
10. Konzentrieren Sie den Geist an einem Ort wie einer windstillen Höhle, einem Ort, der sauber, eben, frei von Kieselsteinen, Feuer oder Sand ist, der nicht laut ist oder in der Nähe einer Wasserquelle (öffentlicher Ort), ein Ort, der angenehm für die Augen und förderlich für den Geist ist.
Fördernder Ort für die Meditation: Wählen Sie einen Ort mit einem ebenen oder flachen Boden, der es uns ermöglicht, aufrecht zu sitzen. Er sollte rein, sauber und möglichst heilig sein. Wenn es ein Ort ist, der mit Gott oder einer heiligen Person verbunden ist, wird sich der Geist natürlich und spontan erheben. Manche Orte sind von sich aus rein, sauber und heilig. Andernfalls können wir sie dazu machen, indem wir sie reinigen und ein Bild oder ein Idol von Gott oder Guru aufstellen.
Der Ort sollte keine Esswaren - Zucker (śarkarā) - enthalten, die Ameisen oder andere Insekten anziehen würden. Der Platz sollte ohne scharfe Kieselsteine sein, die sich als sehr schmerzhaft erweisen könnten. Wenn der Ort in der Nähe eines Feuers ist oder wenn er zu heiß, feucht, sandig oder staubig ist, wird er unangenehm und schwierig zu meditieren sein. Natürlich beeinträchtigen solche äußeren Faktoren große Adepten wie Ramaṇa Maharṣi nicht. Ein Ameisenhügel hatte sich auf dem Weisen Vālmīki gebildet, während er in Meditation war, und er war sich dessen nicht einmal bewusst! In unserem Fall, auch wenn es keine Ameisen gibt, fühlen wir, dass sie überall auf uns herumkrabbeln!
Der Ort, den wir wählen, sollte nicht laut sein oder ein Ort, an dem es viel Bewegung von Menschen und Aufregung gibt, wie ein Bahnsteig oder ein Flughafen. Auch in der Natur könnte ein Wasserloch, an dem ständig Tiere kommen und gehen, störend oder gefährlich sein. Der Ort sollte schön, angenehm für das Auge und förderlich für den Geist sein.
Sant Jñāneśvara geht in seinem Kommentar zum sechsten Kapitel der Gītā ausführlich auf dieses Thema ein und beschreibt einen idealen Ort am Ufer eines Flusses mit einem kleinen Tempel in der Nähe, idyllischer Naturschönheit und dem gelegentlichen süßen Gurren eines Vogels.
Eine Höhle, die uns vor Wind und Geräuschen schützt, die sicher und geschützt und frei von Störungen ist, wird als idealer Ort für Einsamkeit und Meditation vorgeschlagen. Heute ist es nicht mehr nötig, auf die Suche nach einer Höhle zu gehen. Wir können in unserem eigenen Haus in unserem eigenen Zimmer zu einer Zeit meditieren, in der es am wenigsten Bewegung und Aufregung im Haus gibt (am frühen Morgen) - bei ausgeschaltetem Telefon! Kurz gesagt, der Ort muss für die Praxis der Meditation mit einem Minimum an Störung durch äußere Faktoren förderlich sein.
Die Wegweiser der Erfahrungen auf dem Pfad der Meditation sind im Folgenden angegeben.
नीहारधूमार्कानिलानलानां खद्योतविद्युत्स्फटिकशशीनाम्।
एतानि रूपाणि पुरःसराणि ब्रह्मण्यभिव्यक्तिकराणि योगे॥ ११॥
nīhāradhūmārkānilānalānāṁ khadyotavidyutsphaṭikaśaśīnām,
etāni rūpāṇi puraḥsarāṇi brahmaṇyabhivyaktikarāṇi yoge. (11)
नीहार-धूम-अर्क-अनिल-अनलानां - von Nebel, Rauch, der Sonne, Wind und Feuer; खद्योत-विद्युत्-स्फटिक-शशीनाम् - von Glühwürmchen, Blitz, Kristall und Mond; एतानि - diese; रूपाणि - Erscheinungen; पुरःसराणि - vorausgehen; ब्रह्मणि अभिव्यक्तिकराणि - die Manifestation der Wahrheit (Brahman); योगे - im Yoga
11. Nebel, Rauch, die Sonne, Wind, Feuer, Glühwürmchen, Blitz, Kristall, Mond - diese Erscheinungen gehen der Manifestation der Wahrheit (Brahman) im Yoga voraus.
Die wahrscheinlichen Wegweiser: Nach den Yoga Śāstras ist es wahrscheinlich, dass bestimmte Erfahrungen auftreten, wenn der Suchende beginnt, Meditation zu praktizieren. Es ist nicht notwendig, dass sie eintreten, und viele weitere, die hier nicht beschrieben sind, könnten ebenfalls auftreten. Wir mögen Nebel, Schneeflocken oder Nebelbildung sehen oder Rauch, helles oder sanftes Licht, einen Schwall kühlen Windes oder eine sanfte Brise fühlen, die durch die Wirbelsäule oder über den Körper geht, oder heiße Luft wie in der Nähe von Feuer innerhalb oder außerhalb des Körpers spüren.
Manche sehen vielleicht einen lichtdurchfluteten Himmel oder Lichtstreifen oder Lichtfunken wie von einem Kristall oder helles Licht wie vom Mond. Dies sind sensorische Erfahrungen ohne den Gebrauch der Sinne. Solche außergewöhnlichen Erfahrungen von Klängen, Berührungen, Formen, Geschmack und Gerüchen sind Vorläufer der Manifestation der Wahrheit. In der Tat sind alle Erscheinungen die Wahrheit, die sich nur als außergewöhnliche Sinneswahrnehmungen manifestiert.
Die Bedeutung: Diese oben erwähnten Erfahrungen weisen auf einen Zustand tiefer Konzentration des Geistes hin. Er hält alle gewöhnlichen weltlichen Erinnerungen und störenden Gedanken fern. Die Erfahrungen hängen von der Art der Meditation ab und davon, auf welches der Elemente der Praktizierende seine Aufmerksamkeit richtet. Wer sich z.B. auf das Raumelement konzentriert, wird wahrscheinlich göttliche Klänge oder den Klang einer Muschel oder Glocke hören.
Eine Warnung: Der Suchende sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Erfahrungen nur erste Anzeichen dafür sind, dass der Praktizierende auf dem richtigen Weg ist. Sie sind keineswegs das Ziel der Meditation, und deshalb sollten wir uns nicht daran hängen und anfangen, uns nach diesen Erfahrungen zu sehnen. Das Selbst ist jenseits von Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch. Wenn diese Erfahrungen geschehen, sollten wir ein bloßer Zeuge von ihnen sein, mit dem Wissen, dass 'ich' der Erfahrende bin und nicht der Erfahrene.
Diese Erfahrungen werden wahrscheinlich verschwinden oder durch subtilere und wunderbarere Erfahrungen ersetzt werden, wenn der Praktizierende auf dem Pfad des Yoga voranschreitet. Dies wird in dem folgenden Mantra erklärt.
पृथ्व्यप्तेजोऽनिलखे समुत्थिते पञ्चात्मके योगगुणे प्रवृत्ते।
न तस्य रोगो न जरा न मृत्युः प्राप्तस्य योगाग्निमयं शरीरम्॥ १२॥
pṛthvyaptejo'nilakhe samutthite pañcātmake yogaguṇe pravṛtte,
na tasya rogo na jarā na mṛtyuḥ prāptasya yogāgnimayaṁ śarīram. (12)
पृथ्वि-अप्-तेज-अनिल-खे समुत्थिते - wenn die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft und der Raum manifestiert sind; पञ्चात्मके योगगुणे प्रवृत्ते - wenn die fünffachen Eigenschaften des Yoga erfahren werden; न - nein; तस्य - für ihn; रोगः - Krankheit; न - nein; जरा - Alter; न - nein; मृत्युः - Tod; प्राप्तस्य - für denjenigen, der erlangt hat; योगाग्निम् - aus dem Feuer des Yoga gemacht; अयम् - dies; शरीरम् - Körper
12. Wenn die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft und der Raum manifestiert sind und die fünffachen Attribute des Yogas erfahren werden, erlangt der yogī einen Körper, der aus dem Feuer des Yogas gemacht ist, und er hat keine Krankheiten, kein Alter und keinen Tod mehr.
Die elementare Erfahrung: Eine tiefere Meditation auf die Wahrheit mit Unterstützung der fünf Elemente und ihrer subtilen Essenz oder Qualitäten führt zu subtileren Kräften und Erfahrungen. Zum Beispiel nimmt der Meditierende die Unterstützung des Erdelements und seiner essentiellen Qualität des Geruchs mit dem bīja-Mantra 'lam' mit den Gedanken: 'Ich bin die Wahrheit im Erdelement, das in allen Dingen und Wesen in seiner groben und subtilen Form ist. Ich bin der heilige Geruch, der alles durchdringt.'
Eine solche Meditation führt zum Einssein mit dem Erdelement, zur Macht, alles zu kontrollieren, was daraus erschaffen wird, zur Erfahrung göttlicher Düfte und so weiter. 'Ich bin der süße Duft der Erde', sagt Śrī Kṛṣṇa. Solche Meditation kann uns der Verwirklichung der Wahrheit näher bringen, die die Essenz aller Elemente, aller ihrer Eigenschaften und der gesamten Schöpfung ist.
Der phänomenale Körper: Im fortgeschrittenen Stadium der Praxis erfährt der Meditierende die essentiellen Qualitäten der fünf Elemente und sein Körper, der ebenfalls aus den fünf Elementen besteht, wird im Feuer des Yoga - der Praxis der Meditation - in eine subtile Form verwandelt. Auch die Zellen in unserem Körper verändern sich alle paar Jahre. Die alten nutzen sich ab und werden durch neue ersetzt. Aber wir altern trotzdem mit der Zeit. Bei einem Yogi jedoch wird jede Zelle im Körper erneuert und er wird jünger. Der Prozess ist völlig anders als das, was wir erleben. Sein Körper ist nicht mehr anfällig für Krankheiten, Alter oder Tod. Er kann seinen Körper nach Belieben verlassen. Ich habe einmal einen Heiligen getroffen, der 350 Jahre alt war. Jetzt hat er seinen Körper aufgegeben. Es ist nicht leicht, ein solches Phänomen zu begreifen. Die Meditation über die fünf Elemente als die Wahrheit wird im 'upaśama'-Abschnitt des Yogavāsiṣṭha und der Yoga Yājñavalkya Saṁhitā sehr ausführlich dargestellt.
Die Indikatoren, bevor ein Yogi diese phänomenale Transformation des Körpers erlangt, werden im nächsten Mantra beschrieben.
लधुत्वमारोग्यमलोलुपत्वं वर्णप्रसादं स्वरसौष्ठवं च।
गन्धः शुभो मूत्रपुरीषमल्पं योगप्रवृत्तिं प्रथमां वदन्ति॥ १३॥
laghutvam-ārogyam-alolupatvaṁ varṇa-prasādaṁ svara-sauṣṭhavaṁ ca,
gandhaḥ śubho mūtrapurīṣam-alpaṁ yogapravṛttiṁ prathamāṁ vadanti. (13)
लधुत्वम् - Leichtigkeit; आरोग्यम् - gute Gesundheit; अलोलुपत्वम् - Nicht-Gefräßigkeit; वर्णप्रसादम् - leuchtender Teint; स्वरसौष्ठवम् - Lieblichkeit der Stimme; च - und; गन्धः - Duft; शुभः - süß; मूत्रपुरीषम् - Urin und Fäkalien; अल्पम् - spärlich; योगप्रवृत्तिम् - des Fortschritts im Yoga; प्रथमाम् - die ersten (Zeichen); वदन्ति - (sie) sagen
13. Es wird gesagt, dass die ersten Zeichen des Fortschritts im Yoga sind: Leichtigkeit, gute Gesundheit, Nicht-Gefräßigkeit, leuchtender Teint, Süße der Stimme, süßer Duft und spärliche Ausgabe von Urin und Fäkalien.
Die Wegweiser: Die folgenden sieben Zeichen zeigen dem Yogapraktizierenden den Fortschritt an, lange bevor sein Körper vollständig transformiert ist:
Leichtigkeit (laghutva): Der Körper wird leicht und fühlt sich immer frisch und aktiv. Es gibt keine Spur von Faulheit oder Lethargie.
Gesundheit (ārogya): Der Körper wird gesund und es herrscht ein Gefühl des Wohlbefindens. Der Geist wird im Allgemeinen auf den Schmerz konzentriert. Der Yogi, der frei von Schmerz und Krankheit ist, ist in der Lage, seinen Geist mühelos vom Körper abzuheben und sich auf die Wahrheit zu konzentrieren.
Nicht-Gefräßigkeit (alolupatva): Die Angewohnheit, alles und jeden besitzen zu wollen, bringt die Menschen dazu, in Kaufrausch zu verfallen. Der Yogapraktizierende verspürt kein Verlangen nach weltlichen Besitztümern. Die Sinnesfreuden stören oder lenken ihn weder während der Meditation noch sonst wie ab.
Glühender Teint (varṇa prasāda): Neben dem Leuchten aufgrund der guten Gesundheit strahlt die Haut eines Yoga-Praktizierenden aufgrund der Freude, des Friedens und der Schönheit, die er im Inneren erfährt. 
Lieblichkeit der Stimme (svara sauṣṭhava): Es bedeutet nicht, dass ein Yogapraktizierender anfängt, süß zu singen, aber seine Stimme wird süß und attraktiv, ebenso wie seine Worte und Gesten. Selbst wenn er sanft und leise spricht, haben seine Worte eine Kraft und entfachen Freude, Liebe und Frieden in den Zuhörern.
Wohlgeruch (śubha gandha): Man sagt, dass ein Apfel am Tag einen Arzt fernhält, aber eine Zwiebel am Tag würde jeden fernhalten! Sogar bei gewöhnlichen Menschen gibt es einen merklichen Unterschied im Körpergeruch desjenigen, der raucht, Alkohol trinkt und nicht vegetarische Nahrung isst, und desjenigen, der 'sāttvika' Nahrung isst. Es wird gesagt, dass die himmlischen Gottheiten nicht lange auf der Erde bleiben, da sie den menschlichen Geruch nicht ertragen können! Der Körper des Yogis bringt keinen schlechten Geruch hervor, sondern verströmt einen Duft. Viele Heilige sind dafür bekannt, dass sie Düfte wie Sandelholz ausströmen und sogar Objekte, die von ihnen berührt werden, würden diesen Duft haben. Sogar ihre Fäkalien haben keinen schlechten Geruch.
Spärlicher Urin und Fäkalien (alpa mūtra-purīśa): Wenn die Nahrungsaufnahme abnimmt und die Verdauung stark wird, nehmen Urin und Fäkalien ab. Die schöpferische Kraft des Herrn, māyā, ist zweifach - die Kraft der Aktivität (kriyā śakti) und die Kraft des Wissens (jñāna śakti). Durch die Konzentration auf die prāṇas oder die vitale Luft wird die kriyā śakti angerufen und es können verschiedene außergewöhnliche Kräfte (siddhis) und verschiedene körperliche Veränderungen wie oben beschrieben stattfinden. Wenn der Praktizierende sich auf die jñāna śakti konzentriert, dann findet die Erkenntnis der Wahrheit statt.
Das Endziel des Yoga wird in den folgenden zwei Mantras erklärt:
यथैव बिम्बं मृदयोपलिप्तं तेजोमयं भ्राजते तत्सुधान्तम्।
तद्वात्मतत्त्वं प्रसमीक्ष्य देही एकः कृतार्थो भवते वीतशोकः॥ १४॥
यदात्मतत्त्वेन तु ब्रह्मतत्त्वं दीपोपमेनेह युक्तः प्रपश्येत्।
अजं ध्रुवं सर्वतत्त्वैर्विशुद्धं ज्ञात्वा देवं मुच्यते सर्वपाशैः॥ १५॥
yathaiva bimbaṁ mṛdayopaliptaṁ tejomayaṁ bhrājate tat-sudhāntam,
tadvātmatattvaṁ prasamīkṣya dehī ekaḥ kṛtārtho bhavate vītaśokaḥ. (14)
yadātmatattvena tu brahmatattvaṁ dīpopameneha yuktaḥ prapaśyet,
ajaṁ dhruvaṁ sarvatattvair-viśuddhaṁ jñātvā devaṁ mucyate sarvapāśaiḥ. (15)
यथा एव - wie; बिम्बम् - eine Scheibe; मृदया - mit Erde; उपलिप्तम् - bedeckt; तेजोमयम् - wie voller Licht; भ्राजते - leuchtet; तत् - das; सुधान्तम् - wenn gut gereinigt; तत् वा - so auch (in gleicher Weise); आत्मतत्त्वम् - die Wahrheit des Selbst; प्रसमीक्ष्य - verwirklichen; देही - das verkörperte Wesen; एकः - nicht-dual; कृतार्थः - erfüllt; भवते - wird; वीतशोकः - frei von Kummer
यदा - wenn; आत्मतत्त्वेन - als das Selbst (Ᾱtmā); तु - wahrlich; ब्रह्मतत्त्वम् - die Wahrheit (Brahman); दीप-उपमेन - wie eine Lampe (strahlend); इह - hier (in der Meditation); युक्तः - yogī; प्रपश्येत् - verwirklicht; अजम् - ungeboren; ध्रुवम् - ewig; सर्वतत्त्वैः - von allen Modifikationen; विशुद्धम् - frei; ज्ञात्वा - erkannt haben; देवम् - göttliches Wesen; मुच्यते - befreit; सर्वपाशैः - von allen Fesseln
14. So wie eine mit Erde bedeckte (Metall-)Scheibe, wenn sie gut gereinigt ist, voller Licht erstrahlt, so wird auch das verkörperte Wesen, wenn es die Wahrheit des Selbst erkennt, nicht-dual, erfüllt und frei von Sorgen.
15. Wenn der yogī, mit dem Geist hier in Meditation vertieft, die Wahrheit (Brahman) wahrhaftig als das Selbst (Ᾱtman) wie eine Lampe (strahlend) verwirklicht und das göttliche Wesen als ungeboren, ewig und frei von allen Modifikationen erkennt, wird er von allen Bindungen befreit.
Das Endziel: Übersinnliche Wahrnehmungen, außergewöhnliche Kräfte oder die Transformation des Körpers sind nicht das primäre Ziel des Yoga. Wenn der Meditierende an ihnen hängt oder auf sie stolz ist, werden sie zu einem Hindernis auf seinem spirituellen Weg. Sie sind lediglich als Wegweiser des Fortschritts auf dem Pfad zur Wahrheit zu betrachten. Die Wahrheit als das eigene Selbst (ātmatattvena) zu erkennen, ist das endgültige Ziel der Meditation.
Das Golderz aus der Mine erscheint schwarz. Schichten der Bedeckung werden durch viele Prozesse entfernt, um den natürlichen Glanz des Goldes hervorzubringen. In ähnlicher Weise entfernt die Praxis der Meditation die Schichten der Unwissenheit und der falschen Vorstellungen wie "Ich bin endlich" und "Ich bin der Körper", die das immer leuchtende Selbst im Inneren verdecken.
Die Wahrheit (Brahman) ist unendlich, ungeboren, geburtenlos und nicht durch irgendetwas anderes vorausgegangen oder verursacht. Es ist die unverursachte Ursache des gesamten Universums. Es ist ewig und unveränderlich und frei von allen fremden Faktoren und frei von Unwissenheit und deren Auswirkungen. Genau wie das Licht der Lampe ist die Wahrheit oder das Selbst selbstverständlich und erhellt alle unsere Gedanken und Sinne.
Hier werden die Worte Wahrheit (Brahman), Selbst (Ᾱtmā) und göttliches Wesen (Deva) für das Absolute Eine verwendet, mit Bedeutungsnuancen, die es wert sind, beachtet zu werden. Ᾱtmā bezeichnet das Subjekt 'Ich', den Wissenden, den Erleuchter, das Bewusstsein im individuellen Körper. Brahman bezeichnet das unendliche Substrat des gesamten Universums. Deva bezeichnet Gott (Īśvara), das göttliche Wesen, das die unergründliche Macht der māyā ausübt, den Herrn des Universums, der sich allein als Śrī Rāma oder Śrī Kṛṣṇa verkörpert. Brahman ist die formlose, attributlose (nirguṇa nirākāra) Wahrheit und Deva ist der Herr mit Form und Attributen (saguṇa sākāra).
Der Suchende in der Meditation erkennt, dass das Selbst in mir (Ᾱtmā) selbst das Substrat des Universums (Brahman) und das göttliche Wesen (Deva) ist, das zu verschiedenen Zeiten verschiedene Formen (avatāras) annimmt. Als jemand Tulasīdāsa fragte: "Hat Gott eine Form, oder ist Er formlos?" Er antwortete: "In den Augen ist Er mit Form, im Herzen ist Er formlos." Es gibt überhaupt keinen Konflikt. Da sie dies nicht verstehen, sagen viele, dass Hindus an viele Götter glauben, und einige Hindus sind sogar verwirrt, welchen Gott sie verehren sollen! Es muss jedoch keine solche Verwirrung geben, da die Wahrheit/der Gott nur einer ist.
Das Ergebnis: Diese Wahrheit direkt als unser eigenes Selbst zu verwirklichen, bringt totale Erfüllung, da es im Leben nichts mehr zu gewinnen gibt. In der Verwirklichung der Wahrheit wird der Suchende frei von allen Bindungen und Sorgen.
Menschen, die auf die hohen Palmen klettern, um die Palmfrucht zu pflücken, aus der Alkohol hergestellt wird, werden pāśis genannt. Sie binden ihre Knöchel mit einem Seil (pāśa) um den Baum und auch ein weiteres Seil um die Taille, das an den Baum gebunden ist. So an den Baum gebunden, klettern sie mühsam nach oben. Auch wir sind mit den Seilen der Unwissenheit, der Begierden und der Anhaftungen an den Baum des Lebens gebunden und machen anstrengende Anstrengungen für kleine Früchte, die oft illusorisch sind. Selbsterkenntnis befreit uns von allen Fesseln.
Die nächsten beiden Mantras erklären die immanente Natur der Wahrheit.
एष ह देवः प्रदिशोऽनु सर्वाः पूर्वो ह जातः स उ गर्भे अन्तः।
स एव जातः स जनिष्यमाणः प्रत्यङ्जनांस्तिष्ठति सर्वतोमुखः॥ १६॥
यो देवो अग्नौ यो अप्सु यो विश्वं भुवनमाविवेश।
य ओषधीषु यो वनस्पतिषु तस्मै देवाय नमो नमः॥ १७॥
eṣa ha devaḥ pradiśo'nu sarvāḥ pūrvo ha jātaḥ sa u garbhe antaḥ,
sa eva jātaḥ sa janiṣyamāṇaḥ pratyaṅ-janāṁstiṣṭhati sarvatomukhaḥ. (16)
yo devo agnau yo apsu yo viśvaṁ bhuvanam-āviveśa,
ya oṣadhīṣu yo vanaspatiṣu tasmai devāya namo namaḥ. (17)
एषः ह - dies sehr; देवः - Gott; प्रदिशः - die Richtungen; अनु - die dazwischen liegenden (Richtungen); सर्वाः - alle; पूर्वः ह - als der Erste; जातः - wurde geboren; सः उ - Er, wieder; गर्भे अन्तः - im Mutterleib; सः - Er; एव - wahrlich; जातः - der Geborene; सः - Er; जनिष्यमाणः - derjenige, der geboren werden wird; प्रत्यङ् - innerhalb; जनाः - alle Wesen; तिष्ठति - existiert; सर्वतोमुखः - einer, der überall Gesichter hat
यः - einer, der; देवः - Gott; अग्नौ - im Feuer; यः - einer, der; अप्सु - im Wasser; यः - einer, der; विश्वम् - ganz; भुवनम् - Schöpfung; आविवेश - eingegangen ist; यः - einer, der; ओषधीषु - in Kräutern; यः - einer, der; वनस्पतिषु - in Bäumen; तस्मै देवाय - zu jenem Gott; नमः नमः - immer wieder grüßen
16. Dieser Gott selbst ist alle Richtungen und alle Zwischenrichtungen. Er wurde als der Erste geboren. Er, wiederum, existiert im Mutterleib. Er ist wahrlich derjenige, der geboren wurde; Er ist auch derjenige, der geboren werden wird. Er existiert in allen Wesen; Er hat überall Seine Gesichter.
17. Grüßt immer wieder jenen Gott, der im Feuer ist, der im Wasser ist, der in die gesamte Schöpfung eingegangen ist, der in den Kräutern ist und der in den Bäumen ist.
Gott ist überall: Gott/Wahrheit durchdringt alle Haupt- und Zwischenrichtungen, oben und unten. Er allein wird als Brahmā geboren, der erstgeborene Schöpfer, der Vater von allem (paraṁ pitā). Er allein ist der Vater, der dann die Form des Fötus im Mutterleib annimmt. Eine schwangere Frau muss verstehen, dass das göttliche Wesen in ihrem Mutterleib ist. Die Aitareya Upaniṣad (2.1.3) fordert daher den Ehemann auf, sich gut um die schwangere Frau zu kümmern. Es ist Gott allein, der als kleines Baby geboren wird, und Er allein wird in Zukunft immer wieder in vielen Formen geboren werden, nicht nur als Menschenskind, sondern als jede Spezies. Welpen, Kätzchen, Kälber, Löwenjunge und die Jungtiere aller Arten sehen absolut göttlich aus und es ist leichter, Gott in ihnen zu erkennen.
Gott ist in der Tat das innere Selbst aller Wesen. Da jedes Gesicht Seines ist, hat Er überall ein Gesicht. Ein Marāṭhi-Lied besagt: 'Lord Śiva steht vor mir und auch hinter mir. Er schaut mich von beiden Seiten an.' Er allein schaut uns durch jedes Gesicht an, das wir sehen. Aber sehen wir Ihn auch?
Gott ist nicht nur im Inneren von allem, Er ist auch außerhalb als die fünf Elemente, die das gesamte Universum der unzähligen Kosmen durchdringen. Er allein ist im gesamten Pflanzen- und Tierreich, in allem Trägen und Empfindenden gegenwärtig.
Deshalb verehren die Hindus alles - Berge, Flüsse, Bäume, Pflanzen, die Sonne, den Mond und die Sterne. Sie verstehen, dass "alles, was man in der Welt sieht oder hört, sowohl innen als auch außen, von Gott durchdrungen ist. Da sie dies nicht verstanden haben, wurden sie als primitive Stein- oder Naturanbeter verachtet und nicht als Erleuchtete.
Mit wiederholten Grußworten an den allwissenden Gott, der überall ist, kommen wir zum Ende des zweiten Kapitels dieser Upaniṣad.
===3. Kapitel Shvetashvatara Upanishad mit Kommentar von Swami Tejomayananda===
In der berühmten Aussage "Das bist du" (tat tvam asi) bezieht sich "das" auf die wahre Natur des allwissenden, allmächtigen Gottes, "du" bezieht sich auf die wahre Natur des endlichen Individuums, du und ich, und "bist" bezieht sich auf ihre wesentliche Einheit. Das erste Kapitel enthüllte das Hauptthema der Upaniṣad, das darin besteht, diese Einheit zu verwirklichen. Das zweite Kapitel sprach über Meditation als Mittel zur Verwirklichung dieser Einheit. Das dritte Kapitel befasst sich nun mit Gott und seiner wahren Natur (tat pada śodhana). Die ersten beiden Mantras sprechen über die verschiedenen Kräfte Gottes.
य एको जालवानीशत ईशनीभिः सर्वांल्लोकानीशत ईशनीभिः।
य एवैक उद्भवे सम्भवे च य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति॥ १॥ ए
को हि रुद्रो न द्वितीयाय तस्थुः य इमाँल्लोकानीशत ईशनीभिः।
प्रत्यङ् जनांस्तिष्ठति सञ्चुकोचान्तकाले संसृज्य विश्वा भुवनानि गोपाः॥ २॥
ya eko jālavān-īśata īśanībhiḥ sarvāṁllokān-īśata īśanībhiḥ,
ya evaika udbhave sambhave ca ya etad-vidur-amṛtāste bhavanti. (1)
eko hi rudro na dvitīyāya tasthuḥ ya imāllokān-īśata īśanībhiḥ,
pratyaṅ janāṁs-tiṣṭhati sañcukocāntakāle saṁsṛjya viśvā
bhuvanāni gopāḥ. (2)
यः - einer, der; एकः - nicht-dual; जालवान् - Besitzer des Netzes (māyā); ईशते - regiert; ईशनीभिः - durch Seine göttlichen Kräfte; सर्वान् - alle; लोकान् - die Welten; ईशते - regiert; ईशनीभिः - durch Seine Kräfte; यः - einer, der; एव - allein; एकः - einer; उद्भवे - wenn mit Seinen Herrlichkeiten ausgestattet; सम्भवे - zur Zeit der Schöpfung; च - und; यः - einer, der; एतद् - dies; विदुः - wissen; अमृताः - unsterblich; ते - sie; भवन्ति - werden
एकः - einer; हि - nur; रुद्रः - Rudra; न - nein; द्वितीयाय - zweiter; तस्थुः - bleibt; यः - einer, der; इमान् - diese; लोकान् - Welten; ईशते - regiert; ईशनीभिः - mit seinen göttlichen Kräften; प्रत्यङ् - in; जनान् - allen Wesen; तिष्ठति - wohnt; सञ्चुकोच - zieht (sie) in sich selbst zurück; अन्तकाले - schließlich; संसृज्य - geschaffen hat; विश्वा - alle; भुवनानि - die Welten; गोपाः - schützt
1. Er, der nicht-dual ist und der Besitzer des Netzes (māyā) ist, regiert durch Seine göttlichen Kräfte. Er regiert durch Seine Kräfte über alle Welten und ist derjenige, der allein zur Zeit der Schöpfung mit Herrlichkeiten ausgestattet ist. Diejenigen, die dies wissen, werden unsterblich.
2. Es gibt nur einen Rudra und keinen zweiten neben Ihm. Er regiert alle diese Welten mit Seinen göttlichen Kräften. Er wohnt in allen Wesen. Nachdem Er alle Welten erschaffen hat, beschützt Er sie und zieht sie dann schließlich in sich selbst zurück.
Gott ist eins (eko deva): Diese Aussage wird in vielen Mantras in dieser Upaniṣad und auch in allen hinduistischen Schriften wiederholt. Leider hat sich die Vorstellung von vielen Göttern so tief in der Psyche mancher verankert, dass das Lesen, Hören oder intellektuelle Verstehen darüber, dass Gott einer ist, die falschen Vorstellungen noch nicht beseitigt.
Gott ist unendlich und die Unendlichkeit kann nur einer sein. Alles ist in der Unendlichkeit enthalten. Nichts kann hinzugefügt oder davon abgezogen werden. Alle Namen, Formen, Eigenschaften, Kräfte und Konzepte sind in Gott enthalten und möglich. Er hat natürlich niemanden, der sich Ihm entgegenstellt, und es gibt niemanden, der Ihm ebenbürtig ist oder mit Ihm konkurriert, geschweige denn jemanden, der größer ist als Er.
Diejenigen, die diesen einen unendlichen Gott kennen, wollen nichts anderes. Sie leben allein um Gottes willen. Mīrābāi, der große Heilige, singt: 'Für mich gibt es nur einen Gott - Giridhara Gopāla und sonst niemanden (in dieser Welt).' Wenn jemand sagt, er wolle etwas anderes als den unendlichen Gott, hat er Gott oder die Unendlichkeit nicht verstanden.
Es bedeutet auch, dass alles, was das Wort Gott impliziert, nur auf eine Entität passt - Gott. Zum Beispiel könnte das Wort "Lampe" eine Tischlampe oder eine Öllampe bedeuten. Das Wort "Tisch" könnte die Tischplatte oder den ganzen Tisch bedeuten oder das Wort "Löwe" könnte jeden Löwen in Indien oder Afrika bedeuten. Aber Gott/Wahrheit bedeutet nur eine Entität - das Eine, das sich als viele manifestieren kann, ohne dass es eine intrinsische Veränderung gibt.
Gott übt māyā (jālavān) aus: Gott hat ein unendliches Potential. Er schwingt Seine unergründliche und unendliche Macht der māyā, die wie ein Netz ist, in dem sich alle Wesen verfangen. Ein Fischer breitet sein Fischernetz weit und breit aus. Er selbst wird nie gefangen, aber Hunderte von kleinen und großen Fischen verfangen sich in dem Netz. Einer jedoch, der in der Nähe der Füße des Fischers schwimmt, wird nicht gefangen. Die Wesen der ganzen Welt scheinen in māyās Netz verstrickt zu sein. Nur diejenigen, die sich Ihm hingeben, sind in der Lage, dieses sehr offensichtliche und schwer zu überwindende māyā zu überwinden. Gott ist wie ein Zauberer (māyāvi), der Seinen Zauber der Magie (māyā) wirkt, aufgrund dessen wir nicht in der Lage sind, Ihn zu sehen und in Seiner illusorischen und faszinierenden Welt verstrickt bleiben.
Gott, der Herrscher: Gott beherrscht seine verschiedenen Mächte - die Macht der Schöpfung, des Erhalts und der Zerstörung oder die Macht zu segnen, zu belohnen und zu bestrafen (anugraha, nigraha). Auch wir haben diese Kräfte in begrenztem Maße, aber wir haben wenig Kontrolle über sie. In der Tat werden wir von ihnen kontrolliert. Schaffen wir nicht unwissentlich Störungen oder brechen Beziehungen, sind weder unsere Segnungen noch unsere Flüche wirksam. Wenn wir sagen: "Fahr zur Hölle", antwortet die andere Person: "Wir sehen uns dort!"
Auf der individuellen Ebene gibt es die Kraft zu sehen, zu hören, zu riechen, zu sprechen, zu gehen, zu denken und so weiter. Durch diese Kräfte herrscht der Herr über das gesamte Universum und alle Wesen darin. Jeder Kosmos (brahmāṇḍa) besteht aus vielen Welten oder Erfahrungsbereichen (lokas - bhūḥ, bhuvaḥ, suvaḥ, mahaḥ, janaḥ, tapaḥ, satyam, atala, vitala, sutala, talātala, mahītala, rasātala und pātāla). Es gibt unzählige Kosmosen mit unzähligen Lokas. Der Herr ist der Herrscher über alle unzähligen Kosmosen dieses Universums mit unzähligen Wesen (ananta koṭi brahmāṇḍa nāyaka).
Jeder Kosmos hat seine eigenen Abteilungen für die Erzeugung, Erhaltung und Zerstörung (Brahmā, Viṣṇu, Maheśa). Durch sie erschafft, erhält und vernichtet Er die Welten. Seine Gesetze - die Gesetze der Natur - sind unfehlbar. Aufgrund von ihnen weht der Wind, fließt das Wasser, drehen sich die Planeten, Sterne und Galaxien, sehen die Augen, wird die Nahrung verdaut und leben alle Wesen. Er ist mit aller Herrlichkeit, Pracht und Majestät (udbhava) ausgestattet, die sich durch die Schöpfung (sambhava) dieser vielgestaltigen Welt in vollem Umfang manifestiert. Da Er in allen Wesen verbleibt, kontrolliert Er den Menschen durch sein Gewissen und durch die Umstände und Gesetze, die seinen Körper und Geist regieren. Wenn wir zum Beispiel regelmäßig zu viel essen, werden wir fettleibig, der Arzt warnt uns und auch unser Geist sagt uns, dass wir aufhören sollen.
Gott ist Rudra: Der Gott, der früher als Savitā, die Sonne, bezeichnet wurde, wird jetzt Rudra genannt. Es gibt mehrere Bedeutungen für dieses Wort.
Rudra ist ein anderer Name von Śiva - der Verheißungsvolle. 
Rudra ist 'Einer, der andere zum Weinen bringt' - (rodayati iti). Gott gibt die Ergebnisse der Handlung (karma phala dātā). Die Übeltäter weinen, wenn sie die Strafe für ihre bösen Taten erhalten. Stellen Sie sich nicht einen grausamen Gott im Himmel vor, der die Bösen bestraft. Es ist Gottes Gesetz, dass wir ernten, was wir säen. Zorn ist seine eigene Strafe. Das bedeutet, dass Seine unfehlbaren Gesetze in Seiner Gegenwart wirken.
Rudra ist 'Einer, der Seine Verehrer zum Weinen bringt, wenn ihre Herzen mit Liebe zu Ihm erfüllt sind.'
Rudra ist 'Einer, der die Krankheit der Seelenwanderung (saṁsāra) beseitigt (wegschmilzt).' Er wird auch der Arzt oder die Medizin (Heilung) für die Krankheit von saṁsāra genannt - bhiṣaje bhavarogiṇām.
Gott ist unsterblich: Diejenigen, die Gott als ihr eigenes inneres Selbst erkennen, werden auch unsterblich. Unsterblichkeit ist nicht nur Kontinuität in der Zeit. Unsterblich zu werden bedeutet nicht, dass wir unseren Körper behalten und nicht sterben. Es wäre kein sehr glücklicher Zustand, alle unsere Lieben gehen zu sehen und ohne sie weiterzuleben! Es bedeutet, die Wahrheit/Gott/Selbst zu kennen, jenseits von Zeit und Veränderung zu sein. Praktisch bedeutet es, frei zu werden von der Angst vor Veränderung und Tod. Unsterblichkeit bringt Furchtlosigkeit (abhayaṁ pratiṣṭhāṁ vindate). Es bedeutet auch, dass der Realisierte die unsterblichen und göttlichen Kräfte des Herrn in seinem Leben manifestiert.
Die kosmische Form Gottes wird nun kurz beschrieben.
विश्वतश्चक्षुरुत विश्वतोमुखो विश्वतोबाहुरुत विश्वातस्पात्।
सं बाहुभ्यां धमति संपतत्रैर्द्यावाभूमी जनयन्देव एकः॥ ३॥
viśvataś-cakṣuruta viśvato-mukho viśvato-bāhuruta viśvātaspāt,
saṁ bāhubhyāṁ dhamati sampatatrair-dyāvābhūmī janayan-deva ekaḥ. (3)
विश्वतः - überall; चक्षुः - Auge; उत - und; विश्वतोमुखः - Mund überall; विश्वतः - überall; बाहुः - Hände; उत - und; विश्वतस्पात् - Füße überall; बाहुभ्याम् - mit Händen; सम् धमति - vereint; संपतत्रैः - mit Füßen und Flügeln; द्यावाभूमी - der Himmel und die Erde; जनयन् - geschaffen haben; देवः - der Herr; एकः - einer allein
3. Seine Augen sind überall; Sein Mund, seine Hände und Füße sind überall. Dieser strahlende Herr, der einer allein ist, nachdem er den Himmel und die Erde erschaffen hat, vereint (alle Wesen) mit Händen, Füßen und Flügeln.
viśvataścakṣu viśvatomukha: Gott hat überall Augen und Münder. Das bedeutet, dass alle Augen und Münder in allen Lebewesen allein Ihm gehören. Dabei stehen die Augen für alle Wahrnehmung und Erkenntnis (jñāna) und der Mund für alle Genüsse (bhoga). Es ist Gott allein, der alles wahrnimmt, alles weiß und alles genießt, durch alle Lebewesen. Wir können Ihn im unschuldigen Blick eines Kindes sehen, in der kraftvollen Rede eines Redners oder in einer warmen Mahlzeit, die wir genießen, wenn wir hungrig sind. Beim Nippen an einer heißen Tasse Kaffee bemerkte Śrī Gurudev einmal: "Wer sagt, dass es kein Brahmānanda - die Glückseligkeit Gottes - im Kaffee gibt?"
Solange unsere Aufmerksamkeit auf der wahren Quelle verbleibt, werden wir nicht an irgendwelche Wahrnehmungen oder Genüsse gebunden sein. Der Gottgeweihte betet daher: "Mögen wir Dich immer und überall erblicken und Deine Herrlichkeiten hören und singen.“
viśvato-bāhu viśvatas-pāt: Gott hat überall Hände und Füße. Alle Hände und Füße sind allein Sein. Sie stehen für alle Handlungen und Bewegungen. Gott kann im Sprung eines Frosches, im festen Griff eines Säuglings oder in der schnellen Reaktion einer Berührung gesehen werden.
bāhubhyāṁ saṁ-dhamati patatraiḥ: Es ist Gott allein, der alle Wesen in der Welt mit den Körpern segnet, um die Ergebnisse ihrer Handlungen in den verschiedenen Erfahrungsbereichen wie der Erde und dem Himmel, die Er erschafft, zu durchlaufen. Er schenkt den Menschen Hände und Beine und den Vögeln Flügel. Das Wort 'patatra' bedeutet 'das, was uns vor dem Fallen schützt' (patantaṁ trāyate iti), was sich sowohl auf Beine als auch auf Flügel bezieht, ohne die Tiere und Vögel zu Boden fallen würden.
Die Erwähnung der Hände hat eine besondere Bedeutung. Tiere gehen auf vier Beinen, wir aber stehen auf zwei Beinen und sind mit Händen mit Fingern und Daumen begabt, durch die uns viel mehr Möglichkeiten offenstehen. Die Hände repräsentieren die Fähigkeit zu denken und zu handeln (karma śakti) und die Selbstanstrengung (puruṣārtha), aufgrund derer wir Fortschritte machen und sogar Göttlichkeit erlangen können. Wir werden daher gebeten, jeden Morgen auf unsere Hände zu schauen und uns daran zu erinnern, dass Lakṣmī (Reichtum), Sarasvatī (Wissen) und Govinda (Herr selbst) in unserer Hand wohnen. Wir können arbeiten, um Reichtum, Wissen oder Göttlichkeit zu erlangen. Im Grunde genommen erschafft Gott die Welt und alle Wesen und stattet sie mit besonderen Fähigkeiten aus. Der Mensch ist besonders ausgestattet, damit er Gott verwirklichen kann.
Nachdem er einen Blick auf Seine kosmische Form geworfen hat, betet der Suchende so:
यो देवानां प्रभवश्चोद्भवश्च विश्वाधिपो रुद्रो महर्षिः।
हिरण्यगर्भं जनयामास पूर्वं स नो बुद्ध्या शुभया संयुनक्तु॥ ४॥
yo devānāṁ prabhavaścodbhavaśca viśvādhipo rudro maharṣiḥ,
hiraṇyagarbhaṁ janayāmāsa pūrvaṁ sa no buddhyā śubhayā saṁyunaktu. (4)
यः - derjenige; देवानाम् - von allen Gottheiten; प्रभवः - Ursprung; च - und; उद्भवः - Quelle; च - und; विश्वाधिपः - der Herr des gesamten Universums; रुद्रः - Rudra; महर्षिः - allwissend; हिरण्यगर्भम् - Hiranyagarbha; जनयामास - ins Leben gerufen; पूर्वम् - ursprünglich; सः - Er; नः - wir; बुद्ध्या - mit Gedanken; शुभया - (mit) glückverheißend (oder edel); संयुनक्तु - (kann) ausstatten
4. Möge Rudra, der der Ursprung aller Gottheiten und die Quelle all ihrer Kräfte ist, der allwissend und der Herr des gesamten Universums ist, der ursprünglich Hiranyagarbha ins Leben gerufen hat, uns mit glückverheißenden (edlen) Gedanken ausstatten.
Gott (Rudra) ist der Schöpfer der himmlischen Gottheiten: Gott ist der Ursprung (prabhava) aller himmlischen Wesen und die vorsitzende Gottheit aller Gesetze und Abteilungen, die dieses Universum leiten. Er allein ist die Quelle all ihrer Kräfte, Macht und Herrlichkeiten (udbhava). In Kenopaniṣad gibt es eine Geschichte, dass der Feuergott (agni devatā) nicht einmal einen Grashalm verbrennen konnte, noch der Windgott (vāyu devatā) ihn blasen konnte, als er von Gott in Form eines Yakṣa herausgefordert wurde. Śrī Gurudev würde sagen: "Sie könnten nicht einmal den Tautropfen auf einem Grashalm mit der Kraft eines Waldbrandes oder eines Tornados trocknen." Alle Kraft kommt von Ihm allein.
Gott (Rudra) ist der Schöpfer des Schöpfers: Er allein ist die Ursache aller Ursachen. Er allein nimmt die Form von Hiraṇyagarbha an, dem Schöpfer des Universums (hiraṇya - Welt + garbha - Schoß). Hiraṇya bedeutet auch Wissen. Wissen geht jeder Schöpfung voraus. Selbst um eine gute Beilage zuzubereiten, ist kulinarisches Wissen erforderlich. Gott ist der eigentliche Schoß allen Wissens.
Gebet zu Gott: Der Intellekt ist das, was uns von anderen Tieren unterscheidet. Er ist begabt mit Auswahl, Unterscheidungsvermögen, Verständnis und Idealen. Doch durch seinen Missbrauch können wir unseren eigenen Untergang herbeiführen. Gedanken, die uns vom Guten und unserer wahren Natur wegführen, bringen Kummer. Daher betet der Suchende inbrünstig: "Mögen wir immer edle Gedanken hegen. Mögen wir mit glücksverheißenden Gedanken gesegnet sein, anderen zu dienen, uns selbst zu verbessern, den Herrn in allem zu sehen und das höchste Ziel zu erreichen.' Dieses Gebet ist wichtig und wird deshalb in zwei weiteren Mantras im nächsten Kapitel wiederholt. Herr Śrī Kṛṣṇa sagt: 'Ich vereinige dich mit solchen Gedanken, durch die du Mich erreichen kannst.’
Die folgenden zwei Gebetsmantras erscheinen auch im berühmten Rudra Sūktam, das im Saṁhitā-Teil des Veda zu finden ist.
या ते रुद्र शिवा तनूरघोरापापकाशिनी।
तया नस्तनुवा शन्तमया गिरिशन्ताभिचाकशीहि॥ ५॥
यामिषुं गिरिशन्त हस्ते बिभर्ष्यस्तवे।
शिवां गिरित्र तां कुरु मा हिंसीः पुरुषं जगत्॥ ६॥
yā te rudra śivā tanūr-aghorāpāpakāśinī,
tayā nastanuvā śantamayā giriśantābhicākaśīhi. (5)
yāmiṣuṁ giriśanta haste bibharṣyastave,
śivāṁ giritra tāṁ kuru mā hiṁsīḥ puruṣaṁ jagat. (6)
या - das; ते - dein; रुद्र - O Rudra; शिवा - glückverheißend; तनूः - Form; अघोरा - sanft (nicht erschreckend); अपापकाशिनी - der alle Sünden beseitigt; तया - damit; नः - uns; शन्तमया तनुवा - mit glückverheißender Form; गिरिशन्त - O Giriśanta (Herr, der, während er auf einem Berg residiert, Freude verbreitet); अभिचाकशीहि - bitte schau
याम् - der; इषुम् - Pfeil; गिरिशन्त - O Giriśanta (der Herr, der, während er auf einem Berg residiert, Freude verbreitet); हस्ते - in der Hand; बिभर्षि - (du) hältst; अस्तवे - bereit, zu schießen; शिवाम् - verheißungsvoll; गिरित्र - O Giritra (der Beschützer des Berges); ताम् - das; कुरु - tun; मा - nicht; हिंसीः - zerstören; पुरुषम् - jede Person oder Kreatur (in dieser Welt); जगत् - diese Welt
5. O Rudra! Bitte schau uns mit deiner Form an, die sanft und verheißungsvoll ist und alle Sünden beseitigt.
6. Bitte mache den Pfeil, den du in deiner Hand hältst, glückverheißend und zerstöre nicht diese Welt oder irgendeine Person darin.
Dies ist ein Gebet an Gott, sich mit Form und besonderen Eigenschaften (saguṇa sākāra) zu manifestieren.
Rudra als Aghora: Im Allgemeinen erscheint Rudra grimmig und feurig, hart und schrecklich wie Tod und Zerstörung, mit roten Augen und bereit zu töten. Seine Form erzeugt Angst und Schrecken in den Herzen aller. Seine andere Form ist jedoch ruhig, sanft (aghora) und schön. Er ist wie das Meer - manchmal rau und heftig, manchmal ruhig und gelassen. In Indien werden bestimmte Arten von wandernden Bettlern Aghoris genannt, obwohl sie genau das Gegenteil zu sein scheinen! Wir beten zu Rudra, eine sanfte Form anzunehmen, die Frieden, Liebe und Freude in unsere Herzen einflößt.
Rudra als Śiva: Wenn er von der Göttlichkeit berührt wird, wird alles verheißungsvoll, heilig und glorreich. Ein Körper ohne den Funken der Göttlichkeit, der leblos ist, wird starr, zersetzt sich und stinkt. Er wird dann als unheilvoll betrachtet und dem Feuer übergeben. Gott ist göttlich und verheißungsvoll. Wir beten zu Ihm, dass Er sich manifestiert und unsere Herzen mit Göttlichkeit und Glücksverheißung erfüllt.
Rudra als Apāpakāśinī: Sünden verursachen Kummer und gute Taten schenken Freude. Das bloße Gedenken an Gott beseitigt alle Sünden und manifestiert Tugenden.' Möge Sein Anblick jedes Verlangen in uns, zu sündigen, beseitigen.
Rudra als Giriśanta: Rudra ist derjenige, der auf dem Kailāsa-Berg verweilt und Verheißung verbreitet. 'In unserer Rede und in den Worten der Veden sitzend, verbreitet Er Verheißung.' Möge Rudra, der ein solcher ist, vor mir erscheinen und mich segnen.
Abhicākaśīḥ: Oh Herr, bitte schaue uns mit Liebe und Mitgefühl an. Möge dein bloßer Blick Liebe, Freude, edle Gedanken und Weisheit in uns erzeugen.
Rudra als Giritra: 'Rudra ist derjenige, der den Kailāsa-Berg beschützt.' Śiva verweilt immer hoch oben auf dem Himālayan-Gipfel des Berges Kailāsa, der immer kalt und schneeweiß ist. Möge Er vor uns erscheinen und uns vor der Hitze und dem Kummer des weltlichen Daseins schützen, uns rein (weiß) machen und unsere Gedanken zu göttlichen Gipfeln erheben.
Rudra mit Waffen: Im Allgemeinen ist Rudra immer bereit, die Bösen zu töten und die Welt mit seinem Pfeil und Bogen zu zerstören. Der ṛṣi betet - 'Bitte sei nicht wütend auf mich und töte weder mich noch sonst jemanden. Mögest Du nur unsere Negativitäten töten und unsere falschen Vorstellungen zerstören. Mögen Deine Waffen ein Segen für alle sein.’
Die Natur Gottes wird weiter ausgearbeitet als:
ततः परं ब्रह्मपरं बृहन्तं यथानिकायं सर्वभूतेषु गूढम्।
विश्वस्यैकं परिवेष्टितारमीशं तं ज्ञात्वामृता भवन्ति॥ ७॥
tataḥ paraṁ brahma-paraṁ bṛhantaṁ yathānikāyaṁ sarvabhūteṣu gūḍham,
viśvasyaikaṁ pariveṣṭitāram-īśaṁ taṁ jñātvāmṛtā bhavanti. (7)
ततः परम् - darüber; ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); परम् - das, was keiner Begrenzung unterliegt; बृहन्तम् - unendlich; यथा-निकायम् - entsprechend ihrem Körper; सर्वभूतेषु - in allen Geschöpfen; गूढम् - verborgen; विश्वस्य - von dieser Welt; एकम् - eins; परिवेष्टितारम् - allumfassend; ईशम् - Herr; तम् - den; ज्ञात्वा - durch Wissen; अमृताः - unsterblich; भवन्ति - wird
7. Darüber ist die unendliche Wahrheit (Brahman), die in allen Geschöpfen entsprechend ihrem Körper verborgen ist, die der eine Herr ist, der diese ganze Welt umschließt, und durch dessen Erkenntnis man unsterblich wird.
Gott ist jenseits aller Namen und Formen: Das bedeutet, dass Gott/Wahrheit nicht durch Zeit, Raum oder Objekte begrenzt ist (deśa kāla vastu pariccheda śūnyam). Das, dessen Existenz unbeständig ist, das, was sich verändert, was kommt und geht, ist durch die Zeit begrenzt. Gott/Wahrheit ist ewig und zu allen Zeiten präsent. Das, was sich in einem bestimmten Raum befindet, ist durch den Raum begrenzt. Gott/Wahrheit ist alles durchdringend und räumlich unbegrenzt. Das, was ein Objekt mit Eigenschaften und Form ist, ist durch andere Objekte begrenzt. Gott/Wahrheit ist objektlos, formlos und eigenschaftslos und objektmäßig unbegrenzt.
Nehmen Sie das Beispiel einer Welle in den weiten Gewässern des Ozeans. Sie entsteht, wächst und verschwindet - zeitlich begrenzt. Sie entsteht an einem bestimmten Ort - räumlich begrenzt. Die kleine Welle ist nicht die große Welle, der Tropfen, der Schaum oder die Gischt - Begrenzung als Objekt. Aber das große Wasser des Ozeans hat diese Begrenzungen nicht. Das Wasser ist immer und überall in allen Wellen präsent. Es verringert oder vergrößert sich nicht mit dem Anstieg und Fall der Wellen. Da es seinem Wesen nach wellenlos ist, ist es jenseits aller Begrenzungen der Wellen.
Gott ist "das Große": Im Leben wollen wir die größten Gewinne erzielen, die größten Diamanten tragen und die größten Autos besitzen. Wir alle wünschen uns, groß zu werden. Das ṛṣi sagt uns, dass es keine Notwendigkeit gibt, groß zu werden, du bist 'das Große', da der unendliche Gott/die Wahrheit dein eigenes Selbst ist. Warum wird dann 'das große' Selbst/Gott nicht gesehen?
Gott ist verborgen: Nikāya bedeutet eine Ansammlung von verschiedenen Teilen. Der Körper ist eine Ansammlung von Gliedmaßen (Hände, Beine ...), Organen (Herz, Lunge ...) und Materie (Blut, Knochen ...). Gott/Wahrheit ist in diesem Körper verborgen, weil unsere Aufmerksamkeit nur auf seinem Namen, seiner Form und seinen Eigenschaften ruht und nicht auf der Wahrheit, die ihm Leben und Existenz verleiht. Ist Gott/Wahrheit nur in diesem Körper eingeschlossen?
Gott ist allumfassend: In der Tat ist Gott/Wahrheit nicht nur innerhalb des Körpers, sondern Er umfasst alle Körper und die ganze Welt. Es ist ein sehr schönes Gefühl, zu wissen, dass wir alle in der liebenden Umarmung des Herrn sind. Wie kann der Tod einen berühren, der weiß, dass er jenseits von Zeit, Raum und Objekten ist, "die große" Wahrheit, die in und jenseits von allem ist und alles umschließt?
Das gleiche Prinzip des vorherigen Mantras wird durch die direkte Erfahrung und die kühne Erklärung von Ṛṣi Śvetāśvatara im nächsten Mantra bekräftigt. Dies ist auch die Erfahrung aller verwirklichten Meister.
वेदाहमेतं पुरुषं महान्तम्-आदित्यवर्णं तमसः परस्तात्।
तमेव विदित्वाति मृत्युमेति नान्यः पन्था विद्यतेऽयनाय॥ ८॥
vedāhametaṁ puruṣaṁ mahāntam-ādityavarṇaṁ tamasaḥ parastāt,
tameva viditvāti mṛtyumeti nānyaḥ panthā vidyate'yanāya. (8)
वेद - wissen; अहम् - ich; एतम् - dies; पुरुषम् - Person; महान्तम् - groß; आदित्यवर्णम् - strahlend wie die Sonne; तमसः परस्तात् - jenseits der Dunkelheit; तम् - Er; एव - allein; विदित्वा - durch Wissen; मृत्युम् - Tod; अति एति - transzendiert; न - nein; अन्यः - andere; पन्था - Weg; विद्यते - dort; अयनाय - für diesen (den höchsten Zustand)
8. Ich kenne diese große Person, strahlend wie die Sonne, und jenseits der Dunkelheit. Indem man Ihn allein kennt, transzendiert man den Tod, es gibt keinen anderen Weg dafür.
Die Erklärung der Verwirklichung: Fast eine Replik dieses Mantras erscheint im berühmten Puruṣa Sūktam (7). Der Weise sagt - 'Ich kenne dieses große Puruṣa'. Puruṣa bedeutet die 'Wahrheit, die vollständig und unendlich ist' (pūrṇatvāt) und 'in den Herzen aller Wesen wohnt' (puri śayanāt). 'Ich sehe diesen Puruṣa als mein eigenes Selbst und das Selbst aller Wesen und als das eigentliche Substrat des gesamten Universums. Ich erkenne Ihn als das Größte, das selbst-erfüllende Bewusstsein, die eigentliche Quelle aller Erleuchtung, jenseits der Dunkelheit der Unwissenheit. Ich bin dieser Puruṣa. Ich erleuchte sogar die Dunkelheit und den Gedanken von Wissen und Unwissenheit.'
In der Kenopaniṣad sagt der Meister zum Schüler: 'Wenn du sagst, dass du die Wahrheit gut kennst, weißt du nur wenig von ihrer Natur.' Der Schüler meditiert daraufhin weiter und erklärt seine Verwirklichung auf klassische Weise. 'Ich sage nicht, dass ich die Wahrheit gut kenne, noch sage ich, dass ich sie nicht kenne. In der Tat kenne ich sie, und doch kenne ich sie nicht. Wer sie so kennt, kennt sie.' Das bedeutet, dass die Wahrheit nicht als ein Objekt des Wissens erkannt werden kann, sondern als das Selbst des Suchenden selbst. Wissen und Nichtwissen sind beides Gedanken des Geistes. Verwirklichung bedeutet, die Wahrheit zu kennen, die alle Gedanken erhellt.
Einst sagte der große Heilige Uḍiyā Bābā: "Ich bin die unendliche Wahrheit." Jemand bemerkte, dass eine solche Aussage prahlerisch klang. Er sagte: "Ich will es nicht sagen, aber was soll ich tun? Ich bin die unendliche Wahrheit und ich weiß es. Das ist eine Tatsache."
Den Tod transzendieren: Der Tod beinhaltet jede Veränderung, die stattfindet. Seltsamerweise wünschen wir uns einerseits Veränderung, andererseits haben wir auch Angst davor. Das Leben wäre langweilig, wenn alles statisch wäre, und doch fürchten wir jede Art von Veränderung. Wir fürchten körperliche Veränderungen durch Krankheit und Alter. Veränderungen in unserer häuslichen Einrichtung oder in unserem Arbeitsumfeld, wie ein neuer Chef im Büro, lösen Angst in uns aus. Das Wissen um den ewigen und unendlichen Gott/Wahrheit als unser eigenes Selbst kann uns furchtlos gegenüber jeder Veränderung machen, sogar gegenüber dem Tod des Körpers.
Der einzige Weg: Manche sagen, es gäbe nur einen Weg zur Wahrheit, manche sagen, es gäbe viele, wieder andere sagen, es gäbe keinen Weg und manche, es sei ein wegloser Weg. Manche bevorzugen den einfachen Weg und manche hängen an "meinem" Weg fest. An welche Religion, Sekte oder Ideologie ein Mensch auch immer glaubt, die Verwirklichung der unendlichen Wahrheit als sein eigenes Selbst ist der einzige Weg zur Befreiung. Die vorbereitenden Wege können vielfältig sein, aber allein die direkte Verwirklichung befreit (nānyaḥ panthā vidyate'yanāya).
In den Himmel zu kommen (lokāntara prāpti), einen himmlischen Körper zu erlangen (dehāntara prāpti) oder himmlische Vergnügungen zu genießen (bhogāntara prāpti) ist keine Befreiung.
Befreiung bedeutet, unsere falsche Identität (mit dem Nicht-Selbst) abzulegen und in unserem wahren Selbst zu verweilen. Ein Mensch, der die Rolle eines Bettlers spielt, hat sich mit dem Gedanken angefreundet, dass er tatsächlich ein Bettler ist. Der einzige Weg, wie er aus seinem Elend herauskommen kann, ist, die falsche Vorstellung aufzugeben, dass er ein Bettler ist. Wenn er in den Himmel geschickt wird, wird er auch dort anfangen zu betteln! Einmal gewann ein Bettler in der Lotterie. Als er gefragt wurde, was er mit dem Geld machen würde, sagte er: "Eine goldene Bettelschale kaufen" Allein das Wissen um die Wahrheit befreit.
Auch das nächste Mantra ist bei den Schülern des Vedānta beliebt.
यस्मात्परं नापरमस्ति किञ्चित् यस्मान्नाणीयो न ज्यायोऽस्ति कश्चित्।
वृक्ष इव स्तब्धो दिवि तिष्ठत्येकस्तेनेदं पूर्णं पुरुषेण सर्वम्॥ ९॥
Yasmāt-paraṁ nāparamasti kiñcit yasmānnāṇīyo na jyāyo'sti kaścit,
vṛkṣa iva stabdho divi tiṣṭhatyekastenedaṁ pūrṇaṁ puruṣeṇa sarvam. (9)
यस्मात् परम् - jenseits oder höher als wen; न - nichts; अपरम् - anders als; अस्ति - (es) gibt; किञ्चित् - wie auch immer; यस्मात् - von oder als wen; न - nichts; अणीयः - subtiler; न - nichts; ज्यायः - größer; अस्ति - (es gibt) ist; कश्चित् - was auch immer; वृक्षः - Baum; इव - wie; स्तब्धः - unbeweglich; दिवि - in seiner eigenen Herrlichkeit; तिष्ठति - steht oder existiert; एकः - einer; इदम् - dieser; पूर्णम् - erfüllt von; तेन पुरुषेण - von jenem göttlichen Wesen; सर्वम् - alle
9. All dies wird von jenem Göttlichen Wesen erfüllt, höher oder anders als das es nichts anderes gibt, subtiler oder größer als das es nichts anderes gibt; Er steht allein in Seiner eigenen Herrlichkeit, unbeweglich wie ein Baum.
yasmāt na paraṁ na aparam: Dies ist eine kraftvolle und tief bedeutungsvolle Aussage. Param bedeutet Ursache und aparam bedeutet Wirkung. Gott/Wahrheit hat keine Ursache oder Wirkung. Die Ursache existiert immer vor der Wirkung. Es bedeutet, dass nichts vor Gott existiert. Dies wird von allen Religionen der Welt akzeptiert. Allerdings sagt Vedānta auch, dass Gott/Wahrheit nicht die Ursache von irgendetwas ist. Er ist nicht der Schöpfer. Nichts kommt wirklich von ihm, da nichts von ihm verschieden ist (aparaṁ nāsti kiñcit). Gott/Wahrheit ist weder eine Ursache von etwas noch eine Wirkung von etwas. Nichts existiert vor ihm oder nach ihm, er ist eins ohne ein zweites. Der nicht-duale Gott/Wahrheit allein existiert (advaitaṁ paramārthatā).
Vom absoluten Standpunkt aus gesehen ist Gott/Wahrheit nicht der Schöpfer der Welt. Konzepte von Ursache und Wirkung werden Ihm übergestülpt. Śaṅkarācārya fordert uns auf, über jenen Gott/Wahrheit zu meditieren, der sich von Ursache und Wirkung als das eigene Selbst unterscheidet.
yasmānna aṇīyo na jyāyo'sti: Es gibt nichts Größeres oder Kleineres als Gott/Wahrheit. Alle Religionen wiederum akzeptieren, dass es nichts Größeres als Gott gibt. Allerdings sagt der Vedānta, dass auch nichts kleiner ist als Er. Weder das Universum, der Himmel oder die Erde, noch die himmlischen Wesen, die Sterblichen oder die Tiere sind kleiner als Er, denn alles ist Er allein.
Einst betrat ein Fremder den Hof des Königs. Der König stand in Demut auf, um den Gast zu empfangen. Zu seiner völligen Überraschung ging der Fremde direkt auf ihn zu und setzte sich auf seinen Thron. Der König fragte voller Ehrfurcht: "Wer bist du? Bist du ein König aus einem anderen Land, gekleidet in gewöhnlicher Kleidung?" Der Fremde sagte: "Ich bin der König aller Könige." Der König fragte dann: "Bist du Indra, der König des Himmels?" Der Fremde antwortete: "Ich bin der Gott aller Götter." Der König fragte: "Du bist also Gott in Menschengestalt?" Der Fremde sagte: "Ich bin größer als Gott." Der König stotterte: "Aber es gibt nichts Größeres als Gott." Der Heilige erwiderte: "Ich bin das Nichts, das größer ist als Gott." Gott/Wahrheit ist jenseits aller Konzepte von klein oder groß, denn alles ist Er allein. Selbst auf der relativen Ebene ist Gott/Wahrheit subtiler als der Raum, der im kleinsten Atom existiert und auch das ganze Universum umschließt.
vṛkṣa iva stabdho divi tiṣṭhati ekaḥ: Gott/Wahrheit leuchtet allein in seiner eigenen Herrlichkeit. Ein Baum aus rotem Holz steht seit Hunderten von Jahren in seiner ganzen Majestät und Macht. Auch Gott/Wahrheit steht unveränderlich und allein in all Seiner Herrlichkeit und Göttlichkeit als reines Daseins-Bewusstsein, das das gesamte Universum durchdringt.
Normalerweise sind das, was durchdringt, und das, was durchdrungen wird, verschieden wie ein Teppich, der auf dem Boden ausgebreitet ist. Aber Gott/Wahrheit durchdringt die Welt, so wie die ozeanischen Gewässer alle Wellen durchdringen oder das Seil die gesamte darauf liegende Schlangenvision durchdringt. Gott/Wahrheit allein existiert als das Substrat und die Welt ist nur eine Erscheinung.
Gott/Wahrheit zu kennen, verleiht Unsterblichkeit. Aber das scheint eine schwierige Aufgabe zu sein. Was ist die Alternative? Das Mantra sagt.
ततो यदुत्तरतरं तदरूपमनामयम्।
य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति अथेतरे दुःखमेवापियन्ति॥ १०॥
tato yaduttarataraṁ tadarūpam-anāmayam,
ya etadvidur-amṛtāste bhavanti-athetare duḥkham-evāpiyanti. (10)
ततः - als diese (Welt); यद् - das (was ist); उत्तरतरम् - höher; तद् - das; अरूपम् - formlos; अनामयम् - frei von Krankheiten; यः - der; एतद् - das; विदुः - wissen; अमृताः - unsterblich; ते - sie; भवन्ति - werden; अथ - während; इतरे - andere; दुःखम् - Kummer; एव - nur; अपियन्ति - bekommen
10. Das, was höher ist als diese (Welt), ist formlos und frei von Krankheiten. Diejenigen, die dies wissen, werden unsterblich, während andere nur Kummer bekommen.
Gott ist formlos: Wie der Raum ist auch der alles durchdringende Gott/die Wahrheit formlos. Schönheit ist die Essenz der vielen schönen Objekte, aber die Schönheit selbst ist eins und formlos. Gott/Wahrheit ist die eine formlose Essenz in allen Formen. Das, was allein formlos ist, kann alle Formen annehmen. Wasser nimmt die Form des Behälters an. Der formlose Gott/Wahrheit kann jede Form und alle Formen annehmen.
Gott ist frei von Krankheit: Natürlich ist Gott/Wahrheit frei von Krankheit. Ein kranker Gott passt in keine Vorstellung von Gott. Das, was formlos, unveränderlich und attributlos ist, ist frei von Krankheit, da es der Körper oder der Geist ist, der Krankheiten haben kann.
Wir alle leiden an der geistigen Krankheit der Unwissenheit. Unwissenheit verursacht Wünsche, die zu begehrenswerten Handlungen führen, die zu Ergebnissen führen, deren Genuss vāsanās oder Tendenzen verursacht, die wiederum zu Wünschen und Handlungen führen und so geht der Kreislauf weiter. Ego, Selbstsucht, Ärger, Gier, Eifersucht und dergleichen sind die Symptome der geistigen Krankheit, die wiederum Schmerzen, Angst, Spannung, Furcht, Depression und so weiter verursachen.
Unsterblichkeit oder die Alternative: Sucher, die Gott/Wahrheit als ihre unsterbliche Natur kennen, erlangen unendliche Glückseligkeit. Die Unwissenden bleiben im Kummer versunken. Wie glücklich ein Mensch auch sein mag, die Chāndogya Upaniṣad erklärt, dass "es keine wahre Freude in der Endlichkeit gibt" (na alpe sukham asti). Eine Addition und Multiplikation von endlichen Zahlen ergibt immer noch ein endliches Ergebnis. Wie kann ein Mensch, der der Erbe von Billionen ist, mit ein paar Hunderten glücklich sein!
Der Ṛṣi gibt uns im nächsten Mantra wieder einen Einblick in Seine kosmische Form.
सर्वाननशिरोग्रीवः सर्वभूतगुहाशयः।
सर्वव्यापी स भगवांस्तस्मात्सर्वगतः शिवः॥ ११॥
sarvānana-śirogrīvaḥ sarvabhūta-guhāśayaḥ,
sarvavyāpī sa bhagavāṁs-tasmāt-sarvagataḥ śivaḥ. (11)
सर्व-आनन-शिरो-ग्रीवः - der alle Gesichter, Köpfe und Hälse hat; सर्वभूत-गुहाशयः - der im Kern aller Wesen wohnt; सर्वव्यापी - alldurchdringend; सः - Er; भगवान् - der Herr; तस्मात् - daher; सर्वगतः - allgegenwärtig; शिवः - verheißungsvoll
11. Jener Herr, der alle Gesichter, Köpfe und Hälse hat, der im Kern aller Wesen wohnt, ist alldurchdringend und daher allgegenwärtig und glückverheißend.
Die Stufen der Manifestation: Gott/Wahrheit ist in Seiner unbefleckten und absoluten Natur namenlos, attributlos und formlos (nirguṇa nirākāra) und wird allgemein als Brahman bezeichnet. In Verbindung mit Seiner unendlichen und unergründlichen potentiellen Kraft (māyā oder prakṛti) wird Er Īśvara genannt, der formlos ist, aber alle Attribute wie Allwissenheit und Allmacht in ihrer latenten Form (saguṇa nirākāra) hat.
Dann kommt die Manifestation des Totalen Geistes oder der subtilen Welt. Der mit dem Totalen Geist verbundene Gott wird Hiraṇyagarbha genannt, in dem sich die Attribute in ihrer subtilen Form (saguṇa sākāra) manifestieren. Aus diesem subtilen Zustand geht die gesamte grobe Welt der Namen und Formen hervor, die kosmische Form Gottes, die dann Virāṭ genannt wird. In der kosmischen Form manifestieren sich die unzähligen Kosmosen und alle Attribute wie Kräfte und Wissen. Gott manifestiert sich auch in bestimmten Formen als Inkarnationen (avatāra) zu verschiedenen Zeiten aus Mitgefühl für die Gottgeweihten. Śrī Rāma und Śrī Kṛṣṇa sind berühmte Inkarnationen Gottes. Für die meisten ist es schwierig, Brahman, Īśvara, Hiraṇyagarbha oder Virāṭ zu verstehen, wohingegen die schöne Form von Herrn Śrī Kṛṣṇa, Sein göttliches Leben, Sein Werk und Seine erhebenden Lehren für alle leicht zu lieben und zu befolgen sind.
sarva-ānana-śiro-grīva: Er ist alle Gesichter, Köpfe und Hälse. Alle Gesichter, Köpfe und Hälse sind Sein allein. Nachdem wir dies gelesen haben, sollten wir in der Lage sein, Gott in allen Wesen zu sehen. Erst dann können wir sagen, dass wir dieses Mantra verstanden haben. Wenn wir alles als Gott sehen, können wir dann Menschen als gut, schlecht oder hässlich, als Freund oder Feind bezeichnen?
Ist nicht auch der Mensch, den wir als Feind sehen, Gott? Er mag uns als seinen Feind betrachten, aber sollten wir das auch?
Der heilige Tulasīdāsa sagt: "Ich sehe die ganze Welt als Herrn Śrī Rāma, und ich verneige mich vor allen mit gefalteten Händen." Wir mögen dieses Mantra intellektuell verstehen, aber es ist nicht leicht, diese göttliche Vision zu erlangen.
'Ᾱnana' bedeutet auch Mund, durch den wir Nahrung genießen, und repräsentiert somit die Kraft zu genießen (bhoga śakti). Śira, der Kopf, symbolisiert die Kraft des Wissens (jñāna śakti) und grīva - der Hals, der den Kopf stützt, repräsentiert die Kraft, die stützt (ādhāra śakti). Gottes Natur der Existenz-Bewusstheit-Glückseligkeit manifestiert sich in dieser Welt und allen Wesen als die Kraft, die unterstützt - Existenz gibt, weiß und genießt.
Bhagavān: Dieses schöne Wort wird von den Hindus sehr häufig für Gott verwendet. Einer mit bhaga - Vermögen - wird Bhagavān genannt. Die sechs Arten von Vermögen sind Herrschaft, Rechtschaffenheit, Ruhm, Reichtum, Wissen und Leidenschaftslosigkeit.
Gott hat alle diese in unendlichem Maß. Diese göttlichen Kräfte sind Seine eigentliche Natur und keine Eigenschaften, die kommen und gehen, zunehmen oder abnehmen. Die Herrschaft des Herrn kommt nicht daher, dass jemand Ihn zur Macht gewählt hat. Er ist die eigentliche Verkörperung aller Tugenden. Sein Ruhm ist so groß, dass Sein bloßes Gedenken die Herzen der Menschen reinigt. Ihm gehört die Welt mit all ihrem Reichtum und Wissen. Alles wissend und alles seiend, ist Er dennoch unberührt und jenseits von allem. Dies ist Seine Leidenschaftslosigkeit. Jeder in der Welt, der ein wenig von diesen oder auch nur eine dieser Eigenschaften hat, wird als glücklich bezeichnet. Wenn wir verstehen, dass dies Gottes göttliche Kräfte sind, werden wir nicht stolz auf unseren Reichtum oder neidisch auf den Ruhm anderer. Dieser Gott (sa bhagavān) ist der alles durchdringende, glückverheißende Eine (Śivaḥ), das Selbst von allem.
Was tut der Herr in uns sitzend?
Das Mantra sagt - महान्प्रभुर्वै पुरुषः सत्त्वस्यैष प्रवर्तकः।
सुनिर्मलामिमां प्राप्तिमीशानो ज्योतिरव्ययः॥ १२॥
mahān-prabhurvai puruṣaḥ sattvasyaiṣa pravartakaḥ,
sunirmalām-imāṁ prāptim-īśāno jyotiravyayaḥ. (12)
महान् - groß; प्रभुः - Herr; वै - in der Tat; पुरुषः - der Puruṣa; सत्त्वस्य - von sattva; एषः - dieser; प्रवर्तकः - Souffleur; सुनिर्मलाम् - reiner (Zustand); इमाम् - dieser; प्राप्तिम् - Erlangung; ईशानः - der Herrscher; ज्योतिः - das Licht (des Bewusstseins); अव्ययः - unveränderlich
12. In der Tat ist dieser große Herr, der Puruṣa, der Souffleur von sattva, um (uns) zu helfen, den reinen Zustand zu erreichen, der Herrscher, das Licht (des Bewusstseins) und unveränderlich.
Gott ist groß (mahān): Gott ist in jeder Hinsicht groß (mahān). Gott ist groß, da Er der Herr aller Geschicke ist. Er ist groß an Wissen, Statur, Macht, Tugenden - alles, was wertvoll ist. Er ist auch der Meister (prabhu), der alles zu tun, zu lassen oder anders zu machen vermag. Nichts ist für Ihn unmöglich. Er ist voll und vollständig (Puruṣa), also ohne Wünsche, und doch fähig, alle Wünsche zu erfüllen. Wir hingegen fühlen uns unvollständig, sind voller Wünsche und haben wenig Kapazität, sie zu erfüllen. Da Er so groß, fähig und vollständig ist, ist es kein Wunder, dass Er respektiert und verehrt wird.
Gott inspiriert (sattvasyaiṣa pravartakaḥ): Indem Er in uns verweilt, regt Er sattva guṇa an - edle Eigenschaften wie Güte, Selbstlosigkeit, Freundlichkeit und so weiter. 'Sattvasya' bedeutet auch 'des Geistes-Verstandes', da er auch aus dem sāttvika-Aspekt der fünf Elemente besteht. Er motiviert uns, uns selbst zu verbessern, anderen zu helfen, Reinheit zu erlangen und die Wahrheit zu erlangen. Seine motivierende Kraft wird umso stärker empfunden, je mehr wir uns mit Ihm einstimmen.
Dies kann auf viele Arten gesehen werden. Manchmal, wenn wir uns in einem Dilemma befinden, werden wir intuitiv dazu getrieben, auf die richtige Weise zu handeln. Oft werden wir durch schwierige Situationen geführt, obwohl wir uns dessen meist gar nicht bewusst sind. Der Suchende betet daher jeden Tag - dhiyo yo naḥ pracodayāt (Gāyatrī Mantra) 'Mögest du unseren Intellekt erleuchten.' Einige in der Welt stiften uns an, Falsches zu tun und ziehen uns nach unten. Einige motivieren uns und schieben uns vorwärts, und einige inspirieren uns und erheben uns. Gott ist eine ewige Quelle der Inspiration, derjenige, der uns dazu anregt, das Höchste (sunirmalāṁ prāptiḥ), den Zustand der reinen Glückseligkeit, zu erreichen.
Die Schriften weisen darauf hin, dass wir oft einen von allen Gedanken freien Zustand erleben, der reine Glückseligkeit ist (nirvikalpa samādhi), aber wir kennen ihn nicht, erkennen ihn nicht, geschweige denn, dass wir in ihm verweilen. Zum Beispiel sind wir im extremen Zorn gelähmt, nehmen nichts wahr, nicht einmal uns selbst, und für diesen Moment befinden wir uns in einem gedankenlosen Zustand. Erst später kommen Gedanken auf, die zum Handeln anregen. Auf die gleiche Weise werden wir in einen gedankenlosen Zustand versetzt, wenn wir plötzlich von einem Unglück oder einem tragischen Ereignis getroffen werden. Momente intensiver und extremer Freude, Angst, Trauer, körperlicher Schmerzen, Wut oder Liebe können uns in einen gedankenlosen Zustand katapultieren. Er mag für den Bruchteil einer Sekunde andauern, bevor das Gefühl von "ich" und "mein" einsetzt. Aber für diesen kurzen Moment sind wir in Kontakt mit dem Höchsten, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.
Es ist ziemlich schwierig, sich Gott als unendlich und alldurchdringend vorzustellen. Kann man sich Ihn nicht als etwas vorstellen, das unserer Größe näher kommt? Das Folgende ist ein Widerhall des Mantras in Kaṭhopaniṣad 2.3.17.
अङ्गुष्ठमात्रः पुरुषोऽन्तरात्मा सदा जनानां हृदये सन्निविष्टः।
हृदा मन्वीशो मनसाभिक्लृप्तो य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति॥ १३॥
aṅguṣṭha-mātraḥ puruṣo'ntarātmā sadā janānāṁ hṛdaye sanniviṣṭaḥ,
hṛdā manvīśo manasābhikḷpto ya etad-viduramṛtāste bhavanti. (13)
अङ्गुष्ठमात्रः - von der Größe eines Daumens; पुरुषः - der Puruṣa; अन्तरात्मा - das innewohnende Selbst; सदा - immer; जनानाम् - von Menschen; हृदये - im Herzen; सन्निविष्टः - sitzend; हृदा - durch das Herz; मन्वीशः - Der Herr des Wissens; मनसा - durch den Verstand; अभिकॢप्तः - verborgen; ये - diejenigen, die; एतद् - dies; विदुः - wissen; अमृताः - unsterblich; ते - sie; भवन्ति - werden
13. Der Puruṣa, das innewohnende Selbst, von der Größe eines Daumens, sitzt immer in den Herzen der Menschen. Der Herr des Wissens ist durch den Verstand und das Herz verborgen. Diejenigen, die dies wissen, werden unsterblich.
Gott - die Größe eines Daumens: Der unendliche Gott ist im Herzen als das Selbst von der Größe eines Daumens vorhanden! Hier bezieht sich das 'Herz' nicht auf das physische Herz, das unser Blut pumpt, sondern auf das spirituelle Herz, das eigentliche Zentrum unserer Persönlichkeit, die Quelle, aus der das Gefühl des 'Ich'-Seins entsteht. Wenn wir gefragt werden, wo du bist, legen wir universell unsere Hand in die Nähe des physischen Herzens. Das kann man als den Ort des spirituellen Herzens (upalabdhi sthāna) bezeichnen. Wir sollten nicht denken, dass Gott buchstäblich von der Größe eines Daumens ist und dass Er sich nur im Herzraum befindet. Es ist so gedacht, damit sich unser Geist in der Meditation vom Rest der Welt und des Körpers zurückziehen und auf einen Ort konzentrieren kann. Dies hilft, den Geist zu konzentrieren.
Es bedeutet auch, dass, obwohl Gott groß und unendlich ist, Er genau hier und jetzt in jedem von uns verfügbar ist. Es ist im Allgemeinen sehr schwierig, große Menschen zu treffen. Wir müssen eine Verabredung treffen und lange warten. Wie groß der Mensch auch sein mag, er ist leicht verfügbar für seine Lieben und bückt sich, um seine Kleinen zu begrüßen. Gott ist jederzeit ausschließlich in uns verfügbar, und zwar in jeder erdenklichen Form und Größe.
Der unendliche Gott allein erscheint in allen Formen und Größen. Kann Er dann nicht in der Größe eines Daumens erscheinen? Als Aśvatthāmā das Brahmāstra schoß, um Parīkṣita im Schoß von Uttarā zu töten, sah Parīkṣita den Herrn in der Größe eines Daumens, im Schoß, der ihn beschützte.
Gott - das verborgene Selbst: Doch gerade jetzt, obwohl Gott als unser eigenes Selbst immer verfügbar ist, ist Er vor unseren Augen verborgen. Es kommt oft vor, dass die Wirkung die Ursache verdeckt. Der Verstand-Intellekt, der die geschaffene Wirkung ist, verdeckt unsere Erfahrung seines Schöpfers - des Herrn - so wie die Wolken unsere Sicht auf die Sonne verdecken. Begierden machen den Verstand unruhig, Vorlieben und Abneigungen färben den Verstand und der Intellekt schafft seine eigenen Zweifel, Verwirrungen und Konzepte. All dies erlaubt uns nicht, Gott/Wahrheit zu sehen. Die Schichten der Nahrungsmittel-Hülle, der Vital-Luft-Hülle, der Mental-Hülle (manas), der Intellektuellen-Hülle (manīṣā) und der Glückseligkeits-Hülle (hṛd) scheinen das Selbst vollständig zu bedecken. Obwohl wir uns nur in Seinem Licht der drei Zustände bewusst sind, scheint Er im Wachzustand durch den Intellekt (manīṣayā), im Traumzustand durch die mentalen Projektionen (manasā) und im Tiefschlafzustand, in dem alle Gedanken verschmelzen, durch Unwissenheit und die schlafenden vāsanās (hṛdā) verborgen zu sein.
Das Schöne ist jedoch, dass Gott in jedem von uns als unser eigenes Selbst gegenwärtig ist. Niemand kann behaupten, dass Gott vergessen hat, das Selbst in mich zu legen. Kann ich ohne Ich existieren? Kann der Topfmacher vergessen, Schlamm in den Schlammtopf zu geben? Diejenigen, die Gott im Inneren verwirklicht haben, sind frei geworden - sie wissen, dass sie nie gebunden und immer frei waren.
Die kosmische Form des Herrn wird durch die folgenden vier Mantras wieder aufgegriffen, wobei sowohl die immanente als auch die transzendente Natur Gottes/Wahrheit erklärt wird. Die ersten beiden Mantras des berühmten Puruṣa Sūktam werden hier nun wiedergegeben.
सहस्रशीर्षा पुरुषः सहस्राक्षः सहस्रपात्।
स भूमिं विश्वतो वृत्वा अत्यतिष्ठद्दशाङ्गुलम्॥ १४॥
पुरुष एवेदग्ं सर्वं यद्भूतं यच्च भव्यम्।
उतामृतत्वस्येशानो यदन्नेनातिरोहति॥ १५॥
sahasra-śīrṣā puruṣaḥ sahasrākṣaḥ sahasrapāt,
sa bhūmiṁ viśvato vṛtvā-atyatiṣṭhad-daśāṅgulam. (14)
puruṣa evedaṁ sarvaṁ yadbhūtaṁ yacca bhavyam,
utāmṛtatvasyeśāno yad-annenātirohati. (15)
सहस्रशीर्षा - hat tausend Köpfe; पुरुषः - Der Puruṣa; सहस्राक्षः - mit tausend Augen; सहस्रपात् - mit tausend Füßen; सः - Er; भूमिम् - die Erde; विश्वतः - von allen Seiten; वृत्वा - durchdringend; अत्यतिष्ठद् - erstreckt sich darüber hinaus; दशाङ्गुलम् - um zehn Fingerbreit
पुरुषः - Der Puruṣa; एव - allein; इदम् - dies; सर्वम् - alles; यद् - was auch immer; भूतम् - Vergangenheit; यद् - was auch immer; च - und; भव्यम् - Zukunft; उत - außerdem; अमृतत्वस्य - der Unsterblichkeit; ईशानः - der Herr; यद् - was; अन्नेन - mit Nahrung; अतिरोहति - wächst
14. Der Puruṣa hat tausend Köpfe, tausend Augen und tausend Füße. Er durchdringt die Erde von allen Seiten und reicht zehn Fingerbreit über sie hinaus.
15. All das ist der Puruṣa allein - was immer in der Vergangenheit war und was in der Zukunft sein wird und alles, was an Nahrung wächst. Außerdem ist Er auch der Herr der Unsterblichkeit.
Das Puruṣa Sūktam: Es ist eine Hymne zum Lobpreis Gottes als kosmische Person. Sie findet sich in allen vier Veden mit unterschiedlicher Anzahl von Mantras. Im Sāma Veda und Atharva Veda gibt es vier und fünf Mantras, im Ṛg Veda sechzehn und im Yajur Veda, den wir in der Chinmaya Mission studieren, achtzehn Mantras. Jeder im alten Gurukula-Bildungssystem hat dies von Anfang an studiert.
Es ist sehr beliebt, da in der sechzehnstufigen rituellen Verehrung (ṣoḍaśa upacāra pūjā) jeder Schritt mit dem Singen eines Mantras ausgeführt wird und die gesamte Hymne während des speziellen rituellen Bades (abhiṣeka) gesungen wird.
Gott - das Immanente und Transzendentale: Da Er die kosmische Person ist, sind alle Köpfe, Augen und Füße allein Sein. Er durchdringt natürlich alles. Ist Er nur so viel, wie in der unvorstellbar großen, grob- und feinstofflichen Welt manifest ist? Jenseits der manifesten Welt ist das unendliche unmanifeste Potential des Herrn. Er existiert sogar weit jenseits dieses unmanifesten potentiellen Zustandes als die reine und absolute Wahrheit. Zehn Zentimeter darüber hinaus weist auf diese transzendentale Natur des Herrn hin. Zehn Zoll bedeutet nicht, daß Er die Welt um ein wenig übersteigt; es bedeutet, daß Seine transzendentale Natur jenseits aller Vorstellung ist. An anderer Stelle im Puruṣa Sūktam wird gesagt, daß sich nur ein Viertel des Herrn als die Welt manifestiert. Drei Viertel bleiben unberührt von māyā oder seiner Schöpfung, in Seinem reinen Zustand.
Eine andere Bedeutung ist, dass Gott/Wahrheit, der allgegenwärtig und transzendental ist, auch in unserem Herzen als das Selbst vorhanden ist, zehn Zoll über dem Nabel (nābhi). Der Präsident eines Landes lebt in der Hauptstadt in seinem Präsidentenpalast weit außerhalb der Reichweite der meisten. Aber wir müssen keine lange Reise unternehmen oder kämpfen, um eine Audienz bei Gott zu bekommen. Alles, was wir tun müssen, ist, uns nach innen zu wenden. Vielleicht, weil Er so nahe ist, vermissen wir Ihn und suchen Ihn anderswo. Kabīradāsa sagt: 'Ich finde es amüsant, dass wir wie die Fische im Wasser über den Durst klagen.'
Gott ist all dies: Alles - die Welt, der Körper, die Gefühle, die Gedanken, die Unwissenheit -, was als 'dies' bezeichnet werden kann, ist Gott allein. Es gibt kein 'dies' getrennt von 'Ich'. 'Alles ist Ich allein' ist die Verwirklichung des Suchenden.
Gott - zu allen Zeiten: Die kosmische Form des Herrn ist ständig im Wandel. Wesen verändern ihre Formen, die Erfahrungsbereiche verändern sich mit den Wesen in ihnen, die Kosmosen werden geboren und vergehen. Doch alles, was jemals von anfangsloser Zeit an existierte, alles, was existiert und alles, was existieren wird, ist Zukunft in Gott allein. Er allein existierte in der Vergangenheit, existiert in der Gegenwart und wird in der Zukunft existieren. Zum Beispiel ist der Ozean allein alle Wellen - die, die in der Vergangenheit entstanden sind, die jetzt entstehen und die in Zukunft entstehen werden.
Die gleiche Idee der vorherigen zwei Mantras wird nun durch die folgenden Mantras erklärt, die auch in der berühmten Bhagavad Gītā (13.13) erscheinen.
सर्वतः पाणिपादं तत् सर्वतोऽक्षिशिरोमुखम्।
सर्वतः श्रुतिमल्लोके सर्वमावृत्य तिष्ठति॥ १६॥
sarvataḥ pāṇipādaṁ tat sarvato'kṣi-śiromukham,
sarvataḥ śrutimalloke sarvam-āvṛtya tiṣṭhati. (16)
सर्वतः - überall; पाणि-पादम् - mit Händen und Füßen; तत् - Es; सर्वतः - überall; अक्षि-शिरो-मुखम् - mit Augen, Köpfen und Mündern; सर्वतः - überall; श्रुतिमत् - hat Ohren; लोके - auf der Welt; सर्वम् - alles; आवृत्य - durchdringend; तिष्ठति - steht
16. Es hat überall Hände und Füße, überall Augen, Köpfe und Münder, es hat überall Ohren und es steht alles durchdringend in der Welt.
Die Veden sind das Wissen um die ewigen Wahrheiten, die die Welt regieren. Sie sind der Atem des Herrn selbst' (yasya niśvasitaṁ vedāḥ). Der Herr selbst offenbarte Arjuna dieses Wissen als das Göttliche Lied - die Gītā. Daher erscheinen die Mantras der Veden auch in der Gītā und anderen Schriften.
Ein guter Lehrer wiederholt den Gedanken, um seine Wichtigkeit zu betonen, um den Schüler immer wieder zum Nachdenken zu bringen, bis die volle Bedeutung des Wissens in den Geist des Schülers sinkt.
Die Implikation der kosmischen Vision: Alle Hände, Beine, Augen und Köpfe sind Sein allein. Wer bin dann 'ich', das Individuum? Ist nicht der Körper und der Geist, den ich mein nenne, in Wirklichkeit Sein? Dies zu verstehen, wird das Gefühl der Individualität in seine unendliche Quelle auflösen - den Herrn. Auch das Verständnis, dass alle Wesen allein Seine Form sind, lässt uns Seine Gegenwart zu jeder Zeit spüren. Wir können uns dann niemals einsam oder ängstlich fühlen.
Ich, als Individuum, bin endlich und in meinen Fähigkeiten begrenzt. Wenn ich mich jedoch mit der Gesamtheit identifiziere, vergrößern sich meine Fähigkeiten um das Millionenfache, da alle Hände und Köpfe, alles Wissen und alle Kräfte zu meinen werden. Ich kann dann alles erreichen, denn die Gesamtheit wird es geschehen lassen.
Lassen Sie uns ein praktisches Beispiel nehmen. In der Chinmaya Mission habe ich, solange ich mit der gesamten Organisation identifiziert bin und alles für die Mission tue, Tausende von Händen, Beinen und Köpfen, mit denen ich die Arbeit vollbringen kann. Alle Mitglieder, alle Zentren, alle Ressourcen, alles gehört mir und steht mir zur Verfügung. Als Individuum habe ich endliche Kapazitäten und Ressourcen.
Wenn ich als Individuum um Geld bitte, werde ich zur Bank verwiesen! Nicht nur ich, sondern jedes Mitglied der Chinmaya Mission hat Hände, Beine, Köpfe und Ressourcen zur Verfügung, um die Arbeit der Mission zu erreichen. Wo auch immer Sie hingehen, die Chinmaya-Familie heißt Sie in ihrer Schar willkommen. Wenn Sie sich mit der Mission identifizieren, vervielfachen sich Ihre Kraft und Ihre Fähigkeiten um ein Vielfaches. Stellen Sie sich vor, wie es sein wird, wenn wir uns mit Gott selbst identifizieren!
Wenn wir die heiligen Schriften lesen, sollten wir uns nicht nur auf die Übersetzung konzentrieren oder von den Prinzipien überwältigt werden. Wir sollten auch versuchen, die Auswirkungen des Wissens auf unser tägliches Leben zu verstehen.
Der Zweck dieses Studiums ist es, unser Gefühl von "ich" und "mein", unser Gefühl des Getrenntseins zu reduzieren und letztendlich mit dem Herrn zu verschmelzen.
Der Gottgeweihte sagt: "Alles ist Dein, nichts ist mein", und so fallen seine Anhaftungen ab. Durch Wissen oder Hingabe, was auch immer die Methode sein mag, müssen Selbstsucht, Anhaftung, Ego und Besitzdenken abnehmen. Sie allein verursachen viel Kummer im Leben. Zu Transaktionszwecken mögen wir "ich" und "mein" verwenden, aber in unserem Herzen müssen wir verstehen, dass alles allein Sein ist. Wenn wir die ganze Zeit die Gegenwart Gottes spüren, fallen alle Sorgen und Ängste weg. Meine Kräfte mögen begrenzt sein, aber Gott ist allmächtig und Er ist da, um mich zu beschützen. Mīrābāi trank Gift, das sich in Nektar verwandelte, als sie ihren Mann, der es sandte, für Gott selbst hielt. Solche Dinge geschehen demjenigen, der Gott überall sieht. Selbst wenn der andere ihn aufgrund von Unwissenheit hasst, hasst er niemanden. Jeder ist Nārāyaṇa - der eine ist ein duṣṭa (böser) Nārāyaṇa und ein anderer ein daridra (armer) Nārāyaṇa und wieder ein anderer ein sādhu (guter) Nārāyaṇa - aber alle sind allein Seine Form. Er neckt uns, prüft uns und lehrt uns in vielen Formen. In der Tat ist alles allein Sein göttliches Spiel.
Wird Gott, wie wir, von seiner eigenen Schöpfung eingeholt? Berühren die Probleme des Einzelnen den Herrn? Hätte Er dann nicht unzählige Probleme, da alle Individuen Ihm allein gehören? Das Mantra klärt diesen Zweifel.
सर्वेन्द्रियगुणाभासं सर्वेन्द्रियविवर्जितम्।
सर्वस्य प्रभुमीशानं सर्वस्य शरणं बृहत्॥ १७॥
sarvendriya-guṇābhāsaṁ sarvendriya-vivarjitam,
sarvasya prabhum-īśānaṁ sarvasya śaraṇaṁ bṛhat. (17)
सर्वेन्द्रिय-गुणाभासम् - Er scheint alle Eigenschaften der Sinnesorgane zu haben; सर्वेन्द्रिय-विवर्जितम् - (dennoch) ist Er frei von allen Sinnesorganen; सर्वस्य - von allen; प्रभुम् - der Herr; ईशानम् - der Herrscher; सर्वस्य - von allen; शरणम् - Zuflucht; बृहत् - mächtig
17. Er scheint alle Eigenschaften der Sinnesorgane zu haben, und doch ist Er frei von allen Sinnesorganen. Er ist der Herr von allem, der Herrscher und die mächtige Zuflucht von allem.
Gott - der Funke in allem: Die erste Zeile dieses Mantras erscheint auch in der Gītā (13.14). 'Ᾱbhāsa' bedeutet Erscheinung. Gott scheint die Attribute und Funktionen aller Instrumente (Sinnesorgane der Wahrnehmung und Handlung und die innere Ausstattung des Geistes-Intellekts) zu haben, aber Er ist frei von allen Attributen und Ausstattungen. Er bleibt als der Nicht-Täter, in dessen Gegenwart alles getan wird.
Das Beispiel der Elektrizität ist in diesem Zusammenhang sehr treffend. Elektrizität manifestiert sich als Licht in der Glühbirne, als Wärme in der Heizung und als Klang in der Musikanlage. Doch Elektrizität ist frei von der Glühbirne, der Heizung oder der Musikanlage und all ihren Begrenzungen.
Wenn die Musikanlage kaputt geht, weint die Elektrizität nicht, auch wenn ich, der ich sie als meine Musikanlage betrachte, dies tun mag! Keine der Anlagen kann ohne Elektrizität funktionieren, aber die Elektrizität funktioniert durch sie alle, in welchem Zustand sie auch immer sein mögen.
Gott - der Herr von allem: Wir stellen oft fest, dass jemand, der fähig ist (prabhu), vielleicht keine Macht hat, und jemand mit Macht (īśāna) vielleicht nicht fähig ist. Zum Beispiel könnte der Meister oder Chef ineffizient sein und sein Diener oder Untergebener sehr effizient, aber ohne Macht. Der Herr ist sowohl allfähig als auch allmächtig. Er allein kontrolliert das ganze Universum und lässt alles in ihm geschehen.
Gott - die große Zuflucht: Wenn ein Mensch von Widrigkeiten heimgesucht wird, sucht er Zuflucht - Schutz, Unterstützung oder Hilfe (śaraṇa). Der Regenschirm bietet Schutz vor Regen. Er ist jedoch nicht groß genug, um eine Gruppe von Menschen zu schützen. Er kann uns vor einem heftigen Schauer schützen, aber nicht vor einem Sturm oder einem Gewitter. Manche Regenschirme sind bloße Schaustücke, die uns nicht einmal vor einem Nieselregen schützen können! Der Herr ist bṛhat śaraṇa - der große und allmächtige Schutz. Er kann alle Wesen beschützen, zu jeder Zeit, vor allem Unheil.
In einigen Lesarten finden wir das Wort suhṛt anstelle von bṛhat. Auch dies ergibt eine schöne Bedeutung. Suhṛt bedeutet ein gutherziger Mensch, ein Wohltäter, einer, der bereit ist, ohne jegliche Erwartungen zu helfen (pratyupakāram anapekṣya upakāra kartā). Menschen helfen anderen, erwarten aber in der Regel eine Gegenleistung oder wollen zumindest gewürdigt werden. Ein Mensch mag Zuflucht gewähren, aber er mag nicht gutherzig sein. Im Gegenzug bindet er uns vielleicht lebenslang, weil er uns geholfen hat. Die Hilfe, die die meisten geben, ist an Bedingungen geknüpft. Aber der Herr ist großherzig, ein wahrer Wohltäter und gibt allen bedingungslos. Die Gītā sagt - 'Wenn ein Mensch Gott als seinen wahren Freund und Wohltäter erkennt, findet er großen Frieden', da er weiß, dass Gott in Zeiten der Not immer bei ihm sein wird.
Das nächste Mantra gibt eine schöne Analogie für Gottes Gegenwart in uns.
नवद्वारे पुरे देही हंसो लेलायते बहिः।
वशी सर्वस्य लोकस्य स्थावरस्य चरस्य च॥ १८॥
navadvāre pure dehī haṁso lelāyate bahiḥ,
vaśī sarvasya lokasya sthāvarasya carasya ca. (18)
नवद्वारे पुरे - in der Stadt mit neun Toren; देही - verkörpert; हंसः - das höchste Selbst; लेलायते - bewegt; बहिः - nach außen; वशी - der Meister; सर्वस्य लोकस्य - der ganzen Welt; स्थावरस्य - des Unbelebten; चरस्य - des Belebten; च - und
18. Das höchste Selbst (Gott), das der Herr über die gesamte Welt der belebten und unbelebten Wesen ist, ist in der Stadt mit neun Toren verkörpert und bewegt sich nach außen.
Gott ist haṁsa: Das Wort haṁsa hat mehrere Bedeutungen:
Früher bezog sich dieses Wort auf das individuelle Wesen (jīva), das von einem Körper zum anderen und von einer Erfahrung zur anderen reist (hanti gacchati iti haṁsaḥ).
Haṁsa bedeutet ein Schwan. Auch Mönche werden haṁsa oder paramahaṁsa genannt. Wie der Schwan hat der Mönch einen reinen Geist (weiß), kann zwischen dem Wirklichen und Unwirklichen (Milch und Wasser) unterscheiden und wandelt anmutig auf dem Pfad des Dharma.
Gott wird auch haṁsa genannt, da Er die Unwissenheit und ihre Auswirkungen zerstört (avidyāṁ tatkāryaṁ hanti nāśayati iti haṁsaḥ). Er tut dies, indem er das Wissen der Wahrheit schenkt. Auch der Guru wird haṁsa oder paramahaṁsa genannt, da auch er Wissen gibt und Unwissenheit beseitigt.
Gott - der Stadtbewohner: Der Körper ist wie eine Stadt, da er mit vielen Einrichtungen gefüllt ist (pūryate anena iti puraḥ). Die Stadt hat Häuser, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse, Bahnhöfe, Busstationen, Tankstellen und sogar Polizeistationen. Dieser Körper ist mit den sieben Bestandteilen (pūryate sapta-dhātubhiḥ) gefüllt - der Haut, dem Blut, dem Fleisch, dem Fett, den Knochen, dem Mark und dem Sperma. Oder es wird eine Stadt genannt, da es mehrere Glieder hat (pūrayate sarva aṅgaiḥ pratyaṅgaiḥ iti puram). Millionen von Individuen und Arten leben in ihren jeweiligen stadtähnlichen Körpern und gehen ihren täglichen Aktivitäten nach.
Der Körper hat neun Tore - zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, den Mund, das Genitalorgan und den Anus, durch die das Individuum mit der Welt verkehrt. An anderer Stelle ist von zehn Toren die Rede. Das zehnte Tor ist der Nabel, durch den der Fötus seine Nahrung erhält. Dieses Tor ist bei der Geburt geschlossen. Kaṭhopaniṣad 2.2.1 erwähnt elf Tore (puram ekādaśadvāram). Das elfte Tor ist das brahmarandhra auf dem Scheitel, das für die meisten von uns immer geschlossen ist. Nur die großen Yogis wissen, wie man es öffnet und durch es hinausgeht.
Der Dichter singt: "In diesem Bungalow gibt es zehn Tore und in der Mitte ist eine Luftsäule. Niemand weiß, wann das Individuum in diesen Körper eintritt und wann es ihn verlässt. So ist dieser wunderbare Bungalow entstanden und Bhagavān Nārāyaṇa hat ihn betreten.'
Gott betritt diesen Körper gleichsam als Individuum und wird sehr geschäftig und extrovertiert. Das Individuum ist immer mit irgendetwas beschäftigt, es bewegt sich ruhelos von Ort zu Ort und sucht nach verschiedenen Arten von Vergnügen und Annehmlichkeiten. In der heutigen Zeit ist er immer entweder mit seinem Handy oder seinem Computer beschäftigt. In der Gītā heißt es: "Der Herr verweilt in der Stadt der neun Tore und tut nichts, noch veranlasst er etwas.
Gott der Meister: Der Einzelne erfährt Endlichkeit, Hilflosigkeit und Kummer, aber der Herr ist der Meister von allem (vaśī). Einmal begegnete ein König einem Heiligen, der mitten auf der Straße lag. Der Heilige weigerte sich, sich zu bewegen, als er dazu aufgefordert wurde, und fragte den König: "Wer bist du und was ist deine Macht?"
Der König antwortete: "Ich bin der König dieses Landes (rājā) und ich kann jeden aus meinem Reich verbannen. Wer bist du und was ist deine Macht?" Der Heilige sagte: "Ich bin ein größerer König (mahārājā). Mein Reich ist so groß, dass es keinen Platz außerhalb davon gibt, deshalb kann ich niemanden verbannen."
Gott ist der oberste Herr der ganzen Welt. Die trägen Objekte und die fühlenden Wesen, alle sind in Seiner Kontrolle. In der Welt sehen wir manchmal, dass das Träge das Empfindungsfähige kontrolliert (Geld kontrolliert den Menschen) oder das Grobe das Feinstoffliche (der körperlich Starke kontrolliert den Wissenden), aber der Herr kontrolliert beides - das Empfindungsfähige und das Unempfindliche, das Grobe und das Feinstoffliche.
Das nächste Mantra scheint dem zu widersprechen, was in früheren Mantras oft über die kosmische Form Gottes gesagt wurde.
अपाणिपादो जवनो ग्रहीता पश्यत्यचक्षुः स शृणोत्यकर्णः।
स वेत्ति वेद्यं न च तस्यास्ति वेत्ता तमाहुरग्र्यं पुरुषं महान्तम्॥ १९॥
apāṇipādo javano grahītā paśyatyacakṣuḥ sa śṛṇotyakarṇaḥ,
sa vetti vedyaṁ na ca tasyāsti vettā tamāhuragryaṁ puruṣaṁ mahāntam. (19)
अपाणिपादः - ohne Hände und Füße; जवनः - bewegt sich; ग्रहीता - ergreift; पश्यति - sieht; अचक्षुः - ohne Augen; सः - Er; शृणोति - hört; अकर्णः - ohne Ohren; सः - Er; वेत्ति - weiß; वेद्यम् - zu wissen; न - nein; च - und; तस्य - Sein; अस्ति - ist; वेत्ता - wissend; तम् - von Ihm; आहुः - sprechen; अग्र्यम् - der Erste; पुरुषम् - Person; महान्तम् - der Große
19. Ohne Hände und Füße bewegt Er sich und ergreift; Er sieht ohne Augen und hört ohne Ohren; Er weiß, was zu wissen ist, aber es gibt keinen, der Ihn kennt. Man sagt, Er sei der Vorderste, der Große.
Die Kaivalyopaniṣad (2.2) hat ein ähnliches Mantra.
Gott - ein Rätsel: Die Natur Gottes ist wahrlich verblüffend. Die früheren Mantras besagen, dass alle Hände, Füße und Köpfe allein Ihm gehören. Er hat überall Augen und Gesichter. Hier wird gesagt, dass Er keine Hände hat und doch alles ergreift, keine Ohren hat und doch alles hört (sogar den Klang einer Glocke an den Füßen einer Ameise!), keine Hände hat und doch alles auffängt und keine Füße hat und sich doch überall bewegt.
Mantras wie diese verursachen Verwirrung bei denen, die die wörtliche Bedeutung in Übersetzungen ohne die Hilfe eines Gurus oder ohne jeglichen Hintergrund oder Vorbereitung lesen. Die Leute fragen, warum die Upaniṣads solch paradoxe Sprache verwenden. Die Sprache des Paradoxen ist dazu gedacht, jedes Konzept zu zerschlagen, das der Verstand in Bezug auf die Wahrheit bildet, und öffnet den Weg zur direkten Verwirklichung.
Hat Er nun Hände oder hat Er keine? Von Seinem Standpunkt aus hat Er keine Hände, aber von unserem Standpunkt aus, dem Standpunkt der Welt, sind alle Hände und Beine nur die Seinen. Von Seinem Standpunkt aus ist Er formlos, aber wenn der Gottgeweihte Ihn als eine Form verehrt, zum Beispiel als Śrī Kṛṣṇa, wird er von Ihm gesegnet.
Der Gottgeweihte bittet Gott um Vergebung für drei Fehler: "Da ich weiß, daß Du alldurchdringend bist, gehe ich immer noch auf Pilgerreise; da ich weiß, daß Du jenseits des Verstandes bist, meditiere ich immer noch mit dem Verstand; und da ich weiß, daß Du nicht mit der Sprache beschrieben werden kannst, singe ich immer noch Dein Lob durch Hymnen.
Gott hat keine Konditionierungen (nirupādhika). Konditionierung ist das, was in der Nähe bleibt und dem anderen seine Eigenschaften aufzwingt (upa samīpe sthitvā svaguṇa-dharmān anyasmin ādhatte iti upādhi). Zum Beispiel lässt das rote Tuch unter dem farblosen Kristall den Kristall rot erscheinen. Doch alle Konditionierungen - Hände, Beine, Augen oder der Geist - funktionieren nur aufgrund von Ihm. Die Kaṭhopaniṣad sagt - sitzend geht Er weit (āsīno dūraṁ vrajati). Wenn wir zum Beispiel in einem Auto fahren, sitzen wir an einem Ort, aber das Auto fährt schnell und weit.
Von unserem Standpunkt aus gesehen befinden wir uns an einem Ort, aber bedingt durch das Auto werden wir als in Bewegung befindlich wahrgenommen. Deshalb sagen wir im Allgemeinen: "Ich bin weit gereist.“
Ohne Existenz und Leben kann weder die Hand greifen noch die Augen sehen. Daher ist es allein Er, der alles ergreift und sieht. Gott/Wahrheit hat jedoch weder Hände noch Augen. Gott/Wahrheit wird daher das Ohr des Ohres und der Geist des Geistes genannt (śrotrasya śrotraṁ manaso mano yat - Kenopaniṣad 1.2).
Gott - das Unbekannte: Ein weiterer interessanter Aspekt Gottes ist, dass Er alles weiß und doch niemand Ihn kennen kann. Der Seher kennt das Gesehene, aber das Gesehene kann den Seher nicht kennen. Zum Beispiel sehen die Augen Objekte, aber die Objekte können die Augen nicht sehen. Der Geist weiß, was die Augen sehen, aber die Augen können nicht sehen, was der Geist weiß. In ähnlicher Weise weiß das Selbst, was der Verstand denkt und die Augen sehen, aber weder die Augen noch der Verstand können das 'Ich' kennen, das weiß. Das Selbst kann niemals ein Objekt des Wissens werden.
Gott ist selbst von rätselhafter Natur und mit dem Intellekt schwer zu erfassen. Im Allgemeinen kennen wir ein Objekt, indem wir es objektivieren - als Anblick, Klang, Geruch, Farbe, Form und so weiter. Wenn wir das Wort "Kuh" sagen, entsteht ein geistiges Bild einer Kuh. Wut, Liebe, Mitgefühl sind Gefühle, die uns bekannt sind - von uns objektiviert. Ideen werden konzeptualisiert - ebenfalls von uns objektiviert. Da wir Gott/Selbst/Wahrheit nicht objektivieren können - als Bild, Gefühl oder Konzept, bleibt er uns unbekannt.
Keine Worte können Gott/Wahrheit beschreiben, dennoch müssen Worte verwendet werden, um auf Gott hinzuweisen. Samartha Rāmadāsa sagt - 'Ohne ein Denker zu werden, denke an das, was nicht gedacht werden kann.' Wenn dies begriffen wird, wird der Geist in der Wahrheit aufgehen. Śrī Gurudev pflegte es auf diese Weise zu erklären. Wenn wir 'Tisch' sagen, kommt uns das Bild eines Tisches in den Sinn. Wenn wir "unendlich", "unveränderlich" oder "zeitlos" sagen, ist der Intellekt nicht in der Lage, die Bedeutung zu erfassen, aber er negiert alles, was endlich, veränderlich und zeitgebunden ist. Was dann übrig bleibt, ist die wahre Bedeutung von 'unendlich'. Das, was dann angezeigt wird, bin Ich, die unendliche Wahrheit.
Gott - der Erste (agryam): Die Chāndogya Upaniṣad sagt, dass die "nicht-duale Existenz vor allem existierte. Aus Gott/Existenz allein sind alle Namen und Formen entstanden. Gold existiert, bevor alle goldenen Ornamente gemacht werden. Wo auch immer man das Ornament hinbringt, Gold ist immer da.
Der Īśāvāsyopaniṣad sagt: 'Wie schnell man auch rennen mag, Gott/Wahrheit überholt alles, sogar den Verstand, und reicht voraus.' Er gewinnt jedes Rennen ohne jede Bewegung, da Er bereits überall existiert.
Wie wird dann der rätselhafte und unerkennbare Gott/Wahrheit realisiert?
अणोरणीयान्महतो महीयानात्मा गुहायां निहितोऽस्य जन्तोः।
तमक्रतुं पश्यति वीतशोको धातुः प्रसादान्महिमानमीशम्॥ २०॥
Aṇoraṇīyān-mahato mahīyān-ātmā guhāyāṁ nihito'sya jantoḥ,
tam-akratuṁ paśyati vītaśoko dhātuḥ prasādān-mahimānam-īśam. (20)
अणोः - als das Feinste; अणीयान् - subtiler; महतः - als das Größte; महीयान् - größer; आत्मा - das Selbst; गुहायाम् - in der Höhle des Herzens; निहितः - sitzend; अस्य जन्तोः - dieser Kreatur; तम् - dieses Selbst; अक्रतुम् - wunschlos; पश्यति - sieht; वीतशोकः - frei von Gedanken (Kummer); धातुः - des reinen Geistes; प्रसादात् - durch die Gnade; महिमानम् - die Größe; ईशम् - der Herr
20. Das Selbst ist subtiler als das Subtilste und größer als das Größte. Es sitzt in der Höhle des Herzens aller Geschöpfe. Jemand, der frei von Gedanken und Wünschen ist, sieht die Größe des Herrn durch die Gnade des reinen Geistes.
Dieses Mantra findet sich auch in der Kaṭhopaniṣad (1.2.20) mit leichten Unterschieden.
Gott - groß oder klein? Gott ist größer als der Größte und kleiner als der Kleinste. Auch dieser Gedanke wurde früher erklärt. Gott/Wahrheit ist alldurchdringend und formlos und das Substrat von allem, sogar dem alldurchdringenden Raum. Der Raum existiert im kleinsten Objekt im Nanomaßstab und umschließt auch die unzähligen Kosmosen. Der Raum muss existieren, um ihn durchdringen zu können, und so durchdringt Gott/Existenz sogar den Raum.
Gott erkennen durch Gnade (dhātuḥ prasādāt): Die Augen offenbaren Farben und Formen. Was ist das gültige Mittel zur Erkenntnis Gottes/Wahrheit? Selbsterkenntnis, wie sie in den Upaniṣaden angegeben und vom Guru offenbart wird (dhātā), ist das gültige Mittel. Die Gnade des Gurus ist sehr wichtig, da Er derjenige ist, der unsere unendliche Natur offenbart und uns hilft, die falsche Identifikation mit dem Körper fallen zu lassen. Selbst der Herr, wenn Er inkarniert, geht zu einem Guru, um die Selbsterkenntnis zu erlernen. Herr Śrī Rāma ging zum Weisen Vasiṣṭha und Herr Śrī Kṛṣṇa verweilte in der Einsiedelei des Weisen Sāndīpanī.
Dhātā bedeutet auch Gott - der Erhalter und Unterstützer von allem. 'Ich bin der Vater, die Mutter, der Erhalter und der Großvater dieser Welt', sagt Śrī Kṛṣṇa. Es ist Gott allein, der sich als die Veden und der Guru, der die Wahrheit offenbart, manifestiert. Die gesamte Welt wird durch Seine Gnade erhalten. Alles Wissen findet durch Seine Gnade statt. Selbsterkenntnis, die sonst so schwer zu begreifen ist, kann nur durch Seine Gnade stattfinden.
Dhātā bedeutet auch der Geist. Nur ein reiner Geist kann Gott/Wahrheit erkennen. Śrī Kṛṣṇa sagt, daß ein unreiner Geist trotz aller Bemühungen die Wahrheit nicht verwirklichen kann. Ein Geist, der von Kummer und Bedauern über die Vergangenheit, von Ängsten und Sorgen über die Zukunft und von Aufregungen und Anhaftungen in der Gegenwart beherrscht wird, kann die Wahrheit nicht erkennen.
Ein von diesen Dingen freier Geist (vītaśoka) ist ein geeignetes Instrument, um die Wahrheit zu erkennen, die jenseits aller Sorgen liegt. Wiederum sind es 'kratu' oder Wünsche allein, die den Geist aufregen und uns zum Handeln veranlassen. Ein Geist, der relativ frei von Begierden (akratu) ist, kann Gott/Wahrheit erkennen, der voll und ganz und völlig frei von Begierden (akratu) ist. Es ist interessant, dass in der Kaṭhopaniṣad gesagt wird, dass der Wunschlose die Wahrheit (akratuḥ paśyati) sieht, und hier heißt es, dass der reine Geist die lustlose Wahrheit (akratuṁ paśyati) sieht.
Daher kann die Gnade Gottes/Gurus, gepaart mit der Gnade eines reinen Geistes, die große und glorreiche Wahrheit offenbaren und sie zu unserer eigenen direkten Verwirklichung machen.
Hat jemand tatsächlich die Wahrheit realisiert? Der Ṛṣi behauptet seine eigene persönliche Verwirklichung.
वेदाहमेतमजरं पुराणं सर्वात्मानं सर्वगतं विभुत्वात्।
जन्मनिरोधं प्रवदन्ति यस्य ब्रह्मवादिनो हि प्रवदन्ति नित्यम्॥ २१॥
vedāham-etam-ajaraṁ purāṇaṁ sarvātmānaṁ sarvagataṁ vibhutvāt,
janma-nirodhaṁ pravadanti yasya brahmavādino hi pravadanti nityam. (21)
वेद - wissen; अहम् - ich; एतम् - dies; अजरम् - alterslos; पुराणम् - uralt; सर्वात्मानम् - derjenige, der das Selbst von allen ist; सर्वगतम् - allgegenwärtig; विभुत्वात् - weil er alldurchdringend ist; जन्मनिरोधम् - geburtslos; प्रवदन्ति - sprechen von; यस्य - bezüglich dessen; ब्रह्मवादिनः - die Wissenden von Brahman; हि - in der Tat; प्रवदन्ति - sprechen von; नित्यम् - ewig
21. Ich kenne diesen alterslosen, uralten Einen, der das Selbst von allem ist, der allgegenwärtig ist, weil er alldurchdringend ist, von dem die Kenner von Brahman in der Tat sagen, dass er geburtslos und ewig ist.
Der Ṛṣi ist zweifellos in seiner Verwirklichung und erklärt, dass er Gott/Wahrheit kennt. Was ist die Natur der Wahrheit?
Gott ist zeitlos und uralt: Der Körper durchläuft die sechs Veränderungen - Existenz im Mutterleib, Geburt, Wachstum, Reife, Verfall und Tod (ṣaḍ vikāra). Gott ist formlos und somit alterslos. Dennoch ist Er alt, in der Tat der Älteste, der Älteste, da Er vor allem existierte. Obwohl Er alt ist, ist Er immer neu und zeitlos. Eigentlich ist Gott von der Zeit unabhängig und deshalb trifft die Idee von alt und neu nicht auf Ihn zu.
Gott ist geburtslos: Die Unwissenden identifizieren sich mit dem Körper und denken, dass sie geboren werden und dass sie sterben werden. Aber die verwirklichten Meister wissen, dass sie geburtslos und todlos sind - die alles durchdringende, ewige Wahrheit.
So endet das dritte Kapitel mit der direkten Erfahrung des Verwirklichten Meisters.
===4. Kapitel Shvatashvatara Upanishad mit Kommentar Swami Tejomayananda===


==Essenz der  Svetasvatara Upanishad von Swami Sivananda==
==Essenz der  Svetasvatara Upanishad von Swami Sivananda==

Version vom 26. September 2021, 15:57 Uhr

Shvetashvatara Upanishad (Devanagari: श्वेताश्वतर उपनिषद; Śvetāśvatara) ist eine der älteren Upanishaden. Sie gehört zu den Haupt-Upanishaden und ist Bestandteil des Krishna Yajurveda. Sie vermittelt grundlegendes Gedankengut des Yoga und Advaita Vedanta. Adishankara nannte sie in seinem Kommentar über die Brahma Sutras die "Mantra Upanishad" der vedischen Svetasvatara Schule. Die Upanishad enthält 113 Verse in 6 Kapiteln.

Der Name "Svetasvatara" erscheint häufiger in der vedischen Literatur. Er bedeutet "weißes Maultier". Das Maultier war ein verehrtes Tier im alten Indien. Der, der ein weißes Pferd hat, wird "Svetasva" genannt und der, der ein weißes Maultier hat, kann "Svetasvatara" genannt werden. Einer der Namen Arjunas im Epos "Mahabharata" ist "Shvetashva." Im Rigveda begegnet man "Shyavashva" - "Der, der ein schwarzes Pferd besitzt."

Lehrer und Schüler

Shvetashvatara Upanishad Sanskrit Text IAST

Hier der volle Text der Shvetashvatara Upanishad in der wissenschaftlichen Transkription (IAST)

oṃ brahmavādino vadanti

prathamo 'dhyāyaḥ

kiṃkāraṇaṃ brahma kutaḥ sma jātā jīvāmaḥ kena kva ca saṃpratiṣṭhāḥ
adhiṣṭhitāḥ kena sukhetareṣu vartāmahe brahmavido vyavasthām // 1.1
kālaḥ svabhāvo niyatir yadṛcchā bhūtāni yoniḥ puruṣeti cintyam
saṃyoga eṣāṃ na tv ātmabhāvād ātmā hy anīśaḥ sukhaduḥkhahetoḥ // 1.2
te dhyānayogānugatā apaśyan devātmaśaktiṃ svaguṇair nigūḍhām
yaḥ kāraṇāni nikhilāni tāni kālātmayuktāny adhitiṣṭhaty ekaḥ // 1.3
tam ekanemiṃ trivṛtaṃ ṣoḍaśāntaṃ śatārdhāraṃ viṃśatipratyarābhiḥ
aṣṭakaiḥ ṣaḍbhir viśvarūpaikapāśaṃ trimārgabhedaṃ dvinimittaikamoham // 1.4
pañcasroto'mbuṃ pañcayonyugravaktrāṃ pañcaprāṇormiṃ pañcabuddhyādimūlāṃ
pañcāvartāṃ pañcaduḥkhaughavegāṃ pañcāśadbhedāṃ pañcaparvām adhīmaḥ // 1.5
sarvājīve sarvasaṃsthe bṛhante tasmin haṃso bhrāmyate brahmacakre
pṛthag ātmānaṃ preritāraṃ ca matvā juṣṭas tatas tenāmṛtatvam eti // 1.6
udgītam etat paramaṃ tu brahma tasmiṃs trayaṃ svapratiṣṭhākṣaraṃ ca
atrāntaraṃ brahmavido viditvā līnā brahmaṇi tatparā yonimuktāḥ // 1.7
saṃyuktam etat kṣaram akṣaraṃ ca vyaktāvyaktaṃ bharate viśvam īśaḥ
anīśaś cātmā badhyate bhoktṛbhāvāj jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ // 1.8
jñājñau dvāv ajāv īśanīśāv ajā hy ekā bhoktṛbhogārthayuktā
anantaś cātmā viśvarūpo hy akartā trayaṃ yadā vindate brahmam etat // 1.9
kṣaraṃ pradhānam amṛtākṣaraṃ haraḥ kṣarātmānāv īśate deva ekaḥ
tasyābhidhyānād yojanāt tattvabhāvād bhūyaś cānte viśvamāyānivṛttiḥ // 1.10
jñātvā devaṃ sarvapāśāpahāniḥ kṣīnaiḥ kleśair janmamṛtyuprahāṇiḥ
tasyābhidhyānāt tṛtīyaṃ dehabhede viśvaiśvaryaṃ kevala āptakāmaḥ // 1.11
etaj jñeyaṃ nityam evātmasaṃsthaṃ nātaḥ paraṃ veditavyaṃ hi kiṃcit
bhoktā bhogyaṃ preritāraṃ ca matvā sarvaṃ proktaṃ trividhaṃ brahmam etat // 1.12
vahner yathā yonigatasya mūrtir na dṛśyate naiva ca liṅganāśaḥ
sa bhūya evendhanayonigṛhyas tadvobhayaṃ vai praṇavena dehe // 1.13
svadeham araṇiṃ kṛtvā praṇavaṃ cottarāraṇiṃ
dhyānanirmathanābhyāsād devaṃ paśyen nigūḍhavat // 1.14
tileṣu tailaṃ dadhanīva sarpir āpaḥ srotaḥsv araṇīṣu cāgniḥ
evam ātmā ātmani gṛhyate 'sau satyenainaṃ tapasā yo 'nupaśyati // 1.15
sarvavyāpinam ātmānaṃ kṣīre sarpir ivārpitam
ātmavidyātapomūlaṃ tad brahmopaniṣatparaṃ tad brahmopaniṣatparam // 1.16


dvitīyo 'dhyāyaḥ

yuñjānaḥ prathamaṃ manas tatvāya savitā dhiyaḥ
agner jyotir nicāyya pṛthivyā adhy ābharat // 2.1
yuktena manasā vayaṃ devasya savituḥ save
suvargeyāya śaktyā % // 2.2
yuktvāya manasā devān suvar yato dhiyā divaṃ
bṛhaj jyotiḥ kariṣyataḥ savitā prasuvāti tān // 2.3
yuñjate mana uta yuñjate dhiyo viprā viprasya bṛhato vipaścitaḥ
vi hotrā dadhe vayunāvid eka in mahī devasya savituḥ pariṣṭutiḥ // 2.4
yuje vāṃ brahma pūrvyaṃ namobhir vi śloka etu pathyeva sūreḥ
śṛṇvanti viśve amṛtasya putrā ā ye dhāmāni diviyāni tasthuḥ // 2.5
agnir yatrābhimathyate vāyur yatrādhirudhyate
somo yatrātiricyate tatra saṃjāyate manaḥ // 2.6
savitrā prasavena juṣeta brahma pūrvyam
tatra yoniṃ kṛṇavase nahi te pūrtam akṣipat // 2.7
trirunnataṃ sthāpya samaṃ śarīraṃ hṛdīndriyāṇi manasā saṃniveśya
brahmoḍupena pratareta vidvān srotāṃsi sarvāṇi bhayāvahāni // 2.8
prāṇān prapīḍyeha sa yuktaceṣṭaḥ kṣīne prāṇe nāsikayocchvasīta
duṣṭāśvayuktam iva vāham enaṃ vidvān mano dhārayetāpramattaḥ // 2.9
same śucau śarkarāvahnivālukāvivarjite śabdajalāśrayādibhiḥ
mano'nukūle na tu cakṣupīḍane guhānivātāśrayaṇe prayojayet // 2.10
nīhāradhūmārkānalānilānāṃ khadyotavidyutsphaṭikāśaśīnām
etāni rūpāṇi puraḥsarāṇi brahmaṇy abhivyaktikarāṇi yoge // 2.11
pṛthvyaptejo'nilakhe samutthite pañcātmake yogaguṇe pravṛtte
na tasya rogo na jarā na mṛtyuḥ prāptasya yogāgnimayaṃ śarīram // 2.12
laghutvam ārogyam alolupatvaṃ varṇaprasādaḥ svarasauṣṭhavaṃ ca
gandhaḥ śubho mūtrapurīṣam alpaṃ yogapravṛttiṃ prathamāṃ vadanti // 2.13
yathaiva bimbaṃ mṛdayopaliptaṃ tejomayaṃ bhrājate tat sudhāntam
tad vātmatattvaṃ prasamīkṣya dehī ekaḥ kṛtārtho bhavate vītaśokaḥ // 2.14
yad ātmatattvena tu brahmatattvaṃ dīpopameneha yuktaḥ prapaśyet
ajaṃ dhruvaṃ sarvatattvair viśuddhaṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ // 2.15
eṣa ha devaḥ pradiśo 'nu sarvāḥ pūrvo ha jātaḥ sa u garbhe antaḥ
sa eva jātaḥ sa janiṣyamānaḥ pratyaṅ janās tiṣṭhati sarvatomukhaḥ // 2.16
yo devo agnau yo apsu yo viśvaṃ bhuvanam āviveśa
ya oṣadhīṣu yo vanaspatīṣu tasmai devāya namo namaḥ // 2.17


tṛtīyo 'dhyāyaḥ

ya eko jālavān īśata īśanībhiḥ sarvāṃl lokān īśata īśanībhiḥ
ya evaika udbhave saṃbhave ca ya etad vidur amṛtās te bhavanti // 3.1
eko hi rudro na dvitīyāya tasthe ya imāṃl lokān īśata īśanībhiḥ
pratyaṅ janās tiṣṭhati saṃcukocāntakāle saṃsṛjya viśvā bhuvanāni gopāḥ // 3.2
viśvataścakṣur uta viśvatomukho viśvatobāhur uta viśvataspāt
saṃ bāhubhyāṃ dhamati saṃ patatrair dyāvābhūmī janayan deva ekaḥ // 3.3
yo devānāṃ prabhavaś codbhavaś ca viśvādhipo rudro maharṣiḥ
hiraṇyagarbhaṃ janayāmāsa pūrvaṃ sa no buddhyā śubhayā saṃyunaktu // 3.4
yā te rudra śivā tanūr aghorāpāpakāśinī
tayā nas tanuvā śaṃtamayā giriśantābhicākaśīhi // 3.5
yām iṣuṃ giriśanta haste bibharṣy astave
śivāṃ giritra tāṃ kuru mā hiṃsīḥ puruṣaṃ jagat // 3.6
tataḥ paraṃ brahma paraṃ bṛhantaṃ yathānikāyaṃ sarvabhūteṣu gūḍhaṃ
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāram īśaṃ taṃ jñātvāmṛtā bhavanti // 3.7
vedāham etaṃ puruṣaṃ mahāntam ādityavarṇaṃ tamasaḥ parastāt
tam eva viditvāti mṛtyum eti nānyaḥ panthā vidyate 'yanāya // 3.8
yasmāt paraṃ nāparam asti kiṃcid yasmān nāṇīyo na jyāyo 'sti kiṃcit
vṛkṣa iva stabdho divi tiṣṭhaty ekas tenedaṃ pūrṇaṃ puruṣeṇa sarvam // 3.9
tato yad uttarataraṃ yad arūpam anāmayam
ya etad vidur amṛtās te bhavanti athetare duḥkham evāpiyanti // 3.10
sarvānanaśirogrīvaḥ sarvabhūtaguhāśayaḥ
sarvavyāpī sa bhagavāṃs tasmāt sarvagataḥ śivaḥ // 3.11
mahān prabhur vai puruṣaḥ sattvasyaiṣa pravartakaḥ
sunirmalām imāṃ prāptim īśāno jyotir avyayaḥ // 3.12
aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo 'ntarātmā sadā janānāṃ hṛdaye saṃniviṣṭaḥ
hṛdā manīṣā manasābhikḷpto ya etad vidur amṛtās te bhavanti // 3.13
sahasraśīrṣā puruṣaḥ sahasrākṣaḥ sahasrapāt
sa bhūmiṃ viśvato vṛtvā atyatiṣṭhad daśāṅgulam // 3.14
puruṣa evedaṃ sarvaṃ yad bhūtaṃ yac ca bhavyam
utāmṛtatvasyeśāno yad annenātirohati // 3.15
sarvataḥpāṇipādaṃ tat sarvato'kṣiśiromukhaṃ
sarvataḥśrutimal loke sarvam āvṛtya tiṣṭhati // 3.16
sarvendriyaguṇābhāsaṃ sarvendriyavivarjitaṃ
sarvasya prabhum īśānaṃ sarvasya śaraṇaṃ suhṛt // 3.17
navadvāre pure dehī haṃso lelāyate bahiḥ
vaśī sarvasya lokasya sthāvarasya carasya ca // 3.18
apāṇipādo javano grahītā paśyaty acakṣuḥ sa śṛṇoty akarṇaḥ
sa vetti vedyaṃ na ca tasyāsti vettā tam āhur agryaṃ puruṣaṃ mahāntam // 3.19
aṇor aṇīyān mahato mahīyān ātmā guhāyāṃ nihito 'sya jantoḥ
tam akratuṃ paśyati vītaśoko dhātuprasādān mahimānam īśam // 3.20
vedāham etam ajaraṃ purāṇaṃ sarvātmānaṃ sarvagataṃ vibhutvāt
janmanirodhaṃ pravadanti yasya brahmavādino hi pravadanti nityam // 3.21


caturtho 'dhyāyaḥ

ya eko 'varṇo bahudhā śaktiyogād varṇān anekān nihitārtho dadhāti
vi caiti cānte viśvam ādau sa devaḥ sa no buddhyā śubhayā saṃyunaktu // 4.1
tad evāgnis tad ādityas tad vāyus tad u candramāḥ
tad eva śukraṃ tad brahma tad āpas tat prajāpatiḥ // 4.2
tvaṃ strī tvaṃ pumān asi tvaṃ kumāra uta vā kumārī
tvaṃ jīrṇo daṇḍena vañcasi tvaṃ jāto bhavasi viśvatomukhaḥ // 4.3
nīlaḥ pataṅgo harito lohitākṣas taḍidgarbha ṛtavaḥ samudrāḥ
anādimāṃs tvaṃ vibhutvena vartase yato jātāni bhuvanāni viśvā // 4.4
ajām ekāṃ lohitaśuklakṛṣṇāṃ bahvīḥ prajāḥ sṛjamānāṃ sarūpāḥ
ajo hy eko juṣamāṇo 'nuśete jahāty enāṃ bhuktabhogām ajo 'nyaḥ // 4.5
dvā suparṇā sayujā sakhāyā samānaṃ vṛkṣaṃ pariṣasvajāte
tayor anyaḥ pippalaṃ svādv atty anaśnann anyo abhicākaśīti // 4.6
samāne vṛkṣe puruṣo nimagno anīśayā śocati muhyamānaḥ
juṣṭaṃ yadā paśyaty anyam īśaṃ asya mahimānam iti vītaśokaḥ // 4.7
ṛco akṣare parame vyoman yasmin devā adhi viśve niṣedhuḥ
yas tan na veda kim ṛcā kariṣyati ya it tad vidus ta ime samāsate // 4.8
chandāṃsi yajñāḥ kratavo vratāni bhūtaṃ bhavyaṃ yac ca vedā vadanti
asmān māyī sṛjate viśvam etat tasmiṃś cānyo māyayā saṃniruddhaḥ // 4.9
māyāṃ tu prakṛtiṃ vidyān māyinaṃ tu maheśvaraṃ
tasyāvayavabhūtais tu vyāptaṃ sarvaṃ idaṃ jagat // 4.10
yo yoniṃ-yonim adhitiṣṭhaty eko yasminn idaṃ saṃ ca vi caiti sarvam
tam īśānaṃ varadaṃ devam īḍyaṃ nicāyyemāṃ śāntim atyantam eti // 4.11
yo devānāṃ prabhavaś codbhavaś ca viśvādhiko rudro maharṣiḥ
hiraṇyagarbhaṃ paśyata jāyamānaṃ sa no buddhyā śubhayā saṃyunaktu // 4.12
yo devānām adhipo yasmiṃl lokā adhiśritāḥ
ya īśe asya dvipadaś catuṣpadaḥ kasmai devāya haviṣā vidhema // 4.13
sūkṣmātisūkṣmaṃ kalilasya madhye viśvasya sraṣṭāram anekarūpaṃ
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāraṃ jñātvā śivaṃ śāntim atyantam eti // 4.14
sa eva kāle bhuvanasya goptā viśvādhipaḥ sarvabhūteṣu gūḍhaḥ
yasmin yuktā brahmarṣayo devatāś ca tam evaṃ jñātvā mṛtyupāśāṃś chinatti // 4.15
ghṛtāt paraṃ maṇḍam ivātisūkṣmaṃ jñātvā śivaṃ sarvabhūteṣu gūḍhaṃ
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāraṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ // 4.16
eṣa devo viśvakarmā mahātmā sadā janānāṃ hṛdaye saṃniviṣṭaḥ
hṛdā manīṣā manasābhikḷpto ya etad vidur amṛtās te bhavanti // 4.17
yadātamas tan na divā na rātrir na san na cāsac chiva eva kevalaḥ
tad akṣaraṃ tat savitur vareṇyaṃ prajñā ca tasmāt prasṛtā purāṇī // 4.18
nainam ūrdhvaṃ na tiryañcaṃ na madhye parijagrabhat
na tasya pratimā asti yasya nāma mahad yaśaḥ // 4.19
na saṃdṛśe tiṣṭhati rūpam asya na cakṣuṣā paśyati kaścanainaṃ
hṛdā hṛdisthaṃ manasā ya enam evaṃ vidur amṛtās te bhavanti // 4.20
ajāta ity evaṃ kaścid bhīruḥ prapadyate
rudra yat dakṣiṇaṃ mukham tena māṃ pāhi nityam // 4.21
mā nas toke tanaye mā na āyuṣi mā no goṣu mā no aśveṣu rīriṣaḥ
vīrān mā no rudra bhāmito vadhīr haviṣmantaḥ sadam it tvā havāmahe // 4.22


pañcamo 'dhyāyaḥ

dve akṣare brahmapare tv anante vidyāvidye nihite yatra gūḍhe
kṣaraṃ tv avidyā hy amṛtaṃ tu vidyā vidyāvidye īśate yas tu so 'nyaḥ // 5.1
yo yoniṃ yonim adhitiṣṭhaty eko viśvāni rūpāṇi yonīś ca sarvāḥ
ṛṣiṃ prasūtaṃ kapilaṃ yas tam agre jñānair bibharti jāyamānaṃ ca paśyet // 5.2
ekaikaṃ jālaṃ bahudhā vikurvann asmin kṣetre saṃharaty eṣa devaḥ
bhūyaḥ sṛṣṭvā patayas tatheśaḥ sarvādhipatyaṃ kurute mahātmā // 5.3
sarvā diśa ūrdhvam adhaś ca tiryak prakāśayan bhrājate yad vānaḍvān
evaṃ sa devo bhagavān vareṇyo yonisvabhāvān adhitiṣṭhaty ekaḥ // 5.4
yac ca svabhāvaṃ pacati viśvayoniḥ pācyāṃś ca sarvān pariṇāmayed yaḥ
sarvam etad viśvam adhitiṣṭhaty eko guṇāṃś ca sarvān viniyojayed yaḥ // 5.5
tad vedaguhyopaniṣatsu gūḍhaṃ tad brahmā vedate brahmayoniṃ
ye pūrvaṃ devā ṛṣayaś ca tad vidus te tanmayā amṛtā vai babhūvuḥ // 5.6
guṇānvayo yaḥ phalakarmakartā kṛtasya tasyaiva sa copabhoktā
sa viśvarūpas triguṇas trivartmā prāṇādhipaḥ saṃcarati svakarmabhiḥ // 5.7
aṅguṣṭhamātro ravitulyarūpaḥ saṃkalpāhaṃkārasamanvito yaḥ
buddher guṇenātmaguṇena caiva ārāgramātro hy avaro 'pi dṛṣṭaḥ // 5.8
vālāgraśatabhāgasya śatadhā kalpitasya ca
bhāgo jīvaḥ sa vijñeyaḥ sa cānantyāya kalpate // 5.9
naiva strī na pumān eṣa na caivāyaṃ napuṃsakaḥ
yad yac charīram ādatte tena tena sa yujyate // 5.10
saṃkalpanasparśanadṛṣṭimohair grāsāmbuvṛṣṭyā cātmavivṛddhijanma
karmānugāny anukramena dehī sthāneṣu rūpāṇy abhisaṃprapadyate // 5.11
sthūlāni sūkṣmāṇi bahūni caiva rūpāṇi dehī svaguṇair vṛṇoti
kriyāguṇair ātmaguṇaiś ca teṣāṃ saṃyogahetur aparo 'pi dṛṣṭaḥ // 5.12
anādyanantaṃ kalilasya madhye viśvasya sraṣṭāram anekarūpaṃ
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāraṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ // 5.13
bhāvagrāhyam anīḍākhyaṃ bhāvābhāvakaraṃ śivaṃ
kalāsargakaraṃ devaṃ ye vidus te jahus tanum // 5.14


ṣaṣṭho 'dhyāyaḥ

svabhāvam eke kavayo vadanti kālaṃ tathānye parimuhyamānāḥ
devasyaiṣa mahimā tu loke yenedaṃ bhrāmyate brahmacakram // 6.1
yenāvṛtaṃ nityam idaṃ hi sarvaṃ jñaḥ kālakālo guṇī sarvavidyaḥ
teneśitaṃ karma vivartate ha pṛthivyāptejo'nilakhāni cintyam // 6.2
tat karma kṛtvā vinivartya bhūyas tattvasya tattvena sametya yogam
ekena dvābhyāṃ tribhir aṣṭabhir vā kālena caivātmaguṇaiś ca sūkṣmaiḥ // 6.3
ārabhya karmāṇi guṇānvitāni bhāvāṃś ca sarvān viniyojayed yaḥ
teṣām abhāve kṛtakarmanāśaḥ karmakṣaye yāti sa tattvato 'nyaḥ // 6.4
ādiḥ sa saṃyoganimittahetuḥ paras trikālād akalo 'pi dṛṣṭaḥ
taṃ viśvarūpaṃ bhavabhūtam īḍyaṃ devaṃ svacittastham upāsya pūrvam // 6.5
sa vṛkṣakālākṛtibhiḥ paro 'nyo yasmāt prapañcaḥ parivartate 'yaṃ
dharmāvahaṃ pāpanudaṃ bhageśaṃ jñātvātmastham amṛtaṃ viśvadhāma // 6.6
tam īśvarāṇāṃ paramaṃ maheśvaraṃ taṃ devatānāṃ paramaṃ ca daivataṃ
patiṃ patīnāṃ paramaṃ parastād vidāma devaṃ bhuvaneśam īḍyam // 6.7
na tasya kāryaṃ karaṇaṃ ca vidyate na tatsamaś cābhyadhikaś ca dṛśyate
parāsya śaktir vividhaiva śrūyate svābhāvikī jñānabalakriyā ca // 6.8
na tasya kaścit patir asti loke na ceśitā naiva ca tasya liṅgaṃ
sa kāraṇaṃ karaṇādhipādhipo na cāsya kaścij janitā na cādhipaḥ // 6.9
yas tantunābha iva tantubhiḥ pradhānajaiḥ svabhāvataḥ
deva ekaḥ svam āvṛṇoti sa no dadhād brahmāpyayam // 6.10
eko devaḥ sarvabhūteṣu gūḍhaḥ sarvavyāpī sarvabhūtāntarātmā
karmādhyakṣaḥ sarvabhūtādhivāsaḥ sākṣī cetā kevalo nirguṇaś ca // 6.11
eko vaśī niṣkriyāṇāṃ bahūṇām ekaṃ bījaṃ bahudhā yaḥ karoti
tam ātmasthaṃ ye 'nupaśyanti dhīrās teṣāṃ sukhaṃ śāśvataṃ netareṣāṃ // 6.12
nityo nityānāṃ cetanaś cetanānām eko bahūnāṃ yo vidadhāti kāmān
tat kāraṇaṃ sāṃkhyayogādhigamyaṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ // 6.13
na tatra sūryo bhāti na candratārakaṃ nemā vidyuto bhānti kuto 'yam agniḥ
tam eva bhāntam anubhāti sarvaṃ tasya bhāsā sarvam idaṃ vibhāti // 6.14
eko haṃso bhuvanasyāsya madhye sa evāgniḥ salile saṃniviṣṭaḥ
tam eva viditvāti mṛtyum eti nānyaḥ panthā vidyate 'yanāya // 6.15
sa viśvakṛd viśvavid ātmayonir jñaḥ kālakālo guṇī sarvavidyaḥ
pradhānakṣetrajñapatir guṇeśaḥ saṃsāramokṣasthitibandhahetuḥ // 6.16
sa tanmayo hy amṛta īśasaṃstho jñaḥ sarvago bhuvanasyāsya goptā
sa īśe asya jagato nityam eva nānyo hetur vidyata īśanāya // 6.17
yo brahmāṇaṃ vidadhāti pūrvaṃ yo vai vedāṃś ca prahiṇoti tasmai
taṃ ha devam ātmabuddhiprakāśaṃ mumukṣur vai śaraṇam ahaṃ prapadye // 6.18
niṣkalaṃ niṣkriyaṃ śāntaṃ niravadyaṃ nirañjanam
amṛtasya paraṃ setuṃ dagdhendhanam ivānalam // 6.19
yadā carmavad ākāśaṃ veṣṭayiṣyanti mānavāḥ
tadā devam avijñāya duḥkhasyānto bhaviṣyati // 6.20
tapaḥprabhāvād devaprasādāt brahma ha śvetāśvataro 'tha vidvān
atyāśramibhyaḥ paramaṃ pavitraṃ provāca samyag ṛṣisaṅghajuṣṭam // 6.21
vedānte paramaṃ guhyaṃ purākalpe pracoditam
nāpraśāntāya dātavyaṃ nāputrāyāśiṣyāya vā punaḥ // 6.22
yasya deve parā bhaktir yathā deve tathā gurau
tasyaite kathitā hy arthāḥ prakāśante mahātmanaḥ prakāśante mahātmanaḥ // 6.23

Übersetzung von Paul Deussen: Die Shvetashvatara-Upanishad des schwarzen Yajurveda

Hier die Übersetzung der Shvetashvatara Upanishad von Paul Deussen aus seinem Werk "60 Upanishaden des Veda", auch wiedergegeben in dem Buch "Klassische Upandischaden"

Erster Adhyāya: Erstes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

Om! Die Brahmanlehrer sagen:

1. Was ist Urgrund, was Brahman? Woher sind wir?

Wodurch bestehn, und worin sind gegründet wir?
Von wem regiert, bewegen wir, ihr Weisen,
Uns in der Lust und Unlust Wechselständen?

2. Sind Zeit, Natur, Notwendigkeit, der Zufall,

Grundstoffe, Geist, ist die Verbindung dieser
Als Urgrund denkbar? Doch nicht! Denn ein Selbst ist!
Doch auch das Selbst schafft frei nicht Lust und Unlust!

3. Nachdenken und Hingebung (yoga) übend, sah'n sie

Gottes Selbstkraft, verhüllt in eignen Gunas;
Er ist's, der allen den genannten Gründen,
Nebst Zeit und Seele, vorsteht als der Eine.

4. Den einen Radkranz, dreifach, sechzehnendig,

Mit fünfzig Speichen, zwanzig Gegenspeichen,
Sechs Achtheiten, die eine Schnur des Weltalls,
Dreipfadig, zweibedingten, einen Wahnes,

5. Den Fünfstrom, der fünfquellig schwillt, sich windet,

Mit fünf Hauchwellen, mit der fünf Sinne Urwurzel,
Mit Strudeln fünf, fünf Schmerz-Sturmwogen, fünfzig
Flußarmen und fünf Schnellen, den verstehn wir.

6. In diesem großen Brahmanrad, das alles

Beseelt, umschließt, ein Schwan schweift, doch nur weil er
Gesondert wähnt sich und des Rades Treiber: 
Von ihm begnadigt, wird er dann unsterblich.

7. Doch Lieder singen, dass im höchsten Brahman

Als ew'gem Grund enthalten jene Dreiheit.
Wer in ihr als den Kern das Brahman findet,
Aufgeht in ihm als Ziel, wird von Geburt frei.

8. Was wechselt und was bleibt, was offenbar und

Nichtoffenbar, Gott hegt es alles in sich;
Wer Gott nicht kennt, bleibt als Genießer gebunden.
Wer ihn erkannt, wird frei von allen Banden.

9. Zwei, Wisser, Nichtwisser, Gott, Nichtgott, sind ewig:

Der eine bleibt, objektverstrickt, Genießer,
Der andre, endlos, allseiend sitzt müßig,
Wenn er erkannt als Brahman hat jene Dreiheit!

10. Pradhānam fließt; nicht fließt, unsterblich, Hara,

Als Gott beherrschend Fließendes und Seele;
Ihn denkend, ihm ergeben, zu ihm werdend
Allmählich, wird zuletzt man frei von Māyā.

11. Wer Gott erkennt, wird frei von allen Banden,

Die Plagen schwinden, samt Geburt und Sterben;
Wer ihn verehrt (nur), wird drittens nach dem Tode
Gottherrlich, (dann) absolut und wunschvollendet.

12. Als ewig im Ātman ruhend wisset jene (Dreiheit),

Dann bleibt nichts Höheres mehr zu wissen übrig;
Genußobjekt, Genießer und Erreger,
Dies Dreifache heißt insgesamt das Brahman.

13. Wie Feuer, eingekehrt in seine Heimstatt,

Unsichtbar fortbesteht nach seinem Wesen,
Und aus der Reibholzheimstatt neu aufleuchtet,
So flammt's, in beiden gleich, im Leib durch Om auf.

14. Den Leib machend zum Reibholze,

Und den Om-Laut zum obern Holz,
Schaut man, nach fleiß'ger Denkquirlung,
Verstecktem Feuer gleich, den Gott.

15. Wie im Ölsamen Öl, in Milch die Butter,

In Strömen Wasser, im Reibholze Feuer,
So findet im eignen Selbste jenen (Ātman),
Wer ihn erschaut durch Wahrheit und Kasteiung,

16. Den alldurchdringenden Ātman,

Wie Butter in der Milch versteckt,
In Selbstkenntnis, Selbst-Zucht wurzelnd,
Das Endziel der Upanishad,
das Endziel der Upanishad.

Zweiter Adhyāya: Zweites Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Verstand und Sinn zur Wesenheit

Zuerst anschirrt Gott Savitar,
Der Agni, als Licht kundmachend,
Über die Erde führte hin.

2. Getrieben von Gott Savitar

Sind angeschirrten Geistes wir,
Zum Himmelsliede und zur Kraft.

3. Anschirrend Sinne und Verstand,

Andächtig himmelwärts zu ziehn
Und großes Licht zu schaffen uns,
Soll Savitar sie treiben an.

4. Nun schirren an die Andacht, schirren an den Geist,

Sie, die des großen, weisen Priesters Priester sind;
Die Opfer ordnet er, dem alle Ordnung kund;
Laut wird gepriesen rings im Kreis Gott Savitar.

5. Das alte Brahman (Gebet) bring' ich euch in Ehrfurcht;

Weit dringt der Ruf, wie Sonnen ihre Bahn ziehn;
Des Ew'gen Kinder alle ihn vernehmen,
Und die in Wohnungen des Himmels schalten.

6. Wo Agni aus dem Reibholze

Entspringt, wo Vāyu tritt hinzu,
Und wo auch Soma quillt reichlich,
Da entwickelt das Manas sich.

7. Durch Savitar, durch seinen Trieb

Freut des Gebets, des alten, euch;
Wenn dort ihr euren Stand nehmet,
Befleckt euch früh'res Werk nicht mehr.

8. Den Leib dreifach gerichtet, ebenmäßig,

Manas und Sinne im Herzen eingeschlossen,
So mag der Weise auf dem Brahmanschiffe
Die fürchterlichen Fluten überfahren.

9. Den Odem hemmend, die Bewegung zügelnd,

Bei Schwund des Hauchs ausatmend durch die Nase,
Wie jenen Wagen mit den schlechten Rossen,
So fesselt ohne Lässigkeit das Manas !

10. Rein sei der Ort und eben, von Geröll und Sand,

Von Feuer, von Geräusch und Wasserlachen frei;
Hier, wo den Geist nichts stört, das Auge nichts verletzt,
In windgeschützter Höhlung schicke man sich an.

11. Erscheinungen aus Nebel, Rauch und Sonnen,

Von Wind und Feuer, von Leuchtkäfern, Blitzen,
Von Bergkristall und Mondglanz, sind beim Yoga
In Brahman Offenbarung vorbereitend.

12. Aus Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther dann

Fünffach entwickelt sich die Yoga-Tugend;
Der weiß nichts mehr von Krankheit, Alter, Leiden,
Der einen Leib erlangt aus Yogafeuer.

13. Behendigkeit, Gesundheit, Unbegehren,

Ein klares Antlitz, Lieblichkeit der Stimme,
Schöner Geruch, der Ausscheidungen wenig, 
Darin betätigt sich zuerst der Yoga.

14. Gleichwie ein Spiegel, der mit Staub bedeckt war,

Wie Feuerschein erglänzt, wenn er gereinigt,
So wird nur, wer erkannt der Seele Wesen,
Des Ziels teilhaftig und befreit von Kummer.

15. Wem seiner Seele Wesen ward zur Fackel,

Im Yoga Brahmans Wesen zu erschauen,
Fest, ewig, rein von allen Daseinsformen, 
Wer so den Gott weiß, der wird frei von Banden.

16. Er ist der Gott in allen Weltenräumen,

Vormals geboren und im Mutterleibe;
Er ward geboren, wird geboren werden,
Ist in den Menschen und allgegenwärtig.

17. Der Gott, der im Feuer ist, im Wasser,

Der in die ganze Welt ist eingegangen,
Der in den Kräutern weilt und in den Bäumen,
Diesem Gotte sei Ehre! sei Ehre!

Dritter Adhyāya: Drittes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Der netzausbreitend herrscht mit Herrscherkräften,

Die ganze Welt beherrscht mit Herrscherkräften,
Einer bleibend beim Entstehen und Bestehen (der Welt),
Unsterblich werden, welche das verstehen!

2. Der eine Rudra , zu keinem zweiten stehn sie, 

Ist's, der die Welt beherrscht mit Herrscherkräften;
Er weilt in den Wesen, und wutentbrannt zur Endzeit
Zerschmettert er als Herr die Geschöpfe alle.

3. Allseitig Auge und allseitig Antlitz,

Allseitig Arme und allseitig Fuß,
Schweißt schaffend er mit Armen, schweißt mit Flügeln
Zusammen Erd' und Himmel, Gott, der Eine.

4. Er, der der Götter Ursprung und Hervorgang,

Der Herr des Alls, Rudra , der große Weise,
Er, der vormals Hiranyagarbha zeugte,
Der Gott begabe uns mit edler Einsicht.

5. In deiner gnäd'gen Form, Rudra,

Die nicht schrecklich, nicht unheilvoll,
In dieser, deiner Form, der heilbringendesten,
Lass uns, Bergwohner, dich erblicken.

6. Der Pfeil, den du, Bergfroher,

Zum Schleudern trägst in deiner Hand,
Den mach' uns gnädig, Berghüter;
Nicht schädige er Mensch und Tier.

7. Doch höher noch steht Brahman! Den höchsten, großen,

Der Leib für Leib versteckt in allen Wesen,
Den Einen, der das Weltall hält umschlossen, 
Wer den als Gott versteht, der wird unsterblich.

8. Ich kenne jenen Purusha, den großen,

Jenseits der Dunkelheit wie Sonnen leuchtend;
Nur wer ihn kennt, entrinnt dem Reich des Todes;
Nicht gibt es einen andern Weg zum Gehen.

9. Höher als der nichts andres ist vorhanden,

Nichts Kleineres und nichts Größeres, was auch immer,
Als Baum im Himmel wurzelnd steht der Eine,
Der Purusha, der diese ganze Welt füllt.

10. Was höher hoch als diese Welt,

Das ist gestaltlos, schmerzenlos,
Unsterblich werden, welche das verstehen,
Die andern gehen ein in lauter Leiden.

11. Mit Antlitz, Haupt und Hals allwärts,

Weilt er in aller Wesen Herz;
Er, der Heil'ge, durchdringt alles,
So wohnt er selig (shiva ) überall.

12. Groß, herrlich ist der Purusha,

Er regt an die Erkenntniskraft;
Zu jenem reinen Ort ist er
Herr des Zugangs, Licht, wandellos.

13. Der Purusha, zollhoch, als innre Seele

Ist stets zu finden in der Geschöpfe Herzen;
Nur wer an Herz und Sinn und Geist bereitet, 
Unsterblich werden, die ihn also kennen.

14. Der Purusha mit tausendfachen Häuptern,

Mit tausendfachen Augen, tausend Füßen
Bedeckt ringsum die Erde allerorten,
Zehn Finger hoch noch drüber hin zu fließen.

15. Nur Purusha ist diese ganze Welt,

Und was da war, und was zukünftig währt,
Herr ist er über die Unsterblichkeit, 
Diejenige, die sich durch Speise nährt.

16. Nach allwärts ist es Hand, Füße,

Nach allwärts Augen, Haupt und Mund,
Nach allen Seiten hin hörend,
Die Welt umfassend steht es da.

17. Durch aller Sinne Kraft scheinend

Und doch von allen Sinnen frei,
Als Gott und Herrn der Welt (ehrt ihn),
Als großen Hort des Weltenalls.

18. Der in der Stadt mit neun Toren

Als Schwan wohnend nach außen schweift,
Der ist der ganzen Welt Herrscher,
Alles dessen, was steht und geht.

19. Ohn' Hände greift er, ohne Füße läuft er,

Sieht ohne Augen und hört ohne Ohren,
Er weiß, was wissbar, aber ihn weiß niemand,
Er heißt der Erstlings-Purusha, der Große.

20. Des Kleinen Kleinstes und des Großen Größtes,

Wohnt er als Selbst im Herzen dem Geschöpf hier;
Den willensfreien schaut man, fern von Kummer,
Durch Gottes Gnade als den Herrn, als Größe.

21. Ich weiß ihn, jenen alterslosen Alten,

In allem, es durchdringend, gegenwärtig,
Als Selbst in allem, dem Entstehn absprechen
Die Brahmanwisser, das sie ewig nennen.

Vierter Adhyāya: Viertes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Er, der, selbst farblos, vielfach versehn mit Kräften,

Die vielen Farben verleiht zu bestimmten Zwecken.
Bis endlich das All zergeht in ihm, dem Anfang,
Der Gott begabe uns mit edler Einsicht.

2. Das ja ist Agni, Āditya,

Das ist Vāyu und Candramas,
Das ist das Reine, das Brahman,
Die Wasser und Prajāpati.

3. Du bist das Weib, du bist der Mann,

Das Mädchen und der Knabe,
Du wächst, geboren, allerwärts,
Du wankst als Greis am Stabe.

4. Schwarz bist als Vogel du, grün mit roten Augen,

Blitzschwanger als Wolke, Jahreszeiten, Meere,
Das Anfanglose bist du, das Allverbreitete,
Aus dem geworden sind die Wesen alle.

5. Die eine Ziege, rot und weiß und schwärzlich,

Wirft viele Junge, die ihr gleichgestaltet;
Der eine Bock in Liebesbrunst bespringt sie,
Der andre Bock verlässt sie, die genossen.

6. „Zwei schönbeflügelte, verbundene Freunde

Umarmen einen und denselben Baum;
Einer von ihnen speist die süße Beere,
Der andre schaut, nicht essend, nur herab.“

7. Zu solchem Baum der Geist, herabgesunken,

In seiner Ohnmacht grämt sich wahnbefangen;
Doch wenn er ehrt und schaut des andern Allmacht
Und Majestät, dann weicht von ihm sein Kummer.

8. „Des Hymnus Laut im höchsten Himmelsraume,

Auf dem gestützt die Götter alle thronen,
Wenn man den nicht kennt, wozu hilft der Hymnus dann? 
Wir, die ihn kennen, haben uns versammelt hier.“

9. Aus dem die Hymnen, Opfer, Werk, Gelübde,

Vergangnes, Künft'ges, Vedalehren stammen,
Der hat als Zauberer diese Welt geschaffen,
In der der andre ist verstrickt durch Blendwerk.

10. Als Blendwerk die Natur wisse,

Als den Zaub'rer den höchsten Gott;
Doch ist von seinen Teilstoffen
Durchdrungen diese ganze Welt.

11. Der jedem Mutterschoß als der Eine vorsteht,

In dem die Welt zergeht und sich entfaltet,
Wer den als Herrn, als Gott, reichspendend, preiswert
Erkennt, geht ein in jene Ruh für immer.

12. Er, der der Götter Ursprung und Hervorgang,

Der Herr des Alls, Rudra, der große Weise,
Der selbst entstehen sah Hiranyagarbha,
Der Gott begabe uns mit edler Einsicht.

13. Er, der der Götter Oberherr,

In dem die Welt gegründet ist,
„Zweifüßler hier beherrschend und Vierfüßler, 
Wer ist der Gott, dass wir ihm opfernd dienen?“

14. Wer ihn fein, überfein in dem Gemenge,

Als Weltenschöpfer vielfach sich gestaltend,
Den Einen, der das Weltall hält umschlossen,
Als Seligen (shiva) weiß, geht ein zur Ruh für immer.

15. Er in der Zeitlichkeit ist der Welt Behüter,

Der Herr des Alls, versteckt in allen Wesen;
In ihn vertieft sind Brahmanweise und Götter,
Wer ihn erkennt, zerreißt des Todes Stricke.

16. Feiner als Butter, überfein wie Sahne,

Weilt selig (shiva) er versteckt in allen Wesen.
Den Einen, der das Weltall hält umschlossen,
Wer den als Gott weiß, wird frei von allen Banden.

17. Ja, dieser Gott, allschaffend, hohen Sinnes,

Ist stets zu finden in der Geschöpfe Herzen;
Nur wer an Herz und Sinn und Geist bereitet, 
Unsterblich werden, die ihn also kennen.

18. Das Dunkel weicht; nun ist nicht Tag noch Nacht mehr,

Nicht seiend noch nichtseiend, selig (shiva) nur ist er:
Er ist der Om-Laut, „Savitars liebwertes Licht“,
Aus ihm erfloss das Wissen uranfänglich.

19. „Nicht in der Höhe, noch Breite,

Noch Mitte ist umspannbar er.
Nicht ist ein Ebenbild dessen,
Der da heißt: große Herrlichkeit.“

20. Nicht ist zu schauen die Gestalt desselben;

Nicht sieht ihn irgend wer mit seinem Auge;
Ihn, der im Herzen weilt, mit Herz und Sinnen, 
Unsterblich werden, die ihn also kennen.

21. Er ist der Ew'ge! so denkend

Mag man furchtsam ihm nahen wohl; 
O Rudra! mit deinem huldreichen Antlitz,
Mit dem schütz' mich allezeit!

22. „An Kindern und Nachkommen und am Leben auch,

An Rindern und an Rossen nicht verletze uns!
Erschlage nicht in deinem Grimm die Mannen uns,
Mit Opfern rufen wir dich auf der Stätte an.“

Fünfter Adhyāya: Fünftes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Zwei sind im ewig, endlos höchsten Brahman

Latent enthalten, Wissen und Nichtwissen;
Vergänglich ist Nichtwissen, ewig Wissen,
Doch der als Herr verhängt sie, ist der Andre.

2. Der jedem Mutterschoß als der Eine vorsteht,

Allen Gestalten, allen Ursprungsstätten,
Der mit jenem ersterzeugten, roten Weisen
Im Geist ging schwanger und ihn sah geboren,

3. Der Gott, der vielfach ein Netz nach dem andern

Im Raum ausbreitet hier und wieder einzieht,
Durch seine Helfer fortschaffend, hochsinnig,
Betätigt so als Herrscher seine Allmacht.

4. Wie alle Weiten, oben, unten, querdurch,

Erleuchtend, strahlt der Sonnenstier am Himmel,
So lenkt der Gott, der heilige, liebwerte,
Als einer alles Mutterschoßentsprungne.

5. Wenn seinem Wesen zureift aller Ursprung,

Was reifen soll, er macht es alles wachsen,
Er lenkt als einer alles hier und jedes,
Verteilend einzeln alle Sonderheiten.

6. Was im Veda-Geheimteil Upanishad-Geheimnis,

Gott Brahman kennt es als des Veda Urquell;
Die das erkannt, der Vorzeit Götter, Weise,
Zu ihm geworden, sind unsterblich worden.

7. Bestimmtheithaft, fruchtreicher Werke Täter

Und eben dessen, was er tat, Genießer,
So wandert er als Lebensherr allförmig,
Drei-Guna-haft, dreipfadig, je nach seinem Werk.

8. Zollhoch an Größe, sonnenähnlich leuchtend,

Mit Vorstellung und Ichheit ausgestattet,
Erscheint, kraft seiner Buddhi, seines Ātman,
Wie einer Ahle Spitze groß der Andre.

9. Spalt' hundertmal des Haares Spitze

Und nimm davon ein Hundertstel,
Das denk' als Größe der Seele,
Und sie wird zur Unendlichkeit.

10. Er ist nicht weiblich, nicht männlich,

Und doch ist er auch sächlich nicht;
Je nach dem Leib, den er wählte,
Steckt er in diesem und in dem.

11. Durch Wahn des Vorstellens, Berührens, Sehens,

Fährt er als Seele, seinem Werk entsprechend,
Durch Essens, Trinkens, Zeugens Selbsterschaffung,
Abwechselnd hier und dort in die Gestalten.

12. Als Seele wählt viel grobe und auch feine

Gestalt er, entsprechend seiner Tugend;
Und was ihn band, kraft seines Werks und Selbstes,
In diese, bindet wieder ihn in andre.

13. Wer ihn, anfanglos, endlos, in dem Gemenge

Als Weltenschöpfer vielfach sich gestaltend,
Den Einen, der das Weltall hält umschlossen,
Als Gott kennt, wird befreit von allen Banden.

14. Wer im Herzen den nestlosen (leiblosen),

Sein und Nichtsein bewirkenden,
Die (sechzehn) Teile bindenden
Sel'gen Gott sucht, verlässt den Leib.

Sechster Adhyāya: Sechstes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Die einen Lehrer reden von Natur uns,

Von Zeit die andern; sie gehen völlig irre:
Nein, es ist Gottes Allmacht, die im Weltall
Lässt jenes Brahmanrad im Kreis sich drehen.

2. Durch ihn regiert, der stets bedeckt das Weltall,

Als Geist, Zeitschöpfer, gunahaft, allwissend,
Entrollt dies Schöpfungswerk sich, das sich darstellt
Als Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther.

3. Was er erschuf, nimmt dann zurück er wieder,

Zur Einheit werdend mit des Wesens Wesen;
Um dann, mit einem, zweien, dreien, achten,
Mit Zeit und feinen Gunas, die er selbst sind,

4. Das gunahafte Werk neu zu beginnen,

Verteilend einzeln die Beschaffenheiten, 
Wo sie nicht sind, da wird das Werk zu nichte,
Hin geht er werklos, wesentlich ein andrer.

5. Anfang und Grund, bewirkend die Verbindung,

Drei-Zeit-erhaben, ohne Teile ist er.
Den allgestalt'gen Werdegrund, preiswürdig
Als Gott, der in uns wohnt, zuerst verehrend, 

6. Höher als Weltbaum, Zeit und alle Formen

Ist er, aus dem entspringt die Weltausbreitung, 
Und ihn, der Recht schafft, Bösem wehrt, Glück austeilt,
Den ew'gen Allbefasser in uns wissend,

7. So lasst uns ihn, der Herren höchsten Großherrn,

Die höchste Gottheit unter allen Göttern,
Als höchsten Fürst der Fürsten, jenseits thronend,
Als Gott auffinden, als preiswerten Weltherrn.

8. Nicht gibt es an ihm Wirkung noch Organe auch,

Nicht ist ihm einer gleich noch überlegen auch,
Sein höchstes Können wird gelehrt als mannigfach,
Des Wissens, Tuns Werk sind ihm eingeboren.

9. Kein Fürst ist über ihm in allen Welten

Und kein Gebieter, kein Kennzeichen trägt er;
Ursache ist er, Herr des Herrn der Sinne,
Ihn zeugte keiner, niemand ist sein Oberherr.

10. Der spinnegleich durch Fäden, die aus ihm als Stoff (pradhānam)

Entsprungen, sich verbarg nach seinem Sein, der Gott
Verleih' Eingang in Brahman uns.

11. Der eine Gott, verhüllt in allen Wesen,

Durchdringend alle, aller inn're Seele,
Des Werks Aufseher, alles Sein durchduftend,
Zuschauer, bloßer Geist und frei von Gunas,

12. Der eine Freie, der den einen Samen

Vielfach macht vieler von Natur Werkloser,
Wer den, als Weiser, in sich selbst sieht wohnen,
Der nur ist ewig selig, und kein andrer.

13. Der, als der Ew'ge den Nichtew'gen, Freude,

Als Geist den Geistern schafft, als Einer Vielen,
Wer dies Ursein durch Prüfung (sānkyam) und Hingebung (yoga)
Als Gott erkennt, wird frei von allen Banden.

14. Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht Mond noch Sternenglanz,

Noch jene Blitze, geschweige irdisch Feuer.
Ihm, der alleine glänzt, nachglänzt alles andre,
Die ganze Welt erglänzt von seinem Glanze.

15. Der eine Schwan in dieses Weltalls Mitte,

Als Feuer ging er ein in das Gewoge,
Nur wer ihn kennt, entrinnt dem Reich des Todes,
Nicht gibt es einen andern Weg zum Gehen.

16. Allmächtig und allweise, selbstentsprungen,

Als Geist, Zeitschöpfer, gunahaft, allwissend,
Des Urstoffs (pradhānam) Herr, der Einzelseele und Gunas,
Wirkt Stillstand, Wanderung er, Erlösung, Bindung.

17. Aus ihm besteht, unsterblich, in Gott ruhend,

Der Geist, der überall, des Weltalls Hüter,
Und ewig über diese Welt gebietet,
Nur dies verleiht ihm seiner Herrschaft Rechte.

18. Zu ihm, der den Gott Brahman schuf zu Anfang,

Und der ihm auch die Veden überliefert,
Dem Gott, der sich erkennen lässt aus Gnade,
Nehm' ich, Erlösung suchend, meine Zuflucht, 

19. Der teillos, wirkungslos, ruhig,

Ohne Tadel und fleckenlos,
Höchste Unsterblichkeitsbrücke,
Feuer gleich, wenn das Holz verbrannt.

20. Ja, wenn man sich erst wird wickeln

In den Luftraum wie in ein Kleid, 
Dann wird auch ohne Gottwissen
Des Leids Ende erreichbar sein.

21. Gestärkt durch Buße, mit dem Veda begnadigt,

Fand Brahman Shvetāshvatara und lehrt' es,
Als höchstes Heiligungsmittel gern genossen,
Dem Rishi-Kreis der Āshrama-Erhabnen.

22. Vor Zeiten ward im Vedānta

Höchstes Geheimnis ausgebracht;
Keinem gebt es, der nicht ruhig,
Der nicht Sohn oder auch Schüler ist.

23. Doch wer zuhöchst an Gott gläubig,

Wie an Gott an den Lehrer auch,
Dem, wenn er hohen Sinns, werden
Diese Lehren Erleuchtung sein,
diese Lehren Erleuchtung sein.


Swami Sivananda: Übersetzung und Erläuterung aller Verse Shvetashvatara Upanishad

Einleitung

Diese Upanishad enthält 113 Verse bzw. mantras, die in sechs Kapitel eingeteilt sind. Sie gehört zum Kṛṣṇa-Yajur-Veda. Obwohl sie nicht zu den zehn Haupt-Upanishaden gerechnet wird, wird sie doch als eine alte und wichtige Upanishad angesehen. Ihren Namen hat sie von dem Seher Śvetāśvatara, der die darin enthaltene Wahrheit seinen Schülern lehrte.

In dieser Upanishad wird Śiva (bzw. Rudra) als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer dieser Welt erklärt. Er ist die materielle und wirkende Ursache der Welt. Man spricht von Ihm als der höchsten Gottheit und Er wird mit dem höchsten brahman gleichgesetzt.

Das Wort śvetāśvatara bedeutet: jemand, der seine Sinne kontrolliert hat (śveta rein; aśva Sinne). Viele der mantras dieser Upanishad werden von den Kommentatoren des Brahma-Sūtra zitiert, um ihre Lehren zu unterstützen.

Die Śvetāśvatara-Upaniṣad stellt eine Mischung von Lehren des vedānta, sāṅ-khya und Yoga dar. Sie behandelt brahman, Īśvara, die individuelle Seele, das Universum und Freiheit. Sie erwähnt auch die Mittel der Befreiung für den jīva, der an das Rad der Wiedergeburt gekettet ist. Dabei erklärt sie den Prozess des Yoga, dessen Ziel, seine Mittel, Bedingungen, Zwischenstufen und das letztendliche Ergebnis. Yoga wird in seinen drei Formen behandelt: karma-yoga, bhakti-yoga und jñāna-yoga.

Anfangs-Mantra

oṃ, saha nāvavatu। saha nau bhunaktu।
saha vīryaṁ karavāvahai। tejasvi nāvadhītamastu।
mā vidviṣāvahai। oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥

Om. Möge Er uns beide beschützen (den Lehrer und den Schüler)! Möge Er uns beide die Glückseligkeit von mukti erfahren lassen! Mögen wir uns beide bemühen, die wahre Bedeutung der Schriften herauszufinden! Mögen unsere Studien Frucht bringen! Mögen wir niemals miteinander streiten! Om, Frieden! Frieden! Frieden!

Prathamo 'dhyāyaḥ: Erstes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Vers

hariḥ om। brahmavādino vadanti।
kiṃ kāraṇaṃ brahma kutaḥ sma jātā jīvāma kena kva ca saṃpratiṣṭhāḥ।
adhiṣṭhitāḥ kena sukhetareṣu vartāmahe brahmavido vyavasthām॥ 1.1॥

Hari om. Die brahman-Sucher sprechen untereinander: Was ist die Ursache? Ist es brahman? Woraus sind wir geboren? Durch wen leben wir? Wo bleiben wir am Ende? Durch wen gelenkt, erfahren wir Freude und Schmerz, o ihr Brahman-Kenner?

ERLÄUTERUNG: Brahmavādinaḥ – die brahman-Sucher; vadanti – sie sprechen miteinander; kim – was; kāraṇam – Ursache; kutaḥ – woher und warum; jātāḥ smaḥ – sind wir geboren; jīvāmaḥ – leben wir; kena – durch wen; kva – wo; ca – und; sampratiṣṭhāḥ – ruhen wir am Ende; adhiṣṭhitāḥ – gelenkt, regiert; kena – durch wen; sukhetareṣu – in Freude und Schmerz; vartāmahe – existieren wir; brahmavidaḥ – die Kenner des brahman; vyavasthām – Zustand, Lage. Kiṃ kāraṇaṃ brahma – Ist brahman die Ursache? Was ist die letzte Ursache dieser Welt? Ist es brahman? Was für eine Art von Ursache ist brahman? Ist es die materielle Ursache oder die Wirkungsursache – oder beides? Was ist die Quelle dieses Lebens? Gibt es einen, der dieses Leben unterstützt oder kontrolliert oder von innen regiert? Worauf ruhen wir zur Zeit der Zerstörung dieser Welt (pralaya)? Was wird aus der Seele nach dem Tod? Existiert die Seele nach dem Tod? Oder wird sie etwa völlig zerstört? Wird sie in brahman absorbiert? Gibt es einen höchsten Herrn, der die jīvas (individuellen Seelen) regiert?


2. Vers

kālaḥ svabhāvo niyatiryadṛcchā bhūtāni yoniḥ puruṣa iti cintyā।
saṃyoga eṣāṃ na tvātmabhāvādātmāpyanīśaḥ sukhaduḥkhahetoḥ॥ 1.2॥

Kann man die Zeit als die Ursache ansehen oder die innere Natur oder das Gesetz, d.h. die Notwendigkeit, oder den Zufall, oder aber die Elemente, die Materie oder den Mutterleib oder den Mann? Es ist keine Kombination all dieser, denn es gibt die Seele (ātman). Auch die (individuelle) Seele ist nicht frei, denn sie ist unter der Herrschaft von Vergnügen und Schmerz.

ERLÄUTERUNG: Kālaḥ – Zeit; svabhāvaḥ – die innewohnende Natur; niyatiḥ – Gesetz oder Notwendigkeit; yadṛcchā – Zufall; bhūtāni – Materie; yoniḥ – Mutterleib; puruṣaḥ – Mann (Selbst); eṣām – von diesen, aus diesen; saṃyogaḥ – Kombination; anīśaḥ – nicht selbst der Herr, nicht ihr eigener Herr. Hier wird eine mögliche Ursache nach der anderen in Betracht gezogen, und alle werden sie als unzulänglich verworfen.

Ist die Zeit Brahmā (als Ursache)? Nein. Die individuelle Seele ist nicht mächtig. Sie kann nicht der Urheber der Schöpfung sein. Sie ist impotent, insofern sie unter der Herrschaft von Vergnügen und Schmerz steht.

3. Vers

te dhyānayogānugatā apaśyandevātmaśaktiṃ svaguṇairnigūḍhām।
yaḥ kāraṇāni nikhilāni tāni kālātmayuktānyadhitiṣṭhatyekaḥ॥ 1-3॥

Diejenigen, welche Meditation praktizierten, sahen und erkannten als die Ursache der Schöpfung die Kraft Gottes (devātma-śaktim), die in Ihren eigenen Qualitäten (guṇas) verborgen ist und die allein über all diese Ursachen herrscht, angefangen von der Zeit bis hin zur individuellen Seele.

ERLÄUTERUNG: Te – sie; dhyāna-yogānugatāḥ – den Yoga der Meditation praktizierend; apaśyan – sie erkannten, sahen; devātma-śaktim – die Kraft Gottes; sva-guṇaiḥ – durch die guṇas; nigūḍhām – verborgen; yaḥ – die; nikhilāni – alle; tāni – jene; kāraṇāni – Ursachen; kālātma-yuktāni– angefangen mit der Zeit und endend mit der individuellen Seele; adhitiṣṭhati – regiert; ekaḥ – ohne ein Zweites.

Meditation führt zur Erkenntnis, zu Selbstverwirklichung.

Devātma-śaktim – dies ist die Kraft Gottes. Sie ist māyā. Ihre Qualitäten sind sattva (Reinheit, Tugendhaft), rajas (Aktivität, Leidenschaft) und tamas (Dunkelheit, Trägheit). Das Wort svaguṇa bezieht sich auf diese drei Qualitäten.

4. Vers tamekanemiṃ trivṛtaṃ ṣoḍaśāntaṃ śatārdhāraṃ viṃśatipratyarābhiḥ।

aṣṭakaiḥ ṣaḍbhirviśvarūpaikapāśaṃ trimārgabhedaṃ dvinimittaikamoham॥ 1.4॥

Wir verstehen Ihn als ein Rad mit einer Felge mit einem dreifachen Reifen, mit sechzehn Enden, fünfzig Speichen, zwanzig Gegenspeichen, mit sechs Gruppen von Achteln, welches ein Seil hat von vielfacher Form, welches drei verschiedene Wege hat und das eine Umdrehung hat für zwei Spuren.

ERLÄUTERUNG: Tam – Ihn; eka-nemim – mit einer Felge; trivṛtam – mit einem dreifachen Reifen; ṣoḍaśāntam – mit sechzehn Enden; śatārdhāram – mit fünfzig Speichen; viṃśatipratyarābhiḥ – mit zwanzig Gegenspeichen; aṣṭakaiḥ ṣaḍbhiḥ – mit sechs Gruppen von acht; visvarūpaikapāśam – mit einem Seil von vielfältiger Form; trimārgabhedam – mit drei verschiedenen Wegen; dvinimittaikamoham – mit jeder Umdrehung, welche die Ursache von zweien ist.

Hier meditiert man über Gott als das Rad dieses Universums. Der Umfang des Rades (nemim) repräsentiert die Natur, die unter verschiedenen Namen bekannt ist: unmanifester Äther, māyā, prakṛti, śakti, ajñāna etc. Dies ist die Ursache, von der die ganze Schöpfung abhängt.

Die drei Reifen stellen die drei Qualitäten sattva, rajas und tamas dar – oder aber Zeit, Raum und Kausalität.

Die sechzehn Enden repräsentieren die sechzehn Modifikationen (vikṛtis) der sāṅkhya-Philosophie, durch welche die Schöpfung vervollständigt wird. Dies sind die fünf Organe des Wissens, die fünf Organe der Handlung, der manas und die fünf groben Elemente (Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther). Nach einer anderen Erklärung sind die sechzehn Teile: virat, sūtrātman und die vierzehn Welten.

Fünfzig Speichen: Dies sind die fünf Klassen der Unwissenheit, nämlich tamas (Unklarheit), moha (Illusion), mahāmoha (extreme Illusion), timira (Dunkelheit) und andha-timira (extreme Finsternis); weiterhin die achtundzwanzig Unfähigkeiten, die neun tuṣṭis (Zufriedenheiten) und die acht siddhis (Vollkommenheiten), nämlich tāra, sutāra, tārayanti, pramoda, pramodita, pramodamāna, ramyaka und satpramodita.

Die zwanzig Gegenspeichen sind die zehn Sinne und ihre Objekte. Dies sind Keile aus Holz, welche die Speichen stärken sollen.

Die acht ...

1. -fache prakṛti (Erzeuger, Urmaterie) der sāṅkhya-Philosophie, nämlich die fünf Elemente, der manas, der Intellekt und das Ego.

2. dhātus (Bestandteile des Körpers), nämlich äußere Haut, innere Haut, Blut, Fleisch, Fett, Knochen, Knochenmark und Samen.

3. siddhis oder übermenschlichen Fähigkeiten, nämlich aṇiman (die Fähigkeit, sich klein zu machen), mahiman (die Fähigkeit, sich groß zu machen) etc.

4. bhāvas (geistigen Zustände), nämlich Tugend, Schlechtigkeit, Wissen, Unwissenheit, Leidenschaftslosigkeit, Anhaftung, übermenschliche Fähigkeit und Mangel an übermenschlicher Fähigkeit.

5. Gruppierungen übernatürlicher Wesen, nämlich Brahmā und Prajāpati sowie die devas, gandharvas, yakṣas, rākṣasas, pitṛs und piśācas.

6. Tugenden der Seele, nämlich Mitgefühl, Geduld, Freiheit von Neid, Reinheit, Freiheit von Trägheit (anāyāsa), glückliche Natur (maṅgala), Freiheit von Armut (akārpaṇya) und Wunschlosigkeit (niḥspṛha).

Die verschiedenen Pfade sind Tugend (dharma), Laster (adharma) und Wissen (jñāna).

Das Seil ist Wünschen. Es ist sehr vielfältig.

Moha bedeutet wörtlich „Täuschung“. Hier bezieht es sich auf die Umdrehung des Rades. Diese Umdrehung ist die Ursache von zweierlei: Tugend und Sünde bzw. Glück und Elend.

5. Vers

pañcasroto'mbuṃ pañcayonyugravakrāṃ
pañcaprāṇormiṃ pañcabuddhyādimūlām।
pañcāvartāṃ pañcaduḥkhaughavegāṃ
pañcāśadbhedāṃ pañcaparvāmadhīmaḥ॥ 1.5॥

Wir verstehen Ihn als einen Fluss aus fünf Strömen, von fünf Quellen, ungestüm und gewunden, dessen Wellen die fünf prāṇas sind, dessen ursprüngliche Quelle die fünffache Wahrnehmung ist (der manas), der fünf Strudel hat, der vorangetrieben ist durch die Geschwindigkeit des fünffachen Schmerzes, der aufgeteilt ist durch die fünf Arten des Elends und der fünf Windungen oder Flussarme hat.

ERLÄUTERUNG: Pañca-sroto'mbum – der die Wasser von fünf Strömen hat; pañca-yonyugravakrām – der fünf Quellen hat, ungestüm und gewunden; pañca-prā-ṇormim – dessen Wellen die fünf prāṇas sind; pañca-buddhyādimūlām – dessen ursprüngliche Quelle die fünffache Wahrnehmung, der manas, ist; pañcā-vartām – der fünf Strudel hat; pañca-duḥkhaughavegām – der vorangetrieben ist durch die Geschwindigkeit der fünf Arten von Schmerz, pañcāśad-bhedāṁ – der fünfzig Aspekte hat. Śaṅkara liest: Pañca-kleśa bhedām („Der geteilt ist in die fünf Arten des Elends“). Pañca-parvām – der fünf Flussarme hat; adhīmaḥ – wir denken bzw. verstehen.

Die fünf (pañcā) ...

• Sinne stellen die fünf Ströme dar.

• Elemente sind die fünf Quellen.

• prāṇas werden durch die fünf Wellen repräsentiert.

• Objekte der Sinne – śabda (Klang, Ton), sparśa (Gefühl, Berühren), rūpa (Farbe, Form), rasa (Geschmack) und gandha (Geruch) – werden Strudel genannt, denn die individuelle Seele ertrinkt darin.

• Arten von Leiden und Schmerz sind: Schmerz (durch die Existenz im Mut- terleib), Geburt, Alter, Krankheit und Tod.

Dieses Universum hängt völlig vom manas (Denken, Verstand, Fühlen etc.) ab. Wenn der manas da ist, ist auch das Universum da; wenn es keinen manas gibt, gibt es kein Universum. In nirvikalpa-samādhi (dem überbewussten Zustand) löst sich der manas und damit auch das Universum auf. Genau wie das Wasser eines Flusses aus dem Ozean kommt und zurückgeht zum Ozean, so ist auch diese Welt aus brahman hervorgegangen und wird wieder in brahman absorbiert.

6. Vers sarvājīve sarvasaṃsthe bṛhante asminhaṃso bhrāmyate brahmacakre।

pṛthagātmānaṃ preritāraṃ ca matvā juṣṭastatastenāmṛtatvameti॥ 1.6॥

In diesem unendlichen Rad des brahman, in dem alles lebt und ruht, wird die wandernde Seele herumgewirbelt, wenn sie denkt, dass sie und der höchste Lenker getrennt sind. Sie erlangt Unsterblichkeit, wenn sie von Ihm gesegnet wird.

ERLÄUTERUNG: Sarvājīve – in dem alles lebt; sarva-saṃsthe – in dem alles ruht; brahma-cakre – in dem Rad des brahman; haṃsaḥ – die wandernde Seele, die sich immer wieder verkörpernde Seele; bhrāmyate – wird herumgewirbelt; amṛtatvam – Unsterblichkeit; eti – erlangt.

Haṃsaḥ – der jīva wird haṃsa genannt (Pilger, Wanderer), weil er entlang des Pfades des saṃsāra wandert. Haṃsaḥ bedeutet wörtlich „Schwan“ [genauer „Wildgans“,]. Der Mensch nimmt viele Geburten an, wandert durch viele Mutterleiber und entwickelt sich langsam und allmählich durch die verschiedenen Erfahrungen. Am Ende wird er eins mit brahman. Dies wird mit einer Pilgerreise verglichen. Wenn der jīva erkennt, dass er eins ist mit brahman (dem höchsten Sein), dann erlangt er Unsterblichkeit.

Brahma-cakre – das Rad brahmans ist diese Welt.

Nur durch die Gnade Gottes erhält man die vier Mittel der Befreiung, bekommt einen Geschmack des vedānta und verwirklicht schließlich seine Identität mit dem höchsten Selbst.

7. Vers

udgītametatparamaṃ tu brahma tasmiṃstrayaṃ supratiṣṭhā'kṣaraṃ ca।
atrāntaraṃ brahmavido viditvā līnā brahmaṇi tatparā yonimuktāḥ॥ 7॥

Dies wird wahrlich als das höchste brahman erklärt. Darin ist die Dreiheit. Es ist die feste Stütze. Es ist unzerstörbar. Wenn sie erkennen, was darin enthalten ist, geben sich die Kenner des brahman dem brahman hin und werden von der Wiedergeburt (Reinkarnation) befreit.

ERLÄUTERUNG: Su-pratiṣṭhā – feste Stütze, fester Grund; akṣaram – unzerstörbar; brahmavidaḥ – die Kenner des brahman; tatparāḥ – Ihm hingegeben, auf Es ausgerichtet; yoni-muktāḥ – befreit vom Mutterleib, d.h. von der Wiedergeburt; etat – dies, d.i. das absolute brahman, ohne Qualitäten; trayam – die Dreiheit, das ist die Welt, die individuelle Seele und die kosmische Seele. Vielleicht ist aber auch Wachen, Schlafen und Träumen gemeint. Die Kenner des brahman heben die begrenzenden Attribute – physische Hülle, Energie-Hülle etc. – auf durch vicāra, d.i. Selbsterforschung, und durch die neti-neti-Lehre („Nicht dies!“, „Nicht dies!“) und sie extrahieren die innere Essenz, d.i. brahman. Sie verschmelzen mit der Essenz. Su-pratiṣṭhā – brahman ist die feste Stütze, die feste Grundlage; Es ist das Substratum dieser Welt; die ganze Welt ruht in Ihm; Es allein bleibt nach dem kosmischen pralaya, der vollständigen Auflösung. Yoni-muktāḥ – sie sind von der Wiedergeburt befreit; sie sind frei von allem Übel, das mit Geburt, Alter und Tod verbunden ist.

8. Vers

saṃyuktametatkṣaramakṣaraṃ ca vyaktāvyaktaṃ bharate viśvamīśaḥ।
anīśaścātmā badhyate bhoktṛbhāvājjñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ॥ 1.8॥

Gott hält dieses Universum aufrecht, das aus der Verbindung des Vergänglichen und des Unvergänglichen besteht, des Manifesten und des Unmanifesten. Solange die Seele nicht Gott erkannt hat, ist sie den Sinnesfreuden verhaftet. Sie wird zum Genießenden und ist gebunden. Wenn sie Gott erkennt, wird sie frei von allen Fesseln.

ERLÄUTERUNG: saṃyuktam – verbunden; kṣaram – vergänglich; akṣaram – unvergänglich; vyaktāvyaktam – manifest und unmanifest; viśvam – das Universum; īśaḥ – Gott; bharate – stützt, unterstützt, erhält; anīśaḥ – ohne den Herrn; bhoktṛ-bhāvāt – weil sie der Genießende ist; badhyate – ist gebunden; sarvapāśaiḥ – von allen Fesseln; mucyate – ist befreit. Der unwissende jīva identifiziert sich ist dem Körper und den Sinnen und entwickelt die Einstellung, dass er der Erfahrende und der Handelnde ist (kartā bhoktā). Dies ist der Grund der Unfreiheit. Vyakta ist das manifeste Universum. Avyakta ist die unmanifeste mūla-prakṛti (Urmaterie), welche den Samen des manifesten Universums enthält.


9. Vers

jñājñau dvāvajāvīśānīśāvajā hyekā bhoktṛbhogyārthayuktā।
anantaścātmā viśvarūpo hyakartā trayaṃ yadā vindate brahmametat॥ 1.9॥

Der wissende Gott und die unwissende Einzelseele, der Allmächtige und die Machtlose – beide sind sie ungeboren. Auch die Natur (prakṛti), die verbunden ist mit dem Erfahrenden und dem Erfahrenen, ist ungeboren. Wenn diese drei als brahman erkannt werden, wird das Selbst unendlich, universal und nichttätig (frei von der Idee von Handlung und Handelndem).

ERLÄUTERUNG: jñājñau – der Wissende (Gott) und die unwissende Seele; īśānīśauḥ – der Allmächtige und die Machtlose; ajau – sind ungeboren; bhoktṛbhogyārtha-yuktā – verbunden mit dem Erfahrenden und den Objekten der Erfahrung; anantaḥ – unendlich; akartā – nichtaktiv; bhavati – wird. Auch māyā ist ungeboren (ajā). Sie bringt alles hervor. Sie ist die inhärente Kraft der höchsten Seele. Die tripuṭī (Dreiheit) von Erfahrendem, Erfahrung und Objekt der Erfahrung, ist nur ihre Modifikation. Insofern Gott mit der Illusionskraft der māyā versehen ist, erscheint Er als Besitzer dieser Unterschiede.

Der ātman ist immer das Subjekt, der Zeuge. Er ist immer unabhängig. Das Objekt ist immer abhängig von dem wahrnehmenden Subjekt. Im nirvikalpa-samādhi (überbewussten Zustand) verschwindet die tripuṭī. Subjekt und Objekt werden eins. Die tripūti verschmilzt in brahman. Wegen ihrer Unwissenheit denkt die individuelle Seele, dass sie der Täter und der Erfahrende sei. Das ist die Ursache der menschlichen Misere. Wenn die Seele ihre Einheit mit der höchsten Seele realisiert, verschwindet die Idee, dass sie der Handelnde sei. Sie erkennt ihre eigene Unendlichkeit, Universalität und absolute Freiheit.


10. Vers

kṣaraṃ pradhānamamṛtākṣaraṃ haraḥ kṣarātmānāvīśate deva ekaḥ।
tasyābhidhyānādyojanāttattvabhāvāt bhūyaścānte viśvamāyānivṛttiḥ॥ 1.10॥

Materie ist vergänglich, aber Gott (Hara) ist unsterblich und unvergänglich. Er, der einzige Gott, herrscht über die vergängliche Materie und die individuellen Seelen. Durch Meditation über Ihn, durch Verbindung mit Ihm und indem man eins mit Ihm wird, erreicht man schließlich das Ende aller Illusion.

ERLÄUTERUNG: Pradhānam – Materie, kṣaram – vergänglich; haraḥ – Gott; amṛta-akṣaram – unsterblich und unvergänglich; īśate – regiert; yojanāt – durch Verbindung, Vereinigung; tattvabhāvāt – dadurch, dass man eins mit Ihm wird; viśvamāyānivṛttiḥ – das Aufhören aller Illusion. Haraḥ – der Zerstörer. Gott wird „Hara“ genannt, weil er alle Unwissenheit der individuellen Seelen zerstört.

Pradhāna (bzw. mūla-prakṛti) ist selbst nicht vergänglich. Es ist ohne Anfang (anādi) und ungeboren (aja, siehe 1.9). Sie wird hier vergänglich genannt, um den Unterschied zwischen Gott und der Natur aufzuzeigen. Die ganze Natur verschwindet für den Weisen, der Befreiung erlangt hat. Aus dem Grund wird die Natur als vergänglich bezeichnet.

Konzentration mündet in Meditation; Meditation führt zu samādhi. Der Sucher erreicht zunächst die Vereinigung mit Gott – das ist savikalpa-samādhi. Dann verschmilzt er mit Ihm. Er geht in sein Sein ein. Das ist nirvikalpa-samādhi.

In der Bhagavad-Gītā (11.54) lesen wir: jñātum draṣṭuṃ ca tattvena praveṣṭuṃ ca paraṃtapa („Erkannt, gesehen und vollkommen vereint.“). In savikalpa-samādhi gibt es noch einen geringen Unterschied zwischen dem Meditierenden und dem Gegenstand der Meditation. Da ist noch tripūti, die Dreiheit. In nirvikalpa-samādhi geschieht tripūti-laya, d.h. die tripuṭī verschwindet völlig. Da ist nicht mehr die geringste Unterscheidung, denn der Meditierende verwirklicht seine Identität mit dhyeya, dem Gegenstand der Meditation. Dhyāta (Meditierende), dhyāna (Meditation) und dhyeya (Meditationsobjekt) werden eins. Die Meditation endet hier.


11. Vers jñātvā devaṃ sarvapāśāpahāniḥ kṣīṇaiḥ kleśairjanmamṛtyuprahāṇiḥ।

tasyābhidhyānāttṛtīyaṃ dehabhede viśvaiśvaryaṃ kevala āptakāmaḥ॥ 1.11॥

Durch das Wissen um Gott werden alle Fesseln (der Unwissenheit) durchschnitten; Geburt und Tod gibt es nicht mehr und damit endet alles Leiden. Durch Meditation über Ihn erreicht man den dritten Zustand, nämlich Herrschaft über das Universum, wenn der Körper vergeht. Alle Wünsche sind befriedigt und man wird eins ohne ein Zweites (kevala).

ERLÄUTERUNG: Sarva-pāśāpahāniḥ – das Zerstören aller Fesseln; āpta-kāmaḥ – jemand, dessen Wünsche erfüllt sind; viśvaiśvaryam – Herrschaft über das Universum.

Wenn der Meditierende mit Gott verschmilzt, wird er eins ohne ein Zweites. Dieser Zustand wird kaivalya genannt. Wie könnte da noch ein Wunsch zurückbleiben, wenn er ein āpta-kāma wird, eins mit Gott wird und alles Weltliche überwunden hat? Alle göttlichen Herrlichkeiten liegen ihm zu Füßen und so sind all seine Wünsche befriedigt. Er ist nicht mehr im Stande, weltliche Vergnügungen oder Dinge zu begehren. Kleśa – Leiden (durch Unwissenheit und dessen Auswirkungen). Es gibt fünf Arten von kleśa: avidyā (Unwissenheit), asmitā (Egoismus), rāga (Mögen), dveṣa (Abneigung) und abhiniveśa (Anhaften am weltlichen Leben).

12. Vers

etajjñeyaṃ nityamevātmasaṃsthaṃ nātaḥ paraṃ veditavyaṃ hi kiñcit।
bhoktā bhogyaṃ preritāraṃ ca matvā sarvaṃ proktaṃ trividhaṃ brahma-metat॥ 1.12॥

Das gilt es zu erkennen als ewig im eigenen Selbst existierend. Wahrlich: Nichts Höheres als Das gibt es zu wissen. Wenn man den Erfahrenden, das Objekt der Erfahrung und den Waltenden oder höchsten Regenten erkennt, ist alles gesagt worden. Das ist das dreifache brahman.

ERLÄUTERUNG: Ātmasaṃstham – im eigenen Selbst existierend; jñeyam – zu wissen; veditavyam – zu wissen; bhoktā – der Erfahrende, der Genießende; bhogyam – das Erfahrene, das Genossene; proktam – ist erklärt in den Veden.

Wenn man diese drei – den Erfahrenden (die individuelle Seele), das Erfahrene und den Waltenden/Zuteilenden bzw. den höchsten Regenten – als brahman erkennt, erlangt man endgültige Befreiung.

Die individuelle Seele ist in ihrer Essenz das ewige brahman. Aufgrund von avidyā, Unwissenheit, ist sie sich ihrer eigenen Essenz nicht bewusst. Sie identifiziert sich mit dem physischen Körper und vergisst so ihre eigene göttliche Natur. Brahman, das Ewige, existiert schon vor der Erleuchtung im eigenen Selbst. Es leuchtet von Ewigkeit her in der Kammer des eigenen Herzens. Selbstverwirklichung, Erleuchtung, bedeutet nicht, dass man etwas Neues erlangt. Es bedeutet nur, dass man die eigene Natur erkennt, indem man die Schleier zerreißt, die Unwissenheit vernichtet und die drei Knoten (hṛdaya-granthis) zerschneidet, nämlich avidyā (Unwisssenheit), kāma (Wunsch) und karma (Handlung).

Indem man brahman erkennt, erkennt man alles andere. Das Wissen um das Selbst ist das Höchste. Nichts darüber hinaus muss gewusst werden. Brahman ist die zugrundeliegende Existenz von allem. So wie man alles, was aus Lehm gemacht ist, erkennt, wenn man den Lehm kennt, so hat man das Wissen von allem, wenn man brahman kennt. Deswegen fragte Śaunaka den Aṅgiras: kasmin bhagavo vijñāte sarvam idaṃ vijñātaṃ bhavati („Was ist Das, durch dessen Kenntnis alles andere gewusst wird?“). (Muṇḍaka-Upaniṣad, 1.3)

Ein Kenner des brahman kann auf jede Frage eine Antwort geben, selbst wenn er die spezielle Wissenschaft nicht studiert hat, denn er hat die Quelle allen Wissens angezapft.

13. Vers

vahneryathā yonigatasya mūrtir na dṛśyate naiva ca liṅganāśaḥ।
sa bhūya evendhanayonigṛhyastadvobhayaṃ vai praṇavena dehe॥ 1.13॥

13. So wie das Feuer nicht wahrgenommen wird, wenn es in seiner Ursache, dem Holz, verborgen ist, und so wie seine subtile Form niemals zerstört wird – was sich zeigt, wenn das Holz, seine Ursache, gerieben wird –, so wird auch der ātman im Körper wahrgenommen, wenn man über die heilige Silbe om meditiert.

ERLÄUTERUNG: Vahneḥ – Feuer; mūrtiḥ – die Form; liṅganāśaḥ – Zerstörung der subtilen Form.

Om ist ein Symbol für brahman. Wenn man mit Hingabe/Gefühl (bhava) über om und seine Bedeutung meditiert, erreicht man Selbstverwirklichung. Man nimmt den ātman in der Kammer seines Herzens wahr.

taj-japaḥ tad-artha-bhāvanam

„Ständige Wiederholung von om mit Gefühl und Bewusstsein seiner Bedeutung (führt zu samādhi).“ (Patañjali: Yoga-Sūtra, 1.28)

Die Meditation entspricht dem Reiben des Feuerholzes.

14. Vers svadehamaraṇiṃ kṛtvā praṇavaṃ cottarāraṇim।

dhyānanirmathanābhyāsāddevaṃ paśyennigūḍhavat॥ 14॥

Indem man den eigenen Körper zum unteren Holzscheit macht und die Silbe om zum oberen Holzscheit, und indem man die Reibung der Meditation praktiziert, wird man Gott, der gewissermaßen verborgen ist, verwirklichen.

ERLÄUTERUNG: Svadeham – den eigenen Körper; araṇim – den unteren Holzscheit; praṇavam – die Silbe om; uttarāraṇim – das obere Holzstück; dhyāna-nirma-thanābhyāsāt – durch Reiben in der Form von Meditation; devam – Gott; paśyet – man soll sehen; niguḍhavat – wie etwas, das verborgen ist. So wie das Feuer sichtbar wird, wenn man die Hölzer aneinander reibt, so wird Gott sichtbar, wenn man auf om meditiert.

15. Vers

tileṣu tailaṃ dadhinīva sarpirāpaḥ srotaḥsvaraṇīṣu cāgniḥ।
evamātmātmani gṛhyate'sau satyenainaṃ tapasā yo'nupaśyati॥ 1.15॥

So, wie das Öl im Sesamsamen, die Butter in der Dickmilch, das Wasser im Flussbett und das Feuer im Feuerholz, wird der ātman im eigenen Selbst gesehen von einem Menschen, der Ihn durch Wahrhaftigkeit und Askese erblickt (durch Kontrolle der Sinne und des Geistes).

ERLÄUTERUNG: Tileṣu – in den Sesamsamen; tailam – Öl; dadhini – in der Dickmilch, im Yoghurt; sarpiḥ – Butter; srotaḥsu – in den Flussbetten; ātmani – im Selbst (Intellekt, buddhi). Das Bild soll zeigen, dass der ātman alldurchdringend ist und verborgen in allen Wesen.

16. Vers

sarvavyāpinamātmānaṃ kṣīre sarpirivārpitam।
ātmavidyātapomūlaṃ tadbrahmopaniṣat param tadbrahmopaniṣat param iti॥ 1.16॥

Der ātman, der alle Dinge durchdringt, wie die Butter die Milch, gründet in Selbsterkenntnis und Askese. Dies ist die geheime Lehre (upaniṣad) hinsichtlich brahman.

ERLÄUTERUNG: Ātmavidyā-tapomūlam – hat seine Wurzel in Selbsterkenntnis und Askese.

HIER ENDET DAS ERSTE KAPITEL DER ŚVETĀŚVATARA-UPANIṢAD.

Dvitīyo 'dhyāyaḥ: Zweites Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Vers

yuñjānaḥ prathamaṃ manastattvāya savitā dhiyaḥ।
agnerjyotirnicāyya pṛthivyā adhyābharat॥ 2.1॥

Möge Savitṛ, nachdem er zuerst den Geist und die Sinne (auf brahman) konzentriert hat, um die Wahrheit zu erkennen, das leuchtende Feuer, das er gesehen hat, aus der Erde hervorbringen!

ERLÄUTERUNG: Prathamam – zuerst; manaḥ – Geist, Verstand, Denkorgan etc.; dhiyaḥ – die Sinne; tattvāya – um die Wahrheit zu verwirklichen; yuñjānaḥ – konzentrierend; agnerjyotiḥ – das erleuchtende Feuer der Weisheit. Das ist brahma-jñāna, Wissen um das Selbst, welches die Dunkelheit der Unwissenheit zerstört, das karma verbrennt und der Seele Erleuchtung bringt, indem es sie die Einheit mit der höchsten Seele erfahren lässt. Pṛthivīḥ – Erde, Materie im Allgemeinen. In diesem Kapitel werden die Mittel beschrieben, Konzentration auf brahman zu entwickeln. Die ersten vier Verse enthalten einen Lobpreis auf Savitṛ (Gottheit der Sonne), um Konzentration zu erlangen. Sie sind dem saṃhitā-Abschnitt des weißen Yajur-Veda entnommen. Der Wahrheitssucher ruft sehr eindringlich Savitṛ an und bittet um Inspiration und Selbstkontrolle. Er sollte zunächst seinen Geist reinigen – durch selbstlosen Dienst (niṣkāma-karma-yoga), mantra-Wiederholung (japa), gemeinsames Singen spiritueller Lieder (kīrtana), sattviges Essen, Dienst am spirituellen Lehrer (guru) und an den Armen. Nur dann wird er in der Lage sein, die Wirkung von Konzentration zu erfahren. Die Sinne sollten kontrolliert werden. Sie sollten von ihren Objekten abgezogen werden. Man kann keine wahre Konzentration erfahren, wenn die Sinne nicht kontrolliert sind. Disziplinierung der Sinne ist die erste spirituelle Praxis.


2. Vers

yuktena manasā vayaṃ devasya savituḥ save।
suvargeyāya śaktyā॥ 2.2॥

Durch die Gnade des göttlichen Savitṛ, lass uns, eifrig und mit konzentriertem Geist, nach der höchsten Glückseligkeit streben!

ERLÄUTERUNG: Yuktena manasā – mit konzentriertem manas (Geist); vayam – wir; śaktyā – eifrig, kräftig; suvargeyāya – nach der höchsten Glückseligkeit; suvarga steht hier für die höchste Glückseligkeit des brahman). Stetiges und eifriges sādhana bzw. abhyāsa ist notwendig, wenn man Selbstverwirklichung erlangen will. Regelmäßigkeit ist von höchster Wichtigkeit. Puruṣārtha ist essenziell. Gott hilft denen, die sich selbst helfen.

Asaṃśayaṃ mahābāho mano dur-nigrahaṃ calam
abhyāsena tu kaunteya vairāgyeṇa ca gṛhyate

„Zweifellos, o mächtig Bewaffneter (Arjuna), der Geist ist schwer zu beherrschen und ruhelos; aber durch Übung und Leidenschaftslosigkeit kann er bezähmt werden.“ (Bhagavad-Gītā, 6.35)

Abhyāsa-vairāgyābhyāṁ tan-nirodhaḥ

„Er [der Geist] kann durch ununterbrochene Übung und Leidenschaftslosigkeit kontrolliert werden.“ (Patañjali: Yoga-Sūtra, 1.12)


3. Vers

yuktvāya manasā devānsuvaryato dhiyā divam।
bṛhajjyotiḥ kariṣyataḥ savitā prasuvāti tān॥ 2.3॥

Nachdem sie die Sinne, den manas und den Intellekt kontrolliert haben – wodurch der Himmel erreicht wird –, möge Savitṛ bewirken, dass sie das höchste göttliche Licht verwirklichen.

ERLÄUTERUNG: Yuktvāya – kontrolliert habend; manasā – mithilfe des Geistes; devān – die Sinne; suvar-yataḥ – den Himmel anstrebend; dhiyā – mithilfe des Intellekts; bṛhajjyotiḥ – das unendliche Licht; tān – sie. Die Sinne haben eine natürliche Tendenz in Richtung auf ihre äußeren Objekte. Der sādhaka sollte diese nach außen gehende Tendenz zügeln – durch die Übung von dama (Selbstbeherrschung) und pratyāhāra (Zurückziehen [der Sinne]). Er sollte den Sinnen nicht erlauben, in Kontakt mit ihren Gegenständen zu kommen. Er sollte die Sinne vom manas abkoppeln, indem er den manas ständig über die Form Gottes nachdenken lässt bzw. über die Qualitäten des brahman. Dies ist in der Tat eine herausfordernde Praxis, aber die Frucht davon sind immerwährender Friede und Unsterblichkeit. Deswegen musst du sie unter allen Umständen üben. Suvar (Himmel) bedeutet hier „Sinnesfreuden“, durch den Genuss äußerer Objekte. Du wirst die Sinne mithilfe eines reinen Geistes und Intellekts kontrollieren und den Geist mit japa, vairāgya etc. reinigen müssen. Die Sinne wirken mithilfe des Geistes (manas). Wenn dieser gereinigt ist, kommen die Sinne unter Kontrolle.


4. Vers

yuñjate mana uta yuñjate dhiyo viprā viprasya bṛhato vipaścitaḥ।
vi hotrā dadhe vayunāvideka inmahī devasya savituḥ pariṣṭutiḥ॥ 2.4॥

Groß ist die Herrlichkeit von Savitṛ, der alldurchdringend, unendlich und allwissend ist, der allein die Regeln kennt und der die Opferriten der Brahmanen festgelegt hat. Die Weisen kontrollieren ihren Geist und ihren Intellekt und üben Meditation.

ERLÄUTERUNG: Yuñjate – sie kontrollieren; manaḥ – der Geist (manas); dhīyaḥ – der Intellekt; viprāḥ – die Weisen; viprasya – alldurchdringend; vipaścitaḥ – all-wissend; pariṣṭutiḥ – Herrlichkeit; mahī – groß. Die vṛttis (Gedankenwellen des Geistes), sollten kontrolliert werden. Nur dann kann man das innere Selbst – das stets in sich ruht – verwirklichen. So wie der Meeresboden bei starker Wellengang nicht erkennbar ist, erkennt man auch bei aufgewühlten Gedanken den ātman nicht.

yogaś-citta-vṛtti-nirodhaḥ

„Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist.“ (Patañjali: Yoga-Sūtra, 1.2)

Sobald die vṛttis unter Kontrolle sind, ruht der yogī im saccidānanda-svarūpa (glückseligen reinen Selbst).


5. Vers

yuje vāṃ brahma pūrvyaṃ namobhir vi śloka etu pathyeva sūreḥ।
śṛṇvantu viśve amṛtasya putrā ā ye dhāmāni divyāni tasthuḥ॥ 2.5॥

Ich verehre euer uraltes brahman mit Hingabe. Meine Verse schreiten dahin wie die Sonnen in ihrem Lauf. Mögen die Söhne der Unsterblichkeit zuhören, auch die, die himmlische Regionen bewohnen.

ERLÄUTERUNG: Pūrvyam – den offen sichtbaren; amṛtasya – der Unsterblichkeit; putrāḥ – die Söhne; divyāni – Regionen; tasthuḥ – die bewohnen. Ein ṛṣi (Seher), der Selbstverwirklichung erlangt hat, ermutigt andere, auch nach diesem höchsten Zustand zu streben – selbst jene, die in himmlischen Bereichen wohnen. Selbst Halbgötter [Wesenheiten aus anderen Dimensionen] genießen nicht dieselbe Glückseligkeit, wie die eines Selbstverwirklichten. Alle Wesen sind Nachkommen des unsterblichen brahman, denn sie sind aus brahman hervorgegangen. Sie sind die Kinder des Nektars. Brahman ist die Quelle von allem.


6. Vers

agniryatrābhimathyate vāyuryatrādhirudhyate।
somo yatrātiricyate tatra sañjāyate manaḥ॥ 2.6॥

Wo das Feuer entzündet wird, wo die Luft kontrolliert wird, wo der soma-Saft überfließt, dort wird der Geist (manas) geboren.

ERLÄUTERUNG: Agniḥ – Feuer; yatra – wo; abhimathyate – wird entzündet; vāyuḥ – Luft; yatra – wo; adhirudhyate – kontrolliert wird; somaḥ – der soma-Saft (Getränk mit berauschender Wirkung); atiricyate – überfließt; tatra – dort; manaḥ – der Geist (manas); sañjāyate – wird geboren. Nachdem das Feuer beim soma-Opfer entzündet und angefacht worden ist, trinken die Poeten den soma-Saft und werden dadurch inspiriert. Sie schaffen neue Gesänge aus dieser Inspiration heraus. Wenn das Feuer, d.h. das höchste Selbst (das Wissen um brahman), das alle Unwissenheit verbrennt, entzündet worden ist, indem der Körper mit der heiligen Schwingung om massiert worden ist, und wenn die die anāhata-Klänge (innere Töne die nur für den Meditierenden hörbar sind) durch prāṇāyāma erweckt worden sind, dann erlangt man die Selbstverwirklichung, d.h. brahman. Der Suchende beginnt mit dem Opfer, praktiziert dann Yoga und erreicht schließlich nirvikalpa-samādhi, vollkommenes Wissen und ewige Glückseligkeit. Feuer steht für das Wissen um das Selbst. Dieses höchste Wissen wird erweckt durch das Studium philosophischer Texte unter einem kompetenten Lehrer und durch stetige Meditation über brahman, das Absolute. Der guru wird durch das obere Holzscheit repräsentiert, der Schüler durch das untere. Die Meditation entspricht dem Vorgang des Reibens. Vāyuryatrādhirudhyate („wo die Luft kontrolliert wird“) – dies bezieht sich auf die Praxis des prāṇāyāma, d.h. der yogischen Kontrolle des Atems. Wenn man selbstlos handelt, wenn man der Menschheit mit nārāyaṇa-bhāva oder ātma-bhāva dient, ohne einen Nutzen für sich selbst zu erwarten, wenn man die Handlungen und ihre Früchte Gott opfert, erfährt man ungeheure Freude und Hochstimmung. Das bedeutet das Trinken des soma-Saftes. Dieser Vers empfiehlt eine Verbindung von jñāna-yoga, rāja-yoga und karma-yoga. Karma-yoga reinigt den Geist, rāja-yoga beruhigt ihn und jñāna-yoga beseitigt den Schleier der Unwissenheit. Der zentrale und grundlegende Yoga ist jñāna-yoga. Alle anderen Yogaarten wirken nur unterstützend (sahakārī).


7. Vers

savitrā prasavena juṣeta brahma pūrvyam।
yatra yoniṃ kṛṇavase na hi te pūrtamakṣipat॥ 2.7॥

Lass uns, durch die Gnade des Savitṛ, das uralte brahman lieben. Wenn du dort deine Quelle (brahman) erreichst, werden deine früheren Handlungen dich nicht mehr binden.

ERLÄUTERUNG: Yatra – wo; yonim – die Quelle; pūrtam – frühere Handlungen; pūrvyam – das uralte. Dieser Vers behandelt bhakti-yoga. Damit wird die Synthese des Yoga – aus dem vorgehenden Vers – vervollständigt. Ohne bhakti (Hingabe) kannst du nicht die Gnade erfahren, die wesentlich ist, um das Wissen um brahman zu erreichen. Wenn man die Quelle brahman erreicht, ist man nicht mehr gebunden durch frühere Handlungen. Das Feuer des Wissens verbrennt die Samen des karma. Daher wird der Weise nicht wiedergeboren. Die Regeln und Resultate des Yoga werden im folgenden Vers beschrieben.


8. Vers

trirunnataṃ sthāpya samaṃ śarīraṃ hṛdīndriyāṇi manasā saṃniveśya।
brahmoḍupena pratareta vidvānsrotāṃsi sarvāṇi bhayānakāni॥ 2.8॥

Der Weise sollte den Körper aufrecht halten, Brust, Nacken und Kopf gerade in einer Linie; er sollte die Sinne und den Geist in das Herz zurückziehen und so die fürchterlichen Strömungen (der Welt) durch das Floß (bzw. Boot) brahmans überqueren. ERLÄUTERUNG: Śarīram – den Körper; trirunnatam – mit Brust, Nacken und Kopf: samam – aufrecht gehalten; vidvān – der Weise; bhayānakāni – furchterregend; srotāṃsi – Ströungen, Strudel; brahma-uḍupena – mit dem Floß des brahman; pratareta – sollte überqueren.

9. Vers

samaṃ kāya-śiro-grīvaṃ dhārayann acalaṃ sthiraḥ।
samprekṣya nāsikāgraṃ svaṃ diśaś cānavalokayan॥

„Er halte seinen Körper unbewegt, Kopf und Nacken gerade und ruhig, den Blick auf die Nasenspitze gerichtet, ohne herumzusehen.“ (Bhagavad-Gītā, 6.13)

Die Sinne und der Geist haben die Tendenz, sich den äußeren Dingen zuzuwenden. Das wird bahirmukha-vṛtti genannt. Der sādhaka sollte antarmukha-vṛtti praktizieren, indem er wieder und wieder die Sinne und den Geist von den Objekten abzieht, durch pratyāhāra (Abwenden, Zurückziehen) und Fixieren des Geistes im Herzen. Die furchterregenden Strömungen sind rāga (Mögen, Verlangen), dveṣa (Abneigung), vāsanā (Wunsch) und tṛṣṇā (Begierde), die den Menschen hinabschleudern in den Ozean von Geburt und Tod. Das Floß brahmans ist om (praṇava). Stilles Wiederholen des om, zusammen mit einer Meditation über seine Bedeutung, wird helfen, den Ozean des saṃsāra zu überqueren und uns von dem Zyklus von Geburt und Tod zu befreien.


. Vers

prāṇānprapīḍyeha saṃyuktaceṣṭaḥ kṣīṇe prāṇe nāsikayocchvasīta।
duṣṭāśvayuktamiva vāhamenaṃ vidvānmano dhārayetāpramattaḥ॥ 2.9॥

Der Weise sollte die Sinne kontrollieren, den Atem unterdrücken und regulieren, den Körper still halten, sanft durch die Nase atmen und ohne Ablenkung den Geist zügeln – jenes Gefährt mit unbändigen Pferden.

ERLÄUTERUNG: Prāṇān – die Sinne; vāham – die Zügel; dhārayeta – soll zügeln, zurückhalten. Er sollte den Geist überwachen, so wie der Wagenlenker auf seine störrischen Pferde aufpasst. Er sollte den Geist am Zügel halten, genau wie der Wagenlenker seine wilden Pferde zügelt.

sparśān kṛtvā bahir bāhyāṃś cakṣuś caivāntare bhruvoḥ।
prāṇāpānau samau kṛtvā nāsābhyantara-cāriṇau॥

„Wenn alle Kontakte (der Sinne) nach außen geschlossen sind und der Blick zwischen den Augenbrauen konzentriert ist; wenn der Atem harmonisch in den nasenlöchern ein- und ausströmt, ...“ (Bhagavad-Gītā, 5.27)

Duṣṭāśvayuktam vāham – Der Weise sollte die wilden Pferde (die Sinne) kontrollieren, indem er die Zügel (den Geist) fest anpacEine ähnliche Metapher finden wir in der Kaṭha-Upaniṣad (1.3.3-9). Hier geht es um die Praxis des prāṇāyāma. Wenn man den Atem kontrolliert, kontrolliert damit auch den Geist. Es gibt eine enge Verbindung von Geist und Atem. Praktiziere zwei Monate lang Einatmung (pūraka) und Ausatmung (recaka). Dann übe ganz allmählich kumbhaka (Atemanhalten). Halte den Atem nicht zu lange an – 30 bis 60 Sekunden reichen aus. Passe auch deine Diät an. Nimm nur leichte und sattvige Nahrung zu dir. Überlade nicht den Magen; iss maßvoll (mitāhāra).


10. Vers

same śucau śarkarāvahnivālukāvivarjite śabdajalāśrayādibhiḥ।
mano'nukūle na tu cakṣupīḍane guhānivātāśrayaṇe prayojayet॥ 2.10॥

Man sollte seine Übungen mit Konzentration ausführen, auf einer ebenen Fläche, frei von Steinen, Feuer, Wind, Staub, Feuchtigkeit und störenden Geräuschen, wo die Umgebung angenehm für das Auge ist und wo Schatten, Höhlen und gute Wasserplätze sind – die den Konzentrationsübungen förderlich sind.

ERLÄUTERUNG: Same – wo der Untergrund eben ist; śucau – rein; śarkarā-vahni-vālukā-vivarjite – frei von Steinen und Kieseln, von Feuer und Staub; śabdajalā-śrayādibhiḥ – (frei von) störenden Geräuschen und von Feuchtigkeit; mano- 'nukūle – hilfreich für die Konzentration des Geistes. Wenn der Platz und die Umgebung angenehm sind, wenn die spirituelle Schwingung anhebend ist und der Platz abgelegen und still, wird es leicht sein, den Geist zu konzentrieren. Ein feuchter Platz oder Raum ist nicht günstig für die Übung von prāṇāyāma. Auch sollte man prāṇāyāma nicht an einem staubigen Ort praktizieren.


11. Vers

nīhāradhūmārkānilānalānāṃ khadyotavidyutsphaṭikaśaśīnām।
etāni rūpāṇi puraḥsarāṇi brahmaṇyabhivyaktikarāṇi yoge॥ 2.11॥

Wenn Yoga praktiziert wird, können Dinge wie Schnee, Frost, Rauch, die Sonne, Feuer, Wind, das Glühwürmchen, Blitz, Kristall und Mond erscheinen. Diese gehen der Manifestation brahmans voraus.

ERLÄUTERUNG: Nīhāradhūmārkānilānalānām – von Schnee, Rauch, Sonne, Wind und Feuer; khadyotavidyut-sphaṭikaśaśīnām – von Glühwürmchen, Blitz, Kristall und Mond; rūpāṇi – Formen; yoge – in der Ausübung des Yoga; puraḥ-sarāṇi – gehen voraus. Schnee, Frost, Rauch etc. – all das sind vorläufige Erscheinungen, die der Manifestation von brahman vorausgehen. Das Erscheinen dieser Formen zeigt an, dass du auf dem Weg der Konzentration voranschreitest und dass du sehr bald Selbstverwirklichung erlangen wirst. Diese Formen stellen verschiedene Stufen der Konzentration dar.


12. Vers

pṛthivyaptejo'nilakhe samutthite pañcātmake yogaguṇe pravṛtte।
na tasya rogo na jarā na mṛtyuḥ prāptasya yogāgnimayaṃ śarīram॥ 2.12॥

Wenn die fünffache Qualität des yoga – aus Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther – erzeugt worden ist, dann erhält der yogī einen Körper, der durch das Feuer des Yoga stark geworden ist; so wird er nicht von Krankheit, Alter und Tod angegriffen.

ERLÄUTERUNG: Pañcātmake – fünffach; yogaguṇe – Qualität des Yoga; yogāgni-mayaṃ śarīram – ein Körper, stark gemacht durch das Feuer des Yoga; na – nicht; rogaḥ – Krankheit; jarā – Alter; mṛtyuḥ – Tod. Die Qualität jedes Elements, d.i. der Geruch der Erde, der Geschmack des Wassers, der Klang des Äthers, die Form des Feuers und die Berührung der Luft nennt man den yogaguṇa. Durch die Konzentration des Geistes auf die Spitze der Nase erfährt der yogī göttlichen, übersinnlichen Geruch (divya-gandha). Durch Konzentration auf die Zungenspitze erfährt er göttlichen Geschmack. Durch Fixierung des Geistes auf den vorderen Teil des Gaumens erfährt er göttliche Farbe; durch Konzentration auf die Mitte der Zunge erfährt er göttliche Berührung und auf die Zungenwurzel erfährt er göttlichen Klang. Durch diese göttlichen Erfahrungen wird der Geist beruhigt und stetig gemacht, denn er wird nicht mehr durch äußere Objekte angezogen. Der yogī erhält einen festen Körper (vajra-kāya) durch prāṇāyāma, Konzentration und yogische Stellungen. Er kann seinen Körper so lange erhalten, wie er will. Der Legende nach behielt Changdev Maharaj von Maharashtra seinen Körper 1400 Jahre lang.


13. Vers

laghutvamārogyamalolupatvaṃ varṇaprasādaṃ svarasauṣṭhavaṃ ca।
gandhaḥ śubho mūtrapurīṣamalpaṃ yogapravṛttiṃ prathamāṃ vadanti॥ 2.13॥

Wenn der Körper leicht und gesund geworden ist, wenn der manas frei von Wünschen ist, wenn er eine leuchtende Hautfarbe hat, eine liebliche Stimme und einen angenehmen Geruch, wenn die Ausscheidungen minimal sind, dann sagt man, dass er die erste Stufe der Konzentration erreicht hat.

ERLÄUTERUNG: Laghutvam – Leichtigkeit; ārogyam – Gesundheit; alolupatvam – Freiheit von Wünschen, manchmal auch: Festigkeit, Stetigkeit des Geistes; varṇa-prasādaḥ – leuchtende, scheinende Hautfarbe; svara-sauṣṭhavam – liebliche, gefällige Stimme; śubhaḥ gandhaḥ – angenehmer Geruch; alpam mūtrapurīṣam – spärliche Ausscheidungen; ca – und; prathamām – das erste; yoga-pravṛttim – Zeichen des Eintritts in yoga (die ersten Auswirkungen des yoga machen sich bemerkbar); vadanti – sagen sie.


14. Vers

yathaiva bimbaṃ mṛdayopaliptaṃ tejomayaṃ bhrājate tatsudhāntam।
tadvātmatattvaṃ prasamīkṣya dehī ekaḥ kṛtārtho bhavate vītaśokaḥ॥ 2.14॥

So wie eine Metallplatte oder ein Spiegel, der verstaubt gewesen war, glänzt, wenn er gesäubert wird, so verwirklicht die verkörperte Seele, der jīvātman, die Einheit, erreicht das Ziel und ist frei von Kummer, wenn er die wahre Natur des ātman erkennt. ERLÄUTERUNG: Yathā eva – genau wie; mṛdayā upaliptam – verstaubt; tat – das; bimbam – Metallplatte, Spiegel; sudhāntam – wenn gereinigt; tejomayam – glänzend; bhrājate – leuchtet, glänzt; tadvā – ebenso; dehī – der Verkörperte; ātma-tattvam – die wahre Natur des ātman; prasamīkṣya – nachdem er gesehen hat; ekaḥ – eins; vītaśokaḥ – frei von Kummer; kṛtārthaḥ bhavate – erreicht das Ziel. Dieser Vers beschreibt die guten Auswirkungen der Selbstverwirklichung. Der jīva erfährt normalerweise Schmerzen und Kummer – durch seine Unwissenheit, seine Identifikation mit dem Körper und durch seine Idee von „Ich“ und „Mein“. Wenn er die wahre Natur des ātman verwirklicht und seine Einheit mit dem höchsten Selbst, hört aller Kummer auf. Er erfreut sich ewiger Glückseligkeit und immerwährender Freude. Das ist die Aussage dieses Verses.


15. Vers

yadātmatattvena tu brahmatattvaṃ dīpopameneha yuktaḥ prapaśyet।
ajaṃ dhruvaṃ sarvatattvairviśuddhaṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ॥ 2.15॥

Wenn der yogi durch die wahre Natur seines Selbst die wahre Natur des brahman sieht, so deutlich wie eine Lampe, dann ist er frei von allen Fesseln und Sünden, weil er den ungeborenen, ewigen Gott erkannt hat, der frei ist von allen Modifikationen der prakṛti.

ERLÄUTERUNG: Yadā – wenn; yuktaḥ – der yogī; dīpa-upamena – wie eine Lampe; ātmatattvena – durch die wahre Natur des Selbst; brahma-tattvam – die wahre Natur des brahman; prapaśyate – sieht; ajam – ungeboren; dhruvam – ewig; sarva-tattvaiḥ viśuddhaṃ – von allen Modifikationen frei, gereinigt; devam – Gott; jñātvā – nachdem er erkannt hat; vimucyate – ist befreit; sarvapāśaiḥ – von allen Fesseln. Tattva ist ein Begriff der sāṅkhya-Philosophie. Er bezeichnet ein Prinzip, etwas, von dem etwas anderes ableitet bzw. gewonnen wird. Tattva ist die Natur eines Dinges. Brahman ist jenseits der Natur und ihrer drei guṇas. Wenn der yogī Selbstverwirklichung erlangt, wird er frei von aller Bindung durch karma.


16. Vers

eṣa ha devaḥ pradiśo'nu sarvāḥ pūrvo ha jātaḥ sa u garbhe antaḥ।
sa eva jātaḥ sa janiṣyamāṇaḥ pratyaṅjanāstiṣṭhati sarvatomukhaḥ॥ 2.16॥

Er ist wahrlich der Gott, der alle Gegenden durchdringt. Er ist der Erstgeborene (hiraṇya-garbha). Er ist in den Mutterleib eingetreten. Er allein ist geboren und Er wird geboren werden. Er ist im Innern aller Menschen als das innere Selbst, in alle Richtungen schauend.

ERLÄUTERUNG: Sarvāḥ pradiṣaḥ – alle Richtungen; saḥ ha – Er ist; pūrvaḥ jātaḥ – der Erstgeborene; garbhe antaḥ – im Innern des Mutterleibs; janiṣyamāṇaḥ – wird geboren werden; pratyaṅ-janāḥ tiṣṭhati – sitzt in allen Menschen als der Innewohnende, der antar-yāmī; sarvato-mukhaḥ – in alle Richtungen schauend, Sein Gesicht in alle Richtungen. Hiraṇya-garbha ist der kosmische manas, der kosmische prāṇa, die Summe aller jīvas. Er ist allgegenwärtig und so hat er sein Gesicht in alle Richtungen. Er wohnt in allen Geschöpfen als das Selbst von allen.


17. Vers

yo devo'gnau yo'psu yo viśvaṃ bhuvanamāviveśa।
ya oṣadhīṣu yo vanaspatiṣu tasmai devāya namo namaḥ॥ 2.17॥

Verehrung an die Gottheit, die im Feuer ist, die im Wasser ist, die in den Pflanzen ist, die in den Bäumen ist, die das ganze Universum durchdrungen hat.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – welcher; devaḥ – Gott; agnau – im Feuer; yaḥ – welcher; apsu – im Wasser; yaḥ – welcher; viśvam – all, ganz; bhuvanam – Universum; āviveśa – ist eingetreten; yaḥ – welcher; oṣadhīṣu – in den Pflanzen; vanaspatiṣu – in den Bäumen; tasmai devāya – zu jenem Gott; namo namaḥ – Verehrung, Verehrung. Brahman steht hinter allen Phänomenen. Es lebt in all diesen Namen und Formen. Es ist die zugrundeliegende Substanz von allem. Es ist die Stütze von allem.

HIER ENDET DAS ZWEITE KAPITEL DER ŚVETĀŚVATARA-UPANIṢAD.

Tṛtīyo 'dhyāyaḥ; Drittes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Vers

ya eko jālavānīśata īśanībhiḥ sarvāṃllokānīśata īśanībhiḥ।
ya evaika udbhave sambhave ca ya etadviduramṛtāste bhavanti॥ 3.1॥

Er, der allein durch Seine Macht regiert, der all diese Welten durch seine Macht regiert, der Ein und Derselbe ist und bleibt, zur Zeit der Schöpfung und der Auflösung der Welten – die Ihn erkannt haben, werden unsterblich.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; ekaḥ – eins; īśata – regiert; lokān – Welten; sarvān – alle; udbhave – zur Zeit der Schöpfung; sambhave – zur Zeit der Auflösung; amṛtāḥ – unsterblich; bhavanti – werden. Dieses Kapitel offenbart das höchste Selbst als īśa (Gott), als Rudra, der durch seine Schöpferkraft der māyā regiert. Nirguṇa-brahman, das unpersönliche Absolute, ist frei von māyā. Es ist frei von allen upādhis (nirupādhika), d.h. von allen begrenzenden Attributen. Īśvara, der persönliche Gott (saguṇa-brahman), ist mit māyā verbunden. Māyā ist Sein upādhi oder kāraṇa-śarīra (Handlungskörper). Er ist sopādhika-brahman. Er hat māyā unter Seiner vollkommenen Kontrolle. Para-brahman und saguṇa-brahman sind ein und dasselbe. Saccidānanda ist svarūpa-lakṣaṇa. Allmacht, Allwissenheit etc. sind Seine taṭastha-lakṣaṇa. Dasselbe unperönliche Absolute wird der persönliche Gott – für die hingebungsvolle Meditation der Verehrer und Sucher. Jāla bedeutet Schlinge oder māyā. Māyā ist die geheimnisvolle, unauslotbare Kraft Gottes. Sie ist der Same für diese Welt.


2. Vers

eko hi rudro na dvitīyāya tasthurya imāṃllokānīśata īśanībhiḥ।
pratyaṅjanāṃstiṣṭhati sañcukocāntakāle saṃsṛjya viśvā bhuvanāni gopāḥ॥ 3.2॥

Es gibt nur einen Rudra, der die Welten durch Seine Kraft regiert. Neben Ihm gibt es niemanden, der Ihn an die zweite Stelle verweisen könnte. Er ist gegenwärtig im Herzen aller Wesen. Er schafft alle Welten, erhält sie und zieht sie in Sich Selbst zurück.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; imān – diese; īśata – regiert, lenkt; īśanībhiḥ – durch Seine eigene Kraft; sañcukoca – zieht sie in Sich Selbst zurück; lokān – die Welten; antakāle – am Ende der Zeit. Rudra repräsentiert hier para-brahman (das höchste Selbst, das Unendliche, das Absolute). Nachdem Rudra alle Dinge geschaffen hat, zieht er sie wieder zusammen, d.h. Er nimmt sie zurück in Sich Selbst am Ende der Zeit, während des kosmischen pralaya (der Auflösung). Im Śiva-Purāṇa ist „Rudra“ ein anderer Name für Śiva. Rudra ist derjenige, der die Sünden zerstört, das Elend Seiner Anhänger beseitigt und ihnen Weisheit und Glückseligkeit bringt. Rudra ist der antar-yāmī, der innere Lenker aller Wesen. Er ist der stille Zeuge der Handlungen und Gedanken der Menschen und teilt ihnen die Früchte ihrer Taten zu.


3. Vers

viśvataścakṣuruta viśvatomukho viśvatobāhuruta viśvataspāt।
saṃ bāhubhyāṃ dhamati saṃ patatrairdyāvābhūmī janayandeva ekaḥ॥ 3.3॥

Jener eine Gott, der Seine Augen, Sein Gesicht, Seine Arme und Füße an jedem Platz hat, schafft Himmel und Erde und schmiedet sie zusammen mit Seinen Armen und Flügeln.

ERLÄUTERUNG: Viśvataścakṣuruta viśvatomukho viśvatobāhuruta viśvataspāt – der Augen, Gesicht, Arme und Füße an jedem Platz hat; dyāvā-bhūmī – Himmel und Erde; dhamati – er verbindet die Menschen mit Armen und die Vögel mit Flügeln (saṃyojayati). „Virāṭ“ ist ein Name des Schöpfers. Alle Augen, Gesichter, Hände und Füße gehören Ihm allein. Die Summe aller physischen Körper der jīvas ist virāṭ-puruṣa.


4. Vers

yo devānāṃ prabhavaścodbhavaśca viśvādhipo rudro maharṣiḥ।
hiraṇyagarbhaṃ janayāmāsa pūrvaṃ sa no buddhyā śubhayā saṃyunaktu॥ 3.4॥

Möge Rudra, der Schöpfer und Erhalter der Götter, der große Seher, der Gott aller, der am Anfag hiraṇya-garbha schuf – möge Er uns gute Gedanken (einen reinen Intellekt) geben.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; devānām – Götter; prabhavaḥ – Schöpfer; udbhavaḥ – der Erhalter; viśvādhipaḥ – der Gott aller; maharṣiḥ – der große Seher; buddhyā śubhayā – mit reinem Intellekt; saṃyunaktu – möge Er geben. (Dieser Vers wird in Kapitel 4 Vers 12 wiederholt.) Rudra repräsentiert hier para-brahman. Maharṣiḥ – der allwissende Seher ist Zeuge aller Gedanken und Handlungen der Menschen, deswegen kann er ihnen den Lohn ihrer Handlungen gerecht zuteilen. Hiraṇya-garbha – goldenes Ei, brahman, kosmische/r Seele/manas/prāṇa. Dies ist ein Gebet an Rudra, um einen reinen, glückbringenden und verfeinerten Intellekt zu erhalten. Der Wahrheitssucher kann den subtilen, reinen ātman nur mit einem reinen, scharfen und verfeinerten Intellekt wahrnehmen. „Dieser ātman ist verborgen in allen Wesen und zeigt sich nicht, aber er kann von feinsinnigen Sehern, mithilfe ihres scharfen Intellekts, wahrgenommen werden.“ (Kaṭha-Upaniṣad, 3.12)


5. Vers

yā te rudra śivā tanūraghorā'pāpakāśinī।
tayā nastanuvā śantamayā giriśantābhicākaśīhi॥ 3.5॥

O Rudra, mit Deiner Form, die glückbringend ist, die nicht furchtbar ist und die alles Heilige zum Vorschein bringt – mit jener gesegneten Form erscheine vor uns, o Bewohner der Berge!

ERLÄUTERUNG: Yā – was; te – Deine; śivā – glückbringend, glückverheißend; aghorā – nicht furchtbar; tanuvā – Körper; tayā – mit dem. Śiva wohnt in dem schneebedeckten Gipfel des Berges Kailash im Himalaya. Deswegen spricht Ihn der Wahrheitssucher folgendermaßen an: „O Bewohner der Berge!“ Śiva offenbart sich entweder in einer frommen und gütigen (śanta) oder in einer schreckenerregenden (ghora) Form.


6. Vers

yāmiṣuṃ giriśanta haste bibharṣyastave।
śivāṃ giritra tāṃ kuru mā hiṃsīḥ puruṣaṃ jagat॥ 3.6॥

O Herr der Berge! Lass den Pfeil, den Du in Deiner Hand bereithältst, uns wohlgesonnen sein. Zerstöre den Menschen und die Welt nicht, o Beschützer der Berge!

ERLÄUTERUNG: Yām – den; iṣum – Pfeil; giriśanta – o Zuteiler von Glück von den Bergen; haste – in Deiner Hand; bibharṣi – Du hältst; astave – zu schießen, giritra – o Beschützer der BerDer Pfeil ist das mahā-vākya (der Spruch) tat tvam asi („Das bist du.“) oder praṇava (die heilige Silbe om). Dies ist eine machtvolle Waffe Gottes, um die Unwissenheit Seiner Verehrer zu vernichten.


7. Vers

tataḥ paraṃ brahmaparaṃ bṛhantaṃ yathānikāyaṃ sarvabhūteṣu gūḍham।
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāramīśaṃ taṃ jñātvā'mṛtā bhavanti॥ 3.7॥

Höher als dieser persönliche Gott ist das höchste brahman, das unendlich ist, das in allen Wesen verborgen ist, ihren Körpern angepasst, und das allein das ganze Universum durchdringt. Wer Es als Gott kennt, wird unsterblich.

ERLÄUTERUNG: Tataḥ – als dieser (persönliche Gott); param – höchste; brahma – brahman; param – höher; bṛhantam – unendlich; yathānikāyam – entsprechend den Körpern; sarva-bhūteṣu – in allen Wesen; gūḍham – verborgen; viśvasya – des Universums; ekam – einzig, allein; pariveṣṭitāram – Durchdringer; īśām –Gott; tam – Ihn; jñātvā – erkannt habend; amṛtāḥ – unsterblich; bhavanti – werden. Wer saguṇa-brahman (Gott mit Eigenschaften) verwirklicht, erlangt krama-mukti (fortschreitende Befreiung). Er tritt in brahma-loka ein. Wer aber die Einheit mit nirguṇa-brahman (Gott ohne Eigenschaften) verwirklicht – d.h. frei ist von māyā –, erreicht kaivalya-mukti (höchste Befreiung). Die Gnade des persönlichen Gottes ist notwendig, um diese höchste Verwirklichung zu erreichen. Der persönliche Gott (saguṇa-brahman) und das unpersönliche Absolute (nirguṇa-brahman bzw. para-brahman) sind nicht zwei verschie- dene Entitäten. Sie sind nur zwei Aspekte desselben Gottes. Das unpersönliche Absolute nimmt eine persönliche Form an, um dem Verehrer (bhakta) zu Gefallen. Wenn ein bhakta Tränen vor Sehnsucht zu Gott vergießt und sein Herz voller Liebe zu Ihm ist, nimmt Gott genau die Form an, über die der Verehrer meditiert. Gott wird sozusagen zum Diener seines Verehrers.


8. Vers

vedāhametaṃ puruṣaṃ mahāntamādityavarṇaṃ tamasaḥ parastāt।
tameva viditvā'ti mṛtyumeti nānyaḥ panthā vidyate'yanāya॥ 3.8॥

Ich kenne dieses mächtige Wesen (puruṣa), das strahlt und leuchtet wie die Sonne jenseits der Dunkelheit. Nur wenn man Ihn kennt, lässt man den Tod hinter sich. Es gibt keinen anderen Weg, Befreiung zu erlangen.

ERLÄUTERUNG: Veda – weiß; aham – ich (hier: der Seher Śvetāśvatara); etam – dieses; puruṣam –Wesen; mahāntam – mächtig; ādityavarṇam – strahlend wie die Sonne; tamasaḥ – Dunkelheit/Unwissenheit, die Ursache für Geburt und Tod ist; parastāt – jenseits; tameva – Ihn allein; viditvā – erkannt habend; ati mṛtyum eti – überschreitet den Tod; na – nicht; anyaḥ – anderer; panthāḥ – Weg; vidyate – es gibt; ayanāya – dafür. Śvetāśvataras Aussage ist sehr kühn. Sie enthält nicht die leiseste Spur von Zweifel. Hat man in den Werken von Philosophen aus dem Abendland jemals eine derart kühne Behauptung gefunden? In ihren Schriften behaupten sie, dass das Absolute nicht verwirklicht werden kann, dass nichts über den Intellekt hinausgeht. Sie haben keine Verwirklichung erfahren. Sie haben nicht einen derart reinen, feinsinnigen und scharfen Intellekt. Sie haben weder Erfahrungen mit spirituellen Übungen noch mit Meditation. Die Hindu-Seher (ṛṣis) hingegen erfuhren nirvikalpa-samādhi (unmittelbare Wahrnehmung des Absoluten). Daher können sie mit voller Überzeugung sagen: „Ich kenne dieses mächtige Wesen.“ Nur das Wissen über brahman kann Dunkelheit/Unwissenheit zerstören und den Menschen aus dem Kreislauf von Geburt und Tod befreien. Es gibt keinen anderen Weg.


9. Vers

yasmātparaṃ nāparamasti kiṃcidyasmānnāṇīyo na jyāyo'sti kaścit।
vṛkṣa iva stabdho divi tiṣṭhatyekastenedaṃ pūrṇaṃ puruṣeṇa sarvam॥ 3.9॥

Es gibt nichts, das höher wäre als Er oder von Ihm verschieden ist, nichts, das größer wäre oder auch kleiner als Er. Er allein ragt in den Himmel wie ein Baum – Eins ohne ein Zweites und unbeweglich. Die ganze Welt ist durch dieses Wesen gefüllt.

ERLÄUTERUNG: Yasmāt – als Er, param – höher; aparam – verschieden von; kiṃcit – irgendetwas; yasmāt – als Er; aṇīyaḥ – kleiner; jyāyaḥ – größer; kaścit – irgendjemand; na asti – ist nicht; vṛkṣaḥ iva – wie ein Baum; stabdhaḥ – unbeweglich; ekaḥ – ein; divi – im Himmel; tiṣṭhati – steht; tena puruṣeṇa – durch dieses Wesen; idam sarvam – die ganze Welt; pūrṇam – ist gefüllt. Brahman ist die Quelle, die Ursache, der Mutterleib von allem. Wie könnte es dann etwas geben, was höher oder verschieden von Ihm wäre? Was könnte größer oder kleiner sein? Brahman durchdringt alles. Es ist die Essenz von allen Wesen. Es ist feiner als prāṇa, manas und ākāśa (Äther). Wie könnte es etwas geben, das kleiner und winziger wäre als Es? Die Unendlichkeit ist eine; das Absolute ist eines. Es kann keine zwei Unendlichkeiten geben. Daher ist brahman Eins ohne ein Zweites. Die ganze Welt ist gefüllt von Ihm – von innen und von außen. Es ist pari-pūrṇa (ganz und gar voll, überzogen von ..., angefüllt etc.). Beispiel: Wenn du ein mit Wasser gefülltes Gefäß in einem anderen größeren Gefäß, das ebenfalls mit Wasser gefüllt ist, aufbewahrst, ist das kleine Gefäß innen mit Wasser gefüllt und außen von Wasser umhüllt, also pari-pūrṇa. Das ist das Prinzip von brahman.


10. Vers

tato yaduttarataraṃ tadarūpamanāmayam।
ya etadviduramṛtāste bhavantyathetare duḥkhamevāpiyanti॥ 3.10॥

Das, was jenseits dieser Welt ist, ist ohne Form und ohne Leiden. Die, die Es kennen, werden unsterblich. Die anderen haben nur Schmerz zu erdulden.

ERLÄUTERUNG: Tataḥ – als das; yat – welches; uttarataram – höher; tat – das; arū-pam – ohne Form; anāmayam – ohne Leiden; ye – die; etat – dies; viduḥ – wissen; te – sie; amṛtāḥ – unsterblich; bhavanti – werden; atha – aber; itare – andere; duḥkham – Schmerz; eva – nur; apiyanti – leiden. Brahman ist niravayava (unteilbar, grenzenlos, ohne Glieder), alldurchdringend und äußerst subtil. Deswegen kann Es keine Form haben. Nur grobstoffliche Objekte haben eine Form. Es ist frei von den drei Arten von Schmerz: ādhyātmika (durch den eigenen Körper, wie etwa Krankheit etc.), ādhibhautika (durch die bhūtas, wie etwa Schlange, Tiger etc.) und adhidaiva (durch die devas, wie etwa Blitz, Regen etc.). Es ist jenseits dieser Welt. Es transzendiert diese Welt der Namen und Worte. Es hat keine Beziehung zu diesem Universum, da Es caitanya (reines Bewusstsein) ist. Wie könnte es eine wirkliche Beziehung zwischen Materie und Seele geben? Und doch ist brahman die Stütze dieser Welt und der Materie.

sarvendriyaguṇābhāsaṃ sarvendriyavivarjitam asaktaṃ sarvabhṛccaiva nirguṇaṃ guṇabhoktṛ ca

„Durch die Funktion aller Sinne strahlend und doch ohne Sinne; unverhaftet und doch alles tragend; ohne Eigenschaften und doch der, der sie erfährt, ...“ (Bhagavad-Gītā , 13.14)

Dies ist in der Tat ein großes Mysterium!


11. Vers

sarvānanaśirogrīvaḥ sarvabhūtaguhāśayaḥ।
sarvavyāpī sa bhagavāṃstasmātsarvagataḥ śivaḥ॥ 3.11॥

Er (Gott) ist das Gesicht, der Kopf und der Hals von allen. Er wohnt im Herzen aller Wesen. Er durchdringt alles. Daher ist Er allgegenwärtig und gnädig.

ERLÄUTERUNG: Sarvānana-śirogrīvaḥ – Er ist Gesicht, Kopf und Hals von allen; sarvabhūta-guhāśayaḥ – im Herzen aller wohnend; sarvavyāpī – alldurchdringend; saḥ – Er; bhagavān – der Ehrwürdige (Gott); tasmāt – deshalb; sarvagataḥ – allgegenwärtig; śivaḥ – gnädig. Bhagavān ist der Eine, der die sechs göttlichen Eigenschaften besitzt, deswegen wird Er „der Ehrwürdige“ (bhagavān) genannt. Im Viṣṇu-Purāṇa (6.5.47) werden diese sechs Eigenschaften erwähnt:

aiśvaryasya samagrasya vīryasya yaśasaḥ śriyaḥ jñāna-vairāgyayoś caiva ṣaṇṇāṃ bhaga itīraṇā

aiśvarya (übernatürliche Kräfte), vīrya (Stärke), yaśas (Ruhm), śrī (Reichtum), jñāna (Weisheit) und vairāgya (Leidenschaftslosigkeit)

Alle Gesichter gehören dem Herrn. Er ist der virāṭ-puruṣa. Er ist der antar-yāmī, der innere Lenker aller Wesen. Er lenkt die Sinne, den manas, den Intellekt und die Handlungen. Der vorangegangene Vers handelte von dem reinen, formlosen, transzendenten brahman. In diesem Vers geht es um den persönlichen Gott, den saguṇa-brahman. In dieser Upanishad finden wir eine wunderschöne Synthese der Vorstellungen vom persönlichen Gott und vom unpersönlichen Absoluten, dem saguṇa-brahman und dem nirguṇa-brahman. So wie Wasser verschiedene Formen annimmt, z.B. Dampf und Eis, so nimmt auch der formlose brahman verschiedene Formen an, um Suchende und Verehrer zufrieden zu stellen.


12. Vers

mahānprabhurvai puruṣaḥ sattvasyaiṣa pravartakaḥ।
sunirmalāmimāṃ prāptimīśāno jyotiravyayaḥ॥ 3.12॥

Jene Person (puruṣa) ist wahrlich der große Gott. Er kontrolliert alles. Er ist Licht. Er ist ewig während. Er lenkt den Intellekt aller Wesen, sodass sie den höchsten reinen Zustand (mokṣa) erreichen können.

ERLÄUTERUNG: Mahān – groß; prabhuḥ – Herr, Gott; vai – wahrlich; puruṣaḥ – Person, Urseele; sattvasya – des Intellekts aller Wesen; eṣaḥ – Er; pravartakaḥ – Lenker; sunirmalām – äußerst rein; imām – diesen; prāptim – das Erreichen; īśānaḥ – der Lenker; jyotiḥ – Licht; avyayaḥ – ewig während. Wenn der Geist gereinigt ist, wird der Wahrheitssucher die lenkende Hand Gottes spüren, denn Gott wohnt in seinem Intellekt. Gott ist das Licht aller Lichter. Er ist selbstleuchtend. Er entfernt den Schleier der Unwissenheit, der den manas umhüllt, und hilft der Seele, den reinen und glückseligen Zustand von mukti zu erlangen, die endgültige Befreiung.


13. Vers

aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo'ntarātmā sadā janānāṃ hṛdaye sanniviṣṭaḥ।
hṛdā manīṣā manasābhikḷpto ya etadviduramṛtāste bhavanti॥ 3.13॥

Der puruṣa von der Größe eines Daumens, der durch das Herz, den Intellekt und den manas verborgen ist, wohnt immer in den Herzen aller Lebewesen als ihr inneres Selbst. Die, die Ihn kennen, werden unsterblich.

ERLÄUTERUNG: Aṅguṣṭhamātraḥ – von der Größe eines Daumens; puruṣaḥ – die Person; antarātmā – das innere Selbst; sadā – immer; janānām – der Wesen; hṛdaye – im Herzen; sanniviṣṭaḥ – wohnt; hṛdā manīṣā – durch Herz und Intellekt; manasā – und durch den Geist; abhikḷptaḥ – verborgen; ye – die; etat – dies; viduḥ – kennen; amṛtāḥ – unsterblich; te – sie; bhavanti – werden. Aṅguṣṭhamātraḥ puruṣo'ntarātmā – diese Aussage finden wir auch in der Kaṭha-Upaniṣad (4.12-13). Es ist sehr schwierig für den Neuling, seinen Geist auf das Unendliche zu fixieren. Daher wird er aufgerufen, zunächst über ein Wesen von Daumengröße in seinem Herzen zu meditieren.


14. Vers

sahasraśīrṣā puruṣaḥ sahasrākṣaḥ sahasrapāt।
sa bhūmiṃ viśvato vṛtvā'tyatiṣṭhaddaśāṅgulam॥ 3.14॥

Die Person (Urseele) hat tausend Köpfe, tausend Augen und tausend Füße. Sie umhüllt die ganze Welt von allen Seiten und ragt zehn Finger (endlos) weit über sie hinaus.

ERLÄUTERUNG: Dieser Vers ist aus dem Puruṣa-Sūkta [Hymne des Ṛg-Veda, in der das Göttliche als die Seele des Universums besungen wird] übernommen worden. Er stellt eine berühmte Passage aus dem Ṛg-Veda (10.90.1) dar. Im ersten Teil des Verses geht es um die Immanenz Gottes, in der zweiten Hälfte um Seine Transzendenz. Sahasraśīrṣā – hat tausend Köpfe; puruṣaḥ – der/die Mensch, Person, Urseele; sahasrākṣaḥ – hat tausend Augen; sahasrapāt – hat tausend Füße; saḥ – Er; bhūmim – die Welt; viśvataḥ – auf allen Seiten; vṛtvā – umhüllt habend; atyatiṣṭhat – ragt darüber hinaus; daśāṅgulam – zehn Finger oder endlos. Er (Gott) überschreitet die Welt. Es kann sich aber auch auf das Herz beziehen, das zehn Finger oberhalb des Nabels liegt: Gott wohnt in den Herzen aller Geschöpfe als das innere Selbst – obwohl Er groß und unendlich ist und obwohl Er die Seele des Universums ist. Er ist immanent in allen Wesen. Sahasraśīrṣā weist darauf hin, dass Gott (virāṭ-puruṣa) unzählbar viele Köpfe hat. Alle Köpfe (sowie Organe und Gliedmaßen) gehören Gott. Er ist es, der durch alle Hände wirkt, mit allen Mündern isst, durch alle Augen sieht, durch alle Ohren hört, mit allen Füßen geht und durch alle manas denkt. Wenn du beständig diesen Vers im Bewusstsein hast, wird das Ego allmählich verschwinden. Du wirst dich mit dem virāṭ-puruṣa (der kosmischen Seele) identifizieren und ein großzügiges Herz bekommen.


15. Vers

puruṣa evedaṃ sarvaṃ yadbhūtaṃ yacca bhavyam।
utāmṛtatvasyeśāno yadannenātirohati॥ 3.15॥

Jene Person (Urseele) allein ist all dies, was war und was sein wird. Er ist auch der Gott der Unsterblichkeit. Er ist alles, was durch Nahrung wächst.

ERLÄUTERUNG: Puruṣaḥ – die Person, das Wesen; eva – allein; idam – dies; sarvam – alles; yadbhūtam – was war; yacca bhavyam – was sein wird; uta – auch; amṛtat-vasya – der Unsterblichkeit; īśānaḥ – Gott; yadannenātirohati – Er ist alles, was durch Nahrung wächst und gedeiht. Obwohl der puruṣa (die Urseele) sich in diesem Universum manifestiert hat, wird er doch nicht durch es berührt oder beeinflusst. Und doch ist Er der Gott der Unsterblichkeit. Asaṅgo'yaṃ puruṣa iti – „Die Urseele ist unberührt/unverhaftet“. Das ist die Aussage der śrutis. Sāyaṇa (ind. Philosoph aus dem 14. Jh. n. Chr.) gibt eine andere Erklärung: „Er ist auch der Gott aller Unsterblichen, also der Götter, weil diese zu ihrem erhöhten Status aufsteigen durch (geopferte) Nahrung oder auch um der Nahrung willen.“ Anna bedeutet „Nahrung“. Es bezeichnet aber auch die Materie der Welt. So wie Nahrung der Gegenstand des Genusses für die Lebewesen ist, so ist auch die Welt Gegenstand der Freude für Gott.

Im Brahma-Sūtra (2.1.33) heißt es: lokavat-tu līlā-kaivalyam („Wie in der Welt gesehen, aber nur Zeitvertreib.“). Gott bringt die Welt aus sich hervor, für sein eigenes Vergnügen, als sein Spiel (līlā).


16. Vers

sarvataḥpāṇipādaṃ tat sarvato'kṣiśiromukham।
sarvataḥśrutimalloke sarvamāvṛtya tiṣṭhati॥ 3.16॥

Mit Händen und Füßen überall, mit Augen, Köpfen und Mündern überall, mit Ohren überall – existiert Das alles in der Welt umfassend.

ERLÄUTERUNG: Sarvataḥ pāṇipādam – mit Händen und Füßen überall; sarvataḥ akṣiśiromukham – mit Augen, Köpfen und Mündern überall; sarvataḥ śrutimat – mit Ohren überall; loke – in der Welt; sarvam āvṛtya – alles umfassend; tiṣṭhati – existiert. Diese Gedichtform finden wir auch in der Bhagavad-Gītā (13.13). Hier wird die göttliche Immanenz beschrieben. Alle Hände, alle Füße, alle Augen gehören allein Gott. Diese wunderschöne Synthese der Vorstellungen des persönlichen Gottes und des unpersönlichen Absoluten ist ein spezieller Zug dieser upaniṣad. Śaṅkara erklärt das Wort loke hier mit nikāya („Wohnung“, Körper).


17. Vers

sarvendriyaguṇābhāsaṃ sarvendriyavivarjitam।
sarvasya prabhumīśānaṃ sarvasya śaraṇaṃ suhṛt॥ 3.17॥

Er scheint und leuchtet mit den Qualitäten aller Sinne, und dennoch ist er ohne alle Sinne. Er ist der Gott aller, der Lenker aller, die Zuflucht für alle und der Freund aller.

ERLÄUTERUNG: Sarvendriyaguṇābhāsam – mit den Funktionen aller Sinne scheinend; sarvendriyavivarjitam – ohne alle Sinne; sarvasya prabhum – der Gott aller; īśānam – der Lenker; sarvasya śaraṇam – die Zuflucht aller; suhṛt – der Freund. Sarvendriyaguṇābhāsam bezieht sich sowohl auf die äußeren als auch auf die inneren Sinnesorgane sowie auf den manas, deren Qualitäten Klang, Farbe, Geschmack, Tastgefühl, Geruch, Zweifel und Entscheidung sind. Die erste Zeile vom Vers erscheint auch in der Bhagavad-Gītā (13.14). Gott sieht ohne Augen, hört ohne Ohren, riecht ohne Nase. Er ist caitanya (reines Bewusstsein). Daher weiß Er alles, auch ohne die Wahrnehmungsorgane.


18. Vers

navadvāre pure dehī haṃso lelāyate bahiḥ।
vaśī sarvasya lokasya sthāvarasya carasya ca॥ 3.18॥

Er wohnt in dem Körper, der Stadt mit neun Toren. Er ist die Seele (haṃsa), die sich in der äußeren Welt vergnügt. Er ist der Lenker der ganzen Welt, der ruhenden und der bewegten.

ERLÄUTERUNG: Navadvāre pure – in der Stadt mit neun Toren; dehī – der Verkörperte; haṃsaḥ – er ist die Seele; lelāyate – spielt, vergnügt sich; bahiḥ – außen; vaśī – der Herrscher, der Lenker; sarvasya lokasya – der ganzen Welt; sthāva-rasya – stationär, ruhend; carasya – bewegt; ca – und. Gott zerstört die Wirkungen der Unwissenheit. Er wird haṃsa genannt, weil Er (Seine Seele) der Straße entlang reist (gleitet). Das Wort bedeutet ursprünglich „Schwan“*. Gott vergnügt sich in diesem Universum und wird doch nicht davon beeinflusst – so wie ein Schwan nicht vom Wasser beeinflusst wird, obwohl er im Wasser schwimmt. Navadvāre pure („der Stadt mit neun Toren“) bezieht sich auf die Körperöffnungen. (Vgl. Kaṭha-Upaniṣad, 5.1 und Bhagavad-Gītā, 5.13)


19. Vers

apāṇipādo javano grahītā paśyatyacakṣuḥ sa śṛṇotyakarṇaḥ।
sa vetti vedyaṃ na ca tasyāsti vettā tamāhuragryaṃ puruṣaṃ mahāntam॥ 3.19॥

Ohne Hände und Füße geht Er schnell und ergreift; ohne Augen sieht Er, ohne Ohren hört Er. Er weiß alles, was gewusst werden kann, doch Ihn erkennt niemand. Sie nennen Ihn den Ersten, die große Seele.

ERLÄUTERUNG: Apāṇipādaḥ – ohne Hände und Füße; javanaḥ – Er geht schnell; grahītā – Er ergreift; paśyaty acakṣuḥ – Er sieht ohne Augen; saḥ – Er; śṛṇoti –hört; akarṇaḥ – ohne Ohren; saḥ – Er; vetti – weiß; vedyam – was zu wissen ist; na – nicht; ca – und; tasya – von Ihm; vettā – Wissender; tam – Ihn; āhuḥ – sie sagen; agryam – den Ersten; puruṣam – Mensch, Person, Seele; mahāntam – groß. Gott sieht, hört, schmeckt etc. ohne Sinne, denn Er ist eine Verkörperung von Bewusstsein (cit-svarūpa). Er ist allmächtig. Er benötigt keine Instrumente, Hilfsmittel oder Organe, deswegen wird Er der Erste, die große Seele genannt.


20. Vers

aṇoraṇīyānmahato mahīyānātmā guhāyāṃ nihito'sya jantoḥ।
tamakratuḥ paśyati vītaśoko dhātuḥ prasādānmahimānamīśam॥ 3.20॥

Feiner als das Feinste, größer als das Größte – so ist der ātman versteckt im Herzen des Geschöpfes. Man wird frei von allem Kummer und allen Wünschen durch die Gnade des wunschlosen Schöpfers und man erkennt Ihn als den großen Gott.

ERLÄUTERUNG: Aṇoḥ aṇīyān – kleiner als das Kleinste; mahataḥ mahīyān – größer als das Größte; ātmā – das Selbst; guhāyām – im Herzen; nihitaḥ – ist versteckt; asya jantoḥ – des Geschöpfes (aller belebten Wesen); tam – Ihn; akratuḥ – wunschlos; paśyati – sieht; vītaśokaḥ – frei von Kummer; dhātuḥ – des Schöpfers; prasādāt – durch die Gnade; mahimānam – den großen; īśam – Gott. Dieser Vers erscheint auch in der Kaṭha-Upaniṣad (2.20), in der das Wort ātman anstelle von īśam auftaucht. Die Gnade Gottes ist notwendig für die Verwirklichung der Einheit (nach advaita). Bhakti ist dem Wissen nicht entgegengesetzt. Im Gegenteil: Es hilft dem Wissen. Die Urseele belebt sowohl die Ameise als auch den Elefanten. Sie durchdringt das ganze Universum. Sie ist ewig. Deswegen ist der ātman feiner als das Feinste und größer als das Größte.


21. Vers

vedāhametamajaraṃ purāṇaṃ sarvātmānaṃ sarvagataṃ vibhutvāt।
janmanirodhaṃ pravadanti yasya brahmavādino hi pravadanti nityam॥ 3.21॥

Ich kenne diesen Unvergänglichen, Uralten, die Seele von allen, der allgegenwärtig ist durch Seine alldurchdringende Natur und den die Kenner des brahman als frei von Geburt, als ewig erklären.

ERLÄUTERUNG: Veda – weiß; aham – ich; etam – Ihn; ajaram – unvergänglich; purāṇam – uralt; sarvātmānam – die Seele von allen; sarvagatam – allgegenwärtig; vibhutvāt – wegen Seiner alldurchdringenden Natur; janmanirodham – frei von Geburt; pravadanti – sie sagen, sie erklären; yasya – von dem; brahma-vādinaḥ – die Kenner des brahman; hi – wahrlich; pravadanti – sie erklären; nityam – ewig. Nur der Körper – der aus Fleisch, Fett und Kochen besteht – ist Geburt, Verfall etc. unterworfen. Wie könnte es Geburt und Verfall geben für die alldurchdringende, unendliche, selbstleuchtende Seele, die körperlos (aśarīram), ohne Gliedmaßen (niravayavam) und ewig ist? Brahman ist uralt. Es existierte schon, bevor du mit deiner Erforschung und deiner Suche begannst. Es ist der Erforschende sowie auch das Erforschte und Es ist der Gegenstand der Untersuchung. Es existiert, ewig leuchtend, ob du nun Seine Existenz zugibst oder nicht. Es existierte vor hiraṇya-garbha, vor Manu (Stammvater der Menschheit), vor den ṛṣis und den devas. Insofern ist Es uralt. Es ist der ursprüngliche puruṣa.

HIER ENDET DAS DRITTE KAPITEL DER ŚVETĀŚVATARA-UPANIṢAD.

Caturtho 'dhyāyaḥ: Viertes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Vers

ya eko'varṇo bahudhā śaktiyogādvarṇānanekānnihitārtho dadhāti।
vi caiti cānte viśvamādau sa devaḥ sa no buddhyā śubhayā saṃyunaktu॥ 4.1॥

Möge jenes Göttliche Wesen, das selbst ohne Farbe ist und doch viele Farben schafft in verschiedener Weise, durch Seine eigene Kraft und mit klarer Absicht, und das die ganze Welt am Ende in sich selbst hinein auflöst – möge dieser Gott uns einen reinen Intellekt geben.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; ekaḥ – eins; avarṇaḥ – ohne Farbe; bahudhā – in vielfacher Weise; śakti-yogāt – durch Seine eigene Kraft; anekān varṇān – vielfältige Farben; nihitārthaḥ – mit fester Absicht (nihita kann auch „verborgen“ bedeuten); dadhāti – schafft; vi caiti – auflöst; ca – und; ante – am Ende; viśvam – die Welt; devaḥ – jenes Göttliche Wesen; saḥ – Er; naḥ – uns; buddhyā śubhayā – mit reinem Intellekt; saṃyunaktu – möge uns geben; varṇān – Farbe, Qualität, Verschiedenheit. Er, der ganz eins ist und ohne Unterscheidungen, schafft zahllose Unterscheidungen gemäß deren Notwendigkeit, durch Seine Verbindung ist vielen Kräften (śaktis). So wie ein Lichtstrahl, der durch ein Prisma geschickt wird, viele Farben annimmt, so nimmt auch das formlose brahman vielfältige Formen an, durch Seine eigene līlā, das göttliche Spiel.


2. Vers

tadevāgnistadādityastadvāyustadu candramāḥ।
tadeva śukraṃ tadbrahma tadāpastatprajāpatiḥ॥ 4.2॥

Das ist das Feuer, Das ist die Sonne, Das ist die Luft, Das ist auch der Mond; Das ist das Leuchtende (sternenbesetzte Firmament); Das ist brahman, Das ist das Wasser und der Schöpfer aller Wesen.

ERLÄUTERUNG: Tat eva – Das (das Selbst) ist; agniḥ – das Feuer; tat ādityaḥ – Das (ist) die Sonne; tat vāyuḥ – Das (ist) die Luft; tat u candramāḥ – Das (ist) auch der Mond; tat eva śukram – Das alleine ist das Strahlende/Leuchtende; tat brahma – Das (ist) brahman; tat āpaḥ – Das (ist) das Wasser; tat prajāpatiḥ – Das (ist) der Schöpfer aller Wesen. Die Seher benutzten maskuline und neutrale Pronomen, wenn sie das höchste Wesen charakterisierten. Die verschiedenen Götter sind nur verschiedene Aspekte ein und derselben Gottheit/Wesenheit. Śankara lehrte, dass brahman als hiraṇya-garbha die universelle Seele ist, die alle feinstofflichen Körper durchdringt, und dass der Schöpfer aller Wesen (Prajā-pati) als virāṭ-puruṣa die universelle Seele ist, die alle grobstofflichen Körper durchdringt.


3. Vers

tvaṃ strī tvaṃ pumānasi tvaṃ kumāra uta vā kumārī।
tvaṃ jīrṇo daṇḍena vañcasi tvaṃ jāto bhavasi viśvatomukhaḥ॥ 4.3॥

Du bist die Frau. Du bist der Mann. Du bist der Junge. Du bist auch das Mädchen. Du bist der/die Betagte, der/die mit dem Stock gebeugt umherwandert. Du bist geboren mit einem Gesicht, das in alle Richtungen zeigt.

ERLÄUTERUNG: Tvam – du bist; strī – die Frau; tvam – du bist; pumān – der Mann; tvam – du bist; kumāraḥ – der Junge; uta vā kumārī – du bist auch das junge Mädchen; tvam – du bist; jīrṇaḥ – abgenutzt, betagt; daṇḍena – mit dem Stock (wandern/gehen); vañcasi – gebeugt (umher); tvam – du bist; jātaḥ – geboren; bhavasi – wirst; viśatomukhaḥ – mit Deinem Gesicht in alle Richtungen. Das Wort viśatomukhaḥ weist auf die Allgegenwärtigkeit Gottes hin. Alle Dinge der Welt sind nur Manifestationen von brahman. Wenn du dich stets an diesen Vers erinnerst, wirst du frei von Vorlieben und Abneigungen. Du wirst die Einheit des Selbst erkennen. Sarvaṃ khalvidaṃ brahma („Alles ist in der Tat brahman.“). Du wirst inspiriert werden. Dein Geist wird sich erheben. Du wirst Gott in allen Gesichtern sehen.


4. Vers

nīlaḥ pataṅgo harito lohitākṣastaḍidgarbha ṛtavaḥ samudrāḥ।
anādimattvaṃ vibhutvena vartase yato jātāni bhuvanāni viśvā॥ 4.4॥

Du bist die dunkelblaue Fliege; der grüne Papagei mit roten Augen; die dunkle Gewitterwolke; die Jahreszeiten und die Ozeane. Du bist ohne Anfang; unendliche Allmacht; der, aus dem alle Welten geboren sind.

ERLÄUTERUNG: Nīlaḥ – dunkelblau; pataṅgaḥ – Fliege, Vogel, Insekt; haritaḥ – grüne (Papagai); lohitākṣaḥ – rote Augen; taḍid-garbhaḥ – „Schoß des Blitzes“, Gewitterwolke; ṛtavaḥ – Jahreszeiten; samudrāḥ – Ozeane; anādimat – ohne Anfang; tvam – du; vibhutvena – unendliche Allmacht; vartase – existierst; yataḥ – von/aus dem; jātāni – geboren sind; bhuvanāni – Welten; viśvā – alle. Alles, was du siehst, sind die Manifestationen Gottes. Vāsudevaḥ sarvamiti – („Alle sind Vāsudeva allein.“). Brahman ist ohne Anfang. Es ist parama-kāraṇa (höchste Ursache) von allem. Es ist ursachelose Ursache. Wie könnte das Unendliche einen Anfang haben? Nur Wirkungen können einen Anfang haben.


5. Vers

ajāmekāṃ lohitaśuklakṛṣṇāṃ bahvīḥ prajāḥ sṛjamānāṃ sarūpāḥ।
ajo hyeko juṣamāṇo'nuśete jahātyenāṃ bhuktabhogāmajo'nyaḥ॥ 4.5॥

Da ist eine Ungeborene von roter, weißer und schwarzer Farbe, die viele Nachkommen wie sie selbst hervorbringt. Da ist ein Ungeborener, der sie liebt und bei ihr bleibt und da ist ein anderer Ungeborener, der sie verlässt, nachdem er sich an sie erfreut hat.

ERLÄUTERUNG: ajām – Ungeborene; ekām – eine; lohita-śukla-kṛṣṇām – von roter, weißer und schwarzer Farbe; bahvīḥ – viele; prajāḥ – Nachkommen; sṛjamānām – welche produziert; sarūpāḥ – von derselben Form; ajaḥ – ungeboren; ekaḥ – ein; juṣamāṇaḥ – angezogen oder geliebt; anuśete – liegt neben ihr; jahāti – verlässt; enām – sie; bhukta-bhogām – nachdem er sich an ihr erfreut hat; ajaḥ – ungeboren; anyaḥ – anderes. Das ungeborene weibliche Wesen von roter, weißer und schwarzer Farbe ist prakṛti (Materie) mit ihren drei guṇas (Qualitäten): sattva (Reinheit), rajas (Leidenschaft) und tamas (Dunkelheit). Sattva ist weiß, rajas ist rot und tamas ist schwarz. Andere interpretieren die drei als die drei Urelemente: Feuer, Wasser und Erde. Die zahllosen Nachkommen sind die vielfältigen Gegenstände der Schöpfung. Die Nachkommen ähneln ihrer Mutter (prakṛti), da sie sie die Geschöpfe und Wirkungen der prakṛti sind. Sie sind aus denselben konstituierenden Elementen gemacht. Das ungeborene männliche Wesen, das sie liebt, ist die kosmische Urseele, der Vater aller Wesen. Es ist hiraṇya-garbha bzw. brahman. Das andere ungeborene männliche Wesen ist die individuelle Seele, die sich aus der Gebundenheit durch die Materie befreit hat, also ein jīvan-mukta. Die (nichtbefreite) individuelle Seele läuft – trotz Widerstände, Stöße und Schläge – den sinnlichen Vergnügungen hinterher. Sie hat noch nicht erkannt, dass Sinnesfreuden illusorisch und stets mit Leid verbunden sind. Ein jīvan-mukta hingegen sucht die Gemeinschaft mit mahātmās (großen Seelen), erhält Belehrungen von ihnen, praktiziert Meditation und erreicht Selbstverwirklichung. Er verlässt prakṛti und das von ihr Hervorgebrachte (alle Sinnes- objekte) und ruht in seinem eigenen saccidānanda-svarūpa. – Das ist die Grundaussage dieses Verses.


6. Vers

dvā suparṇā sayujā sakhāyā samānaṃ vṛkṣaṃ pariṣasvajāte।
tayoranyaḥ pippalaṃ svādvattyanaśnannanyo abhicākaśīti॥ 4.6॥

Zwei Vögel mit schönem Gefieder, untrennbare Freunde, hocken auf demselben Baum. Der eine von beiden isst die süße Frucht, der andere schaut zu, ohne zu essen.

ERLÄUTERUNG: Vers 6 (also dieser) und Vers 7 tauchen ebenfalls in der Muṇḍaka-Upaniṣad (3.1.1-2) auf. Dvā –zwei; suparṇā – Vögel mit schönem Gefieder; sayujā – untrennbar; sakhāyā – Freunde; samānam – derselbe; vṛkṣam – Baum; pariṣasvajāte – wohnen; tayoḥ – von diesen; anyaḥ – der eine; pippalam – Frucht; svādu – süß; atti – isst; anyaḥ – der andere; anaśnan – ohne zu essen; abhicākaśīti – schaut zu. Die zwei Vögel repräsentieren die individuelle Seele (jīva) und die höchste Seele (paramātman), Gott. Der jīva ist nur eine Reflektion des paramātmans. Insofern sind sie untrennbar. Der Baum ist der Körper. Die Früchte des Baumes sind Vergnügen und Schmerz, die Resultate vergangener Taten. Die individuelle Seele identifiziert sich mit dem Körper und handelt aus Egoismus und in Erwartung der Früchte. Sie lebt mit der Vorstellung: „Ich bin der Handelnde.“ (kartṛtvābhimāna). Deshalb erntet sie die Früchte ihrer Handlungen und wird wiedergeboren, während die höchste Seele als stiller Zeuge daneben steht. Sie (die höchste Seele) ist völlig unbeteiligt. Daher ist sie immer glücklich.


7. Vers

samāne vṛkṣe puruṣo nimagno'nīśayā śocati muhyamānaḥ।
juṣṭaṃ yadā paśyatyanyamīśamasya mahimānamiti vītaśokaḥ॥ 4.7॥

Auf demselben Baum wohnend, verstrickt sich die (nichtbefreite) Seele und fühlt sich elend. Sie ist verblendet und leidet ob ihrer Ohnmacht. Wenn sie die Zufriedenheit des anderen, Gottes, sieht und dessen Herrlichkeit erkennt, wird sie frei von Leiden.

ERLÄUTERUNG: Samāne – demselben; vṛkṣe – auf dem Baum; puruṣa – sie Seele; nimagnaḥ – wird verstrickt, verwickelt; anīśayā – ihre Natur vergessend; śocati – leidet; muhyamānaḥ – verblendet, getäuscht; juṣṭam – von allen verehrt; yadā – wenn; paśyati – sieht; anyam – den anderen; īśam – Gott; asya – Seine; mahimānam – Herrlichkeit; iti – so; vītaśokaḥ – wird frei von Leiden. Wenn der Mensch aufgrund seiner Unwissenheit seine wahre göttliche Natur vergisst, wird er hilflos und lebt im Wahn. Wenn er, ichbezogen und voller Begierde, durch äußere Dinge angezogen wird und diese mit dem Gedanken „Ich bin der Handelnde.“ zu besitzen versucht, dann ist er im Strudel des saṃsāra gefangen. Wenn der Mensch sich, durch Meditation und tugendhaftes Handeln, von Anhaftung und Ichbezogenheit befreit, erfährt er Gottverwirklichung. Kummer und Leid verschwinden und er erlangt ewige Wonne und Unsterblichkeit.


8. Vers

ṛco akṣare parame vyomanyasmindevā adhi viśve niṣeduḥ।
yastaṃ na veda kimṛcā kariṣyati ya ittadvidusta ime samāsate॥ 4.8॥

Was nützen die Verse des Ṛg-Veda demjenigen, der jenes unzerstörbare, höchste und himmlische Wesen nicht kennt, in dem der Ṛg-Veda und alle Götter wohnen? Siehe, diejenigen, die Das kennen, ruhen in Zufriedenheit.

ERLÄUTERUNG: Ṛcaḥ – Verse des Ṛg-Veda; akṣare – unzerstörbar; parame – höchste; vyoman – in dem himmlischen Wesen; yasmin – in dem; devāḥ viśve – alle Götter; adhi niseduḥ – wohnen; yaḥ – dem(-jenigen); tam – Ihn; na veda – nicht weiß; kim – was; ṛcā – mit dem Ṛg-Veda; kariṣyati –wird tun; ye – die(-jenigen); it – siehe; tat – das; viduḥ – wissen; te ime – diese; samāsate – leben in Zufriedenheit. Das Studium der Veden allein bzw. rein theoretisches Wissen über brahman (parokṣa-brahma-jñāna) wird uns nicht weiterhelfen, Selbstverwirklichung zu erlangen. Diejenigen, die unmittelbar das höchste Selbst schauen (aparokṣa-brahma-jñāna), werden den höchsten Frieden und ewige Zufriedenheit erreichen.


9. Vers

chandāṃsi yajñāḥ kratavo vratāni bhūtaṃ bhavyaṃ yacca vedā vadanti।
asmānmāyī sṛjate viśvametattasmiṃścānyo māyayā sanniruddhaḥ॥ 4.9॥

Der Gott der māyā* bringt die Veden aus sich hervor, ebenso die Opfer, die Rituale, die religiöse Regeln, alles, was ist und was sein wird, alles, was die Veden erklären und überhaupt diese ganze Welt und uns selbst. Der andere ist darin durch māyā gebunden.

ERLÄUTERUNG: chandāṃsi – die Veden; yajñāḥ – Opfer; kratavaḥ – die Rituale; vratāni – religiöse Regeln; bhūtam – was war; bhavyam – was sein wird; yat – was; vedāḥ – die Veden; vadanti – sagen, erklären; asmān – diese, uns eingeschlossen; māyī – der Gott der māyā; sṛjate – schafft, bringt hervor; viśvam etat – diese Welt; tasmin – in diesem; ca – und; anyaḥ – der andere (bezieht sich auf die individuelle Seele); māyayā – durch māyā; sanniruddhaḥ – ist gebunden. Īśvara (Gott) erschafft alles durch māyā bzw. devātma-śakti. So wie die Kobra nicht durch ihr eigenes Gift angegriffen wird, so wird auch Īśvara nicht durch māyā beeinflusst, wohingegen die individuelle Seele durch māyā gebunden und gefesselt wird.

10. Vers

māyāṃ tu prakṛtiṃ vidyānmāyinaṃ tu maheśvaram।
tasyāvayavabhūtaistu vyāptaṃ sarvamidaṃ jagat॥ 4.10॥

Wisse nun, dass prakṛti (Natur, Materie) māyā ist; und der große Gott der Herr der māyā ist. Die ganze Welt ist erfüllt von Wesen, die Seine Teile sind. ERLÄUTERUNG: Māyām – māyā; tu – in der Tat; prakṛtim – Natur, Materie; vidyāt – wisse; māyinam – der Herr der māyā; ca – und; maheśvaram – der große Herr (Gott); tasya – Sein; avayava-bhutaiḥ – durch Wesen, die Seine Teile sind; vyāp-tam – durchdrungen, angefüllt; sarvam – alles, die ganze; idam – diese; jagat – die Welt. Māyin (bzw. māyī) ist der Erzeuger der māyā. – Hier liegt ein Versuch vor, die Lehre des vedānta mit der des sāṅkhya zu vereinen. Die fünf großen Elemente sind Seine Teile – so eine andere Interpretation.


11. Vers

yo yoniṃ yonimadhitiṣṭhatyeko yasminnidaṃ saṃ ca vi caiti sarvam।
tamīśānaṃ varadaṃ devamīḍyaṃ nicāyyemāṃ śāntimatyantameti॥ 4.11॥

Derjenige gewinnt unendlichen Frieden, der Gott erkennt, den anbetungswürdigen Gott, den Segensgeber, der, obwohl eins, über die verschiedenen Aspekte der prakṛti herrscht; in den hinein sich dieses Universum auflöst und in dem es erneut erscheint in vielfältiger Form.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; yoniṃ yonim – all die verschiedenen Aspekte der prakṛti; adhitiṣṭhati – herrscht über; ekaḥ – eins; yasmin – in dem; idam – dieses; saṃ ca vi caiti – erscheint und sich auflöst; tam – Ihn; īśānam – Gott; varadam – den Geber von Segen; īḍyam – anbetungswürdig; nicāyya – erkennend; imām – dies; śāntim – Frieden; atyantam – ewig; eti – erreicht. Gemäß der Sicht der sāṅkhyas (Anhänger der sāṅkhya-Philosophie) ist der erste Schöpfer avyaktam (die nichtmanifeste Urseele) bzw. prakṛti (die Urmaterie, Urnatur). Mahat, Ichbezogenheit, manas, tan-mātras und die fünf Elemente sind vikṛtis (Produkte, Modifikationen) von prakṛti. Mahat und Ichbezogenheit sind sowohl Erzeuger wie auch Hervorgebrachtes.


12. Vers

yo devānāṃ prabhavaścodbhavaśca viśvādhipo rudro maharṣiḥ।
hiraṇyagarbhaṃ paśyata jāyamānaṃ sa no buddhyā śubhayā saṃyunaktu॥ 4.12॥

Möge Rudra, der Schöpfer und Erhalter der Götter, der große Seher, der Gott von allem, der zuschaute, wie Hiraṇyagarbha geboren wurde, möge Er uns einen reinen und glückbringenden Intellekt geben.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; devānām – der Götter; prabhavaḥ – der Schöpfer; ca – und; udbhavaśca – und Erhalter; viśvādhipaḥ – der Gott von allem; rudraḥ – Rudra; maharṣiḥ – der große Seher; hiraṇya-garbham – Hiraṇyagarbha; paśyata – sah, jāyamānam – geboren werdend; saḥ – Er; naḥ – uns; buddhyā – mit Intellekt; śubhayā – rein und glückbringend; saṃyunaktu – möge geben. Dies ist fast eine genaue Wiederholung von 3.4. Rudra wird hier mit dem höchsten Selbst (para-brahman) gleichgesetzt.


13. Vers

yo devānāmadhipo yasmiँllokā adhiśritāḥ।
ya īśe asya dvipadaścatuṣpadaḥ kasmai devāya haviṣā vidhema॥ 4.13॥

Lass uns Verehrung erweisen, zusammen mit Opfergaben, jenem glückseligen Gott, der das Oberhaupt der devas ist, der über die Zweibeiner und Vierbeiner herrscht und in dem all die Welten ruhen.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der (das); adhipaḥ – Oberhaupt, Herrscher; devānām – der Götter; yasmin – in dem; lokāḥ – die Welten; adhiśritāḥ – ruhen; yaḥ – der; īśe – herrscht; asya – dies; dvipadaḥ – Zweibeiner; catuṣpadaḥ – Vierbeiner; kasmai devāya – jenem Gott; haviṣā vidhema – lass uns Verehrung erweisen zusammen mit Opfergaben. Einige (Kommentatoren) lesen tasmai statt kasmai.


14. Vers

sūkṣmātisūkṣmaṃ kalilasya madhye viśvasya sraṣṭāramanekarūpam।
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāraṃ jñātvā śivaṃ śāntimatyantameti॥ 4.14॥

Wer Ihn erkennt und verwirklicht, der feiner ist als das Feinste, der die Welt schafft inmitten des Chaos, der viele Formen annimmt, der als einziger die Welt umfasst, den Glückseligen (Śiva), erlangt unendlichen Frieden.

ERLÄUTERUNG: Sūkṣmāti-sūkṣmam – feiner als das Feinste; kalilasya madhye – in der Mitte des Chaos; viśvasya – der Welt; sraṣṭāram – Schöpfer; anekarūpam – der viele Formen annimmt; viśvasya – der Welt; ekam – eins; pariveṣṭitāram – der einzige, der umhüllt; śivam – den Glückseligen; jñātvā – erkannt habend; atyantam – unendlich; śāntim – Frieden; eti – erlangt.

15. Vers

sa eva kāle bhuvanasya goptā viśvādhipaḥ sarvabhūteṣu gūḍhaḥ।
yasminyuktā brahmarṣayo devatāśca tamevaṃ jñātvā mṛtyupāśāṃ-

śchinatti॥ 4.15॥

Er allein ist es, der die Welt zur rechten Zeit beschützt. Er ist das Oberhaupt der Welt, verborgen in allen Wesen. In Ihn gehen die brahma-rṣis und die Götter ein. Wer Ihn auf diese Weise kennt, zerschneidet die Fesseln des Todes.

ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; eva – allein; kāle – zur rechten Zeit; bhuvanasya – der Welt; goptā – Beschützer; viśvādhipaḥ – das Oberhaupt/Herrscher der Welt; sarvabhūteṣu – in allen Wesen; gūḍhaḥ – verborgen; yasmin – in denen; yuktāḥ – verschmolzen, absorbiert; brahmarṣayaḥ – die großen Seher; ca – und; devatāḥ – die Gottheiten; tam – Ihn; evam – so, auf diese Weise; jñātvā – gewusst habend; mṛtyu-pāśāṃśchinatti – zerschneidet die Fesseln des Todes. Die brahma-rṣis (hochrangige Seher wie Vasiṣṭha), Seher allgemein und die Gottheiten finden ihre wahre Essenz allein in brahman.


16. Vers

ghṛtātparaṃ maṇḍamivātisūkṣmaṃ jñātvā śivaṃ sarvabhūteṣu gūḍham।
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāraṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ॥ 4.16॥

Wer den Glückseligen (Śiva) kennt, der in allerfeinster Form in allen Wesen verborgen ist, feiner als die Essenz von Ghee, der allein das Universum umhüllt, ist befreit von allen Bindungen und Fesseln.

ERLÄUTERUNG: Ghṛtāt – als Ghee (ghī = gereinigtes Öl/Fett, das meist aus Butter hergestellt wird); param – feiner; maṇḍam – Essenz; iva – wie; atisūkṣmam – äußerst fein; jñātvā – erkannt habend; śivam – den Glückseligen; sarvabhūteṣu gūḍham – verborgen in allen Wesen; viśvasya – des Universums; ekam – allein; pariveṣṭitāram – Umhüller; jñātvā – erkannt habend; devam – die Gottheit; mucyate – wird befreit; sarva-pāśaiḥ – von allen Fesseln. Butter, Sahne und Ghee existieren in der Milch in Form winziger, unsichtbarer Teilchen. Wenn die Milch gebuttert und geschäumt wird, werden diese verborgenen Teilchen sichtbar, so ähnlich wie der feine ātman durch Meditation „aufgerührt“ und verwirklicht wird.


17. Vers

eṣa devo viśvakarmā mahātmā sadā janānāṃ hṛdaye sanniviṣṭaḥ।
hṛdā manīṣā manasābhikḷpto ya etadviduramṛtāste bhavanti॥ 4.17॥

Jener Gott, der Schöpfer des Universums, die höchste Seele, wohnt immer in den Herzen aller Wesen, wobei er (scheinbar) durch Herz, Intellekt und manas begrenzt wird. Jene, die das wissen, werden unsterblich.

ERLÄUTERUNG: Eṣaḥ – dieser; devaḥ – Gott; viśvakarmā – der Schöpfer des Universums; mahātmā – die höchste Seele; sadā – (für) immer; janānām – der Wesen; hṛdaye – im Herzen; sanniviṣṭaḥ – wohnt; hṛdā – durch das Herz; manīṣā – durch den Intellekt; manasā – durch den manas; abhikḷptaḥ – begrenzt, ye – die; etat – dies; viduḥ – wissen; amṛtāḥ – unsterblich; te – die; bhavanti – werden. Die zweite Hälfte dieses Verses kommt auch in der Kaṭha-Upaniṣad (6.9) vor.


18. Vers

yadā'tamastanna divā na rātrirna sanna cāsacchiva eva kevalaḥ।
tadakṣaraṃ tatsaviturvareṇyaṃ prajñā ca tasmātprasṛtā purāṇī॥ 4.18॥

Wenn die Unwissenheit verschwunden ist, dann gibt es weder Tag noch Nacht, weder Existenz noch Nichtexistenz. Dann ist da nur Śiva, der Allgesegnete, der unvergänglich ist, das anbetungswürdige Licht von Savita (Gottheit der Sonne). Aus Ihm kam die uralte, zeitlose Weisheit hervor.

ERLÄUTERUNG: Yadā – wenn; atamaḥ – Abwesenheit von Dunkelheit; tat – dann; na divā – kein Tag; na – nicht; rātri – Nacht; na sat – weder Sein; na cāsat – noch Nichtsein; śivaḥ eva kevalaḥ – dann ist da nur Śiva, der Allgesegnete; tat – das; akṣaram – unvergänglich; tat savituḥ vareṇyam – das anbetungswürde Licht von Savitṛ (siehe auch Gāyatrī-Mantra); prajñā – Weisheit; ca – und; tasmāt – von und aus Ihm; prasṛtā – ist hervorgekommen; purāṇī – die uralte. Atamas – keine Dunkelheit (das Licht des Wissens). Wenn die Dunkelheit der Unwissenheit und Illusion vertrieben worden ist, dann verschwinden alle Unterscheidungen und Verschiedenheiten. Es gibt weder sat noch asat, wenn die Dunkelheit der Unwissenheit fort ist. Das bedeutet aber nicht, dass brahman, das Absolute, nur eine Leere ist. Es bedeutet, dass brahman alles Relative dieses Universums transzendiert. Daher wird gesagt: „Es ist der glückselige Śiva, der Unvergängliche, das anbetungswürdige Licht“ etc. Brahman ist die Quelle der Veden. Die Veden sind Sein Atem. Es ist die Quelle allen uralten Wissens, das uns in der Form der Veden überliefert worden ist. Daher wir gesagt, dass das alte Wissen aus Ihm hervorgekommen ist.


19. Vers

nainamūrdhvaṃ na tiryañcaṃ na madhye na parijagrabhat।
na tasya pratimā asti yasya nāma mahadyaśaḥ॥ 4.19॥

Niemand kann Ihn fassen, oben, quer oder in der Mitte. Es gibt nichts, das Ihm gleicht. Sein Name ist große Herrlichkeit.

ERLÄUTERUNG: Ūrdhvam – oben; tiryañcam – quer; madhye – in der Mitte; na parijagrabhat – niemand kann ergreifen; na tasya pratimā asti – es gibt nichts, das Ihm gleicht/ es gibt kein Bild von Ihm; yasya – dessen; nāma – Name; mahat – groß; yaśaḥ – Herrlichkeit. Da brahman äußerst fein, formlos, ohne Gliedmaßen, nichtbegrenzbar, alldurchdringend und unteilbar ist, kann Es durch die Sinnesorgane der Menschen nicht erfasst werden.


20. Vers

na saṃdṛśe tiṣṭhati rūpamasya na cakṣuṣā paśyati kaścanainam।
hṛdā hṛdisthaṃ manasā ya enamevaṃ viduramṛtāste bhavanti॥ 4.20॥

Seine Form kann nicht gesehen werden. Niemand nimmt Ihn durch das Auge wahr. Die, die Ihn durch Intuition, im Herzen wohnend, erkennen, werden unsterblich.

ERLÄUTERUNG: Na – nicht; saṃdṛśe (sandṛśe) – im Bereich der Wahrnehmung; tiṣṭhati – steht; rūpamasya – Seine Form; na cakṣuṣā paśyati – wird nicht gesehen durch die Augen; kaścana – irgendetwas; enam – dieses; hṛdā – durch das Herz; hṛdistham – im Herzen wohnend; manasā – durch den Geist; ye – die; enam – dies; viduḥ – wissen, erkennen; amṛtāḥ te bhavanti – werden unsterblich. Brahman ist außer Reichweite der Sinne und des Geistes. Hṛdā manasā – dies ist das Auge der Intuition bzw. das göttliche Auge (jñāna-cakṣus bzw. divya-cakṣus). Wenn alle vṛttis (Modifikationen) des Geistes zur Ruhe kommen durch brahma-cintana (Meditation über brahman), dann wird brahma-kāra-vṛtti erzeugt. Das ist das Auge der Intuition. Der Meditierende verwirklicht brahman durch brahma-kāra-vṛtti. Brahma-kāra-vṛtti entspricht dem Auge der Intuition. Brahma-kāra-vṛtti entsteht durch das sattvige antaḥ-karaṇa des Meditierenden, der ausgerüstet ist mit den vier Mitteln der Erlösung und der über die Bedeutung des mahā-vākya „tat tvam asi“ meditiert (einen der „großen Sprüche“ der Upanishaden). Brahma-kāra-vṛtti zerstört den āvaraṇa, den Schleier der Unwissenheit, und dadurch leuchtet brahman durch sich selbst auf. Die Einzelseele verschmilzt mit der höchsten Seele, indem sie die Einheit mit Ihm erkennt.


21. Vers

ajāta ityevaṃ kaścidbhīruḥ prapadyate।
rudra yatte dakṣiṇaṃ mukhaṃ tena māṃ pāhi nityam॥ 4.21॥

Manch einer nähert sich Dir in Furcht, wissend, dass Du der Ungeborene bist. O Rudra, sei gnädig und beschütze mich für immer durch Dein gütiges Antlitz!

ERLÄUTERUNG: Ajāta iti evam – als den Ungeborenen; kaścit – manch einer; bhīruḥ – in Furcht; prapadyate – nähert sich; rudra – o Rudra; yat – welches, te – Dein; dakṣiṇam – wohlwollend, gütig; mukham – Gesicht; tena – mit dem; mām – mich; pāhi – beschütze; nityam – für immer. Einige Sucher, die Leidenschaftslosigkeit und Unterscheidungsfähigkeit erworben haben, sind in Angst vor saṃsāra und māyā. Sie möchten den Ozean von Geburt und Tod so schnell wie möglich überqueren. Sie blicken auf Gott und hoffen auf Hilfe, Führung und Schutz. Sie beten zu Ihm, meditieren über Ihn und singen Sein Lob. Schließlich finden sie Ihn und verschmelzen mit Ihm. Sie werden eins mit Gott.


22. Vers

mā nastoke tanaye mā na āyuṣi mā no goṣu mā no aśveṣu rīriṣaḥ।
vīrān mā no rudra bhāmito vadhīrhaviṣmantaḥ sadamit tvā havāmahe॥ 4.22॥

O Rudra, füge unseren Kindern und Enkeln keinen Schaden zu! Verschone unser Leben, unsere Kühe und Pferde! Erschlage nicht, in Deinem Zorn, unsere tapferen Männer! Wir rufen Dich allzeit an mit unseren Gaben.

ERLÄUTERUNG: Mā – nicht; naḥ – unsere; toke – Kinder; tanaye – Enkel; āyuṣi – in Bezug auf Leben; goṣu – Vieh; aśveṣu – Pferde, rīriṣaḥ – verletze; vīrān – tapfer; bhāmitaḥ – im Zorn; mā vadhīḥ – töte nicht; haviṣmantaḥ – mit Opfergaben; sadamit tvā – Dich immer; havāmahe – rufen an. Dies ist ein schönes Gebet für das Wohlergehen der ganzen Welt. Die Sucher sind wahrlich tapfere Helden, denn sie führen einen ständigen und furchtbaren Krieg mit dem Geist, den Sinnen, den vāsanās und alten saṃskāras. Sie begegnen vielen Hindernissen. Mit Geduld und Anstrengung überwinden sie diese, wachsam und klug. Sogar der große Weltkrieg wird nach einigen Jahren zu Ende sein, aber der innere Krieg wird lange andauern. Daher werden die Sucher als Helden angesehen, tapferer als die Heerführer. Die getöteten Soldaten werden ihr Haupt nicht mehr erheben, aber in dem inneren Krieg werden die vāsanās und die Sinne immer wieder auferstehen.

HIER ENDET DAS VIERTE KAPITEL DER ŚVETĀŚVATARA-UPANIṢAD.

===Pañcamo 'dhyāyaḥ: Fünftes Kapitel Shvetashvatara Upanishad


1. Vers

dve akṣare brahmapare tvanante vidyāvidye nihite yatra gūḍhe।
kṣaraṃ tvavidyā hyamṛtaṃ tu vidyā vidyāvidye īśate yastu so'nyaḥ॥ 5.1॥

Unwissenheit ist wahrlich sterblich. Wissen ist wahrlich unsterblich. In dem unvergänglichen und unendlichen höchsten brahman sind Wissen und Unwissenheit verborgen. Vollkommen verschieden von diesen ist brahman, der sowohl Unwissenheit als auch Wissen kontrolliert.

ERLÄUTERUNG: Dve – zwei; akṣare – in dem unsterblichen; brahmapare – in dem höchsten brahman; tu – wahrlich; anante – in dem Undendlichen; vidyāvidye – Wissen und Unwissenheit; nihite – existieren; yatra – in dem; gūḍhe – verborgen; kṣaram – sterblich, vergänglich; tu – wahrlich; avidyā – Unwissenheit; hi – wahrlich; amṛtam – unsterblich; tu – wahrlich; vidyā – Wissen; vidyāvidye – Wissen und Unwissenheit; īśate – kontrolliert; yaḥ – der; tu – wahrlich; saḥ – Er, anyaḥ – verschieden. Kṣaram – Ursache für Bindung und Unfreiheit (saṃsṛti-kāraṇam); amṛtam – Ursache für Befreiung (mokṣa-hetu). Brahman ist verschieden von Wissen und Unwissenheit. Es ist der Zeuge (sākṣī). Wissen und Unwissenheit sind nur Modifikationen des manas. Sie existieren in brahman. Brahman herrscht über sie. Brahmapare – Er, der größer als Brahmā bzw. Hiraṇyagarbha ist – das höchste brahman.


2. Vers

yo yoniṃ yonimadhitiṣṭhatyeko viśvāni rūpāṇi yonīśca sarvāḥ।
ṛṣiṃ prasūtaṃ kapilaṃ yastamagre jñānairbibharti jāyamānaṃ ca paśyet॥ 5.2॥

Er ist der Eine, der jedem Mutterschoß (yoni) und jeder Form vorsteht. Er schaut der Geburt des erstgeborenen Sehers von goldener Farbe (ṛṣi Kapila) zu und gibt ihm alle Arten von Wissen, am Anfang der Schöpfung.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; yoniṃ yonim – jedem Mutterschoß; adhitiṣṭhati – steht vor; ekaḥ – einer; viśvāni – alle; rūpāṇi – Formen; yonīḥ – Mutterschöße; sarvāḥ – alle; ṛṣim – den Seher; prasūtam – sieht die Geburt; kapilam – der Goldfarbene; yastamagre – der zu Beginn der Schöpfung; jñānaiḥ – mit allen Arten von Wissen; bibharti – versieht ihn; jāyamānam – geboren werdend; ca – sieht. Das höchste Selbst trägt in seinen Gedanken den weisen Sohn (Hiraṇyagarbha) wie eine Mutter und sieht auf ihn wie ein Vater, wenn er geboren wird. Der erstgeborene Seher von goldener Farbe ist Hiraṇyagarbha bzw. Brahmā, der dieses Universum erschafft. Kapila ist ein anderer Name von Hiraṇyagarbha. Hiraṇyagarbha ist ausgestattet mit vier Arten von Wissen: Tugend, Wissen der Veden, Überwindung der Wünsche (vibhūtis) und übermenschliche Kräfte (aiśvarya).


3. Vers

ekaika jālaṃ bahudhā vikurvannasminkṣetre saṃharatyeṣa devaḥ।
bhūyaḥ sṛṣṭvā patayastatheśaḥ sarvādhipatyaṃ kurute mahātmā॥ 5.3॥

Dieser Gott wirft ein Netz nach dem anderen aus, auf vielfältige Weise, und zieht jedes wieder ein, in jenem Feld. Wenn Er auf diese Weise die Herrscher geschaffen hat, hält er wiederum Seine Oberherrschaft über sie alle aufrecht.

ERLÄUTERUNG: Kṣetre – das Feld (oder mūla-prakṛti, ist der Same dieser Welt, auch bekannt als māyā, pradhāna, avyaktam, das Unmanifeste etc.); jālam – das Netz (des saṃsāra); ekaikam (oder pratyekam) – jedes einzelne Geschöpf (seien es Götter, Menschen, Tiere, Vögel etc. Gott erschafft vielfältige Unterschiede, z.B. Geschlecht, Art, Typ); bhūyaḥ – immer wieder, stets (bezieht sich auf die Schöpfungszyklen); patayaḥ – die Herren (bezieht sich auf die Weltenhüter, wie z.B. Marīci und andere hochrangige Seher).


4. Vers

sarvā diśa ūrdhvamadhaśca tiryakprakāśayanbhrājate yadvanaḍvān।
evaṃ sa devo bhagavānvareṇyo yonisvabhāvānadhitiṣṭhatyekaḥ॥ 5.4॥

So wie die Sonne strahlt und damit alle Richtungen erleuchtet, oben, unten und quer, so herrscht jener eine anbetungswürdige Gott, der Gesegnete, über alle Geschöpfe, die aus dem Mutterleib geboren werden.

ERLÄUTERUNG: Sarvāḥ – alle; diśaḥ – Richtungen; ūrdhvam – oben; adhaḥ – unten; tiryak – quer; prakāśayan – erleuchtend; bhrājate – scheint, strahlt; anaḍvān – die Sonne; evam – so; saḥ – Er; devaḥ – Gott; bhagavān – der Erhabene (Gott); vareṇyaḥ – anbetungswürdig; yoni-svabhāvān – alles, das die Natur der Ursache hat; adhitiṣṭhati – lenkt, regiert, steht vor; ekaḥ – einer. Yoni-svabhāvān ist prakṛti und alles, was sie hervorbringt, nämlich mahat (Intellekt), ahaṅ-kāra (Ego, Ichbewusstsein), manas (Geist, Denkorgan) etc. sowie alles, das ihr gleicht, nämlich die fünf Elemente, die Ihrer Ursache/Natur (prakṛti) gleichen. Yoni-svabhāvān könnte aber auch anders interpretiert werden: „Er (Brahmā), die Ursache der ganzen Welt, herrscht über die Elemente, die an seiner Natur teilhaben.“


5. Vers

yacca svabhāvaṃ pacati viśvayoniḥ pācyāṃśca sarvānpariṇāmayedyaḥ।
sarvametadviśvamadhitiṣṭhatyeko guṇāṃśca sarvānviniyojayed yaḥ॥ 5.5॥

Er, welcher der Ursprung der Welt ist, bringt die Natur von allem zur Reife und führt die zur Vollkommenheit, die zur Reife gebracht wurden. Er gibt allen Wesen ihre spezifischen Eigenschaften und herrscht über dieses gesamte Universum.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; ca – und; svabhāvam – seine eigene Natur; pacati – bringt zur Reife; viśvayoniḥ – der Ursprung der Welt; pācyān – die soweit sind, dass sie zur Vollkommenheit gebracht werden können; sarvān – alle; pariṇāmayet – verändert; etat – dies, viśvam – Universum; adhitiṣṭhati – regiert; ekaḥ – eins; guṇān – die Qualitäten; sarvam – alles; viniyojayet – verteilt, verleiht; yaḥ – der. Die gesamte Evolution des Universums ist allein in den Händen Gottes. Er ist der Lenker, Herrscher und der Kontrollierende. Er verteilt die Qualitäten an die passenden und dafür vorgesehenen Objekte. Er teilt die Früchte der Handlungen zu, gemäß dem Gesetz von Ursache und Wirkung (karma).


6. Vers

tadvedaguhyopaniṣatsu gūḍhaṃ tadbrahmā vedate brahmayonim।
ye pūrvaṃ devā ṛṣayaśca tadviduste tanmayā amṛtā vai babhūvuḥ॥ 5.6॥

Er ist verborgen in den Upanishaden, die wiederum in den Veden verborgen sind. Hiraṇyagarbha kennt Ihn als die Ursache seiner selbst (oder als die Ursache der Veden). Jene Gottheiten und Seher, die Ihn in uralten Zeiten erkannt haben, wurden eins mit ihm und wurden in der Tat unsterblich.

ERLÄUTERUNG: Tat – das; vedaguhyopaniṣatsu – in den Upanishaden, die in den Veden verborgen sind; gūḍham – ist verborgen; tat brahmā – jener Brahmā bzw. Hiraṇyagarbha; vedate – weiß; brahma-yonim – als die Quelle seiner selbst/ der Veden; ye – die; pūrvam – in alten Zeiten; devāḥ – die Gottheiten; ṛṣayaḥ – die Seher; tat – das; viduḥ – verwirklichten, erkannten; te – sie; tanmayāḥ – wurden identisch mit Ihm; amṛtāḥ – unsterblich; vai – wahrhaftig; babhūvuḥ – sie wurden. Die Erkenntnis der Identität der individuellen Seele mit dem höchsten Selbst führt zur Unsterblichkeit und zu mokṣa.


7. Vers

guṇānvayo yaḥ phalakarmakartā kṛtasya tasyaiva sa copabhoktā।
sa viśvarūpastriguṇastrivartmā prāṇādhipaḥ saṃcarati svakarmabhiḥ॥ 5.7॥

Der, der an den Eigenschaften (guṇas) verhaftet ist, vollbringt Handlungen mit Blick auf deren Früchte und genießt dann die Früchte seiner Handlungen. Obwohl er in Wahrheit der Herrscher des Lebens ist, wird er durch die drei guṇas gebunden, nimmt verschiedene Formen an und wandert, aufgrund seiner eigenen Handlungen, entlang der drei Pfade.

ERLÄUTERUNG: Guṇānvayaḥ – den Eigenschaften/Qualitäten verhaftet; yaḥ – der; phala-karma-kartā – vollbringt Handlungen, um deren Früchte zu bekommen; kṛtasya tasya – seiner eigenen Handlungen; upabhoktā – Genießender, Erfahrender; saḥ – er; viśvarūpaḥ – nimmt verschiedene Formen an; tri-guṇaḥ – gebunden durch die drei Eigenschaften/Qualitäten; tri-vartmā – durch die drei Pfade; prāṇādhipaḥ – der Herrscher des Lebens; sañcarati – wandert; sva-karma-bhiḥ – aufgrund seiner eigenen Handlungen. Die drei Pfade sind dharma (Tugend), adharma (Laster) und jñāna (Wissen). Es könnten aber auch die drei Pfade gemeint sein, denen die Seele nach dem Tod folgen kann: deva-yāna (der Weg der Götter), pitṛ-yāna (der Weg der Vorväter) und tiryaṅ-mārga (der Pfad [mārga] der niedrigen/rückgängigen [tiryañc] Geburten).


8. Vers

aṅguṣṭhamātro ravitulyarūpaḥ saṅkalpāhaṅkārasamanvito yaḥ।
buddherguṇenātmaguṇena caiva ārāgramātro hyaparo'pi dṛṣṭaḥ॥ 5.8॥

Fein wie die Spitze einer Ahle, strahlend wie die Sonne, wird Er doch wahrgenommen als etwas anderes (verschieden von der universalen Seele), das die Größe eines Daumens, ein Ich und einen Willen (saṅkalpa) hat. Das geschieht durch die Begrenzungen des Intellekts und des Herzens.

ERLÄUTERUNG: aṅguṣṭhamātraḥ – von der Größe eines Daumens; ravitulyarūpaḥ – strahlend wie die Sonne; saṅkalpāhaṅkāra-samanvitaḥ – versehen mit Ego und Willen; buddherguṇenātmaguṇena caiva – auch aufgrund der Begrenzungen des Intellekts und des Herzens; ārāgramātraḥ – wie die Spitze einer Ahle (Nadel); aparaḥ – ein anderes (die individuelle Seele); api – auch; dṛṣṭaḥ – wird wahrgenommen. Das reine, alldurchdringende brahman wird wahrgenommen als Mensch oder Einzelseele, mit Wille und Ichbewusstsein, mit Intellekt und Körper. Das geschieht durch das begrenzende Prinzip der Unwissenheit. Intellekt, Herz, manas, Körper, Ego – all das sind Modifikationen oder Auswirkungen von avidyā (Unwissenheit). Wenn diese Begrenzungen transzendiert werden, verschmilzt die Seele mit brahman, wird eins mit Ihm und wird selbst brahman. Avidyā wirkt durch die drei guṇas. Man sollte die drei guṇas überwinden. Nur dann kann man mit dem höchsten Wesen eins werden. Das Überwinden der guṇas bedeutet: Zerstören der Unwissenheit und der Begrenzungen des Menschen.


9. Vers

vālāgraśatabhāgasya śatadhā kalpitasya ca।
bhāgo jīvaḥ sa vijñeyaḥ sa cānantyāya kalpate॥ 5.9॥

Die individuelle Seele ist so fein wie der hundertste Teil einer Haarspitze, und das noch durch Hundert geteilt. Und doch ist sie (in ihrer Essenz) unendlich. Sie sollte gekannt werden.

ERLÄUTERUNG: Vālāgraśatabhāgasya – wie der hundertste Teil einer Haarspitze; śatadhā kalpitasya ca – und das geteilt durch Hundert; bhāgaḥ – Teil; jīvaḥ – die Einzelseele; saḥ – die; vijñeyaḥ – sollte gekannt werden; saḥ – sie; ānantyāya – für/zu Unendlichkeit; kalpate – ist fähig. Der ātman ist außerordentlich subtil und feinstofflich (ati-sūkṣma).

bahirantaśca bhūtānām acaraṃ carameva ca sūkṣmatvāttadavijñeyaṃ dūrasthaṃ cāntike ca tat

„(Dieser ātman ist) außerhalb und innerhalb aller beweglichen und unbeweglichen Wesen. Wegen Seiner Feinstofflichkeit ist Er nicht zu erkennen. Er ist (zugleich) ganz nahe und ganz weit weg.“ (Bhagavad-Gītā, 13.15)

Um dieses subtile ātma-tattva zu erkennen, braucht es einen reinen, feinsinnigen und scharfen Intellekt.

eṣa sarveṣu bhūteṣu gūḍhotmā na prakāśate ।
dṛśyate tvagryayā buddhyā sūkṣmayā sūkṣmadarśibhiḥ ॥

„Dieser ātman ist verborgen in allen Wesen und ist nicht äußerlich sichtbar (leuchtet nicht), kann aber von denen, die einen scharfen und subtilen Intellekt haben, gesehen werd [Kaṭha-Upaniṣad, 3.12]


10. Vers

naiva strī na pumāneṣa na caivāyaṃ napuṃsakaḥ।
yadyaccharīramādatte tene tene sa yujyate॥ 5.10॥

Er ist weder weiblich noch männlich noch neutral. Welchen Körper er auch immer annimmt, mit dem verbindet oder identifiziert er sich.

ERLÄUTERUNG: Naiva strī – nicht weiblich; na pumān – nicht männlich; eṣaḥ – dieser; na – nicht; caivāyam – auch nicht; napuṃsakaḥ – neutral; yat yat – was auch immer; śarīram – Körper; ādatte – annimmt; tena tena – mit jedem von denen; yujyate – wird verbunden. Das Geschlecht bezieht sich nur auf den physischen Körper. Wie könnte sich Geschlechtszugehörigkeit an dem alldurchdringenden, unendlichen, körperlosen, gliedlosen, reinen ātman zeigen, dem höchsten Selbst?


11. Vers

saṅkalpanasparśanadṛṣṭimohairgrāsāmbuvṛṣṭyā cātmavivṛddhijanma।
karmānugānyanukrameṇa dehī sthāneṣu rūpāṇyabhisamprapadyate॥ 5.11॥

Durch Gedanken, Kontakte, Sehen und Täuschung nimmt die verkörperte Seele nacheinander an verschiedenen Orten verschiedene Formen an – abhängig von ihren Handlungen – so wie der Körper durch Essen und Trinken wächst.

ERLÄUTERUNG: Saṅkalpana-sparśana-dṛṣṭi-mohaiḥ – durch Gedanken, Kontakt, Sehen und Täuschung; grāsāmbuvṛṣṭyā – durch Schauer von Nahrung und Getränken; ātmāvivṛddhijanma – das Wachstum des Körpers; karmānugānyanu-krameṇa –nacheinander in Abhängigkeit von seinen Handlungen; dehī – die verkörperte Seele; sthāneṣu – an verschiedenen Orten; rūpāṇi – Formen; abhisamprapadyate – nimmt an. So wie Essen und Trinken das Wachstum des Körpers fördern, so tragen die verschiedenen Handlungen zum Wachstum der Seele bei. Der Mensch entwickelt sich schnell durch gute Handlungen. Rechtmäßige Handlungen reinigen das Herz. Essen und Trinken nähren den Körper. Gute Taten nähren die Seele.


12. Vers

sthūlāni sūkṣmāṇi bahūni caiva rūpāṇi dehī svaguṇairvṛṇoti।
kriyāguṇairātmaguṇaiśca teṣāṃ saṃyogaheturaparo'pi dṛṣṭaḥ॥ 5.12॥

Die inkarnierte Seele nimmt viele Formen an, grob und fein, entsprechend ihrer eigenen Qualitäten, der Qualität ihrer Taten und der ihres Geistes. Die Ursache der Verbindung mit diesen Formen ist noch eine andere.

ERLÄUTERUNG: Sthūlāni – grob; sūkṣmāṇi – fein; bahūni – viele; caiva – und auch; rūpāṇi – Formen; dehī – die inkarnierte Seele; svagūṇaiḥ – durch die eigenen Qualitäten; vṛṇoti – wählt oder übernimmt; kriyāguṇaiḥ – durch die Qualitäten der Handlungen; ātmaguṇaiḥ – durch die Qualitäten des Geistes; teṣām – ihr; saṁyoga-hetuḥ – die Ursache der Vereinigung; aparaḥ – eine andere; api – auch; dṛṣṭaḥ – ist gefunden. Die eigenen Qualitäten sind die des Körpers. Der Mensch nimmt einen neuen Körper an – entsprechend der Qualitäten seines vorangegangenen Körpers, Geistes und seiner Handlungen. Er wählt einen Körper entsprechend den Eindrücken, die durch seine früheren Handlungen in seinem früheren Körper zurückgeblieben sind. Die Ursache der Vereinigung mit dem Körper ist Gott.


13. Vers

anādyanantaṃ kalilasya madhye viśvasya sraṣṭāramanekarūpam।
viśvasyaikaṃ pariveṣṭitāraṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ॥ 5.13॥

Wer Ihn kennt, der keinen Anfang und kein Ende hat, der die Welt inmitten des Chaos schafft, der verschiedene Formen annimmt und der das Universum umhüllt, der wird von allen Fesseln befreit.

ERLÄUTERUNG: Anādyanantam – ohne Anfang und Ende; kalilasya – des Chaos; madhye – in der Mitte; viśvasya – der Welt; sraṣṭāram – Schöpfer; anekarūpam – der verschiedene Formen annimmt; viśvasya – des Universums; ekam – eins; pariveṣṭitāram – der umhüllt; jñātvā – gewusst habend, devam – Gott; mucyate – befreit sich selbst; sarvapāśaiḥ – von allen Fesseln. (Vgl. 3.7 und 4.14, 16)


14. Vers

bhāvagrāhyamanīḍākhyaṃ bhāvābhāvakaraṃ śivam।
kalāsargakaraṃ devaṃ ye viduste jahustanum॥ 5.14॥

Jene, die den Gott kennen, der durch unmittelbare intuitive Wahrnehmung verwirklicht werden muss, der ohne Körper ist, der die Ursache von Existenz und Nichtexistenz ist, der allgesegnet und die Ursache der (sechzehn) Teile ist, sind befreit von erneuter Verkörperung.

ERLÄUTERUNG: Bhāvagrāhyam – durch direkte intuitive Wahrnehmung zu verwirklichen; anīḍākhyam – der ohne Körper, nichtmateriell ist; bhāvābhāvakaram – der die Ursache von Existenz und Nichtexistenz ist; śivam – der Allgesegnete; kalāsargakaram – „der die Ursache des Entstehens der sechzehn Teile (kalā) ist“/ „der durch seine innewohnende Kraft erschafft“/ „der die Veden und andere Wissenschaften erschafft“; devam – Gott; ye – die; viduḥ – wissen, te – die; jahuḥ – geben auf; tanum – Körper. Die sechzehn kalās sind: prāṇa (Lebensatem), śraddhā (Glaube), kha (hier: Äther), vāyu (Wind), jyoti (Feuer, Licht), apa (Wasser), pṛthvī (Erde), indriyas (Organe), manas (Verstand, Geist etc.), anna (Nahrung), vīrya (männlicher Same), tapas (Askese), mantra (heiliger Vers), karma (Handlung), kāla (Zeit) und nāma (Name).

HIER ENDET DAS FÜNFTE KAPITEL DER ŚVETĀŚVATARA-UPANIṢAD.


Ṣaṣṭho 'dhyāyaḥ: Sechstes Kapitel Shvetashvatara Upanishad

1. Vers

svabhāvameke kavayo vadanti kālaṃ tathānye parimuhyamānāḥ।
devasyaiṣa mahimā tu loke yenedaṃ bhrāmyate brahmacakram॥ 6.1॥

Einige verwirrte Denker sagen, dass die Natur die Ursache des Universums ist, andere sprechen von der Zeit als Ursache. Es ist aber in Wahrheit die Herrlichkeit Gottes, durch die sich dieses Rad brahmans bewegt und dreht.

ERLÄUTERUNG: Svabhāvam – Natur; eke – einige; kavayaḥ – Denker; vadanti – sagen; kālam – Zeit; tathā – auch; anye – andere; parimuhyamānāḥ – verwirrte, getäuschte; devasya – Gottes; mahimā – Größe; tu – in der Tat; loke – in der Welt; yena – durch das; idam – dieses; bhrāmyate – wir gedreht; brahma-cakram – das Rad brahmans. (siehe auch Seite 445f., 1.4) Das brahman-Rad wird durch die Größe Gottes bewegt. Gott steht hinter allen Naturphänomenen. Gott ist die eigentliche Kraft hinter allem. Er ist der Herr der māyā, der Natur. Es sind nur die verwirrten und in der Täuschung lebenden Denker, die die Natur oder die Zeit als die erste Ursache dieses Universums ansehen.


2. Vers

yenāvṛtaṃ nityamidaṃ hi sarvaṃ jñaḥ kālakāro guṇī sarvavidyaḥ।
teneśitaṃ karma vivartate ha pṛthivyaptejo'nilakhāni cintyam॥ 6.2॥

Es ist unter dem Befehl dessen, der ewig diese Welt durchdringt, der allwissend ist, der Schöpfer der Zeit, der Schöpfer der guṇas, alles überblickend, dass dieses Werk (die Schöpfung) sich entfaltet, das man als Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther bezeichnet.

ERLÄUTERUNG: Yena – durch den; āvṛtam – durchdrungen; nityam – ewig; idam – dieses; hi – in der Tat; sarvam – alles; jñaḥ – allwissend; kāla-kāro guṇī – Schöpfer/Ursache/Quelle von Zeit und Eigenschaften; sarvavit – allwissend; yaḥ – der; tena – durch Ihn; īśitam – beherrscht, gelenkt; karma – Werk (die Schöpfung); vivartate – entfaltet; pṛthivyaptejo'nilakhāni – als Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther; cintyam – wird genannt bzw. gedacht als. Mit dem Wort vivartate wird hier der Vivarta-Vāda von Śaṅkara angedeutet: Brahman erscheint als die Welt, ohne in Wahrheit selbst einer Veränderung unterworfen zu sein – so wie das auf dem Boden liegende Seil als Schlange erscheint.


3. Vers

tatkarma kṛtvā vinivartya bhūyastattvasya tattvena sametya yogam।
ekena dvābhyāṃ tribhiraṣṭabhirvā kālena caivātmaguṇaiśca sūkṣmaiḥ॥ 6.3॥

Er schafft diese Welt und ruht dann wieder, nachdem er eine Einheit eingegangen ist mit einem Prinzip (tattva) nach dem anderen, mit einem, mit zweien, mit dreien oder mit acht, und auch mit der Zeit und mit den subtilen Qualitäten des Geistes.

ERLÄUTERUNG: Tatkarma – Schöpfung; kṛtvā – hervorgebracht habend; vinivartya – zieht sich zurück; bhūyaḥ – wieder; tattvasya – des Prinzips; tattvena – mit den Prinzipien; sametya – eingegangen seiend; yogam – Einheit; ekena – mit einem; dvābhyām – mit zwei; tribhiḥ – mit drei; aṣṭabhiḥ – mit acht; vā – oder; kālena – mit der Zeit; ca – und; eva – allein, wahrlich; ātmaguṇaiḥ – Qualitäten des Geistes (Liebe, Ärger etc.); sūkṣmaiḥ – subtil. Gott erschafft dieses Universum und bleibt dann der stille Zeuge. Das bedeutet für Gott ein „Ruhen“. Er wird von dem Prozess dieser Welt in keiner Weise berührt. Er bleibt ganz unverhaftet, wie der Äther, und unterstützt doch alles.

sarvendriyaguṇābhāsaṃ sarvendriyavivarjitam
asaktaṃ sarvabhṛccaiva nirguṇaṃ guṇabhoktṛ ca

„Durch die Funktion aller Sinne strahlend und doch ohne Sinne; unverhaftet und doch alles tragend; ohne Eigenschaften und doch der, der sie erfährt,“ (Bhagavad-Gītā, 13.15)

Die acht Prinzipien sind die acht Erzeuger der sāṅkhyas: avyaktam (das Unmanifestierte und die Wurzel von allem), der Intellekt, das Ego und die fünf tan-mātras (subtilsten Urelemente) – oder: die fünf Elemente, der manas, der Intellekt und das Ego. Prinzip eins ist avyaktam (bzw. prakṛti) und mit der Seele verbunden; Prinzip zwei sind avyaktam und Intellekt; Prinzip drei sind avyaktam, Intellekt und Ego. Es gibt noch eine andere Interpretation: Prinzip eins ist avidyā (Unwissenheit); Prinzip zwei sind dharma und adharma (Richtig und Falsch); rāga und dveṣa (Wünsche und Abneigungen); Prinzip drei sind die drei Körper (physisch, subtil, kausal), guṇas (tamas, rajas, sattva), avasthās (Wachen, Träumen, Tiefschlaf) oder das Raum-Zeit-Kontinuum (Zeit, Raum und Kausalität).


4. Vers

ārabhya karmāṇi guṇānvitāni bhāvāṃśca sarvānviniyojayedyaḥ।
teṣāmabhāve kṛtakarmanāśaḥ karmakṣaye yāti sa tattvato'nyaḥ॥ 6.4॥

Er bestimmt den Beginn der Schöpfung, verbunden mit den drei guṇas und ordnet alle Dinge. Er verursacht die Zerstörung des Werkes, wenn die guṇas nicht mehr wirken, und Er bleibt allein für sich, in seiner Essenz, nach der Zerstörung.

ERLÄUTERUNG: Ārabhya – beginnend; karmāṇi – Schöpfung; guṇānvitāni – verbunden mit den guṇas; bhāvān – Dinge; ca – und; sarvāni – alle; viniyojayet – ordnet und lenkt; yaḥ – der; teṣām – ihr; abhāve – Abwesenheit; kṛtakarmanāśaḥ – verursacht die Zerstörung des Werkes; karmakṣaye – nach der Zerstörung; yāti bleibt; saḥ – Er; tattvataḥ – in Seiner Essenz; anyaḥ – anders. Dieser Vers ist nicht ganz eindeutig, denn er wird auch folgendermaßen interpretiert: „Wer immer seine Werke Gott hingibt und Ihm opfert, versehen mit ihren Qualitäten, ist befreit von dem Kreislauf von Geburt und Tod, wenn die Folgen seiner Taten durch Nichtanhaftung zerstört sind. Er wird nicht länger von den Auswirkungen seiner Handlungen berührt.“ Śaṅkaras Interpretation dazu lautet: „Wenn seine Taten zerstört und seine Natur gereinigt ist, bewegt sich der Mensch weiter, abgetrennt von allen Dingen (tattva) und von den Auswirkungen der Unwissenheit. Er weiß, dass er brahman ist.“ Oder falls wir anyad („verschieden von“) lesen, heißt es: „Er geht zu brahman, der verschieden ist von allen Dingen bzw. von allen Prinzipien der Natur, d.h. er wird wie brahman.“ Wenn die Unwissenheit zerstört ist, hört die Arbeit, die ein Mensch tut, auf. Wenn seine Arbeit endet, wird die Seele frei vom saṃsāra, weil er in Wahrheit ein anderer ist, nämlich verschieden von Unwissenheit und deren Produkten. Vijñānātma (der Autor von Tātparyārthadyotinī, ein Kommentar zum Pañca-pādikā) sagt: „Wenn ein Mensch, nachdem er seine Taten vollbracht hat, sich von ihnen abwendet und Einheit des einen tattva (des tvam, des Selbst) mit dem wahren tattva (dem Das, Gott) gewinnt, dann wird er frei. Die Werkzeuge dazu sind: (1) die Lehren des guru, (2) die Liebe zum guru und zum Gott, (3) Hören (śravaṇa), Erinnern (manana) und tiefe Meditation (nididhyāsana); weiterhin die folgenden acht Dinge: Selbstbeherrschung, Askese, Körperhaltungen (āsanas), Atemkontrolle (prāṇāyāma), Zurückziehen der Sinne, Konzentration, Meditation und samādhi. Weiterhin: die Zeit (die rechte Zeit für die Tätigkeit), tugendhafte Charaktereigenschaften, z.B. Mitgefühl etc., und Hunger nach Wissen.“ Teṣām abhāve – in Abwesenheit der guṇas. Wenn die drei guṇas im Gleichgewicht sind (guṇa-sāmyāvasthā), dann kommt es zur Auflösung (pralaya), oder „Involution“, der Welt. Wenn das Gleichgewicht gestört ist (viṣamāvasthā), dann entsteht die Schöpfung.


5. Vers

ādiḥ sa saṃyoganimittahetuḥ parastrikālādakalo'pi dṛṣṭaḥ।
taṃ viśvarūpaṃ bhavabhūtamīḍyaṃ devaṃ svacittasthamupāsya pūrvam॥ 6.5॥

Er ist der Beginn, Er ist die erste Ursache der Verbindung von Körper und Seele. Er ist jenseits der drei Unterteilungen der Zeit (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) und Er ist überhaupt ohne Teile. Der anbetungswürdige Gott, der als die Welt erscheint, der die wahre Quelle aller Geschöpfe ist und im eigenen Herzen wohnt, wird erfahren durch den, der Ihn vorher in seinem Herzen verehrt und vergegenwärtigt hat.

ERLÄUTERUNG: Ādiḥ – Beginn; saḥ – Er; saṃyoganimittahetuḥ – die Ursache der Vereinigung; paras trikālāt – jenseits der drei Unterteilungen der Zeit; akalaḥ – ohne Teile; api – auch; dṛṣṭaḥ – wird gesehen; tam – Ihn; viśvarūpam – der als das Universum erscheint; bhavabhūtam – die wahre Quelle aller Geschöpfe; īḍyam – anbetungswürdig; devam – Gott; svacittastham – wohnend im eigenen Herzen; upāsya – meditiert habend; pūrvam – vorher. Dieses Universum ist ganz und gar eine Manifestation Gottes. Es ist der Körper von virāṭ (Makrokosmos). Er ist die erste Ursache der Vereinigung von Geist und Materie. Er ist jenseits der drei Zeiten und Er ist auch ohne Zeit (akāla). Er ist ohne Teile und unteilbar (akhaṇḍa). Wer vorher upāsana oder Verehrung geübt hat, erreicht jñāna oder Wissen um brahman. Bhakti führt zu Wissen. Para-bhakti und jñāna sind eins. Der unsterbliche ātman wohnt unmittelbar im eigenen Herzen. Er ist das innerste Selbst aller Wesen. Er ist der antar-yāmī (der innere Lenker).


6. Vers

sa vṛkṣakālākṛtibhiḥ paro'nyo yasmātprapañcaḥ parivartate'yam।
dharmāvahaṃ pāpanudaṃ bhageśaṃ jñātvātmasthamamṛtaṃ viśvadhāma॥ 6.6॥

Er transzendiert den Weltenbaum, die Zeit und die Form. Er ist es, aus dem das Universum hervortritt. Er ist die Quelle aller Tugenden, der Zerstörer aller Sünden, der Meister aller guten Eigenschaften. Erkenne Ihn als das eigene Selbst, als den unsterblichen Urgrund des ganzen Universums.

ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; vṛkṣakālākṛtibhiḥ paraḥ – den Baum des saṃsāra transzendierend sowie auch Zeit und Form; anyaḥ – anders; yasmāt – von dem; pra-pañcaḥ – Universum; parivartate – tritt hervor; ayam – dieses; dharmāvaham – die Quelle aller Tugenden; pāpanudam – der Zerstörer aller Sünden; bhageśam – Meister aller guten Eigenschaften; jñātvā – erkannt habend; ātmastham – im eigenen Herzen wohnend; amṛtam – unsterblich; viśvadhāma – der Wohnsitz des Universums. Die Welt ist der Baum des saṃsāra bzw. māyā. Die Beschreibung des Baumes finden wir in der Kaṭha-Upaniṣad (6.1) und in der Bhagavad-Gītā (15.1). Er wird als Das erkannt, wenn man Ihn verehrt hat oder Ihn in sich selbst erkannt hat. Das Universum bewegt sich in Zyklen: von Erschaffung über Erhaltung zu Zerstörung und von dort wieder zur Schöpfung etc. Er etabliert die Tugenden, Er zerstört das Böse, Er ist der Gott aller Herrlichkeiten und aller Fülle. Er wohnt in unserem eigenen Selbst und ist unsterblich – wer Ihn als solchen erkennt, gewinnt etwas, das anders ist als die materiellen Prinzipien der Schöpfung.


7. Vers

tamīśvarāṇāṃ paramaṃ maheśvaraṃ taṃ devatānāṃ paramaṃ ca daivatam।
patiṃ patīnāṃ paramaṃ parastādvidāma devaṃ bhuvaneśamīḍyam॥ 6.7॥

Mögen wir Ihn erkennen, den transzendenten und anbetungswürdigen Lenker der Welt, der der große, höchste Gott aller Götter ist, die höchste Gottheit aller Gottheiten und der höchste Gebieter aller Gebieter.

ERLÄUTERUNG: Tam – Ihn; īśvarāṇām paramam maheśvaram – der große, höchste Gott der Götter; tam – Ihn; devatānām paramam ca daivatam – die höchste Gottheit aller Gottheiten; patīnām paramam patim – der höchste Gebieter aller Gebieter; parastāt – transzendent; vidāma – mögen wir erkennen; devam – Gottheit; bhuvaneśam – den Lenker der Welt; īḍyam – anbetungswürdig. Die Götter sind Brahmā, Viṣṇu, Rudra, Vaivasvata, Yama u.a. Die Gottheiten sind Indra, Agni, Varuṇa u.A. Die Regierenden sind die prajāpatis, z.B. Kasyapa, Hiraṇyagarbha etc.


8. Vers

na tasya kāryaṃ karaṇaṃ ca vidyate na tatsamaścābhyadhikaśca dṛśyate।
parāsya śaktirvividhaiva śrūyate svābhāvikī jñānabalakriyā ca॥ 6.8॥

Bei ihm gibt es keine Wirkung und keine Ursache. Wir sehen keinen, der Ihm gleich wäre oder gar über Ihm stünde. Seine große Macht und Kraft wird (in den Veden) als vielfältig beschrieben. Sein Wissen, Seine Stärke und Seine Handlungen werden als zu Seiner Natur gehörig beschrieben.

ERLÄUTERUNG: Na – nicht; tasya – Seine; kāryam – Wirkung; karaṇam – Ursache; ca – und; dṛśyate – wird gesehen; asya – Seine; parā śaktiḥ – große Kraft; vividhā – vielfältig; śrūyate – wird erklärt; svābhāvikī – natürlich; ca – und. Für Ihn gibt es keine Wirkung (kāryam) und keine Ursache (karaṇam). Mit „Wirkung“ ist der Körper gemeint, mit „Ursache“ die Organe.


9. Vers

na tasya kaścitpatirasti loke na ceśitā naiva ca tasya liṅgam।
sa kāraṇaṃ karaṇādhipādhipo na cāsya kaścijjanitā na cādhipaḥ॥ 6.9॥

Es gibt keinen Gebieter über Ihn in dieser Welt, keinen, der über Ihn herrscht, und es gibt nicht einmal ein Zeichen von Ihm (durch das Er erschlossen werden könnte). Er ist die Ursache, der Herrscher über die Vorsteher der Organe. Er hat keinen Erzeuger und es gibt auch niemanden, der Sein Gebieter wäre.

ERLÄUTERUNG: Na – nicht; tasya – von Ihm; kaścit – irgendein; patiḥ – Herr; asti – ist; loke – in dieser Welt; na – nicht; īśitā –Herrscher; na eva – es gibt nicht; tasya – von Ihm; liṅgam – Zeichen; saḥ – Er; kāraṇam – Ursache; karaṇādhipa-adhipaḥ – das Oberhaupt der Organe; na – nicht; ca asya – und Sein; kaścit-janitā – irgendein Erzeuger, na ca – noch; adhipaḥ – Herrscher, Oberhaupt. Ein liṅga ist ein Zeichen, ein Merkmal, aus dem Seine Existenz erschlossen werden könnte. Wenn es ein solches Zeichen gäbe, wäre da keine Notwendigkeit für die Veden, Ihn zu offenbaren. Er ist jenseits von Logik und Schlussfolgerung. Die Existenz Gottes kann nicht mit Logik bewiesen werden. Er kann nur intuitiv in samādhi wahrgenommen werden, durch das Auge der Weisheit, d.h. durch brahmakāra-vṛtti (ständiges Denken an brahman).


10. Vers

yastantunābha iva tantubhiḥ pradhānajaiḥ svabhāvataḥ।
deva ekaḥ svamāvṛṇoti sa no dadhādbrahmāpyayam॥ 6.10॥

Möge jener alleinige Gott, der sich – ganz aus sich selbst heraus – mit dem Hervorgebrachten der prakṛti, der Natur, umhüllt – so wie eine Spinne sich mit ihren eigenen Fäden einwickelt (die aus ihrem Nabel kommen) – möge dieser Gott uns die Einheit mit brahman gewähren.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; tantunābhaḥ – Spinne; iva – wie; tantu-bhiḥ – mit Fäden; pradhānajaiḥ – mit den Produkten der prakṛti (Urnatur); sva-bhāvataḥ – spontan; devaḥ – Gott; ekaḥ – einer; āvṛṇoti – bedeckt, umhüllt; saḥ – Er; naḥ – uns; dadhāt – möge gewähren; brahmāpyayam – Einheit mit brah⁠man, d.i. brahman-apyayam (in das Absolute eingehen), ekībhāvam (das Einswerden). Pradhāna ist ein anderer Name für avyaktam, mūla-prakṛti oder māyā, also die erste Ursache und der Same der Welt.


11. Vers

eko devaḥ sarvabhūteṣu gūḍhaḥ sarvavyāpī sarvabhūtāntarātmā।
karmādhyakṣaḥ sarvabhūtādhivāsaḥ sākṣī cetā kevalo nirguṇaśca॥ 6.11॥

Gott ist einer und Er ist verborgen in allen Wesen. Er durchdringt alles und ist die innere Seele von allen. Er überwacht alle Handlungen; alle Wesen leben in Ihm. Er ist der Zeuge und Er ist reines Bewusstsein. Er steht für sich allein und ist frei von allen Eigenschaften.

ERLÄUTERUNG: Ekaḥ – eins; devaḥ – Gott; sarvabhūteṣu – in allen Wesen; gūḍhaḥ – verborgen; sarvavyāpī – durchdringt alles; sarvabhūtāntarātmā – die innere Seele aller Wesen; karmādhyakṣaḥ – überwacht alle Handlungen; sarvabhūta-adhivāsaḥ – alle Wesen wohnen und leben in Ihm; sākṣī – der Zeuge; cetā – reines Bewusstsein; kevalaḥ – allein; nirguṇaḥ – ohne Qualitäten; ca – und. Gott ist verborgen in allen Wesen, so wie Feuer im Holz, Butter in der Milch. Er ist die Wohnstätte für alle Wesen. Er ist frei von der Dreiheit der Qualitäten sattva (Güte, Reinheit, Harmonie), rajas (Aktivität, Leidenschaft) und tamas (Dunkelheit, Trägheit).


12. Vers

eko vaśī niṣkriyāṇāṃ bahūnāmekaṃ bījaṃ bahudhā yaḥ karoti।
tamātmasthaṃ ye'nupaśyanti dhīrāsteṣāṃ sukhaṃ śāśvataṃ netareṣām॥ 6.12॥

Er ist der eine Gebieter der Vielen, die nicht wirklich selbst handeln. Er vervielfältigt den einen Samen. Die Weisen, die Ihn in ihrem eigenen Selbst wahrnehmen, erfahren ewige Glückseligkeit; andere nicht.

ERLÄUTERUNG: Ekaḥ – der eine; vaśī – Gebieter, Herrscher; niṣkriyāṇām – ohne Handlung; bahūnām – der Vielen; ekam – einer; bījam – Samen; bahudhā – viele; yaḥ – der; karoti – macht; tam – Ihn; ātmastham – in ihrem eigenen Selbst wohnend; ye – die; anupaśyanti – nehmen wahr; dhīrāḥ – die Weisen; teṣām – ihnen; sukham – Glück; śāśvatam – ewig; na itareṣām – nicht den anderen. Die Handlungen der Lebewesen werden durch ihre Organe ausgeführt. Sie berühren nicht das höchste Wesen, das immer untätig (niṣkriya) und immer der stille Zeuge (sākṣī) bleibt. Nur die Natur ist aktiv. Die Seele ist der Zuschauer; sie sieht den Aktivitäten der prakṛti (Urnatur) zu. (Vgl. Kaṭha-Upaniṣad, 5.12-13) Bījam (Same) – ist avyaktam bzw. mūla-prakṛti, aus dem sich alles entwickelt. Die Organe, der manas, der Intellekt etc. bekommen ihre Kraft nur von Gott. Er kontrolliert alle Handlungsorgane, manas und individuellen Seelen.


13. Vers

nityo nityānāṃ cetanaścetanānāmeko bahūnāṃ yo vidadhāti kāmān।
tatkāraṇaṃ sāṃkhyayogādhigamyaṃ jñātvā devaṃ mucyate sarvapāśaiḥ॥ 6.13॥

Er ist der Ewige in allen Ewigen und der Intelligente in allen Intelligenten. Obwohl eins, gewährt Er doch die Wünsche der Vielen. Wer Ihn erkannt hat, der die Ursache von allem ist und der durch sāṅkhya(-Philosophie) und Yoga zu begreifen ist, ist frei von allen Fesseln.

ERLÄUTERUNG: Nityaḥ – ewig; nityānām – der Ewigen; cetanaḥ – der Intelligente, cetanānām – der Intelligenten; ekaḥ – einer; bahūnām – der Vielen; yaḥ – der; vidadhāti – gewährt; kāmān – Wünsche; tatkāraṇam – jenen Grund; sāṃkhya-yogādhigamyam – zu begreifen durch sāṅkhya(-Philosophie) und Yoga; jñātvā – erkannt habend; devam – Gott; mucyate – wird frei; sarva-pāśaiḥ – von allen Fesseln. „Ewig“ (nityaḥ) mag sich auf die Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther beziehen. Diese werden von vielen Menschen und einigen Philosophen als ewig angesehen. Aber in Wahrheit ist das Absolute (brahman) die einzig ewige Substanz (vastu). Cetanaścetanānām – die Sinne, der manas und der Intellekt erscheinen als intelligent. Aber sie borgen ihre Intelligenz von brahman, das die einzig intelligente Entität ist. Nur Gott teilt die Früchte der Handlungen allen Einzelseelen zu. Zunächst sollte man ein umfassendes Verständnis von brahman gewinnen – durch das Studium der Upanishaden (parokṣa-brahma-jñāna). Man sollte yama (Selbstkontrolle, Askese) und niyama (religiöse/ethische Regeln) praktizieren und Sinne und Geist disziplinieren. Dann sollte man stetige und regelmäßige Meditation üben und dadurch eine intuitive Wahrnehmung von brahman gewinnen. Erst dann kann man von allen Fesseln und Bindungen befreit werden. Die Fesseln sind avidyā (Unwissenheit), kāma (Wunsch) und karma (Handlung).


14. Vers

na tatra sūryo bhāti na candratārakaṃ nemā vidyuto bhānti kuto'yamagniḥ।
tameva bhāntamanubhāti sarvaṃ tasya bhāsā sarvamidaṃ vibhāti॥ 6.14॥

Die Sonne scheint dort nicht, noch der Mond und auch nicht die Sterne. Dort leuchten diese Blitze nicht; und wie sollte das Feuer dort scheinen? Wenn Er leuchtet, leuchtet alles nach Ihm. Durch Sein Licht leuchtet all dies.

ERLÄUTERUNG: Na – nicht; tatra – dort; sūryaḥ – die Sonne; bhāti – scheint; na – nicht; candratārakam – Mond und Sterne; na – nicht; imāḥ – diese; vidyutaḥ – Blitze; bhānti – scheinen; kutaḥ – wo; ayam – dieses; agniḥ – Feuer; tam – Er; eva – allein; bhāntam – scheinend; anubhāti – scheint; sarvam – alles; tasya – Sein; bhāsā – Licht; sarvam – alles; idam – dies; vibhāti – scheint.

(Siehe Kaṭha-Upaniṣad, 5.15; Muṇḍaka-Upaniṣad, 2.2.10; Bhagavad-Gītā, 15.6)

„Licht“ bedeutet hier „Wissen“. Das Auge ist ein Licht. Man gewinnt durch das Auge Wissen über diese Welt. Das Ohr ist ein Licht. Man hört Klänge und durch Klänge erhält man artha und jñāna. Auch buddhi (Intellekt) ist ein Licht und man gewinnt Wissen durch den Intellekt. Alle Sinne, der manas und der Intellekt erhalten ihre Kraft und das Wissen von brahman, Quelle und Ursprung allen Wissens.


15. Vers

eko haṃso bhuvanasyāsya madhye sa evāgniḥ salile saṃniviṣṭaḥ।
tameva viditvā'ti mṛtyumeti nānyaḥ panthā vidyate'yanāya॥ 6.15॥

Er ist die eine Seele (haṃsa), der Zerstörer der Unwissenheit inmitten dieser Welt. Er allein ist das Feuer, das im Wasser enthalten ist. Wenn man Ihn wahrhaft kennt, überwindet man den Tod. Es gibt keinen anderen Weg zur Befreiung.

ERLÄUTERUNG: Die letzten beiden Zeilen finden wir auch in Kapitel 3 Vers 8. Ekaḥ – eins; haṃsaḥ – Seele; bhuvanasya – dieser Welt; madhye – in der Mitte; saḥ – Er; eva – wahrlich; agniḥ – das Feuer; salile – im Wasser; saṃniviṣṭaḥ – wohnend; tam – Ihn; eva – wahrlich; viditvā – erkannt habend; mṛtyum – Tod; atyeti – überwindet; anyaḥ – anderer; na – nicht; panthāḥ – Weg; vidyate – existiert; ayanāya – zur Befreiung. Mit dem Wort haṃsaḥ (Seele, Wildgans, Schwan) ist hier das höchste Selbst, der Zerstörer der Unwissenheit gemeint. Brahman ist in das Herz eingetreten, wie ein Feuer, das alle Unwissenheit verbrennt. Dieser Vers beschreibt die Immanenz Gottes. So wie das Feuer im Ozean verborgen ist, so ist auch brahman in dieser Welt verborgen. Feuer und Wasser sind völlig verschieden, sie haben völlig entgegengesetzte Qualitäten und doch ist Feuer im Wasser enthalten. So ist auch brahman, das rein, subtil und geistig ist, verborgen in dieser Welt, die grob, materiell und unrein ist. Die alten ṛṣis verehrten das Feuer, das im Wasser enthalten ist. Dieses Feuer entspricht brahman, das in dieser Welt verborgen ist.


16. Vers

sa viśvakṛdviśvavidātmayonirjñaḥ kālakālo guṇī sarvavid yaḥ।
pradhānakṣetrajñapatirguṇeśaḥ saṃsāramokṣasthitibandhahetuḥ॥16॥

Er schafft das Universum und kennt das Universum. Er ist Seine eigene Quelle. Er ist allwissend und Er ist die Zeit der Zeit (der Zerstörer der Zeit). Er hat alle Qualitäten der Vollkommenheit. Er weiß alles bis ins Einzelne. Er ist der Herrscher von Natur, Menschen und guṇas. Er ist die Ursache der Gebundenheit, der Existenz und der Befreiung der Welt.

ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; viśvakṛt – der Schöpfer des Universums; viśvavit – der Kenner des Universums; ātma-yoniḥ – Seine eigene Ursache; jñaḥ – allwissend; kāla-kālaḥ – die Zeit der Zeit, der Zerstörer der Zeit; guṇī – der alle Qualitäten der Vollkommenheit hat; sarva-vidyaḥ – weiß alles im Einzelnen; pradhāna-kṣetrajña-patiḥ – der Herrscher der Natur und des Menschen; guṇeśaḥ – der Herrscher der Qualitäten; saṃsāra-mokṣa-sthiti-bandha-hetuḥ – die Ursache der Gebundenheit, der Existenz und der Befreiung der Welt.


17. Vers

sa tanmayo hyamṛta īśasaṃstho jñaḥ sarvago bhuvanasyāsya goptā।
ya īśe asya jagato nityameva nānyo heturvidyata īśanāya॥ 6.17॥

Er ist wie Er selbst, unsterblich und Er bleibt immer in der Position des Herrschers. Er ist der Allwissende, der Alldurchdringende, der Beschützer dieser Welt, der ewige Herrscher. Niemand kann über Ihn herrschen.

ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; tanmayaḥ – wie Er selbst; hi – wahrlich; amṛtaḥ – unsterblich; īśasaṃsthaḥ – Er bleibt der Herrscher; jñaḥ – allwissend; sarvagaḥ – all-durchdringend; asya bhuvanasya – dieser Welt; goptā – Beschützer; yaḥ – der; īśe – herrscht; asya jagataḥ – dieser Welt; nityam-eva – ewig; nānyaḥ – keine andere; hetuḥ – Ursache; vidyate – existiert; īśanāya – über Ihn zu herrschen. Tanmayaḥ kann (hier) auch „wie diese Welt“ bedeuten.


18. Vers

yo brahmāṇaṃ vidadhāti pūrvaṃ yo vai vedāṃśca prahiṇoti tasmai।
taṃ ha devam ātmabuddhiprakāśaṃ mumukṣurvai śaraṇamahaṃ prapadye॥ 6.18॥

Ich, der ich Befreiung erstrebe, nehme Zuflucht zu dem Gott, dessen Licht den Intellekt auf den ātman ausrichtet, der am Beginn der Schöpfung Brahmā erschuf und ihm die Veden übergab.

ERLÄUTERUNG: Yaḥ – der; brahmāṇam – Brahmā; vidadhāti – schuf; pūrvam – vor der Schöpfung; yaḥ – der; vai – wahrlich; vedāṃśca – und die Veden; pra-hiṇoti – gab; tasmai – ihm; tam – Ihn; devam – Gott; ātmabuddhi-prakāśaṃ – dessen Licht den Intellekt zum ātman hinwendet; mumukṣuḥ – Befreiung wünschend; śaraṇam – Zuflucht; aham – ich; prapadye – nehme.


19. Vers

niṣkalaṃ niṣkriyaṃ śāntaṃ niravadyaṃ nirañjanam।
amṛtasya paraṃ setuṃ dagdhendhanamivānalam॥ 6.19॥

Der, der ohne Teile ist und ohne Handlung, der friedvoll ist, ohne Makel, ohne Unreinheit, die erhabene Brücke der Unsterblichkeit, der wie das Feuer ist, welches das Holz aufzehrt (bei Ihm nehme ich Zuflucht).

ERLÄUTERUNG: Niṣkalam – ohne Teile; niṣkriyam – ohne Handlung; śāntam – friedvoll; niravadyam – ohne Makel; nirañjanam – ohne Unreinheiten; amṛtasya – der Unsterblichkeit; param setum – die höchste Brücke; dagdhendhanam ivānalam – wie das Feuer, welches das Holz aufgezehrt hat. Analam iva – so wie das Feuer das Holz verbrennt, so zerstört Gott die Unwissenheit seiner Verehrer bzw. der Sucher, die den Pfad der Wahrheit beschreiten.


20. Vers

yadā carmavadākāśaṃ veṣṭayiṣyanti mānavāḥ।
tadā devamavijñāya duḥkhasyānto bhaviṣyati॥ 6.20॥

So nicht die Menschen den Himmel aufrollen wie eine Haut, so wird es kein Ende des Elends geben – außer wenn Gott erkannt worden ist.

ERLÄUTERUNG: Yadā – wenn; carmavat – wie Haut; ākāśam – Äther; veṣṭayiṣyanti – rollen auf; mānavāḥ – die Menschen; tadā – dann; devam avijñāya – Gott nicht kennend; duḥkhasyāntaḥ – Ende des Leidens; bhaviṣyati – wird geschehen. Nur wenn das Unmögliche möglich wird, wird das Leiden enden – es sei denn, Gott wird im Herzen erkannt. Elend und Kummer werden nur enden, wenn Gott verwirklicht wird. Wenn jemand versuchen sollte, das Leiden zu beenden, ohne Gott zu verwirklichen, so ist das ein vergebliches Unterfangen – so vergeblich wie der Versuch, den Himmel aufzurollen.


21. Vers

tapaḥprabhāvāddevaprasādācca brahma ha śvetāśvataro'tha vidvān।
atyāśramibhyaḥ paramaṃ pavitraṃ provāca samyagṛṣisaṅghajuṣṭam॥ 6.21॥

Nachdem er kraft seiner Askese und durch Gottes Gnade brahman verwirklicht hatte, erklärte der Weise Śvetāśvatara dem obersten Orden der sannyāsīs sehr gründlich die Wahrheit über jenes höchste und heilige brahman, zu dem alle Seher Zuflucht nehmen.

ERLÄUTERUNG: Tapaḥprabhāvāt – durch die Kraft der Askese; devaprasādācca – und auch durch die Gnade Gottes; brahma – brahman; śvetāśvataraḥ – (der Weise) Śvetāśvatara; vidvān – verwirklicht habend; atyāśramibhyaḥ – zu dem obersten Orden der sannyāsīs; paramam – des höchsten; pavitram – heilig; provāca – lehrte, erklärte; samyak – gut, wohl; ṛṣisaṅghajuṣṭam – zu dem alle Seher Zuflucht nehmen. Gott hilft dem, der sich selbst hilft. Eigene Bemühung (puruṣārtha) und die Gnade Gottes sind beide notwendig, um Selbstverwirklichung zu erlangen. Nur wer Wissen um brahman hat, kann ein Lehrer werden.


22. Vers

vedānte paramaṃ guhyaṃ purākalpe pracoditam।
nāpraśāntāya dātavyaṃ nāputrāyāśiṣyāya vā punaḥ॥ 6.22॥

Dieses höchste Geheimnis des vedānta, das in einem früheren Zeitalter gelehrt worden ist, sollte nicht an jemanden weitergegeben werden, dessen Leidenschaften nicht beherrscht sind, auch nicht an jemanden, der kein würdiger Sohn ist und auch nicht an einen unwürdigen Schüler.

ERLÄUTERUNG: Vedānte – im vedānta ; paramam – höchstes; guhyam – Geheimnis; purākalpe – in einem früheren Zeitalter; pracoditam – gelehrt; na – nicht; apra-śāntāya – jemandem mit unkontrollierten Leidenschaften; dātavyam – sollte gegeben werden; na – nicht; aputrāya – der kein würdiger Sohn ist; aśiṣyāya – einem unwürdigen Schüler; vā punaḥ – auch nicht. Die Unterweisungen werden nur Früchte tragen, wenn sie einem geeigneten und würdigen Schüler gegeben werden. Aputrāya – einer, der seine Pflichten den Eltern gegenüber nicht erfüllt hat und der keine guten Charaktereigenschaften aufweist. Aśiṣyāya – einer, der kein würdiger Schüler ist, der nicht gehorsam ist, der arrogant, frech, bösartig, unreligiös ist und der seinen Lehrer kritisiert.


23. Vers

yasya deve parā bhaktiryathā deve tathā gurau।
tasyaite kathitā hyarthāḥ prakāśante mahātmanaḥ।

prakāśante mahātmana iti॥ 6.23॥

Wenn diese Wahrheiten einem Schüler mit einer großen Seele mitgeteilt werden, der höchste Verehrung gegenüber Gott und Verehrung gegenüber dem Lehrer hat, wie zu Gott, dann und nur dann werden sie aufleuchten; nur dann werden sie aufleuchten.

ERLÄUTERUNG: Yasya – für den; deve – zu Gott; parā bhaktiḥ – höchste Verehrung und Hingabe; yathā deve – wie zu Gott; tathā – so; gurau – zum Lehrer; tasya – Seine; ete – diese; kathitāḥ – gelehrt; arthāḥ – Wahrheiten; prakāśante – leuchten auf; mahātmanaḥ – einer mit einer großen Seele. Die Wahrheiten des vedānta werden nur dem Sucher offenbart, der höchste Verehrung Gott gegenüber hat und eine ebenso große Verehrung gegenüber dem Lehrer– so groß wie gegenüber Gott! Dieser Vers betont die Hingabe und Verehrung gegenüber dem guru. Guru und Gott sind eins.

HIER ENDET DAS SECHSTE KAPITEL UND SOMIT AUCH DIE ŚVETĀŚVATARA-UPANIṢAD.

Abschluss-Mantra (om, saha nāvavatu)

om, saha nāvavatu। saha nau bhunaktu। saha vīryaṃ karavāvahai।
tejasvi nāvadhītamastu mā vidviṣāvahai।
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥

Om. Es soll uns beide fördern, soll mit uns beiden genießen. Wir beide wollen zusammen Kraftvolles tun, strahlend soll uns beiden das Gelernte sein, wir beide wollen keine Feindschaft hegen. Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden.

Shvetashvatara Upanishad - mit Kommentaren von Swami Tejomayananda - Übersetzung von Ralf K.

Anmerkung des Herausgebers Param Pūjya Gurudev, Swami Chinmayananda schrieb Kommentare und hielt Reden über die wichtigsten Upaniṣaden in englischer Sprache und brachte so dieses uralte, aber zeitlose Wissen einem weltweiten Publikum nahe.

Die Chinmaya Mission setzt diese große Tradition mit Kommentaren, Übersetzungen und Vorträgen zu vielen großen und kleinen Upaniṣaden und anderen Schriften in vielen weiteren Sprachen, einschließlich Französisch, fort. Pūjya Guruji, Swami Tejomayananda, das Oberhaupt der Chinmaya Mission, hielt in seinem unnachahmlichen Stil Diskurse über die Śvetāśvatara-upaniṣad in Piercy, USA, für den Dharma Sevak Kurs im Jahr 2009.

Wir freuen uns, dieses unbezahlbare Wissen als Kommentar zur Śvetāśvatara-upaniṣad zu veröffentlichen. Dieser unschätzbare Beitrag zur Verbreitung von spirituellem Wissen wurde durch verschiedene Personen möglich. Die Vorträge wurden transkribiert, bearbeitet und Korrektur gelesen von Pami Wig (Delhi), Tulsipriya Goyal (Faridabad), Shibani Khorana (Delhi), Gayatri Balasubramanian (Coimbatore), Brni. Darshika Chaitanya (Thrissur) und Chinmaya Prakashanam.

Die Serialisierung dieser Vorträge durch Smt. Parvathy Raman in Tapovan Prasad war ebenfalls hilfreich. Das Buch ist vom Chinmaya Kalpanam Team wunderschön gestaltet. Wir danken ihnen allen für ihren Guru Sevā und erflehen Gottes Segen und Param Pūjya Gurudevs Gnade für sie. Möge dieses Licht des Wissens die Last des saṁsāra erleichtern und uns erleuchten - tamaso mā jyotirgamaya.

Zentraler Chinmaya Mission Trust Mumbai - 400 072

Einleitung

Veda bedeutet Wissen - Wissen über die Wahrheiten, die das Universum regieren. Als Texte wurden sie von Bhagavān Veda Vyāsa in vier Bänden zusammengestellt, nämlich Ṛg Veda, Yajur Veda, Sāma Veda und Atharva Veda. Sie sind die eigentliche Grundlage der Hindu-Philosophie und gelten als die höchste Autorität und das höchste Mittel des Wissens bei der Bestimmung der Natur des Dharma und der Natur der absoluten Realität - Brahman.

Jeder Veda hat drei Abschnitte - karma-kāṇḍa, upāsanā-kāṇḍa und jñāna-kāṇḍa.

Karma-kāṇḍa ist der rituelle Teil, dessen Praxis dazu dient, den Geist von seinen Unreinheiten (mala) wie Anhaftungen, Abneigungen, Ärger und so weiter zu reinigen. Er enthält auch Rituale zur Erfüllung spezieller und anderer weltlicher Wünsche, wie z.B. die Kenntnis der Rituale für jemanden, der sich einen Sohn wünscht (putra kāmeṣṭi yajña), auch wenn er nicht in der Lage ist, einen zu gebären, oder Mittel, um einen bestimmten Himmel zu erreichen (svarga kāmeṣṭi yajña).


Upāsanā-kāṇḍa enthält Mantras, Mittel der Verehrung und Meditationen, die in erster Linie dazu gedacht sind, die Ablenkungen des Geistes (vikṣepa) zu entfernen und ihn einspitzig zu machen. Sie versprechen auch die Erlangung außergewöhnlicher Kräfte (siddhis) und verschiedener Himmelskörper und himmlischer Welten (lokas).

Jñāna-kāṇḍa enthält Selbsterkenntnis, die die Unwissenheit (ajñāna-āvaraṇa) über unsere eigene wahre Natur/Selbst/Wahrheit beseitigt. Es ist diese Unwissenheit über unsere unendliche Natur (avidyā), die all unsere Wünsche (kāma) nach Fülle und Vollkommenheit entstehen lässt. Sie verwickeln uns wiederum in verschiedene Handlungen (karma), die zu der Erfahrung von Freude und Leid führen. Wir haben oft das Gefühl, dass Freude kommt und geht, aber Kummer scheint die ganze Zeit zu bleiben. Totale Erfüllung und Frieden kann daher nur durch die Beseitigung der grundlegenden Unwissenheit hinter allen Wünschen, Handlungen, Freuden und Sorgen entstehen.

Jñāna-kāṇḍa wird auch Upaniṣad genannt. Das Wort Upaniṣad bedeutet also Selbsterkenntnis (upaniṣad śabdena brahma-vidyā ucyate). Ein Objekt kann von verschiedenen Menschen unter verschiedenen Namen bekannt sein, aber sein Wissen bleibt dasselbe. Zum Beispiel ist ein Buch als Buch bekannt, auch wenn es in Sanskrit, Gujarātī und im Französischen jeweils 'pustakam', 'copaḍī' und 'livre' genannt wird. Auch hier erfolgt die Erkenntnis durch ein bestimmtes Mittel der Erkenntnis (pramāṇa). Zum Beispiel wird die Farbe eines Objekts nur von den Augen und nicht von den Ohren wahrgenommen. Selbsterkenntnis ist das Mittel, das die Unwissenheit über das Selbst beseitigt, und daher ist Upaniṣad das Mittel zur Erkenntnis des Selbst/der Wahrheit. Selbsterkenntnis ist eins und daher ist auch Upaniṣad eins. Allerdings wurde das Wissen der Upaniṣads als verschiedene Texte offenbart, daher werden diese Texte auch Upaniṣads genannt.

Jemand fragte einen Heiligen: "Wie viele Upaniṣads werde ich studieren müssen, um die Wahrheit zu erkennen?" Er fragte zurück: "Wie viele Spiegel brauchst du, um dein Gesicht zu sehen?" Einer ist genug. Du kannst in viele Spiegel schauen, aber was du brauchst, ist nur einer. In ähnlicher Weise reicht das Studium von nur einer Upaniṣad aus, um die Wahrheit/das Selbst zu erkennen.

Dennoch lieben wir es, uns in jeder reflektierenden Oberfläche zu betrachten und uns selbst zu bewundern. Auf die gleiche Weise können wir es genießen, das Selbst durch verschiedene Upaniṣads zu betrachten, da jede ihre eigene besondere Schönheit hat und einen Aspekt der Wahrheit auf kunstvolle Weise offenbart. Es ist also gut, verschiedene Upaniṣaden zu studieren.

Als Texte finden sich die Upaniṣaden meist im letzten Teil der Veden und daher wird ihr Wissen Vedānta (veda + anta) genannt. Manche sind der Meinung, dass es 108 Upaniṣaden gibt. Unter ihnen sind zehn als Haupt-Upaniṣaden bekannt, da Ᾱdi Śaṅkarācārya Kommentare zu ihnen geschrieben hat. Wenn wir sie gut studieren, können die anderen leicht verstanden werden. Sie sind Īśāvāsya Upaniṣad, Kenopaniṣad, Kaṭhopaniśad, Praśnopaniṣad, Muṇḍakopaniṣad, Māṇḍūkya Upaniṣad, Aitareya Upaniṣad, Taittirīya Upaniṣad, Chāndogya Upaniṣad und Bṛhadāraṇyaka Upaniṣad. Sie werden als Daśopaniṣads bezeichnet - die zehn Upaniṣads.


Manche sagen, dass Ᾱdi Śaṅkarācārya auch einen Kommentar zur Śvetāśvatara Upaniṣad geschrieben hat und betrachten sie daher auch als eine wichtige Upaniṣad. Allerdings scheinen die Sprache und der Stil des vorliegenden Kommentars nicht der von Ᾱdi Śaṅkarācārya zu sein. Vielleicht könnte ein späterer Śaṅkarācārya eines bestimmten pīṭha den Kommentar geschrieben haben. Außerdem hat Śrī Ᾱnanda Giri erklärende Anmerkungen (ṭīkā) zu allen Kommentaren von Ᾱdi Śaṅkarācārya wie die Upaniṣaden, Brahma Sūtras und Bhagavad Gītā verfasst. Er hat keine Anmerkungen zur Śvetāśvatara Upaniṣad geschrieben, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass der vorliegende Kommentar zur Śvetāśvatara Upaniṣad nicht von Ᾱdi Śaṅkarācārya stammt. Dies schmälert jedoch nicht ihren Verdienst und ihr Studium hilft uns sicherlich, die Upaniṣad besser zu verstehen.

Śvetāśvatara Upaniṣad ist Teil des Yajur Veda. Sie besteht aus sechs Kapiteln und 112 Mantras. Alle Upaniṣads sind Dialoge zwischen dem Lehrer und seinen Schülern. Im letzten Kapitel dieser Upaniṣad wird erwähnt, dass der Weise Śvetāśvatara der Lehrer in dieser Upaniṣad ist und er einige hochqualifizierte Schüler unterrichtete. Mehr ist über den Hintergrund dieser Upaniṣad nicht bekannt. Śvetāśvatara scheint nicht der Name des Weisen zu sein, sondern ein ihm gegebener Titel. Śveta bedeutet weiß oder rein und aśva ist ein Pferd, das unsere Sinne symbolisiert. Śvetāśvatara bedeutet jemand, der mit reinen Sinnen ausgestattet ist.

Wir mögen uns fragen, wie die Sinne rein oder unrein sein können. Der Geist, der Vorlieben und Abneigungen für Sinnesobjekte hegt, wird als unrein bezeichnet. Zum Beispiel kann man Schokolade lieben und Grünzeug nicht mögen. Wie ungebremste und ungezähmte Pferde ist der von Vorlieben und Abneigungen getriebene Geist unkontrolliert, während wie bei den gut disziplinierten Pferden die kontrollierten Sinne und der Geist die Reise des Lebens angenehm und freudvoll machen. Der Name soll darauf aufmerksam machen, dass Śvetāśvatara ein weiser Mann war, der volle Kontrolle über seine Sinne und seinen Geist hatte.

Die Besonderheit dieser Upaniṣad ist, dass viele ihrer Mantras im Saṁhitā -Teil der Veden zu finden sind, wo sich ihre Bedeutung auf die Durchführung von Ritualen bezieht. Es enthält auch viele Mantras aus anderen Upaniṣads. Auch die Brahma Sūtras, die von Bhagavān Veda Vyāsa verfasst wurden, um die wahre Bedeutung der Veden zu offenbaren, kommentieren viele der Mantras dieser Upaniṣad. Alles in allem ist es eine erhabene und schöne Upaniṣad.

Shanti Mantra

Traditionell beginnen wir das Studium einer Upaniṣad mit dem Singen einer Friedensanrufung sowohl durch den Guru als auch durch die Schüler.

ॐ सह नाववतु। सह नौ भुनक्तु। सह वीर्यं करवावहै। तेजस्वि नावधीतमस्तु। मा विद्विषावहै॥ ॐ शान्तिः शान्तिः शान्तिः॥

om saha nāvavatu, saha nau bhunaktu, saha vīryaṁ karavāvahai, tejasvi nāvadhītamastu, mā vidviṣāvahai. om śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ.

ॐ - Om; सह नौ - wir beide; अवतु - möge (Er) beschützen; सह नौ - wir beide; भुनक्तु - möge (Er) uns genießen lassen; सह वीर्यं करवावहै - möge (wir) uns anstrengen; तेजस्वि - brillant sein; नौ अधीतम् अस्तु - möge unser Studium sein; मा विद्विषावहै - möge (Er) sich niemals missverstehen; शान्तिः - Frieden; शान्तिः - Frieden

Om! Möge Er uns beide (den Guru und den Schüler) beschützen. Mögen wir beide (das Wissen) genießen. Mögen wir beide uns (dafür) anstrengen. Möge unser Studium brillant sein. Mögen wir uns niemals missverstehen. Möge Frieden sein. Möge Frieden sein. Möge Frieden sein.

Om: Es ist der universelle Name Gottes/Wahrheit und ist daher ein verheißungsvoller Klang, der gesungen wird, um Verheißungen und den Segen Gottes herbeizurufen. Das Gedenken an Gott/Wahrheit macht alle Unternehmungen segensreich und erfolgreich.

Der Guru und die Schüler chanten gemeinsam die Friedensanrufung, wohl wissend, dass im Glück der anderen unser eigenes Glück liegt. Die Gebete der Veden wurden immer für Frieden und Glück für alle gesungen.

Das Gebet: Sie beten gemeinsam - Möge Gott/Wahrheit uns beschützen (avatu) und uns nähren (bhunaktu), so wie eine Mutter das Kind vor Schaden bewahrt und es mit Nahrung nährt. Mögen wir gesund bleiben, damit der Lernprozess erfolgreich ist. Möge Er auch unser Wissen beschützen und es mit tieferem Verständnis nähren. Möge der Guru Freude am Lehren und der Schüler Freude am Lernen haben. Möge das Studium nie mühsam und langweilig werden. Auf einer Uhr im Klassenzimmer standen die Worte: "Diese Uhr wird niemals gestohlen werden, da die Schüler sie ständig bewachen. Mögen wir den Prozess des Lernens und auch seine Ergebnisse genießen. Im Fall der Selbsterkenntnis ist das Ergebnis höchste Glückseligkeit. Mögen wir beide in der höchsten Glückseligkeit schwelgen. Für solch eine große Belohnung müssen sowohl der Guru als auch die Schüler Anstrengungen unternehmen. Mögen wir mit Geduld und Beharrlichkeit studieren.

tejasvi nau adhītam astu - Möge das, was wir lernen, hell und glänzend sein: Möge es uns in Momenten der Not dienen und mögen wir uns daran erinnern, wenn wir Situationen im Leben begegnen. Helles Wissen ist jenes, das in die Tat umgesetzt wird. Es sollte leuchten und nicht von Begierden, Gier und dergleichen überwältigt werden. Das Wissen sollte hell genug sein, um die Dunkelheit der Unwissenheit vollständig zu beseitigen.

mā vidviṣāvahai - Mögen wir einander nicht ablehnen: Mögen der Guru und der Schüler einander niemals missverstehen oder negative Gefühle füreinander hegen. Möge das Lernen in einer Umgebung von gegenseitiger Liebe und Respekt geschehen.

śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ - Es möge Frieden sein: Möge es keine Hindernisse aus den unbekannten oder bekannten Quellen, den ungesehenen oder gesehenen Quellen oder aus dem Inneren geben. Lasst Frieden sein in der Welt, in der äußeren Umgebung und in unserem eigenen Geist.

1. Kapitel Shvetashvatara Upanishad mit Kommentar Swami Tejomayananda

Es war einmal in einer Einsiedelei (āśrama), da gab es eine Gruppendiskussion unter Wahrheitssuchern. Das Thema der Diskussion war die letzte Ursache der Welt.

हरिः ॐ॥ ब्रह्मवादिनो वदन्ति - किं कारणं ब्रह्म कुतः स्म जाता जीवाम केन क्व च सम्प्रतिष्ठाः। अधिष्ठिताः केन सुखेतरेषु वर्तामहे ब्रह्मविदो व्यवस्थाम्॥ १॥

hariḥ om. brahmavādino vadanti - kiṁ kāraṇaṁ brahma kutaḥ sma jātā jīvāma kena kva ca sampratiṣṭhāḥ, adhiṣṭhitāḥ kena sukhetareṣu vartāmahe brahmavido vyavasthām. (1)

हरिः ॐ - Hari Om; ब्रह्मवादिनः - diejenigen (spirituellen Sucher), die über die Wirklichkeit diskutieren; वदन्ति - fragen; किम् - was (ist); कारणम् - die letztendliche Ursache (dieser Welt); ब्रह्म - die Wirklichkeit/Brahman; कुतः - von wo; जाता स्म - sind wir gekommen; जीवाम - leben wir; ken - durch was; क्व - wo; च - und; सम्प्रतिष्ठाः - existieren wir oder ruhen wir (nach dem Tod); अधिष्ठिताः - regiert; केन - von wem; सुख-इतरेषु - in Bezug auf Glück und sein Gegenteil (Kummer); वर्तामहे - folgen; ब्रह्मविदः - O Wissende der Wirklichkeit; व्यवस्थाम् - das Gesetz oder die Regel

1. Diejenigen (spirituellen Sucher), die über die Wirklichkeit diskutieren, fragen: "Was ist die letzte Ursache (dieser Welt)? Ist es die Wirklichkeit/Brahman? Woher sind wir gekommen? Wie leben wir? Wo existieren wir oder gehen wir nach dem Tod? O Wissende der Wirklichkeit! Unter wessen Leitung folgen wir der Regel bezüglich Freude und Leid?"

hariḥ om: In der Chinmaya Mission grüßen wir uns mit den Worten "Hari Om". Die Leute fragen uns oft, was das bedeutet. 'Om' ist die namenlose, formlose, attributlose Wirklichkeit/Wahrheit. Hari' ist die gleiche Wirklichkeit/Wahrheit mit Form und Attributen, die oft als Gott/Īśvara bezeichnet wird. Hari bedeutet auch derjenige, der unsere Unwissenheit, Knechtschaft und Sorgen beseitigt. Durch die Verehrung von Hari/Gott mit Form sind wir in der Lage, Om, die Wirklichkeit/Wahrheit, die formlos ist, zu erkennen, da Er unsere Unwissenheit beseitigt. Hari Om" klingt wie "eile nach Hause", was bedeutet, dass wir zu unserem ursprünglichen Aufenthaltsort - Om - dem Selbst/der Wahrheit im Inneren - zurückeilen sollten.

Die Sucher der Wahrheit fragen (brahmavādinaḥ vadanti brahmavidaḥ): Fragen, die weltliche Angelegenheiten betreffen, können von den weltlich Weisen beantwortet werden, und solche, die spirituelle Angelegenheiten betreffen, sollten an die spirituell Weisen gerichtet werden. Hier kamen die Schüler zum Guru, um Wissen über die Wahrheit zu erlangen. Diskussion über Dharma (dharma vicāra) - Pflichten, Werte, rechtes Verhalten, Verdienst und Sünde und ähnliches helfen uns zu bestimmen, wie wir ein gutes Leben führen können. Die Diskussion über die Wahrheit (brahma vicāra) hilft uns, unsere wahre Natur zu bestimmen und zu erkennen.

Ist Brahman/Wahrheit, die letzte Ursache der Welt? (kiṁ kāraṇaṁ brahma): Obwohl die Frage einfach erscheint, gibt es viele Fragen, die in ihr enthalten sind. Ist die Wirklichkeit (Brahman) die Ursache der gesamten Welt? Wenn ja, ist es die materielle Ursache oder die fühlende Ursache oder beides? Was ist Seine Natur? Wenn die Ursache etwas anderes ist als die Wirklichkeit, was ist sie dann und was ist ihre Natur? Ist die letzte Ursache der Schöpfung eine oder viele?

Wo sind wir hergekommen? (kutaḥ sma jātā): Was existierte vor der Schöpfung? Wo ist unser Ursprung? Haben wir existiert oder nicht, bevor wir in den Schoß unserer Mutter kamen?

Wie leben wir? (jīvāma kena): Was gibt uns Leben? Können es Luft, Wasser und Nahrung sein? Aber die Menschen sterben, auch wenn diese vorhanden sind. Kann das, was uns das Leben gibt und es erhält, in der Natur enthalten sein? Kann die Kombination von inerten Substanzen die Erschaffung von Leben bewirken? Werden Wissenschaft und Technik es uns ermöglichen, Leben im Labor zu erschaffen? Kaṭhopaniṣad sagt, dass der Mensch nicht nur durch das Ein- und Ausatmen (Atmen) lebt, sondern durch etwas anderes, von dem diese beiden abhängen.

Wohin gehen wir nach dem Tod? (kva ca sampratiṣṭhitāḥ): Was ist unser endgültiger Ruheort? Sind wir aus dem Staub gekommen und gehen wieder zum Staub zurück? Das mag der Bestimmungsort unseres Körpers sein, aber was ist mit dem Leben, das ihn aufrechterhält? In was geht die Schöpfung schließlich auf?

Unter wessen Leitung folgen wir der Regel bezüglich Freude und Leid? (adhiṣṭhitāḥ kena sukhetareṣu vartāmahe vyavasthām): Welches ist das Gesetz, das unsere Freude und unseren Kummer regiert? Welches ist die Macht, die über unsere Handlungen und deren Ergebnisse herrscht, die uns glücklich und unglücklich macht? In jedem gegebenen Land muss man sich an die Gesetze seiner Verfassung halten. Sogar die Gesetzgeber sind diesen Gesetzen unterworfen. Aber können von Menschen gemachte Gesetze unsere Existenz, unsere Freuden und Sorgen oder unsere Natur regieren? Regiert etwas in uns unsere Freude und unseren Kummer oder ist es ein äußerer Faktor? Genießt dieser Faktor einen höheren Stellenwert (adhika sthāna = adhiṣṭhāna) oder eine längere Existenz (adhika sthiti = adhiṣṭhitā)?

Sind wir unabhängig im Erzeugen oder Erhalten von Freude und Leid? Wenn dem so wäre, würden wir niemals unglücklich sein und immer glücklich sein. Da wir nicht unabhängig sind, wovon sind wir dann abhängig?

Im Allgemeinen haben die Menschen fertige Antworten auf all diese Fragen. Wir werden aus dem Schoß der Mutter geboren, die Nahrung erhält uns, zum Staub kehren wir zurück und wir werden von den Gesetzen des Landes regiert. Sie glauben, dass es Zeitverschwendung ist, weiter über solche Fragen nachzudenken und dass wir unsere Aufmerksamkeit auf wichtigere Dinge wie unsere Karriere und Beziehungen richten sollten.

Oberflächliche Antworten mögen einige befriedigen; aber Sucher der Wahrheit werden tiefer nachforschen und studieren und diskutieren, forschen und nachdenken, fragen und beharren, bis sie die Wahrheit finden. Solche sind die Schüler dieser Upaniṣad.

Jede Wirkung muss eine Ursache haben. Die Ursachensuche ist eine natürliche Beschäftigung des Menschen. Auch hier suchen spirituelle Sucher wie Wissenschaftler nach der letzten Ursache der Welt. Wie die Süße im Kandiszucker, spiegelt sich die Natur der Ursache in der Wirkung wider. Die Studenten dachten daher, dass die Wahrheit (Brahman) nicht die letzte Ursache sein kann. Wie kann die sich niemals verändernde Wahrheit die Ursache für diese sich ständig verändernde Welt sein? Wie kann die nicht-duale und absolute Wahrheit die Ursache für all die Vielfalt und Endlichkeit in dieser Welt sein? Die Studenten begannen daher, andere Möglichkeiten zu untersuchen.

कालः स्वभावो नियतिर्यदृच्छा भूतानि योनिः पुरुष इति चिन्त्या। संयोग एषां नत्वात्मभावादात्माप्यनीशः सुखदुःखहेतोः॥ २॥

kālaḥ svabhāvo niyatir-yadṛcchā bhūtāni yoniḥ puruṣa iti cintyā, saṁyoga eṣāṁ natvātmabhāvād-ātmāpyanīśaḥ sukhaduḥkha-hetoḥ. (2)

कालः - die Zeit; स्वभावः - die innewohnende Natur; नियतिः - das Gesetz (des Karma); यदृच्छा - der Zufall; भूतानि - die (fünf) Elemente; योनिः - die Ursache; पुरुषः - das intelligente Wesen; इति - also; चिन्त्या - die Notwendigkeit, sich zu vergewissern; संयोग - Kombination; एषाम् - von diesen; न - nicht; तु - aber; आत्मभावात् - wegen der Existenz des individuellen Selbst; आत्मा - das individuelle Selbst; अपि - auch; अनीशः - nicht unabhängig; सुखदुःखहेतोः - Freude und Leid unterworfen sein

2. Die Zeit, die innewohnende Natur, das Gesetz (des Karma), der Zufall, die (fünf) Elemente, die Intelligenz - weder diese noch eine Kombination von ihnen können als die letzte Ursache (der Welt) festgestellt werden, weil es das individuelle Selbst gibt, aber das individuelle Selbst kann auch nicht die Ursache (der Welt) sein, da es Freude und Leid unterliegt.

Die verschiedenen Faktoren, die als die letztendliche Ursache der Welt angesehen werden können, werden diskutiert. Jeder wird auf der Basis von 'ātmabhāva' abgelehnt. Auch die Kombination vieler Ursachen ist aufgrund von 'ātmabhāva' als letzte Ursache nicht haltbar.

Das Wort 'ātmabhāva' hat drei Bedeutungen:

Die oben genannten Faktoren können aufgrund ihrer 'Identität oder Einheit mit der Welt' (ātmabhāva) nicht die letzte Ursache sein. Sie sind ein Teil der Welt. Diese Faktoren entstehen und sind der Veränderung unterworfen (ātmabhāva). Neben diesen Faktoren gibt es noch einen anderen Faktor, das individuelle Wesen oder Selbst (ātmabhāva). Die Relevanz dieser Logik wird deutlich, wenn wir in unserer Analyse fortfahren.

Das Wort 'Yoni' kann Ursache oder Energie bedeuten. Wenn wir es für die Ursache halten, dann verbindet es sich mit jedem Faktor wie kāla yoni, svabhāva yoni... Manche halten es für Energie; dann wird es zu einem weiteren Faktor wie Zeit oder innewohnende Natur. Da jedoch Materie und Energie ineinander überführbar sind, werden sie von manchen Menschen unter Materie (bhūtāni) zusammengefasst. Nun untersuchen wir die einzelnen Faktoren.

Die Zeit (kāla) ist nicht die letzte Ursache: Die Zeit scheint ewig zu sein, da alles in der Zeit geschieht. Der Same wird zu einer bestimmten Zeit gesät und keimt zu seiner eigenen Zeit. Manche haben das Gefühl, dass sie schlechte Zeiten durchmachen und hoffen, dass ihre Probleme gelöst werden, wenn die richtige Zeit kommt. Die Zeit scheint alles zu verursachen und zu steuern. Aber ist sie die alleinige Ursache oder der regierende Faktor oder einer der Faktoren? Das Bewusstsein der Abfolge von Ereignissen (krama saṁvit) lässt das Konzept der Zeit entstehen. Ohne Ereignisse, die im Raum stattfinden, würde die Zeit nicht existieren. Daher ist sie nicht unabhängig. Auch die Zeit ist ein Teil der Schöpfung, deren Ursache Gegenstand unserer Untersuchung ist.

Außerdem erscheint, verändert und verschwindet die Zeit auch. Das Erleben der Zeit ist oft subjektiv, ist in verschiedenen Zeitzonen unterschiedlich und wird unterschiedlich gemessen. Im Tiefschlafzustand gibt es überhaupt kein Konzept von Zeit. Wenn die Zeit selbst geschaffen ist, wie kann sie dann die Ursache der Schöpfung sein?

Die dritte Bedeutung von ātmabhāva, die sich auf die Existenz einer Entität bezieht, die sich der Zeit bewusst ist, ist auch hier anwendbar. 'Ich' bin mir der Zeit bewusst. Ich existiere vor der Zeit und kenne den Ablauf der Zeit. Da die Zeit also abhängig, vergänglich, endlich und bekannt ist, kann sie nicht die letzte Ursache der Welt sein.

Die innewohnende Natur (svabhāva) ist nicht die letzte Ursache: Svabhāva ist die wesentliche Natur eines Dings. Es ist die einzigartige Eigenschaft einer Sache, die sie zu dem macht, was sie ist. Hitze ist die inhärente Natur des Feuers und der Sonne. Scheint nicht diese inhärente Natur das Objekt zu erschaffen - es zu dem zu machen, was es ist?

Svabhāva als die Ursache wird auch aufgrund von ātmabhāva widerlegt. Das Objekt und seine essentielle Natur koexistieren und sind untrennbar. Aber durch die Theorie von Ursache und Wirkung existiert die Ursache vor der Wirkung. Auf der anderen Seite existiert die inhärente Natur nicht vor dem Objekt und erschafft dann das Objekt. Wärme kann nicht neben dem Feuer oder vor dem Feuer existieren.

Auch die Eigenschaften von Objekten können sich ändern. Milch wird zu Joghurt, der ganz andere Eigenschaften hat. Eine sich verändernde Ursache kann nicht die letzte Ursache sein. Auch das Wesen eines Objekts ist ein Teil der Schöpfung und der Teil kann nicht die Ursache der gesamten Schöpfung sein. Das Endliche kann nicht das Unendliche verursachen.

Weiterhin sind wir uns der Eigenschaften von Objekten bewusst, was bedeutet, dass es die Präexistenz einer anderen Entität als das Objekt und seine Eigenschaft gibt. Die ultimative Ursache muss vor allem existieren und daher kann die inhärente Natur der Objekte nicht die ultimative Ursache der Welt sein.

Die Gesetze der Natur (niyati) sind nicht die letzte Ursache: Die Naturgesetze scheinen alles auf der Welt zu regeln. Feuer brennt, ein Hund bringt einen Hund zur Welt und so weiter. Auch die Ergebnisse, die wir erhalten, wenn die Gesetze gebrochen werden, werden von den Naturgesetzen bestimmt, wie z.B. Wetterveränderungen aufgrund der globalen Erwärmung, die durch Kohlenstoffemissionen verursacht wird. Aber sind sie die letztendliche Ursache?

Die Naturgesetze manifestieren sich zusammen mit den Objekten, die von den Gesetzen beherrscht werden, aber sie erschaffen sie nicht. Zum Beispiel hat das Gesetz der Schwerkraft nicht das Sonnensystem geschaffen, das von ihm beherrscht wird. Als Teil der Schöpfung existiert das Gesetz nicht vor der Schöpfung. Die Gesetze sind vielfältig und regeln verschiedene Objekte unter verschiedenen Umständen. Sie sind voneinander abhängig und nicht absolut. Weiterhin muss es einen Gesetzgeber geben, der vor dem Gesetz existierte und das Gesetz geschaffen hat, sowie einen Gesetzeshüter, der dafür sorgt, dass es funktioniert.

Niyati wird auch als Schicksal, Vorsehung oder Glück bezeichnet. Aber auch das Schicksal wird durch das Gesetz von Ursache und Wirkung bestimmt. Ein Mensch, der zu viel isst und am nächsten Tag Bauchschmerzen bekommt, mag das als sein Schicksal oder Pech bezeichnen, aber der Arzt kennt die Symptome des Überessens und die Frau sagt sie voraus. Daher können die Naturgesetze nicht die letzte Ursache der Schöpfung sein.

Die Schöpfung kann nicht durch einen bloßen Zufall (yadṛcchā) verursacht werden: Ereignisse scheinen sehr plötzlich zu passieren und die meisten Vorhersagen in der Welt gehen schief. Viele Entdeckungen werden durch Zufall gemacht und es scheint keine Logik hinter den meisten Dingen zu stecken, die in der Welt passieren. Einige Wissenschaftler postulieren einen zufälligen Urknall als Ursache.

Es scheint jedoch nicht richtig zu sein, zu denken, dass eine so gut geordnete Welt, die nach den Gesetzen der Natur abläuft, durch Zufall entstanden sein könnte. Manche sind vielleicht zu faul, um gründlich nachzudenken, und nehmen deshalb den Zufall als Ursache an. Wir sehen jedoch, dass alles dem Gesetz von Ursache und Wirkung zu unterliegen scheint. Also kann die Schöpfung nicht ursachenlos sein oder der bloße Zufall kann nicht die Ursache von irgendetwas sein, ganz zu schweigen von der letzten Ursache der Welt.

Materie (bhūtāni) und Energie (yoni) können nicht die letzte Ursache sein: Die ganze Welt setzt sich aus Energie und Materie zusammen. Einige Wissenschaftler postulieren Urmaterie, fundamentale Elemente oder vereinheitlichende Energie als Ursache der Welt. Materie und Energie sind jedoch austauschbar und voneinander abhängig. Materie und Energie sind untrennbar mit der Welt verbunden, sind ein Teil der Welt, werden geschaffen, verändern sich ständig und sind uns bekannt. Sie können daher nicht die letzte Ursache der Welt sein.

Der Intellekt (puruṣa) kann nicht die letzte Ursache sein: Das Instrument Geist-Intellekt oder die Gedanken scheinen die Ursache von allem zu sein. Die Welt existiert in unseren Gedanken, wird von ihnen aufrechterhalten und geht wieder in sie über. Alle Entdeckungen werden durch den Intellekt gemacht und alle Freuden und Sorgen werden in ihm erlebt.

Doch die Gedanken sind Teil der Schöpfung und können nicht ohne die Objekte dieser Welt existieren. Auch sie entstehen, verändern sich ständig, sind träge und werden von uns erkannt. Sie sind daher nicht die Ursache der Schöpfung.

Eine Kombination (saṁyoga) dieser Faktoren kann nicht die letzte Ursache sein: Auch wenn sie einzeln nicht die Ursache sein können, können die inhärenten Eigenschaften, die Naturgesetze, die Materie und die Energie, die zusammen diese Welt ausmachen, die Ursache für die Welt sein?

Das erscheint nicht logisch, denn die Ursache geht der Wirkung voraus. Sie müssen vor der Schöpfung existiert haben, damit sie zusammen erschaffen werden können. Auch ist eine Zusammenfügung immer für etwas anderes bestimmt als die verschiedenen zusammengesetzten Teile (saṅghātasya parārthatvāt).

Zum Beispiel wird das Auto nicht um des Motors willen zusammengebaut, der ein Teil des Autos ist, sondern für einen Fahrer oder Besitzer, eine andere Entität als das Auto. Faktoren wie Zeit, Raum, Materie oder Energie sind träge und fügen sich zu der Welt zusammen, die von einer empfindungsfähigen Entität unabhängig von ihnen erlebt wird. Was zusammenkommt, zerfällt auch wieder in der Zeit. Eine Kombination von vielen Faktoren kann nicht die eine ultimative Ursache der Welt sein.

Das individuelle Selbst (ātmā) kann nicht die letzte Ursache sein: Das Wort ātmā bedeutet hier das endliche Wesen (jīvātmā), das individuelle Selbst, die Entität, die diese Welt erlebt, und nicht das reine Selbst (śuddha ātmā). Bin ich nicht der Schöpfer meiner eigenen Welt? Kann ich das Universum erleben, wenn ich, das Individuum, nicht existieren würde? Erschaffe ich nicht meine eigenen Freuden und Sorgen?

Das Individuum wird in die Welt geboren, ist ein Teil dieser Welt, endlich, hilflos und machtlos. Wir werden zu Handlungen gezwungen, die Freud und Leid verursachen. Wir sind nicht unabhängig bei der Schaffung von Freuden und Sorgen. Wie kann ein so endliches und machtloses Wesen die letzte Ursache dieser unendlichen Welt sein?

Die Schüler sind verwirrt. Die Wahrheit/Wirklichkeit, die unveränderlich ist, kann nicht die Ursache dieser sich ständig verändernden Welt sein, und die Faktoren wie Zeit oder Materie, die endlich sind, geschaffen wurden und sich verändern, können auch nicht die Ursache sein. Da die Schöpfung existiert, muss sie eine Ursache haben. Welche kann das sein?

Jedes Wissensgebiet hat seine eigene Art des Wissens. Eine Fertigkeit wird durch Übung gemeistert und ein Gedicht wird durch Sprache und Emotionen gewürdigt. Logisches Denken und intellektuelle Diskussionen gaben den Studenten nicht die Antwort auf die letzte Ursache der Welt. Sie beschlossen daraufhin zu meditieren. Im Sitz der Meditation erkannten sie die unendliche Wahrheit/Wirklichkeit mitsamt ihrer unerklärlichen Kraft.

ते ध्यानयोगानुगता अपश्यन् देवात्मशक्तिं स्वगुणैर्निगूढाम्। यः कारणानि निखिलानि तानि कालात्मयुक्तान्यधितिष्ठत्येकः॥ ३॥

te dhyānayogānugatā apaśyan devātma-śaktiṁ svaguṇair-nigūḍhām, yaḥ kāraṇāni nikhilāni tāni kālātmayuktānyadhitiṣṭhatyekaḥ. (3)

ते - sie; ध्यानयोगानुगता - dem Pfad der Meditation folgend; अपश्यन् - sah; देवात्मशक्तिम् - die Kraft des Herrn; स्वगुणैः - durch seine eigenen Eigenschaften; निगूढाम् - verborgen; यः - wer; कारणानि - Ursachen; निखिलानि - alle; तानि - jene; कालात्मयुक्तानि - beginnend mit der Zeit bis zum individuellen Selbst; अधितिष्ठति - leitet (über); एकः - allein

3. Dem Pfad der Meditation folgend, sahen die Schüler die Kraft des Herrn, verborgen durch seine eigenen inhärenten Qualitäten, den Herrn, der allein über alle Ursachen herrscht - von der Zeit bis zum individuellen Selbst (besprochen im vorherigen Vers).

Pfad der Meditation (dhyāna-yoga): Für materiellen Erfolg müssen wir hart arbeiten. In ähnlicher Weise müssen wir uns für spirituellen Erfolg richtig anstrengen. Allerdings ist die Art der Bemühungen, um die unendliche Wahrheit zu erkennen, völlig unterschiedlich. Die Wahrheit wird erkannt, indem man dem Pfad der Meditation folgt. Auch Kaivalyopaniṣad sagt: "Erkenne die Wahrheit durch Glauben, Hingabe und das Befolgen des Pfades der Meditation." In der Meditation ziehen wir unsere Aufmerksamkeit von der Welt, dem Körper, den prāṇas (Lebenskräften), dem Geist, dem Intellekt und dem Ego zurück - und sind einfach nur. In diesem Zustand des reinen Seins offenbart sich spontan die Wahrheit und ihre Kraft.

Das Bhāgavatam beschreibt eine ähnliche Begebenheit. Obwohl er das Mahābhārata und viele Purāṇas schrieb, fühlte sich Bhagavān Veda Vyāsa nicht erfüllt. Der Weise Nārada bat ihn, über die göttlichen Sportarten des Herrn zu schreiben. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, meditierte Bhagavān Veda Vyāsa. In einem Zustand tiefer Absorption (samādhi) sah er die göttliche Kraft des Herrn und wie sie das ganze Universum erschafft.

Die göttliche Kraft von Gott/Wahrheit (devātma śakti): Dieser Ausdruck hat reiche Bedeutungsschichten. Die Schüler erkannten in der Meditation, dass es eine schöpferische Kraft hinter der ganzen Schöpfung gibt und ihr Sitz die unendliche Wahrheit ist. Die unendliche Wahrheit hat ein unendliches Potential zu erschaffen. Diese unergründliche göttliche Kraft wird māyā oder prakṛti genannt. Somit ist die unendliche Wahrheit (Brahman), die mit māyā verbunden ist, die Ursache der Welt. Sie ist somit sowohl die materielle als auch die fühlende Ursache der Schöpfung. Die verschiedenen Faktoren wie Zeit, innewohnende Natur, Naturgesetze, Materie und Energie sind Manifestationen von māyā oder Schöpfungen von māyā.

Die Beziehung zwischen Gott/Wahrheit (Brahman) und seiner Kraft (māyā): In der Tat ist diese Beziehung schwer zu verstehen. Es wird gesagt, dass die Wahrheit Eins ohne ein Zweites und attributlos ist. Wie kann es dann Wahrheit (Brahman) und māyā, seine Kraft, geben - wobei Kraft selbst ein Attribut ist? Hat māyā auch eine von Gott/Wahrheit getrennte Existenz oder ist sie eins mit der Wahrheit? Māyā kann nicht getrennt von der Wahrheit existieren, da die Wahrheit von der Natur der Existenz ist. Alles, was nicht Existenz ist, kann nicht existieren. Dann muss māyā eins mit der Wahrheit sein. Wenn dies der Fall ist, wird sie zur Wahrheit selbst. Daher kann man nicht sagen, dass māyā entweder getrennt oder eins mit der Wahrheit ist. Dann existiert sie vielleicht überhaupt nicht. Da die Schöpfung existiert, muss auch ihre Ursache, die schöpferische Kraft, existieren, und diese Kraft muss allein in der unendlichen Wahrheit existieren. Daher wird diese Kraft unergründlich (anirvacanīya) genannt und genießt eine unbeschreibliche Beziehung zur Wahrheit. Tulasīdāsa drückt es sehr schön aus, indem er sagt: "Es kann gesagt werden, dass es getrennt ist und doch nicht getrennt.

Diese Beziehung wird durch ein Beispiel deutlicher. Wenn wir sagen 'mein Buch', ist das Buch von mir getrennt und hat seine eigene Existenz. Aber meine Kraft des Hörens, Riechens oder Sprechens ist nicht von mir getrennt und kann nicht ohne mich existieren. Ich kann ohne Sprechen bleiben, aber meine Kraft zu sprechen existiert in mir und wegen mir.

Māyā wird devātma śakti genannt, da sie zu Gott/Wahrheit gehört und aufgrund von Ihm existiert. In Gott/Wahrheit schlummert diese Kraft und drückt sich als Schöpfung aus. Man sagt, dass Gott/Wahrheit der Welt vorsteht und māyā die Welt erschafft.

Vom Standpunkt der Wahrheit (Brahman) aus gesehen, existiert māyā nicht (yā mā sā māyā - das, was nicht existiert, ist māyā). Folglich ist māyā kein Attribut der Wahrheit/Brahman. Dennoch wird sie vom Standpunkt der Welt aus als die göttliche Kraft von Gott/Wahrheit bezeichnet, die in Gott/Wahrheit existiert und die Welt erschafft. Sie ist in der Tat schwer zu begreifen.

Sie ist durch ihre eigenen Eigenschaften verborgen (svaguṇair-nigūḍhām): Diese unendliche göttliche potentielle Kraft Gottes/Wahrheit bleibt durch ihren eigenen Ausdruck verborgen, der auch die Wahrheit/Brahman verschleiert, so wie die Sonne durch ihren eigenen Glanz verborgen ist. Māyā hat die Eigenschaften von Wissen (sattva), Aktivität (rajas) und Trägheit (tamas). Māyā erschafft die fünf Elemente - Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde mit ihren besonderen Eigenschaften von Klang, Berührung, Farbe, Form, Geschmack und Geruch. Diese Vielfalt in der Welt ist auf die Permutation und Kombination der drei Qualitäten und der fünf Elemente mit ihren besonderen Eigenschaften zurückzuführen. Die Schöpfung verbirgt in der Tat beides - die Kraft der māyā und die Wahrheit. Wir erleben diese faszinierende Schöpfung und nicht die Kraft und Wahrheit dahinter.

In ihrer Meditation stellten sich die Schüler die Wahrheit/Brahman als ein Rad - cakra - vor. Verschiedene Aspekte der Schöpfung sind in dieser Metapher des Rades enthalten.

तमेकनेमिं त्रिवृतं षोडशान्तं शतार्धारं विंशतिप्रत्यराभिः। अष्टकैः षड्भिर्विश्वरूपैकपाशं त्रिमार्गभेदं द्विनिमित्तैकमोहम्॥ ४॥

tamekanemiṁ trivṛtaṁ ṣoḍaśāntaṁ śatārdhāraṁ viṁśati-pratyarābhiḥ, aṣṭakaiḥ ṣaḍbhir-viśvarūpaikapāśaṁ trimārgabhedaṁ dvinimittaika-moham. (4)

तम् - Er; एकनेमिम् - mit einer Felge; त्रिवृतम् - mit drei Reifen; षोडशान्तम् - mit sechzehn Extremitäten; शतार्धारम् - mit fünfzig Speichen; विंशतिप्रत्यराभिः - mit zwanzig Verschlüssen; षड्भिः अष्टकैः - mit sechs Achtergruppen; विश्वरूपैकपाशम् - ein Gürtel oder eine Kordel, die einfach und doch vielfältig ist; त्रिमार्गभेदम् - mit drei verschiedenen Pfaden; द्विनिमित्तैकमोहम् - mit einer einzigen Verblendung, die zur Dualität führt

4. (Sie sahen) Ihn (als ein Rad), das eine Felge hat, drei Reifen, sechzehn Extremitäten, fünfzig Speichen, zwanzig Befestigungen, sechs Achtergruppen, die es stärken, einen Gürtel oder eine Schnur, der/die einfach und doch mannigfaltig ist, der/die auf drei verschiedenen Pfaden angetrieben wird, und eine einzige Verblendung (bei jeder Umdrehung des Rades), die Dualität hervorbringt (Verdienst und Sünde, die zu Glück und Leid führen).

Das Wort adhīmaḥ, das "wir wissen" am Ende des nächsten Verses bedeutet, ist auch das bestimmende Verb für diesen Vers. Es zeigt an, dass dieses Verständnis der Wahrheit aus tiefem Nachdenken und Meditation entstanden ist.

Das Rad der Wahrheit (brahma cakram): Das Rad der Schöpfung (saṁsāra-cakra) wird nach der Meditation als das Rad der Wahrheit (brahma-cakra) verstanden, da die Wahrheit allein als diese Schöpfung erscheint. Sie ist das Substrat dieser Schöpfung und ist allumfassend.

Alles in der Schöpfung ist zyklisch wie das Rad, das sich dreht, während es sich vorwärts bewegt. Tage folgen auf Nächte, der Montagmorgen-Blues kommt jede Woche, ebenso wie die Jahreszeiten, Jahre und Yugas. Galaxien rotieren und Schöpfungen lösen sich auf, um wieder aufzutauchen - alles überlagert von der unveränderlichen Wahrheit/Brahman. Wie die Jahreszeiten stirbt auch der Mensch, um immer wieder neu geboren zu werden.

Die Felge (eka nemi): Das Rad existiert innerhalb der Felge, die allein einen Abdruck auf dem Boden hinterlässt, während es sich dreht. Die Felge symbolisiert die unergründliche göttliche unendliche potentielle Kraft Gottes/Wahrheit, die den Abdruck jeder Schöpfung speichert und sich als diese Welt manifestiert. Sie wird in verschiedenen Zusammenhängen auch als māyā, prakṛti, chāyā, pradhāna, avyakta, avyākṛta oder avidyā bezeichnet.

Die drei Reifen (trivṛta): Die Räder großer Fahrzeuge haben drei Reifen, wobei jeder Reifen das Rad verstärkt und seine Drehung erleichtert. Das große Rad der Wahrheit, das die gesamte Schöpfung umfasst, ist dreifach bereift mit den drei Eigenschaften (guṇas), die die göttliche Kraft Gottes/Brahmans ausmachen. Sie sind sattva (Güte und Wissen), rajas (Aktivität) und tamas (Trägheit und Unwissenheit). Man kann sie auch als die Zeit (kāla), den Raum (deśa) und die Verursachung (kāraṇa) verstehen, die die Schöpfung regieren.

Die sechzehn Extremitäten (ṣoḍaśānta): Die runde Form eines hölzernen Rades eines Streitwagens wird aus mehreren kleineren Holzstücken hergestellt; geschnitten, geformt und zusammengefügt. Das Rad der Wahrheit hat sechzehn solcher Teile, die dieser Schöpfung Form geben. Es sind die fünf Elemente (pañca bhūtāni - Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde), die fünf Instrumente, durch die wir die Welt wahrnehmen (pañca jñānendriya - die Fähigkeit, Töne zu hören, zu berühren oder Empfindungen zu spüren, Farbe und Form zu sehen, zu schmecken und zu riechen), die fünf Instrumente des Handelns, durch die wir auf die Welt reagieren (pañca karmendriya - die Fähigkeit zu sprechen, zu greifen, sich zu bewegen, sich fortzupflanzen und auszuscheiden) und der Geist, der das innere Instrument ist, das denkt, fühlt und die anderen Instrumente koordiniert.

Die fünfzig Speichen (śatārdhārā): Die Speichen verbinden die Nabe mit dem Rand des Rades und halten dessen Form, während sie sich drehen. Das Rad der Wahrheit hat fünfzig Speichen. Sie werden auch im Kalpopaniṣad des Brahma Purāṇa beschrieben. Sie sind:

Die fünf Fehlvorstellungen (viparyaya): Es ist seltsam, aber wahr, dass unsere Missverständnisse und falschen Vorstellungen die Welt am Laufen halten. Sie können uns unsagbares Elend bescheren und werden auch als Hölle oder Naraka bezeichnet. Die fünf Fehlvorstellungen sind:

tama: Das Nicht-Selbst mit dem Selbst zu verwechseln (anātmani ātma buddhi), d.h. zu denken: "Ich bin der Körper", der aus träger Materie besteht, ist der erste Irrtum.

moha: Aus der irrigen Vorstellung vom Selbst entsteht die Faszination für die Welt der Objekte. Der Mensch wird von den acht außergewöhnlichen Kräften (aṣṭa siddhis) angezogen und hängt an ihnen, wie z.B. der Fähigkeit, sich winzig klein zu machen (aṇimā) oder der Kraft, sich sehr schwer zu machen (garimā). Der Mensch fängt an, sich an diesen Kräften zu messen und wird von ihnen getäuscht und versklavt. Das ist moha.

mahāmoha: Größere Verblendung setzt ein, wenn man die erlebte vergängliche Welt für wirklich hält (jagati satyatva buddhi) und sich an die fünf weltlichen Sinnesobjekte (Klang, Berührung, Farbe und Form, Geschmack und Geruch) und an dieselben fünf Objekte, die in den himmlischen Bereichen erlebt werden, subtiler und angenehmer anhängt.

tamisra: Es ist die Trübsal und der Zorn, der entsteht, wenn man trotz aller Bemühungen nicht in der Lage ist, die oben erwähnten zehn weltlichen und himmlischen Sinnesobjekte und die acht außergewöhnlichen Kräfte zu erlangen. Die Gītā sagt, daß Zorn aus frustrierten Wünschen (kāmāt krodho'bhijāyate) entsteht. Je intensiver das Verlangen ist, desto größer ist der Zorn, den man empfindet.

andha-tamisra: Es ist das Gefühl von Wut, Frustration, Niedergeschlagenheit und Unzufriedenheit, wenn die Vergnügungen und Kräfte verloren gehen, bevor wir uns erfüllt fühlen. Der Verlust kann sein, weil die Freuden oder Kräfte weggenommen werden oder weil wir selbst aufgrund von Krankheit oder Tod nicht in der Lage sind, sie zu genießen.

Die achtundzwanzig Behinderungen (aśakti): Wie unsere falschen Vorstellungen sind es seltsamerweise unsere Behinderungen, die uns in weltlichen Aktivitäten verwickelt halten und die Welt in Bewegung halten. Elf unserer Behinderungen hängen mit den oben erwähnten elf Instrumenten zusammen - fünf Instrumente der Wahrnehmung, fünf Instrumente der Handlungen und das innere Instrument - der Geist. Zum Beispiel können die Augen vom Grauen Star oder von Blindheit befallen sein, in Bezug auf die Sprache kann man durch Stottern oder Stummheit beeinträchtigt sein oder geistig behindert sein.

Weitere neun Arten von Behinderungen sind die Unzufriedenheiten (atuṣṭi), die das Gegenstück zu den neun Arten von Zufriedenheiten sind, die im Folgenden erwähnt werden. Hinzu kommen die acht Behinderungen (asiddhi), die den Unfähigkeiten entsprechen, die acht später aufgezählten Errungenschaften zu erreichen.

Die neun Arten der Zufriedenheit (tuṣṭi): Wie die Speichen des Rades steigen die Vor- und Nachteile, die Fähigkeiten und Behinderungen, das Verständnis und die Missverständnisse im Leben immer wieder auf und ab, während das Leben weitergeht. Die gleichen Dinge im Leben machen uns zu einer Zeit zufrieden und lassen uns zu anderen Zeiten unzufrieden zurück. Die gleichen Dinge erfüllen den einen und frustrieren den anderen. Manche sind zufrieden, indem sie Dinge sammeln, andere, indem sie auf sie verzichten. Der weltliche Mensch will materielle, emotionale oder intellektuelle Befriedigung und der spirituelle Mensch sucht geistige Befriedigung.

Menschen mögen scheinbar zufrieden sein, aber die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Zum Beispiel ist eine Person damit zufrieden, auf einem bestimmten Posten zu bleiben und lehnt eine Beförderung ab, weil eine Beförderung längere Arbeitszeiten mit sich bringen kann und sie mehr Zeit für ihre Familie aufwenden möchte, während eine andere Person eine Beförderung ablehnt, um Verantwortung zu vermeiden, und wieder eine andere, um die mit der Beförderung verbundene Versetzung zu vermeiden. Tuṣṭi wird anhand des Grundes für die Zufriedenheit wie folgt kategorisiert.

Natur (prakṛti jñāna): Manche entwickeln die Fähigkeit, die Geheimnisse der Natur zu enträtseln und sich an den Wundern der geschaffenen Welt zu erfreuen. Manche sind fasziniert vom Studium von Fächern wie Geologie, Physik oder Biochemie und verbringen Jahre in der Forschung und sind begeistert von Entdeckungen auf diesen Gebieten.

Materiell (upādāna): Manche sind von materiellen Dingen fasziniert und ziehen Befriedigung daraus, sie zu besitzen. Sie werden durch das Äußere oder das Grobe befriedigt. Zum Beispiel gibt ihnen das Tragen des Gewandes eines Entsagenden ein Gefühl der Errungenschaft, anstatt nach innerer Entsagung von Schwächen zu streben.

Zeit (kāla): Manche sind überzeugt, dass die richtige Zeit alles im Leben bringen wird, einschließlich der Befreiung. Sie begnügen sich mit dem Glauben, dass die Zeit sich um alle ihre Bedürfnisse kümmern wird und dass sie sich um nichts bemühen müssen.

Glück (bhāgya): Manche verlassen sich auf das Schicksal, das Glück oder die Vorsehung und bleiben daher zufrieden mit dem, was sie haben oder bekommen. Für sie ist die Befreiung auch wie eine Lotterie, die der Glückliche gewinnt.

Verzicht auf Objekte und Aktivitäten, weil der Erwerb von Dingen schwierig ist (ārjana doṣa): Manche fühlen sich zufrieden, nachdem sie hart gearbeitet und Dinge bekommen haben, während andere denken: "Warum nicht jetzt selbst zufrieden sein?" und sich die ganze Anstrengung für etwas ersparen, von dem man nicht sicher ist, es zu bekommen.

Der Verzicht auf Objekte oder Aktivitäten, weil die Aufrechterhaltung der erworbenen Dinge schwierig ist (rakṣaṇa doṣa): Wenn man zum Beispiel die Schwierigkeit sieht, Beziehungen aufrechtzuerhalten, würden manche lieber nicht heiraten, weil sie denken: "Ehen mögen im Himmel geschlossen werden, aber sie aufrechtzuerhalten wird meine Verantwortung sein.“

Manche Menschen sehen den inhärenten Makel in allen Vergnügungen (viṣaya doṣa): Zum Beispiel die Möglichkeit von Krankheiten, die aus dem Genuss resultieren, wie beim Rauchen von Zigaretten (bhoge roga bhayam). Der Prozess des Genießens selbst erschöpft die Lebenskraft, stumpft die Sinne ab und erschöpft die Ressourcen des Menschen. Solche Menschen sind mit dem zufrieden, was sie haben, und weigern sich, nach Objekten des Vergnügens zu streben.

saṅga doṣa: Es gibt diejenigen, die zufrieden bleiben, weil sie das Gefühl haben, je mehr man seine Wünsche erfüllt, desto mehr hängt man an den Objekten und desto mehr wachsen die Wünsche, wie wenn man Öl ins Feuer gießt. Da es unmöglich ist, alle unsere Wünsche zu erfüllen, ist es besser, sie überhaupt nicht zu verfolgen und zufrieden zu bleiben.

hiṁsā doṣa: Bei jedem Vergnügen oder Erwerb besteht die Möglichkeit, einem anderen Schaden oder Verletzungen zuzufügen, und deshalb verzichten manche Menschen darauf und bleiben zufrieden. Zum Beispiel zünden manche Menschen keine Feuerwerkskörper während der Diwali-Feierlichkeiten an, da dies anderen Wesen Schaden zufügen kann. Die neun Arten von Behinderungen, die bereits erwähnt wurden, sind die entsprechenden Gegensätze zu diesen neun Arten der Zufriedenheit.

Die acht Errungenschaften (siddhis): Die hier erwähnten Siddhis unterscheiden sich von den bekannten außergewöhnlichen Kräften (aṣṭa-Siddhis) wie aṇimā, garimā (Fähigkeit, sehr klein und schwer zu werden) und so weiter. Die Siddhis, auf die hier Bezug genommen wird, beziehen sich auf den Erwerb von Wissen, denn Wissen ist Macht. Es befähigt uns und hält diese Welt in Bewegung. Je nachdem, wie das Wissen erworben wird, werden die Siddhis kategorisiert als:

ūha (angeboren): Manche werden mit Wissen und Talenten geboren, die sie in früheren Leben erworben haben. Wunderkinder zeigen Wissen und Fähigkeiten, ohne gelehrt worden zu sein. Hastāmalakācārya hatte von Geburt an Selbsterkenntnis, ohne gelehrt worden zu sein.

śabda (Zuhören): Manche haben die Fähigkeit, das Thema nur durch Zuhören zu kennen. Sie sind vielleicht nicht einmal sehr belesen, aber das hindert sie nicht daran, schnell zu lernen, ohne die Notwendigkeit, systematisch zu studieren. Toṭakācārya, einer der vier Hauptschüler von Ᾱdi Śaṅkarācārya, erwarb, obwohl er nicht intellektuell brillant war wie viele andere Schüler, das Wissen um die Wahrheit durch bloßes Zuhören, einfachen Glauben und die Gnade des Gurus.

adhyayana (Studium): Wissen, das durch Studium und Forschung gewonnen wird. Einige lernen durch eigenes Studium und andere durch ständige Überarbeitung (abhyāsa). ādhidaivika duḥkha vighāta: Wissen, das durch das Ertragen von Bedrängnissen durch phänomenale Kräfte wie Erdbeben, Überschwemmungen usw. gewonnen wird.

ādhibhautika duḥkha vighāta: Wissen, das dadurch entsteht, dass man sich den Herausforderungen, die durch die Umstände um uns herum entstehen, wie Kritik durch andere, Verlust von Reichtum usw., freudig stellt. ādhyātmika duḥkha vighāta: Reife und Weisheit, die man durch geduldiges Durchstehen von körperlichen Beschwerden oder geistigen Aufregungen erlangt.

suhṛt prāpti (Wohlgesinnter): Ein Mentor, der uns führt und bereit ist, aus gutem Willen oder Mitgefühl zu lehren, ist schwer zu bekommen. Wenn wir Glück haben, erlangen wir Wissen von solchen Menschen oder durch einen Wohlwollenden oder Freund.

dāna (Gebühren): Wissen, das durch einen bezahlten Lehrer erlangt wird, oder Wissen, das man erhält, wenn der Lehrer mit Ihrer Gabe oder Ihrem Dienst zufrieden ist. In der heutigen Zeit ist der Erwerb von Wissen durch die Zahlung von Gebühren am weitesten verbreitet. Die zwanzig Nägel (viṁśati pratyarābhiḥ): Die Speichen werden durch Nägel und Keile an Nabe und Felge befestigt und durch Gegenspeichen verstärkt. Im Rad der Wahrheit gibt es zwanzig solcher Befestigungsmittel. Die fünf Sinnesorgane der Wahrnehmung zusammen mit den fünf Sinnesobjekten, die sie wahrnehmen, und die fünf Handlungsorgane zusammen mit ihren entsprechenden Objekten bilden zusammen die zwanzig Befestigungselemente. Sie halten uns fest an diese Welt gebunden. Zum Beispiel hält uns die Fähigkeit, verschiedene Farben mit den Augen zu sehen und verschiedene Töne mit den Ohren zu hören, an die Welt des Fernsehens gefesselt.

sechs Gruppen von acht Faktoren (ṣaḍ aṣṭaka): Unzählige Vielfalt von grob- und feinstofflichen Objekten und Wesen, Gedanken und Gefühlen bilden dieses Rad der Wahrheit. Einige von ihnen sind in acht (aṣṭakas) gruppiert: Prakṛti-aṣṭaka: Die achtfache Prakṛti besteht aus den fünf Elementen (Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde), dem Geist, dem Intellekt und dem Ego.

Dhātu-aṣṭaka: Dhātu ist das, was den Körper aufrechterhält. Der physische Körper besteht aus der äußeren Haut (carma), der inneren Haut (tvak), dem Blut (rakta), dem Fleisch (māṁsa), dem Fett (medas), den Knochen (asthi), dem Mark (majjā) und dem Samen (vīrya oder śukra).Wenn die äußere und die innere Haut (Dermis und Epidermis) als eine Einheit betrachtet werden, wird sie als sapta dhātu - sieben Faktoren - eingestuft.

Aṣṭa siddhi: Das sind die acht übernatürlichen Kräfte:

  1. aṇimā: Die Fähigkeit, winzig klein zu werden. mahimā: Die Fähigkeit, groß wie ein Berg zu werden.
  2. garimā: Die Fähigkeit, sehr schwer zu werden. laghimā: Die Fähigkeit, leicht wie eine Feder zu werden.
  3. prāpti: Die Kraft, nach Belieben jeden Ort zu erreichen. Zum Beispiel können Sanat Kumāras in einem Augenblick vom Himmel zur Erde reisen. Prāpti wird auch als die Macht verstanden, jede Welt von dort aus zu sehen, wo man sich befindet. Zum Beispiel war ein yogī, der im Sābarmatī Ᾱśrama in Ahmadabad saß, in der Lage, die genauen Details des geheimen Ortes zu nennen, an dem die Briten Mahātmā Gandhi festgehalten hatten.
  4. prākāmya: Die Fähigkeit, nach Belieben jede Form anzunehmen. Hanumāna nahm die Gestalt eines brāhmin an, als er Vibhīṣaṇa in Laṅkā zum ersten Mal traf.
  5. īśitva: Die Fähigkeit, die Kräfte der Natur zu beherrschen. In der Bibel wird erwähnt, dass Jesus einen Sturm stoppte.
  6. vaśitva: Die Fähigkeit, Menschen zu kontrollieren und zu beeinflussen.

Von Hanumāna wird gesagt, dass er all diese übernatürlichen Kräfte besaß und er benutzte sie nur, um Gott zu dienen und Sein Werk zu vollenden.

bhāva-aṣṭaka: Die vier Tugenden und die entgegengesetzten Zustände des Geistes bilden die acht bhāvas. Sie sind dharma (Rechtschaffenheit) und adharma (Unrechtschaffenheit), jñāna (Wissen) und ajñāna (Unwissenheit), vairāgya (Leidenschaftslosigkeit) und avairāgya (Mangel an Leidenschaftslosigkeit), aiśvarya (Herrschaft oder Wohlstand) und anaiśvarya (Hilflosigkeit oder Armut).

Alles in der Schöpfung - das Gute, das Schlechte und das Hässliche - sind Teil von Gott/Wahrheit. Es wird gesagt, dass die Tugenden auf der Vorderseite des Körpers Gottes erscheinen und die Laster auf seinem Rücken. Das bedeutet, wenn wir hinter Seinem Rücken gehen oder Ihn ignorieren, begehen wir ungerechte Handlungen, leben in Unwissenheit, werden übermäßig nachsichtig, hilflos und arm.

Diese acht können auch in einem breiteren Sinne verstanden werden. Zum Beispiel könnte Armut einen kleinlichen und geizigen Geisteszustand bedeuten und nicht nur den Mangel an Reichtum. Eine Person zeigte ihren Geiz, indem sie dem Herrn einen billigen Plastikstuhl statt eines Throns anbot, sogar während sie geistige Anbetung machte!

aṣṭa deva: Die acht Arten von himmlischen Wesen sind Brahmā, Prajāpati, Devatās (wie Indra, Varuṇa), gandharvas (himmlische Musiker), yakṣas (Hüter des Reichtums wie Kubera), rākṣasas (Dämonen), pitṛs (Ahnen und Mähnen) und piśācas (Ghule). Brahmā, Prajāpati und Devatās sind überwiegend sāttvika (edel). Yakṣa, gandharva und rākṣasas sind überwiegend rājasika (vergnügungssüchtig) und paiśācas sind tāmasika (unedel) in ihrer Natur.

guṇa aṣṭaka: Die acht edlen Eigenschaften sind dayā (Mitgefühl), kṣamā (Vergebung), anasūyā (frei von Eifersucht oder Schuldzuweisung), śauca (Reinheit), anāyāsa (Mühelosigkeit und Vitalität), akārpaṇya (Großzügigkeit), aspṛhā (kein Verlangen nach Sinnesfreuden) und maṅgala (Glückseligkeit oder Güte).

Eine Schnur (eka pāśa): Verlangen ist die Schnur oder der Gürtel des Rades der Wahrheit, das alles in dieser Welt bindet. Begierden sind vielfältig (viśvarūpa). Sie können sāttvika, rājasika oder tāmasika sein. Jeder wird von Wünschen getrieben und selbst edle Wünsche können sich als bindend erweisen.

Die drei Pfade (tri-marga-bheda): Das Rad der Wahrheit wird über die drei Pfade angetrieben. Einige folgen dem Pfad des Dharma (Rechtschaffenheit und edle Taten), andere dem Pfad des Adharma (Unrechtschaffenheit und unedle Taten) und wieder andere dem pfadlosen Pfad des Wissens (jñāna). Dieser letzte Pfad befreit den Menschen vom Kreislauf der weltlichen Existenz (saṁsāra) und allen Fesseln der Welt.

Die eine Ursache der beiden (dvinimitta-eka-moha): Der Grund, warum der Mensch in diesem weltlichen Zyklus immer wieder geboren wird - manchmal durch gute Handlungen (puṇya) in höhere Bereiche und manchmal durch Sünden (pāpa) in die niederen Bereiche -, ist die Verblendung (moha) - die Identifikation mit dem Körper-Geist-Verstand. Es bedeutet auch, dass diese Verblendung die Vision der Dualität hervorbringt, aufgrund derer wir die Welt als verschieden von uns sehen und die Unterscheidungen von "ich und mein" versus "du und dein" schaffen.

So wird durch die Metapher des Rades die gesamte Schöpfung beschrieben - das Unmanifeste, das Feinstoffliche und das Grobstoffliche. Die Gītā sagt: 'Welche Dinge und Wesen auch immer, die rein (sāttvika), aktiv (rājasika) oder träge (tāmasika) sind, sie wissen, dass sie von Mir ausgehen; doch nicht Ich bin in ihnen, sie sind in Mir.'

Im vorherigen Mantra wurde die Welt als ein Rad beschrieben, jetzt wird sie mit einem Fluss verglichen.

पञ्चस्रोतोऽम्बुं पञ्चयोन्युग्रवक्रां पञ्चप्राणोर्मिं पञ्चबुद्ध्यादिमूलाम्। पञ्चावर्तां पञ्चदुःखौघवेगां पञ्चाशद्भेदां पञ्चपर्वामधीमः॥ ५॥

pañca-sroto'mbuṁ pañca-yonyugravakrāṁ pañca-prāṇormiṁ pañca-buddhyādimūlām, pañcāvartāṁ pañca-duḥkhaughavegāṁ pañcāśadbhedāṁ pañca-parvām-adhīmaḥ. (5)

पञ्चस्रोतोऽम्बुम् - das Wasser von fünf Strömen enthält;
पञ्चयोन्युग्रवक्राम् - der fünf mächtige Wendungen aufgrund von fünf Ursachen hat;
पञ्चप्राणोर्मिम् - der die fünf prāṇas als die Wellen hat;
पञ्चबुद्ध्यादिमूलाम् - der den Geist, die Grundlage der fünffachen Wahrnehmung, als Quelle hat;
पञ्चावर्ताम् - der fünf Strudel hat;
पञ्चदुःखौघवेगाम् - der das fünffache Elend als die Stromschnellen hat;
पञ्चाशद्भेदाम् - der fünfzig Aspekte hat;
पञ्चपर्वाम् - die fünf Verzweigungen hat;
अधीमः - (wir) denken an.

5. Wir stellen uns Ihn als einen Fluss vor, der das Wasser von fünf Strömen enthält, der fünf große Wendungen aufgrund von fünf Ursachen hat, der die fünf prāṇas als die Wellen, den Geist - die Basis der fünffachen Wahrnehmung - als die Quelle hat, und der fünf Strudel, das fünffache Elend als die Stromschnellen, fünfzig Aspekte und fünf Verzweigungen hat.

Der große Fluss: Die Quelle aller Flüsse lässt sich bis zu den ozeanischen Gewässern zurückverfolgen und sie münden wieder in den Ozean. In ähnlicher Weise entspringt die Welt aus der Wahrheit/Brahman, die ihre eigentliche Grundlage ist, und geht wieder darin auf. Um ein Bad im Fluss zu genießen, sollten wir uns seiner Tiefe und der Strömung bewusst sein, sonst besteht die Gefahr des Ertrinkens. Flüsse haben tückische Strudel und gefährliche Kreaturen. Uns wird geraten, niemals in unbekannte Gewässer zu springen. So auch im Leben - diese Welt wird unheilvoll für unbedachte Menschen, die sich in ihr verfangen und leiden. Doch die Weisen schöpfen aus derselben Welt großes Glück.

Die Schüler meditierten und sahen die Wahrheit/Brahman als einen Fluss. Was dem Unwissenden als der Fluss der weltlichen Existenz (saṁsāra nadī) erscheint, wird von den Weisen als der Fluss der Wahrheit (brahma nadī) gesehen. Die Metapher entfaltet sich so.

pañca-sroto'mbum: Die Wasser vieler Ströme kommen zusammen, um die großen Flüsse zu bilden. Die Sinnesobjekte treten durch die fünf Sinnesorgane der Wahrnehmung - Ohren, Haut, Augen, Zunge und Nase - in uns ein.

pañca-yoni-ugra-vakrām: Die Welt besteht aus den subtilen und groben fünf Elementen - Raum, Luft, Feuer, Wasser und Luft (pañca-yoni). Wenn die Sinnesorgane der Wahrnehmung mit den Sinnesobjekten - die beide aus den fünf Elementen bestehen - in Berührung kommen, sammeln sie Kraft und werden turbulent (ugra), und das führt uns durch so manche Windung und Drehung des Lebens (vakra). Der Mensch kann sehr leicht von der Kraft seiner Sinne in die Welt des Vergnügens und des Genusses hineingerissen werden.

pañca-prāṇa-ūrmim: Wellen und Wogen entstehen, wenn das Wasser auf Hindernisse stößt und gegen das Flussufer prallt. Die fünf physiologischen Funktionen - prāṇa (Atmung), apāna (Ausscheidung), vyāna (Kreislauf), udāna (Umkehrung) und samāna (Verdauung) - sind die Wellen, die in diesem weltlichen Fluss entstehen.

pañca-buddhyādi-mūlām: Was ist die Quelle der fünf Sinne, die die Ströme sind, die diesen Fluss bilden? In der Tat ist es der Geist, ohne dessen Rückhalt die Sinne nicht funktionieren können. Wenn zum Beispiel der Geist abgelenkt ist, sieht man das Auto nicht, auch wenn die Augen offen sind und es direkt vor einem steht, und es gibt einen Unfall. Ein zerstreuter Geist hört nicht einmal, wenn man laut und deutlich angesprochen wird.

pañca-āvartām: Wenn die Ströme der Sinne stromabwärts fließen, verwickeln sie sich in die Strudel der fünf Sinnesobjekte - Töne, Berührung, Farben und Formen, Geschmäcker und Gerüche. Sie sind so verlockend, dass man leicht in ihnen ertrinkt.

pañca-duḥkhaugha-vegām: Der Fluss hat viele Stromschnellen, in denen die reißende Strömung uns leicht mitreißen kann. Die fünf Stromschnellen des Lebens sind die Sorgen, die mit den fünf Stadien des Lebens verbunden sind.

asti: Die Sorgen des Fötus, der in den beengten Verhältnissen des Mutterleibs lebt und der Mutter völlig ausgeliefert ist.

jāyate: Die Schmerzen der Geburt, die sowohl von der Mutter als auch vom Kind erlebt werden.

vardhate: Die Qualen des Wachsens. Jede Stufe des Wachstums - Säuglingsalter, Kindheit, Jugend und Erwachsensein - hat ihre eigenen Prüfungen und Mühen.

apakṣīyate: Die Mühen des Alters sind sehr offensichtlich. Debilität, Senilität, Krankheit und andere endlose Sorgen ziehen uns durch das Alter.

vinaśyatī: Der Mensch steht schließlich dem Leid des Todes gegenüber.

pañcāśad-bhedām: Die fünfzig Faktoren könnten als das Gleiche verstanden werden, von dem im früheren Mantra als den fünfzig Speichen des Rades gesprochen wurde. Die Yoga Śāstras beschreiben Cakras, die die Zentren sind, entlang derer die kuṇḍalini śakti (psychische Energie) reist, um in das Cakra auf der Oberseite des Kopfes zu verschmelzen, das Sahasrāra genannt wird. Jedes cakra wird als ein Lotos mit einer bestimmten Anzahl von Blütenblättern beschrieben. Das mūlādhāra (4), svādhiṣṭhāna (6), nābhi cakra (10), anāhata (12), viśuddha (16) und ājñā cakra (2) haben zusammen 50 Blütenblätter, die verschiedene Arten von Gedanken darstellen, die im Individuum und in der Welt vorherrschen.

pañca-parvām: Einige Flüsse werden als Verzweigungen gesehen. Einige, wie der Brahmaputra, verzweigen sich und bilden eine Deltaregion. Der Fluss des Lebens hat fünf solcher Verzweigungen: avidyā (Unwissenheit über das Selbst), asmitā (Identifikation mit dem Nicht-Selbst, die die Vorstellung des Handelns hervorruft), rāga (Vorliebe für das, was als Quelle der Freude gilt), dveṣa (Abneigung gegen das, was Kummer zu bereiten scheint) und abhiniveśa (Angst vor dem Tod). Faszinierend ist in der Tat dieser Fluss, in dem wir uns befinden.

Die Upaniṣad erklärt nun, wie wir uns in diesem Rad der weltlichen Existenz verfangen und wie wir aus ihm herauskommen können.

सर्वाजीवे सर्वसंस्थे बृहन्ते अस्मिन्हंसो भ्राम्यते ब्रह्मचक्रे।
पृथगात्मानं प्रेरितारं च मत्वा जुष्टस्ततस्तेनामृतत्वमेति॥ ६॥
sarvājīve sarvasaṁsthe bṛhante asmin-haṁso bhrāmyate brahmacakre,
pṛthagātmānaṁ preritāraṁ ca matvā juṣṭas-tatas-tenāmṛtatvam-eti. (6)

सर्वाजीवे - das, in dem alle Wesen leben oder existieren; सर्वसंस्थे - das der Ort der Auflösung aller Wesen ist; अस्मिन् बृहन्ते ब्रह्मचक्रे - in diesem großen Rad der Wahrheit/Brahman; हंसः - das individuelle Wesen; भ्राम्यते - wandern; पृथक् - trennen; आत्मानम् - selbst; प्रेरितारम् - die bewegende Kraft oder Steuerung; च - und; मत्वा - unter Berücksichtigung; जुष्टः - gesegnet; ततः - dann; तेन - durch Ihn; अमृतत्वम् - Unsterblichkeit; एति - erlangt.

6. Der jīva (individuelles Wesen), der sich selbst als getrennt und verschieden von dem Herrn betrachtet, der die bewegende Kraft ist, wandert im Rad der Wahrheit/Brahman, in dem alle Wesen leben und ruhen. Von Ihm gesegnet und sich selbst als eins mit dem Herrn wissend, erlangt der jīva Unsterblichkeit. Dank der Kraft der māyā erscheint die Wahrheit/Brahman als dieses gesamte Universum. So sind auch die Individuen, Sie und ich, nichts anderes als die Wahrheit. In Unkenntnis unserer wesentlichen Natur drehen wir uns in diesem Rad der weltlichen Existenz.

Haṁsa: Das Wort 'haṁsa' hat viele Bedeutungen. Einer, der umherwandert, wird haṁsa genannt (hanti gacchati iti haṁsaḥ). Die Sonne wird so wahrgenommen, dass sie sich vom östlichen zum westlichen Horizont bewegt, daher wird sie haṁsa genannt. Der Schwan bewegt ständig seine Beine, nimmt Tanzhaltungen ein und wird deshalb haṁsa genannt. Es wird gesagt, dass der Schwan die besondere Fähigkeit hat, Milch und Wasser zu trennen. Daher wird jemand, dessen Intellekt zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst unterscheiden kann, auch haṁsa genannt. Einige Mönchsorden der Hindus werden haṁsa oder paramahaṁsa genannt. Der wandernde Mönch wird auch paramahaṁsa parivrājaka genannt. Einer, der erkannt hat 'Ich bin (aham) diese Wahrheit (saḥ)', wird auch paramahaṁsa genannt. Hier bedeutet haṁsa den jīvātmā, das endliche Individuum, wie es in dieser Welt umherwandert und sich mit verschiedenen Körpern identifiziert, ein Mensch oder ein Tier oder ein himmlisches Wesen wird.

Bṛhante: Das Wort Brahman/bṛhante kommt von 'bṛhat', was das unbedingte und uneingeschränkte 'Große' bedeutet. Daher bedeutet bṛhante oder Brahman das Unendliche. Das Rad von Brahman (brahma-cakra) ist unendlich. Alle Lebewesen (sarvājīve) und trägen Objekte existieren und verschmelzen wieder in der unendlichen Wahrheit (sarva-saṁsthe). Warum wandert dann das Individuum und leidet? Es liegt daran, dass wir, die Individuen, denken, wir seien getrennt (pṛthak) von der unendlichen Wahrheit/Gott, der die motivierende Kraft (preritāram) hinter diesem gesamten Universum ist. Dieser Gedanke, getrennt und anders zu sein, gibt uns das Gefühl, endlich, hilflos und der Welt ausgeliefert zu sein. Der Einzelne wird auch zum Ausführenden von Handlungen und zum Genießer oder Leidtragenden der Ergebnisse. Der Pfad der Hingabe befürwortet, dass wir Gott/Wahrheit dienen und verehren. Da der Herr darüber erfreut ist, schenkt Er Seine Gnade (tena īśvareṇa jīvaḥ juṣṭaḥ) und das Individuum erlangt Unsterblichkeit (amṛtatvam eti), da es eins mit dem Herrn wird.

Gemäß dem Pfad der Erkenntnis, wenn das Individuum sein Einssein mit der unendlichen Wahrheit (ahaṁ saḥ) verwirklicht, hört es auf, das hilflose und umherirrende endliche Wesen (haṁsa) zu sein und verwirklicht seine unsterbliche Natur (amṛtatvam eti). So werden die Fragen der Jünger im ersten Mantra beantwortet. Die unendliche Wahrheit mit ihrer unergründlichen göttlichen Kraft ist die letzte Ursache dieser Welt. Die unendliche Wahrheit allein erscheint als diese Schöpfung aufgrund dieser Kraft und regiert sie auch. Wir gehen aus der Wahrheit hervor, werden von Ihr erhalten und kehren zu Ihr zurück. Bis wir unser Einssein mit Ihr erkennen, wandern wir umher, identifizieren uns mit dem Körper und leben als endliche Individuen. Wenn wir Gott/Wahrheit verehren oder unser Einssein verwirklichen, erlangen wir Unsterblichkeit.

Was ist die Ursache der Befreiung?

उद्गीतमेतत्परमं तु ब्रह्म तस्मिंस्त्रयं सुप्रतिष्ठाक्षरं च।
अत्रान्तरं ब्रह्मविदो विदित्वा लीना ब्रह्मणि तत्परा योनिमुक्ताः॥ ७॥
udgītametat-paramaṁ tu brahma tasmiṁs-trayaṁ supratiṣṭhākṣaraṁ ca
atrāntaraṁ brahmavido viditvā līnā brahmaṇi tatparā yoni-muktāḥ. (7)

उद्गीतम् - verkündet; एतत् - dies; तु - wahrlich; परमं ब्रह्म - höchste Wahrheit/Brahman; तस्मिन् - darin; त्रयम् - die Triade; सुप्रतिष्ठा - existieren; अक्षरम् - unvergänglich; च - und; अत्र - hier; अन्तरम् - die innere Essenz; ब्रह्मविदः - die Wissenden der Wahrheit/Brahman; विदित्वा - das Verstehen; लीनाः - (sie) werden verschmolzen; ब्रह्मणि - in Brahman oder die Wirklichkeit; तत्पराः - darin versunken bleiben; योनिमुक्ताः - (werden) frei von Geburt (befreit).

7. Dies wird als wahrhaft die höchste Wahrheit/Brahman verkündet. In ihm existiert die Triade. Sie ist die feste Stütze und ist unvergänglich. Die Wissenden der Wahrheit/Brahman, die ihr inneres Wesen verstehen und darin versunken bleiben, gehen in der Wahrheit/Brahman auf und werden frei von Geburt.

udgītam-etat paramaṁ tu brahma: Die Weisen und die Heiligen, sie alle sprechen von der höchsten Wahrheit und ihrer Größe. 'Die Veden (Schriften) erklären die Erhabenheit der Wahrheit/Brahman.'

tasmins-trayaṁ supratiṣṭhitā akṣaraṁ ca: Die höchste Wahrheit ist das unvergängliche Substrat dieser vergänglichen Welt der Namen und Formen.

Es gibt viele Triaden - zusammenhängende Dreiergruppen - die in der Welt gesehen werden. Auf der individuellen Ebene gibt es den Erfahrenden - erlebten Gegenstand - Erfahrung (bhoktā-bhogya-bhoga), den Wissenden - Wissenden - Wissen (pramātā-prameya-pramā), den Wach-Traum-Tiefschlaf-Zustand (jāgrat-svapna-suṣupti), den Wach-Träumer-Tiefschlafenden (viśva-taijasa-prājña) und so weiter.

Auf der Ebene der Totalität gibt es den Schöpfer-Erhalter-Zerstörer (Brahmā-Viṣṇu-Maheśa), das Totale Grobstoffliche-Totale Feinstoffliche-Totale Kausalwesen (Virāṭ-Hiraṇyagarbha-Īśvara), die drei Qualitäten von prakṛti (sattva-rajas-tamas) und so weiter. Die Wahrheit durchdringt (aśnute iti akṣaram), unterstützt und erhellt alle diese dreifachen Faktoren dieser Welt.

atra antaraṁ brahmavido viditvā: Auch wenn der Goldschmied verschiedene Formen, Größen und Designs von Goldornamenten herstellt, kauft er das Rohmaterial und verkauft es zum Preis des Goldes. Das Gold wird weder geschaffen noch zerstört, wenn sich die Formen ändern. Gold allein ist die Essenz des Ohrrings, Nasenrings oder Fußkettchens.

'Jedes Objekt hat Existenz, Bewusstsein, Glückseligkeit, Name und Form (mit Eigenschaften). Die drei erstgenannten sind seine unveränderliche Essenz, die Wahrheit/Brahman und die beiden letzteren gehören zur sich verändernden Welt und sind illusorisch.' Wir brauchen nicht im siebten Himmel nach der Wahrheit zu suchen. Sie ist genau hier (atra) und jetzt verfügbar. Innerhalb des Groben ist die subtile Essenz vorhanden. Die Wahrheit ist im Innern (antara) als das eigentliche innere Selbst des Suchenden zu verwirklichen.

līnā brahmaṇi tatparāḥ yonimuktāḥ: Diejenigen, die die Wahrheit als das höchste Ziel allein (tatparā) betrachten, werden ständig mit einem wachen und fokussierten Geist (tatpara) über sie meditieren. Sie verschmelzen schließlich in der Wahrheit und werden vom Kreislauf von Geburt und Tod befreit und müssen nie wieder in den Schößen verschiedener Arten wiedergeboren werden.

Begriffe wie "Verschmelzung" und "Befreiung" können durch Beispiele aus dem täglichen Leben verstanden werden. Wenn eine Person einschläft und zu träumen beginnt, können wir sagen, dass der Wachende mit dem Träumenden "verschmilzt". Wenn er aufwacht, können wir sagen, dass er von der Traumwelt und dem Traumkörper, den er angenommen hat, "befreit" ist. Normalerweise sprechen wir von solchen Erfahrungen als 'ich habe geträumt und ich bin aufgewacht' und nicht als 'Verschmelzung' und 'Befreiung'. Wenn man aus dem Alptraum erwacht, ist man erleichtert, von dem schmerzhaften Zustand des Träumers und der schrecklichen Traumwelt, der man ausgesetzt war, befreit zu sein. Stellen Sie sich die Erleichterung von jemandem vor, der zu seiner unvergänglichen Natur erwacht und erkennt, dass die Welt unwirklich ist und dass man in keinem Schoß wiedergeboren wird!


Was ist die Ursache der Knechtschaft und was ist das Wissen, das befreit?

संयुक्तमेतत्क्षरमक्षरं च व्यक्ताव्यक्तं भरते विश्वमीशः। अनीशश्चात्मा बध्यते भोक्तृभावात् ज्ञात्वा देवं मुच्यते सर्वपाशैः॥ ८॥

Saṁyuktametat-kṣaramakṣaraṁ ca vyaktāvyaktaṁ bharate viśvamīśaḥ, anīśaścātmā badhyate bhoktṛbhāvāt-jñātvā devaṁ mucyate sarvapāśaiḥ. (8)

संयुक्तम् - Kombination; एतत् - dies; क्षरम् - vergänglich; अक्षरम् - unvergänglich; च - und; व्यक्ताव्यक्तम् - das Manifeste und das Unmanifeste; भरते - nährt; विश्वम् - Universum; ईशः - der Herr; अनीशः - machtlos; च - und; आत्मा - das individuelle Wesen; बध्यते - gebunden; भोक्तृभावात् - aufgrund des Gefühls, der Genießer zu sein; ज्ञात्वा - erkannt zu haben; देवम् - der Herr; मुच्यते - befreit; सर्वपाशैः - von allen Bindungen.

8. Der Herr nährt dieses Universum, das aus einer Kombination des Verderblichen und des Unvergänglichen, des Manifesten und des Unmanifesten besteht. Solange der jīva den Herrn nicht kennt, ist er machtlos und wird durch das Gefühl, der Genießer zu sein, gebunden; wenn er aber den Herrn kennenlernt, wird er von allen Bindungen befreit.

Das Vergängliche und das Unvergängliche (kṣaram akṣaram): Der Herr/Gott nährt, erhält und schützt die ganze Welt. Die Welt wird viśva genannt, da sie sich auf viele Arten bewegt (vividhaṁ śvayati). Diese sich verändernde Welt ist eine Kombination aus dem Vergänglichen (kṣara) und dem relativ Unvergänglichen (akṣara). Der Körper verändert sich ständig - alte Zellen sterben ab und es werden ständig neue Zellen gebildet. Das Individuum jedoch bleibt ein Leben lang in diesem Körper. Beide werden von Gott erhalten und genährt, der die absolute unvergängliche Wahrheit ist.

Das Manifeste und das Unmanifeste (vyakta-avyaktam): Die manifeste Welt (vyakta) besteht aus den grob- und feinstofflichen Objekten oder der Materie. Sie wird von den Lebewesen durch ihre grob- und feinstofflichen Körper erfahren. Prakṛti, die unendliche potentielle Kraft des Herrn, ist unmanifest (avyakta). Sie ist die Ursache der Welt und enthält die einzelnen vāsanās oder Kausalkörper. Das Universum ist eine Kombination aus dem Manifesten und dem Unmanifesten. Das Grobstoffliche und das Feinstoffliche gehen in den kausalen Zustand über, um wieder aufzutauchen. Der absolute unmanifeste Gott/die Wahrheit ist jedoch jenseits von beidem und nährt sowohl das Grobe als auch das Subtile und die individuellen und gesamten vāsanās.

Knechtschaft: Das individuelle Selbst (jīvātmā) fühlt sich, obwohl es von Gott getragen und genährt wird, hilflos und machtlos (anīśa). Er klagt sogar darüber, gottverlassen und verwaist zu sein und keinen Meister zu haben, der ihn beschützt. Er wird von seinem zwanghaften Verlangen zu genießen (bhoktṛ-bhāvāt) gefesselt, das ihn in Handlungen hineinzieht und ihn in einen Teufelskreis von Tun und Genießen treibt.

Das Wissen um früher genossene Vergnügungen, die Objekte der Vergnügungen und die Vorstellung des Genießens veranlasst den Menschen zum Handeln. Die falschen Vorstellungen von Tun und Genießen halten uns gebunden (badhyate) und machen uns hilflos (anīśaścātmā).

Ein Mann ließ den Papagei, den er im Käfig gehalten hatte, frei, weil er dachte, dass er seine Freiheit verdiente, um zu fliegen, wohin er wollte, und in der Natur mit seinesgleichen zu sein, statt in der eingesperrten und künstlichen Umgebung einer Wohnung in Mumbai. Nach ein paar Tagen kam der Papagei jedoch sofort zurück. Er hatte sich an das spezielle Futter gewöhnt, das er im Heim bekam. Er betrat fröhlich den Käfig und ließ sich einsperren. In ähnlicher Weise sind wir durch unser Gefühl des Genießens (bhoktṛbhāvāt) gebunden.

Befreiung: Wenn der Mensch erkennt, dass "ich weder der Handelnde noch der Genießer der Ergebnisse bin", wird er von Endlichkeit, zwanghaften Wünschen, begehrenswerten Handlungen und den daraus resultierenden Freuden und Sorgen befreit. Diese Verwirklichung von Gott/Wahrheit im Inneren befreit ihn von allen Fesseln. Wie geschieht dies?

Der Einzelne muss zuerst verstehen, dass er kein Waisenkind ist. Es ist der Herr, der ihn erhält und nährt. Er beginnt, den Herrn zu verehren, und langsam wird sein Geist gereinigt und erfährt die Gnade des Herrn auf vielerlei Weise. Er wendet sich an einen Guru und lernt, dann reflektiert und kontempliert er und erkennt schließlich, dass der Herr das alles erhellende Selbst (deva) im Inneren ist. Er erkennt, dass es der Herr allein war, der ihn die ganze Zeit über erhalten hat, auch als er nicht an die Existenz Gottes glaubte oder als er Gott ignorierte oder ablehnte.

Was der Unterschied und das Einssein zwischen dem Individuum und Gott ist, wird im Folgenden erklärt.

ज्ञाज्ञौ द्वावजावीशनीशावजा ह्येका भोक्तृभोग्यार्थयुक्ता। अनन्तश्चात्मा विश्वरूपो ह्यकर्ता त्रयं यदा विन्दते ब्रह्ममेतत्॥ ९॥

jñājñau dvāvajāvīśanīśāvajā hyekā bhoktṛ-bhogyārtha-yuktā, anantaścātmā viśvarūpo hyakartā trayaṁ yadā vindate brahmametat. (9)

ज्ञाज्ञौ - allwissend und unwissend; द्वौ - die beiden; अजौ - (die beiden) Ungeborenen; ईशनीशौ - allmächtig und machtlos; अजा - die Geburtslosen (māyā); हि - allein; एका - eins; भोक्तृभोग्यार्थयुक्ता - der die Vereinigung zwischen dem Genießer und dem Objekt des Genusses bewirkt; अनन्तः - unendlich; च - und; आत्मा - das Selbst; विश्वरूपः - der Form des gesamten Universums; हि - in der Tat; अकर्ता - Nicht-Täter; त्रयम् - die drei; यदा - wenn; विन्दते - weiß; ब्रह्मम् - Brahman; एतत् - dies.

9. Die beiden (Īśvara und jīva) sind (jeweils) allwissend und unwissend, allmächtig und machtlos; beide sind ungeboren. Prakṛti oder māyā allein, ungeboren, bringt die Vereinigung zwischen dem Genießer und dem Objekt des Genusses zustande. Das Selbst (Brahman) ist unendlich, von der Form des gesamten Universums und in der Tat ein Nichttäter. Man wird befreit, wenn man die drei (Īśvara, jīva und prakṛti) als dieses Brahman erkennt.

Das frühere Mantra erklärte, wie wir durch die falschen Vorstellungen von Tun und Genießen gebunden werden und wie wir befreit werden, wenn wir Gott/Wahrheit als unser eigenes wahres Selbst erkennen. Der gleiche Gedanke wird hier erklärt, aber auf eine andere Weise.

Ich und Gott: Ich, das Individuum (jīva) ist endlich - mit wenig Wissen (ajña) und wenig Kraft (alpaśaktimān), unwissend über meine wahre Natur (ajña) und hilflos und abhängig von der Welt (anīśa). Gott (Īśvara) hingegen ist unendlich - allwissend (sarvajña) und allmächtig (sarvaśaktimān), immer vereint mit Seiner unendlichen Natur (jña) und der Herr von allem (īśa).

Da er ein Teil Gottes ist, hat das Individuum Seine Eigenschaften, aber in geringem Maße. Deshalb wünscht er sich, mehr zu wissen, seine Macht zu vergrößern und über andere zu herrschen. Er möchte, dass andere auf ihn hören und seine Befehle ausführen. Er verhält sich wie ein Mini-Lord über seine Mini-Welt. Allerdings wird sein Wissen oft vergessen oder verfälscht, seine geistige und körperliche Energie kann verkümmern und er kann von seiner Machtposition entthront und sogar von anderen, denen er befohlen hat, versklavt werden. Auf der anderen Seite nimmt Gottes Wissen, Macht oder Herrschaft niemals ab.

Das Individuum besitzt in jeder Geburt einen Körper, den es als sein Selbst (dehātmā) betrachtet, während Gott sich mit allen Körpern (sarvātmā) identifiziert. Aber beide sind ungeboren. Wer hat schon die eigene Geburt miterlebt? Von der Geburt in diesem Körper wird uns nur von anderen berichtet. Und wie kann der Teil vor dem Ganzen existieren, um die Geburt des Ganzen/Gottes zu sehen? Wie kann das Individuum vor dem Ganzen/Gott existieren? Gott hat kein Geburtsdatum (Seine Inkarnation in einer bestimmten Form, die Er annimmt, mag an einem bestimmten Tag gefeiert werden!). Der jīvātmā oder das Individuum hat auch kein Geburtsdatum. Sein Eintritt und seine Identifikation mit einer bestimmten Form oder einem bestimmten Körper wird als Geburt seines Körpers betrachtet. Allerdings hat sich das Individuum seit anfangsloser Zeit mit verschiedenen Körpern identifiziert, also ist es tatsächlich anfangslos. Auch wenn beide ungeboren sind, weiß Gott das (jña), aber das Individuum denkt, dass es geboren ist und stirbt (ajña).

Die göttliche Kraft: Prakṛti, die göttliche Kraft Gottes, die immer in Ihm wohnt, ist ebenfalls anfangslos. Vom Herrn geleitet, vereint Seine göttliche Kraft das Individuum mit den Ergebnissen seiner Handlungen (kartā-karmaphala-yukta) und den Genießer mit den Objekten des Genusses (bhoktṛ-bhogyārtha-yukta). Alles ist die eine Wahrheit: Das Selbst (ātmā) oder höchste Selbst (paramātmā) ist jedoch unendlich (ananta) in Zeit und Raum und daher ewig und alles durchdringend. Da es die Form des gesamten Universums (viśvarūpa) hat, ist es unendlich in Bezug auf Objekte. Obwohl es unendlich ist, ist es weder das Verursachende von Handlungen (akartā) noch das Genießende der Ergebnisse von Handlungen (abhoktā). Wenn das Individuum (jīva) das Wesen von sich selbst, Gott und Seiner göttlichen Kraft erkennt, begreift es, dass sie die eine Wahrheit (Brahman) allein sind. Die Unterschiede sind nur relativ, ihr Einssein ist absolut.

Bhagavān Ramaṇa Maharṣi sagt: 'Alle Philosophien beginnen mit der Benennung der Prinzipien des Individuums, der Welt und des Höchsten. Diese drei Faktoren existieren, solange es die Vorstellung des 'Ich' gibt. Sie verschmelzen zu einem, wenn der Ich-Gedanke nicht vorhanden ist.' Alle Nachforschungen über die Wahrheit beginnen mit diesen dreifachen Faktoren. In der Tat beginnt sie mit mir und der Welt. Dann stellt sich die Frage: "Wer hat mich und diese Welt erschaffen? So beginnt die Befragung über Gott als den Schöpfer. Wenn wir über ihre Essenz - ihre wahre Natur - nachdenken, erkennen wir, dass es nur eine einzige unendliche Wahrheit ist. Sie alle gehen aus dieser unendlichen Wahrheit allein hervor. Es gibt eine andere Interpretation der Worte jña und ajña. Das individuelle Wesen, ist ein bewusstes Wesen, der Kenner seiner Welt (jña). Die Welt der Objekte ist das Bekannte und Träge (ajña). Das Individuum ist der Herr dieser Objekte, er besitzt sie oder enteignet sie. Die Objekte sind besitzend und abhängig. Prakṛti ist die Kraft, die sowohl das Individuum als auch die Welt erschafft und das Individuum in Kontakt mit der Welt der Objekte bringt. Diese drei Faktoren, das Individuum (jīva), die Welt (jagat) und die schöpferische Kraft (prakṛti), sind jedoch im Wesentlichen die eine unendliche Wahrheit (Brahman) allein.

Der Unterschied und das Einssein zwischen Gott/Wahrheit und seiner göttlichen Macht wird weiter ausgearbeitet.

क्षरं प्रधानममृताक्षरं हरः क्षरात्मानावीशते देव एकः। तस्याभिध्यानाद्योजनात्तत्त्वभावाद्-भूयश्चान्ते विश्वमायानिवृत्तिः॥ १०॥

kṣaraṁ pradhānam-amṛtākṣaraṁ haraḥ kṣarātmānāvīśate deva ekaḥ, tasyābhidhyānād-yojanāt-tattvabhāvād-bhūyaścānte viśvamāyānivṛttiḥ . (10)

क्षरम् - vergänglich; प्रधानम् - Materie oder prakṛti; अमृताक्षरम् - unsterblich und unvergänglich; हरः - der (oberste) Gott; क्षरात्मानौ - über die vergängliche Materie und das individuelle Wesen; ईशते - herrscht; देवः - Gott; एकः - einer; तस्य - Sein (Wesen); अभिध्यानात् - durch Meditation über; योजनात् - durch Vereinigung mit; तत्त्वभावात् - durch Verwirklichung; भूयः - wiederholt; च - und; अन्ते - am Ende; विश्वमायानिवृत्तिः - Beendigung der Illusion in der Form des Universums

10. Materie ist vergänglich, aber Gott/Wahrheit ist unvergänglich und unsterblich. Er, der einzige Gott, herrscht über die verderbliche Materie und die individuelle Seele (jīvātmā). Indem man wiederholt über Ihn meditiert, sich mit Ihm vereinigt und Sein Wesen verwirklicht, kommt am Ende alle Illusion (in Form des Universums) zu einem Ende.

Der Unterschied: Gottes göttliche Kraft (prakṛti) wird auch als pradhāna bezeichnet, insbesondere in der Sāṅkhya-Philosophie. 'Das, in dem alles aufbewahrt wird (zur Zeit der Auflösung und aus dem alles als Schöpfung hervorgebracht wird)' wird pradhāna genannt.

Es allein manifestiert sich als diese ganze Welt der Dinge und Wesen und ist ständig im Wandel und Vergehen (kṣara). Alles ist einem ständigen Wandel unterworfen. Veränderung kann als ein Prozess der Erneuerung oder des Alterns, als Beginn des Neuen oder als Ende des Alten, als ständige Geburt oder als immerwährender Tod betrachtet werden.

Gott/Wahrheit hingegen ist geburtslos, todeslos (amṛta) und unveränderlich (akṣara). Ausgestattet mit göttlicher Kraft (pradhāna), wird Gott/Wahrheit in der Form von Śiva - dem Verheißungsvollen - dargestellt. In diesem Vers wird Er Hara genannt - derjenige, der alles wegnimmt (harati). Er nimmt unsere Unwissenheit, Kummer und Anhaftungen weg. Er wird auch als Deva bezeichnet - das selbstverständliche Bewusstsein, das alles erhellt. Gott/Wahrheit ist eins (eka) - eins ohne ein zweites oder nicht-dual. Er kann nicht in zwei Hälften oder Viertel geteilt werden, noch kann Er hinzugefügt werden, um zwei oder drei zu werden. In den Tantra-Schriften wird die Klangsilbe (bījākṣara) 'raṁ', die das Wasserelement repräsentiert, amṛtākṣara genannt - das Unsterbliche und Unvergängliche. Gott/Wahrheit herrscht über die Natur, die Gesamtheit der Materie (pradhāna) und auch über die gesamte Schöpfung der sich ständig verändernden Dinge und Wesen (jīvātmās), die aus der grob- und feinstofflichen Materie hervorgehen.

Die Einheit: Die Unterschiede zwischen den vergehenden Dingen und Wesen und dem unsterblichen Gott/Wahrheit sind offensichtlich und erkennbar. Ihr Einssein ist jedoch subtil und absolut. Dieses essentielle Einssein wird erkannt von:

abhidhyānāt - Meditation: Sich der Wahrheit stellen und dem Bereich des Wandels den Rücken zuwenden (abhimukhena dhyānāt), sie in jeder Form, an jedem Ort und zu jeder Zeit sehen (abhito dhyānāt).

yojanāt - Vereinigung: Sich mit Ihm als dem eigenen Selbst identifizieren.

tattva-bhāvāt - Verwirklichung: Das Besitzen von Es als 'Ich bin die unsterbliche Wahrheit' (ahaṁ brahmāsmi). Diese Praxis der Meditation muss immer wieder durchgeführt werden (bhūya), bis das Ego, das alle Unterschiede erzeugt, aufhört (ante) und es zur völligen Beseitigung von māyā kommt. Das befreiende Wissen: Ramaṇa Maharṣi sagt: "Mit dem Tod des Egos erstrahlt das unendliche Selbst in seiner reinen, unberührten Herrlichkeit spontan im Herzen.

Die Beseitigung von māyā (viśva-māyā-nivṛtti): Dies kann als die totale (viśva) Eliminierung (nivṛtti) der Illusion, oder der durch Unwissenheit (māyā) geschaffenen Illusion dieser Welt, verstanden werden.

In der Verwirklichung von Gott/Wahrheit wird die Erscheinung der Welt nicht beseitigt. Wir nehmen sie weiterhin wahr und handeln in ihr, aber ohne Sinn für Realität (satyatva buddhi) und Dualität und wie in einem Film schauen wir uns diese Welt an und wissen, dass alles nur eine Erscheinung ist.

Mit der Gottverwirklichung enden die falschen Vorstellungen von Realität und Dualität (māyā nivṛtti), auch wenn die weltliche Existenz und die Erfahrung der Welt weitergehen. Aber mit dem Fall des Körpers kommt auch die weltliche Existenz zu einem totalen Ende - ein für alle Mal (viśva nivṛtti).

Es wird erzählt, dass während des Mahābhārata-Krieges Karṇas Feuerpfeile (agni-astra) Arjunas Streitwagen verbrannt hatten. Doch Śrī Kṛṣṇas Anwesenheit hielt den Streitwagen in Form und Arjuna kämpfte mit ihm weiter. Nach dem Krieg, in dem Moment, in dem Śrī Kṛṣṇa vom Wagen herabstieg, verwandelte er sich in Asche. In ähnlicher Weise brennt das Feuer der Gottverwirklichung die Unwissenheit, das Ego und die Dualität weg. Der Mensch der Verwirklichung funktioniert jedoch weiterhin durch den Körper, bis die Karmas (prārabdha), die seinen Körper aufrechterhalten, erschöpft sind.

Das Ergebnis von Meditation und Verwirklichung wird nun erklärt.

ज्ञात्वा देवं सर्वपाशापहानिः क्षीणैः क्लेशैर्जन्ममृत्युप्रहाणिः। तस्याभिध्यानात्तृतीयं देहभेदे विश्वैश्वर्यं केवल आप्तकामः॥ ११॥

jñātvā devaṁ sarvapāśāpahāniḥ kṣīṇaiḥ kleśair-janmamṛtyu-prahāṇiḥ, tasyābhidhyānāt-tṛtīyaṁ dehabhede viśvaiśvaryaṁ kevala āptakāmaḥ. (11)

ज्ञात्वा - das Erkennen; देवम् - Gott; सर्वपाशापहानिः - das Zerreißen aller Fesseln; क्षीणैः क्लेशैः - mit der Erschöpfung aller Sorgen; जन्ममृत्युप्रहाणिः - die Zerstörung (des Kreislaufs von) Geburt und Tod; तस्य - Sein (auf Ihn); अभिध्यानात् - von der Meditation; तृतीयम् - dritter (Zustand); देहभेदे - auf Zerstörung (der Identifikation mit) dem Körper; विश्वैश्वर्यम् - universelle Herrschaft; केवलः - der Einzige (Absolute); आप्तकामः - einer, dessen (alle) Wünsche erfüllt werden (selbst erfüllt)

11. Nachdem man Gott erkannt hat, sind alle Fesseln zerrissen, Unwissenheit und Sorgen sind erschöpft, und dadurch endet der Kreislauf von Geburt und Tod. Indem man über Ihn meditiert, geht man über den Körper hinaus und erreicht den dritten Zustand der universellen Herrschaft, wenn alle Wünsche erfüllt sind.

Das befreiende Wissen: Fesselung ist fiktiv. Ein Bär, der in Gefangenschaft geboren wird, gewöhnt sich daran, in einem begrenzten Bereich zu leben, und selbst wenn er aus seinem Käfig befreit wird, begreift er seine Freiheit nicht. Er fährt fort, sich in einem begrenzten Bereich zu bewegen, da er geistig immer noch im Käfig ist.

Wir mögen sagen, dass wir frei sind, aber wir alle bewegen uns in unserer endlichen Welt der Anhaftungen und sind durch unsere Gedanken begrenzt. Wir mögen behaupten, physisch, wirtschaftlich oder politisch frei zu sein, aber wir sind durch hundert Seile von Erwartungen (āśā-pāśa-śatair-baddhā), unsere Vorlieben, Abneigungen und Vorurteile und Vorstellungen von richtig und falsch gebunden. All dies entsteht aufgrund von Unwissenheit oder Identifikation mit dem Körper. Wenn diese Fesseln der Unwissenheit und der falschen Vorstellungen abgeschnitten sind, erfahren wir völlige Freiheit (niraṅkuśa svātantryam). Dieser Zustand ist in unserem gegenwärtigen Zustand nur schwer vorstellbar. Er wird erfahren, indem wir Gott/Wahrheit als unser eigenes Selbst erkennen.

Gottverwirklichung setzt allem Schmerz, Elend und Kummer (kleśa) ein Ende. Sie vernichtet alle Konflikte und Verwirrungen. Wo immer es einen Zusammenstoß (Konflikt) gibt, gibt es kleśa. Es kann ein Zusammenprall von Worten oder Meinungen sein, grob oder feinstofflich. Wo immer es eine Aktion gibt, gibt es eine Reaktion. Wo immer es eine Veränderung gibt, gibt es einen Widerstand gegen die Veränderung.

Ein gottverwirklichter Mensch hat keine Zusammenstöße mit irgendjemandem. Er streitet nicht, widersetzt sich nicht und stellt sich nicht gegen die Meinung anderer. Was hat er zu verlieren oder zu gewinnen, wenn er einen Streit gewinnt? Wenn jemand am helllichten Tag darauf besteht, dass es Nacht ist, akzeptiert er es - schließlich muss es irgendwo Nacht sein!

Unwissenheit über das Selbst (avidyā), die zur Identifikation mit dem Nicht-Selbst führt, und die Vorstellung vom Tun im Handeln (ahaṅkāra), die zu Ergebnissen führt, die wir mögen oder nicht mögen (rāga und dveṣa), sowie Ängste (abhiniveṣa) werden in den Yoga Śāstras als die fünf kleśas betrachtet. Die Gottverwirklichung setzt ihnen allen ein Ende und beendet so den Kreislauf von Geburt und Tod.

Erst wenn man vollständig begreift, dass man gebunden ist, versucht man, sich zu befreien. Wenn wir verstehen, dass die Gebundenheit fiktiv ist, hören wir auf, anderen die Schuld an unserem Kummer zu geben oder nach äußeren Lösungen zu suchen. Wir bemühen uns dann, unsere falschen Vorstellungen zu beseitigen.

Die heiligen Schriften raten uns, kontinuierlich über Gott/Wahrheit zu meditieren (abhidhyāna). Wenn wir die Wahrheit als unser eigenes Selbst erkennen, fällt die Identifikation mit dem Körper ab (deha-bheda) und wir erreichen den dritten Zustand der universellen Herrschaft (tṛtīyaṁ viśvaiśvaryam). Im Allgemeinen wird die Verwirklichung als vierter Zustand (turīya) in Bezug auf die drei Zustände von Wachen, Traum und Tiefschlaf bezeichnet. Betrachtet man Wachen und Traum als eins, so wird hier die Verwirklichung als der dritte Zustand bezeichnet. Er kann auch anders interpretiert werden. Das Bewusstsein des Körpers ist der erste Zustand, das der Welt - der zweite Zustand und das von Gott/Wahrheit - der dritte Zustand. Ᾱdi Śaṅkarācārya sagt: "Wenn die Identifikation mit dem Körper endet und das höchste Selbst verwirklicht wird, erfahren wir, wohin der Geist auch geht, den Zustand der Absorption in der Wahrheit allein.

Im Zustand der Verwirklichung werden alle Wünsche erfüllt (āpta kāma). Unsere Wünsche sind zahllos. Wenn wir versuchen, sie einen nach dem anderen zu erfüllen, wird es unmöglich sein, dies zu tun. Wenn einer erfüllt ist, taucht der andere auf wie ein Taschentuch in der Ausziehbox. Da wir das Glück allein durch die Erfüllung von Wünschen suchen, sind wir vollkommen erfüllt, wenn wir die unendliche Glückseligkeit im Inneren erfahren. Wir werden dann zu den Meistern der Welt, völlig unabhängig und frei, anstatt von der Welt versklavt zu sein und bei Objekten und Wesen um Glück zu betteln. Wir suchen nichts von der Welt und es gibt nichts mehr von der Welt zu gewinnen.

Was ist das höchste Wissen, das man erlangen kann?

एतज्ज्ञेयं नित्यमेवात्मसंस्थं नातः परं वेदितव्यं हि किञ्चित्। भोक्ता भोग्यं प्रेरितारं च मत्वा सर्वं प्रोक्तं त्रिविधं ब्रह्ममेतत्॥ १२॥

etajjñeyaṁ nityamevātmasaṁsthaṁ nātaḥ paraṁ veditavyaṁ hi kiñcit, bhoktā bhogyaṁ preritāraṁ ca matvā sarvaṁ proktaṁ trividhaṁ brahmametat. (12)

एतत् - dies; ज्ञेयम् - bekannt sein; नित्यम् - immer; एव - allein; आत्मसंस्थम् - im eigenen Herzen vorhanden; न किञ्चित् - nichts; अतः परम् - jenseits davon; वेदितव्यम् - zu wissen; हि - in der Tat; भोक्ता - der Genießer; भोग्यम् - das, was genossen wird; प्रेरितारम् - der Motivator; च - und; मत्वा - verstanden haben; सर्वम् - alle; प्रोक्तम् - erklärt werden; त्रिविधम् - die drei Formen; ब्रह्मम् - Wahrheit/Wirklichkeit; एतत् - dies

12. Diese Wahrheit (Brahman), die immer im Herzen existiert, ist allein zu erkennen; in der Tat gibt es nichts, was darüber hinaus zu erkennen ist. Der Genießer, das, was genossen wird, und der Motivator werden alle als drei Formen der Wahrheit (Brahman) allein erklärt.

'Dies' allein (etat eva): Das Pronomen 'dies' zeigt an, dass Gott/Wahrheit nicht weit weg ist ('das'), sondern direkt im Inneren erfahren wird. Gott/Wahrheit allein wird als das Selbst erkannt, alles andere wird nur als das Nicht-Selbst erfahren.

Sollte allein erkannt werden (jñeyam eva): Manche erlernen viele Künste, manche beherrschen die Wissenschaften, wieder andere zeigen verschiedene Talente oder Fähigkeiten. Es gibt kein Ende für das, was gelernt werden kann. Doch den Wissenden - das Selbst in jedem von uns - zu kennen, ist keine Option wie bei allen anderen Kenntnissen. Jeder sollte es kennen (jñeyam eva), denn Gottverwirklichung macht uns furchtlos und unsterblich. 'Ich werde euch das Wissen sagen, das man kennen sollte, wenn man Unsterblichkeit erlangt.' Nur im menschlichen Leben können wir Gott/Wahrheit erkennen, daher sollte man es kennen. 'Wenn dies nicht bekannt ist, gibt es einen großen Verlust.'

Ewig allein (nityam eva): Alles in dieser Welt verändert sich und damit auch das Wissen und Verstehen. Neue Forschungen falsifizieren alte Theorien und selbst sogenannte Fakten ändern sich mit der Zeit. Zum Beispiel hatte Cherrapunji in Indien einst die höchsten Niederschläge der Welt und jetzt hat es ein Problem mit Wasserknappheit. Gott/Wahrheit allein ist ewig und so auch die Gottverwirklichung.

In sich allein (ātmastham eva): Gott/Wahrheit ist alldurchdringend. Aber wir müssen nicht weit gehen, um die Wahrheit zu verwirklichen, da sie als unser eigenes Selbst in uns sitzt. Das Selbst allein ist die Wahrheit. Die Wahrheit ist immer als das Selbst (nitya ātmastham) verfügbar.

Es gibt nichts Größeres, das erkannt werden kann (nātaḥ paraṁ veditavyaṁ hi kiñcit): Gott/Wahrheit/Selbst ist unendlich, ewig und alles durchdringend. Es gibt nichts, was größer als die Wahrheit oder jenseits der Wahrheit ist. Sie ist das Höchste, das erkannt werden kann. Die Wahrheit zu kennen, ist das höchste Wissen, mit dem alles andere so gut wie bekannt wird und nichts mehr zu wissen ist.

Der Schüler fragt den Meister: 'Was ist das Wissen, durch das alles bekannt wird?' Oft verschwenden wir Zeit damit, unwichtige Dinge zu wissen. Wenn wir nur einen Teil unserer Zeit dem Wissen um der Wahrheit widmen, wird unser Leben erfüllt sein. Bhagavān Śaṅkarācārya schreibt in seinem Kommentar zu Gītā 7.23, daß das Ergebnis der Erkenntnis der Wahrheit unendlich ist, während das Streben nach materiellen Dingen endliche und unbeständige Ergebnisse liefert. Es ist wirklich traurig, daß der Mensch diese einfache Wahrheit nicht versteht.

All dies ist die Wahrheit (sarvam etat brahma): Die Welt ist immer für unsere Erfahrung und unseren Genuss verfügbar. Wir mögen jedoch nicht immer das bekommen, was wir genießen wollen. Jeder von uns findet den Genuss entsprechend seiner individuellen Natur, die sich in unseren Vorlieben und Abneigungen ausdrückt. Jedoch sind alle drei - der Erfahrende (bhoktā), die erfahrene Welt (bhogyam) und die individuelle oder totale Natur (prakṛti) - Gott/Wahrheit allein. Der Herr des Universums ist der Motivator (preritāram), der Wille und die Macht hinter den Individuen und der von ihnen erlebten Welt. Doch in der Essenz sind alle die Wahrheit allein. Herr des Universums ist der Motivator (preritāram), der Wille und die Macht hinter den Individuen und der von ihnen erlebten Welt. Doch in der Essenz sind alle die Wahrheit allein.

Die folgenden zwei Verse erklären sehr schön den Prozess der Verwirklichung der Wahrheit mit Hilfe der Meditation auf Omkāra.

वह्नेर्यथा योनिगतस्य मूर्तिर्न दृश्यते नैव च लिङ्गनाशः। स भूय एवेन्धनयोनिगृह्यस्तद्वोभयं वै प्रणवेन देहे॥ १३॥

स्वदेहमरणिं कृत्वा प्रणवं चोत्तरारणिम्। ध्याननिर्मथनाभ्यासाद्देवं पश्येन्निगूढवत्॥ १४॥

vahneryathā yonigatasya mūrtir-na dṛśyate naiva ca liṅganāśaḥ, sa bhūya evendhanayonigṛhyas-tadvobhayaṁ vai praṇavena dehe. (13)

svadeham-araṇiṁ kṛtvā praṇavaṁ cottarāraṇiṁ, dhyāna-nirmathanābhyāsāddevaṁ paśyen-nigūḍhavat. (14)

वह्नेः - von Feuer; यथा - wie; योनिगतस्य - wenn es (latent) in seiner Quelle liegt; मूर्तिः - Form; न - nicht; दृश्यते - gesehen; न - nicht; एव - noch; च - und; लिङ्गनाशः - Zerstörung der subtilen Form; सः - das (Feuer); भूयः - wiederholt; एव - dasselbe; इन्धनयोनिगृह्यः - durch das Reiben seiner Quelle manifestiert; तद्वा - auf dieselbe Weise; उभयम् - (wie bei) diesen beiden; वै - wahrlich; प्रणवेन - durch Oṁkāra; देहे - im Körper

स्वदेहम् - dem eigenen Körper; अरणिम् - dem (unteren) araṇi; कृत्वा - machen; प्रणवम् - Om; च - und; उत्तरारणिम् - dem oberen araṇi; ध्याननिर्मथनाभ्यासात् - durch die Aufwühlung durch die Praxis der Meditation; देवम् - der Herr; पश्येत् - sehen sollte; निगूढवत् - verborgen zu sein scheint.

13. So wie die Form des Feuers nicht gesehen wird, wenn es latent in seiner Quelle ist, und dennoch seine subtile Form nicht zerstört wird, und dasselbe Feuer durch das wiederholte Reiben seiner Quelle manifestiert werden kann, so kann auf dieselbe Weise das Selbst wahrhaftig im Körper durch das Oṁkāra verwirklicht werden.

14. Indem man den eigenen Körper zum unteren araṇi und Om zum oberen araṇi macht, sollte man durch das Reiben durch die Praxis der Meditation den Herrn sehen, der verborgen zu sein scheint.

Unmanifest zu manifestieren: Nur weil etwas nicht gesehen wird, heißt das nicht, dass es nicht existiert. Nur die Unreifen denken, dass Gott nicht existiert, weil Er nicht von den Sinnen wahrgenommen wird. Feuer (vahni) ist immanent in seiner Quelle (yoni), einem Stück Holz. Auch wenn sich Holz kalt anfühlt und nicht leuchtet, ist die subtile Form des Feuers im Holz sehr präsent. Wenn zwei Holzstücke wiederholt aneinander gerieben werden, manifestiert sich durch die entstehende Reibung das Feuer. Selbst wenn das manifeste Feuer ausgelöscht wird, wird seine latente Form nicht zerstört (naiva liṅga nāśa) und kann durch rechte Anstrengungen wieder manifestiert werden.

Auf die gleiche Weise ist Gott/Wahrheit immer direkt in uns gegenwärtig, auch wenn wir Ihn nicht sehen. Er kann durch die regelmäßige Praxis der Om-Meditation direkt verwirklicht werden. Ein sāttvika-Mensch mag die Freude des Friedens erfahren, jemand mit Hingabe erlebt die Freude der allumfassenden Liebe, aber nur durch fleißige Praxis kann man in der Glückseligkeit unserer wahren Natur verweilen. Śrī Haribābā fragte den Heiligen Acyutamuni: "Möge ich durch deine Gnade die Wahrheit verwirklichen." Der Heilige antwortete: "Sei nicht faul. Du wirst die Wahrheit durch deine eigenen Anstrengungen erkennen müssen, denn sie liegt in dir. Meditiere regelmäßig." Gott/Wahrheit ist immer im Körper gegenwärtig und wird als 'Om' symbolisiert, und deshalb kann uns Meditation helfen, Gott/Wahrheit zu verwirklichen (ubhayaṁ vai praṇavena dehe).

Om-Meditation: Das heilige Feuer, das für die Vaidika-Rituale verwendet wird, wurde traditionell durch das heftige Drehen zweier hölzerner Schalen (araṇi) entzündet, die mit Hilfe eines Stabes, der sie verbindet, übereinander gestellt wurden. Das Schütteln des Stabes mit einem Seil erzeugte eine Reibung zwischen den Schalen, die die Baumwolle und den Brennstoff im Inneren entzündete. Das Singen der Mantras während des Umwälzens der Schalen reinigte das Feuer, das dann für die Durchführung der heiligen Rituale verwendet wurde.

In der Meditation müssen wir unseren Körper als den unteren Becher (svadeham araṇiṁ kṛtvā) und Om, den Herrn/die Wahrheit als den oberen Becher (praṇavaṁ ca uttara araṇim) betrachten. In der Meditation negieren wir immer wieder - 'Ich bin nicht der grobe Körper, ich bin nicht der subtile oder der kausale Körper. Ich bin nicht der Ausführende von Handlungen, das individuelle endliche Selbst (jīva)' und behaupten - 'Ich bin die höchste Wahrheit.' Dies wird dadurch symbolisiert, dass wir beim Churning abwechselnd jedes Ende des Seils zu uns heranziehen. Diese regelmäßige Praxis von Negation und Behauptung (dhyāna nirmathana) führt zur direkten Verwirklichung von Gott/Wahrheit (devaṁ paśyet).

Der Meditationsvers von Ᾱdi Śaṅkarācārya hat diese beiden Aspekte. "Ich bin weder der Verstand, der Intellekt, das Ego noch die Erinnerungsgedanken. Ich bin auch nicht die Ohren, die Zunge, die Nase oder die Augen. Ich bin nicht der Raum, die Erde, das Feuer oder das Windelement. Ich bin tatsächlich Bewusstseins-Glückseligkeit. Die Glückseligkeit bin ich, die Glückseligkeit bin ich."

Wir können auch die Hilfe des Chantens von Om in Anspruch nehmen. Während wir chanten, müssen wir auf den Klang hören, uns dann der Stille zwischen zwei Om-Klängen bewusst werden und dann die Stille als die Stille jenseits von Klängen und Gedanken, als die unendliche Wahrheit/Gott, als eins mit unserem eigenen Selbst betrachten. Eine solche Meditation muss intensiv mit Wachsamkeit und völliger Absorption durchgeführt werden.

Das Feuer des Wissens: Das Beispiel des Feuers ist sehr passend. In Feuerritualen trägt das Feuer alle Opfergaben an den Herrn. Es führt uns auf den Pfad des Fortschritts und des Wohlstands. Es brennt immer nach oben oder führt uns höher. Das Befolgen des täglichen Feuerrituals (agnihotra) erhellt unseren Tag und befähigt uns, ein Leben der Tugend zu führen. Das Feuer ist die vorsitzende Gottheit der Sprache. Die Anrufung des subtilen Feuers durch das Chanten von Om sorgt für einen reinen und hellen Geist. Die Meditation auf Gott/Wahrheit als Om manifestiert das Feuer des Wissens, das die Dunkelheit der Unwissenheit entfernt, um die Wahrheit im Inneren zu erhellen.

Die in den beiden vorangegangenen Mantras erläuterten Prinzipien werden in den beiden folgenden Mantras durch weitere Beispiele unterstrichen.

तिलेषु तैलं दधनीव सर्पिरापः स्रोतःस्वरणीषु चाग्निः। एवमात्मात्मनि गृह्यतेऽसौ सत्येनैनं तपसा योऽनुपश्यति॥ १५॥

सर्वव्यापिनमात्मानं क्षीरे सर्पिरिवार्पितम्। आत्मविद्यातपोमूलं तद्ब्रह्मोपनिषत्परम्॥ तद्ब्रह्मोपनिषत्परम्॥ १६॥

tileṣu tailaṁ dadhanīva sarpir-āpaḥ srotaḥsvaraṇīṣu cāgniḥ, evamātmātmani gṛhyate'sau satyenainaṁ tapasā yo'nupaśyati. (15)

sarvavyāpinam-ātmānaṁ kṣīre sarpir-ivārpitam, ātmavidyā-tapomūlaṁ tadbrahmopaniṣat-param. Tadbrahmopaniṣat-param. (16)

तिलेषु - in Sesam; तैलम् - Öl; दधनि - in Joghurt; इव - wie; सर्पिः - Butter; आपः - Wasser; स्रोतःसु - in den (unterirdischen) Flüssen; अरणीषु - im Brennholz; च - und; अग्निः - Feuer; एवम् - in gleicher Weise; आत्मा - das Selbst; आत्मनि - in sich selbst; गृह्यते - wird realisiert; असौ - dies; सत्येन - durch Wahrheit; एनम् - dieser Eine; तपसा - durch Meditation; यः - einer, der; अनुपश्यति - sieht (kontinuierlich)

सर्वव्यापिनम् - alldurchdringend; आत्मानम् - das Selbst; क्षीरे - in Milch; सर्पिः - Butter; इव - wie; अर्पितम् - gesehen; आत्मविद्या-तपोमूलम् - verwurzelt in Selbsterkenntnis und Buße; तत् - das; ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); उपनिषद् - Upaniṣad; परम् - das höchste; तत् - das; ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); उपनिषद् - Upaniṣad; परम् - das höchste

15. wie Öl im Sesam, Butter im Joghurt, Wasser in den unterirdischen Flüssen und Feuer im Brennholz, wird das Selbst in sich selbst von demjenigen verwirklicht, der diese Eine Person durch Wahrheit und Meditation sieht.

16. das Selbst wird als alldurchdringend gesehen wie Butter in Milch, verwurzelt in Selbsterkenntnis und Buße; diese Wahrheit ist die höchste Upaniṣad. Diese Wahrheit ist die höchste Upaniṣad.

Das vorherige Mantra sagte, dass man die Wahrheit sehen (paśyet) sollte. Sobald die Wahrheit erkannt ist, wird sie immer gesehen (anu-paśyati). Wenn ich zum Beispiel weiß, dass das Objekt, das ich in meiner Hand halte, ein Buch ist, sehe ich es immer als solches. Es wäre unmöglich, es als eine Uhr oder einen Fernseher zu sehen. Anupaśyati könnte auch bedeuten, dass die Wahrheit, obwohl sie immer gegenwärtig ist, nur gesehen wird, nachdem (anu) wir regelmäßig meditieren.

Prozess und richtiges Instrument: Um das zu manifestieren, was bereits in einer unmanifesten Form existiert, sind ein bestimmter Prozess und spezielle Instrumente erforderlich. Sesamsamen (tila), Kokosnuss oder Erdnüsse werden gemahlen, zerkleinert und in speziellen Maschinen gepresst, um daraus Öl zu gewinnen. Milch wird zunächst zu Quark oder Joghurt verarbeitet und dann mit einem Churner gerührt, um Butter zu gewinnen. Es wird ein Brunnen gegraben oder ein Bohrloch gebohrt und das Wasser aus der unterirdischen Quelle geschöpft oder herausgepumpt. Holz wird in den araṇi gerieben, um das heilige Feuer zu entzünden. In ähnlicher Weise wird "das Selbst/die Wahrheit durch Selbsterkenntnis mit einem durch Wahrhaftigkeit, Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung gut gestimmten Körper und Geist gewonnen.

Das Öl, das potenziell in den Sesamkörnern vorhanden ist, kann nicht zum Anzünden einer Lampe verwendet werden, und die Butter in der Milch oder im Joghurt kann als solche nicht zum Kochen verwendet werden. Das Wasser in der unterirdischen Quelle kann unseren Durst nicht stillen und das Feuer im Holz kann den Kamin nicht anzünden und uns Licht und Wärme geben. In ähnlicher Weise kann uns die Wahrheit in ihrer unmanifesten Form nicht nützen. Wir bleiben in Unwissenheit über unsere glückselige Natur und leiden durch das Leben. Erst wenn wir die Wahrheit/das Selbst erkennen, sind wir in der absoluten Glückseligkeit.

Im Pfad der Hingabe wird gesagt, dass der attributlose (nirguṇa) und formlose (nirākāra) Gott/Wahrheit unsere Herzen nicht mit Liebe erfüllen kann. Nur wenn Er sich in einer bestimmten Form wie Śrī Rāma oder Śrī Kṛṣṇa inkarniert, werden wir gesegnet und werden voll und erfüllt.

Das Instrument vorbereiten: Ein durch Wahrhaftigkeit und Enthaltsamkeit gereinigter Geist hat die Kraft, immer in der Wahrheit zu verweilen (anupaśyati).

Einer, der das Falsche respektiert, erlangt niemals die Wahrheit. Ein intellektueller Wert für das Künstliche, Illusorische, Scheinbare oder Virtuelle hält uns von unserer Natur - dem Realen und Tatsächlichen - fern. Wahrhaftigkeit bedeutet, das Gedachte, Gesehene oder Gehörte auf eine angenehme Art und Weise zum Wohle aller auszusprechen. Wir haben immer eine Wahl im Handeln, und die Wahrheit zu sprechen, sollte von denen gewählt werden, die die Wahrheit suchen.

Ein nachsichtiger und extrovertierter Lebensstil ist nicht förderlich, um die Wahrheit im Inneren zu erkennen. Tapas bedeutet, ein einfaches und strenges Leben zu führen oder bestimmte Bußübungen zu befolgen, um unsere Energie zu bewahren und zu steigern. 'Konzentration des Geistes ist die höchste Tapas' und auch 'Tiefe Kontemplation oder Meditation ist Tapas.'

Interessanterweise wird in allen obigen Beispielen Wärme benötigt und erzeugt, bevor sich die subtile Form manifestiert. Selbst der Brunnen wird erhitzt, bevor das Wasser aus der Quelle angezapft wird. In ähnlicher Weise gehen die Hitze des Kummers über weltliche Vergnügungen, der intensive Wunsch nach Befreiung, der Durst nach Wissen und die Sehnsucht nach Gott, der Verwirklichung von Gott/Wahrheit, voraus.

Anders gesehen ist die Enthaltsamkeit das äußere Mittel (bahiraṅga sādhanā) zur Vorbereitung des Geistes und die Selbsterkenntnis (ātmavidyā), die durch Zuhören, Nachdenken und Meditation gekennzeichnet ist, das subtilere Mittel (antaraṅga sādhanā) zur Selbstverwirklichung. Die Wahrheit ist die Quelle (mūla) für beides.

Es ist interessant, dass die Wahrheit (Brahman) selbst Upaniṣad genannt wird. Die Wahrheit wird durch die Upaniṣad offenbart, aber Upaniṣad selbst bedeutet Wissen über die Wahrheit. Der Wissende (Selbst), das Gewusste (Wahrheit) und der Offenbarer (Upaniṣad) sind eins und so wird die Wahrheit Upaniṣad genannt. Die letzte Zeile 'tad-brahmopaniṣad-param' wird zweimal wiederholt, um das Ende des Kapitels anzuzeigen.

Zusammenfassung des Kapitels: Vier Themen werden traditionell am Anfang eines jeden Traktats angegeben. Sie sind die zum Studium der Abhandlung erforderliche Qualifikation (adhikārī), das Thema des Textes (viṣaya), das Ergebnis des Studiums (phala) und die Beziehung zwischen dem Wissen und dem Ergebnis (bodhya-bodhaka-sambandha). Das erste Kapitel befasst sich mit all diesen Punkten im Detail.

Die qualifizierten Personen sind die Wahrheitssuchenden (brahmavādinaḥ). Das Thema des Textes ist die Einheit der Wahrheit und des Selbst (brahmātmaikya bodha) oder die Selbstverwirklichung, deren Ergebnis die Befreiung von aller Begrenzung und Knechtschaft ist (jñātvā devaṁ mucyate sarvapāśaiḥ). So schließt das erste Kapitel für sich allein das Studium der gesamten Upaniṣad ab.


2. Kapitel Shvetashvatara Upanishad mit Kommentaren von Swami Tejomayananda

Die Mantras in diesem Kapitel sind in Stil und Sprache etwas unterschiedlich und können auf verschiedene Weise interpretiert werden. Die ersten sechs Mantras erscheinen im rituellen Teil der Veden (karma-kāṇḍa oder saṁhitā), wobei ihre Bedeutung einen rituellen Blickwinkel hat. Da sie hier in der Upaniṣad enthalten sind, haben einige Kommentatoren sie vom Standpunkt des Wissens aus erklärt. Unsere Interpretation stützt sich auf den Kommentar von Śaṅkarācārya, der sowohl einfach als auch klar ist.

Das erste Kapitel endete mit dem Gedanken, dass Gott/Wahrheit in unserem eigenen Herzen verborgen ist und durch Meditation realisiert werden muss (dhyāna-nirmathanābhyāsāt devaṁ paśyet nigūḍhavat). 'Meditation ist die höchste Berufung im Leben' - Śrī Gurudev. Dies erfordert einen außerordentlich wachen, konzentrierten, reinen, subtilen, starken und festen Geist. Ein Auto mag schnittig aussehen, aber sein Motor muss stark genug sein, um uns auf den Gipfel des Berges zu bringen. Wir müssen also unseren Geist "meditationswürdig" machen, damit wir das Höchste erreichen können.

Das Gebet ist eines der mächtigsten Mittel, um dies zu tun. Menschliche Bemühungen sind begrenzt. Gott/Wahrheit ist unendlich. Das Gebet ruft die unendliche Kraft Gottes an und manifestiert sich als Gnade in allem, was wir tun. Eigene Anstrengung manifestiert Gnade und Gnade stärkt die eigene Anstrengung. Die folgenden drei Mantras sind sowohl ein Gebet um Gnade als auch ein Versprechen für die Selbstbemühung.

युञ्जानः प्रथमं मनस्तत्त्वाय सविता धियः। अग्नेर्ज्योतिर्निचाय्य पृथिव्या अध्याभरत॥ १॥

युक्तेन मनसा वयं देवस्य सवितुः सवे। सुवर्गेयाय शक्त्या॥ २॥

युक्त्वाय मनसा देवान् सुवर्यतो धिया दिवम्। बृहज्ज्योतिः करिष्यतः सविता प्रसुवाति तान्॥ ३॥

yuñjānaḥ prathamaṁ manas-tattvāya savitā dhiyaḥ, agnerjyotir-nicāyya pṛthivyā adhyābharata. (1)

yuktena manasā vayaṁ devasya savituḥ save, suvargeyāya śaktyā. (2)

yuktvāya manasā devān suvaryato dhiyā divam, bṛhajjyotiḥ kariṣyataḥ savitā prasuvāti tān. (3)

युञ्जानः - während des Engagements; प्रथमम् - zuerst; मनः - der Geist; तत्त्वाय - um Wissen zu suchen; सविता - der Sonnengott; धियः - die Sinne; अग्नेः - des Feuers; ज्योतिः - des Lichts; निचाय्य - gesehen zu haben; पृथिव्या अधि - auf die Erde; आभरत् - es setzen

युक्तेन - mit dem, der (auf das höchste Selbst) fixiert ist; मनसा - mit dem Geist; वयम् - wir; देवस्य - von Gott; सवितुः - von der Sonne; सवे - mit den Segnungen; सुवर्गेयाय - für das Höchste; शक्त्या - nach besten Kräften

युक्त्वाय - vereint haben; मनसा - (mit) dem Geist; देवान् - den Sinnesorganen; सुवर्यतः - der glückseligen Wahrheit (Brahman) zugewandt; धिया - durch rechtes Wissen; दिवम् - die Ausstrahlung; बृहत् - das Große; ज्योतिः - Licht; करिष्यतः - hinführen; सविता - der Sonnengott; प्रसुवाति - segnen; तान् - sie

1. Möge der Sonnengott zuerst meinen Geist und meine Sinne dazu bringen, nach Wissen zu suchen, und nachdem ich das Licht des Feuers gesehen habe, es auf die Erde legen.

2. Mit dem Geist fixiert (auf das höchste Selbst), mit den Segnungen des Sonnengottes, sollen wir nach besten Kräften nach dem Höchsten streben.

3. Möge der Sonnengott unseren Geist und unsere Sinnesorgane segnen, die der glückseligen Wahrheit (Brahman) zugewandt sind, und sie durch rechtes Wissen zur Ausstrahlung des großen Lichtes des Bewusstseins führen.

Der Sonnengott: Jedes Objekt hat einen grobstofflichen, feinstofflichen und spirituellen Aspekt - ādhibhautika, ādhidaivika und ādhyātmika. Wenn wir zum Beispiel eine Person beiläufig vorstellen, sehen und kennen wir nur den groben physischen Aspekt einer Person - ihren Namen und ihr Aussehen. Der Arbeitgeber muss seine Qualifikationen, seine Fähigkeiten, seine Einstellung, sein Verhalten und so weiter kennen. Dies ist subtiler - bezogen auf das Gemüt und den Intellekt. Der spirituelle Meister jedoch sieht diese Person als die Wahrheit.

Gott/Wahrheit ist einer, auch wenn er mit verschiedenen Namen bezeichnet wird. Hier ist das Gebet an Savitā, den Sonnengott, gerichtet. Im Sanskrit ist Savitā (wie pitā) ein maskulines Substantiv. Mädchen werden in Indien üblicherweise Savitā genannt, da es in den meisten indischen Volkssprachen ein weibliches Substantiv ist. Auch die Sonne hat die drei Aspekte. Die Sonne, die wir wahrnehmen (ādhibhautika), ist die Quelle aller Energie und des Lebens auf der Erde. Die Sonne ist auch die vorsitzende Gottheit (ādhidaivika) des Lichts und damit unserer Augen und all dessen, was wir sehen. Letztlich steht die Sonne für das höchste Bewusstsein, den eigentlichen Kern unserer Existenz (ādhyātmika). Das Gebet ist an alle drei Aspekte der Sonne gerichtet.

Das Gebet: O Sonnengott, segne meinen Geist mit dem richtigen Verständnis der Meditation. Mögen förderliche Gedanken eine meditative Stimmung erzeugen. Möge mein Geist sich nicht ablenken lassen und innerlich fokussiert bleiben (yuñjānaḥ prathamaṁ manaḥ).

Das Wort "dhiya" bezieht sich auf die Sinnesorgane der Wahrnehmung (Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut), die fünf physiologischen Funktionen (prāṇas), den Geist und den Intellekt. Mögen diese alle vitalisiert und auf die Meditation ausgerichtet sein. Zuerst müssen wir still sitzen, den Körper entspannen, die Atmung beruhigen, die Sinne zurückziehen, den Geist zur Ruhe bringen und dann den Intellekt auf die Wahrheit im Inneren konzentrieren. Segne diese Bemühungen (adhyābharat), damit ich die Wahrheit (tattvāya) erkenne. Die Veden sagen, dass jede Funktion von einer vorsitzenden Gottheit (devatā) geleitet wird. Zum Beispiel erhalten die Sinnesorgane der Wahrnehmung und Handlung ihre Fähigkeit und Energie von den jeweiligen vorsitzenden Gottheiten. Die Augen können nur im Medium des Lichts sehen und der Sonnengott ist die vorsitzende Gottheit des Lichts und der Augen. Wir beten zu den jeweiligen vorsitzenden Gottheiten, um die Sinne, die prāṇas, den Geist und den Intellekt zu segnen. Wenn wir ein Gebäude bauen wollen, müssen wir die Erlaubnis von verschiedenen Abteilungen einholen, wie z. B. dem Stadtplanungsamt, dem Wasseramt und der Feuerwehr. Wenn eine von ihnen ein Problem schafft, müssen wir uns an eine höhere Autorität wenden, um das Problem zu klären. Auf die gleiche Weise beten wir zum Sonnengott als der höchsten Autorität - dem obersten Gott -, der alle vorsitzenden Gottheiten anweisen würde, unsere Sinne und unseren Geist zu stärken. Im Allgemeinen sind unsere Sinne extrovertiert, auf die materielle Welt gerichtet (pṛthivi). Wir beten zum Sonnengott und den vorsitzenden Gottheiten, dass sie uns helfen, uns vom Äußeren zurückzuziehen und uns nach innen zu wenden. Mit einem so gesegneten und ermächtigten Geist (yuktena manasā) versprechen wir, uns nach besten Kräften (śaktyā) anzustrengen. Wir werden mit fester Entschlossenheit danach streben, die Wahrheit (yatātmā dṛḍhaniścaya) zu verwirklichen.

Die Wahrheit wird hier als svarga oder Himmel bezeichnet. Etymologisch bedeutet svarga 'dort, wo man Glückseligkeit erfährt' (svar sukham gacchati iti svarga). Die Wahrheit/Gott allein ist die Quelle aller Freude und daher bedeutet svarga hier die höchste Glückseligkeit des Selbst/der Wahrheit. Auch Kenopaniṣad verwendet das Wort svarga, um die glückselige Wahrheit in seinem letzten Mantra zu bezeichnen. Derjenige, der die Wahrheit verwirklicht, freut sich und ist in der ewigen Wohnstätte der Glückseligkeit etabliert.

Gott/Wahrheit wird bṛhat-jyoti - das große Licht - genannt, da wir aufgrund des Bewusstseins in der Lage sind, alle physischen Lichter zu sehen, unsere Sinne, Organe und die subtilen Gedanken und Ideen unseres Geistes zu erkennen. Es ist das Licht aller Lichter.

Die Sinne sind von Natur aus extrovertiert. Der Geist findet hundert Gründe, sich ablenken zu lassen. Alte Gewohnheiten sterben schwer. All dies entdecken wir, während wir tatsächlich Meditation praktizieren. Das dritte Mantra ist ein Gebet an den Sonnengott, uns zu beschützen und zu segnen, während wir uns im Sitz der Meditation abmühen, und uns zum Licht aller Lichter zu führen. Im Wissen, dass der barmherzige Herr immer bei uns ist, können wir ohne Angst und Furcht üben. Auch der Herr sagt: "Ich kümmere mich um die Bedürfnisse derer, die mit unerschütterlichem Geist über mich meditieren.

Derselbe Gedanke, der in diesen drei Mantras ausgedrückt wird, kommt in der Friedensanrufung zum Ausdruck - 'sahanāvavatu, saha nau bhunaktu, saha vīryaṁ karavāvahai.' - 'Mögest Du uns beschützen und uns befähigen.' 'O Herr, bitte beschütze und ermächtige uns, und so beschützt und ermächtigt von dir, werden wir uns maximal anstrengen.'

In Anerkennung der Segnungen Gottes fordert das folgende Mantra die Suchenden auf, Sein Lob zu singen.

युञ्जते मन उत युञ्जते धियो विप्रा विप्रस्य बृहतो विपश्चितः। वि होत्रा दधे वयुनाविदेक इन्मही देवस्य सवितुः परिष्टुतिः॥ ४॥

yuñjate mana uta yuñjate dhiyo viprā viprasya bṛhato vipaścitaḥ, vi hotrā dadhe vayunāvideka inmahī devasya savituḥ pariṣṭutiḥ. (4)

युञ्जते - Joch; मनः - der Geist; उत - und; युञ्जते - Joch; धियः - die Sinnesorgane; विप्राः - Sucher der Wahrheit (Brahman); विप्रस्य - der alles durchdringende; बृहतः - groß; विपश्चितः - allwissend; होत्राः - die Riten und Rituale; वि दधे - hat gegeben (befohlen); वयुनावित् - Kenner der māyā; एकः - einer allein (nicht-dual); इत् - also; मही - mächtig; देवस्य - von Gott; सवितुः - von der Sonne; परिष्टुतिः - Lobpreis

4. Diejenigen, die (versuchen) ihren Geist und die Sinnesorgane (an das glückselige Selbst oder Paramātmā) anzukoppeln, sollten so mächtige Lobpreisungen des Sonnengottes singen, der alldurchdringend, groß, allwissend, der Kenner der māyā und nicht-dual ist und die Riten und Rituale (yajñas) gegeben hat.

Dieses Mantra ist an vipras oder brāhmaṇas gerichtet. 'Vipras sind diejenigen, die die Veden studieren' und 'Brāhmaṇas sind diejenigen, die die Wahrheit kennen.' Hier bezieht sich das Wort auf alle spirituellen Aspiranten, die über Gott/Wahrheit meditieren, indem sie ihre Sinne zur Ruhe bringen (yuñjate dhiyaḥ) und ihren Geist in die Wahrheit versenken (yuñjate manaḥ).

Die Suchenden, die so zu meditieren versuchen, sollten das Lob des Herrn singen (savituḥ devasya pariṣṭutiḥ). Er erhört ihre Gebete, segnet sie und stärkt ihre Entschlossenheit. Selbst ein weltlicher Mensch dankt jedem, der ihm einen Gefallen tut. Sollten wir nicht auch dem Herrn danken, der uns so sehr gesegnet hat? Der Herr offenbart auch viele Rituale, um unsere weltlichen Wünsche zu erfüllen (hotrā vidadhe). Wir sollten daher unsere Dankbarkeit ausdrücken, indem wir Sein Lob in vollem Umfang singen.

Es gibt immer ein Element der Übertreibung im Lob eines weltlichen Objekts oder einer Person. Der Herr jedoch hat unendliche und immerwährende Eigenschaften in unendlichem Maß. Jedes Lob von Ihm ist nur weniger als das, was Er ist. Der Herr ist in der Tat alldurchdringend (vipra-viśeṣeṇa vyāpta), groß (bṛhat) oder der Größte, allwissend (vipaścitaḥ) und der Kenner der māyā (vayunāvit - māyā tu vayunāṁ jñānam). Eine Hymne an den großen Herrn ist in der Tat groß (mahī pariṣṭutiḥ).

Der Intellekt konzentriert sich auf das, was er schätzt und respektiert, und der Geist auf das, was er liebt. Je mehr wir die Größe Gottes kennen, desto mehr respektieren und lieben wir ihn und desto mehr bleiben unser Intellekt und unser Geist auf Ihn fixiert. Das Erinnern an Seine Herrlichkeiten ist daher eine Hilfe zur Meditation, außerdem ist es ein Ausdruck unserer Dankbarkeit.

Das nächste Mantra ist ein Gebet, das an die Sinne und ihre vorsitzenden Gottheiten gerichtet ist.

युजे वां ब्रह्म पूर्व्यं नमोभिर्विश्लोक एतु पथ्येव सूरेः। शृण्वन्तु विश्वे अमृतस्य पुत्रा आ ये धामानि दिव्यानि तस्थुः॥ ५॥

yuje vāṁ brahma pūrvyaṁ namobhir-viśloka etu pathyeva sūreḥ, śṛṇvantu viśve amṛtasya putrā ā ye dhāmāni divyāni tasthuḥ. (5)

युजे - (wir) absorbieren; वाम् - zu euch beiden (den Sinnen und den vorsitzenden Gottheiten der Sinne); ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); पूर्व्यं - uralt; नमोभिः - mit vielen Begrüßungen; श्लोकः - Lobgesang; वि एतु - überall (auf vielerlei Weise) verbreitet; पथि - auf dem Weg; एव - wahrlich; सूरेः - von den Sehern; शृण्वन्तु - hören; विश्वे - alle; अमृतस्य - der Unsterblichkeit; पुत्राः - Kinder; ये - die; धामानि - Wohnstätten; दिव्यानि - himmlisch; आ तस्थुः - bewohnen

5. (O Sinne und die vorsitzenden Gottheiten der Sinne), mit vielen Begrüßungen absorbieren wir unseren Geist in dieser alten Wahrheit (Brahman). Möge sich diese Hymne des Lobes (stuti) wahrlich überall auf dem Pfad der Seher verbreiten. Hört, oh Kinder der Unsterblichkeit, die die himmlischen Wohnstätten bewohnen!

Gebet: Der Geist und die Sinne und ihre vorsitzenden Gottheiten spielen in der Meditation eine wichtige Rolle. Wenn sie gut kontrolliert sind, vereinen sie sich leicht mit Gott/Wahrheit. Wir beten daher in Demut (namobhiḥ) zu ihnen, uns mit Gott zu vereinen (yuje vām) und uns zu befähigen, die Wahrheit (Brahman) zu erkennen, die uralt und ewig ist (pūrvyam).

In der Meditation ziehen wir unsere Aufmerksamkeit vom Körper und der Welt der Objekte (ādhibhautika) zurück. Die Sinne und der Geist (ādhyātmika) und die vorsitzenden Gottheiten, aufgrund derer sie funktionieren (ādhidaivika), sollen mit Gott/Wahrheit (yuje vām) vereint werden. Dieses Verschmelzen zur Einheit ist Meditation.

Niederwerfungen: So wie im vorherigen Mantra Hymnen als Hilfe zur Meditation empfohlen wurden, werden wir hier aufgefordert, uns für die Vereinigung mit Gott niederzuwerfen. Niederwerfungen vermitteln das Erkennen unserer eigenen Begrenzungen und das Anerkennen der Herrlichkeit der höheren Kraft. Es ist die Übergabe an die höhere Kraft mit Demut. Viele Niederwerfungen (namobhiḥ) oder wiederholte Niederwerfungen bringen Demut und lassen uns weich werden. Der Bambus, der biegsam ist, beugt sich tief und übersteht die schlimmsten Stürme, während die große und aufrechte Eiche viel leichter entwurzelt wird. Sich mit einer demütigen Haltung vor einer höheren Macht zu beugen, hält uns fest, auch wenn die Stürme der Begierde und Störungen in der Meditation über uns hinwegziehen. Möge sich diese Hymne zum Lob dieses Wissens (śloka) überall auf vielerlei Weise (vi-etu pathyeva) unter den Sehern (sūreḥ) verbreiten. Möge sich der Ruhm dieser Hymne und dieses Wissens und der Ruhm desjenigen, der dieses Wissen verwirklicht hat, weit und breit verbreiten, besonders unter den edlen Menschen, damit auch sie inspiriert werden, diesem Weg zur Wahrheit zu folgen.

Der alte Ruf: Die nächste Zeile ist sehr berühmt - śṛṇvantu viśve amṛtasya putrāḥ - 'Höre, o Kinder der Unsterblichkeit'. Manchmal wird das Wort 'sarve' anstelle von 'viśve' verwendet. Diese Zeile hat viele Konnotationen. Sie ist an die präsidierenden Gottheiten gerichtet, die die Söhne des unsterblichen Schöpfers (Lord Brahmā) sind und die in den himmlischen Wohnstätten im Himmel wohnen (ye dhāmāni divyāni ātasthuḥ). 'Möge sich der Ruhm Gottes, der von den Suchenden gesungen wird, sogar bis zu den himmlischen Wohnstätten ausbreiten.' Es bedeutet auch: 'O himmlische Wesen, der Ruhm, die Erhabenheit und die Glückseligkeit, derer sich derjenige erfreut, der die Wahrheit verwirklicht, ist sogar größer als die, derer ihr euch erfreut.' Brahmānanda ist größer als svargānanda. Es ist auch an uns alle gerichtet, denn auch wir sind Kinder der Unsterblichkeit. Wir sind nicht aus der Sünde geboren, sondern tatsächlich aus der unsterblichen Wahrheit und deshalb ist die Unsterblichkeit unser Geburtsrecht.

Was passiert, wenn unser Geist in Rituale vertieft ist, und was, wenn er mit Gott beschäftigt bleibt, wird in dem folgenden Mantra erklärt.

अग्निर्यत्राभिमथ्यते वायुर्यत्राधिरुध्यते। सोमो यत्रातिरिच्यते तत्र सञ्जायते मनः॥ ६॥

agnir-yatrābhimathyate vāyuryatrādhirudhyate, somo yatrātiricyate tatra sañjāyate manaḥ. (6)

अग्निः - das Feuer; यत्र - wo; अभिमथ्यते - aufgewühlt; वायुः - der Wind; यत्र - wo; अधिरुध्यते - kontrolliert; सोमः - der Somasaft; यत्र - wo; अतिरिच्यते - fließt übermäßig; तत्र - dort; सञ्जायते - wird er ergriffen; मनः - der Geist

6. Wo das Feuer aufgewühlt ist, der Wind kontrolliert wird und der Somasaft übermäßig fließt, dort wird der Geist vertieft. Wenn unser Geist extrovertiert ist und wir immer mit Aktivitäten beschäftigt sind - seien sie weltlich oder religiös -, bekommen wir zwar materielle Ergebnisse, aber diese erzeugen mehr Wünsche und Aktivitäten und binden uns.

In diesem Zusammenhang bezieht sich das Aufwirbeln des Feuers (agnir-yatra-abhimathyate) auf die Durchführung von Vaidika-Ritualen, bei denen Feuer entzündet und Opfergaben dargebracht werden. Diese Rituale beinhalten auch die Verehrung des Wind-Gottes, das Singen seines Lobes und prāṇāyāma oder Atemkontrolle. Der Saft des Soma, der während des Rituals angeboten wird, wird als Seine Gabe genossen - manchmal exzessiv. Dies kann als exzessives Schwelgen verstanden werden. Ein extrovertierter und wunscherfüllter Geist bleibt immer in Aktivitäten vertieft, unfähig, an etwas Höheres zu denken. Für solche Menschen ist es besser, ihre Wünsche durch religiöse Aktivitäten zu erfüllen, da dies körperliche und geistige Disziplin und die Erinnerung und Verehrung einer höheren Macht beinhaltet. Dies bereitet den Geist auf höhere spirituelle Bestrebungen vor.

Für den spirituell Suchenden ist das Aufwirbeln des Feuers die Praxis der Meditation. Atemkontrolle ist ein Mittel, um den Geist zu konzentrieren, zu reinigen und zu kontrollieren, und das Extrahieren des Somasaftes ist die Durchführung von Buße, um den Körper und den Geist auf die Meditation vorzubereiten. Der spirituell Suchende bleibt immer in solche Aktivitäten vertieft.

Dieses Mantra kann auch als eine Anweisung zur Meditation verstanden werden. Wir werden aufgefordert, den Geist dort zu absorbieren, wo die Sprache endet (Feuer ist die Gottheit der Sprache), der Atem sich verlangsamt und die Gedanken enden - in der Erfahrung der objektlosen Glückseligkeit (somo yatra atiricyate).

Der Zweck des Lebens ist es, die Wahrheit zu verwirklichen. 'Wenn wir dies tun, ist es gut, andernfalls ist es ein großer Verlust.' Die Bṛhadāraṇyaka Upaniṣad sagt - 'Einer, der die Wahrheit verwirklicht und diese Welt verlässt, wird ein brāhmaṇa, ein Verwirklichter, genannt. Einer, der den Körper verlässt, ohne zu verwirklichen, ist ein kṛpaṇa, ein bedauernswerter Mensch.' Es ist in der Tat ein Verlust einer großen Gelegenheit - eine Gelegenheit, das Unendliche zu erlangen, die durch das Streben nach dem Endlichen verloren geht.

Die folgenden drei Mantras geben spezifische Anleitungen für die Praxis der Meditation.

त्रिरुन्नतं स्थाप्य समं शरीरं हृदीन्द्रियाणि मनसा सन्निवेश्य। ब्रह्मोडुपेन प्रतरेत विद्वान् स्रोतांसि सर्वाणि भयावहानि॥ ८॥

trirunnataṁ sthāpya samaṁ śarīraṁ hṛdīndriyāṇi manasā sanniveśya, brahmoḍupena pratareta vidvān srotāṁsi sarvāṇi bhayāvahāni. (8)

त्रिः - die drei; उन्नतम् - gerade; स्थाप्य - halten; समम् - aufrecht; शरीरम् - der Körper; हृदि - in das Herz; इन्द्रियाणि - die Sinne; मनसा - mit der (Hilfe des) Geistes; सन्निवेश्य - zurückziehend; ब्रह्म-उडुपेन - mit dem Boot von Brahman; प्रतरेत - überquert; विद्वान् - der Weise; स्रोतांसि - Wasser; सर्वाणि - alle; भयावहानि - furchterregend

8. Die drei (Kopf, Hals und Brust) aufrecht haltend, den Körper aufgerichtet und mit Hilfe des Geistes die Sinne ins Herz zurückziehend, überquert der Weise mit dem Boot des Brahman (Oṁkāra) alle furchterregenden Gewässer.

Anleitung zur Meditation: Die erste Anweisung ist, für die Meditation "zu sitzen". Stehen oder Schlafen sind keine förderlichen Haltungen für die Meditation, da der Geist im Stehen eher rājasika und im Liegen eher tāmasika ist. Im Sitzen bleibt der Geist eher ruhig und wach. Man sollte nicht direkt auf dem Boden sitzen, da unsere Energie geerdet wird. Der Sitz (āsana), auf dem wir sitzen, sollte eben und nicht zu weich oder hart sein, damit der Körper aufrecht und bequem bleibt. Man sollte im Schneidersitz in einer bequemen Haltung (āsana) sitzen (sukhāsana, padmāsana...), wobei Kopf, Hals und Körper gerade und aufrecht gehalten werden, senkrecht zur Basis. Auch die Gītā sagt: "Halte den Kopf, den Hals und den Körper in einer geraden Linie, ruhig und gleichmäßig, mit ruhigem Blick (oder geschlossenen Augen).

Wenn man so sitzt, sollte man den Körper ruhig und entspannt halten. Die Beherrschung dieser Haltung wird 'āsana siddhi' genannt. Wenn wir in der Lage sind, fünfundvierzig Minuten lang bequem und ohne jegliche Anstrengung in der Meditationshaltung zu sitzen, dann sagt man, wir hätten sie gemeistert. Am Anfang sollten wir es nur zehn Minuten lang tun und dann die Zeit allmählich erhöhen.

Danach sollten wir mit rechtem Verständnis und der Hilfe des Geistes die Sinnesorgane in das Herz zurückziehen. Dies wird im Vedānta 'uparati' und im Yoga Śāstra 'pratyāhāra' genannt. Das bedeutet, dass der Geist die Augen nicht zum Sehen, die Ohren nicht zum Hören und so weiter anregen sollte, wodurch alle Aktivitäten der Sinne aufhören. Dies ist leichter gesagt als getan.

Um uns zu helfen, die Sinne zurückzuziehen und den Geist zu beruhigen, nehmen wir die Hilfe von Omkāra in Anspruch. Wir müssen 'Om' wiederholt chanten und dabei seine volle Aufmerksamkeit auf seinen Klang richten. Das lange und wiederholte Chanten von Om beseitigt die Schwankungen des Geistes. Dies hilft, die Sinne zu beruhigen und den Geist zu beruhigen. Wenn der Geist ruhig ist, müssen wir über die Bedeutung von Om kontemplieren - die Buchstaben A, U, M und die Stille zwischen zwei Om-Chantings. Die Stille ist die attributlose Wahrheit und die drei Buchstaben stehen für die drei Bewusstseinszustände (Wachen, Traum und Tiefschlaf) oder die drei Körper (grobstofflich, feinstofflich und kausal). Ich bin die Stille, die attributlose Wahrheit, die den drei Zuständen und drei Körpern zugrunde liegt.

So können wir mit dem Boot (Unterstützung) von Om die beängstigenden Unterströmungen unserer Sinne und unseres Geistes überqueren und die Ufer der höchsten Wahrheit erreichen. Anstelle von Om kann jeder Name Gottes mit der gleichen Wirkung verwendet werden. Hier könnte 'brahma-uḍupena' auch als die Unterstützung durch den Guru und das Wissen der Upaniṣaden interpretiert werden, die uns helfen, die beängstigenden und weiten Gewässer der Seelenwanderung (saṁsāra) zu überqueren.

Das nächste Mantra spricht von der Praxis der Atemkontrolle (prāṇāyāma).

प्राणान्प्रपीड्येह संयुक्तचेष्टः क्षीणे प्राणे नासिकयोच्छ्वसीत। दुष्टाश्वयुक्तमिव वाहमेनं विद्वान्मनो धारयेताप्रमत्तः॥ ९॥

Prāṇān-prapīḍyeha saṁyuktaceṣṭaḥ kṣīṇe prāṇe nāsikayocchvasīta, duṣṭāśvayuktamiva vāhamenaṁ vidvān-mano dhārayetāpramattaḥ. (9)

प्राणान् - Atem; प्रपीड्य - reguliert habend; इह - im Sitz der Meditation; संयुक्तचेष्टः - einer, der in allen Aktivitäten gemäßigt ist; क्षीणे प्राणे - wenn der Atem sanft geworden ist; नासिकया - durch die Nasenlöcher; उच्छ्वसीत - (sollte) ausatmen; दुष्ट अश्वयुक्तम् - von wilden Pferden gezogen; इव - wie; वाहम् - ein Streitwagen; एनम् - dies; विद्वान् - der Weise; मनाः - Geist; धारयेत - halten; अप्रमत्तः - aufmerksam

9. Mäßig und diszipliniert in allen seinen Aktivitäten, reguliert der Weise seinen Atem (im Sitz der Meditation) und wenn er sanft geworden ist, atmet er durch die Nasenlöcher aus. Wie er einen von wilden Pferden gezogenen Wagen lenkt, so hält er den Geist einspitzig und wachsam.

Vorbereitung für prāṇāyāma: Sobald wir in der Meditationshaltung (āsana) sitzen, ruhig und gleichmäßig, gehen wir zum nächsten Schritt der regulierten oder kontrollierten Atmung (prāṇāyāma) über. Dies sollte von einem kompetenten Lehrer erlernt werden. Das Yoga-Śāstra gibt Details darüber, wie es praktiziert werden sollte. Śaṅkarācārya betont in seinem Kommentar die Rolle von 'nāḍi śuddhi', der Reinigung des Systems durch einfache Atemtechniken als notwendiger Schritt vor der Praxis von prāṇāyāma. Leichtigkeit des Körpers, ein natürliches Leuchten, eine gute Verdauung und ein gutes Gehör zeigen die Reinigung des Körpersystems an.

Prāṇāyāma: Alle prāṇāyāma-Praktiken beginnen mit dem Ausatmen. Der Atem wird eingeatmet (pūraka), für eine bestimmte Anzahl gehalten, solange man sich wohl fühlt (antaḥ kumbhaka) und dann langsam durch die Nasenlöcher (recaka) und nicht durch den Mund ausgeatmet. Der Atem wird angehalten (bāhya kumbhaka), bevor die nächste Runde der Atmung erfolgt. Wenn diese Praktiken nicht mit der richtigen Anleitung durchgeführt werden, kann man sich sogar selbst schaden. Die einfachste und harmloseste Form ist jedoch die Beobachtung unseres natürlichen Atemprozesses (prāṇa vīkṣaṇa). Auch dies kann zu einem konzentrierten, reinen und subtilen Geist führen.

Pratyāhāra: Nach prāṇāyāma kommt pratyāhāra - die Zurückhaltung der Sinne, die bereits im vorherigen Mantra besprochen wurde. Die Sinne sind wie ungezähmte Wildpferde, immer bereit, in verschiedene Richtungen aufzubrechen. Der Intellekt muss sie durch die Zügel des Geistes, wie ein intelligenter Wagenlenker, mit einem wachen Geist unter Kontrolle halten. Der Meditierende muss wie der Wagenlenker stets wachsam, ruhig und achtsam sein und die Pferde jederzeit auf der Spur halten. Ᾱdi Śaṅkarācārya warnt uns, dass Meditation mit 'großer Wachsamkeit und Vorsicht' praktiziert werden muss.

Dhāraṇā: Diese Praxis des pratyāhāra führt zum nächsten Schritt dhāraṇā - tiefe Konzentration des Geistes. Die Praxis der Meditation ist jedoch nur für denjenigen möglich und wirksam, der ein gemäßigtes Leben (saṁyukta ceṣṭa) führt - regelmäßig, diszipliniert und maßvoll in allen Aktivitäten - beim Essen, Wachen, Schlafen, Unterhalten oder Arbeiten. Eine nachsichtige, hyperaktive oder übermäßig extrovertierte Person wird im Sitz der Meditation unruhig sein.

Was ist ein guter Platz zum Sitzen in der Meditation? Das Mantra sagt -

समे शुचौ शर्करावह्निवालुका-विवर्जिते शब्दजलाश्रयादिभिः। मनोऽनुकूले न तु चक्षुपीडने गुहानिवाताश्रयणे प्रयोजयेत्॥ १०॥

gleich śucau śarkarā-vahni-vālukā-vivarjite śabda-jalāśrayādibhiḥ, mano'nukūle na tu cakṣupīḍane guhā-nivātāśrayaṇe prayojayet. (10)

समे - eben; शुचौ - sauber; शर्करा-वह्नि-वालुका-विवर्जिते - frei von Kieselsteinen, Feuer oder Sand; शब्दजल-आश्रयादिभिः - windig (oder laut) oder in der Nähe einer Wasserquelle oder eines öffentlichen Platzes; मनोऽनुकूले - förderlich für den Geist; न - nicht; तु - doch; चक्षु-पीडने - schmerzhaft für die Augen; गुहानिवाताश्रयणे - in einem Schutzraum wie einer Höhle, frei von Wind; प्रयोजयेत् - man sollte sich konzentrieren

10. Konzentrieren Sie den Geist an einem Ort wie einer windstillen Höhle, einem Ort, der sauber, eben, frei von Kieselsteinen, Feuer oder Sand ist, der nicht laut ist oder in der Nähe einer Wasserquelle (öffentlicher Ort), ein Ort, der angenehm für die Augen und förderlich für den Geist ist.

Fördernder Ort für die Meditation: Wählen Sie einen Ort mit einem ebenen oder flachen Boden, der es uns ermöglicht, aufrecht zu sitzen. Er sollte rein, sauber und möglichst heilig sein. Wenn es ein Ort ist, der mit Gott oder einer heiligen Person verbunden ist, wird sich der Geist natürlich und spontan erheben. Manche Orte sind von sich aus rein, sauber und heilig. Andernfalls können wir sie dazu machen, indem wir sie reinigen und ein Bild oder ein Idol von Gott oder Guru aufstellen.

Der Ort sollte keine Esswaren - Zucker (śarkarā) - enthalten, die Ameisen oder andere Insekten anziehen würden. Der Platz sollte ohne scharfe Kieselsteine sein, die sich als sehr schmerzhaft erweisen könnten. Wenn der Ort in der Nähe eines Feuers ist oder wenn er zu heiß, feucht, sandig oder staubig ist, wird er unangenehm und schwierig zu meditieren sein. Natürlich beeinträchtigen solche äußeren Faktoren große Adepten wie Ramaṇa Maharṣi nicht. Ein Ameisenhügel hatte sich auf dem Weisen Vālmīki gebildet, während er in Meditation war, und er war sich dessen nicht einmal bewusst! In unserem Fall, auch wenn es keine Ameisen gibt, fühlen wir, dass sie überall auf uns herumkrabbeln!

Der Ort, den wir wählen, sollte nicht laut sein oder ein Ort, an dem es viel Bewegung von Menschen und Aufregung gibt, wie ein Bahnsteig oder ein Flughafen. Auch in der Natur könnte ein Wasserloch, an dem ständig Tiere kommen und gehen, störend oder gefährlich sein. Der Ort sollte schön, angenehm für das Auge und förderlich für den Geist sein.

Sant Jñāneśvara geht in seinem Kommentar zum sechsten Kapitel der Gītā ausführlich auf dieses Thema ein und beschreibt einen idealen Ort am Ufer eines Flusses mit einem kleinen Tempel in der Nähe, idyllischer Naturschönheit und dem gelegentlichen süßen Gurren eines Vogels.

Eine Höhle, die uns vor Wind und Geräuschen schützt, die sicher und geschützt und frei von Störungen ist, wird als idealer Ort für Einsamkeit und Meditation vorgeschlagen. Heute ist es nicht mehr nötig, auf die Suche nach einer Höhle zu gehen. Wir können in unserem eigenen Haus in unserem eigenen Zimmer zu einer Zeit meditieren, in der es am wenigsten Bewegung und Aufregung im Haus gibt (am frühen Morgen) - bei ausgeschaltetem Telefon! Kurz gesagt, der Ort muss für die Praxis der Meditation mit einem Minimum an Störung durch äußere Faktoren förderlich sein.

Die Wegweiser der Erfahrungen auf dem Pfad der Meditation sind im Folgenden angegeben.

नीहारधूमार्कानिलानलानां खद्योतविद्युत्स्फटिकशशीनाम्। एतानि रूपाणि पुरःसराणि ब्रह्मण्यभिव्यक्तिकराणि योगे॥ ११॥

nīhāradhūmārkānilānalānāṁ khadyotavidyutsphaṭikaśaśīnām, etāni rūpāṇi puraḥsarāṇi brahmaṇyabhivyaktikarāṇi yoge. (11)

नीहार-धूम-अर्क-अनिल-अनलानां - von Nebel, Rauch, der Sonne, Wind und Feuer; खद्योत-विद्युत्-स्फटिक-शशीनाम् - von Glühwürmchen, Blitz, Kristall und Mond; एतानि - diese; रूपाणि - Erscheinungen; पुरःसराणि - vorausgehen; ब्रह्मणि अभिव्यक्तिकराणि - die Manifestation der Wahrheit (Brahman); योगे - im Yoga

11. Nebel, Rauch, die Sonne, Wind, Feuer, Glühwürmchen, Blitz, Kristall, Mond - diese Erscheinungen gehen der Manifestation der Wahrheit (Brahman) im Yoga voraus.

Die wahrscheinlichen Wegweiser: Nach den Yoga Śāstras ist es wahrscheinlich, dass bestimmte Erfahrungen auftreten, wenn der Suchende beginnt, Meditation zu praktizieren. Es ist nicht notwendig, dass sie eintreten, und viele weitere, die hier nicht beschrieben sind, könnten ebenfalls auftreten. Wir mögen Nebel, Schneeflocken oder Nebelbildung sehen oder Rauch, helles oder sanftes Licht, einen Schwall kühlen Windes oder eine sanfte Brise fühlen, die durch die Wirbelsäule oder über den Körper geht, oder heiße Luft wie in der Nähe von Feuer innerhalb oder außerhalb des Körpers spüren.

Manche sehen vielleicht einen lichtdurchfluteten Himmel oder Lichtstreifen oder Lichtfunken wie von einem Kristall oder helles Licht wie vom Mond. Dies sind sensorische Erfahrungen ohne den Gebrauch der Sinne. Solche außergewöhnlichen Erfahrungen von Klängen, Berührungen, Formen, Geschmack und Gerüchen sind Vorläufer der Manifestation der Wahrheit. In der Tat sind alle Erscheinungen die Wahrheit, die sich nur als außergewöhnliche Sinneswahrnehmungen manifestiert.

Die Bedeutung: Diese oben erwähnten Erfahrungen weisen auf einen Zustand tiefer Konzentration des Geistes hin. Er hält alle gewöhnlichen weltlichen Erinnerungen und störenden Gedanken fern. Die Erfahrungen hängen von der Art der Meditation ab und davon, auf welches der Elemente der Praktizierende seine Aufmerksamkeit richtet. Wer sich z.B. auf das Raumelement konzentriert, wird wahrscheinlich göttliche Klänge oder den Klang einer Muschel oder Glocke hören.

Eine Warnung: Der Suchende sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Erfahrungen nur erste Anzeichen dafür sind, dass der Praktizierende auf dem richtigen Weg ist. Sie sind keineswegs das Ziel der Meditation, und deshalb sollten wir uns nicht daran hängen und anfangen, uns nach diesen Erfahrungen zu sehnen. Das Selbst ist jenseits von Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch. Wenn diese Erfahrungen geschehen, sollten wir ein bloßer Zeuge von ihnen sein, mit dem Wissen, dass 'ich' der Erfahrende bin und nicht der Erfahrene.

Diese Erfahrungen werden wahrscheinlich verschwinden oder durch subtilere und wunderbarere Erfahrungen ersetzt werden, wenn der Praktizierende auf dem Pfad des Yoga voranschreitet. Dies wird in dem folgenden Mantra erklärt.

पृथ्व्यप्तेजोऽनिलखे समुत्थिते पञ्चात्मके योगगुणे प्रवृत्ते। न तस्य रोगो न जरा न मृत्युः प्राप्तस्य योगाग्निमयं शरीरम्॥ १२॥

pṛthvyaptejo'nilakhe samutthite pañcātmake yogaguṇe pravṛtte, na tasya rogo na jarā na mṛtyuḥ prāptasya yogāgnimayaṁ śarīram. (12)

पृथ्वि-अप्-तेज-अनिल-खे समुत्थिते - wenn die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft und der Raum manifestiert sind; पञ्चात्मके योगगुणे प्रवृत्ते - wenn die fünffachen Eigenschaften des Yoga erfahren werden; न - nein; तस्य - für ihn; रोगः - Krankheit; न - nein; जरा - Alter; न - nein; मृत्युः - Tod; प्राप्तस्य - für denjenigen, der erlangt hat; योगाग्निम् - aus dem Feuer des Yoga gemacht; अयम् - dies; शरीरम् - Körper

12. Wenn die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft und der Raum manifestiert sind und die fünffachen Attribute des Yogas erfahren werden, erlangt der yogī einen Körper, der aus dem Feuer des Yogas gemacht ist, und er hat keine Krankheiten, kein Alter und keinen Tod mehr.

Die elementare Erfahrung: Eine tiefere Meditation auf die Wahrheit mit Unterstützung der fünf Elemente und ihrer subtilen Essenz oder Qualitäten führt zu subtileren Kräften und Erfahrungen. Zum Beispiel nimmt der Meditierende die Unterstützung des Erdelements und seiner essentiellen Qualität des Geruchs mit dem bīja-Mantra 'lam' mit den Gedanken: 'Ich bin die Wahrheit im Erdelement, das in allen Dingen und Wesen in seiner groben und subtilen Form ist. Ich bin der heilige Geruch, der alles durchdringt.'

Eine solche Meditation führt zum Einssein mit dem Erdelement, zur Macht, alles zu kontrollieren, was daraus erschaffen wird, zur Erfahrung göttlicher Düfte und so weiter. 'Ich bin der süße Duft der Erde', sagt Śrī Kṛṣṇa. Solche Meditation kann uns der Verwirklichung der Wahrheit näher bringen, die die Essenz aller Elemente, aller ihrer Eigenschaften und der gesamten Schöpfung ist.

Der phänomenale Körper: Im fortgeschrittenen Stadium der Praxis erfährt der Meditierende die essentiellen Qualitäten der fünf Elemente und sein Körper, der ebenfalls aus den fünf Elementen besteht, wird im Feuer des Yoga - der Praxis der Meditation - in eine subtile Form verwandelt. Auch die Zellen in unserem Körper verändern sich alle paar Jahre. Die alten nutzen sich ab und werden durch neue ersetzt. Aber wir altern trotzdem mit der Zeit. Bei einem Yogi jedoch wird jede Zelle im Körper erneuert und er wird jünger. Der Prozess ist völlig anders als das, was wir erleben. Sein Körper ist nicht mehr anfällig für Krankheiten, Alter oder Tod. Er kann seinen Körper nach Belieben verlassen. Ich habe einmal einen Heiligen getroffen, der 350 Jahre alt war. Jetzt hat er seinen Körper aufgegeben. Es ist nicht leicht, ein solches Phänomen zu begreifen. Die Meditation über die fünf Elemente als die Wahrheit wird im 'upaśama'-Abschnitt des Yogavāsiṣṭha und der Yoga Yājñavalkya Saṁhitā sehr ausführlich dargestellt.

Die Indikatoren, bevor ein Yogi diese phänomenale Transformation des Körpers erlangt, werden im nächsten Mantra beschrieben.

लधुत्वमारोग्यमलोलुपत्वं वर्णप्रसादं स्वरसौष्ठवं च। गन्धः शुभो मूत्रपुरीषमल्पं योगप्रवृत्तिं प्रथमां वदन्ति॥ १३॥

laghutvam-ārogyam-alolupatvaṁ varṇa-prasādaṁ svara-sauṣṭhavaṁ ca, gandhaḥ śubho mūtrapurīṣam-alpaṁ yogapravṛttiṁ prathamāṁ vadanti. (13)

लधुत्वम् - Leichtigkeit; आरोग्यम् - gute Gesundheit; अलोलुपत्वम् - Nicht-Gefräßigkeit; वर्णप्रसादम् - leuchtender Teint; स्वरसौष्ठवम् - Lieblichkeit der Stimme; च - und; गन्धः - Duft; शुभः - süß; मूत्रपुरीषम् - Urin und Fäkalien; अल्पम् - spärlich; योगप्रवृत्तिम् - des Fortschritts im Yoga; प्रथमाम् - die ersten (Zeichen); वदन्ति - (sie) sagen

13. Es wird gesagt, dass die ersten Zeichen des Fortschritts im Yoga sind: Leichtigkeit, gute Gesundheit, Nicht-Gefräßigkeit, leuchtender Teint, Süße der Stimme, süßer Duft und spärliche Ausgabe von Urin und Fäkalien.

Die Wegweiser: Die folgenden sieben Zeichen zeigen dem Yogapraktizierenden den Fortschritt an, lange bevor sein Körper vollständig transformiert ist:

Leichtigkeit (laghutva): Der Körper wird leicht und fühlt sich immer frisch und aktiv. Es gibt keine Spur von Faulheit oder Lethargie.

Gesundheit (ārogya): Der Körper wird gesund und es herrscht ein Gefühl des Wohlbefindens. Der Geist wird im Allgemeinen auf den Schmerz konzentriert. Der Yogi, der frei von Schmerz und Krankheit ist, ist in der Lage, seinen Geist mühelos vom Körper abzuheben und sich auf die Wahrheit zu konzentrieren.

Nicht-Gefräßigkeit (alolupatva): Die Angewohnheit, alles und jeden besitzen zu wollen, bringt die Menschen dazu, in Kaufrausch zu verfallen. Der Yogapraktizierende verspürt kein Verlangen nach weltlichen Besitztümern. Die Sinnesfreuden stören oder lenken ihn weder während der Meditation noch sonst wie ab. Glühender Teint (varṇa prasāda): Neben dem Leuchten aufgrund der guten Gesundheit strahlt die Haut eines Yoga-Praktizierenden aufgrund der Freude, des Friedens und der Schönheit, die er im Inneren erfährt. Lieblichkeit der Stimme (svara sauṣṭhava): Es bedeutet nicht, dass ein Yogapraktizierender anfängt, süß zu singen, aber seine Stimme wird süß und attraktiv, ebenso wie seine Worte und Gesten. Selbst wenn er sanft und leise spricht, haben seine Worte eine Kraft und entfachen Freude, Liebe und Frieden in den Zuhörern. Wohlgeruch (śubha gandha): Man sagt, dass ein Apfel am Tag einen Arzt fernhält, aber eine Zwiebel am Tag würde jeden fernhalten! Sogar bei gewöhnlichen Menschen gibt es einen merklichen Unterschied im Körpergeruch desjenigen, der raucht, Alkohol trinkt und nicht vegetarische Nahrung isst, und desjenigen, der 'sāttvika' Nahrung isst. Es wird gesagt, dass die himmlischen Gottheiten nicht lange auf der Erde bleiben, da sie den menschlichen Geruch nicht ertragen können! Der Körper des Yogis bringt keinen schlechten Geruch hervor, sondern verströmt einen Duft. Viele Heilige sind dafür bekannt, dass sie Düfte wie Sandelholz ausströmen und sogar Objekte, die von ihnen berührt werden, würden diesen Duft haben. Sogar ihre Fäkalien haben keinen schlechten Geruch.

Spärlicher Urin und Fäkalien (alpa mūtra-purīśa): Wenn die Nahrungsaufnahme abnimmt und die Verdauung stark wird, nehmen Urin und Fäkalien ab. Die schöpferische Kraft des Herrn, māyā, ist zweifach - die Kraft der Aktivität (kriyā śakti) und die Kraft des Wissens (jñāna śakti). Durch die Konzentration auf die prāṇas oder die vitale Luft wird die kriyā śakti angerufen und es können verschiedene außergewöhnliche Kräfte (siddhis) und verschiedene körperliche Veränderungen wie oben beschrieben stattfinden. Wenn der Praktizierende sich auf die jñāna śakti konzentriert, dann findet die Erkenntnis der Wahrheit statt.

Das Endziel des Yoga wird in den folgenden zwei Mantras erklärt:

यथैव बिम्बं मृदयोपलिप्तं तेजोमयं भ्राजते तत्सुधान्तम्। तद्वात्मतत्त्वं प्रसमीक्ष्य देही एकः कृतार्थो भवते वीतशोकः॥ १४॥

यदात्मतत्त्वेन तु ब्रह्मतत्त्वं दीपोपमेनेह युक्तः प्रपश्येत्। अजं ध्रुवं सर्वतत्त्वैर्विशुद्धं ज्ञात्वा देवं मुच्यते सर्वपाशैः॥ १५॥

yathaiva bimbaṁ mṛdayopaliptaṁ tejomayaṁ bhrājate tat-sudhāntam, tadvātmatattvaṁ prasamīkṣya dehī ekaḥ kṛtārtho bhavate vītaśokaḥ. (14)

yadātmatattvena tu brahmatattvaṁ dīpopameneha yuktaḥ prapaśyet, ajaṁ dhruvaṁ sarvatattvair-viśuddhaṁ jñātvā devaṁ mucyate sarvapāśaiḥ. (15)

यथा एव - wie; बिम्बम् - eine Scheibe; मृदया - mit Erde; उपलिप्तम् - bedeckt; तेजोमयम् - wie voller Licht; भ्राजते - leuchtet; तत् - das; सुधान्तम् - wenn gut gereinigt; तत् वा - so auch (in gleicher Weise); आत्मतत्त्वम् - die Wahrheit des Selbst; प्रसमीक्ष्य - verwirklichen; देही - das verkörperte Wesen; एकः - nicht-dual; कृतार्थः - erfüllt; भवते - wird; वीतशोकः - frei von Kummer

यदा - wenn; आत्मतत्त्वेन - als das Selbst (Ᾱtmā); तु - wahrlich; ब्रह्मतत्त्वम् - die Wahrheit (Brahman); दीप-उपमेन - wie eine Lampe (strahlend); इह - hier (in der Meditation); युक्तः - yogī; प्रपश्येत् - verwirklicht; अजम् - ungeboren; ध्रुवम् - ewig; सर्वतत्त्वैः - von allen Modifikationen; विशुद्धम् - frei; ज्ञात्वा - erkannt haben; देवम् - göttliches Wesen; मुच्यते - befreit; सर्वपाशैः - von allen Fesseln

14. So wie eine mit Erde bedeckte (Metall-)Scheibe, wenn sie gut gereinigt ist, voller Licht erstrahlt, so wird auch das verkörperte Wesen, wenn es die Wahrheit des Selbst erkennt, nicht-dual, erfüllt und frei von Sorgen.

15. Wenn der yogī, mit dem Geist hier in Meditation vertieft, die Wahrheit (Brahman) wahrhaftig als das Selbst (Ᾱtman) wie eine Lampe (strahlend) verwirklicht und das göttliche Wesen als ungeboren, ewig und frei von allen Modifikationen erkennt, wird er von allen Bindungen befreit.

Das Endziel: Übersinnliche Wahrnehmungen, außergewöhnliche Kräfte oder die Transformation des Körpers sind nicht das primäre Ziel des Yoga. Wenn der Meditierende an ihnen hängt oder auf sie stolz ist, werden sie zu einem Hindernis auf seinem spirituellen Weg. Sie sind lediglich als Wegweiser des Fortschritts auf dem Pfad zur Wahrheit zu betrachten. Die Wahrheit als das eigene Selbst (ātmatattvena) zu erkennen, ist das endgültige Ziel der Meditation.

Das Golderz aus der Mine erscheint schwarz. Schichten der Bedeckung werden durch viele Prozesse entfernt, um den natürlichen Glanz des Goldes hervorzubringen. In ähnlicher Weise entfernt die Praxis der Meditation die Schichten der Unwissenheit und der falschen Vorstellungen wie "Ich bin endlich" und "Ich bin der Körper", die das immer leuchtende Selbst im Inneren verdecken.

Die Wahrheit (Brahman) ist unendlich, ungeboren, geburtenlos und nicht durch irgendetwas anderes vorausgegangen oder verursacht. Es ist die unverursachte Ursache des gesamten Universums. Es ist ewig und unveränderlich und frei von allen fremden Faktoren und frei von Unwissenheit und deren Auswirkungen. Genau wie das Licht der Lampe ist die Wahrheit oder das Selbst selbstverständlich und erhellt alle unsere Gedanken und Sinne.

Hier werden die Worte Wahrheit (Brahman), Selbst (Ᾱtmā) und göttliches Wesen (Deva) für das Absolute Eine verwendet, mit Bedeutungsnuancen, die es wert sind, beachtet zu werden. Ᾱtmā bezeichnet das Subjekt 'Ich', den Wissenden, den Erleuchter, das Bewusstsein im individuellen Körper. Brahman bezeichnet das unendliche Substrat des gesamten Universums. Deva bezeichnet Gott (Īśvara), das göttliche Wesen, das die unergründliche Macht der māyā ausübt, den Herrn des Universums, der sich allein als Śrī Rāma oder Śrī Kṛṣṇa verkörpert. Brahman ist die formlose, attributlose (nirguṇa nirākāra) Wahrheit und Deva ist der Herr mit Form und Attributen (saguṇa sākāra). Der Suchende in der Meditation erkennt, dass das Selbst in mir (Ᾱtmā) selbst das Substrat des Universums (Brahman) und das göttliche Wesen (Deva) ist, das zu verschiedenen Zeiten verschiedene Formen (avatāras) annimmt. Als jemand Tulasīdāsa fragte: "Hat Gott eine Form, oder ist Er formlos?" Er antwortete: "In den Augen ist Er mit Form, im Herzen ist Er formlos." Es gibt überhaupt keinen Konflikt. Da sie dies nicht verstehen, sagen viele, dass Hindus an viele Götter glauben, und einige Hindus sind sogar verwirrt, welchen Gott sie verehren sollen! Es muss jedoch keine solche Verwirrung geben, da die Wahrheit/der Gott nur einer ist.

Das Ergebnis: Diese Wahrheit direkt als unser eigenes Selbst zu verwirklichen, bringt totale Erfüllung, da es im Leben nichts mehr zu gewinnen gibt. In der Verwirklichung der Wahrheit wird der Suchende frei von allen Bindungen und Sorgen.

Menschen, die auf die hohen Palmen klettern, um die Palmfrucht zu pflücken, aus der Alkohol hergestellt wird, werden pāśis genannt. Sie binden ihre Knöchel mit einem Seil (pāśa) um den Baum und auch ein weiteres Seil um die Taille, das an den Baum gebunden ist. So an den Baum gebunden, klettern sie mühsam nach oben. Auch wir sind mit den Seilen der Unwissenheit, der Begierden und der Anhaftungen an den Baum des Lebens gebunden und machen anstrengende Anstrengungen für kleine Früchte, die oft illusorisch sind. Selbsterkenntnis befreit uns von allen Fesseln.

Die nächsten beiden Mantras erklären die immanente Natur der Wahrheit.

एष ह देवः प्रदिशोऽनु सर्वाः पूर्वो ह जातः स उ गर्भे अन्तः।

स एव जातः स जनिष्यमाणः प्रत्यङ्जनांस्तिष्ठति सर्वतोमुखः॥ १६॥

यो देवो अग्नौ यो अप्सु यो विश्वं भुवनमाविवेश। य ओषधीषु यो वनस्पतिषु तस्मै देवाय नमो नमः॥ १७॥

eṣa ha devaḥ pradiśo'nu sarvāḥ pūrvo ha jātaḥ sa u garbhe antaḥ, sa eva jātaḥ sa janiṣyamāṇaḥ pratyaṅ-janāṁstiṣṭhati sarvatomukhaḥ. (16)

yo devo agnau yo apsu yo viśvaṁ bhuvanam-āviveśa, ya oṣadhīṣu yo vanaspatiṣu tasmai devāya namo namaḥ. (17)

एषः ह - dies sehr; देवः - Gott; प्रदिशः - die Richtungen; अनु - die dazwischen liegenden (Richtungen); सर्वाः - alle; पूर्वः ह - als der Erste; जातः - wurde geboren; सः उ - Er, wieder; गर्भे अन्तः - im Mutterleib; सः - Er; एव - wahrlich; जातः - der Geborene; सः - Er; जनिष्यमाणः - derjenige, der geboren werden wird; प्रत्यङ् - innerhalb; जनाः - alle Wesen; तिष्ठति - existiert; सर्वतोमुखः - einer, der überall Gesichter hat

यः - einer, der; देवः - Gott; अग्नौ - im Feuer; यः - einer, der; अप्सु - im Wasser; यः - einer, der; विश्वम् - ganz; भुवनम् - Schöpfung; आविवेश - eingegangen ist; यः - einer, der; ओषधीषु - in Kräutern; यः - einer, der; वनस्पतिषु - in Bäumen; तस्मै देवाय - zu jenem Gott; नमः नमः - immer wieder grüßen

16. Dieser Gott selbst ist alle Richtungen und alle Zwischenrichtungen. Er wurde als der Erste geboren. Er, wiederum, existiert im Mutterleib. Er ist wahrlich derjenige, der geboren wurde; Er ist auch derjenige, der geboren werden wird. Er existiert in allen Wesen; Er hat überall Seine Gesichter.

17. Grüßt immer wieder jenen Gott, der im Feuer ist, der im Wasser ist, der in die gesamte Schöpfung eingegangen ist, der in den Kräutern ist und der in den Bäumen ist.

Gott ist überall: Gott/Wahrheit durchdringt alle Haupt- und Zwischenrichtungen, oben und unten. Er allein wird als Brahmā geboren, der erstgeborene Schöpfer, der Vater von allem (paraṁ pitā). Er allein ist der Vater, der dann die Form des Fötus im Mutterleib annimmt. Eine schwangere Frau muss verstehen, dass das göttliche Wesen in ihrem Mutterleib ist. Die Aitareya Upaniṣad (2.1.3) fordert daher den Ehemann auf, sich gut um die schwangere Frau zu kümmern. Es ist Gott allein, der als kleines Baby geboren wird, und Er allein wird in Zukunft immer wieder in vielen Formen geboren werden, nicht nur als Menschenskind, sondern als jede Spezies. Welpen, Kätzchen, Kälber, Löwenjunge und die Jungtiere aller Arten sehen absolut göttlich aus und es ist leichter, Gott in ihnen zu erkennen.

Gott ist in der Tat das innere Selbst aller Wesen. Da jedes Gesicht Seines ist, hat Er überall ein Gesicht. Ein Marāṭhi-Lied besagt: 'Lord Śiva steht vor mir und auch hinter mir. Er schaut mich von beiden Seiten an.' Er allein schaut uns durch jedes Gesicht an, das wir sehen. Aber sehen wir Ihn auch?

Gott ist nicht nur im Inneren von allem, Er ist auch außerhalb als die fünf Elemente, die das gesamte Universum der unzähligen Kosmen durchdringen. Er allein ist im gesamten Pflanzen- und Tierreich, in allem Trägen und Empfindenden gegenwärtig.

Deshalb verehren die Hindus alles - Berge, Flüsse, Bäume, Pflanzen, die Sonne, den Mond und die Sterne. Sie verstehen, dass "alles, was man in der Welt sieht oder hört, sowohl innen als auch außen, von Gott durchdrungen ist. Da sie dies nicht verstanden haben, wurden sie als primitive Stein- oder Naturanbeter verachtet und nicht als Erleuchtete.

Mit wiederholten Grußworten an den allwissenden Gott, der überall ist, kommen wir zum Ende des zweiten Kapitels dieser Upaniṣad.

3. Kapitel Shvetashvatara Upanishad mit Kommentar von Swami Tejomayananda

In der berühmten Aussage "Das bist du" (tat tvam asi) bezieht sich "das" auf die wahre Natur des allwissenden, allmächtigen Gottes, "du" bezieht sich auf die wahre Natur des endlichen Individuums, du und ich, und "bist" bezieht sich auf ihre wesentliche Einheit. Das erste Kapitel enthüllte das Hauptthema der Upaniṣad, das darin besteht, diese Einheit zu verwirklichen. Das zweite Kapitel sprach über Meditation als Mittel zur Verwirklichung dieser Einheit. Das dritte Kapitel befasst sich nun mit Gott und seiner wahren Natur (tat pada śodhana). Die ersten beiden Mantras sprechen über die verschiedenen Kräfte Gottes.

य एको जालवानीशत ईशनीभिः सर्वांल्लोकानीशत ईशनीभिः। य एवैक उद्भवे सम्भवे च य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति॥ १॥ ए

को हि रुद्रो न द्वितीयाय तस्थुः य इमाँल्लोकानीशत ईशनीभिः। प्रत्यङ् जनांस्तिष्ठति सञ्चुकोचान्तकाले संसृज्य विश्वा भुवनानि गोपाः॥ २॥

ya eko jālavān-īśata īśanībhiḥ sarvāṁllokān-īśata īśanībhiḥ, ya evaika udbhave sambhave ca ya etad-vidur-amṛtāste bhavanti. (1)

eko hi rudro na dvitīyāya tasthuḥ ya imāllokān-īśata īśanībhiḥ, pratyaṅ janāṁs-tiṣṭhati sañcukocāntakāle saṁsṛjya viśvā bhuvanāni gopāḥ. (2)

यः - einer, der; एकः - nicht-dual; जालवान् - Besitzer des Netzes (māyā); ईशते - regiert; ईशनीभिः - durch Seine göttlichen Kräfte; सर्वान् - alle; लोकान् - die Welten; ईशते - regiert; ईशनीभिः - durch Seine Kräfte; यः - einer, der; एव - allein; एकः - einer; उद्भवे - wenn mit Seinen Herrlichkeiten ausgestattet; सम्भवे - zur Zeit der Schöpfung; च - und; यः - einer, der; एतद् - dies; विदुः - wissen; अमृताः - unsterblich; ते - sie; भवन्ति - werden

एकः - einer; हि - nur; रुद्रः - Rudra; न - nein; द्वितीयाय - zweiter; तस्थुः - bleibt; यः - einer, der; इमान् - diese; लोकान् - Welten; ईशते - regiert; ईशनीभिः - mit seinen göttlichen Kräften; प्रत्यङ् - in; जनान् - allen Wesen; तिष्ठति - wohnt; सञ्चुकोच - zieht (sie) in sich selbst zurück; अन्तकाले - schließlich; संसृज्य - geschaffen hat; विश्वा - alle; भुवनानि - die Welten; गोपाः - schützt

1. Er, der nicht-dual ist und der Besitzer des Netzes (māyā) ist, regiert durch Seine göttlichen Kräfte. Er regiert durch Seine Kräfte über alle Welten und ist derjenige, der allein zur Zeit der Schöpfung mit Herrlichkeiten ausgestattet ist. Diejenigen, die dies wissen, werden unsterblich.

2. Es gibt nur einen Rudra und keinen zweiten neben Ihm. Er regiert alle diese Welten mit Seinen göttlichen Kräften. Er wohnt in allen Wesen. Nachdem Er alle Welten erschaffen hat, beschützt Er sie und zieht sie dann schließlich in sich selbst zurück.

Gott ist eins (eko deva): Diese Aussage wird in vielen Mantras in dieser Upaniṣad und auch in allen hinduistischen Schriften wiederholt. Leider hat sich die Vorstellung von vielen Göttern so tief in der Psyche mancher verankert, dass das Lesen, Hören oder intellektuelle Verstehen darüber, dass Gott einer ist, die falschen Vorstellungen noch nicht beseitigt.

Gott ist unendlich und die Unendlichkeit kann nur einer sein. Alles ist in der Unendlichkeit enthalten. Nichts kann hinzugefügt oder davon abgezogen werden. Alle Namen, Formen, Eigenschaften, Kräfte und Konzepte sind in Gott enthalten und möglich. Er hat natürlich niemanden, der sich Ihm entgegenstellt, und es gibt niemanden, der Ihm ebenbürtig ist oder mit Ihm konkurriert, geschweige denn jemanden, der größer ist als Er.

Diejenigen, die diesen einen unendlichen Gott kennen, wollen nichts anderes. Sie leben allein um Gottes willen. Mīrābāi, der große Heilige, singt: 'Für mich gibt es nur einen Gott - Giridhara Gopāla und sonst niemanden (in dieser Welt).' Wenn jemand sagt, er wolle etwas anderes als den unendlichen Gott, hat er Gott oder die Unendlichkeit nicht verstanden.

Es bedeutet auch, dass alles, was das Wort Gott impliziert, nur auf eine Entität passt - Gott. Zum Beispiel könnte das Wort "Lampe" eine Tischlampe oder eine Öllampe bedeuten. Das Wort "Tisch" könnte die Tischplatte oder den ganzen Tisch bedeuten oder das Wort "Löwe" könnte jeden Löwen in Indien oder Afrika bedeuten. Aber Gott/Wahrheit bedeutet nur eine Entität - das Eine, das sich als viele manifestieren kann, ohne dass es eine intrinsische Veränderung gibt.

Gott übt māyā (jālavān) aus: Gott hat ein unendliches Potential. Er schwingt Seine unergründliche und unendliche Macht der māyā, die wie ein Netz ist, in dem sich alle Wesen verfangen. Ein Fischer breitet sein Fischernetz weit und breit aus. Er selbst wird nie gefangen, aber Hunderte von kleinen und großen Fischen verfangen sich in dem Netz. Einer jedoch, der in der Nähe der Füße des Fischers schwimmt, wird nicht gefangen. Die Wesen der ganzen Welt scheinen in māyās Netz verstrickt zu sein. Nur diejenigen, die sich Ihm hingeben, sind in der Lage, dieses sehr offensichtliche und schwer zu überwindende māyā zu überwinden. Gott ist wie ein Zauberer (māyāvi), der Seinen Zauber der Magie (māyā) wirkt, aufgrund dessen wir nicht in der Lage sind, Ihn zu sehen und in Seiner illusorischen und faszinierenden Welt verstrickt bleiben.

Gott, der Herrscher: Gott beherrscht seine verschiedenen Mächte - die Macht der Schöpfung, des Erhalts und der Zerstörung oder die Macht zu segnen, zu belohnen und zu bestrafen (anugraha, nigraha). Auch wir haben diese Kräfte in begrenztem Maße, aber wir haben wenig Kontrolle über sie. In der Tat werden wir von ihnen kontrolliert. Schaffen wir nicht unwissentlich Störungen oder brechen Beziehungen, sind weder unsere Segnungen noch unsere Flüche wirksam. Wenn wir sagen: "Fahr zur Hölle", antwortet die andere Person: "Wir sehen uns dort!"

Auf der individuellen Ebene gibt es die Kraft zu sehen, zu hören, zu riechen, zu sprechen, zu gehen, zu denken und so weiter. Durch diese Kräfte herrscht der Herr über das gesamte Universum und alle Wesen darin. Jeder Kosmos (brahmāṇḍa) besteht aus vielen Welten oder Erfahrungsbereichen (lokas - bhūḥ, bhuvaḥ, suvaḥ, mahaḥ, janaḥ, tapaḥ, satyam, atala, vitala, sutala, talātala, mahītala, rasātala und pātāla). Es gibt unzählige Kosmosen mit unzähligen Lokas. Der Herr ist der Herrscher über alle unzähligen Kosmosen dieses Universums mit unzähligen Wesen (ananta koṭi brahmāṇḍa nāyaka).

Jeder Kosmos hat seine eigenen Abteilungen für die Erzeugung, Erhaltung und Zerstörung (Brahmā, Viṣṇu, Maheśa). Durch sie erschafft, erhält und vernichtet Er die Welten. Seine Gesetze - die Gesetze der Natur - sind unfehlbar. Aufgrund von ihnen weht der Wind, fließt das Wasser, drehen sich die Planeten, Sterne und Galaxien, sehen die Augen, wird die Nahrung verdaut und leben alle Wesen. Er ist mit aller Herrlichkeit, Pracht und Majestät (udbhava) ausgestattet, die sich durch die Schöpfung (sambhava) dieser vielgestaltigen Welt in vollem Umfang manifestiert. Da Er in allen Wesen verbleibt, kontrolliert Er den Menschen durch sein Gewissen und durch die Umstände und Gesetze, die seinen Körper und Geist regieren. Wenn wir zum Beispiel regelmäßig zu viel essen, werden wir fettleibig, der Arzt warnt uns und auch unser Geist sagt uns, dass wir aufhören sollen.

Gott ist Rudra: Der Gott, der früher als Savitā, die Sonne, bezeichnet wurde, wird jetzt Rudra genannt. Es gibt mehrere Bedeutungen für dieses Wort.

Rudra ist ein anderer Name von Śiva - der Verheißungsvolle.

Rudra ist 'Einer, der andere zum Weinen bringt' - (rodayati iti). Gott gibt die Ergebnisse der Handlung (karma phala dātā). Die Übeltäter weinen, wenn sie die Strafe für ihre bösen Taten erhalten. Stellen Sie sich nicht einen grausamen Gott im Himmel vor, der die Bösen bestraft. Es ist Gottes Gesetz, dass wir ernten, was wir säen. Zorn ist seine eigene Strafe. Das bedeutet, dass Seine unfehlbaren Gesetze in Seiner Gegenwart wirken.

Rudra ist 'Einer, der Seine Verehrer zum Weinen bringt, wenn ihre Herzen mit Liebe zu Ihm erfüllt sind.'

Rudra ist 'Einer, der die Krankheit der Seelenwanderung (saṁsāra) beseitigt (wegschmilzt).' Er wird auch der Arzt oder die Medizin (Heilung) für die Krankheit von saṁsāra genannt - bhiṣaje bhavarogiṇām.

Gott ist unsterblich: Diejenigen, die Gott als ihr eigenes inneres Selbst erkennen, werden auch unsterblich. Unsterblichkeit ist nicht nur Kontinuität in der Zeit. Unsterblich zu werden bedeutet nicht, dass wir unseren Körper behalten und nicht sterben. Es wäre kein sehr glücklicher Zustand, alle unsere Lieben gehen zu sehen und ohne sie weiterzuleben! Es bedeutet, die Wahrheit/Gott/Selbst zu kennen, jenseits von Zeit und Veränderung zu sein. Praktisch bedeutet es, frei zu werden von der Angst vor Veränderung und Tod. Unsterblichkeit bringt Furchtlosigkeit (abhayaṁ pratiṣṭhāṁ vindate). Es bedeutet auch, dass der Realisierte die unsterblichen und göttlichen Kräfte des Herrn in seinem Leben manifestiert.

Die kosmische Form Gottes wird nun kurz beschrieben.

विश्वतश्चक्षुरुत विश्वतोमुखो विश्वतोबाहुरुत विश्वातस्पात्। सं बाहुभ्यां धमति संपतत्रैर्द्यावाभूमी जनयन्देव एकः॥ ३॥

viśvataś-cakṣuruta viśvato-mukho viśvato-bāhuruta viśvātaspāt, saṁ bāhubhyāṁ dhamati sampatatrair-dyāvābhūmī janayan-deva ekaḥ. (3)

विश्वतः - überall; चक्षुः - Auge; उत - und; विश्वतोमुखः - Mund überall; विश्वतः - überall; बाहुः - Hände; उत - und; विश्वतस्पात् - Füße überall; बाहुभ्याम् - mit Händen; सम् धमति - vereint; संपतत्रैः - mit Füßen und Flügeln; द्यावाभूमी - der Himmel und die Erde; जनयन् - geschaffen haben; देवः - der Herr; एकः - einer allein

3. Seine Augen sind überall; Sein Mund, seine Hände und Füße sind überall. Dieser strahlende Herr, der einer allein ist, nachdem er den Himmel und die Erde erschaffen hat, vereint (alle Wesen) mit Händen, Füßen und Flügeln.

viśvataścakṣu viśvatomukha: Gott hat überall Augen und Münder. Das bedeutet, dass alle Augen und Münder in allen Lebewesen allein Ihm gehören. Dabei stehen die Augen für alle Wahrnehmung und Erkenntnis (jñāna) und der Mund für alle Genüsse (bhoga). Es ist Gott allein, der alles wahrnimmt, alles weiß und alles genießt, durch alle Lebewesen. Wir können Ihn im unschuldigen Blick eines Kindes sehen, in der kraftvollen Rede eines Redners oder in einer warmen Mahlzeit, die wir genießen, wenn wir hungrig sind. Beim Nippen an einer heißen Tasse Kaffee bemerkte Śrī Gurudev einmal: "Wer sagt, dass es kein Brahmānanda - die Glückseligkeit Gottes - im Kaffee gibt?"

Solange unsere Aufmerksamkeit auf der wahren Quelle verbleibt, werden wir nicht an irgendwelche Wahrnehmungen oder Genüsse gebunden sein. Der Gottgeweihte betet daher: "Mögen wir Dich immer und überall erblicken und Deine Herrlichkeiten hören und singen.“

viśvato-bāhu viśvatas-pāt: Gott hat überall Hände und Füße. Alle Hände und Füße sind allein Sein. Sie stehen für alle Handlungen und Bewegungen. Gott kann im Sprung eines Frosches, im festen Griff eines Säuglings oder in der schnellen Reaktion einer Berührung gesehen werden.

bāhubhyāṁ saṁ-dhamati patatraiḥ: Es ist Gott allein, der alle Wesen in der Welt mit den Körpern segnet, um die Ergebnisse ihrer Handlungen in den verschiedenen Erfahrungsbereichen wie der Erde und dem Himmel, die Er erschafft, zu durchlaufen. Er schenkt den Menschen Hände und Beine und den Vögeln Flügel. Das Wort 'patatra' bedeutet 'das, was uns vor dem Fallen schützt' (patantaṁ trāyate iti), was sich sowohl auf Beine als auch auf Flügel bezieht, ohne die Tiere und Vögel zu Boden fallen würden.

Die Erwähnung der Hände hat eine besondere Bedeutung. Tiere gehen auf vier Beinen, wir aber stehen auf zwei Beinen und sind mit Händen mit Fingern und Daumen begabt, durch die uns viel mehr Möglichkeiten offenstehen. Die Hände repräsentieren die Fähigkeit zu denken und zu handeln (karma śakti) und die Selbstanstrengung (puruṣārtha), aufgrund derer wir Fortschritte machen und sogar Göttlichkeit erlangen können. Wir werden daher gebeten, jeden Morgen auf unsere Hände zu schauen und uns daran zu erinnern, dass Lakṣmī (Reichtum), Sarasvatī (Wissen) und Govinda (Herr selbst) in unserer Hand wohnen. Wir können arbeiten, um Reichtum, Wissen oder Göttlichkeit zu erlangen. Im Grunde genommen erschafft Gott die Welt und alle Wesen und stattet sie mit besonderen Fähigkeiten aus. Der Mensch ist besonders ausgestattet, damit er Gott verwirklichen kann.

Nachdem er einen Blick auf Seine kosmische Form geworfen hat, betet der Suchende so:

यो देवानां प्रभवश्चोद्भवश्च विश्वाधिपो रुद्रो महर्षिः। हिरण्यगर्भं जनयामास पूर्वं स नो बुद्ध्या शुभया संयुनक्तु॥ ४॥

yo devānāṁ prabhavaścodbhavaśca viśvādhipo rudro maharṣiḥ, hiraṇyagarbhaṁ janayāmāsa pūrvaṁ sa no buddhyā śubhayā saṁyunaktu. (4)

यः - derjenige; देवानाम् - von allen Gottheiten; प्रभवः - Ursprung; च - und; उद्भवः - Quelle; च - und; विश्वाधिपः - der Herr des gesamten Universums; रुद्रः - Rudra; महर्षिः - allwissend; हिरण्यगर्भम् - Hiranyagarbha; जनयामास - ins Leben gerufen; पूर्वम् - ursprünglich; सः - Er; नः - wir; बुद्ध्या - mit Gedanken; शुभया - (mit) glückverheißend (oder edel); संयुनक्तु - (kann) ausstatten

4. Möge Rudra, der der Ursprung aller Gottheiten und die Quelle all ihrer Kräfte ist, der allwissend und der Herr des gesamten Universums ist, der ursprünglich Hiranyagarbha ins Leben gerufen hat, uns mit glückverheißenden (edlen) Gedanken ausstatten.

Gott (Rudra) ist der Schöpfer der himmlischen Gottheiten: Gott ist der Ursprung (prabhava) aller himmlischen Wesen und die vorsitzende Gottheit aller Gesetze und Abteilungen, die dieses Universum leiten. Er allein ist die Quelle all ihrer Kräfte, Macht und Herrlichkeiten (udbhava). In Kenopaniṣad gibt es eine Geschichte, dass der Feuergott (agni devatā) nicht einmal einen Grashalm verbrennen konnte, noch der Windgott (vāyu devatā) ihn blasen konnte, als er von Gott in Form eines Yakṣa herausgefordert wurde. Śrī Gurudev würde sagen: "Sie könnten nicht einmal den Tautropfen auf einem Grashalm mit der Kraft eines Waldbrandes oder eines Tornados trocknen." Alle Kraft kommt von Ihm allein.

Gott (Rudra) ist der Schöpfer des Schöpfers: Er allein ist die Ursache aller Ursachen. Er allein nimmt die Form von Hiraṇyagarbha an, dem Schöpfer des Universums (hiraṇya - Welt + garbha - Schoß). Hiraṇya bedeutet auch Wissen. Wissen geht jeder Schöpfung voraus. Selbst um eine gute Beilage zuzubereiten, ist kulinarisches Wissen erforderlich. Gott ist der eigentliche Schoß allen Wissens.

Gebet zu Gott: Der Intellekt ist das, was uns von anderen Tieren unterscheidet. Er ist begabt mit Auswahl, Unterscheidungsvermögen, Verständnis und Idealen. Doch durch seinen Missbrauch können wir unseren eigenen Untergang herbeiführen. Gedanken, die uns vom Guten und unserer wahren Natur wegführen, bringen Kummer. Daher betet der Suchende inbrünstig: "Mögen wir immer edle Gedanken hegen. Mögen wir mit glücksverheißenden Gedanken gesegnet sein, anderen zu dienen, uns selbst zu verbessern, den Herrn in allem zu sehen und das höchste Ziel zu erreichen.' Dieses Gebet ist wichtig und wird deshalb in zwei weiteren Mantras im nächsten Kapitel wiederholt. Herr Śrī Kṛṣṇa sagt: 'Ich vereinige dich mit solchen Gedanken, durch die du Mich erreichen kannst.’

Die folgenden zwei Gebetsmantras erscheinen auch im berühmten Rudra Sūktam, das im Saṁhitā-Teil des Veda zu finden ist.

या ते रुद्र शिवा तनूरघोरापापकाशिनी। तया नस्तनुवा शन्तमया गिरिशन्ताभिचाकशीहि॥ ५॥

यामिषुं गिरिशन्त हस्ते बिभर्ष्यस्तवे। शिवां गिरित्र तां कुरु मा हिंसीः पुरुषं जगत्॥ ६॥

yā te rudra śivā tanūr-aghorāpāpakāśinī, tayā nastanuvā śantamayā giriśantābhicākaśīhi. (5)

yāmiṣuṁ giriśanta haste bibharṣyastave, śivāṁ giritra tāṁ kuru mā hiṁsīḥ puruṣaṁ jagat. (6)

या - das; ते - dein; रुद्र - O Rudra; शिवा - glückverheißend; तनूः - Form; अघोरा - sanft (nicht erschreckend); अपापकाशिनी - der alle Sünden beseitigt; तया - damit; नः - uns; शन्तमया तनुवा - mit glückverheißender Form; गिरिशन्त - O Giriśanta (Herr, der, während er auf einem Berg residiert, Freude verbreitet); अभिचाकशीहि - bitte schau

याम् - der; इषुम् - Pfeil; गिरिशन्त - O Giriśanta (der Herr, der, während er auf einem Berg residiert, Freude verbreitet); हस्ते - in der Hand; बिभर्षि - (du) hältst; अस्तवे - bereit, zu schießen; शिवाम् - verheißungsvoll; गिरित्र - O Giritra (der Beschützer des Berges); ताम् - das; कुरु - tun; मा - nicht; हिंसीः - zerstören; पुरुषम् - jede Person oder Kreatur (in dieser Welt); जगत् - diese Welt

5. O Rudra! Bitte schau uns mit deiner Form an, die sanft und verheißungsvoll ist und alle Sünden beseitigt.

6. Bitte mache den Pfeil, den du in deiner Hand hältst, glückverheißend und zerstöre nicht diese Welt oder irgendeine Person darin.

Dies ist ein Gebet an Gott, sich mit Form und besonderen Eigenschaften (saguṇa sākāra) zu manifestieren.

Rudra als Aghora: Im Allgemeinen erscheint Rudra grimmig und feurig, hart und schrecklich wie Tod und Zerstörung, mit roten Augen und bereit zu töten. Seine Form erzeugt Angst und Schrecken in den Herzen aller. Seine andere Form ist jedoch ruhig, sanft (aghora) und schön. Er ist wie das Meer - manchmal rau und heftig, manchmal ruhig und gelassen. In Indien werden bestimmte Arten von wandernden Bettlern Aghoris genannt, obwohl sie genau das Gegenteil zu sein scheinen! Wir beten zu Rudra, eine sanfte Form anzunehmen, die Frieden, Liebe und Freude in unsere Herzen einflößt.

Rudra als Śiva: Wenn er von der Göttlichkeit berührt wird, wird alles verheißungsvoll, heilig und glorreich. Ein Körper ohne den Funken der Göttlichkeit, der leblos ist, wird starr, zersetzt sich und stinkt. Er wird dann als unheilvoll betrachtet und dem Feuer übergeben. Gott ist göttlich und verheißungsvoll. Wir beten zu Ihm, dass Er sich manifestiert und unsere Herzen mit Göttlichkeit und Glücksverheißung erfüllt.

Rudra als Apāpakāśinī: Sünden verursachen Kummer und gute Taten schenken Freude. Das bloße Gedenken an Gott beseitigt alle Sünden und manifestiert Tugenden.' Möge Sein Anblick jedes Verlangen in uns, zu sündigen, beseitigen.

Rudra als Giriśanta: Rudra ist derjenige, der auf dem Kailāsa-Berg verweilt und Verheißung verbreitet. 'In unserer Rede und in den Worten der Veden sitzend, verbreitet Er Verheißung.' Möge Rudra, der ein solcher ist, vor mir erscheinen und mich segnen.

Abhicākaśīḥ: Oh Herr, bitte schaue uns mit Liebe und Mitgefühl an. Möge dein bloßer Blick Liebe, Freude, edle Gedanken und Weisheit in uns erzeugen.

Rudra als Giritra: 'Rudra ist derjenige, der den Kailāsa-Berg beschützt.' Śiva verweilt immer hoch oben auf dem Himālayan-Gipfel des Berges Kailāsa, der immer kalt und schneeweiß ist. Möge Er vor uns erscheinen und uns vor der Hitze und dem Kummer des weltlichen Daseins schützen, uns rein (weiß) machen und unsere Gedanken zu göttlichen Gipfeln erheben.

Rudra mit Waffen: Im Allgemeinen ist Rudra immer bereit, die Bösen zu töten und die Welt mit seinem Pfeil und Bogen zu zerstören. Der ṛṣi betet - 'Bitte sei nicht wütend auf mich und töte weder mich noch sonst jemanden. Mögest Du nur unsere Negativitäten töten und unsere falschen Vorstellungen zerstören. Mögen Deine Waffen ein Segen für alle sein.’

Die Natur Gottes wird weiter ausgearbeitet als:

ततः परं ब्रह्मपरं बृहन्तं यथानिकायं सर्वभूतेषु गूढम्। विश्वस्यैकं परिवेष्टितारमीशं तं ज्ञात्वामृता भवन्ति॥ ७॥

tataḥ paraṁ brahma-paraṁ bṛhantaṁ yathānikāyaṁ sarvabhūteṣu gūḍham, viśvasyaikaṁ pariveṣṭitāram-īśaṁ taṁ jñātvāmṛtā bhavanti. (7)

ततः परम् - darüber; ब्रह्म - Wahrheit (Brahman); परम् - das, was keiner Begrenzung unterliegt; बृहन्तम् - unendlich; यथा-निकायम् - entsprechend ihrem Körper; सर्वभूतेषु - in allen Geschöpfen; गूढम् - verborgen; विश्वस्य - von dieser Welt; एकम् - eins; परिवेष्टितारम् - allumfassend; ईशम् - Herr; तम् - den; ज्ञात्वा - durch Wissen; अमृताः - unsterblich; भवन्ति - wird

7. Darüber ist die unendliche Wahrheit (Brahman), die in allen Geschöpfen entsprechend ihrem Körper verborgen ist, die der eine Herr ist, der diese ganze Welt umschließt, und durch dessen Erkenntnis man unsterblich wird.

Gott ist jenseits aller Namen und Formen: Das bedeutet, dass Gott/Wahrheit nicht durch Zeit, Raum oder Objekte begrenzt ist (deśa kāla vastu pariccheda śūnyam). Das, dessen Existenz unbeständig ist, das, was sich verändert, was kommt und geht, ist durch die Zeit begrenzt. Gott/Wahrheit ist ewig und zu allen Zeiten präsent. Das, was sich in einem bestimmten Raum befindet, ist durch den Raum begrenzt. Gott/Wahrheit ist alles durchdringend und räumlich unbegrenzt. Das, was ein Objekt mit Eigenschaften und Form ist, ist durch andere Objekte begrenzt. Gott/Wahrheit ist objektlos, formlos und eigenschaftslos und objektmäßig unbegrenzt.

Nehmen Sie das Beispiel einer Welle in den weiten Gewässern des Ozeans. Sie entsteht, wächst und verschwindet - zeitlich begrenzt. Sie entsteht an einem bestimmten Ort - räumlich begrenzt. Die kleine Welle ist nicht die große Welle, der Tropfen, der Schaum oder die Gischt - Begrenzung als Objekt. Aber das große Wasser des Ozeans hat diese Begrenzungen nicht. Das Wasser ist immer und überall in allen Wellen präsent. Es verringert oder vergrößert sich nicht mit dem Anstieg und Fall der Wellen. Da es seinem Wesen nach wellenlos ist, ist es jenseits aller Begrenzungen der Wellen.

Gott ist "das Große": Im Leben wollen wir die größten Gewinne erzielen, die größten Diamanten tragen und die größten Autos besitzen. Wir alle wünschen uns, groß zu werden. Das ṛṣi sagt uns, dass es keine Notwendigkeit gibt, groß zu werden, du bist 'das Große', da der unendliche Gott/die Wahrheit dein eigenes Selbst ist. Warum wird dann 'das große' Selbst/Gott nicht gesehen?

Gott ist verborgen: Nikāya bedeutet eine Ansammlung von verschiedenen Teilen. Der Körper ist eine Ansammlung von Gliedmaßen (Hände, Beine ...), Organen (Herz, Lunge ...) und Materie (Blut, Knochen ...). Gott/Wahrheit ist in diesem Körper verborgen, weil unsere Aufmerksamkeit nur auf seinem Namen, seiner Form und seinen Eigenschaften ruht und nicht auf der Wahrheit, die ihm Leben und Existenz verleiht. Ist Gott/Wahrheit nur in diesem Körper eingeschlossen?

Gott ist allumfassend: In der Tat ist Gott/Wahrheit nicht nur innerhalb des Körpers, sondern Er umfasst alle Körper und die ganze Welt. Es ist ein sehr schönes Gefühl, zu wissen, dass wir alle in der liebenden Umarmung des Herrn sind. Wie kann der Tod einen berühren, der weiß, dass er jenseits von Zeit, Raum und Objekten ist, "die große" Wahrheit, die in und jenseits von allem ist und alles umschließt?

Das gleiche Prinzip des vorherigen Mantras wird durch die direkte Erfahrung und die kühne Erklärung von Ṛṣi Śvetāśvatara im nächsten Mantra bekräftigt. Dies ist auch die Erfahrung aller verwirklichten Meister.

वेदाहमेतं पुरुषं महान्तम्-आदित्यवर्णं तमसः परस्तात्। तमेव विदित्वाति मृत्युमेति नान्यः पन्था विद्यतेऽयनाय॥ ८॥

vedāhametaṁ puruṣaṁ mahāntam-ādityavarṇaṁ tamasaḥ parastāt, tameva viditvāti mṛtyumeti nānyaḥ panthā vidyate'yanāya. (8)

वेद - wissen; अहम् - ich; एतम् - dies; पुरुषम् - Person; महान्तम् - groß; आदित्यवर्णम् - strahlend wie die Sonne; तमसः परस्तात् - jenseits der Dunkelheit; तम् - Er; एव - allein; विदित्वा - durch Wissen; मृत्युम् - Tod; अति एति - transzendiert; न - nein; अन्यः - andere; पन्था - Weg; विद्यते - dort; अयनाय - für diesen (den höchsten Zustand)

8. Ich kenne diese große Person, strahlend wie die Sonne, und jenseits der Dunkelheit. Indem man Ihn allein kennt, transzendiert man den Tod, es gibt keinen anderen Weg dafür.

Die Erklärung der Verwirklichung: Fast eine Replik dieses Mantras erscheint im berühmten Puruṣa Sūktam (7). Der Weise sagt - 'Ich kenne dieses große Puruṣa'. Puruṣa bedeutet die 'Wahrheit, die vollständig und unendlich ist' (pūrṇatvāt) und 'in den Herzen aller Wesen wohnt' (puri śayanāt). 'Ich sehe diesen Puruṣa als mein eigenes Selbst und das Selbst aller Wesen und als das eigentliche Substrat des gesamten Universums. Ich erkenne Ihn als das Größte, das selbst-erfüllende Bewusstsein, die eigentliche Quelle aller Erleuchtung, jenseits der Dunkelheit der Unwissenheit. Ich bin dieser Puruṣa. Ich erleuchte sogar die Dunkelheit und den Gedanken von Wissen und Unwissenheit.'

In der Kenopaniṣad sagt der Meister zum Schüler: 'Wenn du sagst, dass du die Wahrheit gut kennst, weißt du nur wenig von ihrer Natur.' Der Schüler meditiert daraufhin weiter und erklärt seine Verwirklichung auf klassische Weise. 'Ich sage nicht, dass ich die Wahrheit gut kenne, noch sage ich, dass ich sie nicht kenne. In der Tat kenne ich sie, und doch kenne ich sie nicht. Wer sie so kennt, kennt sie.' Das bedeutet, dass die Wahrheit nicht als ein Objekt des Wissens erkannt werden kann, sondern als das Selbst des Suchenden selbst. Wissen und Nichtwissen sind beides Gedanken des Geistes. Verwirklichung bedeutet, die Wahrheit zu kennen, die alle Gedanken erhellt.

Einst sagte der große Heilige Uḍiyā Bābā: "Ich bin die unendliche Wahrheit." Jemand bemerkte, dass eine solche Aussage prahlerisch klang. Er sagte: "Ich will es nicht sagen, aber was soll ich tun? Ich bin die unendliche Wahrheit und ich weiß es. Das ist eine Tatsache."

Den Tod transzendieren: Der Tod beinhaltet jede Veränderung, die stattfindet. Seltsamerweise wünschen wir uns einerseits Veränderung, andererseits haben wir auch Angst davor. Das Leben wäre langweilig, wenn alles statisch wäre, und doch fürchten wir jede Art von Veränderung. Wir fürchten körperliche Veränderungen durch Krankheit und Alter. Veränderungen in unserer häuslichen Einrichtung oder in unserem Arbeitsumfeld, wie ein neuer Chef im Büro, lösen Angst in uns aus. Das Wissen um den ewigen und unendlichen Gott/Wahrheit als unser eigenes Selbst kann uns furchtlos gegenüber jeder Veränderung machen, sogar gegenüber dem Tod des Körpers. Der einzige Weg: Manche sagen, es gäbe nur einen Weg zur Wahrheit, manche sagen, es gäbe viele, wieder andere sagen, es gäbe keinen Weg und manche, es sei ein wegloser Weg. Manche bevorzugen den einfachen Weg und manche hängen an "meinem" Weg fest. An welche Religion, Sekte oder Ideologie ein Mensch auch immer glaubt, die Verwirklichung der unendlichen Wahrheit als sein eigenes Selbst ist der einzige Weg zur Befreiung. Die vorbereitenden Wege können vielfältig sein, aber allein die direkte Verwirklichung befreit (nānyaḥ panthā vidyate'yanāya).

In den Himmel zu kommen (lokāntara prāpti), einen himmlischen Körper zu erlangen (dehāntara prāpti) oder himmlische Vergnügungen zu genießen (bhogāntara prāpti) ist keine Befreiung. Befreiung bedeutet, unsere falsche Identität (mit dem Nicht-Selbst) abzulegen und in unserem wahren Selbst zu verweilen. Ein Mensch, der die Rolle eines Bettlers spielt, hat sich mit dem Gedanken angefreundet, dass er tatsächlich ein Bettler ist. Der einzige Weg, wie er aus seinem Elend herauskommen kann, ist, die falsche Vorstellung aufzugeben, dass er ein Bettler ist. Wenn er in den Himmel geschickt wird, wird er auch dort anfangen zu betteln! Einmal gewann ein Bettler in der Lotterie. Als er gefragt wurde, was er mit dem Geld machen würde, sagte er: "Eine goldene Bettelschale kaufen" Allein das Wissen um die Wahrheit befreit.


Auch das nächste Mantra ist bei den Schülern des Vedānta beliebt.

यस्मात्परं नापरमस्ति किञ्चित् यस्मान्नाणीयो न ज्यायोऽस्ति कश्चित्। वृक्ष इव स्तब्धो दिवि तिष्ठत्येकस्तेनेदं पूर्णं पुरुषेण सर्वम्॥ ९॥

Yasmāt-paraṁ nāparamasti kiñcit yasmānnāṇīyo na jyāyo'sti kaścit, vṛkṣa iva stabdho divi tiṣṭhatyekastenedaṁ pūrṇaṁ puruṣeṇa sarvam. (9)

यस्मात् परम् - jenseits oder höher als wen; न - nichts; अपरम् - anders als; अस्ति - (es) gibt; किञ्चित् - wie auch immer; यस्मात् - von oder als wen; न - nichts; अणीयः - subtiler; न - nichts; ज्यायः - größer; अस्ति - (es gibt) ist; कश्चित् - was auch immer; वृक्षः - Baum; इव - wie; स्तब्धः - unbeweglich; दिवि - in seiner eigenen Herrlichkeit; तिष्ठति - steht oder existiert; एकः - einer; इदम् - dieser; पूर्णम् - erfüllt von; तेन पुरुषेण - von jenem göttlichen Wesen; सर्वम् - alle

9. All dies wird von jenem Göttlichen Wesen erfüllt, höher oder anders als das es nichts anderes gibt, subtiler oder größer als das es nichts anderes gibt; Er steht allein in Seiner eigenen Herrlichkeit, unbeweglich wie ein Baum.

yasmāt na paraṁ na aparam: Dies ist eine kraftvolle und tief bedeutungsvolle Aussage. Param bedeutet Ursache und aparam bedeutet Wirkung. Gott/Wahrheit hat keine Ursache oder Wirkung. Die Ursache existiert immer vor der Wirkung. Es bedeutet, dass nichts vor Gott existiert. Dies wird von allen Religionen der Welt akzeptiert. Allerdings sagt Vedānta auch, dass Gott/Wahrheit nicht die Ursache von irgendetwas ist. Er ist nicht der Schöpfer. Nichts kommt wirklich von ihm, da nichts von ihm verschieden ist (aparaṁ nāsti kiñcit). Gott/Wahrheit ist weder eine Ursache von etwas noch eine Wirkung von etwas. Nichts existiert vor ihm oder nach ihm, er ist eins ohne ein zweites. Der nicht-duale Gott/Wahrheit allein existiert (advaitaṁ paramārthatā). Vom absoluten Standpunkt aus gesehen ist Gott/Wahrheit nicht der Schöpfer der Welt. Konzepte von Ursache und Wirkung werden Ihm übergestülpt. Śaṅkarācārya fordert uns auf, über jenen Gott/Wahrheit zu meditieren, der sich von Ursache und Wirkung als das eigene Selbst unterscheidet.

yasmānna aṇīyo na jyāyo'sti: Es gibt nichts Größeres oder Kleineres als Gott/Wahrheit. Alle Religionen wiederum akzeptieren, dass es nichts Größeres als Gott gibt. Allerdings sagt der Vedānta, dass auch nichts kleiner ist als Er. Weder das Universum, der Himmel oder die Erde, noch die himmlischen Wesen, die Sterblichen oder die Tiere sind kleiner als Er, denn alles ist Er allein.

Einst betrat ein Fremder den Hof des Königs. Der König stand in Demut auf, um den Gast zu empfangen. Zu seiner völligen Überraschung ging der Fremde direkt auf ihn zu und setzte sich auf seinen Thron. Der König fragte voller Ehrfurcht: "Wer bist du? Bist du ein König aus einem anderen Land, gekleidet in gewöhnlicher Kleidung?" Der Fremde sagte: "Ich bin der König aller Könige." Der König fragte dann: "Bist du Indra, der König des Himmels?" Der Fremde antwortete: "Ich bin der Gott aller Götter." Der König fragte: "Du bist also Gott in Menschengestalt?" Der Fremde sagte: "Ich bin größer als Gott." Der König stotterte: "Aber es gibt nichts Größeres als Gott." Der Heilige erwiderte: "Ich bin das Nichts, das größer ist als Gott." Gott/Wahrheit ist jenseits aller Konzepte von klein oder groß, denn alles ist Er allein. Selbst auf der relativen Ebene ist Gott/Wahrheit subtiler als der Raum, der im kleinsten Atom existiert und auch das ganze Universum umschließt.

vṛkṣa iva stabdho divi tiṣṭhati ekaḥ: Gott/Wahrheit leuchtet allein in seiner eigenen Herrlichkeit. Ein Baum aus rotem Holz steht seit Hunderten von Jahren in seiner ganzen Majestät und Macht. Auch Gott/Wahrheit steht unveränderlich und allein in all Seiner Herrlichkeit und Göttlichkeit als reines Daseins-Bewusstsein, das das gesamte Universum durchdringt.

Normalerweise sind das, was durchdringt, und das, was durchdrungen wird, verschieden wie ein Teppich, der auf dem Boden ausgebreitet ist. Aber Gott/Wahrheit durchdringt die Welt, so wie die ozeanischen Gewässer alle Wellen durchdringen oder das Seil die gesamte darauf liegende Schlangenvision durchdringt. Gott/Wahrheit allein existiert als das Substrat und die Welt ist nur eine Erscheinung.

Gott/Wahrheit zu kennen, verleiht Unsterblichkeit. Aber das scheint eine schwierige Aufgabe zu sein. Was ist die Alternative? Das Mantra sagt.

ततो यदुत्तरतरं तदरूपमनामयम्। य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति अथेतरे दुःखमेवापियन्ति॥ १०॥

tato yaduttarataraṁ tadarūpam-anāmayam, ya etadvidur-amṛtāste bhavanti-athetare duḥkham-evāpiyanti. (10)

ततः - als diese (Welt); यद् - das (was ist); उत्तरतरम् - höher; तद् - das; अरूपम् - formlos; अनामयम् - frei von Krankheiten; यः - der; एतद् - das; विदुः - wissen; अमृताः - unsterblich; ते - sie; भवन्ति - werden; अथ - während; इतरे - andere; दुःखम् - Kummer; एव - nur; अपियन्ति - bekommen

10. Das, was höher ist als diese (Welt), ist formlos und frei von Krankheiten. Diejenigen, die dies wissen, werden unsterblich, während andere nur Kummer bekommen.

Gott ist formlos: Wie der Raum ist auch der alles durchdringende Gott/die Wahrheit formlos. Schönheit ist die Essenz der vielen schönen Objekte, aber die Schönheit selbst ist eins und formlos. Gott/Wahrheit ist die eine formlose Essenz in allen Formen. Das, was allein formlos ist, kann alle Formen annehmen. Wasser nimmt die Form des Behälters an. Der formlose Gott/Wahrheit kann jede Form und alle Formen annehmen.

Gott ist frei von Krankheit: Natürlich ist Gott/Wahrheit frei von Krankheit. Ein kranker Gott passt in keine Vorstellung von Gott. Das, was formlos, unveränderlich und attributlos ist, ist frei von Krankheit, da es der Körper oder der Geist ist, der Krankheiten haben kann. Wir alle leiden an der geistigen Krankheit der Unwissenheit. Unwissenheit verursacht Wünsche, die zu begehrenswerten Handlungen führen, die zu Ergebnissen führen, deren Genuss vāsanās oder Tendenzen verursacht, die wiederum zu Wünschen und Handlungen führen und so geht der Kreislauf weiter. Ego, Selbstsucht, Ärger, Gier, Eifersucht und dergleichen sind die Symptome der geistigen Krankheit, die wiederum Schmerzen, Angst, Spannung, Furcht, Depression und so weiter verursachen.

Unsterblichkeit oder die Alternative: Sucher, die Gott/Wahrheit als ihre unsterbliche Natur kennen, erlangen unendliche Glückseligkeit. Die Unwissenden bleiben im Kummer versunken. Wie glücklich ein Mensch auch sein mag, die Chāndogya Upaniṣad erklärt, dass "es keine wahre Freude in der Endlichkeit gibt" (na alpe sukham asti). Eine Addition und Multiplikation von endlichen Zahlen ergibt immer noch ein endliches Ergebnis. Wie kann ein Mensch, der der Erbe von Billionen ist, mit ein paar Hunderten glücklich sein!

Der Ṛṣi gibt uns im nächsten Mantra wieder einen Einblick in Seine kosmische Form.

सर्वाननशिरोग्रीवः सर्वभूतगुहाशयः। सर्वव्यापी स भगवांस्तस्मात्सर्वगतः शिवः॥ ११॥

sarvānana-śirogrīvaḥ sarvabhūta-guhāśayaḥ, sarvavyāpī sa bhagavāṁs-tasmāt-sarvagataḥ śivaḥ. (11)

सर्व-आनन-शिरो-ग्रीवः - der alle Gesichter, Köpfe und Hälse hat; सर्वभूत-गुहाशयः - der im Kern aller Wesen wohnt; सर्वव्यापी - alldurchdringend; सः - Er; भगवान् - der Herr; तस्मात् - daher; सर्वगतः - allgegenwärtig; शिवः - verheißungsvoll

11. Jener Herr, der alle Gesichter, Köpfe und Hälse hat, der im Kern aller Wesen wohnt, ist alldurchdringend und daher allgegenwärtig und glückverheißend.

Die Stufen der Manifestation: Gott/Wahrheit ist in Seiner unbefleckten und absoluten Natur namenlos, attributlos und formlos (nirguṇa nirākāra) und wird allgemein als Brahman bezeichnet. In Verbindung mit Seiner unendlichen und unergründlichen potentiellen Kraft (māyā oder prakṛti) wird Er Īśvara genannt, der formlos ist, aber alle Attribute wie Allwissenheit und Allmacht in ihrer latenten Form (saguṇa nirākāra) hat.

Dann kommt die Manifestation des Totalen Geistes oder der subtilen Welt. Der mit dem Totalen Geist verbundene Gott wird Hiraṇyagarbha genannt, in dem sich die Attribute in ihrer subtilen Form (saguṇa sākāra) manifestieren. Aus diesem subtilen Zustand geht die gesamte grobe Welt der Namen und Formen hervor, die kosmische Form Gottes, die dann Virāṭ genannt wird. In der kosmischen Form manifestieren sich die unzähligen Kosmosen und alle Attribute wie Kräfte und Wissen. Gott manifestiert sich auch in bestimmten Formen als Inkarnationen (avatāra) zu verschiedenen Zeiten aus Mitgefühl für die Gottgeweihten. Śrī Rāma und Śrī Kṛṣṇa sind berühmte Inkarnationen Gottes. Für die meisten ist es schwierig, Brahman, Īśvara, Hiraṇyagarbha oder Virāṭ zu verstehen, wohingegen die schöne Form von Herrn Śrī Kṛṣṇa, Sein göttliches Leben, Sein Werk und Seine erhebenden Lehren für alle leicht zu lieben und zu befolgen sind.

sarva-ānana-śiro-grīva: Er ist alle Gesichter, Köpfe und Hälse. Alle Gesichter, Köpfe und Hälse sind Sein allein. Nachdem wir dies gelesen haben, sollten wir in der Lage sein, Gott in allen Wesen zu sehen. Erst dann können wir sagen, dass wir dieses Mantra verstanden haben. Wenn wir alles als Gott sehen, können wir dann Menschen als gut, schlecht oder hässlich, als Freund oder Feind bezeichnen?

Ist nicht auch der Mensch, den wir als Feind sehen, Gott? Er mag uns als seinen Feind betrachten, aber sollten wir das auch?

Der heilige Tulasīdāsa sagt: "Ich sehe die ganze Welt als Herrn Śrī Rāma, und ich verneige mich vor allen mit gefalteten Händen." Wir mögen dieses Mantra intellektuell verstehen, aber es ist nicht leicht, diese göttliche Vision zu erlangen.

'Ᾱnana' bedeutet auch Mund, durch den wir Nahrung genießen, und repräsentiert somit die Kraft zu genießen (bhoga śakti). Śira, der Kopf, symbolisiert die Kraft des Wissens (jñāna śakti) und grīva - der Hals, der den Kopf stützt, repräsentiert die Kraft, die stützt (ādhāra śakti). Gottes Natur der Existenz-Bewusstheit-Glückseligkeit manifestiert sich in dieser Welt und allen Wesen als die Kraft, die unterstützt - Existenz gibt, weiß und genießt.

Bhagavān: Dieses schöne Wort wird von den Hindus sehr häufig für Gott verwendet. Einer mit bhaga - Vermögen - wird Bhagavān genannt. Die sechs Arten von Vermögen sind Herrschaft, Rechtschaffenheit, Ruhm, Reichtum, Wissen und Leidenschaftslosigkeit.

Gott hat alle diese in unendlichem Maß. Diese göttlichen Kräfte sind Seine eigentliche Natur und keine Eigenschaften, die kommen und gehen, zunehmen oder abnehmen. Die Herrschaft des Herrn kommt nicht daher, dass jemand Ihn zur Macht gewählt hat. Er ist die eigentliche Verkörperung aller Tugenden. Sein Ruhm ist so groß, dass Sein bloßes Gedenken die Herzen der Menschen reinigt. Ihm gehört die Welt mit all ihrem Reichtum und Wissen. Alles wissend und alles seiend, ist Er dennoch unberührt und jenseits von allem. Dies ist Seine Leidenschaftslosigkeit. Jeder in der Welt, der ein wenig von diesen oder auch nur eine dieser Eigenschaften hat, wird als glücklich bezeichnet. Wenn wir verstehen, dass dies Gottes göttliche Kräfte sind, werden wir nicht stolz auf unseren Reichtum oder neidisch auf den Ruhm anderer. Dieser Gott (sa bhagavān) ist der alles durchdringende, glückverheißende Eine (Śivaḥ), das Selbst von allem.

Was tut der Herr in uns sitzend?

Das Mantra sagt - महान्प्रभुर्वै पुरुषः सत्त्वस्यैष प्रवर्तकः। सुनिर्मलामिमां प्राप्तिमीशानो ज्योतिरव्ययः॥ १२॥

mahān-prabhurvai puruṣaḥ sattvasyaiṣa pravartakaḥ, sunirmalām-imāṁ prāptim-īśāno jyotiravyayaḥ. (12)

महान् - groß; प्रभुः - Herr; वै - in der Tat; पुरुषः - der Puruṣa; सत्त्वस्य - von sattva; एषः - dieser; प्रवर्तकः - Souffleur; सुनिर्मलाम् - reiner (Zustand); इमाम् - dieser; प्राप्तिम् - Erlangung; ईशानः - der Herrscher; ज्योतिः - das Licht (des Bewusstseins); अव्ययः - unveränderlich

12. In der Tat ist dieser große Herr, der Puruṣa, der Souffleur von sattva, um (uns) zu helfen, den reinen Zustand zu erreichen, der Herrscher, das Licht (des Bewusstseins) und unveränderlich.

Gott ist groß (mahān): Gott ist in jeder Hinsicht groß (mahān). Gott ist groß, da Er der Herr aller Geschicke ist. Er ist groß an Wissen, Statur, Macht, Tugenden - alles, was wertvoll ist. Er ist auch der Meister (prabhu), der alles zu tun, zu lassen oder anders zu machen vermag. Nichts ist für Ihn unmöglich. Er ist voll und vollständig (Puruṣa), also ohne Wünsche, und doch fähig, alle Wünsche zu erfüllen. Wir hingegen fühlen uns unvollständig, sind voller Wünsche und haben wenig Kapazität, sie zu erfüllen. Da Er so groß, fähig und vollständig ist, ist es kein Wunder, dass Er respektiert und verehrt wird.

Gott inspiriert (sattvasyaiṣa pravartakaḥ): Indem Er in uns verweilt, regt Er sattva guṇa an - edle Eigenschaften wie Güte, Selbstlosigkeit, Freundlichkeit und so weiter. 'Sattvasya' bedeutet auch 'des Geistes-Verstandes', da er auch aus dem sāttvika-Aspekt der fünf Elemente besteht. Er motiviert uns, uns selbst zu verbessern, anderen zu helfen, Reinheit zu erlangen und die Wahrheit zu erlangen. Seine motivierende Kraft wird umso stärker empfunden, je mehr wir uns mit Ihm einstimmen.

Dies kann auf viele Arten gesehen werden. Manchmal, wenn wir uns in einem Dilemma befinden, werden wir intuitiv dazu getrieben, auf die richtige Weise zu handeln. Oft werden wir durch schwierige Situationen geführt, obwohl wir uns dessen meist gar nicht bewusst sind. Der Suchende betet daher jeden Tag - dhiyo yo naḥ pracodayāt (Gāyatrī Mantra) 'Mögest du unseren Intellekt erleuchten.' Einige in der Welt stiften uns an, Falsches zu tun und ziehen uns nach unten. Einige motivieren uns und schieben uns vorwärts, und einige inspirieren uns und erheben uns. Gott ist eine ewige Quelle der Inspiration, derjenige, der uns dazu anregt, das Höchste (sunirmalāṁ prāptiḥ), den Zustand der reinen Glückseligkeit, zu erreichen.

Die Schriften weisen darauf hin, dass wir oft einen von allen Gedanken freien Zustand erleben, der reine Glückseligkeit ist (nirvikalpa samādhi), aber wir kennen ihn nicht, erkennen ihn nicht, geschweige denn, dass wir in ihm verweilen. Zum Beispiel sind wir im extremen Zorn gelähmt, nehmen nichts wahr, nicht einmal uns selbst, und für diesen Moment befinden wir uns in einem gedankenlosen Zustand. Erst später kommen Gedanken auf, die zum Handeln anregen. Auf die gleiche Weise werden wir in einen gedankenlosen Zustand versetzt, wenn wir plötzlich von einem Unglück oder einem tragischen Ereignis getroffen werden. Momente intensiver und extremer Freude, Angst, Trauer, körperlicher Schmerzen, Wut oder Liebe können uns in einen gedankenlosen Zustand katapultieren. Er mag für den Bruchteil einer Sekunde andauern, bevor das Gefühl von "ich" und "mein" einsetzt. Aber für diesen kurzen Moment sind wir in Kontakt mit dem Höchsten, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.

Es ist ziemlich schwierig, sich Gott als unendlich und alldurchdringend vorzustellen. Kann man sich Ihn nicht als etwas vorstellen, das unserer Größe näher kommt? Das Folgende ist ein Widerhall des Mantras in Kaṭhopaniṣad 2.3.17. अङ्गुष्ठमात्रः पुरुषोऽन्तरात्मा सदा जनानां हृदये सन्निविष्टः। हृदा मन्वीशो मनसाभिक्लृप्तो य एतद्विदुरमृतास्ते भवन्ति॥ १३॥

aṅguṣṭha-mātraḥ puruṣo'ntarātmā sadā janānāṁ hṛdaye sanniviṣṭaḥ, hṛdā manvīśo manasābhikḷpto ya etad-viduramṛtāste bhavanti. (13)

अङ्गुष्ठमात्रः - von der Größe eines Daumens; पुरुषः - der Puruṣa; अन्तरात्मा - das innewohnende Selbst; सदा - immer; जनानाम् - von Menschen; हृदये - im Herzen; सन्निविष्टः - sitzend; हृदा - durch das Herz; मन्वीशः - Der Herr des Wissens; मनसा - durch den Verstand; अभिकॢप्तः - verborgen; ये - diejenigen, die; एतद् - dies; विदुः - wissen; अमृताः - unsterblich; ते - sie; भवन्ति - werden

13. Der Puruṣa, das innewohnende Selbst, von der Größe eines Daumens, sitzt immer in den Herzen der Menschen. Der Herr des Wissens ist durch den Verstand und das Herz verborgen. Diejenigen, die dies wissen, werden unsterblich. Gott - die Größe eines Daumens: Der unendliche Gott ist im Herzen als das Selbst von der Größe eines Daumens vorhanden! Hier bezieht sich das 'Herz' nicht auf das physische Herz, das unser Blut pumpt, sondern auf das spirituelle Herz, das eigentliche Zentrum unserer Persönlichkeit, die Quelle, aus der das Gefühl des 'Ich'-Seins entsteht. Wenn wir gefragt werden, wo du bist, legen wir universell unsere Hand in die Nähe des physischen Herzens. Das kann man als den Ort des spirituellen Herzens (upalabdhi sthāna) bezeichnen. Wir sollten nicht denken, dass Gott buchstäblich von der Größe eines Daumens ist und dass Er sich nur im Herzraum befindet. Es ist so gedacht, damit sich unser Geist in der Meditation vom Rest der Welt und des Körpers zurückziehen und auf einen Ort konzentrieren kann. Dies hilft, den Geist zu konzentrieren.

Es bedeutet auch, dass, obwohl Gott groß und unendlich ist, Er genau hier und jetzt in jedem von uns verfügbar ist. Es ist im Allgemeinen sehr schwierig, große Menschen zu treffen. Wir müssen eine Verabredung treffen und lange warten. Wie groß der Mensch auch sein mag, er ist leicht verfügbar für seine Lieben und bückt sich, um seine Kleinen zu begrüßen. Gott ist jederzeit ausschließlich in uns verfügbar, und zwar in jeder erdenklichen Form und Größe.

Der unendliche Gott allein erscheint in allen Formen und Größen. Kann Er dann nicht in der Größe eines Daumens erscheinen? Als Aśvatthāmā das Brahmāstra schoß, um Parīkṣita im Schoß von Uttarā zu töten, sah Parīkṣita den Herrn in der Größe eines Daumens, im Schoß, der ihn beschützte.

Gott - das verborgene Selbst: Doch gerade jetzt, obwohl Gott als unser eigenes Selbst immer verfügbar ist, ist Er vor unseren Augen verborgen. Es kommt oft vor, dass die Wirkung die Ursache verdeckt. Der Verstand-Intellekt, der die geschaffene Wirkung ist, verdeckt unsere Erfahrung seines Schöpfers - des Herrn - so wie die Wolken unsere Sicht auf die Sonne verdecken. Begierden machen den Verstand unruhig, Vorlieben und Abneigungen färben den Verstand und der Intellekt schafft seine eigenen Zweifel, Verwirrungen und Konzepte. All dies erlaubt uns nicht, Gott/Wahrheit zu sehen. Die Schichten der Nahrungsmittel-Hülle, der Vital-Luft-Hülle, der Mental-Hülle (manas), der Intellektuellen-Hülle (manīṣā) und der Glückseligkeits-Hülle (hṛd) scheinen das Selbst vollständig zu bedecken. Obwohl wir uns nur in Seinem Licht der drei Zustände bewusst sind, scheint Er im Wachzustand durch den Intellekt (manīṣayā), im Traumzustand durch die mentalen Projektionen (manasā) und im Tiefschlafzustand, in dem alle Gedanken verschmelzen, durch Unwissenheit und die schlafenden vāsanās (hṛdā) verborgen zu sein.

Das Schöne ist jedoch, dass Gott in jedem von uns als unser eigenes Selbst gegenwärtig ist. Niemand kann behaupten, dass Gott vergessen hat, das Selbst in mich zu legen. Kann ich ohne Ich existieren? Kann der Topfmacher vergessen, Schlamm in den Schlammtopf zu geben? Diejenigen, die Gott im Inneren verwirklicht haben, sind frei geworden - sie wissen, dass sie nie gebunden und immer frei waren.

Die kosmische Form des Herrn wird durch die folgenden vier Mantras wieder aufgegriffen, wobei sowohl die immanente als auch die transzendente Natur Gottes/Wahrheit erklärt wird. Die ersten beiden Mantras des berühmten Puruṣa Sūktam werden hier nun wiedergegeben.

सहस्रशीर्षा पुरुषः सहस्राक्षः सहस्रपात्। स भूमिं विश्वतो वृत्वा अत्यतिष्ठद्दशाङ्गुलम्॥ १४॥

पुरुष एवेदग्ं सर्वं यद्भूतं यच्च भव्यम्। उतामृतत्वस्येशानो यदन्नेनातिरोहति॥ १५॥

sahasra-śīrṣā puruṣaḥ sahasrākṣaḥ sahasrapāt, sa bhūmiṁ viśvato vṛtvā-atyatiṣṭhad-daśāṅgulam. (14)

puruṣa evedaṁ sarvaṁ yadbhūtaṁ yacca bhavyam, utāmṛtatvasyeśāno yad-annenātirohati. (15)

सहस्रशीर्षा - hat tausend Köpfe; पुरुषः - Der Puruṣa; सहस्राक्षः - mit tausend Augen; सहस्रपात् - mit tausend Füßen; सः - Er; भूमिम् - die Erde; विश्वतः - von allen Seiten; वृत्वा - durchdringend; अत्यतिष्ठद् - erstreckt sich darüber hinaus; दशाङ्गुलम् - um zehn Fingerbreit

पुरुषः - Der Puruṣa; एव - allein; इदम् - dies; सर्वम् - alles; यद् - was auch immer; भूतम् - Vergangenheit; यद् - was auch immer; च - und; भव्यम् - Zukunft; उत - außerdem; अमृतत्वस्य - der Unsterblichkeit; ईशानः - der Herr; यद् - was; अन्नेन - mit Nahrung; अतिरोहति - wächst 14. Der Puruṣa hat tausend Köpfe, tausend Augen und tausend Füße. Er durchdringt die Erde von allen Seiten und reicht zehn Fingerbreit über sie hinaus.

15. All das ist der Puruṣa allein - was immer in der Vergangenheit war und was in der Zukunft sein wird und alles, was an Nahrung wächst. Außerdem ist Er auch der Herr der Unsterblichkeit. Das Puruṣa Sūktam: Es ist eine Hymne zum Lobpreis Gottes als kosmische Person. Sie findet sich in allen vier Veden mit unterschiedlicher Anzahl von Mantras. Im Sāma Veda und Atharva Veda gibt es vier und fünf Mantras, im Ṛg Veda sechzehn und im Yajur Veda, den wir in der Chinmaya Mission studieren, achtzehn Mantras. Jeder im alten Gurukula-Bildungssystem hat dies von Anfang an studiert. Es ist sehr beliebt, da in der sechzehnstufigen rituellen Verehrung (ṣoḍaśa upacāra pūjā) jeder Schritt mit dem Singen eines Mantras ausgeführt wird und die gesamte Hymne während des speziellen rituellen Bades (abhiṣeka) gesungen wird.

Gott - das Immanente und Transzendentale: Da Er die kosmische Person ist, sind alle Köpfe, Augen und Füße allein Sein. Er durchdringt natürlich alles. Ist Er nur so viel, wie in der unvorstellbar großen, grob- und feinstofflichen Welt manifest ist? Jenseits der manifesten Welt ist das unendliche unmanifeste Potential des Herrn. Er existiert sogar weit jenseits dieses unmanifesten potentiellen Zustandes als die reine und absolute Wahrheit. Zehn Zentimeter darüber hinaus weist auf diese transzendentale Natur des Herrn hin. Zehn Zoll bedeutet nicht, daß Er die Welt um ein wenig übersteigt; es bedeutet, daß Seine transzendentale Natur jenseits aller Vorstellung ist. An anderer Stelle im Puruṣa Sūktam wird gesagt, daß sich nur ein Viertel des Herrn als die Welt manifestiert. Drei Viertel bleiben unberührt von māyā oder seiner Schöpfung, in Seinem reinen Zustand.

Eine andere Bedeutung ist, dass Gott/Wahrheit, der allgegenwärtig und transzendental ist, auch in unserem Herzen als das Selbst vorhanden ist, zehn Zoll über dem Nabel (nābhi). Der Präsident eines Landes lebt in der Hauptstadt in seinem Präsidentenpalast weit außerhalb der Reichweite der meisten. Aber wir müssen keine lange Reise unternehmen oder kämpfen, um eine Audienz bei Gott zu bekommen. Alles, was wir tun müssen, ist, uns nach innen zu wenden. Vielleicht, weil Er so nahe ist, vermissen wir Ihn und suchen Ihn anderswo. Kabīradāsa sagt: 'Ich finde es amüsant, dass wir wie die Fische im Wasser über den Durst klagen.'

Gott ist all dies: Alles - die Welt, der Körper, die Gefühle, die Gedanken, die Unwissenheit -, was als 'dies' bezeichnet werden kann, ist Gott allein. Es gibt kein 'dies' getrennt von 'Ich'. 'Alles ist Ich allein' ist die Verwirklichung des Suchenden.

Gott - zu allen Zeiten: Die kosmische Form des Herrn ist ständig im Wandel. Wesen verändern ihre Formen, die Erfahrungsbereiche verändern sich mit den Wesen in ihnen, die Kosmosen werden geboren und vergehen. Doch alles, was jemals von anfangsloser Zeit an existierte, alles, was existiert und alles, was existieren wird, ist Zukunft in Gott allein. Er allein existierte in der Vergangenheit, existiert in der Gegenwart und wird in der Zukunft existieren. Zum Beispiel ist der Ozean allein alle Wellen - die, die in der Vergangenheit entstanden sind, die jetzt entstehen und die in Zukunft entstehen werden.

Die gleiche Idee der vorherigen zwei Mantras wird nun durch die folgenden Mantras erklärt, die auch in der berühmten Bhagavad Gītā (13.13) erscheinen.

सर्वतः पाणिपादं तत् सर्वतोऽक्षिशिरोमुखम्।

सर्वतः श्रुतिमल्लोके सर्वमावृत्य तिष्ठति॥ १६॥

sarvataḥ pāṇipādaṁ tat sarvato'kṣi-śiromukham, sarvataḥ śrutimalloke sarvam-āvṛtya tiṣṭhati. (16)

सर्वतः - überall; पाणि-पादम् - mit Händen und Füßen; तत् - Es; सर्वतः - überall; अक्षि-शिरो-मुखम् - mit Augen, Köpfen und Mündern; सर्वतः - überall; श्रुतिमत् - hat Ohren; लोके - auf der Welt; सर्वम् - alles; आवृत्य - durchdringend; तिष्ठति - steht

16. Es hat überall Hände und Füße, überall Augen, Köpfe und Münder, es hat überall Ohren und es steht alles durchdringend in der Welt.

Die Veden sind das Wissen um die ewigen Wahrheiten, die die Welt regieren. Sie sind der Atem des Herrn selbst' (yasya niśvasitaṁ vedāḥ). Der Herr selbst offenbarte Arjuna dieses Wissen als das Göttliche Lied - die Gītā. Daher erscheinen die Mantras der Veden auch in der Gītā und anderen Schriften.

Ein guter Lehrer wiederholt den Gedanken, um seine Wichtigkeit zu betonen, um den Schüler immer wieder zum Nachdenken zu bringen, bis die volle Bedeutung des Wissens in den Geist des Schülers sinkt.

Die Implikation der kosmischen Vision: Alle Hände, Beine, Augen und Köpfe sind Sein allein. Wer bin dann 'ich', das Individuum? Ist nicht der Körper und der Geist, den ich mein nenne, in Wirklichkeit Sein? Dies zu verstehen, wird das Gefühl der Individualität in seine unendliche Quelle auflösen - den Herrn. Auch das Verständnis, dass alle Wesen allein Seine Form sind, lässt uns Seine Gegenwart zu jeder Zeit spüren. Wir können uns dann niemals einsam oder ängstlich fühlen.

Ich, als Individuum, bin endlich und in meinen Fähigkeiten begrenzt. Wenn ich mich jedoch mit der Gesamtheit identifiziere, vergrößern sich meine Fähigkeiten um das Millionenfache, da alle Hände und Köpfe, alles Wissen und alle Kräfte zu meinen werden. Ich kann dann alles erreichen, denn die Gesamtheit wird es geschehen lassen.

Lassen Sie uns ein praktisches Beispiel nehmen. In der Chinmaya Mission habe ich, solange ich mit der gesamten Organisation identifiziert bin und alles für die Mission tue, Tausende von Händen, Beinen und Köpfen, mit denen ich die Arbeit vollbringen kann. Alle Mitglieder, alle Zentren, alle Ressourcen, alles gehört mir und steht mir zur Verfügung. Als Individuum habe ich endliche Kapazitäten und Ressourcen.

Wenn ich als Individuum um Geld bitte, werde ich zur Bank verwiesen! Nicht nur ich, sondern jedes Mitglied der Chinmaya Mission hat Hände, Beine, Köpfe und Ressourcen zur Verfügung, um die Arbeit der Mission zu erreichen. Wo auch immer Sie hingehen, die Chinmaya-Familie heißt Sie in ihrer Schar willkommen. Wenn Sie sich mit der Mission identifizieren, vervielfachen sich Ihre Kraft und Ihre Fähigkeiten um ein Vielfaches. Stellen Sie sich vor, wie es sein wird, wenn wir uns mit Gott selbst identifizieren!

Wenn wir die heiligen Schriften lesen, sollten wir uns nicht nur auf die Übersetzung konzentrieren oder von den Prinzipien überwältigt werden. Wir sollten auch versuchen, die Auswirkungen des Wissens auf unser tägliches Leben zu verstehen. Der Zweck dieses Studiums ist es, unser Gefühl von "ich" und "mein", unser Gefühl des Getrenntseins zu reduzieren und letztendlich mit dem Herrn zu verschmelzen.

Der Gottgeweihte sagt: "Alles ist Dein, nichts ist mein", und so fallen seine Anhaftungen ab. Durch Wissen oder Hingabe, was auch immer die Methode sein mag, müssen Selbstsucht, Anhaftung, Ego und Besitzdenken abnehmen. Sie allein verursachen viel Kummer im Leben. Zu Transaktionszwecken mögen wir "ich" und "mein" verwenden, aber in unserem Herzen müssen wir verstehen, dass alles allein Sein ist. Wenn wir die ganze Zeit die Gegenwart Gottes spüren, fallen alle Sorgen und Ängste weg. Meine Kräfte mögen begrenzt sein, aber Gott ist allmächtig und Er ist da, um mich zu beschützen. Mīrābāi trank Gift, das sich in Nektar verwandelte, als sie ihren Mann, der es sandte, für Gott selbst hielt. Solche Dinge geschehen demjenigen, der Gott überall sieht. Selbst wenn der andere ihn aufgrund von Unwissenheit hasst, hasst er niemanden. Jeder ist Nārāyaṇa - der eine ist ein duṣṭa (böser) Nārāyaṇa und ein anderer ein daridra (armer) Nārāyaṇa und wieder ein anderer ein sādhu (guter) Nārāyaṇa - aber alle sind allein Seine Form. Er neckt uns, prüft uns und lehrt uns in vielen Formen. In der Tat ist alles allein Sein göttliches Spiel.

Wird Gott, wie wir, von seiner eigenen Schöpfung eingeholt? Berühren die Probleme des Einzelnen den Herrn? Hätte Er dann nicht unzählige Probleme, da alle Individuen Ihm allein gehören? Das Mantra klärt diesen Zweifel.

सर्वेन्द्रियगुणाभासं सर्वेन्द्रियविवर्जितम्। सर्वस्य प्रभुमीशानं सर्वस्य शरणं बृहत्॥ १७॥

sarvendriya-guṇābhāsaṁ sarvendriya-vivarjitam, sarvasya prabhum-īśānaṁ sarvasya śaraṇaṁ bṛhat. (17)

सर्वेन्द्रिय-गुणाभासम् - Er scheint alle Eigenschaften der Sinnesorgane zu haben; सर्वेन्द्रिय-विवर्जितम् - (dennoch) ist Er frei von allen Sinnesorganen; सर्वस्य - von allen; प्रभुम् - der Herr; ईशानम् - der Herrscher; सर्वस्य - von allen; शरणम् - Zuflucht; बृहत् - mächtig

17. Er scheint alle Eigenschaften der Sinnesorgane zu haben, und doch ist Er frei von allen Sinnesorganen. Er ist der Herr von allem, der Herrscher und die mächtige Zuflucht von allem.

Gott - der Funke in allem: Die erste Zeile dieses Mantras erscheint auch in der Gītā (13.14). 'Ᾱbhāsa' bedeutet Erscheinung. Gott scheint die Attribute und Funktionen aller Instrumente (Sinnesorgane der Wahrnehmung und Handlung und die innere Ausstattung des Geistes-Intellekts) zu haben, aber Er ist frei von allen Attributen und Ausstattungen. Er bleibt als der Nicht-Täter, in dessen Gegenwart alles getan wird.

Das Beispiel der Elektrizität ist in diesem Zusammenhang sehr treffend. Elektrizität manifestiert sich als Licht in der Glühbirne, als Wärme in der Heizung und als Klang in der Musikanlage. Doch Elektrizität ist frei von der Glühbirne, der Heizung oder der Musikanlage und all ihren Begrenzungen.

Wenn die Musikanlage kaputt geht, weint die Elektrizität nicht, auch wenn ich, der ich sie als meine Musikanlage betrachte, dies tun mag! Keine der Anlagen kann ohne Elektrizität funktionieren, aber die Elektrizität funktioniert durch sie alle, in welchem Zustand sie auch immer sein mögen.

Gott - der Herr von allem: Wir stellen oft fest, dass jemand, der fähig ist (prabhu), vielleicht keine Macht hat, und jemand mit Macht (īśāna) vielleicht nicht fähig ist. Zum Beispiel könnte der Meister oder Chef ineffizient sein und sein Diener oder Untergebener sehr effizient, aber ohne Macht. Der Herr ist sowohl allfähig als auch allmächtig. Er allein kontrolliert das ganze Universum und lässt alles in ihm geschehen.

Gott - die große Zuflucht: Wenn ein Mensch von Widrigkeiten heimgesucht wird, sucht er Zuflucht - Schutz, Unterstützung oder Hilfe (śaraṇa). Der Regenschirm bietet Schutz vor Regen. Er ist jedoch nicht groß genug, um eine Gruppe von Menschen zu schützen. Er kann uns vor einem heftigen Schauer schützen, aber nicht vor einem Sturm oder einem Gewitter. Manche Regenschirme sind bloße Schaustücke, die uns nicht einmal vor einem Nieselregen schützen können! Der Herr ist bṛhat śaraṇa - der große und allmächtige Schutz. Er kann alle Wesen beschützen, zu jeder Zeit, vor allem Unheil.

In einigen Lesarten finden wir das Wort suhṛt anstelle von bṛhat. Auch dies ergibt eine schöne Bedeutung. Suhṛt bedeutet ein gutherziger Mensch, ein Wohltäter, einer, der bereit ist, ohne jegliche Erwartungen zu helfen (pratyupakāram anapekṣya upakāra kartā). Menschen helfen anderen, erwarten aber in der Regel eine Gegenleistung oder wollen zumindest gewürdigt werden. Ein Mensch mag Zuflucht gewähren, aber er mag nicht gutherzig sein. Im Gegenzug bindet er uns vielleicht lebenslang, weil er uns geholfen hat. Die Hilfe, die die meisten geben, ist an Bedingungen geknüpft. Aber der Herr ist großherzig, ein wahrer Wohltäter und gibt allen bedingungslos. Die Gītā sagt - 'Wenn ein Mensch Gott als seinen wahren Freund und Wohltäter erkennt, findet er großen Frieden', da er weiß, dass Gott in Zeiten der Not immer bei ihm sein wird.

Das nächste Mantra gibt eine schöne Analogie für Gottes Gegenwart in uns.

नवद्वारे पुरे देही हंसो लेलायते बहिः। वशी सर्वस्य लोकस्य स्थावरस्य चरस्य च॥ १८॥

navadvāre pure dehī haṁso lelāyate bahiḥ, vaśī sarvasya lokasya sthāvarasya carasya ca. (18)

नवद्वारे पुरे - in der Stadt mit neun Toren; देही - verkörpert; हंसः - das höchste Selbst; लेलायते - bewegt; बहिः - nach außen; वशी - der Meister; सर्वस्य लोकस्य - der ganzen Welt; स्थावरस्य - des Unbelebten; चरस्य - des Belebten; च - und

18. Das höchste Selbst (Gott), das der Herr über die gesamte Welt der belebten und unbelebten Wesen ist, ist in der Stadt mit neun Toren verkörpert und bewegt sich nach außen.

Gott ist haṁsa: Das Wort haṁsa hat mehrere Bedeutungen:

Früher bezog sich dieses Wort auf das individuelle Wesen (jīva), das von einem Körper zum anderen und von einer Erfahrung zur anderen reist (hanti gacchati iti haṁsaḥ). Haṁsa bedeutet ein Schwan. Auch Mönche werden haṁsa oder paramahaṁsa genannt. Wie der Schwan hat der Mönch einen reinen Geist (weiß), kann zwischen dem Wirklichen und Unwirklichen (Milch und Wasser) unterscheiden und wandelt anmutig auf dem Pfad des Dharma. Gott wird auch haṁsa genannt, da Er die Unwissenheit und ihre Auswirkungen zerstört (avidyāṁ tatkāryaṁ hanti nāśayati iti haṁsaḥ). Er tut dies, indem er das Wissen der Wahrheit schenkt. Auch der Guru wird haṁsa oder paramahaṁsa genannt, da auch er Wissen gibt und Unwissenheit beseitigt.

Gott - der Stadtbewohner: Der Körper ist wie eine Stadt, da er mit vielen Einrichtungen gefüllt ist (pūryate anena iti puraḥ). Die Stadt hat Häuser, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse, Bahnhöfe, Busstationen, Tankstellen und sogar Polizeistationen. Dieser Körper ist mit den sieben Bestandteilen (pūryate sapta-dhātubhiḥ) gefüllt - der Haut, dem Blut, dem Fleisch, dem Fett, den Knochen, dem Mark und dem Sperma. Oder es wird eine Stadt genannt, da es mehrere Glieder hat (pūrayate sarva aṅgaiḥ pratyaṅgaiḥ iti puram). Millionen von Individuen und Arten leben in ihren jeweiligen stadtähnlichen Körpern und gehen ihren täglichen Aktivitäten nach.

Der Körper hat neun Tore - zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, den Mund, das Genitalorgan und den Anus, durch die das Individuum mit der Welt verkehrt. An anderer Stelle ist von zehn Toren die Rede. Das zehnte Tor ist der Nabel, durch den der Fötus seine Nahrung erhält. Dieses Tor ist bei der Geburt geschlossen. Kaṭhopaniṣad 2.2.1 erwähnt elf Tore (puram ekādaśadvāram). Das elfte Tor ist das brahmarandhra auf dem Scheitel, das für die meisten von uns immer geschlossen ist. Nur die großen Yogis wissen, wie man es öffnet und durch es hinausgeht. Der Dichter singt: "In diesem Bungalow gibt es zehn Tore und in der Mitte ist eine Luftsäule. Niemand weiß, wann das Individuum in diesen Körper eintritt und wann es ihn verlässt. So ist dieser wunderbare Bungalow entstanden und Bhagavān Nārāyaṇa hat ihn betreten.'


Gott betritt diesen Körper gleichsam als Individuum und wird sehr geschäftig und extrovertiert. Das Individuum ist immer mit irgendetwas beschäftigt, es bewegt sich ruhelos von Ort zu Ort und sucht nach verschiedenen Arten von Vergnügen und Annehmlichkeiten. In der heutigen Zeit ist er immer entweder mit seinem Handy oder seinem Computer beschäftigt. In der Gītā heißt es: "Der Herr verweilt in der Stadt der neun Tore und tut nichts, noch veranlasst er etwas.

Gott der Meister: Der Einzelne erfährt Endlichkeit, Hilflosigkeit und Kummer, aber der Herr ist der Meister von allem (vaśī). Einmal begegnete ein König einem Heiligen, der mitten auf der Straße lag. Der Heilige weigerte sich, sich zu bewegen, als er dazu aufgefordert wurde, und fragte den König: "Wer bist du und was ist deine Macht?"

Der König antwortete: "Ich bin der König dieses Landes (rājā) und ich kann jeden aus meinem Reich verbannen. Wer bist du und was ist deine Macht?" Der Heilige sagte: "Ich bin ein größerer König (mahārājā). Mein Reich ist so groß, dass es keinen Platz außerhalb davon gibt, deshalb kann ich niemanden verbannen."

Gott ist der oberste Herr der ganzen Welt. Die trägen Objekte und die fühlenden Wesen, alle sind in Seiner Kontrolle. In der Welt sehen wir manchmal, dass das Träge das Empfindungsfähige kontrolliert (Geld kontrolliert den Menschen) oder das Grobe das Feinstoffliche (der körperlich Starke kontrolliert den Wissenden), aber der Herr kontrolliert beides - das Empfindungsfähige und das Unempfindliche, das Grobe und das Feinstoffliche.

Das nächste Mantra scheint dem zu widersprechen, was in früheren Mantras oft über die kosmische Form Gottes gesagt wurde.

अपाणिपादो जवनो ग्रहीता पश्यत्यचक्षुः स शृणोत्यकर्णः। स वेत्ति वेद्यं न च तस्यास्ति वेत्ता तमाहुरग्र्यं पुरुषं महान्तम्॥ १९॥

apāṇipādo javano grahītā paśyatyacakṣuḥ sa śṛṇotyakarṇaḥ, sa vetti vedyaṁ na ca tasyāsti vettā tamāhuragryaṁ puruṣaṁ mahāntam. (19)

अपाणिपादः - ohne Hände und Füße; जवनः - bewegt sich; ग्रहीता - ergreift; पश्यति - sieht; अचक्षुः - ohne Augen; सः - Er; शृणोति - hört; अकर्णः - ohne Ohren; सः - Er; वेत्ति - weiß; वेद्यम् - zu wissen; न - nein; च - und; तस्य - Sein; अस्ति - ist; वेत्ता - wissend; तम् - von Ihm; आहुः - sprechen; अग्र्यम् - der Erste; पुरुषम् - Person; महान्तम् - der Große

19. Ohne Hände und Füße bewegt Er sich und ergreift; Er sieht ohne Augen und hört ohne Ohren; Er weiß, was zu wissen ist, aber es gibt keinen, der Ihn kennt. Man sagt, Er sei der Vorderste, der Große.

Die Kaivalyopaniṣad (2.2) hat ein ähnliches Mantra.

Gott - ein Rätsel: Die Natur Gottes ist wahrlich verblüffend. Die früheren Mantras besagen, dass alle Hände, Füße und Köpfe allein Ihm gehören. Er hat überall Augen und Gesichter. Hier wird gesagt, dass Er keine Hände hat und doch alles ergreift, keine Ohren hat und doch alles hört (sogar den Klang einer Glocke an den Füßen einer Ameise!), keine Hände hat und doch alles auffängt und keine Füße hat und sich doch überall bewegt.

Mantras wie diese verursachen Verwirrung bei denen, die die wörtliche Bedeutung in Übersetzungen ohne die Hilfe eines Gurus oder ohne jeglichen Hintergrund oder Vorbereitung lesen. Die Leute fragen, warum die Upaniṣads solch paradoxe Sprache verwenden. Die Sprache des Paradoxen ist dazu gedacht, jedes Konzept zu zerschlagen, das der Verstand in Bezug auf die Wahrheit bildet, und öffnet den Weg zur direkten Verwirklichung.

Hat Er nun Hände oder hat Er keine? Von Seinem Standpunkt aus hat Er keine Hände, aber von unserem Standpunkt aus, dem Standpunkt der Welt, sind alle Hände und Beine nur die Seinen. Von Seinem Standpunkt aus ist Er formlos, aber wenn der Gottgeweihte Ihn als eine Form verehrt, zum Beispiel als Śrī Kṛṣṇa, wird er von Ihm gesegnet.

Der Gottgeweihte bittet Gott um Vergebung für drei Fehler: "Da ich weiß, daß Du alldurchdringend bist, gehe ich immer noch auf Pilgerreise; da ich weiß, daß Du jenseits des Verstandes bist, meditiere ich immer noch mit dem Verstand; und da ich weiß, daß Du nicht mit der Sprache beschrieben werden kannst, singe ich immer noch Dein Lob durch Hymnen.

Gott hat keine Konditionierungen (nirupādhika). Konditionierung ist das, was in der Nähe bleibt und dem anderen seine Eigenschaften aufzwingt (upa samīpe sthitvā svaguṇa-dharmān anyasmin ādhatte iti upādhi). Zum Beispiel lässt das rote Tuch unter dem farblosen Kristall den Kristall rot erscheinen. Doch alle Konditionierungen - Hände, Beine, Augen oder der Geist - funktionieren nur aufgrund von Ihm. Die Kaṭhopaniṣad sagt - sitzend geht Er weit (āsīno dūraṁ vrajati). Wenn wir zum Beispiel in einem Auto fahren, sitzen wir an einem Ort, aber das Auto fährt schnell und weit.

Von unserem Standpunkt aus gesehen befinden wir uns an einem Ort, aber bedingt durch das Auto werden wir als in Bewegung befindlich wahrgenommen. Deshalb sagen wir im Allgemeinen: "Ich bin weit gereist.“ Ohne Existenz und Leben kann weder die Hand greifen noch die Augen sehen. Daher ist es allein Er, der alles ergreift und sieht. Gott/Wahrheit hat jedoch weder Hände noch Augen. Gott/Wahrheit wird daher das Ohr des Ohres und der Geist des Geistes genannt (śrotrasya śrotraṁ manaso mano yat - Kenopaniṣad 1.2).

Gott - das Unbekannte: Ein weiterer interessanter Aspekt Gottes ist, dass Er alles weiß und doch niemand Ihn kennen kann. Der Seher kennt das Gesehene, aber das Gesehene kann den Seher nicht kennen. Zum Beispiel sehen die Augen Objekte, aber die Objekte können die Augen nicht sehen. Der Geist weiß, was die Augen sehen, aber die Augen können nicht sehen, was der Geist weiß. In ähnlicher Weise weiß das Selbst, was der Verstand denkt und die Augen sehen, aber weder die Augen noch der Verstand können das 'Ich' kennen, das weiß. Das Selbst kann niemals ein Objekt des Wissens werden.

Gott ist selbst von rätselhafter Natur und mit dem Intellekt schwer zu erfassen. Im Allgemeinen kennen wir ein Objekt, indem wir es objektivieren - als Anblick, Klang, Geruch, Farbe, Form und so weiter. Wenn wir das Wort "Kuh" sagen, entsteht ein geistiges Bild einer Kuh. Wut, Liebe, Mitgefühl sind Gefühle, die uns bekannt sind - von uns objektiviert. Ideen werden konzeptualisiert - ebenfalls von uns objektiviert. Da wir Gott/Selbst/Wahrheit nicht objektivieren können - als Bild, Gefühl oder Konzept, bleibt er uns unbekannt.

Keine Worte können Gott/Wahrheit beschreiben, dennoch müssen Worte verwendet werden, um auf Gott hinzuweisen. Samartha Rāmadāsa sagt - 'Ohne ein Denker zu werden, denke an das, was nicht gedacht werden kann.' Wenn dies begriffen wird, wird der Geist in der Wahrheit aufgehen. Śrī Gurudev pflegte es auf diese Weise zu erklären. Wenn wir 'Tisch' sagen, kommt uns das Bild eines Tisches in den Sinn. Wenn wir "unendlich", "unveränderlich" oder "zeitlos" sagen, ist der Intellekt nicht in der Lage, die Bedeutung zu erfassen, aber er negiert alles, was endlich, veränderlich und zeitgebunden ist. Was dann übrig bleibt, ist die wahre Bedeutung von 'unendlich'. Das, was dann angezeigt wird, bin Ich, die unendliche Wahrheit.

Gott - der Erste (agryam): Die Chāndogya Upaniṣad sagt, dass die "nicht-duale Existenz vor allem existierte. Aus Gott/Existenz allein sind alle Namen und Formen entstanden. Gold existiert, bevor alle goldenen Ornamente gemacht werden. Wo auch immer man das Ornament hinbringt, Gold ist immer da.

Der Īśāvāsyopaniṣad sagt: 'Wie schnell man auch rennen mag, Gott/Wahrheit überholt alles, sogar den Verstand, und reicht voraus.' Er gewinnt jedes Rennen ohne jede Bewegung, da Er bereits überall existiert.

Wie wird dann der rätselhafte und unerkennbare Gott/Wahrheit realisiert?

अणोरणीयान्महतो महीयानात्मा गुहायां निहितोऽस्य जन्तोः। तमक्रतुं पश्यति वीतशोको धातुः प्रसादान्महिमानमीशम्॥ २०॥

Aṇoraṇīyān-mahato mahīyān-ātmā guhāyāṁ nihito'sya jantoḥ, tam-akratuṁ paśyati vītaśoko dhātuḥ prasādān-mahimānam-īśam. (20)

अणोः - als das Feinste; अणीयान् - subtiler; महतः - als das Größte; महीयान् - größer; आत्मा - das Selbst; गुहायाम् - in der Höhle des Herzens; निहितः - sitzend; अस्य जन्तोः - dieser Kreatur; तम् - dieses Selbst; अक्रतुम् - wunschlos; पश्यति - sieht; वीतशोकः - frei von Gedanken (Kummer); धातुः - des reinen Geistes; प्रसादात् - durch die Gnade; महिमानम् - die Größe; ईशम् - der Herr

20. Das Selbst ist subtiler als das Subtilste und größer als das Größte. Es sitzt in der Höhle des Herzens aller Geschöpfe. Jemand, der frei von Gedanken und Wünschen ist, sieht die Größe des Herrn durch die Gnade des reinen Geistes.

Dieses Mantra findet sich auch in der Kaṭhopaniṣad (1.2.20) mit leichten Unterschieden.

Gott - groß oder klein? Gott ist größer als der Größte und kleiner als der Kleinste. Auch dieser Gedanke wurde früher erklärt. Gott/Wahrheit ist alldurchdringend und formlos und das Substrat von allem, sogar dem alldurchdringenden Raum. Der Raum existiert im kleinsten Objekt im Nanomaßstab und umschließt auch die unzähligen Kosmosen. Der Raum muss existieren, um ihn durchdringen zu können, und so durchdringt Gott/Existenz sogar den Raum.

Gott erkennen durch Gnade (dhātuḥ prasādāt): Die Augen offenbaren Farben und Formen. Was ist das gültige Mittel zur Erkenntnis Gottes/Wahrheit? Selbsterkenntnis, wie sie in den Upaniṣaden angegeben und vom Guru offenbart wird (dhātā), ist das gültige Mittel. Die Gnade des Gurus ist sehr wichtig, da Er derjenige ist, der unsere unendliche Natur offenbart und uns hilft, die falsche Identifikation mit dem Körper fallen zu lassen. Selbst der Herr, wenn Er inkarniert, geht zu einem Guru, um die Selbsterkenntnis zu erlernen. Herr Śrī Rāma ging zum Weisen Vasiṣṭha und Herr Śrī Kṛṣṇa verweilte in der Einsiedelei des Weisen Sāndīpanī.

Dhātā bedeutet auch Gott - der Erhalter und Unterstützer von allem. 'Ich bin der Vater, die Mutter, der Erhalter und der Großvater dieser Welt', sagt Śrī Kṛṣṇa. Es ist Gott allein, der sich als die Veden und der Guru, der die Wahrheit offenbart, manifestiert. Die gesamte Welt wird durch Seine Gnade erhalten. Alles Wissen findet durch Seine Gnade statt. Selbsterkenntnis, die sonst so schwer zu begreifen ist, kann nur durch Seine Gnade stattfinden.

Dhātā bedeutet auch der Geist. Nur ein reiner Geist kann Gott/Wahrheit erkennen. Śrī Kṛṣṇa sagt, daß ein unreiner Geist trotz aller Bemühungen die Wahrheit nicht verwirklichen kann. Ein Geist, der von Kummer und Bedauern über die Vergangenheit, von Ängsten und Sorgen über die Zukunft und von Aufregungen und Anhaftungen in der Gegenwart beherrscht wird, kann die Wahrheit nicht erkennen.

Ein von diesen Dingen freier Geist (vītaśoka) ist ein geeignetes Instrument, um die Wahrheit zu erkennen, die jenseits aller Sorgen liegt. Wiederum sind es 'kratu' oder Wünsche allein, die den Geist aufregen und uns zum Handeln veranlassen. Ein Geist, der relativ frei von Begierden (akratu) ist, kann Gott/Wahrheit erkennen, der voll und ganz und völlig frei von Begierden (akratu) ist. Es ist interessant, dass in der Kaṭhopaniṣad gesagt wird, dass der Wunschlose die Wahrheit (akratuḥ paśyati) sieht, und hier heißt es, dass der reine Geist die lustlose Wahrheit (akratuṁ paśyati) sieht.

Daher kann die Gnade Gottes/Gurus, gepaart mit der Gnade eines reinen Geistes, die große und glorreiche Wahrheit offenbaren und sie zu unserer eigenen direkten Verwirklichung machen.


Hat jemand tatsächlich die Wahrheit realisiert? Der Ṛṣi behauptet seine eigene persönliche Verwirklichung.

वेदाहमेतमजरं पुराणं सर्वात्मानं सर्वगतं विभुत्वात्। जन्मनिरोधं प्रवदन्ति यस्य ब्रह्मवादिनो हि प्रवदन्ति नित्यम्॥ २१॥

vedāham-etam-ajaraṁ purāṇaṁ sarvātmānaṁ sarvagataṁ vibhutvāt, janma-nirodhaṁ pravadanti yasya brahmavādino hi pravadanti nityam. (21)

वेद - wissen; अहम् - ich; एतम् - dies; अजरम् - alterslos; पुराणम् - uralt; सर्वात्मानम् - derjenige, der das Selbst von allen ist; सर्वगतम् - allgegenwärtig; विभुत्वात् - weil er alldurchdringend ist; जन्मनिरोधम् - geburtslos; प्रवदन्ति - sprechen von; यस्य - bezüglich dessen; ब्रह्मवादिनः - die Wissenden von Brahman; हि - in der Tat; प्रवदन्ति - sprechen von; नित्यम् - ewig

21. Ich kenne diesen alterslosen, uralten Einen, der das Selbst von allem ist, der allgegenwärtig ist, weil er alldurchdringend ist, von dem die Kenner von Brahman in der Tat sagen, dass er geburtslos und ewig ist.

Der Ṛṣi ist zweifellos in seiner Verwirklichung und erklärt, dass er Gott/Wahrheit kennt. Was ist die Natur der Wahrheit?

Gott ist zeitlos und uralt: Der Körper durchläuft die sechs Veränderungen - Existenz im Mutterleib, Geburt, Wachstum, Reife, Verfall und Tod (ṣaḍ vikāra). Gott ist formlos und somit alterslos. Dennoch ist Er alt, in der Tat der Älteste, der Älteste, da Er vor allem existierte. Obwohl Er alt ist, ist Er immer neu und zeitlos. Eigentlich ist Gott von der Zeit unabhängig und deshalb trifft die Idee von alt und neu nicht auf Ihn zu.

Gott ist geburtslos: Die Unwissenden identifizieren sich mit dem Körper und denken, dass sie geboren werden und dass sie sterben werden. Aber die verwirklichten Meister wissen, dass sie geburtslos und todlos sind - die alles durchdringende, ewige Wahrheit.

So endet das dritte Kapitel mit der direkten Erfahrung des Verwirklichten Meisters.

4. Kapitel Shvatashvatara Upanishad mit Kommentar Swami Tejomayananda

Essenz der Svetasvatara Upanishad von Swami Sivananda

Swami Sivananda hat die Svetasvatara Upanishad zusammengefasst. So bekommst du einen guten Überblick und Verständnis darüber, worum es in der Svetasvatara Upanishad geht:

1. Diese Upanishade gehört zum Krishna Yajurveda. Sie erhielt ihren Namen vom Rishi Svetasvatara, der die darin enthaltene Wahrheit seinen Schülern lehrte. Sie enthält Lehren aus dem Vedanta, Sankhya und dem Yoga.

2. In dieser Upanishad wird Shiva oder Rudra als derSchöpfer, Erhalter und Zerstörer der Welt beschrieben. Er ist der materielle und effiziente Grund für diese Welt. Er wird mit dem allerhöchsten Brahman identifiziert.

Om. Möge Es uns beide beschützen (Lehrer und Schüler). Möge Es uns beide die Glückseligkeit (vonMukti) genießen lassen. Mögen wir uns beide bemühen, die wahre Bedeutung der Schriften zu erkennen. Mögen wir uns niemals streiten!

Om Frieden, Frieden, Frieden!

Adhyaya Eins: Die endgültige Ursache

"Was ist die Ursache? Ist es Brahman? Woher kommen wir? Wodurch leben wir? Wo werden wir letztlich verbleiben?" Zitat Svet. Up.

3. Die nach Brahman Suchenden unterhalten sich miteinander: Was ist die Ursache? Ist es Brahman? Woher kommen wir? Wodurch leben wir? Wo werden wir letztlich verbleiben? Wodurch, in Vergnügen und Schmerz beherrscht, leben wir über verschiedene Zustände, O jenes, Kennende des Brahman!

4. Zeit, innewohnende Natur, Gesetz oder Unvermeidlichkeit oder Zufall oder die Elemente oder Materie oder eine Gebärmutter oder ein Mann werden als die Ursache in Betracht gezogen. Es ist nicht eine Kombination dieser Dinge, aufgrund der Existenz der Seele (Atman). Die Seele (die individuelle Seele) ist ebenfalls nicht frei, da sie den Schwankungen von Vergnügen und Schmerz ausgesetzt ist.

5. Jene, die Meditation praktizierten, erkannten oder sahen die Kraft Gottes (Devatma Shakti), versteckt in Seinen eigenen Qualitäten (Gunas), als die Ursache derSchöpfung, welche einzig über all die oben genannten Gründe herrscht, angefangen bei der Zeit und mit der indiviuellen Seele endend.

Das göttliche Rad

6. Wir begriffen Ihn als ein Rad, welches nur eine Felge mit einem dreifachen Reifen mit sechzehn End-Teilen, fünfzig Speichen, zwanzig Gegenspeichen, mit sechs Sets von Achteln, welches ein Seil in verschiedenen Formen hat, welches drei verschiedene Straßen oder Pfade hat und welches eine Umdrehung für zwei Ursachen hat.

7. Man meditiert über Gott als das Rad des Universums und der Umfang dieses Rades ist Maya.

8. Die drei Reifen sind die drei Qualitäten von Sattva, Rajas und Tamas oder Zeit, Raum und Ursächlichkeit.

9. Die sechzehn End-Teile sind sechzehn Modifikationen oder Vikritis, nämlich die fünf Organe des Wissens, die fünf Organe der Handlung und die fünf grobstofflichen Elemente.

10. Die fünfzig Speichen sind

(a) die fünf Klassen der Unwissenheit, nämlich Tamas, Moha, Maha Moha, Timira (Dunkelheit) und Andha Timira (totale Dunkelheit);
(b) Die 28 Unfähigkeiten;
(c) die neun Tushtis oder Befriedigungen;
(d) die acht Siddhis oder Vervollkommnungen, nämlich Tara, Sutara, Tarayanti, Pramoda, Pramodita, Pramodamana, Ramyaka and Satpramodita.

11. Die zwanzig Gegenspeichen sind die zehn Sinne und ihre zehn Objekte.

12. Sechs Sets von Acht:

(1) Die acht Produzenten der achtfachen Prakriti des Sankhya, nämlich die fünf Elemente, Geist, Intellekt und Egoismus.
(2) Die acht wesentlichen Bestandteile des Körpers oder Dhatus, nämlich äußere Haut, innere

Haut, Blut, Fleisch, Fett, Knochen, Knochenmark und Samen.

(3) Ashta Siddhis oder acht übermenschliche Kräfte, nämlich Anima, Mahima etc.
(4) Acht geistige Zustände (Bhava), nämlich Tugend, Ungerechtigkeit, Wissen, Unwissenheit,Leidenschaftslosigkeit, Anhaftung, übermenschliche Kraft und das Wollen übermenschlicher Kraft.
(5) Die acht Gottheiten, nämlich Brahma, Prajapati, Devas, Gandharvas, Yakshas, Rakshasas, Pitris und Pisachas.
(6) Die acht Tugenden der Seele, nämlich Mitgefühl,Duldsamkeit, Abwesenheit von Eifersucht, Reinheit,

Freiheit von Ermüdung, Glück, Freiheit von Armut und Begierdenlosigkeit.

(7) Die drei verschiedenen Straßen sind Tugend, Untugend und Wissen.
(8) Das Seil ist Verlangen.

13. Wir begreifen Ihn als einen Fluss mit fünf Quellen, ungestüm und gewunden, dessen Wellen die fünf Pranas oder vitale Atem sind, deren ursprüngliche Quelle die fünffache Wahrnehmung ist, die fünf Strudel hat, die getrieben ist von der Geschwindigkeit des fünffachen Elends oder Schmerz, welche von den fünf Arten des Elends geteilt ist und die fünf Abzweigungen oder Zweige hat. Die fünf Sinne repräsentieren die fünf Flüsse. Die fünf Pranas repräsentieren die Wellen. Die fünf Objekte der Sinne, nämlich Klang, Berührung etc. werden Strudel genannt, weil die individuelle Seele in sie hineingezogen wird. Die fünf Arten des Schmerzes sind die Schmerzen hervorgerufen durch Existenz im Mutterleib, durch Geburt, Alter, Krankheit und Tod.

14. Im unendlichen Rad von Brahman, in welchem alles lebt und ruht, wird die Pilgerseele, oder das reinkarnierte Selbst, umhergewirbelt, wenn sie denkt, dass sie und der höchste Herrscher verschieden oder voneinander getrennt sind. Sie erlangt Unsterblichkeit, wenn sie von Ihm gesegnet oder begünstigt wird.

"Im unendlichen Rad von Brahman, in welchem alles lebt und ruht, wird die Pilgerseele, oder das reinkarnierte Selbst, umhergewirbelt, wenn sie denkt, dass sie und der höchste Herrscher verschieden oder voneinander getrennt sind. Sie erlangt Unsterblichkeit, wenn sie von Ihm gesegnet oder begünstigt wird." Zitat Svet. Up.

15. Dies ist wahrlich das höchste Brahman. In ihm ist die Triade. Es ist der stabile Urgrund. Es ist das Unzerstörbare. Durch das Erkennen des Innewohnenden widmen sich die Wissenden des Brahman hingebungsvoll Brahman, werden eins mit Ihm und werden befreit vom Kreislauf der Wiedergeburt.

16. Die Triade sind die Welt, die individuelle Seele und die absolute Seele. Die Triade sind der Genießer, die Objekte des Genusses und die höchste Seele. Es kann auch den Wachzustand, Traum und Tiefschlaf bedeuten. Gott, Welt, Mensch

17. Der Herr trägt dieses Universum, welches aus einer Kombination aus Vergänglichem und Unvergänglichem besteht, dem Offensichtlichen und dem nicht Offensichtlichen. So lange die individuelle Seele den Herrn nicht erkennt, haftet sie den Sinnesfreuden an. Sie wird zum Genießer und ist gebunden. Wenn sie den Herrn erkennt, wird sie von allen Fesseln befreit.

18. Der wissende Herr und die unwissende individuelle Seele, das Allmächtige und das Unfähige, sind beide ungeboren. Sie (Prakriti), die verbunden ist mit dem Genossenem und den Objekten des Genusses, die die Erkenntnis des Genießenden und des Genusses verursacht, ist ebenfalls ungeboren. Wenn all diese drei als Brahman erkannt werden, wird das Selbst unendlich, universell und inaktiv (frei vom Gefühl zu handeln und ein Handelnder zu sein).

19. Materie ist vergänglich, aber Gott ist unsterblich und unvergänglich. Er, der einzige Gott, regiert über die vergängliche Materie und die individuellen Seelen. Indem man über ihn meditiert, durch Einheit mit Ihm, wird letztlich alle Illusion enden.

20. Durch das Wissen über Gott werden all die Fesseln der Unwissenheit zerstört; es ist ein Ende von Geburt und Tod und Verzweiflung. Indem man über Ihn meditiert, erlangt man den dritten Zustand, nämlich universelle Herrschaft und die Auflösung des Körpers. All seine Begierden werden befriedigt und er wird eins ohne ein Zweites.

21. Dies ist bekannt als ewige Existenz im eigenen Selbst. Wahrlich gibt es kein höheres Wissen als dieses. Wenn jemand das Glück, das Objekt des Glücks und den Verteiler oder höchsten Herrscher erkennt, dann gibt es nichts mehr zu sagen. Dies ist dreifach Brahman.

22. Erkenntnis bedeutet nicht etwas zu erreichen. Es ist nur das Erkennen der eigenen, unendlichen Natur durch das Zerreißen der Schleier, das Auslöschen der Unwissenheit, das Zerteilen der drei Knoten, nämlich Unwissenheit, Begierde und Handlung.

23. Feuer wird nicht wahrgenommen, wenn es in seiner Ursache, dem Feuerholz, verborgen ist, und dennoch geschieht keine Zerstörung seiner feinstofflichen Form, wenn es erneut in seiner Ursache, dem Feuerholz, durch Reibung wahrgenommen wird. Und ebenso wird auch der Atman im Körper wahrgenommen, indem man auf die heilige Silbe Om meditiert.

24. Indem man seinen eigenen Körper zum unteren Holzstück oder Reibungsstab und die Om-Silbe zum oberen Holzstück oder Reibungsstab macht und indem man die Reibung oder das Anwenden der Meditation praktiziert, wird man Gott, welcher gewissermaßen verborgen ist, erkennen.

25. So wie Öl in Sesamsamen, Butter im Quark, Wasser in Flussbetten und Feuer im Holz, ebenso wird der Atman im eigenen Selbst von einer Person, die Ihn durch Wahrheit und Entbehrungen betrachtet, wahrgenommen (durch das Kontrollieren der Sinne und des Geistes).

26. Der Atman, welcher alle Dinge durchdringt so wie Butter die Milch, ist im Wissen um das Selbst und in Entbehrungen verwurzelt. Dies ist die mystische Doktrin, welche Brahman anbelangt.

Adhyaya Zwei: Der Prozess der Meditation

27. Indem die Konzentration von Geist und Sinnen zuerst auf Brahman gerichtet wird, um die Wahrheit zu erkennen, möge Savitri, welcher das erleuchtende Feuer (der Weisheit) gesehen hat, es aus der Erde hervorbringen (Materie im Allgemeinen).

28. Durch die Gnade des göttlichen Savitri, lasst uns, mit konzentriertem Geist energisch nach dem Erlangen höchster Glückseligkeit streben.

29. Nachdem die Sinne unter Kontrolle gebracht wurden, durch welche das Himmelreich mit dem Geist und dem Intellekt erlangt wird, lasst Savitri sie dazu bringen, dass sich das göttliche Licht manifestiert.

30. Groß ist der Ruhm von Savitri, welcher alles-durchdringend, unendlich, allwissend, der Alleinige, der den Herrscher kennt, der all die Opferrituale der Brahmanen angeordnet hat. Er wird ihren Geist und Intellekt kontrollieren und Meditation üben.

31. Ich verehre deinen alten Brahman mit Ehrfurcht. Meine Verse gehen hervor wie die Sonne auf ihrer Bahn. Mögen die Söhne des Unsterblichen zuhören, sogar jene, die göttliche Regionen bewohnen.

32. Wo Feuer entfacht oder produziert wird, wo Luft kontrolliert wird, wo der Somasaft überfließt, dort wird der Geist geboren.

33. Feuer steht für das Wissen um das Selbst.

34. Man erfährt Glückseligkeit während der Mediation. Dies ist das Trinken des Somasaftes.

35. Lasst uns den uralten Brahman durch die Gnade von Savitri leben. Wenn du dort die Quelle (Brahman) erlangst, dann wird dich deine einstige Arbeit nicht länger binden.

36. Ohne Bhakti kannst du die Gnade, welche essenziell für das Erlangen des Wissens um Brahman ist, nicht erlangen.

37. Indem er eine gerade Körperhaltung einnimmt, die Brust und den Kopf aufrecht hält und die Sinne und den Geist ins Herz zurückzieht, sollte der Weise die angsterfüllten Strömungen der Welt mit Hilfe des Floßes (oder Bootes) von Brahman überqueren.

38. Die angsterfüllten Strömungen sind die Strömungen von Raga, Dvesha (Vorlieben und Abneigungen), Vasanas oder subtilen Begierden und Trishna (Begierden), welche den Menschen in den Ozean von Geburten und Tod schleudern.

39. Das Floß von Brahman ist Om. Stilles Japa von Om mit dem Meditieren über dessen Bedeutung wird einem helfen, den Ozean des Samsara zu überqueren, bzw. sich selbst aus dem Rad von Geburten und Tod zu befreien.

40. Die Sinne kontrollierend, den Atem unterdrückend und regelnd, die Bewegungen des Körpers überprüfend, sanft durch die Nasenlöcher atmend, sollte der Weise ohne dabei abgelenkt zu werden seinen Geist zurückhalten, diesen Wagen, an den tückische Pferde angespannt sind.

41. Man sollte seine Übungen konzentriert durchführen, auf flachem Untergrund, frei von Kieselsteinen, Feuer, Wind, Staub, Feuchtigkeit und störenden Geräuschen, wo die Landschaft schön und angenehm für das Auge ist und wo es Lauben, Höhlen und Wasserstellen gibt, die dabei helfen, sich zu konzentrieren.

42. Wenn Yoga ausgeführt wird, dann erscheinen Formen wie Schnee oder Frost, Rauch, die Sonne, Feuer, Wind, Leuchtkäfer, Blitze, Kristalle und der Mond. Sie gehen der Manifestation von Brahman voraus.

43. Wenn die fünffache Qualität des Yoga, die aus Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther entspringt, produziert wurde, dann ist der Yogi mit einem durch das Feuer des Yoga gestärkten Körper ausgestattet und dadurch wird er von Krankheit, Alter oder Tod nicht beeinflusst werden.

44. Wenn der Körper leicht und gesund ist, wenn sein Geist frei von Begierden ist, wenn er eine leuchtende Gesichtsfarbe hat, eine süße Stimme und einen angenehmen Geruch hat, wenn die Ausscheidungen spärlich werden, dann sagt man, dass er den ersten Grad der Konzentration erreicht hat.

45. So wie eine Metallscheibe oder ein Spiegel, der zuvor von Staub bedeckt war, brilliant leuchtet, wenn er gereinigt wurde, eben so realisiert das verkörperte Wesen Einheit, erlangt das Ende oder Ziel, und ist frei von Sorge, wenn er die wahre Natur des Atman erkennt.

46. Wenn er durch die Hilfsmittel der wahren Natur seines Selbst, was der Yogi als eine Lampe, die wahre Natur von Brahman, sieht, dann, nachdem er den ungeborenen, ewigen Gott, der frei von allen Modifikationen von Prakriti ist, erkannt hat, dann ist er frei von allen Fesseln oder Sünden.

47. Er ist in der Tat der Gott, der alle Regionen durchdringt. Er ist der Erstgeborene (Hiranyagarbha). Er ging in den Mutterleib ein. Er ist in allen Personen als das innewohnende Selbst, in alle Richtungen blickend (sein Gesicht zeigt in alle Richtungen).

48. Grüße, Grüße an den Gott, der im Feuer ist, der im Wasser ist, der inPflanzen ist, der in Bäumen ist und der das gesamte Universum durchdrungen hat.

Adhyaya Drei: Die Erkenntnis

49. Er, welcher allein durch seine Kräfte regiert, der alle Welten durch Seine Kräfte regiert, der ein und der Selbe zur Zeit der Schöpfung und Auflösung der Welt ist, jene, die Ihn kennen werden unsterblich.

50. Es gibt nur einen Herrscher, der all die Welten durch Seine Kräfte regiert. Es gibt niemanden neben ihm, der ihn zum Zweiten machen könnte. Er ist in den Herzen aller Wesen anwesend. Er schafft all die Welten und erhält und zieht sie letztlich wieder in sich selbst zurück.

51. Rudra repräsentiert hier Parabrahman oder das Höchste Selbst, das Unendliche oder das Absolute.

52. Dieser eine Gott, der Seine Augen, Sein Gesicht, Seine Arme und Seine Füße an jedem Ort hat, wenn er Himmel und Erde produziert, schmiedet er sie mit Seinen Armen und Seinen Schwingen zusammen.

53. Möge Rudra, der Schöpfer und Erhalter der Götter, der große Seher, der Herr aller Dinge, der zuerst Hiranyagarbha erschuf, uns mit guten Gedanken ausstatten (reinem Intellekt).

54. O Rudra, mit deiner Form, welche Glück verheißend ist, welche nicht schrecklich ist, und welche manifestiert, was heilig ist, mit dieser all-gesegneten Form, erscheine uns, O Bewohner unter den Bergen!

55. O Herr der Berge; sei gnädig mit dem Pfeil, den du in deinen Händen schussbereit hältst. Verletzte nicht die Menschen oder die Welt, O Beschützer der Berge!

56. Höher als der persönliche Gott ist der allerhöchste Brahman, welcher unendlich ist, welcher verborgen in allen Wesen entsprechend ihrer Körper ist und welcher der einzige Durchdringer des gesamten Universums ist. Indem man ihn als den Herrn erkennt, wird man unsterblich.

57. Ich kenne dieses mächtige Wesen (Purusha), welches glänzend wie die Sonne erstrahlt, jenseits der Dunkelheit. Man geht jenseits des Todes, nur durch die Erkenntnis von Ihm. Es gibt keine andere Straße, um Befreiung zu erlangen.

58. Nichts ist höher als Er oder anders als Er, nichts größer oder winziger als Er. Er allein steht im Himmel wie ein Baum, einer ohne Gleichen, und unbeweglich. Die ganze Welt ist erfüllt von diesem Wesen.

59. Jenes, welches jenseits dieser Welt ist, ist ohne Form und ohne Leiden. Jene, die Es erkennen, werden unsterblich; aber andere stattdessen, erleiden nur Schmerz.

60. Er (der Herr) hat sein Gesicht, seinen Kopf und Hals überall (in allen Dingen). Er verweilt im Herzen aller Wesen. Er durchdringt alles. Deshalb ist Er allgegenwärtig und gnädig.

61. Diese Person (Purusha) ist in der Tat der große Herr. Er kontrolliert alle Dinge. Er ist Licht. Er ist immerwährend. Er leitet den Intellekt aller Wesen, um ihnen diesen extrem reinen Zustand zu ermöglichen (Moksha).

62. Der Purusha von der Größe eines Daumens, welcher im Herzen, Intellekt und Geist verborgen ist, verweilt immer in den Herzen derKreaturen als ihr inneres Selbst. Jene, die ihn erkennen, werden unsterblich.

63. Es ist sehr schwer für einen Neuling den Geist auf das Unendliche auszurichten. Aus diesem Grund soll er damit beginnen, über ein Wesen von der Größe eines Daumens, in seinem Herzen, zu meditieren.

64. Die Person (Purusha) hat tausend Köpfe, tausend Augen und tausend Füße. Er umhüllt die ganze Welt und erstreckt sich jenseits davon in einer Breite von zehn Fingern.

65. 'Zehn Finger' bedeutet endlos. Brahman umhüllt die ganze Welt in alle Richtungen und erstreckt sich jenseits davon in die Unendlichkeit. Er transzendiert die Welt.

66. 1409.Tausend Köpfe: Dies zeigt an, dass der Herr (Virat Purusha) zahllose Köpfe besitzt. Alle Köpfe, alle Augen, alle Hände, alle Füße gehören dem Herrn. Er ist es, der durch alle Hände wirkt, durch alle Münder isst, durch alle Augen sieht, durch alle Ohren hört, durch alle Füße geht und durch den Geist aller denkt. Wenn du dich stetig an diesen Vers erinnerst, dann wird sich Egoismus auflösen. Du wirst ein erweitertes Herz haben. Du wirst kosmisches Bewusstsein erfahren. Du wirst dich mit dem Virat Purusha identifizieren.

67. Diese Person allein (Purusha) ist all das, was war und was sichtbar ist. Er ist ebenfalls der Herr der Unsterblichkeit. Er ist, was auch immer durch Nahrung wächst.

68. Mit Händen und Füßen überall, mit Augen, Köpfen und Mündern überall, mit Ohren überall, jenes existiert, alles in der Welt umfassend.

69. Er leuchtet heraus mit den Qualitäten aller Sinne, und doch ist Er ohne alle Sinne. Er ist der Herr von allem, der Herrscher von allem, das Refugium aller und der Freund aller.

70. Er verweilt im Körper, der Stadt mit den neun Toren. Er ist die Seele (Hamsa), die sich in der äußeren Welt bewegt. Er ist der Kontrollierende der ganzen Welt, zugleich ruhend und sich bewegend.

71. Ohne Hände und Füße geht Er schnell und greift; ohne Augen sieht Er; ohne Ohren hört Er. Er weiß alles, was gekannt werden kann. Und doch gibt es niemanden, der Ihn kennt. Man nennt ihn den Ersten, die großartige Person.

72. Feinstofflicher als das Feinste und größer als das Größte, der Atman, ist verborgen im Herzen aller Kreaturen. Man wird frei von Kummer und Verlangen durch die Gnade des begierdenlosen Schöpfers, und erkennt Ihn als den Großartigen.

73. Bhakti steht nicht im Widerspruch zu Wissen. Im Gegenteil, es ist ein Hilfsmittel zum Wissen.

74. Die Gnade des Herrn ist notwendig für die Erkenntnis advaitischer Einheit.

75. Die selbe Seele ist in der Ameise und im Elefanten zugleich. Die selbe Seele durchdringt ebenso das gesamte Universum. Sie ist unendlich. Somit ist der Atman feinstofflicher als das Feinstofflichste und größer als das Größte.

76. Ich kenne diese nicht-verfallende, diese uralte, die Seele aller Dinge, die allgegenwärtig als Folge seiner alles durchdringenden Natur und die die Kennenden des Brahman als frei von Geburt erklären, die die Kennenden des Brahman als unendlich verkünden.

Adhyaya Vier: Gebet

77. Möge das göttliche Wesen, der Eine, obgleich selbst farblos, viele Farben durch die Mittel seiner eigenen Kraft und absichtlich auf verschiedene Arten schöpfend, und welches die ganze Welt in sich selbst zurückzieht am Ende, möge Er uns mit reinem Intellekt ausstatten.

78. So wie ein Lichtstrahl, der an sich farblos ist, verschiedene Farben annimmt, wenn er durch ein Prisma strahlt, eben so nimmt der formlose Brahman verschiedene Formen für seine eigene Lila oder Unternehmungslust an.

79. Jenes selbst ist Agni (Feuer). Jenes ist Aditya (die Sonne). Jenes ist Vayu (Luft). Jenes ist Chandramas (der Mond). Jenes ist auch das sternübersäte Firmament. Jenes ist der Brahman (Hiranyagarbha). Jenes ist Wasser. Jenes ist Prajapati.

80. Du bist Frau, Du bist Mann, Du bist die Jugend. Du bist ebenso die Jungfrau. Du bist der alte Mann, der dahinwackelt, auf seinem Gehstock gelehnt. Du bist geboren mit Deinem Gesicht in alle Richtungen gewandt.

81. Du bist die dunkle, blaue Fliege. Du bist der grüne Papagei mit roten Augen. Du bist die Gewitterwolke, die Jahreszeiten und die Ozeane. Du bist ohne Anbeginn. Du bist das Unendliche. Du bist Er aus dem alle Welten geboren werden.

82. Es gibt ein ungeborenes Wesen, eine Frau von roter, weißer und schwarzer Farbe, die viele Nachkommen produziert, die wie sie sind. Da ist ein ungeborenes Wesen, männlich, welches sie liebt und bei ihr liegt. Da ist ein weiterer ungeborener Mann, der sie verlässt, nachdem er sie genossen hat.

Gleichnis von den zwei Vögeln

"Die zwei Vögel sind die individuelle Seele (Jiva) und die höchste Seele (Paratman). Der Jiva ist nur eine Reflektion der höchsten Seele. Deshalb sind sie unzertrennlich." Zitat Svet. Up.

83. Zwei Vögel mit prachtvollem Gefieder, die unzertrennliche Freunde sind, verweilen auf ein und demselben Baum. Einer der beiden verzehrt eine süße Frucht, während der andere zusieht, ohne zu fressen.

84. Die zwei Vögel sind die individuelle Seele (Jiva) und die höchste Seele (Paratman). Der Jiva ist nur eine Reflektion der höchsten Seele. Deshalb sind sie unzertrennlich.

85. Der Baum ist der Körper. Die Früchte des Baumes sind Vergnügen und Schmerz, das Ergebnis vergangener Handlungen.

86. Auf dem selben Baum verweilend, verwickelt sich die individuelle Seele und fühlt sich schrecklich. Er fühlt sich getäuscht und beklagt seine Machtlosigkeit. Wenn er den anderen sieht, der zufrieden ist, und seine Herrlichkeit erkennt, dann wird er frei von Sorge.

87. Was für einen Nutzen haben die Veden für jenen, der das Unzerstörbare, höchste, himmlische Wesen nicht kennt, in dem all die Veden verweilen? Nur jene, die es erkennen, ruhen zufrieden.

88. Der Herr der Maya beschützt oder erschafft die Veden, die Opferrituale, die Zeremonien, religiöse Bräuche, was geschehen ist, was geschehen soll, alles, was die Veden erklären und diese gesamte Welt, einschließlich uns selbst. Der andere ist an Maya gebunden.

89. Wisse, dass Prakriti (Natur) Maya ist, und der große Gott ist der Herr der Maya. Diese ganze Welt ist durchdrungen von Wesen, die seine Teile sind. Die Straße des Friedens.

90. Man erlangt unendlichen Frieden, wenn man den Herrn erkennt, den anbetungswürdigen Gott, den Verleiher von Segnungen, der, obgleich eins, den verschiedenen Aspekten von Prakriti vorsitzt, und in dem dieses Universum sich auflöst und in dem es in verschiedenen Formen erscheint.

91. Möge Rudra, der Schöpfer und Unterstützer der Götter, der große Seher, der Herr aller Dinge, der sah, wie Hiranyagarbha geboren wurde, uns mit reinem, glückverheißendem Intellekt ausstatten.

92. Lasst uns Ehrfurcht durch Opfergaben erweisen an diesen glückseligen Gott, der der Herr der Devas ist, der über die Zweibeiner und die Vierbeiner herrscht, und in welchem alle Welten ruhen.

93. Er, der Ihn erkennt, welcher feinstofflicher als das Feinstofflichste ist, welcher die Welt inmitten des Chaos erschafft, der viele Formen annimmt, der der Einzige ist, der die Welt umhüllt, der Glückselige (Shiva) erlangt unendlichen Frieden.

94. Er allein ist der Beschützer der Welt zur richtigen Zeit. Er ist der Herr der Welt verborgen in allen Wesen. In ihm verschmelzen sich die Brahma Rishis und die Gottheiten. Er, welcher Ihn kennt, schneidet die Fesseln des Todes entzwei.

95. Er, welcher Shiva, den Glückseligen, kennt, der in allen Wesen in extrem subtiler Form verborgen ist, feiner als die Essenz von Ghee, der einzig und allein das Universum umhüllt, ist befreit von allen Fesseln.

96. Dieser Gott, der Schöpfer des Universums, die höchste Seele, verweilt immer im Herzen aller Wesen, begrenzt durch das Herz, den Intellekt und den Geist. Jene, die dies erkennen, werden unsterblich.

97. Wenn die Unwissenheit sich aufgelöst hat, wenn da weder Tag noch Nacht ist, weder Existenz, noch nicht-Existenz, dann ist da nur Shiva, der allgesegnete Eine, der unauslöschlich ist, das anbetungswürdige Licht von Savita (die Gottheit der Sonne). Aus Ihm ging die uralte Weisheit hervor.

98. Niemand kann Ihn greifen, darüber oder hindurch oder in der Mitte. Es gibt kein Ebenbild oder etwas Gleichwertiges von Ihm, dessen Name große Herrlichkeit ist.

99. Seine Form kann nicht gesehen werden. Niemand nimmt Ihn mit dem Auge wahr. Jene, die ihn kennen, kennen ihn durch Intuition, deshalb im Herzen verweilend, werden sie unsterblich.

100. Jemand, der denkt, dass du der Ungeborene bist, nähert sich Dir furchtsam. Geruhe, mich ewig zu beschützen mit Deinem wohlwollenden Gesicht.

101. ORudra, verletze nicht unsere Kinder, noch unsere Enkelkinder, noch unsere Leben, Kühe oder Pferde, noch schlachte in deinem Zorn unsere tapferen Männer. Wir rufen dich stets mit Opfergaben an.

Adhyaya Fünf: Die verborgene Wahrheit

102. Unwissenheit ist wahrlich sterblich, Wissen ist wahrlich unsterblich. Im unauslöschlichen und unendlich höchsten Brahman sind Wissen und Unwissenheit verborgen. Komplett verschieden davon ist Brahman, der zugleich Unwissenheit und Wissen kontrolliert.

103. Es ist Er, der, nur eines seiend, über jede Quelle der Produktion und jede Form vorsitzt. Er sieht die Geburt des erstgeborenen Sehers von goldener Farbe und stattet ihn mit jeder Art von Wissen am Anbeginn der Schöpfung aus.

104. Dieser Gott breitet ein Netz nach dem anderen auf verschiedene Weisen aus und zieht sie alle wieder in diesem Feld zurück. Dadurch hat Er erneut die Herrscher geschaffen und hält Seine Herrschaft über alle.

105. So wie die Sonne erstrahlt und von überall her alles beleuchtet, oben, unten und durch alles, so erstrahlt dieser anbetungswürdige Gott, der Gesegnete, herrschend über alle Kreaturen, die aus einem Leib geboren wurden.

106. Er, der die eine Quelle der Welt ist, bringt die Reife der Natur aller und führt Kreaturen, die zur Reife gebracht werden können, zur Perfektion und stattet jedes Wesen mit seinen charakteristischen Qualitäten aus und regiert dieses gesamte Universum.

107. Er ist verborgen in den Upanishaden, die in den Veden verborgen sind. Hiranyagarbha kennt Ihn als die Quelle von sich selbst (oder als die Quelle der Veden). Jene Götter und Seher, die Ihn in den frühen Tagen erkannt haben, haben sich mit ihm identifiziert und wurden wahrlich unsterblich.

108. Er (die individuelle Seele), der die Qualitäten hinzugefügt sind, führt Handlungen um ihrer Früchte Willen aus und genießt die Früchte seiner Taten. Obgleich Er in Wirklichkeit der Herr des Lebens ist, wird er durch die drei Gunas gefesselt, nimmt verschiedene Formen an und wandert auf den drei Pfaden aufgrund seiner eigenen Handlungen.

109. Fein wie die Spitze einer Nadel, glänzend wie die Sonne, Er allein wird sogar als ein Anderer wahrgenommen (verschieden zu der universellen Seele) von der Größe eines Daumens, ausgestattet mit Egoismus und Willen, als Folge der Begrenzung von Intellekt und Herz.

110. Diese individuelle Seele ist so subtil wie der hundertste Teil der Spitze eines Haars einhundert mal geteilt. Und doch ist Er in seiner Essenz unendlich. Er ist es, was erkannt werden muss.

111. Er ist weder weiblich, noch männlich, noch Neutrum. Was auch immer für einen Körper er annimmt, mit diesem identifiziert er sich oder ist damit verbunden.

112. Mit Hilfe vonGedanken, Kontakt, Sicht und Täuschung nimmt die verkörperte Seele nacheinander verschiedene Formen in verschiedenen Orten an, entsprechend ihrer Handlungen, so wie der Körper durch das Einnehmen von Essen und Getränken wächst.

113. Die individuelle Seele wählt oder nimmt viele Formen an, grob- und feinstofflich, entsprechend ihrer eigenen Qualitäten, den Qualitäten ihrer Handlungen und den Qualitäten ihres Geistes. Der Grund für die Verbindung mit diesen Formen ist jedoch ein anderer.

114. Der Grund für die Verbindung mit dem Körper ist der Herr.

115. Er, der Ihn, der keinen Anbeginn und kein Ende hat, kennt, der die Welt inmitten des Chaos erschafft, der viele Formen annimmt und der das Universum umhüllt, wird von allen Fesseln befreit.

116. Jene, die den Gott kennen, der durch direkte, intuitive Wahrnehmung erkannt werden muss, der ohne Körper oder unsterblich ist, der der Grund für die Existenz und die Nicht-Existenz ist, der allgesegnet und der Grund für die sechzehn Teile ist, werden von weiteren Verkörperungen befreit.

Adhyaya Sechs: Der Pfad zur Befreiung

117. Manche verwirrte Denker sprechen von der Natur, und andere sprechen von der Zeit als der Ursache des Universums. Aber es ist die Herrlichkeit Gottes, durch welche sich das Rad von Brahma dreht.

118. Es unterliegt seiner Gewalt, Ihm, der immerwährend die Welt umhüllt, der allwissend ist, der Herr der Zeit, Besitzer von Qualitäten, allwissend, dass diese Arbeit (die Schöpfung) sich selbst entfaltet, welche als Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther genannt oder gedacht wird.

119. Er erschafft seine Arbeit und ruht wieder, nachdem er eine Einheit mit Prinzip um Prinzip eingegangen ist, mit einem, mit zwei, mit drei, oder mit acht, mit Zeit ebenfalls, und mit den subtilen Qualitäten des Geistes.

120. Die acht Prinzipien sind die acht Produzenten der Samkhyas, nämlich Avyakta, welches die Wurzel aller ist, Intellekt, Egoismus und die fünf feinstofflichen Elemente der Materie (Tanmatras), oder die fünf Elemente, Geist, Intellekt und Egoismus. Das eine Prinzip, mit welchem die Seele verbunden ist, ist Avyakta oder Prakriti. Die zwei sind Avyakta und Intellekt; und die drei sind Avyakta, Intellekt und Egoismus.

121. Es gibt eine weitere Interpretation. Das eine Prinzip ist Avidya oder Unwissenheit; zwei sind Dharma und Adharma (richtig und falsch), oder Raga Dvesha (Vorlieben und Abneigungen); die drei sind die drei Körper, materiell, feinstofflich und kausal, oder die drei Gunas, Sattva, Rajas und Tamas; oder die drei Avasthas, Wachzustand, Traum und Tiefschlaf; oder Zeit, Raum und Kausalität.

122. Er löst die Schöpfung aus, assoziiert mit den drei Gunas, und ordnet alle Dinge. Er verursacht Zerstörung der Arbeit in Abwesenheit der Gunas und verbleibt abseits in Seiner Essenz nach der Zerstörung.

123. Er ist der Anbeginn, der Ursprung der Ursachen, durch die (der Körper) vereint wird (mit der Seele). Er ist jenseits der drei Abteilungen von Zeit (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Er ist ferner ohne Teile. Der anbetungswürdige Herr, der als die Welt erscheint, der die wahre Quelle aller Kreaturen ist, verbleibt in seinem eigenen Herzen, wird durch jenen, der zuvor meditierte, wahrgenommen.

124. Höher und anders als der Weltenbaum, Zeit und Formen ist Er, aus dem dieses Universum weiter verläuft, die Quelle aller Tugenden, der Zerstörer aller Sünden, der Herr all der guten Qualitäten, erkenne Ihn als im eigenen Selbst, als den unsterblichen Aufenthaltsort des gesamten Universums.

125. Mögen wir Ihn erkennen, den transzendenten und anbetungswürdigen Herren der Welt, der der große, höchste Herr aller Herren ist, die höchste Gottheit aller Gottheiten, und der höchste Herrscher aller Herrscher.

126. Keine Handlung (oder Anstrengung) und kein Organ (Karanam) von Ihm können gefunden werden. Nichts, dass ihm gleich ist, kann gesehen werden, noch viel weniger etwas, das überlegen wäre. Seine große Kraft wird in den Veden erklärt; und sie ist in vielfältiger Form. Sein Wissen, seine Stärke und Handlungen werden als ihm innewohnend beschrieben.

127. Niemand ist sein Meister in dieser Welt, niemand regiert Ihn, nicht einmal eine Spur von Ihm (aus der er geschlussfolgert werden kann). Er ist die Ursache, der Herr der Herren der Organe. Er hat weder einen Vorläufer, noch gibt es irgendjemanden, der Sein Herr ist.

128. Möge dieser einzige Gott, der sich spontan mit den Produkten von Prakriti oder der Natur bedeckt, so wie eine Spinne es mit den Fäden tut (die aus ihrem eigenen Nabel hervorgehen), uns Identität mit Brahman gewähren.

129. Der eine Gott ist in allen Wesen verborgen. Er durchdringt alles und Er ist die innere Seele aller Wesen. Er sitzt allen Handlungen vor und alle Wesen verweilen in Ihm. Er ist der Augenzeuge, und Er ist das reine Bewusstsein. Er ist allein, oder einzig und ist frei von allen Qualitäten.

130. Er ist der eine Wächter der inaktiven Vielen. Er macht die eine Saat vielfältig. Die Weisen, die Ihn in ihrem Selbst wahrnehmen, ihnen gehört ewige Glückseligkeit; nicht anderen.

131. Er ist der Ewige unter den Ewigen, und der Intelligente unter allen, die intelligent sind. Obgleich eins, gewährt Er die Begierden vieler. Jener, der Ihn erkannt hat, die Ursache aller Dinge, der durch Sankhya (Philosophie) und Yoga (religiöse Übungen) begriffen werden muss, wird von allen Fesseln befreit.

132. Weder scheint die Sonne dort, noch der Mond, noch die Sterne. Dort erstrahlen diese Lichter nicht, wie dann dieses Feuer? Wenn Er leuchtet, leuchtet alles nach Ihm. Durch Sein Licht leuchtet all dies.

"Durch Sein Licht leuchtet all dies." Zitat Svet. Up.

133. Jener, der die eine Seele (Hamsa) ist, Zerstörer der Unwissenheit inmitten der Welt, Er allein ist das Feuer, welches im Wasser sitzt. Wer Ihn wahrhaftig erkennt, überwindet den Tod. Es gibt keinen anderen Pfad, der zur Freiheit führt.

134. Er erschafft das Universum und kennt das Universum. Er ist Seine eigene Quelle. Er ist allwissend, und er ist die Zeit der Zeit (Zerstörer der Zeit). Er ist mit allen Qualitäten der Perfektion ausgestattet. Er kennt alle Dinge im Detail. Er ist der Meister der Natur und der Menschen und der Herr der Gunas. Er ist die Ursache für die Bindung, die Existenz und die Befreiung der Welt.

135. Er ist wie Er selbst, unsterblich und verweilt in Form des Herrschers. Er ist der allwissende, alles-durchdringende Beschützer der Welt, der ewige Herrscher. Niemand ist in der Lage, darüber zu herrschen.

136. Ich, begierig nach Befreiung, begebe mich zu dem Gott, um Zuflucht zu finden, dessen Licht den Intellekt zum Atman lenkt, der zu Anbeginn der Schöpfung Brahma erschuf und ihm die Veden gab.

137. Wer ist ohne Teile, ohne Handlung, wer ist gelassen, schuldlos, unbefleckt, die höchste Brücke der Unsterblichkeit und wer ist wie das Feuer, das seinen Brennstoff verzehrt hat (zu Ihm begebe ich mich als meine Zuflucht).

138. Nur wenn der Mensch den Himmel wie eine Haut abrollt, wird es ein Ende der Verzweiflung geben, es sei denn Gott wurde zuerst erkannt.

139. Nur wenn das Unmögliche möglich wird, so wie das Abrollen des Himmels durch den Menschen, wird die Verzweiflung enden, es sei denn, Gott wurde im Herzen erkannt. Verzweiflungen und Sorgen werden nur ein Ende haben, wenn man Gott erkennt. Wenn jemand danach strebt, sich selbst von seinem Elend zu befreien, ohne Gott zu erkennen, werden all seine Bemühungen sinnlos wie der Versuch, den Himmel abzurollen, sein. Dies ist die Bedeutung dieses Verses.

140. Nachdem der Weise Svetasvatara Brahman durch die Kraft seiner Anstrengungen und durch die Gnade Gottes erkannt hatte, erklärte er dem höchsten Orden der Sannyasins die Wahrheit dieses höchsten, heiligen Brahman, zu dem sich all die Seher zurückziehen.

141. Dieses höchste Geheimnis oder Mysterium im Vedanta, erklärt in einem früheren Zeitalter, sollte nicht an jene gegeben werden, deren Leidenschaften nicht gezähmt wurden, noch an jemanden, der kein würdiger Sohn oder kein würdiger Schüler ist.

142. Wenn diese Wahrheiten jemanden mit einer hochentwickelten Seele gelehrt wurden, jemanden, der die höchste Hingabe an Gott hat und ebensoviel Hingabe an seinen Guru oder jemandem mit vorbildlicher Lebensführung, einzig dann werden sie hervorleuchten, einzig dann werden sie, in der Tat, hervorleuchten.

Aus Swami Sivananda: Essence of Principle Upanishads, Divine Life Society Sivananda Ashram Rishikesh

Die Svetasvatara Upanishad des schwarzen Yajurveda - Erläuterungen nach Paul Deussen

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 368 - 372.

Die Svetasvataras werden zwar im Caranavyuha (Ind. Stud. III, 257) unter den Schulen des schwarzen Yajurveda aufgeführt, aber alle gelegentlichen Erwähnungen derselben führen, soweit uns dieselben noch vorgekommen, nur auf unsere Upanishad, welche von Shankara (zu Svet. p. 274,11. zu Brahmasutra p. 110,5) als Svetasvataranam Mantropanishad zitiert wird, sich selbst aber (6,21) auf einen persönlichen Urheber, den Svetasvatara ("weiße Maultiere habend") zurückführt, welcher diese Offenbarung nicht von einem Lehrer, sondern "durch die Macht der Kasteiung und die Begnadigung mit dem Veda" empfangen habe, und dieselbe "den Asrama-Erhabenen" mitteilte, unter denen sicherlich keine mit Samhita und Brahmanam ausgerüstete Vedaschule, sondern irgend ein Kreis von Asketen zu verstehen ist.

Ein individuelles Gepräge zeigt unsere Upanishad mehrfach; so namentlich in der Kritik fremder Ansichten zu Anfang des ersten und sechsten Adhyaya. Auf der anderen Seite kann dieses Werk, bei dem Mangel eines geordneten Gedankenganges, bei der Regellosigkeit und willkürlichen Abwechslung der Versmaße und bei der Masse der eingeschobenen Zitate, nicht wohl (wie etwa die Karika des Gaudapada) für das Werk eines einzelnen Autors gelten. Möglich, daß aus einer individuellen Grundlage durch fortgesetzte Einfügung von Erläuterungen und Zitaten allmählich das Werk unter den Händen einer darauf sich gründenden Gemeinde zu seiner vorliegenden Gestalt erwachsen ist. Dieser Umstand würde freilich eine kritische Betrachtung außerordentlich erschweren, und alle Kombinationen derselben können nur insoweit Gültigkeit beanspruchen, als an der Einheitlichkeit der Komposition festgehalten werden darf.

Unter diesem Vorbehalt würde zunächst die Zeit unserer Upanishad nicht nur nach den alten Prosa-Upanishaden, sondern auch nach Kathaka Upanishad anzusetzen sein, da diese mehrfach in dem Werk mit einer Deutlichkeit zitiert wird, welche wohl kaum einen Zweifel übrig läßt. So kann sich die Berufung 2,9 auf "jenen Wagen mit den schlechten Rossen" wohl auf keine andere Stelle als Kath. 3,4 beziehen; der Baum, der im Himmel wurzelt, 3,9. 6,6, der zollgroße Purusha 3,13. 5,8, das Feuer, dessen Holz verbrannt ist 6,19, der "Genießer", Bhoktar 1,8. 9. 12. 5,7 dürften alle auf Kathaka Upanishad zurückgehen, und so zahlreiche, ganz oder teilweise und mit Variationen aus derselben entlehnte Verse. Ja, die ganze Versgruppe 6,12-14 ist aus Kath. 5,12-15 herübergenommen, mit Auslassung des wegen Tad Etad nicht passenden Verses 14, welcher jedoch für das Verständnis des folgenden Verses notwendig ist, wodurch sich die Entlehnung als solche verrät.

Diesem fortgeschritteneren Standpunkt entspricht es, daß nicht nur der Yoga, welcher als Weg zur Erlösung schon Kath. 8,10-13 und entwickelter Kath. 6,6-13 gelehrt wurde, Svet. 2,8-15 zu einer vollständigen Theorie ausgebildet erscheint, sondern auch viele wichtige Lehrbegriffe des Vedanta, die in frühern Upanishaden gar nicht oder nur andeutungsweise vorkamen, in Svetasvatara zuerst mehr oder weniger bestimmte Formen annehmen. Solche sind namentlich: das Selbst als Grund aller Gewißheit (Atmabhavat, 1,2); - das intellektuelle Weltprinzip (Hiranyagarbha, Brahma) als Erstgeborner der Schöpfung (3,4. 4,12. 4,18. 5,2. 6,17. 6,18); - die Weltvernichtung durch Brahman am Ende des Kalpa (3,2. 4,1. 4,11. 5,3. 6,3) und das periodisch damit abwechselnde Neuhervortreten der Welt aus Brahman (5,3. 6,4); - der Isvara als der Reifmacher der Werke und Verteiler ihrer Frucht (5,5. 6,4. 11. 12); - die Deutung des "dritten" der drei Pfade nach dem Tod (1,4. 5,7), nämlich des Devayana, als einer stufenweise erfolgenden Erlösung (1,11; später Kramamukti genannt, Syst. d. Ved., S. 430. 472); - endlich und vor allem, nachdem die Nichtigkeit der vielheitlichen Welt schon Brih. 4,4,19. Kath. 4,10-11 mit einer nichts zu wünschen übrig lassenden Deutlichkeit ausgesprochen worden war, die Svet. 4,9-10 (vgl. 1,10) zuerst vorkommende Erklärung der Welt als eines durch Brahman als Zauberer (Mayin) hervorgebrachten Blendwerkes (Maya).

Bei einem so feinen und fruchtbaren Denker, als welcher uns der Dichter der Upanishad in allen diesen Dingen entgegentritt, ist schwer zu begreifen die Vorliebe desselben für die personifizierende Auffassung des Göttlichen in der Weise der Volksreligion, wie diese, nachdem schon 2,1,-5 ein förmliches Gebet an Savitar um Erleuchtung aus dem Yajurveda eingeflochten war, namentlich in den Stücken 3,1-6 und 4,11-22 hervortritt, welche, unter einem Schwall vedischer Zitate, das Brahman als Isa, Isana (persönlichen Gott) und speziell als Rudra (identisch mit Hara 1,10) feiern, sei es infolge individueller Neigungen, sei es vermöge einer unwürdigen Akkomodation an herrschende Zeitströmungen. Zwar an einer Stelle (3,7) scheint es, als sei dem Verfasser das Symbolische dieser Personifikation bewußt (Isam Tam Jnatva), und als erkläre er das unpersönliche Brahman für das Höhere (Tatah Param), aber wir wissen nicht, ob wir doch nicht seine Worte zu wohlwollend interpretiert haben. Die Benennung des Rudra als Siva, welche ja noch in Atharvasiras fehlt und erst in Atharvasikha mit dem Anschein der Neuheit proklamiert wird (vgl. die Einleitungen dort), ist in unserer Upanishad noch nicht nachweisbar, wohl aber kommt siva als Adjektivum ("selig") siebenmal (3,5. 6. 11. 4,14. 16. 18. 5,14) in Zusammenhängen vor, welche zeigen, daß das Adjektivum siva auf dem Wege ist, zum Eigennamen des höchsten Gottes zu erstarren.

Ganz besondere Schwierigkeiten macht es, das Verhältnis unserer Upanishad zum Samkhyasysteme richtig zu bestimmen. Wenn schon die Kathaka Upanishad viele Anschauungen der Samkhyas antizipiert hatte (vgl. die Einleitung, oben S. 265), so treten uns in Svetasvatara Upanishad nicht nur eine ganze Reihe von Termini und Grundbegriffen der Samkhya-Philosophie]] entgegen (so, vom Purusha, Jna nicht zu reden, Prakriti 4,10, Pradhanam 1,10. 6,10. 16, Vyaktam und Avyaktam 1,8, die drei Gunas 1,4. 5,7. 6,2. 4. 16, das Lingam vielleicht 6,9, die fünfzig Bhavas 1,4. 5), sondern auch das verschiedenartige Verhalten der Purushas zur Prakriti kann gar nicht treffender illustriert werden als durch das Bild von den Böcken und der Ziege 4,5. Und doch steht der Monismus, Theismus und Idealismus unseres Dichters einem Dualismus, Atheismus, Realismus, wie ihn das Samkhyasystem vertritt, durchaus schroff und feindlich gegenüber: er betont mit Nachdruck "Gottes Selbstkraft, welche sich in ihre eigenen Gunas hüllt" 1,3, er behauptet, daß nun und nimmer ohne Gott ein Ende des Leidens erreicht werden könne 6,20, und er erklärt die ganze Prakriti für eine bloß von Gott hervorgebrachte Maya, 4,10. - Wie ist nun, bei so schroffem Gegensatz, die vielfache innere Verwandtschaft mit der Samkhyalehre zu erklären?[1] Hat vielleicht der Autor der Upanishad das Samkhyasystem des Kapila gekannt, aus ihm entlehnt, was ihm paßte, und das mit dem Vedanta Unvereinbare um so strenger verurteilt? Wäre dem so, hätte unser Dichter schon das Samkhyam des Kapila als gegnerisches System vor Augen gehabt, so würde sein Werk nicht Stellen enthalten, welche so ausgelegt werden konnten und tatsächlich ausgelegt worden sind, als würde in ihnen Kapila als der höchste Weise und das Samkhyam als der Weg zum Heil gepriesen. Solche Stellen sind 5,2 und 6,13. Wie in ihnen die Worte Kapila und Samkhyam zu verstehen sind, haben wir in den Anmerkungen gezeigt. Und diese Worte, weit entfernt für die Abhängigkeit der Upanishad vom Samkhyasystem zu zeugen, sind gerade das stärkste Argument gegen diese Abhängigkeit und beweisen, daß dem Autor der Upanishad Samkhyam als Name des von ihm bekämpften Systems und Kapila als Name seines Urhebers noch völlig unbekannt waren. Es bleibt somit nichts anderes übrig als anzunehmen, daß nicht die Upanishad von dem Samkhyasystem abhängig ist, sondern, umgekehrt, das Samkhyasystem, wir wollen nicht sagen geradezu aus unserer Upanishad, wohl aber aus der Zeitrichtung und dem Gedankenboden, aus welchem auch sie erwuchs, hervorgegangen ist. - In diesem Sinne ist die Svetasvatara Upanishad eine der wichtigsten Urkunden aus der Vorgeschichte des Samkhyasystems, in welchem wir, - trotz der glatten und abgerundeten Form, in der die Samkhyakarika es darbietet, - nicht die ursprüngliche einheitliche Gedankenarbeit eines individuellen Philosophen, sondern nur einen Kompromiß aus vielen und heterogenen Vorstellungen zu sehen vermögen, deren innere Widersprüche mit großer Kunst zu einem scheinbar einheitlichen System verarbeitet worden sind.

Fußnoten

  1. Scharfer Gegensatz im Äußeren bei tiefer innerer Verwandtschaft kommt in der Philosophie nicht selten vor. So steht die Metaphysik des Aristoteles der des Platon viel näher, als es wohl dem Aristoteles selbst bewußt gewesen ist. So, um ein noch näher liegendes Beispiel zu wählen, entlehnt Leibniz die beste Definition seiner Monade als automaton spirituale einer Abhandlung des so oft von ihm perrhorreszierten Spinoza; und wenn derselbe Leibniz am Schluß der Monadologie seine Ansicht dahin rekapituliert (§81): "ce système fait, que les corps agissent comme si (par impossible) il ny avait point d'ames, et que les ames agissent, comme s'il n y avait point de corps, et que tous deux agissent comme si l'un influait sur l'autre", - so wüßte ich nicht, was an diesen Worten zu ändern wäre, um sie voll und ganz auch auf Spinoza zu beziehen. - Die Upanishadlehrer, Platon und (wenn auch weniger hochstehend) Spinoza sind Metaphysiker, deren Lehren sich daher nicht völlig nach der Schablone der empirischen Anschauung konstruieren lassen. Platon wird von Aristoteles, Spinoza von Leibniz, der Vedanta vom Samkhyam in empirische Formen gepreßt und dadurch verdorben.

Siehe auch

Literatur

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Vom Begrenzten zum Unendlichen - Geschichten aus den Upanishaden

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