Yamas: Unterschied zwischen den Versionen
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# | [[Datei:Mädchen glücklich verbunden.jpg|thumb|Glücklich in Verbindung mit anderen]] | ||
'''Yamas''' - [[Ethik]] im Umgang mit anderen. Warum sollte man [[ethisch]] sein? Wie kannst du über ethisches Verhalten [[glücklich]]er sein und dich auch mehr [[spirituell]] entwickeln? Was sind die fünf [https://www.yoga-vidya.de/yoga-anfaenger/yoga-wissen/yoga-leben-yamas/ Yamas] und wie kannst du sie im [[Alltag]] umsetzen? | |||
== Yamas - Ethik im Umgang mit anderen - ein Vortrag von Sukadev Bretz 2018 == | |||
Dies ist ein Vortrag im Rahmen der [[Raja Yoga]] Vortragsreihe. Dies gehört in den ganzheitlichen Schulungsweg und ist ein Begleitvortrag zur 2jährigen Yogalehrerinnenausbildung von Yoga Vidya. | |||
Dieser Text baut auf den vorangehenden Text über die acht [[Ashtanga]], die acht Stufen im Yoga. | |||
Diese sind [[Yama]], [[Niyama]], [[Asana]], [[Pranayama]], [[Pratyahara]], [[Dharana]], [[Dhyana]], [[Samadhi]]. | |||
Yama und [https://www.yoga-vidya.de/yoga-anfaenger/yoga-wissen/yoga-leben-niyamas/ Niyama] werden allgemein als die Ethik verstanden. | |||
=== Warum sollte man ethisch sein? === | |||
[[Datei:Ethik Engel Teufel ethisch unethisch gut schlecht.jpg|thumb|Ethisch versus unethisch]] | |||
Es gibt unterschiedliche Begründungen für die Ethik. | |||
==== Ethisches Verhalten wird von Gott belohnt ==== | |||
Manche [[Religion]]en sagen: Sei ethisch, dann wirst du von [[Gott]] belohnt, du kommst in den [[Himmel]]. Wenn du unethisch bist, wirst du bestraft, bekommst schlechtes [https://www.yoga-vidya.de/karma/ Karma] oder kommst in die [[Hölle]]. | |||
==== Ethisches Verhalten als unbewusster Gesellschaftsvertrag ==== | |||
Andere sagen, dass du ethisch sein musst, da sonst in der [[Gesellschaft]] alles drunter und drüber geht. Es gibt den Gesellschaftsvertrag, einen unbewussten Gesellschaftsvertrag. Da Gesellschaften Sanktionierungsmechanismen haben müssen sich die [[Mensch]]en an die ethischen [[Prinzipien]] halten. Dies hat der Mensch irgendwo internalisiert und will letztlich aus [[Angst]] vor [[Bestrafung]] ethisch sein. | |||
==== Ethisches Verhalten damit keiner dem anderen schaden kann ==== | |||
Weiter gibt es wiederum Ethiken mit einem [[negativ]]en Ethikbild. Sie sagen, dass der Mensch der [[Wolf]] des anderen Menschen ist und dass man deshalb ein starkes Ethiksystem haben muss, um den Menschen davon abzuhalten, anderen zu schaden oder sie gar umzubringen. | |||
==== Ethisches Verhalten für harmonische positive Beziehungen ==== | |||
Die moderne [[Evolutionsbiologie]] hat ein [[positiv]]eres Menschenbild. Sie sagen, dass Ethik und [[Kooperation]] das ist, was den Menschen am meisten auszeichnet. Immer wenn Menschen mit anderen Menschen zusammen sind, kooperieren die Menschen mehrheitlich und [[bemühen]] sich um positive Beziehungen. Die meisten Menschen fühlen sich dann am besten, wenn sie [[harmonisch]] mit anderen sind. | |||
==== Etisches Verhalten wegen evolutionsbiologischer Konditionierung ==== | |||
Die meisten Menschen müssen irgendwo [https://www.yoga-vidya.de/yoga-psychologie/einsatzbereiche/beschwerdebilder/angst/ Angst] haben, [[gestört]] oder [[krank sein]], um unethisches zu tun. Deshalb würde ein evolutionsbiologischer Ansatzpunkt sagen: Menschen sind deshalb ethisch, weil sie evolutionsbiologisch darauf getrimmt sind. | |||
==== Ethisches Verhalten für ein glückliches Leben ==== | |||
Ein anderer Ansatz ist der Ansatz von [[Aristoteles]], der große Ähnlichkeit hat mit dem Ansatz von [[Patanjali]] im [https://schriften.yoga-vidya.de/patanjali-raja-yoga-sutra/ Yogasutra]. | |||
Aristoteles hat das wichtige Werk „Die Nikomachische Ethik“ geschrieben und hat dort gesagt, dass es für ein gutes und glückliches Leben Ethik braucht. Menschen, die glücklich sein wollen, sollten ein ethisches Leben führen. Er sagt auch, dass der [[Philosoph]] ein ethisches Leben führen soll. Philosoph heißt „[[Freund]] der [[Weisheit]]“. Wer weise sein und die Dinge verstehen möchte braucht ein ethisches Leben. Wer unethisch ist, wird sich nicht der [[Wahrheit]] annähern können. Der Ansatz von Patanjali ist dort sehr ähnlich. Patanjali sagt im 2ten Kapitel, wo er über die Yamas spricht: | |||
„Wer ein unethisches Leben führt, dessen Leben wird voller [[Leid]] sein und er wird in [[Unwissenheit]] gefangen sein.“ | |||
Daher: Lebe ein ethisches Leben. | |||
Wenn du also glücklich sein willst, führe ein ethisches Leben. Hier überschneiden sich der evolutionsbiologische Ansatz, die Ethik von Aristoteles und die Ethik von Patanjali. | |||
Dies kann dir auch ein [[Trost]] sein. Manchmal scheint es so, als ob die Menschen, die [[Lügen]] und [[betrügen]] und andere wegschieben, [[erfolgreich]]er sind. Aber sie sind nicht glücklicher. Möchtest du glücklich sein, dann lebe ein glückliches Leben. | |||
==== Ethisches Leben ist notwendig für Gottverwirklichung ==== | |||
Patanjali sagt auch, dass wer unethisch ist auch in [[Avidya]], der Unwissenheit bleibt. Wir wollen zu [[Vidya]], zur höchsten Weisheit kommen. Wir wollen zur [[Gottverwirklichung]] kommen. Wir wollen herausfinden, wer wir wirklich sind und [https://mein.yoga-vidya.de/profiles/blogs/vedanta-meditation-jnana-yoga Vedanta] im [https://www.yoga-vidya.de/seminare/titel/raja-yoga-2/ Raja Yoga] sagt: „Es gibt ein [[Bewusstsein]] überall, ein >unendliches Ewiges<. Dieses unendliche Ewige willst du erfahren. Wenn du das erfahren willst, geht es auch darum, ein ethisches Leben zu führen. Wenn du die [[Einheit]] erfahren willst, geht es nicht, dass du anderen wegnimmst, was ihnen gehört, dass du Lebewesen tötest und so weiter.“ | |||
In diesem Sinne: Ethisches Leben ist notwendig, wenn du die Gottverwirklichung erreichen willst. | |||
Patanjali erwähnt auch das [https://mein.yoga-vidya.de/video/karma-gesetz-von-ursache-und-wirkung-yvs109 Gesetz von Karma] und sagt, dass die Frucht des guten Handelns etwas Angenehmes ist und die Frucht des unethischen Handelns etwas [[Unangenehm]]es ist. | |||
Wenigstens langfristig gesehen haben [[gut]]e Taten und [[schlecht]]e Taten [[Konsequenz]]en im [[Karma]]. Aber das ist nicht die Hauptmotivation für Ethik im Raja Yoga. Die Hauptmotivation ist ethisch zu handeln, denn dies hilft dir dich glücklich zu [[fühlen]] und vom [[Ego]] wegzukommen und dich [[verbunden]] zu fühlen, Einheit zu erfahren, [[Kaivalya]] zu erreichen, Gottvererwirklichung zu erreichen. | |||
=== Die fünf Yamas === | |||
So gibt es fünf Yamas: | |||
* [[Ahimsa]] - Nichtverletzen | |||
* [[Satya]] – Wahrheit / nicht Lügen | |||
* [[Asteya]] – Nicht Stehlen | |||
* [[Brahmacharya]] – Selbstbeherrschung / Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten | |||
* [[Aparigraha]] – Nichtannehmen von Geschenken / Unbestechlichkeit | |||
( Letzteres wird auch manchmal „Abwesenheit von [[Gier]]“ und „Nichtfesthalten“ genannt.) | |||
==== Ahimsa ==== | |||
[[Datei:Portrait Gandhi.jpg|thumb|Mahatma Gandhi - gelebte Gewaltlosigkeit]] | |||
Ahimsa heißt nicht zu verletzen in [[Gedanke]]n, [[Wort]]en und [[Tat]]en. | |||
Wir finden dieses Prinzip in allen Religionen: im [[Buddhismus]], im [[Christentum]], [[Judentum]], Konfuzianismus und eigentlich überall. | |||
In der [[Bibel]] steht: „Du sollst nicht [[töten]]", und so ist es auch Ahimsa. | |||
So wie wir [[leben]], schädigen wir auch anderes Leben. Das gehört dazu. Wenn du einatmest, atmest du Mikroben ein und wenn du ausatmest, atmest du Mikroben aus. Auf dem [[menschlich]]en [[Körper]] sind jede Menge anderer Mikroben und Feinorganismen. Mit manchen lebst du in einer [[wunderbar]]en Symbiose. Gegen andere muss sich dein Körper zur Wehr setzen. Wenn du durch den [[Wald]] gehst, wirst du immer wieder auf [[Insekt]]en treten. Wenn du Fahrrad fährst werden dir vielleicht Insekten in die [[Auge]]n oder in die [[Nase]] oder den [[Mund]] fliegen oder fallen. Du magst dich dann darüber ärgern, dass dein Auge ein bisschen tränt und dies ein bisschen weh tut, das Insekt hingegen ist [[tot]]. | |||
So gibt es immer wieder kleines [https://mein.yoga-vidya.de/video/ahimsa-nichtverletzen-gewaltlosigkeit-sanskrit-video-lexikon Ahimsa]. Oder im Umgang mit anderen Menschen magst du etwas sagen, was missverstanden werden kann. So ist [https://mein.yoga-vidya.de/profiles/blogs/swami-sivananda-ahimsa-nichtverletzen Ahimsa] kein [[absolut]]es [[Gebot]] sondern eher wie eine [[Richtschnur]]. Man könnte auch sagen, dass du so handeln solltest, dass du so wenig Leid wie möglich erzeugst. Das heißt auch auf die [[Ernährung]] bezogen: „Iss niemanden.“ / „Iss kein [[Tier]] und keinen Menschen.“ Niemand stirbt gerne. Und die Aussage, dass man sich vor einem Tier vorher verneigen könnte und es dann umbringen, mag nett für dich klingen, das Tier jedoch ist tot. | |||
Stell dir vor, dein Nachbar kommt bei dir vorbei und sagt: „ich habe gerade [[Hunger]] auf Menschenfleisch. Du scheinst gutes Fleisch zu haben. Deshalb werde ich dich jetzt umbringen / töten. Oder ich töte dein [[Kind]], das scheint auch lecker zu sein.“ Findest du das gut? | |||
Die Frage ist absurd, aber wenn es um (bestimmte) Tiere geht, findet man alle möglichen Ausreden ([[Karnismus]]). Man sollte kein Tier töten, um zu [[essen]]. Wenn man andere [https://www.yoga-vidya.de/vegetarisch-leben/ Alternativen] hat, um zu überleben, gilt dies in jedem Fall. | |||
(Anmerkung: Was ist in den seltenen Fällen der Geschichte bei einem Flugzeugabsturz oder einem im Winter in der Wüste steckengebliebenen Truck, wo Menschen andere Menschen gegessen haben, die gerade gestorben waren? Wie wirkt sich das auf das Karma aus?) | |||
Wir sollten auch keine Tiere in [[Gefangenschaft]] halten um anschließend deren [[Milch]] zu haben. Auch das ist klar Ahimsa. | |||
[[Datei:Kuh die weint Tränen.jpg|thumb|Tiere sind fühlende Wesen - weinende Kuh]] | |||
(Anmerkung: Kühen, die für Milch gehalten werden, werden die Kälber weggenommen, worunter sie wegen ihrer starken Mutter-Kind-Bindung sehr [[leiden]] und diese werden ebenso wie diejenigen Kühe, die nicht mehr so gut Milch geben können geschlachtet, was wiederum nur die Fleischindustrie fördert und manche sagen daher, es sei schlimmer, [[Vegetarier]] zu sein als Fleischesser und die einzige Lösung sei [[vegan]] zu leben.) | |||
Man sollte auch mit der [[Natur]] insgesamt Ahimsa umgehen. Man sollte sich so verhalten, dass man insgesamt wenig Ressourcen des [[Planet]]en [[Erde]] nimmt. Man sollte sich so verhalten, dass man die Natur erhält. Das alles gehört zu Ahimsa. [[Ernährung]], [[Ökologie]] und so weiter. | |||
Natürlich heißt das, dass du keinen Menschen umbringst. Natürlich heißt das, dass du dein Kind nicht schlägst. Natürlich heißt das, dass du deine Partnerin nicht schlägst. Und so weiter. Das ist auch eingeschlossen. Aber es geht auch noch weiter. Versuche auch mit deinen Worten [[mitfühlend]] zu sein. Und versuche dich so zu verhalten, dass du so mitfühlend wie möglich bist. | |||
Man könnte auch sagen: „Nimm dir etwas vor.“ Patanjali nennt es den [[Mahavrata]]: „Möge ich einen positiven Einfluss auf alle Menschen und [[Wesen]] haben, mit denen ich zu tun habe. Wann immer ich mit anderen Menschen oder Wesen zusammen bin, möge mein Dasein [[positiv]]es bewirken für andere. Das heißt, wenn du an der Kasse eines Supermarktes bist, behandle die Frau oder den Mann an der Kasse wie einen Menschen, schenke ein kurzes [[Lächeln]], sei [[freundlich]]. Wenn du irgendwo etwas nicht bekommen hast, was du wolltest, beschimpfe nicht den Kundendienstberater, er ist ein Mensch, sei deshalb [[freundlich]], vielleicht musst du auch mal [[klar]]er sein, aber schaffe kein Leiden für andere. Wenn dein Kollege da ist, deine Kollegin oder wer auch immer, dann sei insgesamt mitfühlend. Ahimsa selbst ist ein langer Weg. Natürlich ist Ahimsa nicht immer so leicht. Manchmal - um Gutes zu bewirken – musst du auch mal weniger freundlich sein. | |||
Eine [[Mutter]] muss ihr Kind davon abhalten, über eine gefährliche Balustrade zu klettern , damit sich das Kind nicht schädigt. Eine Mutter muss ihrem Kind sagen: „So geht es nicht, das geht nicht.“ Ein [[Vater]], eine Mutter muss auch mal sagen, du mußt deine Hausaufgaben machen. Aber es geht immer darum, das größtmögliche Gute zu bewirken. Manchmal muss man dort auch mal ein kleineres Himsa in Kauf nehmen für ein größeres Gutes. Aber nicht jeder Zweck [[heilig]]t alle Mittel. Du kannst dir selbst vornehmen, Ahimsa zu üben. | |||
==== Satya ==== | |||
[https://blog.yoga-vidya.de/satya-das-was-in-der-wahrheit-gegruendet-ist/ Satya] heißt [[Wahrhaftigkeit]]. [[Sat]] heißt Wahrheit, Satya ist [[Verhalten]], das aus der Wahrheit kommt und zurückführt zur höchsten Wahrheit. | |||
Satya heißt natürlich „nicht lügen“, nicht [[schwindeln]]. Es heißt aber auch, dass du nicht jede unangenehme Wahrheit aussprechen musst. | |||
[[Datei:Gerechtigkeit Wahrheit Justitia.jpg|thumb|Bei Konflikten abwägen]] | |||
Wenn [https://mein.yoga-vidya.de/video/satya-wahrhaftigkeit Satya] und Ahimsa oder Ahimsa und ein anderer der vier Yamas im [[Konflikt]] stehen, ist Ahimsa wichtiger. Also ein banales Beispiel: Eine Kollegin war beim Friseur, hat vorher lange überlegt, wollte ihr Leben umstellen, gesünder und besser machen und dies durch eine tolle neue Frisur ausdrücken. Dann kommt sie zurück und fragt: „Wie gefällt es dir?“ | |||
Es wäre jetzt nicht gut zu sagen, dass du die Frisur grässlich und unmöglich findest. Gerade wenn die Kollegin sehr viel [[Energie]] und [[Erwartung]] hineingesteckt hat. Sage dann lieber „[[Interessant]]“. Du musst nicht lügen, aber du solltest nichts [[Verletzend]]es sagen, was die Kollegin gleich zum Zusammenbruch führt, wo sie so viel überlegt hat und dann werden vielleicht all ihre guten Vorsätze nicht umgesetzt. | |||
Manchmal musst du [[Schweigen]] und manchmal kann vielleicht auch eine [[Notlüge]] notwendig sein um das Leben von jemandem zu retten. | |||
Klassisches Beispiel, das schon mein Meister des Swami Vishnu-Devananda gebraucht hat: „Angenommen jetzt käme jemand reingelaufen und würde sagen >Du, da kommt gleich jemand, der will mich umbringen< und ich würde dann sagen >Okay, renn schnell hoch und geh in ein anderes Zimmer< und kurz darauf käme jemand herein und würde sagen >Wo ist diese Person?< und Satya würde sagen: „Die ist dort im Zimmer und versteckt sich vor dir.“ Das wäre zwar Satya, aber es wäre auch Himsa. | |||
In dem Fall könnte ich auch sagen: „>Die Person ist hinten durch die Balkontür herausgelaufen.< und würde dann natürlich schnell die Polizei rufen. Das ist zwar nicht Satya, aber für Ahimsa nötig. | |||
So ist es nicht immer einfach. Die Ethik heißt immer abzuwägen. Manchmal muss man ein kleines Himsa machen für ein größeres Ahimsa. Angenommen, ich gebe gerade einen Vortrag, bei dem 100 Menschen vor mir sitzen und jemand kommt plötzlich herein gerannt, der vielleicht ein Attentäter ist und ein Maschinengewehr in der Hand hat und gerade anfangen will, die Yogaschüler zu erschießen, dann könnte ich die hölzerne Table, die ich oft vor mir liegen habe nehmen und dem Attentäter an den Kopf werfen und ihn damit so verletzen, dass er handlungsunfähig ist. Um das Leben von vielen zu retten, muss man vielleicht manchmal das Leben von einem Einzelnen in Gefahr bringen. | |||
Es gibt viele subtile Ethikfragen und es ist nicht immer so einfach. Da sind Fragen wie solche: Gibt es einen gerechten Krieg? Darauf kommen wir noch im Rahmen der Bagavad Gita. Das ist alles nicht so einfach. Wer ein ethisches Leben führen will stößt oft auf Grenzfragen. Aber zunächst ist es die Aussage: „Ich verletze keinen anderen, nur weil ich nicht bekomme, was ich gern hätte.“ Normalerweise wende ich keine Gewalt an nur um einen anderen Menschen zu zwingen und zu überzeugen oder reich zu werden oder was auch immer. | |||
Ahimsa paramo dharma – Gewaltlosigkeit ist höchste Tugend. | |||
Zur Wahrhaftigkeit gehört oft auch [[authentisch]] zu sein. Nicht vorgeben etwas zu sein, was man nicht ist. Was nicht heißt, dass du deine Fehler herausposaunen sollst. | |||
Ich kenne zum Beispiel eine Frau die mir gesagt hatte, dass ihre Kollegin in einer WG gelebt hat mit einer Freundin. Die Freundin hat gesagt: „Ich werde jetzt ausziehen und ich werde nicht mehr mit dir sprechen, bis du eine [[Therapie]] gemacht hast. Du bist alkoholabhängig. Du bist [[süchtig]] und ich werde das nicht mehr decken. Und das war jetzt erst mal [[Himsa]]. Die andere Frau hat sich sehr [[gekränkt]] und [[verletzt]] gefühlt. Aber es war [[Satya]], [[wahrhaftig]]. Die Frau, die sich erst furchtbar gekränkt gefühlt hat, es war die, die mir das später erzählt hat, hat dann gesagt, das war das [[wichtig]]ste in ihrem [[Leben]], was sie erschüttert hat. Sie hat dann eine Therapie gemacht und ist vom [[Alkohol]] losgekommen, hat eingesehen, dass die [[Freundin]] recht hatte und sie [[Alkoholiker]]in war. Manchmal kann auch kurzfristiges Himsa langfristig Ahimsa sein. Es ist die [[Intention]] die wichtig ist. Trotzdem heiligt der [[Zweck]] nicht alle [[Mittel]]. | |||
Ich hatte im Extremfall mal einen Yogalehrerausbildungsschüler gehabt, der später eine Yogaschule aufmachte, aber behauptete, noch nie eine [https://www.yoga-vidya.de/seminare/interessengebiet/yogalehrer-ausbildung/ Yogalehrerausbildung] gemacht zu haben und es wäre alles aus seiner [[Intuition]] gekommen. Ich dachte mir: „Wie kommt das? Wieso muss er dort lügen? Er kann doch die Wahrheit sagen? Er kann doch sagen, dass er eine [https://www.yoga-vidya.de/ausbildung-weiterbildung/yogalehrer-ausbildung/ Yogalehrerausbildung] gemacht hat. Er sollte zumindest nicht behaupten, dass alles nur aus der Intuition gekommen wäre.“ | |||
Oder nehmen wir an, du hast eine eigene [[Inspiration]]. Dann behaupte nicht, dies sei eine [[klassisch]]e Lehre. Sage einfach, dass es aus deiner Inspiration kommt – und wenn du etwas von jemand anderem hast, dann sage es. Hier gibt es keine Notwendigkeit zu lügen. Übe Satya. | |||
==== Asteya ==== | |||
[https://mein.yoga-vidya.de/video/asteya-nichtstehlen-sanskritlexikon Asteya] bedeutet nicht stehlen. Natürlich heißt „Nicht [[Stehlen]]“, dass du nicht Taschendieb wirst, natürlich heißt das, dass du keine Autos aufbrichst. Natürlich heißt das auch, dass du nicht in den Umkleideraum gehst, in dem Yogaschüler ihre Sachen abgelegt haben, um deren Wertsachen mitzunehmen. Das ist [[logisch]]. Das heißt aber auch, dass du in einem Yoga[[ashram]] nicht anfängst, Kissen, Matten, Decken oder das [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/buecher/kirtan-textheft Kirtanheft] mitzunehmen. All das wäre auch Stehlen. | |||
[[Datei:Ethik Asteya nicht stehlen Ehrlichkeit Aufrichtigkeit klauen.jpg|thumb|Aufrichtigkeit bei allem was zu tun ist]] | |||
Asteya heißt auch, dass du keine CDs kopierst, wenn das nicht erlaubt ist, dass du keine Raubkopien machst, dass du keine Gema-Musik abspielst, bevor du Kurse gibst. Das heißt auch, dass du solche Bestimmungen beachtest. Die Künstler gerade auf dem spirituellen Gebiet verdienen oft sehr wenig und stecken sehr viel Herzblut hinein. Deswegen solltest du ihre Werke nicht einfach kopieren. Es gibt ja auch genug frei zugängliches kostenloses Material, zum Beispiel von [https://www.yoga-vidya.de/ Yoga Vidya] - die ganzen Internetvideos und podcasts und auch von vielen anderen ( Zum Beispiel auf Youtube ). Aber zum Beispiel die [https://shop.yoga-vidya.de/de/cds Yoga Vidya CDs] und [https://shop.yoga-vidya.de/de/dvds DVDs] solltest du auch nicht einfach kopieren und weitergeben sofern es nicht von der Gesetzgebung sowieso erlaubt ist. Also geht [https://blog.yoga-vidya.de/tag/asteya/ Asteya] dort weiter. | |||
Asteya heißt auch, bei der Steuererklärung oder beim Zoll nicht zu [[lügen]]. Auch dort nimmst du sonst etwas weg, mindestens dem [[Staat]], der doch auch überwiegend Gelder für soziale Zwecke verwaltet und so weiter. Du profitierst ja auch selbst davon, dass du auf den Straßen fährst und medizinische Versorgung hast. Du hast einen gewissen [[Schutz]] und eine gewisse [[Sicherheit]]. Da ist es angemessen, dem Staat auch die Mittel zu geben, die er braucht um sich zu finanzieren. Asteya, nicht Stehlen ist ein Prinzip. | |||
Diese drei gelten erst mal als die Allerwichtigsten. Und wie du sie im Einzelfall umsetzt, musst du abwägen. Patanjali nennt die fünf Yamas die unbeschränkt gültigen Prinzipien, die deshalb unbeschränkt gültig sind, weil sie in jeden Lebensumständen anders abgewogen werden müssen. | |||
==== Brahmacharya ==== | |||
[https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/sivananda/goettliche-erkenntnis/brahmacharya/ Brahmacharya] hat viele Bedeutungen. Es heißt wörtlich: | |||
* „Verhalten, das zu Brahman führt“, | |||
* „Verhalten, das aus Brahman heraus kommt“. | |||
[[Datei:Swami-Divyananda.jpg|thumb|Sannyas Weihe - Swami Divyananda]] | |||
Manchmal wird Brahmacharya auch übersetzt als spirituelles Leben. [[Brahmacarya]] heißt in einem bestimmten Kontext auch sexuelle Enthaltsamkeit. Brahmacharya ist eine der [https://mein.yoga-vidya.de/video/varnashrama-dharma-4-ashramas-die-4-unterschiedlichen-lebensalter vier Ashramas]. Ashrama ist die Schülerschaft beim Lehrer. Brahmacharya in einem anderen Kontext ist das Noviziat, die Vorbereitung darauf, Swami zu werden, Sannyas zu nehmen, Mönch oder Nonne zu werden. Bei Yoga Vidya haben wir auch Brahmacharis und Brahmacharinis, solche die das Gelübde genommen haben, 3 Jahre lang sexuell enthaltsam zu leben. Und dann kleiden sie sich auch in gelber Farbe und überlegen, ob sie langfristig Mönch oder Nonne werden wollen. Und wenn sie – normalerweise 6 Jahre - Brahmachari gewesen sind, können sie anschließend zum Swami werden. | |||
Im Kontext des Yoga Sutra heißt aber [https://www.youtube.com/watch?v=B8SpFqfKQGg Brahmacharya] „Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens“ und dann muss man wieder überlegen: | |||
„Was ist sexuelles Fehlverhalten?“ | |||
Und das wird wieder in jeder Zeit anders interpretiert. Es gibt Regionen in der Welt, in der der Mann mehrere Frauen haben kann und es gibt umgekehrt auch Regionen in der Welt, in der eine Frau mehrere Männer haben kann. Es gab auch Zeiten, zum Beispiel in der [[Mahabharata]], da kann ein Mann mehrere Frauen und die Frau auch mehrere Männer haben. Das ist eigentlich etwas ganz verwirrendes. Da gibt es zum Beispiel [[Arjuna]], einer der fünf [[Pandavas]]. Die fünf [[Pandava]]s hatten zusammen eine Frau, die [[Draupadi]], und vier der Pandavas hatten andere zusätzliche Frauen. Sie waren alle legal verheiratet. Und dies galt als gesellschaftlich akzeptiert. So gibt es also durchaus unterschiedliche gesellschaftlich akzeptierte Formen dessen, was [https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/krishnananda/yoga-als-eine-universale-wissenschaft/kapitel-10-brahmacharya-eine-einstellung-des-bewusstseins/ Brahmacharya] heißt. Das heißt also auch, dass das überall unterschiedlich interpretiert werden muss. | |||
Vom Yogastandpunkt aus ist beim Brahmacharya auch wieder Ahimsa wichtig - Ahimsa Paramo Dharma - und bei Yoga Vidya würden wir Brahmacharya so interpretieren, dass eine sexuelle Beziehung, die auf Gegenseitigkeit angelegt ist, die von [[Liebe]] und gegenseitigem [[Respekt]] und [[Achtung]] gekennzeichnet ist, Brahmacharya wäre. | |||
Natürlich ist auch [[Gewalt]] in der Sexualität, die nicht auf gegenseitigem Einverständnis beruht, abzulehnen. | |||
* Natürlich sind Vergewaltigung, [[Stalking]], Bedrängen, Ausnutzen einer [[Macht]]position und so weiter Verstöße gegen Brahmacharya. | |||
* Wenn ein Yogalehrer oder eine Yogalehrerin versucht, ständig wechselnd oder gleichzeitige Beziehungen zu Schülern und Schülerinnen zu haben oder vorgibt, geheime [[Tantra]] - Praktiken zu lehren, einfach nur um sexuelles Vergnügen zu haben, ist dies ein Verstoß gegen Brahmacharya. | |||
* Wenn ein Swami, der das Gelübde der [[Enthaltsamkeit]] auf sich genommen hat dann sexuelle Beziehungen zu anderen pflegt, ist das ein Verstoß gegen Brahmacharya. | |||
* Wenn ein Paar, das sich Treue lobte, innerhalb der Beziehung Seitensprünge erlebt, ist das ein Verstoß gegen Brahmacharya. | |||
So gilt im [[Yoga]] das [[Ideal]] einer auf Dauer angelegten Zweierbeziehung. Dies ist die am weitesten unter den Yogalehrernden verbreitete [[Interpretation]]. Diese hat einen rituellen [[Segen]], ein rituelles Versprechen in Form einer [[Ehe]] und darin gehen [[Sexualität]], Liebe, [[Partnerschaft]] und [[Freundschaft]] zusammen. | |||
Sukadev hat sich schon in einem anderen (Kon-)Text über spirituelle Partnerschaft geäußert. | |||
Brahmacharya, auch eine der Yamas, bedeutet sich irgendwo einzuschränken, um ein glücklicheres Leben zu haben und um sich spirituell entwickeln zu können. Man verzichtet auf Gewalt als Ausnutzung von Machtposition und man verzichtet auf Bedrängen, Stalking und so weiter und man verzichtet auch auf verschiedenstes Ausnutzen von Gelegenheiten zum [[Wohl]] einer langfristigen [[Beziehung]]. | |||
==== Aparigraha ==== | |||
[[Datei:Abwesenheit von Gier Smiley Aparigraha.jpg|thumb|Abwesenheit von Gier]] | |||
Aparigraha heißt Unbestechlichkeit, Nichtansammeln und Abwesenheit von [[Gier]]. Gemeint ist dabei [[Unbestechlichkeit]]. | |||
* Damit ist insbesondere gemeint, dass du keine persönlichen Gefallen annimmst, um im Namen einer anderen Organisation anderen einen Gefallen zu geben. | |||
* Unbestechlichkeit heißt auch, dass du keine Gefallen annimmst, die dich nachher zu unethischem Verhalten bringen. | |||
Kurz erläutert bedeuten beide Formen des Verstoßes gegen Aparigraha folgendes: | |||
===== Etwas bekommen, um anderen Vorteile zu verschaffen ===== | |||
Angenommen du bist jemand in einem Bauamt, der über Genehmigungen von Bauverfahren entscheiden kann und plötzlich kommt jemand von einer Baufirma zu dir und sagt: | |||
„Ich kann Ihnen ihr Haus sehr günstig renovieren und sie wissen ja, dass da gerade ein anderes Verfahren läuft.“ Das ist dann [[Bestechung]]. Das heißt, du bekämst im Fall deiner Annahme einen persönlichen Gefallen, eine sehr günstige Haus- Renovierung, und im Gegenzug sollst du im Namen der Baubehörde, der Baufirma einen Gefallen erweisen. Das wäre dann ein Verstoß gegen Aparigraha. | |||
Natürlich wäre es noch offensichtlichere Bestechlichkeit, wenn du jemandem einfach nur Geld gibst, damit er etwas macht. | |||
Oder angenommen du wärst Mitarbeiter in einer Firma, zum Beispiel Einkäufer. Und ein Vertreter würde dir eine sehr umfangreiche Kostprobe des Angebots geben, die du zu Hause in [[Ruhe]] ausprobieren könntest und er würde dann hoffen, dass du im Gegenzug diese Firma mehr berücksichtigst. Das wäre auch ein Verstoß gegen Aparigraha. | |||
Also bekämst du einen persönlichen Gefallen dafür dass du einer Firma oder auch einem gemeinnützigen Verein Vorteile verschaffen würdest. | |||
[https://www.youtube.com/watch?v=XnQiWg97BEY Aparigraha] bedeutet hingegen nicht, so ganz persönliche Geschenke, wie sie in [[Indien]] beispielsweise gern einander jenseits von Bestechung gegeben werden, anzunehmen. Denn das ist [[Dana]] und wiederum etwas Gutes. Genauso kann man dem Partner, der Partnerin etwas schenken, seien es [[Blumen]] oder [[Obst]] oder anderes. Kinder geben ihren Eltern Dana, die Kollegen geben sich etwas und so weiter. Dies entspricht [[Verbindung]] und Liebe. | |||
Wenn du von einer Institution etwas bekommst, um in deren Namen anderen einen Gefallen zu geben wäre das ein Verstoß gegen Aparigraha. | |||
===== Gefallen annehmen, die deine ethische Freiheit behindern ===== | |||
Die zweite Form von Verstoß gegen Aparigraha wäre, einen Gefallen anzunehmen, bei dem du nachher in deiner ethischen [[Freiheit]] behindert werden würdest. | |||
Wenn dir zum Beispiel jemand sagt: „Ich gebe dir 1000€. Ich gebe dir ein kleines Päckchen: Bitte nimm das da und da hin mit und gib es ab. Vermutlich ist in dem Päckchen etwas Illegales. Warum sonst würdest du 1000 € dafür bekommen. Und so gibt es viele [[Versuchung]]en, in die du geführt wirst und es geschieht gar nicht mal selten, dass auch gemeinnützige Vereine in diese Versuchungen geraten. | |||
Swami [[Vishnu-devananda]] hat erzählt, dass es in den 60er und 70er Jahren die eine oder andere spirituelle Gemeinschaft gab, die große Geldprobleme hatte. Dann kam plötzlich ein Wohltäter und sagte: „Ich kann euch helfen.“ Er hat große [[Spenden]] angeboten und nachher gab es dann große Gegengefallen, was auf Steuerbetrug und Zollbetrug oder Kurierdienste hinauslief. Und Swami Vishnu-devananda hatte uns immer wieder gewarnt, so etwas nicht zu machen. Wenn jemand eine Spende geben will frag warum. Und frag, was er oder sie dafür erwartet. | |||
Im Yoga Ashram in Kanada gab es auch mal finanzielle Krisen. Dort wurde schon gesagt: „Wenn ihr die Stromrechnung nicht bis dann und dann bezahlt, wird der Strom in einem Monat abgestellt. Das Wasserwerk hat auch schon gedroht, das Wasser abzudrehen und die Bank hat auch schon gesagt: „Ihr seid seit 6 Monaten mit der Abzahlung der Hypothek im Rückstand. Bis dann und dann wollen wir etwas Geld sehen, sonst steht die Versteigerung des Ashramgebäudes an.“ | |||
In der Situation kam plötzlich jemand, der sagte, er hätte in der Lotterie gewonnen und er würde eine Spende von 60.000 Dollar geben. Da waren alle erst mal sehr froh, denn dies schien genau das zu sein, was notwendig war um zu überleben. Der Mann nahm gerade an einer Yogalehrerausbildung teil. Doch er kam am Folgetag nicht um 6 Uhr zur [https://www.yoga-vidya.de/meditation/ Meditation] und auch am darauffolgenden Tag blieb er fern. Auch am übernächsten Tag blieb er fern. Swami Vishnu hat das gesehen und gesagt: „Sagt ihm, dass er die Yogaausbildung nicht fortsetzen kann, wenn er noch einmal fehlt. Er wird dann auch kein Zertifikat bekommen.“ | |||
„Ich weiß noch wie ich dann erzittert bin“, sagt Sukadev. „Das war gerade Gott, der uns die Gelegenheit gibt, weiter zu überleben. Muss das denn sein, Swami? Zum Wohl des ganzen Ashrams sollte man doch ein bischen großzügiger sein können. Was, wenn der nun alles zurücknimmt?“ | |||
Aber der betreffende Mann war so sehr beeindruckt davon, dass Swami Vishnu so streng war und die hohen [[Ideal]]e eingehalten hat, die Yogalehrerausbildung entsprechend den Regeln zu kontrollieren obgleich dieser Mann ja, was Swami ja wusste, diese hohe Spende angeboten hatte, dass er die Spende von 60.000 auf 100.000 Dollar erhöhte und von da an war er in jeder [[Meditation]] und in jedem [[Vortrag]]. Das heißt Aparigraha. | |||
[https://www.yoga-vidya.de/yoga-anfaenger/yoga-wissen/yoga-tradition/swami-vishnu-devananda/ Swami Vishnu] war bei Aparigraha immer sehr [[konsequent]]. | |||
Da gab es noch eine andere Gelegenheit, dass jemand dem Ashram eine hohe Spende angeboten hatte und dies Swami freudestrahlend berichtet wurde. | |||
Aber Swami Vishnu ist ernst geblieben und hat gefragt: „Ist er Schüler bei euch? Welche Beziehung hat er zu euch?“ Die Antwort lautete: „Wir kenne ihn eigentlich gar nicht. Er kommt aus >heiterem Himmel<.“ Swami daraufhin: „Fragt ihn, woher er das Geld hat und erkundigt euch im Zweifelsfall wie seine finanzielle Situation ist. Fragt ihn warum er das Geld geben möchte.“ Das wurde gemacht und der potentielle Spender sagte daraufhin: “Ich gebe das Geld jemand anderem. Ich wollte euch ja helfen und nicht dumme Fragen beantworten.“ So hat das Ashram diese größere Spende nicht bekommen, war aber auch letztlich doch [[froh]] darüber. | |||
Es gibt noch ein Beispiel bei dem Swami Vishnu Aparigraha ziemlich bedingungslos lebte: | |||
Dies geschah, als ihn andere unter Druck setzten und kleinere Erpressungsversuche unternahmen. Zum Beispiel sagte ein Sevaka, ein Ashram-Mitarbeiter: „Wenn ich das und das nicht bekomme, gehe ich.“ Die typische Antwort von Swami war: „Geh sofort! Heute!“ Wenn irgendjemand auf diese Weise etwas einfordern wollte bekam er oder sie diese Antwort. Auch wenn dieser Aufforderung nicht sofort Folge geleistet werden musste, wussten die Betreffenden, woran sie waren. Erpressen ließ sich Swami Vishnu nicht. Aparigraha heißt eben auch, sich nicht erpressen zu lassen. | |||
Du siehst, dass dies hohe Ideale sind. Unterschiedliche Menschen gewichten diese Ideale immer etwas anders. | |||
Und du magst jetzt selbst darüber nachdenken, wo du vielleicht Ahimsa selbst mehr leben kannst, Brahmacharya oder Aparigraha. Oder du kannst sagen: Ja, ich fühle mich in der Art wie ich mein Leben lebe bestätigt. Ich muss immer wieder abwägen. Nicht jeder wird das Abwägen auf dieselbe Weise tun wie Swami Vishnu. Swami Vishnu war tatsächlich Satya und Aparigraha besonders wichtig. Bei [https://www.yoga-vidya.de/center/haus-bad-meinberg/yoga/tradition/sukadev-bretz/ Sukadev] ist vielleicht Ahimsa das allerhöchste, von dem sein [[Handeln]] geprägt ist. | |||
Was von diesen ist besonders wichtig für dich? Wo bist du vielleicht zu nachlässig und wo solltest du mehr darauf achten? | |||
== Video - Yama - Ethisches Verhalten im Umgang mit anderen == | |||
Dieses ist ein Audio und Videovortrag aus der Vortragsreihe „[[Yoga Vidya Schulung – Der ganzheitliche Yogaweg]]“. | |||
Darüber hinaus ist dieses ein Teil der 2-jährigen [[Yogalehrerausbildung]] sowie ein Vortrag im Rahmen der `[http://schriften.yoga-vidya.de/patanjali-raja-yoga-sutra/ Raja Yoga Vortragsreihe]´. | |||
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== Die zehn Yamas in der Hatha Yoga Pradipika == | |||
[[Datei:Regeln Yamas.jpg|thumb|Regeln kennen und beachten, hilfreich für spirituellen Fortschritt]] | |||
''- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -'' | |||
'''Kommentar zum 17. Vers der Hatha Yoga Pradipika''' | |||
Kennst du die fünf Yamas von Patanjalis Yoga Sutra? Dann bist du vielleicht neugierig, was es mit den zehn Yamas der [[Hatha Yoga Pradipika]] auf sich hat… | |||
: '''atha yama niyamah''' | |||
: '''ahimsa satyam asteyam brahmacharyam kshama dhritih |''' | |||
: '''dayarjavam mitaharah shaucham chaiva yama dasha ||''' | |||
Dasha heißt ‚zehn‘ und [[yama]] sind die Regeln. Insbesondere sind die zehn Yamas die Regeln im Umgang mit anderen. | |||
Folgendes sind also diese zehn Regeln: | |||
: (1) keinem [[Schaden]] zufügen | |||
: (2) die [[Wahrheit]] sprechen | |||
: (3) nichts nehmen, was anderen gehört | |||
: (4) [[Enthaltsamkeit]] pflegen | |||
: (5) [[Geduld]] | |||
: (6) Seelenstärke | |||
: (7) praktizieren, mit allen [[Erbarmen]] haben | |||
: (8) geradewegs vorwärts schreiten | |||
: (9) [[gemäßigt]] in der Diät sein | |||
: (10) und sich selbst [[reinigen]] | |||
=== Ahimsa ‒ Gewaltlosigkeit: die wichtigste Pflicht und Regel === | |||
[[Ahimsa]] heißt nicht verletzen, keinem Schaden zufügen. Es heißt auch [[ahimsa paramo dharmah]]. Das heißt: Ahimsa ist die wichtigste [[Pflicht]] und die wichtigste Regel. Ahimsa ist wie die übergeordnete [[ethisch]]e Regel im ganzen [https://www.yoga-vidya.de/yoga/ Yoga]. | |||
Also wenn du im [[Hatha Yoga]] Fortschritte machen willst, ist es auch wichtig, du nimmst dir vor, anderen in [[Gedanken]], [[Worte]]n und Taten nicht schaden zu wollen und nichts [[Schlecht]]es zu tun. | |||
=== Satyam ‒ Nicht lügen === | |||
Das zweite, das auch ein Yama aus dem Patanjali [[Yoga Sutra]] ist, ist satyam. [[Satyam]] heißt ‚Wahrhaftigkeit‘, also [[Nichtlügen|nicht lügen]]. | |||
=== Asteya ‒ Nicht stehlen === | |||
[[Datei:Dieb stehlen betrügen lügen Falle.jpg|thumb|Nichts nehmen, was dir nicht gehört]] | |||
Die dritte Yama ist [[asteya]], und asteya heißt ‚Nichtstehlen|nicht stehlen‘. Man sollte also nichts stehlen, nichts nehmen, was anderen gehört. | |||
=== Brahmacharya ‒ Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens === | |||
Dann folgt [[brahmacharya]], und brahmacharya kann auf viele Weisen übersetzt werden. Oft wird brahmacharya übersetzt als Enthaltsamkeit, insbesondere [[sexuelle Enthaltsamkeit]]. Eine andere Übersetzung ist auch [[Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens]]. In diesem Sinne gebrauche ich brahmacharya relativ häufig, ähnlich wie es auch der [[Dalai Lama]] oft macht, wenn er über ein vergleichbares Prinzip im [[Buddhismus]] spricht. | |||
Natürlich sollten [[Mönche]] und [[Nonne]]n [[enthaltsam]] leben. Aber für den Durchschnitts [[Aspiranten]] ist Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens wichtig. Es ist das Jahr 2017, und das ist gerade so ein Jahr, wo viele Skandale von Menschen zum Vorschein kommen, die ihre Machtposition ausgenutzt haben, um andere sexuell zu belästigen und vieles andere. | |||
Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten ist auch deshalb wichtig: Wer intensiv [[Hatha Yoga]] übt, hat ein stärkeres [https://www.yoga-vidya.de/prana/ Prana], hat eine stärkere [[Ausstrahlung]] und das kann sich auch niederschlagen in einem gesteigerten [[sexuell]]en Verlangen, einer gesteigerten sexuellen [[Attraktivität]] ‒ und das kann dann dazu führen, dass Menschen in [[Versuchung]] kommen, das auszunutzen. | |||
Eine andere Übersetzung von brahmacharya ist auch "Handeln im Bewusstsein eines höheren Ideals". Das ist sogar die wörtliche Übersetzung. [[Achara]] heißt ja handeln, [[acharya]] heißt handeln im [[Bewusstsein]] von [[Brahman]], Brahman ist das [[Göttliche]]. Aber meistens wird brahmacharya im Kontext mit [[Sexualität]] gesehen: also Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens. | |||
Es ist auch durchaus [[hilfreich]], wenn du eine Phase hast von intensiver [[Spirituelle Praxis|spiritueller Praxis]], wo du vielleicht ein, zwei oder vier Wochen ganz [[intensiv]] [[praktizieren]] willst, dass du dann sagst: In dieser Zeit will ich keine Sexualität haben, keine sexuellen [[Beziehung]]en pflegen. | |||
Das ist durchaus auch ein Tipp, den ich gebe, wenn Menschen an einem [https://www.yoga-vidya.de/seminare/?daterange=&q=Sadhana+intensiv Sadhana Intensiv] teilnehmen, insbesondere wenn sie als Single kommen, dass sie nicht in dieser Zeit mit anderen anbandeln ‒ und dann letztlich die wertvolle Zeit, die sie sich eigentlich genommen haben, um zwei Wochen intensiv zu praktizieren, „verschwenden“ ‒ oder „nutzen“, wie auch immer du das ausdrücken willst ‒, um eine Beziehung zu beginnen. | |||
Mein Tipp wäre: Wenn du dir vornimmst, intensiv zu praktizieren, dann nutze die Zeit für intensive [[Praxis]]. Wenn sich daraus etwas ergibt, dann kann man ja nachher schauen, ob es tatsächlich mehr ist als nur Energieaustausch auf einer [[subtil]]en Ebene aufgrund intensiver [[Yogapraxis]]. | |||
=== Entsprechungen zu den Yamas in Patanjalis Yoga Sutra === | |||
Diese vier Yamas entsprechen den Patanjali Yoga Sutra-Yamas: ahimsa, satya, asteya und brahmacharya. Was Svatmarama nicht gebraucht, ist [[aparigraha]]. Das heißt die ‚Abwesenheit von [[Gier]] und [[Unbestechlichkeit]]‘. | |||
Man könnte sagen, die nächsten sechs Yamas, die Svatmarama gebraucht, sind eigentlich eine Ausführung von aparigraha. Er wollte irgendwo diese sechs etwas ausführlicher haben. | |||
Und was sind die sechs Yamas, die nach Svatmarama gleichbedeutend sind mit dem aparigraha? | |||
=== Kshama ‒ Angemessen und nachsichtig reagieren === | |||
[[Datei:Bogen Asana junge Frau Lachen.jpg|thumb|Die Praxis von Hatha Yoga gibt dir Power, darum sei nachsichtig]] | |||
Erstens [[kshama]], und kshama heißt ‚[[Geduld]]‘, ‚[[Langmut]]‘ und ‚[[Nachsicht]]‘. Man könnte natürlich sagen: Warum solltest du Geduld und Langmut haben, wenn du intensiv praktizierst und allein bist? In der Mehrheit der Fälle bist du doch nicht ganz so allein. Wenn du intensiv Hatha Yoga praktizierst und mehr [[Prana]] hast, dann kann es manchmal auch geschehen, dass du dich eher über andere aufregst. Und deine Worte werden um ein Vielfaches stärker sein. | |||
Ich hab das auch schon öfters erlebt, als ich eine Phase hatte, in der ich intensiv praktiziert habe. Dann hat mir jemand etwas erzählt, was im [[Ashram]] nicht so richtig gut läuft und ich habe immer gemerkt, ich spüre das viermal so intensiv, wie es eigentlich ist. Und wenn ich dann einfach darauf reagiere, ist meine Reaktion nicht angemessen. | |||
Wenn du eine Phase intensiver Praxis hast, dann sei eher [[nachsichtig]] und [[langmütig]]. Auch im [[Alltag]] ist etwas mehr Langmut und Geduld hilfreich. | |||
=== Dhritih ‒ Entschlossenheit aus der Stärke der Seele === | |||
Das nächste ist [[dhriti]]. Dhriti ist ‚[[Festigkeit]]‘ und ‚[[Entschlossenheit]]‘. In der Übersetzung von Swami Vishnus Buch „[https://schriften.yoga-vidya.de/hatha-yoga-pradipika/hatha-yoga-pradipika-das-grundlagenwerk-des-hatha-yoga/ Hatha Yoga Pradipika]“ steht Seelenstärke haben: Seelenstärke als eine Festigkeit und Entschlossenheit zu haben. | |||
Seelenstärke ist auch ein sehr schönes Wort: soul force, wie es auch [[Mahatma Gandhi]] oder [[Martin Luther King]] gebraucht haben, eine Entschlossenheit aus der [[Stärke]] der [[Seele]]. | |||
=== Daya ‒ Aktiv Mitgefühl mit anderen üben === | |||
Dann folgt [[daya]]. Das ist ‚[[Mitgefühl]]‘. Svatmarama ist es auch wichtig, dass die Hatha Yoga Praxis dazu führt, dass du mehr [[Liebe]] und Mitgefühl zu anderen hast. Dass du nicht nur passiv im Sinne von ahimsa übst, sondern dass du auch daya ‒ Mitgefühl übst und kshama ‒ Langmut, Geduld mit anderen. | |||
=== Arjava ‒ Nimm dir vor zu praktizieren und schreite voran === | |||
Dann folgt [[arjava]]. Arjava wird in der Ausgabe von Swami Vishnu als ‚geradewegs vorwärtsschreiten‘ übersetzt, oder eben auch als ‚[[Redlichkeit]]‘ und ‚[[Aufrichtigkeit]]‘. Praktiziere aufrichtig und sei redlich in dem, was du tust! Gib auch nicht vor, etwas zu sein, was du nicht bist! | |||
Aber auch in dem ‚geradewegs vorwärtsschreiten‘ ist etwas Schönes. Menschen machen sich immer wieder [[Sorgen]] und manchmal machen sich Menschen zu viel Sorgen. Mach dir nicht zu viel Sorgen! Nimm dir vor zu praktizieren und schreite voran: Arjava. | |||
=== Mitahara ‒ Mäßigung beim Essen === | |||
[[Mitahara]] heißt Mäßigung beim [[Essen]], gemäßigt in der [[Diät]] sein. Mitahara hat zwei Bedeutungen: erstes was du isst und zweitens wie viel du isst. Und als drittes noch, wie du isst. An einer späteren Stelle wird Svatmarama das ausführen. | |||
Achte also darauf, was du isst, wie viel du isst und wie du isst. | |||
=== Shaucha ‒ Reinheit === | |||
Und dann noch der Generalvers: shaucha. Shaucha heißt ‚Reinigung‘, ‚[[Reinheit]]‘, ‚[[Reinlichkeit]]‘. Bei Patanjali gehört [[shaucha]] zu den Niyamas. Bei Svatmarama ist shaucha die zehnte der Yamas. | |||
Soweit also die zehn Empfehlungen, die Svatmarama hat, als Regeln im Umgang mit anderen. | |||
=== Video - Zehn Yamas gemäß Hathapradipika === | |||
Im Yogasutra schreibt Patanjali von 5 Yamas. Die [https://schriften.yoga-vidya.de/hatha-yoga-pradipika/ Hatha Yoga Pradipika] dagegen kennt 10 Yamas. Hier ein Video über die 10 Yamas, die [[Svatmarama]] in der [[Hathapradipika]] aufzählt: | |||
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== Siehe auch == | |||
* [http://www.yoga-vidya.de/de/artikel/sukadev/jnana.html/ Vortragsreihe von Sukadev über Vedanta-Philosophie] | |||
* [https://www.yoga-vidya.de/yoga-psychologie/ Yoga Psychologie und das Funktionieren des menschlichen Geistes] | |||
* [https://www.yoga-vidya.de/yoga-anfaenger/wie-lerne-ich-yoga/yoga-meditation-einfuehrungsseminar/ Yoga und Meditation Einführung Seminar] | |||
* [https://www.yoga-vidya.de/ausbildung-weiterbildung/yogalehrer-ausbildung/ Yoga Ausbildung] | |||
* [https://www.yoga-vidya.de/center/ Yoga Schulen] | |||
* [https://www.yoga-vidya.de/yoga-urlaub/yoga-ferien/ Yogaferien] | |||
== Literatur == | |||
* Sukadev Bretz: [https://shop.yoga-vidya.de/de/buecher/philosophie/die-yogaweisheit-patanjali-menschen-heute Die Yoga Weisheit des Patanjali für Menschen von heute] | |||
* Swatmarama: [https://shop.yoga-vidya.de/de/buecher/hatha-yoga/hatha-yoga-pradipika Hatha Yoga Pradipika] | |||
* Alexander Kobs: Die zehn Lebensempfehlungen des Yoga - Bewusst leben mit den Yamas und Niyamas, ISBN 978-3-86410-027-7 | |||
* [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/buecher/sivananda-moderner-heiliger Sivananda - Ein moderner Heiliger] | |||
* Swami Sivananda: [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/buecher/erfolgreich-leben-gott-verwirklichen-swami-sivananda Erfolgreich leben und Gott verwirklichen] | |||
* Swami Sivananda: [https://shop.yoga-vidya.de/de/buecher/swami-sivananda/sadhana-ein-lehrbuch-techniken-spirit-vollkommenheit Sadhana] | |||
* Swami Sivananda: [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/buecher/inspiration-weisheit-swami-sivananda Inspiration und Weisheit] | |||
== Seminare == | |||
===[https://www.yoga-vidya.de/seminare/interessengebiet/raja-yoga-positives-denken-gedankenkraft/ Raja Yoga, positives Denken, Gedankenkraft]=== | |||
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== Zusammenfassung == | |||
Zu allen fünf Yamas gibt es auch einzelne Videos auf den [https://www.yoga-vidya.de/ Yoga Vidya Internetseiten] | |||
Dort ist noch mehr über die wörtliche Bedeutung dieser Yamas zu erfahren und du kannst dort noch mehr Tipps bekommen. | |||
Dort findest du auch die direkten Verse des [https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/sukadev/raja-yoga-patanjali/ Yoga Sutra]. Patanjali spricht dort in den Texten über die betreffenden [[Yama]], über deren Wirkung und die Möglichkeiten der Umsetzung. | |||
[[Kategorie:Raja Yoga]] | |||
[[Kategorie:Spiritualität]] | |||
[[Kategorie:Philosophie]] | |||
[[Kategorie:Niyamas]] | |||
[[Kategorie:Tapas]] | |||
[[Kategorie:Ashtanga]] | |||
[[Kategorie:Yoga Vidya Schulung Videoreihe]] |
Aktuelle Version vom 29. Juli 2023, 16:31 Uhr
Yamas - Ethik im Umgang mit anderen. Warum sollte man ethisch sein? Wie kannst du über ethisches Verhalten glücklicher sein und dich auch mehr spirituell entwickeln? Was sind die fünf Yamas und wie kannst du sie im Alltag umsetzen?
Yamas - Ethik im Umgang mit anderen - ein Vortrag von Sukadev Bretz 2018
Dies ist ein Vortrag im Rahmen der Raja Yoga Vortragsreihe. Dies gehört in den ganzheitlichen Schulungsweg und ist ein Begleitvortrag zur 2jährigen Yogalehrerinnenausbildung von Yoga Vidya.
Dieser Text baut auf den vorangehenden Text über die acht Ashtanga, die acht Stufen im Yoga.
Diese sind Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana, Samadhi. Yama und Niyama werden allgemein als die Ethik verstanden.
Warum sollte man ethisch sein?
Es gibt unterschiedliche Begründungen für die Ethik.
Ethisches Verhalten wird von Gott belohnt
Manche Religionen sagen: Sei ethisch, dann wirst du von Gott belohnt, du kommst in den Himmel. Wenn du unethisch bist, wirst du bestraft, bekommst schlechtes Karma oder kommst in die Hölle.
Ethisches Verhalten als unbewusster Gesellschaftsvertrag
Andere sagen, dass du ethisch sein musst, da sonst in der Gesellschaft alles drunter und drüber geht. Es gibt den Gesellschaftsvertrag, einen unbewussten Gesellschaftsvertrag. Da Gesellschaften Sanktionierungsmechanismen haben müssen sich die Menschen an die ethischen Prinzipien halten. Dies hat der Mensch irgendwo internalisiert und will letztlich aus Angst vor Bestrafung ethisch sein.
Ethisches Verhalten damit keiner dem anderen schaden kann
Weiter gibt es wiederum Ethiken mit einem negativen Ethikbild. Sie sagen, dass der Mensch der Wolf des anderen Menschen ist und dass man deshalb ein starkes Ethiksystem haben muss, um den Menschen davon abzuhalten, anderen zu schaden oder sie gar umzubringen.
Ethisches Verhalten für harmonische positive Beziehungen
Die moderne Evolutionsbiologie hat ein positiveres Menschenbild. Sie sagen, dass Ethik und Kooperation das ist, was den Menschen am meisten auszeichnet. Immer wenn Menschen mit anderen Menschen zusammen sind, kooperieren die Menschen mehrheitlich und bemühen sich um positive Beziehungen. Die meisten Menschen fühlen sich dann am besten, wenn sie harmonisch mit anderen sind.
Etisches Verhalten wegen evolutionsbiologischer Konditionierung
Die meisten Menschen müssen irgendwo Angst haben, gestört oder krank sein, um unethisches zu tun. Deshalb würde ein evolutionsbiologischer Ansatzpunkt sagen: Menschen sind deshalb ethisch, weil sie evolutionsbiologisch darauf getrimmt sind.
Ethisches Verhalten für ein glückliches Leben
Ein anderer Ansatz ist der Ansatz von Aristoteles, der große Ähnlichkeit hat mit dem Ansatz von Patanjali im Yogasutra. Aristoteles hat das wichtige Werk „Die Nikomachische Ethik“ geschrieben und hat dort gesagt, dass es für ein gutes und glückliches Leben Ethik braucht. Menschen, die glücklich sein wollen, sollten ein ethisches Leben führen. Er sagt auch, dass der Philosoph ein ethisches Leben führen soll. Philosoph heißt „Freund der Weisheit“. Wer weise sein und die Dinge verstehen möchte braucht ein ethisches Leben. Wer unethisch ist, wird sich nicht der Wahrheit annähern können. Der Ansatz von Patanjali ist dort sehr ähnlich. Patanjali sagt im 2ten Kapitel, wo er über die Yamas spricht:
„Wer ein unethisches Leben führt, dessen Leben wird voller Leid sein und er wird in Unwissenheit gefangen sein.“
Daher: Lebe ein ethisches Leben. Wenn du also glücklich sein willst, führe ein ethisches Leben. Hier überschneiden sich der evolutionsbiologische Ansatz, die Ethik von Aristoteles und die Ethik von Patanjali. Dies kann dir auch ein Trost sein. Manchmal scheint es so, als ob die Menschen, die Lügen und betrügen und andere wegschieben, erfolgreicher sind. Aber sie sind nicht glücklicher. Möchtest du glücklich sein, dann lebe ein glückliches Leben.
Ethisches Leben ist notwendig für Gottverwirklichung
Patanjali sagt auch, dass wer unethisch ist auch in Avidya, der Unwissenheit bleibt. Wir wollen zu Vidya, zur höchsten Weisheit kommen. Wir wollen zur Gottverwirklichung kommen. Wir wollen herausfinden, wer wir wirklich sind und Vedanta im Raja Yoga sagt: „Es gibt ein Bewusstsein überall, ein >unendliches Ewiges<. Dieses unendliche Ewige willst du erfahren. Wenn du das erfahren willst, geht es auch darum, ein ethisches Leben zu führen. Wenn du die Einheit erfahren willst, geht es nicht, dass du anderen wegnimmst, was ihnen gehört, dass du Lebewesen tötest und so weiter.“
In diesem Sinne: Ethisches Leben ist notwendig, wenn du die Gottverwirklichung erreichen willst. Patanjali erwähnt auch das Gesetz von Karma und sagt, dass die Frucht des guten Handelns etwas Angenehmes ist und die Frucht des unethischen Handelns etwas Unangenehmes ist. Wenigstens langfristig gesehen haben gute Taten und schlechte Taten Konsequenzen im Karma. Aber das ist nicht die Hauptmotivation für Ethik im Raja Yoga. Die Hauptmotivation ist ethisch zu handeln, denn dies hilft dir dich glücklich zu fühlen und vom Ego wegzukommen und dich verbunden zu fühlen, Einheit zu erfahren, Kaivalya zu erreichen, Gottvererwirklichung zu erreichen.
Die fünf Yamas
So gibt es fünf Yamas:
- Ahimsa - Nichtverletzen
- Satya – Wahrheit / nicht Lügen
- Asteya – Nicht Stehlen
- Brahmacharya – Selbstbeherrschung / Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten
- Aparigraha – Nichtannehmen von Geschenken / Unbestechlichkeit
( Letzteres wird auch manchmal „Abwesenheit von Gier“ und „Nichtfesthalten“ genannt.)
Ahimsa
Ahimsa heißt nicht zu verletzen in Gedanken, Worten und Taten. Wir finden dieses Prinzip in allen Religionen: im Buddhismus, im Christentum, Judentum, Konfuzianismus und eigentlich überall.
In der Bibel steht: „Du sollst nicht töten", und so ist es auch Ahimsa.
So wie wir leben, schädigen wir auch anderes Leben. Das gehört dazu. Wenn du einatmest, atmest du Mikroben ein und wenn du ausatmest, atmest du Mikroben aus. Auf dem menschlichen Körper sind jede Menge anderer Mikroben und Feinorganismen. Mit manchen lebst du in einer wunderbaren Symbiose. Gegen andere muss sich dein Körper zur Wehr setzen. Wenn du durch den Wald gehst, wirst du immer wieder auf Insekten treten. Wenn du Fahrrad fährst werden dir vielleicht Insekten in die Augen oder in die Nase oder den Mund fliegen oder fallen. Du magst dich dann darüber ärgern, dass dein Auge ein bisschen tränt und dies ein bisschen weh tut, das Insekt hingegen ist tot.
So gibt es immer wieder kleines Ahimsa. Oder im Umgang mit anderen Menschen magst du etwas sagen, was missverstanden werden kann. So ist Ahimsa kein absolutes Gebot sondern eher wie eine Richtschnur. Man könnte auch sagen, dass du so handeln solltest, dass du so wenig Leid wie möglich erzeugst. Das heißt auch auf die Ernährung bezogen: „Iss niemanden.“ / „Iss kein Tier und keinen Menschen.“ Niemand stirbt gerne. Und die Aussage, dass man sich vor einem Tier vorher verneigen könnte und es dann umbringen, mag nett für dich klingen, das Tier jedoch ist tot.
Stell dir vor, dein Nachbar kommt bei dir vorbei und sagt: „ich habe gerade Hunger auf Menschenfleisch. Du scheinst gutes Fleisch zu haben. Deshalb werde ich dich jetzt umbringen / töten. Oder ich töte dein Kind, das scheint auch lecker zu sein.“ Findest du das gut? Die Frage ist absurd, aber wenn es um (bestimmte) Tiere geht, findet man alle möglichen Ausreden (Karnismus). Man sollte kein Tier töten, um zu essen. Wenn man andere Alternativen hat, um zu überleben, gilt dies in jedem Fall. (Anmerkung: Was ist in den seltenen Fällen der Geschichte bei einem Flugzeugabsturz oder einem im Winter in der Wüste steckengebliebenen Truck, wo Menschen andere Menschen gegessen haben, die gerade gestorben waren? Wie wirkt sich das auf das Karma aus?)
Wir sollten auch keine Tiere in Gefangenschaft halten um anschließend deren Milch zu haben. Auch das ist klar Ahimsa.
(Anmerkung: Kühen, die für Milch gehalten werden, werden die Kälber weggenommen, worunter sie wegen ihrer starken Mutter-Kind-Bindung sehr leiden und diese werden ebenso wie diejenigen Kühe, die nicht mehr so gut Milch geben können geschlachtet, was wiederum nur die Fleischindustrie fördert und manche sagen daher, es sei schlimmer, Vegetarier zu sein als Fleischesser und die einzige Lösung sei vegan zu leben.)
Man sollte auch mit der Natur insgesamt Ahimsa umgehen. Man sollte sich so verhalten, dass man insgesamt wenig Ressourcen des Planeten Erde nimmt. Man sollte sich so verhalten, dass man die Natur erhält. Das alles gehört zu Ahimsa. Ernährung, Ökologie und so weiter.
Natürlich heißt das, dass du keinen Menschen umbringst. Natürlich heißt das, dass du dein Kind nicht schlägst. Natürlich heißt das, dass du deine Partnerin nicht schlägst. Und so weiter. Das ist auch eingeschlossen. Aber es geht auch noch weiter. Versuche auch mit deinen Worten mitfühlend zu sein. Und versuche dich so zu verhalten, dass du so mitfühlend wie möglich bist.
Man könnte auch sagen: „Nimm dir etwas vor.“ Patanjali nennt es den Mahavrata: „Möge ich einen positiven Einfluss auf alle Menschen und Wesen haben, mit denen ich zu tun habe. Wann immer ich mit anderen Menschen oder Wesen zusammen bin, möge mein Dasein positives bewirken für andere. Das heißt, wenn du an der Kasse eines Supermarktes bist, behandle die Frau oder den Mann an der Kasse wie einen Menschen, schenke ein kurzes Lächeln, sei freundlich. Wenn du irgendwo etwas nicht bekommen hast, was du wolltest, beschimpfe nicht den Kundendienstberater, er ist ein Mensch, sei deshalb freundlich, vielleicht musst du auch mal klarer sein, aber schaffe kein Leiden für andere. Wenn dein Kollege da ist, deine Kollegin oder wer auch immer, dann sei insgesamt mitfühlend. Ahimsa selbst ist ein langer Weg. Natürlich ist Ahimsa nicht immer so leicht. Manchmal - um Gutes zu bewirken – musst du auch mal weniger freundlich sein.
Eine Mutter muss ihr Kind davon abhalten, über eine gefährliche Balustrade zu klettern , damit sich das Kind nicht schädigt. Eine Mutter muss ihrem Kind sagen: „So geht es nicht, das geht nicht.“ Ein Vater, eine Mutter muss auch mal sagen, du mußt deine Hausaufgaben machen. Aber es geht immer darum, das größtmögliche Gute zu bewirken. Manchmal muss man dort auch mal ein kleineres Himsa in Kauf nehmen für ein größeres Gutes. Aber nicht jeder Zweck heiligt alle Mittel. Du kannst dir selbst vornehmen, Ahimsa zu üben.
Satya
Satya heißt Wahrhaftigkeit. Sat heißt Wahrheit, Satya ist Verhalten, das aus der Wahrheit kommt und zurückführt zur höchsten Wahrheit. Satya heißt natürlich „nicht lügen“, nicht schwindeln. Es heißt aber auch, dass du nicht jede unangenehme Wahrheit aussprechen musst.
Wenn Satya und Ahimsa oder Ahimsa und ein anderer der vier Yamas im Konflikt stehen, ist Ahimsa wichtiger. Also ein banales Beispiel: Eine Kollegin war beim Friseur, hat vorher lange überlegt, wollte ihr Leben umstellen, gesünder und besser machen und dies durch eine tolle neue Frisur ausdrücken. Dann kommt sie zurück und fragt: „Wie gefällt es dir?“
Es wäre jetzt nicht gut zu sagen, dass du die Frisur grässlich und unmöglich findest. Gerade wenn die Kollegin sehr viel Energie und Erwartung hineingesteckt hat. Sage dann lieber „Interessant“. Du musst nicht lügen, aber du solltest nichts Verletzendes sagen, was die Kollegin gleich zum Zusammenbruch führt, wo sie so viel überlegt hat und dann werden vielleicht all ihre guten Vorsätze nicht umgesetzt.
Manchmal musst du Schweigen und manchmal kann vielleicht auch eine Notlüge notwendig sein um das Leben von jemandem zu retten. Klassisches Beispiel, das schon mein Meister des Swami Vishnu-Devananda gebraucht hat: „Angenommen jetzt käme jemand reingelaufen und würde sagen >Du, da kommt gleich jemand, der will mich umbringen< und ich würde dann sagen >Okay, renn schnell hoch und geh in ein anderes Zimmer< und kurz darauf käme jemand herein und würde sagen >Wo ist diese Person?< und Satya würde sagen: „Die ist dort im Zimmer und versteckt sich vor dir.“ Das wäre zwar Satya, aber es wäre auch Himsa. In dem Fall könnte ich auch sagen: „>Die Person ist hinten durch die Balkontür herausgelaufen.< und würde dann natürlich schnell die Polizei rufen. Das ist zwar nicht Satya, aber für Ahimsa nötig.
So ist es nicht immer einfach. Die Ethik heißt immer abzuwägen. Manchmal muss man ein kleines Himsa machen für ein größeres Ahimsa. Angenommen, ich gebe gerade einen Vortrag, bei dem 100 Menschen vor mir sitzen und jemand kommt plötzlich herein gerannt, der vielleicht ein Attentäter ist und ein Maschinengewehr in der Hand hat und gerade anfangen will, die Yogaschüler zu erschießen, dann könnte ich die hölzerne Table, die ich oft vor mir liegen habe nehmen und dem Attentäter an den Kopf werfen und ihn damit so verletzen, dass er handlungsunfähig ist. Um das Leben von vielen zu retten, muss man vielleicht manchmal das Leben von einem Einzelnen in Gefahr bringen.
Es gibt viele subtile Ethikfragen und es ist nicht immer so einfach. Da sind Fragen wie solche: Gibt es einen gerechten Krieg? Darauf kommen wir noch im Rahmen der Bagavad Gita. Das ist alles nicht so einfach. Wer ein ethisches Leben führen will stößt oft auf Grenzfragen. Aber zunächst ist es die Aussage: „Ich verletze keinen anderen, nur weil ich nicht bekomme, was ich gern hätte.“ Normalerweise wende ich keine Gewalt an nur um einen anderen Menschen zu zwingen und zu überzeugen oder reich zu werden oder was auch immer.
Ahimsa paramo dharma – Gewaltlosigkeit ist höchste Tugend.
Zur Wahrhaftigkeit gehört oft auch authentisch zu sein. Nicht vorgeben etwas zu sein, was man nicht ist. Was nicht heißt, dass du deine Fehler herausposaunen sollst.
Ich kenne zum Beispiel eine Frau die mir gesagt hatte, dass ihre Kollegin in einer WG gelebt hat mit einer Freundin. Die Freundin hat gesagt: „Ich werde jetzt ausziehen und ich werde nicht mehr mit dir sprechen, bis du eine Therapie gemacht hast. Du bist alkoholabhängig. Du bist süchtig und ich werde das nicht mehr decken. Und das war jetzt erst mal Himsa. Die andere Frau hat sich sehr gekränkt und verletzt gefühlt. Aber es war Satya, wahrhaftig. Die Frau, die sich erst furchtbar gekränkt gefühlt hat, es war die, die mir das später erzählt hat, hat dann gesagt, das war das wichtigste in ihrem Leben, was sie erschüttert hat. Sie hat dann eine Therapie gemacht und ist vom Alkohol losgekommen, hat eingesehen, dass die Freundin recht hatte und sie Alkoholikerin war. Manchmal kann auch kurzfristiges Himsa langfristig Ahimsa sein. Es ist die Intention die wichtig ist. Trotzdem heiligt der Zweck nicht alle Mittel.
Ich hatte im Extremfall mal einen Yogalehrerausbildungsschüler gehabt, der später eine Yogaschule aufmachte, aber behauptete, noch nie eine Yogalehrerausbildung gemacht zu haben und es wäre alles aus seiner Intuition gekommen. Ich dachte mir: „Wie kommt das? Wieso muss er dort lügen? Er kann doch die Wahrheit sagen? Er kann doch sagen, dass er eine Yogalehrerausbildung gemacht hat. Er sollte zumindest nicht behaupten, dass alles nur aus der Intuition gekommen wäre.“
Oder nehmen wir an, du hast eine eigene Inspiration. Dann behaupte nicht, dies sei eine klassische Lehre. Sage einfach, dass es aus deiner Inspiration kommt – und wenn du etwas von jemand anderem hast, dann sage es. Hier gibt es keine Notwendigkeit zu lügen. Übe Satya.
Asteya
Asteya bedeutet nicht stehlen. Natürlich heißt „Nicht Stehlen“, dass du nicht Taschendieb wirst, natürlich heißt das, dass du keine Autos aufbrichst. Natürlich heißt das auch, dass du nicht in den Umkleideraum gehst, in dem Yogaschüler ihre Sachen abgelegt haben, um deren Wertsachen mitzunehmen. Das ist logisch. Das heißt aber auch, dass du in einem Yogaashram nicht anfängst, Kissen, Matten, Decken oder das Kirtanheft mitzunehmen. All das wäre auch Stehlen.
Asteya heißt auch, dass du keine CDs kopierst, wenn das nicht erlaubt ist, dass du keine Raubkopien machst, dass du keine Gema-Musik abspielst, bevor du Kurse gibst. Das heißt auch, dass du solche Bestimmungen beachtest. Die Künstler gerade auf dem spirituellen Gebiet verdienen oft sehr wenig und stecken sehr viel Herzblut hinein. Deswegen solltest du ihre Werke nicht einfach kopieren. Es gibt ja auch genug frei zugängliches kostenloses Material, zum Beispiel von Yoga Vidya - die ganzen Internetvideos und podcasts und auch von vielen anderen ( Zum Beispiel auf Youtube ). Aber zum Beispiel die Yoga Vidya CDs und DVDs solltest du auch nicht einfach kopieren und weitergeben sofern es nicht von der Gesetzgebung sowieso erlaubt ist. Also geht Asteya dort weiter.
Asteya heißt auch, bei der Steuererklärung oder beim Zoll nicht zu lügen. Auch dort nimmst du sonst etwas weg, mindestens dem Staat, der doch auch überwiegend Gelder für soziale Zwecke verwaltet und so weiter. Du profitierst ja auch selbst davon, dass du auf den Straßen fährst und medizinische Versorgung hast. Du hast einen gewissen Schutz und eine gewisse Sicherheit. Da ist es angemessen, dem Staat auch die Mittel zu geben, die er braucht um sich zu finanzieren. Asteya, nicht Stehlen ist ein Prinzip.
Diese drei gelten erst mal als die Allerwichtigsten. Und wie du sie im Einzelfall umsetzt, musst du abwägen. Patanjali nennt die fünf Yamas die unbeschränkt gültigen Prinzipien, die deshalb unbeschränkt gültig sind, weil sie in jeden Lebensumständen anders abgewogen werden müssen.
Brahmacharya
Brahmacharya hat viele Bedeutungen. Es heißt wörtlich:
- „Verhalten, das zu Brahman führt“,
- „Verhalten, das aus Brahman heraus kommt“.
Manchmal wird Brahmacharya auch übersetzt als spirituelles Leben. Brahmacarya heißt in einem bestimmten Kontext auch sexuelle Enthaltsamkeit. Brahmacharya ist eine der vier Ashramas. Ashrama ist die Schülerschaft beim Lehrer. Brahmacharya in einem anderen Kontext ist das Noviziat, die Vorbereitung darauf, Swami zu werden, Sannyas zu nehmen, Mönch oder Nonne zu werden. Bei Yoga Vidya haben wir auch Brahmacharis und Brahmacharinis, solche die das Gelübde genommen haben, 3 Jahre lang sexuell enthaltsam zu leben. Und dann kleiden sie sich auch in gelber Farbe und überlegen, ob sie langfristig Mönch oder Nonne werden wollen. Und wenn sie – normalerweise 6 Jahre - Brahmachari gewesen sind, können sie anschließend zum Swami werden.
Im Kontext des Yoga Sutra heißt aber Brahmacharya „Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens“ und dann muss man wieder überlegen:
„Was ist sexuelles Fehlverhalten?“
Und das wird wieder in jeder Zeit anders interpretiert. Es gibt Regionen in der Welt, in der der Mann mehrere Frauen haben kann und es gibt umgekehrt auch Regionen in der Welt, in der eine Frau mehrere Männer haben kann. Es gab auch Zeiten, zum Beispiel in der Mahabharata, da kann ein Mann mehrere Frauen und die Frau auch mehrere Männer haben. Das ist eigentlich etwas ganz verwirrendes. Da gibt es zum Beispiel Arjuna, einer der fünf Pandavas. Die fünf Pandavas hatten zusammen eine Frau, die Draupadi, und vier der Pandavas hatten andere zusätzliche Frauen. Sie waren alle legal verheiratet. Und dies galt als gesellschaftlich akzeptiert. So gibt es also durchaus unterschiedliche gesellschaftlich akzeptierte Formen dessen, was Brahmacharya heißt. Das heißt also auch, dass das überall unterschiedlich interpretiert werden muss.
Vom Yogastandpunkt aus ist beim Brahmacharya auch wieder Ahimsa wichtig - Ahimsa Paramo Dharma - und bei Yoga Vidya würden wir Brahmacharya so interpretieren, dass eine sexuelle Beziehung, die auf Gegenseitigkeit angelegt ist, die von Liebe und gegenseitigem Respekt und Achtung gekennzeichnet ist, Brahmacharya wäre.
Natürlich ist auch Gewalt in der Sexualität, die nicht auf gegenseitigem Einverständnis beruht, abzulehnen.
- Natürlich sind Vergewaltigung, Stalking, Bedrängen, Ausnutzen einer Machtposition und so weiter Verstöße gegen Brahmacharya.
- Wenn ein Yogalehrer oder eine Yogalehrerin versucht, ständig wechselnd oder gleichzeitige Beziehungen zu Schülern und Schülerinnen zu haben oder vorgibt, geheime Tantra - Praktiken zu lehren, einfach nur um sexuelles Vergnügen zu haben, ist dies ein Verstoß gegen Brahmacharya.
- Wenn ein Swami, der das Gelübde der Enthaltsamkeit auf sich genommen hat dann sexuelle Beziehungen zu anderen pflegt, ist das ein Verstoß gegen Brahmacharya.
- Wenn ein Paar, das sich Treue lobte, innerhalb der Beziehung Seitensprünge erlebt, ist das ein Verstoß gegen Brahmacharya.
So gilt im Yoga das Ideal einer auf Dauer angelegten Zweierbeziehung. Dies ist die am weitesten unter den Yogalehrernden verbreitete Interpretation. Diese hat einen rituellen Segen, ein rituelles Versprechen in Form einer Ehe und darin gehen Sexualität, Liebe, Partnerschaft und Freundschaft zusammen. Sukadev hat sich schon in einem anderen (Kon-)Text über spirituelle Partnerschaft geäußert.
Brahmacharya, auch eine der Yamas, bedeutet sich irgendwo einzuschränken, um ein glücklicheres Leben zu haben und um sich spirituell entwickeln zu können. Man verzichtet auf Gewalt als Ausnutzung von Machtposition und man verzichtet auf Bedrängen, Stalking und so weiter und man verzichtet auch auf verschiedenstes Ausnutzen von Gelegenheiten zum Wohl einer langfristigen Beziehung.
Aparigraha
Aparigraha heißt Unbestechlichkeit, Nichtansammeln und Abwesenheit von Gier. Gemeint ist dabei Unbestechlichkeit.
- Damit ist insbesondere gemeint, dass du keine persönlichen Gefallen annimmst, um im Namen einer anderen Organisation anderen einen Gefallen zu geben.
- Unbestechlichkeit heißt auch, dass du keine Gefallen annimmst, die dich nachher zu unethischem Verhalten bringen.
Kurz erläutert bedeuten beide Formen des Verstoßes gegen Aparigraha folgendes:
Etwas bekommen, um anderen Vorteile zu verschaffen
Angenommen du bist jemand in einem Bauamt, der über Genehmigungen von Bauverfahren entscheiden kann und plötzlich kommt jemand von einer Baufirma zu dir und sagt:
„Ich kann Ihnen ihr Haus sehr günstig renovieren und sie wissen ja, dass da gerade ein anderes Verfahren läuft.“ Das ist dann Bestechung. Das heißt, du bekämst im Fall deiner Annahme einen persönlichen Gefallen, eine sehr günstige Haus- Renovierung, und im Gegenzug sollst du im Namen der Baubehörde, der Baufirma einen Gefallen erweisen. Das wäre dann ein Verstoß gegen Aparigraha.
Natürlich wäre es noch offensichtlichere Bestechlichkeit, wenn du jemandem einfach nur Geld gibst, damit er etwas macht.
Oder angenommen du wärst Mitarbeiter in einer Firma, zum Beispiel Einkäufer. Und ein Vertreter würde dir eine sehr umfangreiche Kostprobe des Angebots geben, die du zu Hause in Ruhe ausprobieren könntest und er würde dann hoffen, dass du im Gegenzug diese Firma mehr berücksichtigst. Das wäre auch ein Verstoß gegen Aparigraha. Also bekämst du einen persönlichen Gefallen dafür dass du einer Firma oder auch einem gemeinnützigen Verein Vorteile verschaffen würdest.
Aparigraha bedeutet hingegen nicht, so ganz persönliche Geschenke, wie sie in Indien beispielsweise gern einander jenseits von Bestechung gegeben werden, anzunehmen. Denn das ist Dana und wiederum etwas Gutes. Genauso kann man dem Partner, der Partnerin etwas schenken, seien es Blumen oder Obst oder anderes. Kinder geben ihren Eltern Dana, die Kollegen geben sich etwas und so weiter. Dies entspricht Verbindung und Liebe.
Wenn du von einer Institution etwas bekommst, um in deren Namen anderen einen Gefallen zu geben wäre das ein Verstoß gegen Aparigraha.
Gefallen annehmen, die deine ethische Freiheit behindern
Die zweite Form von Verstoß gegen Aparigraha wäre, einen Gefallen anzunehmen, bei dem du nachher in deiner ethischen Freiheit behindert werden würdest.
Wenn dir zum Beispiel jemand sagt: „Ich gebe dir 1000€. Ich gebe dir ein kleines Päckchen: Bitte nimm das da und da hin mit und gib es ab. Vermutlich ist in dem Päckchen etwas Illegales. Warum sonst würdest du 1000 € dafür bekommen. Und so gibt es viele Versuchungen, in die du geführt wirst und es geschieht gar nicht mal selten, dass auch gemeinnützige Vereine in diese Versuchungen geraten.
Swami Vishnu-devananda hat erzählt, dass es in den 60er und 70er Jahren die eine oder andere spirituelle Gemeinschaft gab, die große Geldprobleme hatte. Dann kam plötzlich ein Wohltäter und sagte: „Ich kann euch helfen.“ Er hat große Spenden angeboten und nachher gab es dann große Gegengefallen, was auf Steuerbetrug und Zollbetrug oder Kurierdienste hinauslief. Und Swami Vishnu-devananda hatte uns immer wieder gewarnt, so etwas nicht zu machen. Wenn jemand eine Spende geben will frag warum. Und frag, was er oder sie dafür erwartet.
Im Yoga Ashram in Kanada gab es auch mal finanzielle Krisen. Dort wurde schon gesagt: „Wenn ihr die Stromrechnung nicht bis dann und dann bezahlt, wird der Strom in einem Monat abgestellt. Das Wasserwerk hat auch schon gedroht, das Wasser abzudrehen und die Bank hat auch schon gesagt: „Ihr seid seit 6 Monaten mit der Abzahlung der Hypothek im Rückstand. Bis dann und dann wollen wir etwas Geld sehen, sonst steht die Versteigerung des Ashramgebäudes an.“
In der Situation kam plötzlich jemand, der sagte, er hätte in der Lotterie gewonnen und er würde eine Spende von 60.000 Dollar geben. Da waren alle erst mal sehr froh, denn dies schien genau das zu sein, was notwendig war um zu überleben. Der Mann nahm gerade an einer Yogalehrerausbildung teil. Doch er kam am Folgetag nicht um 6 Uhr zur Meditation und auch am darauffolgenden Tag blieb er fern. Auch am übernächsten Tag blieb er fern. Swami Vishnu hat das gesehen und gesagt: „Sagt ihm, dass er die Yogaausbildung nicht fortsetzen kann, wenn er noch einmal fehlt. Er wird dann auch kein Zertifikat bekommen.“
„Ich weiß noch wie ich dann erzittert bin“, sagt Sukadev. „Das war gerade Gott, der uns die Gelegenheit gibt, weiter zu überleben. Muss das denn sein, Swami? Zum Wohl des ganzen Ashrams sollte man doch ein bischen großzügiger sein können. Was, wenn der nun alles zurücknimmt?“
Aber der betreffende Mann war so sehr beeindruckt davon, dass Swami Vishnu so streng war und die hohen Ideale eingehalten hat, die Yogalehrerausbildung entsprechend den Regeln zu kontrollieren obgleich dieser Mann ja, was Swami ja wusste, diese hohe Spende angeboten hatte, dass er die Spende von 60.000 auf 100.000 Dollar erhöhte und von da an war er in jeder Meditation und in jedem Vortrag. Das heißt Aparigraha.
Swami Vishnu war bei Aparigraha immer sehr konsequent. Da gab es noch eine andere Gelegenheit, dass jemand dem Ashram eine hohe Spende angeboten hatte und dies Swami freudestrahlend berichtet wurde. Aber Swami Vishnu ist ernst geblieben und hat gefragt: „Ist er Schüler bei euch? Welche Beziehung hat er zu euch?“ Die Antwort lautete: „Wir kenne ihn eigentlich gar nicht. Er kommt aus >heiterem Himmel<.“ Swami daraufhin: „Fragt ihn, woher er das Geld hat und erkundigt euch im Zweifelsfall wie seine finanzielle Situation ist. Fragt ihn warum er das Geld geben möchte.“ Das wurde gemacht und der potentielle Spender sagte daraufhin: “Ich gebe das Geld jemand anderem. Ich wollte euch ja helfen und nicht dumme Fragen beantworten.“ So hat das Ashram diese größere Spende nicht bekommen, war aber auch letztlich doch froh darüber.
Es gibt noch ein Beispiel bei dem Swami Vishnu Aparigraha ziemlich bedingungslos lebte:
Dies geschah, als ihn andere unter Druck setzten und kleinere Erpressungsversuche unternahmen. Zum Beispiel sagte ein Sevaka, ein Ashram-Mitarbeiter: „Wenn ich das und das nicht bekomme, gehe ich.“ Die typische Antwort von Swami war: „Geh sofort! Heute!“ Wenn irgendjemand auf diese Weise etwas einfordern wollte bekam er oder sie diese Antwort. Auch wenn dieser Aufforderung nicht sofort Folge geleistet werden musste, wussten die Betreffenden, woran sie waren. Erpressen ließ sich Swami Vishnu nicht. Aparigraha heißt eben auch, sich nicht erpressen zu lassen.
Du siehst, dass dies hohe Ideale sind. Unterschiedliche Menschen gewichten diese Ideale immer etwas anders. Und du magst jetzt selbst darüber nachdenken, wo du vielleicht Ahimsa selbst mehr leben kannst, Brahmacharya oder Aparigraha. Oder du kannst sagen: Ja, ich fühle mich in der Art wie ich mein Leben lebe bestätigt. Ich muss immer wieder abwägen. Nicht jeder wird das Abwägen auf dieselbe Weise tun wie Swami Vishnu. Swami Vishnu war tatsächlich Satya und Aparigraha besonders wichtig. Bei Sukadev ist vielleicht Ahimsa das allerhöchste, von dem sein Handeln geprägt ist. Was von diesen ist besonders wichtig für dich? Wo bist du vielleicht zu nachlässig und wo solltest du mehr darauf achten?
Video - Yama - Ethisches Verhalten im Umgang mit anderen
Dieses ist ein Audio und Videovortrag aus der Vortragsreihe „Yoga Vidya Schulung – Der ganzheitliche Yogaweg“.
Darüber hinaus ist dieses ein Teil der 2-jährigen Yogalehrerausbildung sowie ein Vortrag im Rahmen der `Raja Yoga Vortragsreihe´.
Die zehn Yamas in der Hatha Yoga Pradipika
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -
Kommentar zum 17. Vers der Hatha Yoga Pradipika
Kennst du die fünf Yamas von Patanjalis Yoga Sutra? Dann bist du vielleicht neugierig, was es mit den zehn Yamas der Hatha Yoga Pradipika auf sich hat…
- atha yama niyamah
- ahimsa satyam asteyam brahmacharyam kshama dhritih |
- dayarjavam mitaharah shaucham chaiva yama dasha ||
Dasha heißt ‚zehn‘ und yama sind die Regeln. Insbesondere sind die zehn Yamas die Regeln im Umgang mit anderen. Folgendes sind also diese zehn Regeln:
- (1) keinem Schaden zufügen
- (2) die Wahrheit sprechen
- (3) nichts nehmen, was anderen gehört
- (4) Enthaltsamkeit pflegen
- (5) Geduld
- (6) Seelenstärke
- (7) praktizieren, mit allen Erbarmen haben
- (8) geradewegs vorwärts schreiten
- (9) gemäßigt in der Diät sein
- (10) und sich selbst reinigen
Ahimsa ‒ Gewaltlosigkeit: die wichtigste Pflicht und Regel
Ahimsa heißt nicht verletzen, keinem Schaden zufügen. Es heißt auch ahimsa paramo dharmah. Das heißt: Ahimsa ist die wichtigste Pflicht und die wichtigste Regel. Ahimsa ist wie die übergeordnete ethische Regel im ganzen Yoga.
Also wenn du im Hatha Yoga Fortschritte machen willst, ist es auch wichtig, du nimmst dir vor, anderen in Gedanken, Worten und Taten nicht schaden zu wollen und nichts Schlechtes zu tun.
Satyam ‒ Nicht lügen
Das zweite, das auch ein Yama aus dem Patanjali Yoga Sutra ist, ist satyam. Satyam heißt ‚Wahrhaftigkeit‘, also nicht lügen.
Asteya ‒ Nicht stehlen
Die dritte Yama ist asteya, und asteya heißt ‚Nichtstehlen|nicht stehlen‘. Man sollte also nichts stehlen, nichts nehmen, was anderen gehört.
Brahmacharya ‒ Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens
Dann folgt brahmacharya, und brahmacharya kann auf viele Weisen übersetzt werden. Oft wird brahmacharya übersetzt als Enthaltsamkeit, insbesondere sexuelle Enthaltsamkeit. Eine andere Übersetzung ist auch Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens. In diesem Sinne gebrauche ich brahmacharya relativ häufig, ähnlich wie es auch der Dalai Lama oft macht, wenn er über ein vergleichbares Prinzip im Buddhismus spricht.
Natürlich sollten Mönche und Nonnen enthaltsam leben. Aber für den Durchschnitts Aspiranten ist Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens wichtig. Es ist das Jahr 2017, und das ist gerade so ein Jahr, wo viele Skandale von Menschen zum Vorschein kommen, die ihre Machtposition ausgenutzt haben, um andere sexuell zu belästigen und vieles andere.
Vermeidung von sexuellem Fehlverhalten ist auch deshalb wichtig: Wer intensiv Hatha Yoga übt, hat ein stärkeres Prana, hat eine stärkere Ausstrahlung und das kann sich auch niederschlagen in einem gesteigerten sexuellen Verlangen, einer gesteigerten sexuellen Attraktivität ‒ und das kann dann dazu führen, dass Menschen in Versuchung kommen, das auszunutzen.
Eine andere Übersetzung von brahmacharya ist auch "Handeln im Bewusstsein eines höheren Ideals". Das ist sogar die wörtliche Übersetzung. Achara heißt ja handeln, acharya heißt handeln im Bewusstsein von Brahman, Brahman ist das Göttliche. Aber meistens wird brahmacharya im Kontext mit Sexualität gesehen: also Vermeidung sexuellen Fehlverhaltens.
Es ist auch durchaus hilfreich, wenn du eine Phase hast von intensiver spiritueller Praxis, wo du vielleicht ein, zwei oder vier Wochen ganz intensiv praktizieren willst, dass du dann sagst: In dieser Zeit will ich keine Sexualität haben, keine sexuellen Beziehungen pflegen.
Das ist durchaus auch ein Tipp, den ich gebe, wenn Menschen an einem Sadhana Intensiv teilnehmen, insbesondere wenn sie als Single kommen, dass sie nicht in dieser Zeit mit anderen anbandeln ‒ und dann letztlich die wertvolle Zeit, die sie sich eigentlich genommen haben, um zwei Wochen intensiv zu praktizieren, „verschwenden“ ‒ oder „nutzen“, wie auch immer du das ausdrücken willst ‒, um eine Beziehung zu beginnen.
Mein Tipp wäre: Wenn du dir vornimmst, intensiv zu praktizieren, dann nutze die Zeit für intensive Praxis. Wenn sich daraus etwas ergibt, dann kann man ja nachher schauen, ob es tatsächlich mehr ist als nur Energieaustausch auf einer subtilen Ebene aufgrund intensiver Yogapraxis.
Entsprechungen zu den Yamas in Patanjalis Yoga Sutra
Diese vier Yamas entsprechen den Patanjali Yoga Sutra-Yamas: ahimsa, satya, asteya und brahmacharya. Was Svatmarama nicht gebraucht, ist aparigraha. Das heißt die ‚Abwesenheit von Gier und Unbestechlichkeit‘. Man könnte sagen, die nächsten sechs Yamas, die Svatmarama gebraucht, sind eigentlich eine Ausführung von aparigraha. Er wollte irgendwo diese sechs etwas ausführlicher haben.
Und was sind die sechs Yamas, die nach Svatmarama gleichbedeutend sind mit dem aparigraha?
Kshama ‒ Angemessen und nachsichtig reagieren
Erstens kshama, und kshama heißt ‚Geduld‘, ‚Langmut‘ und ‚Nachsicht‘. Man könnte natürlich sagen: Warum solltest du Geduld und Langmut haben, wenn du intensiv praktizierst und allein bist? In der Mehrheit der Fälle bist du doch nicht ganz so allein. Wenn du intensiv Hatha Yoga praktizierst und mehr Prana hast, dann kann es manchmal auch geschehen, dass du dich eher über andere aufregst. Und deine Worte werden um ein Vielfaches stärker sein.
Ich hab das auch schon öfters erlebt, als ich eine Phase hatte, in der ich intensiv praktiziert habe. Dann hat mir jemand etwas erzählt, was im Ashram nicht so richtig gut läuft und ich habe immer gemerkt, ich spüre das viermal so intensiv, wie es eigentlich ist. Und wenn ich dann einfach darauf reagiere, ist meine Reaktion nicht angemessen.
Wenn du eine Phase intensiver Praxis hast, dann sei eher nachsichtig und langmütig. Auch im Alltag ist etwas mehr Langmut und Geduld hilfreich.
Dhritih ‒ Entschlossenheit aus der Stärke der Seele
Das nächste ist dhriti. Dhriti ist ‚Festigkeit‘ und ‚Entschlossenheit‘. In der Übersetzung von Swami Vishnus Buch „Hatha Yoga Pradipika“ steht Seelenstärke haben: Seelenstärke als eine Festigkeit und Entschlossenheit zu haben.
Seelenstärke ist auch ein sehr schönes Wort: soul force, wie es auch Mahatma Gandhi oder Martin Luther King gebraucht haben, eine Entschlossenheit aus der Stärke der Seele.
Daya ‒ Aktiv Mitgefühl mit anderen üben
Dann folgt daya. Das ist ‚Mitgefühl‘. Svatmarama ist es auch wichtig, dass die Hatha Yoga Praxis dazu führt, dass du mehr Liebe und Mitgefühl zu anderen hast. Dass du nicht nur passiv im Sinne von ahimsa übst, sondern dass du auch daya ‒ Mitgefühl übst und kshama ‒ Langmut, Geduld mit anderen.
Arjava ‒ Nimm dir vor zu praktizieren und schreite voran
Dann folgt arjava. Arjava wird in der Ausgabe von Swami Vishnu als ‚geradewegs vorwärtsschreiten‘ übersetzt, oder eben auch als ‚Redlichkeit‘ und ‚Aufrichtigkeit‘. Praktiziere aufrichtig und sei redlich in dem, was du tust! Gib auch nicht vor, etwas zu sein, was du nicht bist!
Aber auch in dem ‚geradewegs vorwärtsschreiten‘ ist etwas Schönes. Menschen machen sich immer wieder Sorgen und manchmal machen sich Menschen zu viel Sorgen. Mach dir nicht zu viel Sorgen! Nimm dir vor zu praktizieren und schreite voran: Arjava.
Mitahara ‒ Mäßigung beim Essen
Mitahara heißt Mäßigung beim Essen, gemäßigt in der Diät sein. Mitahara hat zwei Bedeutungen: erstes was du isst und zweitens wie viel du isst. Und als drittes noch, wie du isst. An einer späteren Stelle wird Svatmarama das ausführen. Achte also darauf, was du isst, wie viel du isst und wie du isst.
Shaucha ‒ Reinheit
Und dann noch der Generalvers: shaucha. Shaucha heißt ‚Reinigung‘, ‚Reinheit‘, ‚Reinlichkeit‘. Bei Patanjali gehört shaucha zu den Niyamas. Bei Svatmarama ist shaucha die zehnte der Yamas.
Soweit also die zehn Empfehlungen, die Svatmarama hat, als Regeln im Umgang mit anderen.
Video - Zehn Yamas gemäß Hathapradipika
Im Yogasutra schreibt Patanjali von 5 Yamas. Die Hatha Yoga Pradipika dagegen kennt 10 Yamas. Hier ein Video über die 10 Yamas, die Svatmarama in der Hathapradipika aufzählt:
Siehe auch
- Vortragsreihe von Sukadev über Vedanta-Philosophie
- Yoga Psychologie und das Funktionieren des menschlichen Geistes
- Yoga und Meditation Einführung Seminar
- Yoga Ausbildung
- Yoga Schulen
- Yogaferien
Literatur
- Sukadev Bretz: Die Yoga Weisheit des Patanjali für Menschen von heute
- Swatmarama: Hatha Yoga Pradipika
- Alexander Kobs: Die zehn Lebensempfehlungen des Yoga - Bewusst leben mit den Yamas und Niyamas, ISBN 978-3-86410-027-7
- Sivananda - Ein moderner Heiliger
- Swami Sivananda: Erfolgreich leben und Gott verwirklichen
- Swami Sivananda: Sadhana
- Swami Sivananda: Inspiration und Weisheit
Seminare
Raja Yoga, positives Denken, Gedankenkraft
- 20.12.2024 - 22.12.2024 Liebe dich selbst
- Liebe Dich selbst! Das ist keine Einladung zu einem großen Ego-Trip. Es ist eine Einladung, mit dir selbst in Frieden und Harmonie zu kommen. Es geht darum, dich wirklich anzunehmen, mit allen Schwäc…
- Svenja Bade
- 25.12.2024 - 29.12.2024 Rauhnächte Retreat im Westerwald
- Yoga im Zeichen der 12 heiligen Nächte. Gerade jetzt: Mitte finden, und Kontakt zu deinem höheren Selbst. Sauber abschließen mit Altem. Ausrichtung auf die Fülle des kommenden Jahres - dein Jahr! - n…
- Adidivya Andre
Zusammenfassung
Zu allen fünf Yamas gibt es auch einzelne Videos auf den Yoga Vidya Internetseiten Dort ist noch mehr über die wörtliche Bedeutung dieser Yamas zu erfahren und du kannst dort noch mehr Tipps bekommen. Dort findest du auch die direkten Verse des Yoga Sutra. Patanjali spricht dort in den Texten über die betreffenden Yama, über deren Wirkung und die Möglichkeiten der Umsetzung.