Raja Yoga: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 17. Januar 2014, 12:41 Uhr
Im Raja Yoga (Sanskrit: राजयोग rājayoga m.) geht es um die Entwicklung der Herrschaft ("Raja": König/Herscher) über den Geist und die Beschreibung/Definition des Geistes. Der Raja Yoga von Patanjali beschäftigt sich direkt mit dem Geist und der Beherrschung des Geistes (Mentaltechniken). Durch Selbstbeobachtung und Selbstanalyse lernen wir unsere individuellen Muster kennen. Wir erfahren, was uns in unserem Potential einschränkt und was uns nützt. Durch Konzentration auf das Gute in uns entwickeln wir immer mehr unsere göttliche Stärke. Beständig wiederholte Affirmationen helfen, den Geist neu zu programmieren, so dass er langfristig zu unserem Werkzeug wird. Der Kundalini Yoga, möchte zuerst das Prana (die Lebensenergie) beherrschen, Nadis (Energiekanäle) und Chakras (Energiezentren) reinigen und die Kundalini erwecken. Er beschreibt das psychische System und verschiedene Techniken. Das Hauptziel ist ebenfalls die Beherrschung des Geistes. Alle Formen von Raja Yoga sind Ashtanga Yoga. Alle beinhalten die acht Glieder, die praktiziert werden. Die Hauptprinzipien sind dieselben, der Schwerpunkt wird anders gelegt.
Ashtangas
Der Raja Yoga besteht aus acht Gliedern (Ashtangas):
1. Yama - Regeln für den Umgang mit anderen
- Ahimsa - Nichtverletzen
- Satya - Wahrhaftigkeit
- Brahmacharya - Keuschheit, Vermeidung von sex. Fehlverhalten
- Aparigraha - Nichtannehmen von Geschenken, Unbestechlichkeit
- Asteya - Nichtstehlen
2. Niyama - Gebote, Verhaltensregeln für sich Selbst
- Saucha - Reinheit (innere und äußere)
- Santosha - Zufriedenheit
- Tapas - Askese
- Swadhyaya - Studium religiöser Schriften
- Ishvarapranidhana - Verehrung Gottes
3. Asana - Stellung/Haltung. Wichtig ist, die Wirbelsäule frei zu halten, aufrecht zu sitzen. Brust, Nacken, Hals bilden eine gerade Linie. Bewegungslos und bequem.
4. Pranayama - Atemtechniken. Durch verschiedene Atemtechniken wird die Lebensenergie (Prana) unter Kontrolle gebracht.
5. Pratyahara - Sinne zurücknehmen. Den Sinnen wird der Weg zu ihren Objekten versperrt, oder sie werden von diesen zurückgezogen. Man praktiziert, den Geist von den Sinnen, zu trennen.
6. Dharana - Konzentration. Dharana ist die Praxis, den Geist zu konzentrieren, indem man ihn z.B. auf ein äußeres Objekt oder eine innere Idee richtet, unter Ausschluss aller anderen Gedanken.
7. Dhyana - Absorption. Ununterbrochenes Fließen der Gedanken zum Meditationsobjekt.
8. Samadhi - Überbewusstsein. Samadhi ist der überbewusste Zustand. Er ist über alle Beschreibung erhaben. Der Geist kann ihn weder erfassen noch beschreiben, denn er transzendiert die drei Elemente, die während jeder gewöhnlichen Erfahrung der Sinne präsent sind: Raum, Zeit und Kausalität. Samadhi ist das Ziel aller Existenz. Alle Lebewesen bewegen sich auf dieses Ziel zu.
Swami Sivananda über Raja Yoga
Raja Yoga - Yoga der Disziplin
Raja Yoga ist der Pfad, der durch Geisteskontrolle und Kontrolle des Selbst zur Vereinigung mit Gott führt. Im Raja Yoga lernen wir, wie wir die Sinne, die Bewegungen des Geistes oder die Gedankenwellen, die vom Geist aufsteigen, kontrollieren können. Wir lernen, wie man Konzentration entwickelt und wie man mit Gott kommuniziert. Im Hatha Yoga geht es um physische Disziplin, während Raja Yoga eine geistige Disziplin ist.
Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi sind die acht Stufen des Raja Yoga. Yama und Niyama sind die ethischen Richtlinien, die das Herz reinigen. Yama beinhaltet Ahimsa (Gewaltlosigkeit), Satya (Wahrhaftigkeit), Brahmacharya (Enthaltsamkeit), Asteya (nicht stehlen) und Aparigraha (keine Geschenke annehmen, die nur der Bequemlichkeit förderlich sind). Diese Tugenden haben ihre Wurzeln in Ahimsa. Niyama bedeutet Beachtung. Es beinhaltet Saucha (innere und äußere Reinheit), Santosha (Zufriedenheit), Tapas (Askese), Svadhyaya (Studium der heiligen Schriften und Mantrarezitation) und Ishvarapranidhana (vollkommene Hingabe an Gott). Wer in den Yamas und Niyamas fest verankert ist, wird beim Praktizieren von Yoga schnell Erfolg haben.
Asana, Pranayama und Pratyahara sind grundlegende Bausteine des Yoga. Asana bedeutet feste Position. Pranayama heißt Atemkontrolle. Diese führt zu Gelassenheit, Festigkeit des Geistes und guter Gesundheit. Pratyahara bedeutet Abstrahierung oder den Rückzug der Sinne von den Sinnesobjekten. Du musst Pratyahara üben, nur so kannst du nach innen gehen und Innenschau erlangen. Dharana steht für die geistige Konzentration auf irgendein Objekt, ein Chakra, die persönliche Gottheit oder eine Schutzgottheit. Darauf folgt Dhyana, die Meditation oder der unaufhörliche Fluss von Erkenntnissen über das jeweilige Meditationsobjekt. Das führt zu Samadhi, wo der Meditierende und das Objekt eins werden. Alle Vrittis oder Gedankenwellen klingen ab. Die geistige Tätigkeit lässt nach. Alle Samskaras, Eindrücke und Vasanas (persönliche Tendenzen und subtile Wünsche) werden vollständig verbrannt. Der Yogi ist von Geburt und Tod befreit. Er erreicht Kaivalya oder die endgültige Befreiung (vollkommene Unabhängigkeit).
Raja Yoga, der Yoga der Geistesbeherrschung
Konzentration - Der Schlüssel zum Erfolg
Wie kraftvoll ist ein Scheinwerfer! Wenn die Sonnenstrahlen in einer Lupe konzentriert werden, dann können sie Baumwolle verbrennen. Genau so kannst du Wunder bewirken, wenn du die verstreuten Strahlen des Geistes zusammenziehst. Durch den kraftvollen Strahl des geistigen Schweinwerfers werden dir alle Geheimnisse der Natur enthüllt. Ein Wissenschaftler arbeitet im Labor und konzentriert all seine geistigen Kräfte auf nur eine Sache, er richtet sie auf das Objekt seiner Forschung und Erfindung. Er erlangt Wissen über die Elemente und vieles mehr. Das geheime Wissen der Natur wird vor ihm ganz enthüllt, gleich der Amla-Frucht in seiner Hand. Der Astronom macht dasselbe. Wenn er durch sein Teleskop schaut, konzentriert er sich auf die Sterne und Planeten und erhält so Wissen über die Sterne. Das Radio, schnurloses Telegraphieren, Fernsehen, Grammophon, das Telefon, die Dampfmaschine, alle diese Dinge wurden in tiefer Konzentration erfunden.
Ohne Konzentration hast du weder im Leben noch in deinem spirituellen Streben Erfolg. Ein Koch, der sich konzentriert, kann die Nahrung sehr effektiv zubereiten. Wenn er sich nicht konzentriert, verdirbt er alles. Ein Chirurg braucht bei einer Operation vollkommene Konzentration. Der Kapitän eines Schiffes benötigt sehr viel Konzentration. Ein Schreiner, ein Professor, ein Anwalt, ein Student - alle benötigen Konzentration. Nur dann können sie bei ihren Tätigkeiten erfolgreich sein. Alle großen Seelen, alle Überflieger, die Großartiges in der Welt geleistet haben, hatten perfekte Konzentration.
Bei einem weltlich orientierten Menschen werden die Gedanken in die verschiedensten Richtungen gelenkt. Sein Geist springt umher wie ein Affe. Er ist immer unruhig. Er denkt an Geld, seine Frau, seine Kinder, an Reichtum, ein Haus, usw. Sein Geist ist damit befasst, wie man Geld verdienen kann und das bekommt, was man sich wünscht. Er hat gar keine Konzentration. Er kann keine Innenschau halten. Sein Geist ist ständig nach außen gerichtet.
Der Yogi konzentriert sich auf die Chakras, den Geist, die Sonne, die Sterne, die Elemente, usw. So erhält er übernatürliches Wissen. Er erhält Herrschaft über die Elemente. Die Kraft der Konzentration ist der einzige Schlüssel, um die Schatzkammer des Wissens zu öffnen. Konzentration erlangt man nicht in einer Woche oder einem Monat. Es braucht etwas Zeit. Regelmäßige Praxis ist von größter Wichtigkeit. Enthaltung, ein kühler angenehmer Platz, Gesellschaft mit Heiligen und eine sattvige Ernährung sind Hilfsmittel für die Konzentration. Konzentration und Mediation führen zu Samadhi oder überbewusster Erfahrung, welche verschiedene Stufen kennt, je nachdem, ob sie mit Überlegung (Vitarka), Unterscheidung (Vichara), Freude (Ananda) und Selbsterkenntnis (Asmita) verbunden sind. Kaivalya oder die höchste Befreiung wird so erreicht.
Siddhis oder übernatürliche Kräfte manifestieren sich, wenn der Yogi in seiner Praxis fortschreitet. Diese Kräfte sind Hellsichtigkeit, Hellhörigkeit, usw. Sie alle sind Hindernisse auf dem Weg. Der Yogi sollte sie vollständig meiden und direkt auf sein Ziel zugehen, nämlich Asamprajnata oder Nirvikalpa Samadhi. Echte Spiritualität hat mit diesen Kräften nichts zu tun, sie sind nur Nebenprodukte der Konzentration. Derjenige, der nur auf diese Kräfte aus ist, ist ein sehr weltlicher Mensch oder ein reiner Familienvater. Er wird zurückfallen, wenn er nicht vorsichtig ist.
Auszug aus dem Buch Die Botschaft
Raja Yoga ist der Pfad, der durch Selbstbeschränkung und Sinnesbeherrschung zur Vereinigung mit Gott führt. Raja Yoga lehrt, wie man die Sinne und die Vrittis oder Gedankenwellen, die im Gemüt aufsteigen, beherrscht, wie man Konzentrationsfähigkeit entwickelt und wie man sich mit Gott vereint. Hatha Yoga verlangt physische Beherrschung, Raja Yoga dagegen Gedankenbeherrschung. Der Yogi konzentriert sich auf die Chakras (astrale Nervenzentren im Körper), auf das Gemüt, die Sterne, die Elemente und erlangt übermenschliche Kenntnisse. Er erlangt die Beherrschung der Elemente. Die Macht der Konzentration ist der einzige Schlüssel, um die Schatzkammer der Erkenntnis zu öffnen.
Ohne Konzentration kannst du auf keinem Lebensweg, noch bei der Verfolgung geistige Ziele irgendeinen Erfolg haben. Ein Koch kann die Speisen wirkungsvoll bereiten, wenn er Konzentration besitzt. Wenn er nicht konzentriert ist, verdirbt er die vorbereiteten Sachen. Ein Chirurg muss bei der Operation vollkommen konzentriert sein. Der Kapitän eines Schiffes muss sehr viel Konzentration besitzen. Ein Schneider, Zimmermann, Maurer, Schmied, Schumacher, Ingenieur, Professor, Richter oder Student - sie alle müssen sich konzentrieren können. Nur dann können sie Erfolg im Beruf haben. Alle großen Seelen, alle Meistergehirne, die Bedeutendes in dieser Welt geleistet haben, besaßen vollkommene Konzentration.
Wie mächtig ist das Brennglas, wenn die Sonnenstrahlen durch eine Linse konzentriert sind; sie können Baumwolle entzünden. Genau so kannst du, wenn die zerstreuten Strahlen deines Geistes konzentriert sind, Wunder bewirken, kannst alle die Geheimnisse der Natur durch das mächtige Suchglas des Geistes erkennen. Asana, Pranayama und Pratyahara (Körperübungen, Atemübungen und Übungen, die die Sinne ausschalten) sind Vorstufen zu Yoga. Asana ist eine unbewegliche Körperstellung. Pranayama ist Atemregulierung. Dies erzeugt Heiterkeit, Beständigkeit des Gemützustandes und gute Gesundheit. Pratyahara ist Abstraktion oder Zurückziehen der Sinne von den Sinnesobjekten. Nur so kannst du nach innen schauen und innere Sicht praktizieren.
Raja Yoga, der Yoga der Meditation
Aus Swami Sivanandas Buch "Yoga im täglichen Leben":
Verstand ist ein geheimnisvolles Etwas, das in Wirklichkeit nichts ist, aber alles tut.
Er ist aus Maya geboren. Er ist ein Erzeugnis des Nichtwissens. Er ist eine Verbindung von Sinneseindrücken (Vasanas) und gestaltendem Willen (Sankalpa). Er ist eine Mischung von Plackerei und Furcht. Er ist eine Lösung von Ichsucht (Ahamkara). Er ist ein Mixtum compositum.
Absolute und relative Manifestationen
Die Ziele des Raja Yoga
Materie, Lebenskraft (Prana) und Verstand sind die drei relativen Offenbarungen des Absoluten. Prana (die Lebenskraft) ist in Wirklichkeit eine Manifestation oder Offenbarung des Verstandes. Prana ist Kriya Shakti oder Handlungsfähigkeit. Die Materie geht aus Prana hervor. Prana ist höher als Materie, aber niedriger als Verstand. Prana steht positiv zur Materie und negativ zum Verstand. Verstand steht positiv zu Prana, aber negativ zum Willen. Der Wille ist Mittelpunkt des Ego. Wille ist der kommandierende General, der Verstand und Prana in alle Teile und Richtungen lenkt. Intuition steht über der Vernunft als der Verbindungskanal zwischen Mensch und Geist. Entwicklung der Willenskraft durch Autosuggestion ist der wichtigste Grundsatz von Raja Yoga oder Vedanta. Überbewusster Verstand ist der Bereich oder die Seele des Lebens.
Metaphysik des inneren Menschen
Der physische Leib, der Astralleib, Prana, Intellekt oder Buddhi, Instinkt, Verstand und Geist sind die sieben Grundkräfte des Menschen. Buddhi ist reine Vernunft. Sie hat ihren Sitz unterhalb des Scheitels in der Zirbeldrüse. Buddhi offenbart sich nur in Menschen, welche das rechte intuitive Unterscheidungsvermögen oder Viveka entwickelt haben. Die gewöhnliche Vernunft der Weltmenschen heißt praktische Vernunft, sie ist grob und begrenzt.
Prana ist die Lebenskraft, Lebensenergie oder Jiva Mukti, das ewige Symbol für Gott oder Brahman. Es ist höchste Intelligenz (Hiranyagarbha) oder der goldene Sohn Gottes. Es verbindet den Astral- und physischen Leib. Prana ist zwiefach: physisches Prana und psychisches Prana. Alle Gedanken rühren von der Vibration des psychischen Prana im Geist-Stoff (Chitta) her.
Der kausale Leib oder Karana Sarir ist der Träger des Astral- und des physischen Leibes. Wille ist Para Shakti. Gewinne diese Kraft (Shakti), dann wirst du Sat oder Existenz erlangen.
Chitta ist der unterbewusste Verstand. Er hat zwei Schichten, eine emotionale und eine für das passive Gedächtnis. Der Instinkt ist die andere Natur des Menschenwesens. Er ist das begehrende Denken oder Kama Manas. Die Seele ist höheres Denken (Manas). Der Sitz des Verstandes ist das Herz. Den mit Somachakra des untersten Teils oder der Unterseite des Hirns verbindenden Verstand nennt man das Erkenntnisorgan. Mit Manonasa oder Vernichtung des Verstandes meint man die Zerstörung oder Auflösung der niederen Natur, des Wunsch-Geistes (Begehren). Sankhya Buddhi oder Buddhi im Lichte der Sankhyaphilosophie ist eine Verbindung von Wille und Intellekt. Verstand ist ein Mikrokosmos. Verstand ist Maya. Verstand steht mitten zwischen Prakriti und Purusha, zwischen Materie und höchstem Geist.
Zähme die sechs wilden Bestien!
Du trägst eine ganze Menagerie in dir: den Löwen, den Tiger, den Elefanten, den Affen und den Pfau. Zwinge sie unter deine Herrschaft. Die Schönheit des Fleisches ist allein der Leben gebenden Grundkraft Prana zu verdanken. Die Schönheit rührt von dem Lichte her, das aus Atman strahlt. Der hässliche Körper mit seinen aus neun Öffnungen strömenden unreinen Ausflüssen ist aus fünf Elementen zusammengesetzt, ein empfindungsloses Objekt (Jada Vasthu) und unrein (Apavitra). Vergiss diese Vorstellung nie. Mache dir ein klares, scharf umrissenes Bild davon. Durch solche geistige Zucht wirst du alle Lüste bezwingen.
Wenn du die Lehre von der Einheit in der Vielheit begreifst, wenn du erkennst, dass es nur eine Materie, eine Energie, eine Denksubstanz, ein Leben, eine Existenz, Sat, eine Wirklichkeit gibt, und wenn du diesen Gedanken immer lebendig hältst, kannst du den Zorn (Krodha) beherrschen. Wenn du dir immer bewusst machst, dass du nur ein Werkzeug in der Hand Gottes bist, dass Gott alles ist und alles tut, dass Gott gerecht ist, dann kannst du Selbstsucht (Ahamkara) los werden. Durch feindliche Gefühle (Pratipaksha Bhavana) kannst du Abneigung (Dwesha) erreichen. Schaue nach den Lichtseiten der Menschen, übersieh ihre Schattenseiten! Das Emotionale ist eine Antriebskraft wie der Dampf in der Maschine. Es hilft dir bei deiner Höherentfaltung. Wäre das Emotionale nicht immer gegenwärtig, würdest du in einen passiven oder trägen Zustand versunken sein. Es drängt dich immer zum Handeln oder zur Bewegung. Es ist ein Segen, aber du darfst nicht eine Beute der Gemütsbewegungen werden. Du darfst dich nicht von Gefühlen beherrschen lassen. Du darfst ihnen nicht erlauben, unbeherrscht aufzuwallen. Du musst die aufsteigenden Gefühle reinigen und beruhigen, sodass sie langsam auftauchen und ruhig aus dem Geist-Ozean sich zurückziehen. Du musst das Gefühlsleben unter dauernder Kontrolle halten. Missdeute nicht Sinneserregungen als höhere, feinere Gefühle. Wenn sie nicht von Aufgeregtheiten leben können, kommen sie sich sehr verdrießlich vor. Das ist eine große Schwäche. Wer sich ein ruhiges, friedliches Leben wünscht, muss dergleichen ausrotten.
Alle üblen Eigenschaften kommen vom Zorn her. Sobald du den Zorn beherrschen kannst, werden alle übeln Eigenschaften von selbst verschwinden.
Ichsucht (Ahamkara), Wunsch (Sankalpa), Sinneseindrücke (Vasana), Lebenskraft (Prana), stehen in innigster Verbindung mit dem Verstand. Ohne diese vier kann es keinen Verstand geben. Prana ist die Lebenskraft des Verstandes. Egoismus (Ahamkara) ist seine Wurzel. Gedanken (Sankalpas) sind die Äste des Verstandesbaumes. Vasana ist sein Same. Dieser tief wurzelnde Geburten- und Todesbaum (Samsara) des schrecklichen Ajnana, der in verschiedenen Richtungen mit Ästen voll von Blüten, Ranken und Früchten sich verzweigt, sprosst aus dem Verstande. Wenn diese Wurzel zerstört wird, wird auch der Samsarabaum, der Baum der Geburten und Tode vernichtet. Fälle diesen Wurzel-Verstand mit der Axt der Göttlichen Erkenntnis (Brahma Jnana). Schneide die Zweige, die Gedanken (Samkalpas) mit dem Messer der Unterscheidungskraft (Vichar Viveka) ab.
Das ewig rastlose Denken wird ruhig, sobald alle Begierden verschwinden. Begehren erzeugt Sankalpas (Gedanken). Der Mensch handelt, um die begehrten Dinge zu bekommen. Dadurch wird er an das Samsararad gefesselt. Das Rad steht still, sobald die Wünsche (Vasanas) schwinden.
Wie in einem Haus (Bungalow) Türen von den äusseren in die inneren Räume führen, gibt es auch Portale zwischen dem niederen und dem höheren Verstande. Wenn das Denken durch Karma-Yoga-Übungen, Tapas, echte Lebensführung oder durch Zurückhaltung (Yama), Reinigung (Niyama), Japa, Meditation und so weiter geläutert wird, werden auch die Pforten zwischen dem niederen und dem höheren Verstande geöffnet. Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen dämmert. Das Auge der Intuition öffnet sich. Der Übende erlangt Inspiration, Offenbarung und höhere göttliche Erkenntnis.
Es ist außerordentlich schwierig, einen ruhigen und reinen Verstand zu haben, aber man braucht ihn unbedingt, wenn man im Meditieren Fortschritte machen und Nishkamya Karma Yoga ausüben will. Und nur dadurch gewinnt man ein vollkommenes Werkzeug, ein gut beherrschtes Denken. Es ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen Sadhaka mit eisernem Willen und harter Entschlossenheit.
Wie die Seife den physischen Leib reinigt, so reinigen Mantra, Japa, Dhyana, Kirtan und Yamaübung das Denken von seinen Unreinheiten.
Was ist Raja Yoga? Leela Mata antwortet (Englisch)
Chitta, das unterbewusste Denken
Das unterbewusste Denken heißt im Vedanta Chitta. Vieles in unserem Unterbewusstsein besteht aus versunkenen Erlebnissen und Erinnerungen, die in den Hintergrund verdrängt, aber jederzeit wiederholbar sind. Wenn man altert und das Gedächtnis nachlässt, ist es ein erstes Anzeichen, dass man sich an die Namen anderer Menschen nicht mehr recht erinnern kann. Der Grund dafür liegt nahe: alle Namen sind willkürlich. Sie gleichen angehängten Etiketten. Mit den Namen verbinden sich für uns keine bestimmten Vorstellungen. Der Verstand aber erinnert sich durch Verbindung von Vorstellungen, wodurch die Eindrücke sich vertiefen. Man kann sich im Alter recht wohl an diesen und jenen Satz erinnern, den man in der Schule einmal gelesen hat. Aber man hat Schwierigkeiten, sich am Abend an einen Satz zu erinnern, den man am Morgen erst las. Das rührt daher, dass der Verstand sein Dharana Shakti (die Fähigkeit, Ideen aufzufassen und festzuhalten) verlor. Die Zellen sind entartet. Wer sich geistig überarbeitet, die Brahmacharya-Vorschriften nicht beachtet und von vielen Sorgen, Kummer und Ängsten bedrückt wird, verliert schnell das Erinnerungsvermögen. Aber auch im Alter kann man sich noch an frühere Erlebnisse erinnern, weil sich mit ihnen klare Vorstellungen verbinden.
Die geistigen Vorgänge sind allein auf den Bereich des Bewusstseins beschränkt. Das Reich der unterbewussten Geistigkeit ist viel umfangreicher als das der bewussten Geistigkeit. Wie ein Blitz tauchen Botschaften, wenn sie reif sind, aus dem Unterbewusstsein auf, dem Chitta der Vedantins. Nur etwa zehn Prozent der menschlichen Geistestätigkeit erreicht die Ebene des Bewusstseins. Wenigstens 90 Prozent unseres geistigen Lebens geschehen unterbewusst. Wir sitzen endlos über dem Problem, das wir vergeblich zu lösen suchten. Wir schauen eine Weile um uns, versuchen es noch einmal und haben wieder keinen Erfolg. Plötzlich kommt uns ein Einfall, der zur Lösung des Problems führt. Das Unterbewusstsein war am Werk.
Manchmal geht man des Abends mit dem Gedanken zur Ruhe: Ich muss morgen sehr früh aufstehen, um den Zug zu erreichen. Diese Botschaft wird vom Unterbewusstsein aufgenommen und dieses unterbewusste Denken weckt uns unfehlbar zur rechten Stunde auf. Das unterbewusste Geistesleben ist dein dauernder Gefährte und aufrichtiger Freund. Immer wieder misslingt es dir am Abend, eine Arithmetik- oder Geometrieaufgabe zu lösen. Wenn du am nächsten Morgen aufwachst, hast du eine klare Antwort, die wie ein Blitz aus dem Unterbewusstsein aufleuchtet. Es arbeitet sogar im Schlaf unaufhörlich ohne Rast. Es ordnet, gruppiert und vergleicht allerlei Tatsachen und arbeitet eine befriedigende Lösung aus. Das alles verdanken wir dem Unterbewusstsein.
Mit Hilfe des unterbewussten Denkens kannst du auch dein schlechtes Wesen verwandeln, indem du gesunde, gute Eigenschaften pflegst, welche den unerwünschten widerstreben. Wenn du die Furcht überwinden möchtest, leugne in Gedanken die Furcht ab und konzentriere deine Aufmerksamkeit auf die entgegen gesetzte Eigenschaft, auf das Ideal des Mutes. Sobald du Mut entwickeln hast, verschwindet die Furcht von selbst. Das Positive überwindet immer das Negative. Das ist einunfehlbares Naturgesetz. Das ist die mental entgegen gesetzte Haltung (Pratipaksha Bhavana) der Raja Yogins. Du kannst eine Vorliebe für unangenehme Arbeiten und Pflichten erwerben, indem du Lust und Liebe für sie pflegst. Du kannst in deinem Unterbewusstsein neue Gewohnheiten, neue Ideale, neue Ideen und neue Neigungen und einen neuen Charakter ausbilden, indem du die alten verwandelst.
Die Funktionen Chittas heißen Gedächtnis (Smrithi) oder Erinnerung (Smarana) oder Achtsamkeit (Dharana) und Untersuchung oder Forschung (Anusandhana). Wenn du ein Mantra wiederholst, tut Chitta dieses Smarana. Es leistet eine Menge Arbeit. Es schafft bessere Arbeit als der Verstand oder Buddhi (Vernunft). Alle Handlungen, Freuden und Erlebnisse hinterlassen ihre Eindrücke im Unterbewusstsein in Gestalt feinster Eindrücke oder zurückbleibender Wirkungskräfte. Die Eindrücke (Samskaras) sind die Wurzeln, die wieder Jati, Leben und Erfahrungen von Freude und Schmerz aus sich hervorbringen. Wiederbelebung von Eindrücken (Samskaras) weckt Erinnerung. Der Yogi taucht tief nach innen und kommt in unmittelbare Berührung mit diesen Samskaras. Er nimmt sie durch die innere Yogaschau unmittelbar wahr. Durch Samyama (Konzentration, Meditation und Samadhi) über diese Eindrücke (Samskaras) erlangt der Yogi auch Kenntnis von seinen vergangenen Leben.
Wenn du dich einer Sache erinnern möchtest, musst du eine psychische Anstrengung riskieren: du musst in den Tiefen der verschiedenen Ebenen des Unterbewusstseins auf und ab steigen und dabei das Richtige aus einer seltsamen Mischung vielfältigen, unwichtigen Stoffes herausgreifen: wie der Briefsortierer im Postwagen der Eisenbahn den richtigen Brief erfasst, indem er mit der Hand vor den verschiedenen Fächern hin und her geht, so geht auch das sortierende Denken im Unterbewusstsein auf und ab, entlang den verschiedenen Fächern des Unterbewusstseins, bis es den gesuchten richtigen Gegenstand an die Oberfläche des Bewusstseins hebt. Der unterbewusste Verstand vermag das richtige Ding aus einem Haufen von allerlei Stoffen herauszufinden. Ein Eindruck einer Erfahrung wird in dem Augenblick im Geist-Stoff (Chitta) geformt oder entwickelt, wenn das Denken etwas erlebt. Zwischen dem Erlebnis selbst und der Bildung eines Eindruckes (Samskara) davon im Unterbewusstsein ist keine Pause oder Lücke. Smrithi oder Gedächtnis ist die Funktion Chittas (des unterbewussten Denkens). Im Vedanta ist es eine besondere Fähigkeit oder Kategorie. Manchmal heißt es auch Antaramgata (es kommt unter den Verstand). In der Sankhya- Philosophie ist das Gedächtnis in der Vernunft (Buddhi) oder Mahat Tattwa beschlossen. Das Chitta in Patanjali Rishis Raja-Yoga-Philosophie (Yogachitta Vritti Nirodha) entspricht dem Antahkarana im Vedanta.
Praktischer Raja-Yoga-Vortrag mit Shivakami
Das Denken und seine Mysterien
Wie ein geschäftiger Beamter allein in einem Zimmer hinter verschlossenen Türen arbeitet, so arbeitet auch das geschäftige Denken allein in einem Traumzustand, in dem es alle Pforten der Sinne verschließt. Denken ist eine aus der Seele geborene Kraft. Durch den Verstand offenbart sich der Herr Selbst als der Vielgestaltige des Universums mit verschiedenartigen Objekten.
Denken ist nur ein Bündel von Gedanken. Wurzel aller Gedanken ist die Vorstellung ICH. Verstand ist also nur ICH-Gedanke. Denken ist nichts anderes als eine Sammlung von Samskaras oder Eindrücken, ein Bündel von Gewohnheiten, nichts als eine Sammlung von Begierden, die aus der Berührung mit verschiedenen Gegenständen entspringen. Es ist auch eine Sammlung von Gefühlen, die durch Erregungen von der Welt ausgelöst werden. Denken ist eine Sammlung von Vorstellungen, die man von verschiedenen Dingen gewinnt. Nun wandeln sich diese Begierden, Vorstellungen und Gefühle dauernd. Einige der früheren Begierden wandern dauernd aus dem Vorratshaus des Denkens aus und neue kommen als ihr Ersatz.
Im Wachzustand hat der Verstand seinen Sitz im Gehirn, im Traumzustand im Kleinhirn, während des Schlafes rastet er im Herzen. Der Verstand heftet sich immer an etwas Dinghaftes. Er kann nicht für sich selbst allein bestehen. Nur dieser Verstand behauptet sich selbst als ICH in diesem Körper.
Alle Dinge, die wir rings um uns wahrnehmen, sind nur Gestalt oder Substanz gewordener Verstand. Der Verstand schafft und der Verstand zerstört. Auch alle okkulten Erscheinungen, die in der geistigen Welt vorkommen, sind auf wissenschaftlichen Gesetzen begründet. Okkultisten und Raja Yogis sollten diese Gesetze umfassend und einsichtig verstehen. Nur dann werden sie leicht imstande sein, die psychischen Kräfte zu beherrschen.
Die Tatsache der Telepathie, des Gedankenlesens, von Hypnotismus, Fernheilen, psychischem Heilen und so weiter beweisen eindeutig, dass Denken wirklich ist und dass ein höher entwickelter Verstand die niedrigeren Denkkräfte beeinflussen und sich unterwerfen kann. Aus automatischem Schreiben und aus den Erlebnissen eines hypnotisierten Menschen kann man eindeutig die Tatsache eines unterbewussten Denkens folgern, das vierundzwanzig Stunden ununterbrochen arbeitet.
Wenn eine Vorstellung in das Denken eingepflanzt wird, wächst sie über Nacht durch das Wirken des unterbewussten Denkens, das niemals rastet. Es arbeitet gleich kräftig Tag und Nacht hindurch. Wer es versteht, dieses unterbewusste Denken richtig zu behandeln, vermag ungewöhnliche Gedankenarbeit zu leisten. Alle genialen Menschen beherrschen das unterbewusste Denken. Man muss nur wissen, wie man das Unterbewusstsein zum Arbeiten bringt. Das unterbewusste Denken ist eine wunderbare unterirdische Gedankenfabrik.
Denken ist die stärkste Kraft auf dieser Erde. Wer sein Denken unter seine Herrschaft gebracht hat, hat Vollmacht und kann alle Verstandeskräfte unter seinen Einfluss zwingen. Durch psychische Heilung können alle Krankheiten kuriert werden. Die Wunder und geheimnisvollen Fähigkeiten des menschlichen Denkens erfüllen uns mit Ehrfurcht und Staunen. Quell und Urheimat oder Erhalter dieses geheimnisvollen Geistes ist Gott oder Atman.
Jede Handlung, welche der physische Körper vollbringt, ist die Wirkung einer zuvor im Denken gebildeten Vorstellung. Der Verstand denkt, plant und formt zuerst. Dann wird die Handlung sichtbar. Der erste Erfinder einer Uhr hatte zuvor alle Vorstellungen von Hebeln, Rädern, Zifferblatt, Sekundenzeiger, Minutenzeiger, Stundenzeiger und so weiter in Gedanken fertig. Diese Vorstellungen oder Gedanken-Bilder materialisierten sich später in Handlungen.
Wenn man einen Lichtfunken schnell kreisen lässt, erweckt es die Vorstellung von einem ununterbrochenen Lichtkreis. Obwohl der Verstand immer nur eines auf einmal tun kann, entweder hören oder riechen, obwohl er nur einen Sinnesreiz auf einmal aufnehmen kann, meinen wir, er tue Verschiedenes zugleich, weil er mit ungeheurer Geschwindigkeit von einem zum anderen eilt, so schnell, dass die auf einander folgenden Handlungen und Wahrnehmungen uns als gleichzeitig erscheinen.
Die besten Philosophen und Seher, Rishis und Weisen stimmen darin überein, dass der Verstand in Wirklichkeit nicht mehr als eine Sache auf einmal betreiben kann, dass es nur so scheint, als vermöge er mehr, weil er mit rasender Schnelligkeit vorwärts und rückwärts von einem Ende zum anderen eilt.
Damit der Mensch geistig gesund bleibt, muss er die Gedanken wechseln, den Verstand entspannen, indem er bei angenehmen Dingen verweilt. Er muss heiter sein, nur reine (Sattwa-) Nahrung genießen und auf Sattwa-Art seinen Geist erfrischen.
Der Verstand nimmt die Gestalt eines jeden Dinges an, an das er angespannt denkt. Wenn er an eine Orange denkt, nimmt er die Gestalt der Orange an. Wenn er an den gekreuzigten Herrn Jesus denkt, nimmt er die Gestalt des gekreuzigten Herrn Jesus an. Man muss nur den Verstand richtig üben und ihm die rechte, reine Nahrung geben. Schaffe dir einen göttlichen Hintergrund für deine Gedanken oder Gedankenbilder.
Wenn alle Gedanken ausgeschaltet werden, bleibt nichts mehr übrig, was noch Denken genannt werden könnte. Also sind die Gedanken der Verstand. Wiederum gibt es nichts, was Welt wäre, unabhängig von Gedanken an sie. Zwei Gedanken können nicht zu gleicher Zeit existieren, mögen sie noch so innig miteinander verbunden sein.
Das Denken wird immer das, wobei es verweilt. Das ist ein unwandelbares psychologisches Gesetz. Wenn man über Dokha oder die Mängel des Menschen nachdenkt, verweilt in diesem Augenblick jedenfalls das Denken bei schlechten Eigenschaften und wird selbst mit diesen Eigenschaften geladen, gleichviel ob es sie zuvor hatte oder nicht. Vielleicht denkst du nur fälschlicherweise jenem Menschen diese schlechten Eigenschaften zu, wenn dein Verstand falsche Eindrücke (Samskaras) oder eine falsche (schlechte) Denkweise hat. Vielleicht hat er nicht das geringste dieser schlechten Eigenschaften, die du ihm böswillig oder aus Eifersucht oder Engherzigkeit oder weil du von Natur scheelsichtig bist, angedichtet hast. Gewöhne dir also diese gefährliche Haltung ab, andere zu kritisieren oder Fehler an ihnen zu suchen. Rede Gutes von ihnen. Entwickle in dir die Fähigkeit oder den gütigen Blick, an anderen nur Gutes zu sehen. Kläffe nicht wie ein wilder Hund über die schlechten Eigenschaften anderer. Rühme sie vielmehr, dann wirst du geistig wachsen. Andere werden dich gern haben, ehren und achten.
Schlaf (Sushupti) ist nicht nur ein Zustand der Untätigkeit oder passiven Ruhe. Er hat tiefe philosophische Bedeutung. Die Vedantins studieren diesen Zustand sehr gründlich und sorgfältig. Nicht-dualistische Philosophen finden hier den Leitfaden, um das verborgene, schweigende Zeugnis zu suchen, zu erforschen und aufzufinden.
Das ewige Selbst (Atman) ist immer wach, ob auch alles Denken ruht. Die Mutter dieser Welt, Rajeshwari, nimmt während tiefen Schlafes die individuellen Seelen (Jivas) zu sich und an ihr Herz zurück, birgt sie an ihrem Busen, schenkt ihnen erfrischenden Frieden, neue Kraft, Lebensfähigkeit, Vitalität und Stärke und macht sie tüchtig für den bevorstehenden Lebenskampf des nächsten Tages. Ohne diesen Schlaf wäre das Leben ganz unmöglich auf dieser physischen Ebene, wo Elend, Krankheit, Sorgen, Kummer, Furcht und Ängste der verschiedensten Art den Menschen in jedem Augenblick beunruhigen. Wenn der Mensch auch nur eine Nacht keinen gesunden Schlaf findet, wenn er in einer Nacht auch nur drei Stunden Schlaf verliert, weil er bei einem Kranken wacht oder das Kino besucht, wie elend, missmutig, niedergeschlagen fühlt er sich doch am nächsten Tage!
Das Denken ist nach der indischen Schule der Logik atomisch, nach der Raja-Yoga-Schule des Patanjali Maharishi alldurchdringend, nach der Vedantaschule von mittlerer Ausdehnung, das heißt ebenso groß wie der Körper.
Denken ist etwas Stoffliches, es besteht aus feinster Materie. Man macht diesen Unterschied, weil die Seele die einzige Quelle der Intelligenz ist. Sie ist aus sich selbst verständlich, sie leuchtet aus eigenem Licht. Denken wird aus den feinsten Bestandteilen der Nahrung geschaffen.
Man kann das Denken mit dem Wasser vergleichen. Wasser existiert in vier Zuständen: im ursächlichen Zustand ist es H2O, im Feinzustand Wasser, im Grobzustand Eis, im Gaszustand Dampf. So ist auch das Denken während des Wachzustandes (Jagrat), wenn es sich sinnlicher Gegenstände erfreut, in einem Grobzustand; während des Traumes in einem Feinzustand, wenn es im Tiefschlaf in seine Ursache (Moola Avidya) versenkt ist, im ursächlichen Zustand, wenn es in seine Ursache verwickelt wird: und wie Gas verdampft es, wenn es während des überbewussten Zustandes (Nirvikalpa Samadhi) in Brahman sich auflöst oder verschmilzt. Wie der physische Leib aus fester und gasförmiger und flüssiger Materie zusammengesetzt ist, so besteht auch das Denken aus Feinstoff von verschiedenen Dichtigkeitsgraden mit verschiedenen Schwingungszahlen. Ein Raja Yogi dringt dank angespannter Übung durch die verschiedenen Schichten des Denkens.
Genau so, wie man den physischen Leib durch Nahrung erhält, muss man auch dem Denken und der Seele vergeistigte Nahrung geben.
Wenn man geschäftliche Verluste hat oder durch den Tod des einzigen Sohnes in tiefe Trauer versetzt wird, magert der Körper ab, ob man ihm auch die kräftigsten, nahrhaftesten Speisen verabreicht. Man fühlt sich innerlich entsetzlich schwach. Das beweist deutlich, dass Denken etwas Wirkliches ist und dass Heiterkeit gute Denknahrung ist. Wenn eine Frau mit den Vorbereitungen der Hochzeit ihrer Tochter beschäftigt ist, vergisst sie zu essen. Sie ist immer fröhlich. Ihr Herz ist voll Freude. Heiterkeit und Freude sind wirkungsvolle Stärkung für ihr Denken. Obwohl sie keine Nahrung zu sich nimmt, gewinnt sie dennoch innere geistige Kräfte.
Gedankenkontrolle
Das Leben auf dieser physischen Ebene ist nur eine Vorbereitung für das ewige Leben unaufhörlichen Sonnenscheins und dauernder Freude, das uns bevorsteht, sobald man durch angespannte und anhaltende Meditation nach Reinigung des Denkens zur Erkenntnis des Selbst gelangt. Dieses unsterbliche Leben in höchster Freude wird in der Bibel als Himmelreich beschrieben, das in dir, in deinem Herzen ist. Verwirkliche dieses unsterbliche Leben, o Sushila (einer, der seine Natur gereinigt hat), indem du das Denken beherrschest, dann wirst du dich der höchsten Seligkeit der Seele erfreuen.
Die Yoga-Shastra-Geheimnisse kann man nur dem Schüler mitteilen, der ein Jit Indriya (einer, der seine Sinne beherrscht) und Abhyasa Sura ist, der sich einem Guru anschloss, und mit Leidenschaftlosigkeit (Vairagya) und Unterscheidungsvermögen unerschütterlich entschlossen und vom Dasein Gottes unbedingt überzeugt ist.
Der Gedanke ist Eins, erscheint aber im Traumzustand infolge der Macht Mayas oder der Illusion als zwiefach, als der Empfänger und als das Empfangene. Der Gedanke selbst nimmt die Gestalt von Rose, Berg, Elefant, Fluss, Ozean, Feind usw. an. Wie man Hitze nicht vom Feuer trennen kann, ist auch Schwanken vom Denken untrennbar. Die Schwankungen machen das Denken rastlos. Die Rajaskraft verursacht die Schwankungen und diese wieder verursachen Ashanti, das Denken ist friedlos. Dieses Hin- und Hergeworfenwerden verhüten die Bhaktas durch Japa, Upasana (fromme Meditation) und Verehrung des Ishta Devata (Schutzgottes).
Die Macht des Fliessens ist selbst das Denken. Dieses schwankende flutende Denken allein ist diese Welt. Sobald das Fluktuieren aufhört, wird Denken Nicht-Denken. Es hört auf zu existieren, sobald es dieses Fliessens beraubt wird. Diese Fähigkeit des Denkens zu schwanken und zu fluten, heisst man Maya. Durch seine Fähigkeit zu schwanken richtet das Denken Unheil an. Das Fluktuieren ist Mara oder Satan oder Vasana oder Ishana oder Begierde (Trishna). Dieses Schwanken versuchte Viswamitra und bringt den ringenden Jünger zu Fall. Vernichte deshalb diese Fluktuationen durch starkes Viveka (Unterscheidung), ausdauernde Meditation und unaufhörliches Brahma Vichara (Erforschung der Höchsten Wirklichkeit).
Sobald sich das Schwanken äußert, schießen verschiedene Arten von Einbildungen auf. Die Einbildungskraft hängt mit dem Schwanken zusammen. Sie ist ebenso gefährlich wie dieses. Das Schwanken setzt das Denken in Bewegung. Einbildungskraft mästet das Denken. Denken minus Schwanken und Einbildungskraft ist Null. Schwanken und Einbildungskraft sind die zwei Flügel des Gedankenvogels. Schneide den rechten Flügel durch Atma-Forschung ab und den linken durch Übung im Nicht-Denken. Der große Vogel Denken wird sofort tot niederfallen.
Die einzige trennende Mauer zwischen Leib und Seele ist der Verstand. Wird die Mauer durch unaufhörliche Atma-Forschung abgetragen, mischt sich die individuelle Seele (Jiva) mit der Höchsten Seele wie der Fluss sich mit dem Ozean vermischt.
Schließe deine Augen, meditiere, öffne das Herz dem Einströmen der unsichtbaren Kraft. Du findest in der Bibel das Wort: „Mache dich leer, ich will dich füllen.“ Dann wirst du überreichlich überbegriffliche Erkenntnis gewinnen, die dem Intellekt nicht erreichbar ist. Wie das Wasser reichlich fließt, sobald man den Hahn aufdreht, wird auch göttliche Weisheit reichlich strömen, wenn das Hindernis des Nicht-Wissens beseitigt ist, das der Erkenntnis im Wege steht. Man empfängt blitzartige Durchblicke göttlicher Inspiration, Offenbarung und Intuition. Man muss sich nur in einen Zustand der völligen Ruhe versetzen, indem man alle aufwallenden Gedanken und Erregungen zum Schweigen bringt, und den Verstand mit der Quelle verbindet, indem man ihn von allen Sinnesdingen abzieht, wie man es beim Telefonieren macht: Man dreht die Nummernscheibe und verbindet dadurch die zwei Menschen, die miteinander sprechen wollen.
Alle Zweiheit rührt vom Denken her. Aller Dualismus wird von der Einbildungskraft des Denkens verursacht. Wenn man durch dauernde Übung der Unterscheidung, durch Vairagya (Leidenschaftslosigkeit), Sama (Gemütsruhe), Dama (Sinneskontrolle) und Samadhana (strenge Konzentration) alle Phantasiegebilde in das Denken selbst zurücknimmt, wird man das dualistische Universum nicht erleben. Das Denken wird Nicht-Denken. Da es nichts mehr zu erkennen hat, wird es in seiner Quelle Atman (das Selbst) ruhen.
„Meine Gedanken waren anderswo, ich sah nichts!“ „Meine Gedanken waren anderswo, ich hörte nichts!“ Denn der Mensch sieht und hört mit seinem Denken.
Die Anziehungskräfte der Dinge und die Bande verschiedener Art fesseln den Menschen an diese Welt. Man wird ein echter Sannyasin, wenn man sich allen Anziehungskräften der Dinge entzieht und die Fesseln sprengt. Ein Sannyasi oder Yogi, der aller Anziehungen und Fesseln ledig geworden ist, erfreut sich unendlicher Seligkeit, höchster Freude und ewiger Wonne.
Mann muss das Denken in das Wort OM (Pranava) auflösen. Ein Yogi oder Jnani, dessen Denken in OM aufgegangen ist, kennt keinerlei Furcht mehr, er hat das Ziel des Lebens erreicht.
Das Feuer der Meditation verzehrt schnell alle Übel und Sünden. Darauf folgt dann die Erkenntnis der Wahrheit, welche vollkommenen ewigen Frieden und Unsterblichkeit schenkt.
Ersticke die Gedankenwogen (Vrittis) durch anhaltende und regelmäßige Übung. Dann wird das Denken Nicht-Denken und du wirst den Yogarudha (Absoluten) Zustand erreichen. Alle Saatkörner des Nichtwissens (Avidya) in Gestalt schlummernder Neigungen, die dem Denken eingeborgen sind, werden zu Asche verbrannt, sobald das Denken im Samadhi in der Wahrheit Ruhe findet. Das Feuer, das sie verbrennt, ist das Feuer der Erkenntnis Atmans, Jnana Agni, Yoga Agni.
Wenn der Yogi die letzte Meditationsstufe erreicht hat und in Asamprajnata Samadhi (den höchsten überbewussten Zustand) eintrat, wird er schon in diesem Leben ein Jivanmukti, einer der Befreiten. Das Feuer des Yoga Samadhi verbrennt alle Samskaras vollständig. Es gibt keine Saat für neue Geburten mehr.
Vollendung (Siddhis)
Ein starker Okkultist hypnotisiert durch die Stärke seiner Konzentration und seines Willens alle Zuschauer und führt den Seiltrick vor. Er wirft ein rotes Seil in die Luft, suggeriert den Zuschauern, dass er an diesem Seil in die Luft klettern wird und verschwindet im selben Augenblick von der Bühne. Wenn man aber den Vorgang fotografiert, ist nichts zu sehen.
Yogis der Vergangenheit, wie Sri Jnanadev, Bartrihari, Patanjali Maharishi tauschten durch geistige Fernwirkung und Gedankenübertragung Botschaften mit entfernt lebenden Personen. Telepathie war die erste drahtlose Telegraphie und Telephonie der Welt. Es gibt auch heute noch Yogis, die sich auf Telepathie verstehen. Gedanken jagen mit größter Geschwindigkeit durch den Raum. Gedanken sind beweglich, sie sind ein ebenso fester Stoff wie dieser Stein. Sie können einen Menschen treffen, gegen den sie gerichtet sind.
Begreife und verwirkliche die Kräfte des Denkens. Entfalte deine verborgenen Kräfte oder okkulte Fähigkeiten. Schließe die Augen. Konzentriere dich. Erforsche die höheren Regionen des Denkens. Du kannst ferne Gegenstände sehen, ferne Stimmen hören, Botschaften in weite Entfernungen senden, Menschen heilen, die weit von dir entfernt sind und dich in einem Augenblick zu entfernten Orten begeben. Glaube an die Fähigkeiten des Denkens. Wenn du Interesse, Aufmerksamkeit, Willenskraft und Glauben hast, musst du Erfolg haben.
Die Quelle des Denkens ist Atman oder das Höchste Selbst. Dieses Denken wird aus Atman durch seine Maya oder Illusionskraft geboren. Kosmisches Denken ist die Gesamtsumme aller einzelnen Gedankenkräfte. Kosmisches Denken ist Hiranyagarbha, die kosmische Intelligenz oder Ishwara ( ewiger Gott) oder Karya Brahman. Des Menschen Denken ist nur ein Bruchteil des universellen Denkens. Ein Raja Yogi wird eins mit dem kosmischen Denken und kennt die Wirkensweise aller Gedanken. Der Yogi wird allwissend durch das kosmische Denken. Der Yogi erlebt kosmisches Bewusstsein durch das kosmische Denken.
Setze dich mit dem kosmischen Denken in Verbindung. Du wirst höhere übersinnliche Erkenntnis gewinnen. Du wirst kosmisches Bewusstsein erleben. Du wirst Kenntnis der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlangen. Du wirst Erkenntnis der Tanmantras ( der Grundelemente) und der geistigen Ebene gewinnen, und wirst Hellsehen und Hellhören können. Du kannst wissen, was im Denken anderer vor sich geht. Du wirst Reichtum göttlichen Geistes (Aiswarya) und Vibhuti (Offenbarung Gottes) erlangen. Es gibt streng wissenschaftliche Methoden, um diesen universalen Geist anzuzapfen. Reinheit, Konzentration, Leidenschaftslosigkeit, rechtes Handeln, Frömmigkeit, Mäßigung im Essen und Schlafen, reine Nahrung, Wahrhaftigkeit, Enthaltsamkeit, niemandem ein Leid tun, strenge Selbstzucht muss man lange Zeit regelmäßig üben.
Sieh doch die Wunder des Denkens. Man wird von Ehrfurcht und Staunen überwältigt, wenn man eine hypnotisierte Person im Trancezustand sieht und ihr Erzählen hört. Der hypnotisierte Mensch erzählt ganz klar die Lebensgeschichte und Erlebnisse eines Menschen, den er in seinem ganzen Leben noch nie gesehen hat.
Ein jüdisches Hausmädchen, das im Hause eines jüdischen Priesters diente, hörte während ihrer Arbeit täglich die hebräischen Verse. Plötzlich entwickelte sie, als sie im Krankenhaus lag, eine Doppelpersönlichkeit und sagte hebräische Verse auf. Dabei kannte sie die hebräische Sprache gar nicht. Alle Eindrücke (Samskaras) aus der Zeit, als sie den Priester reden hörte, lagerten sich in ihrem Unterbewusstsein ab, sodass sie die hebräischen Verse wiederholen konnte. Kein Eindruck (Samskara) geht verloren. Alle werden unverlierbar wie durch Schallplattenaufnahme im Unterbewusstsein (Chitta) aufbewahrt.
Ein Priester vergaß einmal seine Persönlichkeit und nahm für sechs Monate ein anderes Persönlichkeitsbewusstsein an, einen neuen Namen, einen neuen Beruf. Als sich in ihm die Doppelpersönlichkeit entwickelte, konnte er seine bisherige Wohnung verlassen und vergaß alle Einzelheiten aus seinem früheren Leben. Nach Ablauf von sechs Monaten kehrte er in seinen ursprünglichen Wohnort zurück und hatte alles vergessen, was seine zweite Persönlichkeit in den sechs Monaten erlebt hatte.
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Raja Yoga und Yoga Sutras
Die Yoga Sutras von Patanjali sind die Grundlage für das Raja Yoga, viele bezeichen sie sogar als die wichtigste Yogaschrift überhaupt.
Die vier wichtigsten Yogaschriften sind die Upanishaden (Vedanta), die Bhagavad Gita, die Hatha Yoga Pradipika und die Yoga Sutras. Die Upanishaden beschäftigen sich mit Jnana Yoga, die Bhagavad Gita mit Karma-, Bhakti- und Jnana Yoga, die Hatha Yoga Pradipika mit Hatha- und Kundalini Yoga und die Yoga Sutras schließlich mit Raja Yoga.
Das Ziel aller Yogawege ist die Befreiung (Moksha). Was muss befreit werden? Die Unwissenheit über unsere wahre Natur muss beseitigt werden. Letztlich befreit nur Wissen. Yoga ist ein Mittel oder Instrument den Geist vorzubereiten, damit Wissen stattfinden kann.
Die Raja Yoga Sutras sind etwa zwischen 600 vor und 200 nach Christus durch Patanjali entstanden (Buddha lebte ca. 500 vor Christus). Die meisten sagen, Patanjali war ein Zeitgenosse von Buddha.
Raja Yoga ist der Weg der systematischen Analyse und Kontrolle des Geistes. Raja Yoga heißt auch „Ashtanga“ (der Achtgliedrige) Yoga, denn seine Praxis ist achtteilig. Die ersten 5 Stufen sind äußerlich (bahiranga), die letzten 3 sind innerlich (antaranga).
Die Yoga-Sutras sind kein Buch zum lesen, sondern eher eine Sammlung von Überschriften (für Lehrer), die dann mit Inhalt gefüllt werden. Deswegen sind die Sutras stellenweise nicht so gut verständlich, wir benötigen einen Kommentar. Diese Rolle sollte vom Lehrer übernommen werden, der sie mit Inhalt für seine Schüler füllt.
Die Yoga-Sutras im Überblick
Das Yoga Sutra besteht aus vier Teilen, den sogenannten Padas. "Sutras" stehen für "Aphorismen oder Faden", "Pada" für "Fuß" oder "Kapitel".
- 1. Kapitel: Samadhi Pada - spirituelle Praxis als Weg
- 2. Kapitel: Sadhana Pada - der Weg der spirituellen Praxis
- 3. Kapitel: Vibhuti Pada - Übernatürliche Kräfte als Hindernisse auf dem spirituellen Weg
- 4. Kapitel: Kaivalya Pada - der Weg der Befreiung
Im 1. Kapitel wird Yoga definiert. Es wird eine Theorie über den Geist aufgestellt. Kapitel 2 befasst sich unter anderem mit den äußeren, den ersten 5 Stufen des achtgliedrigen Yogapfads (Ashatanga). Im 3. Kapitel kommen seine letzten drei höheren Stufen zum Tragen.
Kapitel 1 und 4 sind in sich abgeschlossen; Kapitel 2 und 3 sind für diejenigen gedacht, die zwar ein Gefühl für den Inhalt des 1. Kapitels bekommen, aber immer noch in ihre konditionierte Denk und Lebensweise zurückfallen.
Im folgenden werden die ersten vier Verse aus dem ersten Kapitel des Raja Yoga Sutra erklärt:
1.1 Atha yoga anushasanam - „Jetzt wird Yoga erklärt.“
"Atha yoga anushasanam" heißt „Jetzt wird Yoga erklärt.“ oder auch „Jetzt gibt es deshalb die kompletten Instruktionen, die Yoga betreffen.“ oder „Nun folgt die Disziplin des Yoga“.
- Im ersten Sutra wird das Thema dieses Werkes beschrieben, es geht um Yoga (nicht als philosophisches Traktat sondern als Darlegung/Systematisierung von vorhandenem Wissen
- In diesem Sutra wird die Motivation für Yoga dargelegt
- Das letztendliche Ziel ist Befreiung (Moksha).
- Das Mittel zur Erreichung von Moksha ist Yoga.
- Die Mittel zur Erlangung von Yoga sind die Methoden des Yoga (8 Stufen des Raja Yoga (Ashtanga)).
- "Jetzt“ deutet darauf hin, dass ein neues Kapitel begonnen wird, es also vorher schon etwas gegeben hat – z.B. steht in der Hatha Yoga Pradipika, dass Hatha Yoga die Vorbereitung auf Raja Yoga ist.
- Raja Yoga ist ein fortgeschrittener Weg, Vorbereitung ist notwendig
- das „Nun“ oder „Jetzt“ zeigt aber auch an, dass das, was vorher war, aufhören muss, damit man bereit ist, das Neue (Yoga) zu lernen.
1.2 Yogas citta vritti nirodha - „Yoga ist das zur Ruhe bringen der geistigen Prozesse im Geist“
"Yogas citta vritti nirodha" bedeutet „Yoga ist das zur Ruhe bringen der geistigen Prozesse im Geist“ oder „Yoga ist jener innere Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen“.
Dieser zweite Vers des ersten Kapitels des Yoga Sutra stellt die Essenz des Raja Yoga dar. Das Wesen des Yoga wird definiert - Yoga wird mit den Worten Citta, Vritti und Nirodha gleichgesetzt. Yoga bedeutet auch "Vereinigung" (von Jivatma und Paramatma).
- Citta – Instrument des Jivatmas (Geist/Psyche, bezieht sich auf Antahkarana)
- Vritti – vrt=wählen, vorziehen, bewegen, es geht also um geistige Prozesse
- Nirodha – zurückhalten, kontrollieren, unterdrücken, verlangsamen
Laut Vedanta setzt sich das Antahkarana (von "Antah": "Inneres" und Karana "Instrument"), also unser inneres Funktionsgefüge der Psyche, aus Ahamkara, Buddhi, Manas und Chitta zusammen. Chitta hat im Vedanta nur einen Bestandteil, wohingegen sie im Samkhya die Bezeichnung für den ganzen Geist darstellt. In diesem Kontext wird Chitta als Geist dargestellt, der alle psychologischen Gegebenheiten, wie z.B. Gefühle, die Wahrnehmung, das Denken, Urteilen, Unterscheiden und die Vorstellungskraft. Auch sind im Chitta alle Aktivitäten des Unterbewussten enthalten. Chitta bezieht sich also auf Manas (Wahrnehmung), Buddhi (Unterscheidung) und das Ahamkara (Ego).
Die 5 Grundzustände des Geistes werden im Yogasutra als Mudha, Kshipta, Vikshipta, Ekagrata und Nirodha definiert.Im Yoga Sutra wird nicht von „allen geistigen Prozessen“ gesprochen, deshalb ist Yoga im engeren Sinne Nirodha, im weiteren Sinn Ekagrata (Meditiation auf ein Objekt, Aufhören aller ungewollten geistigen Prozesse). Der Zustand des Geistes wechselt. Man sollte sich nicht damit identifizieren, sondern beobachten, wahrnehmen, sich über den Zustand bewusst sein.
Es ist weiter wichtig zu erfahren, was einen von einem Zustand in den anderen bringt, Für Yogaaspiranten ist es wichtig, nicht zu lange in Mudha oder Kshipta zu bleiben. Sattwa soll durch Asanas, Pranayama, Meditation, Mantrasingen, aber vielleicht auch einfach mal einfache Entspannung erhöht werden. Es geht darum, Disziplin in alle Bereiche des Lebens zu bringen.
1.3 Tada drashtuh svarupe avasthanam - „Dann ruht der Wahrnehmende (Sehende) in seinem wahren Wesen“
"Tada drashtuh svarupe avasthanam" - „Dann ruht der Wahrnehmende (Sehende) in seinem wahren Wesen“ lautet der dritte Vers in Kapitel 1 "Samadhi Yoga" im Sutra von Patanjali.
Er bezieht sich auf das dauerhafte, feste Ruhen in der eigenen Natur (Svarupa): Unberührt von Gedanken, Sinnesobjekten, Emotionen etc. ist Befreiung (Moksha). Wir sind nicht der Geist oder die Gedanken, wir sind reines Bewusstsein, Bewusstsein jenseits der Gedanken (erfahrbar als Sat-Cit-Ananda). Das heißt wir sind immer reines Bewusstsein (Saccidananda), das Selbst ist immer in Samadhi (handlungslos, still).
1.4 Vritti sarupyamitaratra - „In allen anderen Zuständen (außer in nirodha, oder besser gesagt: außer in Yoga), identifiziert sich der Wahrnehmende mit seinen Gedanken (den Vrittis)“
"Vritti sarupyamitaratra" - „In allen anderen Zuständen (außer in nirodha – besser: außer in Yoga), identifiziert sich der Wahrnehmende mit seinen Gedanken (den Vrittis)“ ist der vierte Vers in Kapitel Samadhi Yoga.
„Der Geist kann nicht von seinen Objekten abgetrennt werden. Geist ist Bewusstsein, ist Empfindung, ist Zuneigung, ist Abneigung. Bewusstsein ist immer das Bewusstsein von etwas, Empfindung ist immer die Empfindung von etwas. Lieben und Hassen sind immer auf etwas bezogen, das geliebt und gehasst wird. Dieses „etwas“ ist das Objekt des Geistes. Geist kann nicht entstehen, ohne dass da ein Objekt wäre. Er existiert nicht, wenn das Geistesobjekt nicht existiert. Der Geist ist in ein und demselben Moment das Subjekt des Bewusstseins und das Objekt des Bewusstseins. Alle physiologischen Phänomene, wie der Atem, das Nervensystem und die Sinnesorgane, alle physikalischen Phänomene, wie Erde, Wasser, Gras, Bäume und Flüsse sind Objekte des Geistes – und daher sind sie alle Geist.“ (Thich Naht Hanh)
- Wir sollten unseren inneren Zuschauer (drashta) entwickeln und die Phänomene des Geistes selber erforschen. Yoga ist der Weg, die Achtsamkeit immer weiter auszudehnen.
- Wichtig ist die eigene Erfahrung – nur was wir erfahren haben, können wir verstehen und als Wahrheit akzeptieren. „Glaube nicht, was du nicht selber erfahren hast!“
- Raja Yoga ist eine Wissenschaft, die uns den Anstoß gibt, die inneren Zustände zu beobachten und zu erforschen. Der Yogi selbst ist der Wissenschaftler, das Instrument ist der Geist und die Methode ist Konzentration (enorme Kraft durch Konzentration).
Zusammenfassung (Yoga Sutras 1.1-1.29)
- Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der Gedanken im Geist – dann ruht der Wahrnehmende in seinem wahren Wesen
- Ansonsten identifiziert man sich mit den Vrittis (Gedankenwellen)
- es gibt 5 Arten von Vrittis, die schmerzhaft oder auch nicht sind
- es gibt verschiedene Bewusstseinsstufen von Samadhi (siehe Yoga Sutras I.17-I.20):
- Asamprajnata Samadhi (ohne Dualität)
- Samprajnata Samadhi (mit Dualität)
- Sasmita Samadhi: das Kosmische Selbst ist erreicht (reine Erkenntnis von "ich bin")
- Sananda Samadhi: pure Wonne und allumfassende Liebe werden erfahren (jenseits des physischen Universums und des kosmischen Geistes)
- Nirvichara Samadhi: Identifikation mit dem kosmischen Geist als Ganzes (unabhängig von Raum und Zeit, d.h. der relativen Ebene)
- Savichara Samadhi: Identifikation mit dem kosmischen Geist innerhalb von Raum und Zeit (der relativen Ebene)
- Nirvitarka Samadhi: Identifikation mit dem physischen Universum fern von Raum und Zeit (das physische Universum als organisches Ganze)
- Savitarka Samadhi: innerhalb von Raum und Zeit Identifikation mit dme physischen Universum
- oder durch verschiedene Praktiken, wenn sie mit Energie, Vertrauen, Erinnerung und klarem Bewusstsein ausgeführt werden
- Verwirklichung kommt schnell, wenn der Wunsch danach stark ist
- auch Ishwara Pranidhana (Ishwara – besonderes Bewusstseinszentrum) und die Meditation über OM (in OM enthüllt sich Ishwara) führen schnell zur Verwirklichung
Hindernisse auf dem spirituellen Weg (Yoga Sutras 1.30-1.51)
Die erste Hälfte des ersten Kapitels der Yoga Sutras von Patanjali (1.1-1.29) handelt von Samadhi, die andere Hälfte (1.20-1.51), wie die Hindernisse dorthin zu beseitigen sind.
In den Sutras 1.30-1.51 werden die Hindernisse zunächst aufgezählt, anschließend werden verschiedene Techniken aufgestellt die Hindernisse zu beseitigen.
1.30 „Die Hindernisse für die Verwirklichung sind Krankheit, geistige Trägheit, Zweifel, Gleichgültigkeit, Faulheit, Verlangen nach Vergnügen, Täuschung, die Unfähigkeit zur Konzentration und Ruhelosigkeit des Geistes durch Ablenkungen.“
Patanjali erwähnt hier typische Hindernisse:
1. Krankheit
Krankheit schwächt uns – es fällt schwer, dann zu praktizieren. Sie führt auch zu Zweifeln. Viele glauben dass Yogis nicht krank werden. Wenn man als Yogi krank wird, glaubt man dann dass man etwas falsch machen gemacht hat. Die Beschreibungen in den Büchern sind manchmal einfach übertrieben (typisch indisch). Manche Krankheiten haben den Sinn, uns bestimmte Erfahrungen machen zu lassen, andere kommen aus karmischen Gründen – diese Krankheiten können wir nicht vermeiden. Da Krankheiten ein Hindernis sind, bemühen wir uns, unseren Körper gesund zu erhalten. Hatha Yoga kann uns dabei behilflich sein.
2. Trägheit
Patanjali erwähnt drei Aspekte von Trägheit: geistige Trägheit, Gleichgültigkeit und Faulheit. Diese sind durch Tamas bedingt. Wir müssen Tamas überwinden – durch regelmäßige spirituelle Praxis.
3. Zweifel
Der Mensch zweifelt immer, nur Fanatiker und Verwirklichte nicht. Hauptzweifel auf dem spirituellen Weg haben damit zu tun, ob es Selbstverwirklichung gibt, ob ich sie erlangen kann, oder mein Weg/Lehrer/Praxis richtig sind. Indem ich über Selbstverwirklichte lese, sie treffe und sie höre bekomme ich Gewissheit, dass es so etwas wie Selbstverwirklichung gibt und auch ich es erreichen kann. Wenn ich einen Weg gehe, merke ich manchmal selbst nicht die Veränderungen; führe ich ein Tagebuch, dann kann ich meine Entwicklung wirklich sehen – dass verringert die Zweifel. Ich sollte nicht immer die Praktiken wechseln. Hilfreicher ist es bestimmet Praktiken einfach einmal für eine bestimmte Zeit ausführen und dann weiter zu sehen.
4. Gleichgültigkeit
Wichtig ist es dass sich keine „alles egal“-Mentalität einschleicht. Es hilft sich den unterschied zwischen Gleichmut und Gleichgültigkeit zu vergegenwärtigen. Gleichmut ist sattwig, Gleichgültigkeit tamasig.
5. Faulheit
Ohne regelmäßige Übung kann man auch nichts erreichen. Zum Beispiel lernt man Klavierspielen nur, wenn man auch übt.
6. Verlangen nach Vergnügen
Manchmal werden Gedanken zum Hindernis, zum Beispiel "verzichte ich nicht auf zu vieles, ist es das wert?". Hier helfen viveka und vairagya – dauerhaftes Glück ist nicht in Vergnügungen zu finden.
7. Täuschung
- Dinge falsch verstehen oder falsch sehen
- den niederen Geist für die Stimme der Intuition halten
- Swami Vishnu: „Never trust your mind“
- Wem kann man trauen? Der Guru hilft einem, aus der Täuschung herauszukommen und selbst Antworten zu finden (Orientierungskriterien – er nimmt Entscheidungen nicht ab)
8. Unfähigkeit zur Konzentration
Unfähigkeit zur Konzentratio kann eine Schwierigkeit auf dem spirituellen Weg sein. Oft kommen Unreinheiten hoch, die Meditation unmöglich erscheinen lassen. Dieser Tatsache sollte man sich sich bewusst sein, man kann es positiv sehen und sich sagen "jetzt wird gereinigt, später kann ich die Früchte ernten". Eine ausgezeichnete Hilfe zur Konzentration ist Pranayama.
9. Ruhelosigkeit des Geistes durch Ablenkungen
- äußere Dinge lenken uns ab und machen den Geist unruhig
- wir sollten uns nicht ablenken lassen
- am Anfang muss ich geeignete Bedingungen suchen (wenig Ablenkung)
- später kann der Geist überall ruhig sein, da ich nicht mehr so stark im Außen nach Erfüllung suche
1.31: „(Geistiger) Schmerz, Depression, (physische) Nervosität und unregelmäßige Atmung sind die Symptome eines zerstreuten Geistes.“
(Geistiger) Schmerz, Depression, (physische) Nervosität und unregelmäßige Atmung sind die Folgen der Unfähigkeit zur Konzentration. Die schlichtwege Erkenntnis dieser Symptome kann uns dabei helfen Bewusstheit darüber zu erlangen und sie so zu überwinden:
- Geistiger Schmerz – Zerrissenheit
- Depression – Niedergeschlagenheit, sich kaputt fühlen
- physische Nervosität – z.B. Zittern der Hand, "Restless legs" (ruhelose Beine)
Wenn man diese Symptome bei sich bemerkt, weiß man, dass man an einem Hindernis steht – man kann jetzt die Schwierigkeit dahinter suchen und etwas tun.
1.32: „Zur Beseitigung dieser Hindernisse, sollte man einen Aspekt der Wahrheit üben (darüber meditieren, sich darauf konzentrieren).“
- hier empfiehlt Patanjali Ablenkung – nicht mit irgend etwas sondern mit einem Aspekt der Wahrheit – der Existenz Gottes oder der höchsten Wirklichkeit
- siehe Bhagavad Gita – Arjuna ist voller Verzweiflung, zeigt alle Symptome eines verwirrten Geisteszustandes – Krishna erzählt ihm als erstes von der Unsterblichkeit der Seele
- wenn wir zuerst an einen Aspekt der Wahrheit denken, uns darauf konzentrieren, erhebt sich der Geist – mit erhobenem Geist lassen sich Probleme leichter lösen
1.33: „Der Geist wird durch die Entwicklung von Freundlichkeit, Mitgefühl, Heiterkeit und Gleichmut gegenüber Vergnügen, Schmerz, Laster und Tugend klar.“
oder:
I.33: Der Geist wird durch die Entwicklung von Freundlichkeit gegenüber den Glücklichen, Mitgefühl für die Unglücklichen, Freude für die Tugendhaften und Gleichmut gegenüber den Lasterhaften klar (ruhig, konzentriert).“
- Freundlichkeit gegenüber denen, die glücklich in ihrer Art zu leben sind – normal: Neid, Eifersucht
- Mitgefühl für die Unglücklichen – normal: Geringschätzung/Verachtung; Kritik, weil er Unglück über sich bringt
- Freude für die Tugendhaften – normal: wir sind irritiert, weil wir unsere eigenen Defizite sehen; Unterstellung von Heuchelei
- Gleichmut gegenüber den Lasterhaften (Bösen) – normal: Hass und Verletzung (gegen den Anderen – richtet sich aber letztlich gegen uns)
- Motto (eines der monastischen Gelübde im Hinduismus): „Die Bienen suchen Honig. Ich will die Gewohnheiten der Fliegen vermeiden und denen der Bienen folgen. Ich werde davon Abstand nehmen, Fehler in Anderen zu finden und nur nach dem Guten suchen, welches in ihnen ist.“
I.34: „Dies wird auch durch das Ausstoßen und das Zurückhalten des Atems erreicht.“
- Patanjali spricht hier von Prana (Pranayama)
- Atem und Geist sind über das Prana verbunden (Atem gröbste Manifestation von Prana, Geist die feinste) – durch Beruhigung/Kontrolle des Atems wird der Geist ruhig/kontrolliert
- wenn man den Geist nicht direkt beherrschen kann, kann man wenigstens den Atem beherrschen – indirekter Weg des Hatha/Kundalini Yoga
- Atemübungen sind sehr wirkungsvoll, sie können einen aus allen möglichen Depressionen, Stimmungen und falschen Vorstellungen herausreißen – so oft wie möglich kleine Atemübungen in den Tag einbauen
1.35: „Wenn die höheren Sinne aktiv werden, kommt Festigkeit des Geistes.“
Wenn man viel meditiert, können die höheren Sinne aktiv werden:
- Anahata Klänge
- inneres Sehen, Licht im 3. Auge
- subtile Gerüche
- Nektargeschmack im Mund
- intensives Spüren eines Chakras (z.B. Ajna oder Herz)
Es ist leicht, sich auf diese höheren Sinne zu konzentrieren. Sie sind auch eine gute Hilfe gegen Zweifel (z.B. weiß man nach einer Out-of-Body-Erfahrung ganz bestimmt, dass man nicht der Körper ist). Vom absoluten Standpunkt sind natürlich auch die feinstofflichen Welten Illusion (mithya); aber vom relativen Standpunkt kann es manchmal ganz hilfreich sein, wenn man erfährt, dass es eine astrale Welt, eine subtile Wirklichkeit gibt (gerade in unserer wissenschaftlich geprägten Welt).
1.36: „Oder (durch Vergegenwärtigung) des leuchtenden Lichts jenseits allen Leidens.“
Vielen Menschen hilft es, sich in das eigene Selbst, in ihren eigenen Ruhepol, der sich niemals verändert, zu versenken und darauf zu konzentrieren (oder sich einfach nur daran zu erinnern). Diesen Pol kann man sich einfach nur als Stille oder eben als Licht vorstellen. Dann hat man die Gewissheit das es etwas in einem gibt was unberührt bleibt, egal ob ich jetzt leide oder mich freue, ob der Körper gesund oder krank ist.
1.37: „Oder durch Konzentration auf jemanden, dessen Geist den Bereich von Gier und Verhaftung transzendiert hat.“
- Ein großer Meister, eine große Meisterin inspirieren einen immer
- Am leichtesten fällt es, sich einen Meister vorzustellen.
- Man kann sich sein Foto aufstellen, auf ihn meditieren, zu ihm beten, seine Gegenwart fühlen, über sein Leben und seine Vollkommenheit nachdenken.
- Das erhebt einen. Es erhebt einen deshalb, weil die gleiche Vollkommenheit, die dieser Meister hat, in uns selbst vorhanden ist.
- Weil sie in uns ist, erhebt es uns, wenn wir darüber nachdenken. Es inspiriert uns.
- Wir bekommen selbst eine kleine Ahnung, wie es sein könnte, wenn wir so wären.
1.38: „Oder durch Meditation über Wissen aus Traum oder Tiefschlaf.“
- Wissen aus Traum – Traum von einer heiligen Persönlichkeit oder einem göttlichen Symbol – in solch einem Traum kann Wissen übermittelt werden (oder auch ein Mantra)
- Tiefschlaf – Konzentration auf das friedvolle ruhige Gefühl, wenn wir aus einem tiefen, traumlosen Schlaf erwachen – im Tiefschlaf sind wir dem Atman, unserer wahren Natur am nächsten
1.39: „Oder durch eine Meditationsart, die einem angenehm ist.“
Das ist ein Generalvers, der aussagt, dass man im Grunde genommen über alles meditieren kann – aber es sollte schon über etwas Sattwiges sein.
1.40: „Die Meisterschaft eines Yogi erstreckt sich vom kleinsten Atom bis zur höchsten Unendlichkeit.“
- Wenn wir meditieren, dann kommen wir zur Meisterschaft vom Kleinsten bis zum Größten, von der kleinsten Sache in unserem Leben bis zur größten im ganzen Kosmos.
- Das Kleinste ist unser Geist, das Größte ist das Universum.
- Patanjali kommt jetzt wieder zu Samadhi zurück.
- Wenn man die Hindernisse überwunden hat, kommt man zu Samadhi und damit zur Meisterschaft vom Kleinsten bis zum Größten.
1.41: „Sind die Gedanken (Vrittis) zur Ruhe gekommen, wird der Geist transparent wie ein Kristall, der die Farbe des davorstehenden Objektes annimmt; verschmelzen der Wahrnehmende, das Wahrgenommene und die Wahrnehmung, so ist das Versenkung.“
- eine Definition des Zustandes von Yoga (Samadhi)
- wenn die Vrittis kontrolliert sind, kommen wir zur höheren direkten Wahrnehmung (objektive Wahrnehmung – ohne Intellekt, Vrittis und Indriyas)
- der ruhige, konzentrierte Geist wird dabei auf verschiedene Objekte gerichtet – so entstehen die verschiedenen Stufen von Samadhi (von außen nach innen)
1.42: „Die Versenkung, in der Worte, Bedeutung, Wissen und Vorstellung miteinander vermischt sind, wird savitarka genannt.“
Der Geist erreicht die Verschmelzung mit einem grobstofflichen Objekt - Worte, Bedeutung, Wissen und Vorstellung sind dabei noch vorhanden (vermischt mit direkter, intuitiver Wahrnehmung).
1.43: „Im nirvitarka-Zustand ist der Geist frei von Subjektivität, gereinigt von früheren Eindrücken und reflektiert so wahres Wissen.“
Der Geist erreicht die Verschmelzung mit einem grobstofflichen Objekt - Worte, Bedeutung, Wissen und Vorstellung sind dabei nicht mehr vorhanden (nicht vermischt mit direkter, intuitiver Wahrnehmung).
1.44: „Durch dies (was in den vorhergehenden zwei Sutras erklärt wurde) ist auch savicara (Samadhi mit Fragestellung/Untersuchung), nirvicara (Samadhi ohne Fragestellung/Untersuchung) und das, was noch subtiler ist, erklärt.“
Wenn das Konzentrationsobjekt ein subtileres ist (kosmisches Gemüt), werden die nächsten zwei Arten von Samadhi (savicara und nirvicara) auf dieselbe Weise unterschieden.
1.45: „Der Zustand des Samadhi, der sich mit subtilen Objekten beschäftigt, erstreckt sich bis zum unmanifestierten Zustand.“
- Mit subtileren Objekten können wir in die höheren Samadhi-Stufen Sananda und Sasmita gelangen.
- Unser Geist dehnt sich dann so weit aus wie der unmanifestierte Zustand
aber:
1.46: „Alle diese sind jedoch nur samadhi mit Samen.“
Die letztendliche Befreiung hat noch nicht stattgefunden.
1.47: „Durch das Erfahren und Verfeinern von nirvicara samadhi kommt innere Erleuchtung.“
Durch das Erfahren und Verfeinern von nirvicara samadhidämmert/beginnt die Erleuchtung allmählich.
1.48: „Das Wissen, das in diesem Zustand erlangt wird, ist wahres Wissen.“
Wir nehmen direkte Wahrheit, prajna, wahr – direktes Bewusstwerden der Wahrheit.
1.49: „Wissen aus Zeugnis und Folgerung ist dem Wissen aus höheren Zuständen des Bewusstseins nicht gleich; denn es ist auf ein bestimmtes Objekt gerichtet.“
Ees gibt drei Ursachen des (rechten) Wissens (pramana), nämlich direkte Wahrnehmung, kompetente Zeugenaussage und logische Schlussfolgerung. Hier sagt Patanjali, die höchste direkte Wahrnehmung geschieht in Nirvichara Samadhi. Wenn wir Nirvichara Samadhi erreichen, erlangen wir Wissen über alles. Das Wissen dagegen, das wir aus Schlussfolgerung und Zeugnis haben, ist nur auf ein bestimmtes Objekt gerichtet und außerdem irrtumbehaftet (wir objektivieren die Wahrheit – das Subjekt).
1.50: „Die daraus entstandenen Eindrücke (Samskaras) ersetzen alle anderen.“
- Resultat der höheren Bewusstseinszustände
- Samadhi ändert etwas Grundlegendes in uns – wir sind nicht mehr wie vorher
- Unser Denken, Fühlen, Wollen, Mögen und Wünschen haben sich verändert
1.51: „Wird auch dies zur Ruhe gebracht und so alles zur Ruhe gebracht, tritt man in den samenlosen (nirbija) Zustand des samadhi ein.“
Wenn die neuen Eindrücke (durch Samadhi) auch zur Ruhe gebracht werden, so dass keine Gedankenwellen mehr im Geist sind, ist das der samenlose Zustand (nirbija samadhi, auch asamprajnata samadhi, nirvikalpa samadhi im Vedanta) – die Selbstverwirklichung.
Siehe auch
- Jnana Yoga
- Bhakti Yoga
- Karma Yoga
- Hatha Yoga
- Kundalini Yoga
- Yoga Sutra
- Samadhi Pada
- Sadhana Pada
- Vibhuti Pada
- Kaivalya Pada
- Geisteszustand
Quelle
- Swami Sivananda Sarasvati, Yoga im alltäglichen Leben, Lebensweiser-Verlag 1954
Literatur
- Bretz, Sukadev Volker, Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute
- Swami Vishnudevananda, Meditation und Mantras
Weblinks
- Kommentar von Sukadev über Raja Yoga - Die Yoga Sutras von Patanjali
- Blogbeitrag zum Thema Raja Yoga
- Yoga Sutra, erstes Kapitel: Samadhi Pada Theorie des Geistes - Kommentar von Sukadev
Seminare und Ausbildungen
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