Vairagya

Aus Yogawiki
(Weitergeleitet von Vairāgya)

Vairagya (Sanskrit: वैराग्य vairāgya n.) bedeutet Wunschlosigkeit, Verhaftungslosigkeit und Leidenschaftslosigkeit. Es ist die zweite der vier Sadhana Chatushtaya – jener Eigenschaften, die ein spiritueller Schüler benötigt, um sich auf die ernsthafte Suche nach der Wahrheit zu begeben (vgl. Shubheccha).

Was ist mit Verhaftungslosigkeit?

Vairagya bedeutet, sich bewusst in Entsagung gegenüber allen vergänglichen Leidenschaften zu üben und sich nicht mit den Ergebnissen des eigenen Handelns zu identifizieren.

Dies entsteht einerseits durch die eigene Willenskraft, andererseits durch die Befreiung von allen Verhaftungen – eine Befreiung, die sich einstellt durch das Bewusstwerden der Einheit mit dem Göttlichen (Purusha).

Die drei weiteren Eigenschaften der Sadhana Chatushtaya sind:

Das Sanskritwort Vairagya

Vairagya (Sanskrit: वैराग्य vairāgya n.) das Sichentfärben, Bleichwerden; Gleichgültigkeit aus Überdruss, Abneigung, Widerwille (gegen Personen oder Sachen); Gleichgültigkeit gegen die Welt, Lebensüberdruss; Freiheit von allen weltlichen Wünschen, eine asketische Lebenseinstellung.

Sukadev über Vairagya

Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Vairagya

Vairagya ist ein Zustand jenseits aller Wünsche. Er ist geprägt von beständiger Wunschlosigkeit, die nicht schwankt und unabhängig von äußeren Umständen bleibt. Vairagya wird auch als Nichtanhaften oder Leidenschaftslosigkeit bezeichnet.

Der Begriff leitet sich vom Wort Raga ab, das in diesem Zusammenhang Wunsch, Anhaftung oder Gier bedeutet. Das Präfix Vi- bedeutet „nicht“, während -ragya auf den Zustand verweist. Vairagya ist somit der Zustand jenseits aller Wünsche, das Nicht-Anhaften an Raga.

Zugleich gilt Vairagya als Kennzeichen des Asketenlebens. Wer in Vairagya lebt, verzichtet innerlich auf weltliche Dinge. Klassisch äußert sich dies im Rückzug in den Wald sowie das Leben von Bettelgaben oder von natürlichen Gaben wie Beeren und Wurzeln, die die Natur von selbst hervorbringt.

Vairagya in der Sadhana Chatushtaya

Vairagya ist die zweite der vier Sadhana Chatushtaya, also jener vier zentralen Eigenschaften für spirituelles Wachstum, wie sie zum Beispiel von Shankaracharya im Viveka Chudamani beschrieben werden. Dort heißt es: Um zur höchsten Verwirklichung zu gelangen, sollte man sich mit den vier Eigenschaften des Sadhanas ausstatten. Danach gilt es, einen Lehrer zu suchen, der den Schüler unterweisen kann. Verfügt der Schüler über Sadhana Chatushtaya, wird er zügig zur Verwirklichung kommen.

Die vier Eigenschaften sind:

Ein spiritueller Aspirant strebt nach dem Unendlichen – und dazu ist Vairagya notwendig: der Verzicht auf das Begrenzte, auf Dinge, die vergänglich sind.

Die Essenz von Vairagya

Vairagya könnte man vielleicht am treffendsten übersetzen als: die Abwesenheit der Vorstellung, dass Wunscherfüllung glücklich macht.

Die meisten Menschen glauben, dass sie durch die Erfüllung ihrer Wünsche glücklich werden. Sie denken: „Wenn ich nur genügend Geld hätte, wäre ich glücklich. Wenn ich nur ein großes Haus besäße, wäre ich glücklich. Wenn mein Chef freundlicher wäre, meine Kollegen netter, meine Mitarbeiter kooperativer, meine Kunden angenehmer, mein Nachbar ruhiger, mein Hauseigentümer verständnisvoller – dann wäre ich glücklich.“

Doch Vairagya ist mehr als bloße Erkenntnis – es ist eine tiefe Herzensverwirklichung: dass ein äußeres Leben allein keinen dauerhaften inneren Frieden oder wahres Glück schenken kann.

Es ist wichtig, diese Vairagya zu entwickeln.

Swami Sivananda hat dazu ein ganzes Buch verfasst: „How to Get Vairagya“ („Wie du Vairagya entwickeln kannst“). Auch in seinem Werk „Göttliche Erkenntnis“ („Bliss Divine“ auf Englisch) widmet er ein eigenes Kapitel dem Thema Vairagya.

Du findest dazu auch hilfreiche Artikel auf den [www.yoga-vidya.de Yoga Vidya Internetseiten]. Gib einfach im Suchfeld den Begriff „Vairagya“ ein – dort erfährst du mehr über das Wie und Warum von Vairagya und bekommst praktische Anregungen, wie du es im Alltag kultivieren kannst.

Ein spiritueller Aspirant möchte das Unendliche erfahren. Wer das Unendliche erfahren will, muss bereit sein, auf das Begrenzte zu verzichten.

Vairagya bedeutet daher auch den Verzicht auf das Beschränkte. Vor allem aber ist Vairagya eine innere Haltung – die tiefe Überzeugung, dass ein äußerlich ausgerichtetes Leben, das sich nur um Erfolg und Geld dreht, keine dauerhafte Erfüllung bringen kann.

Wenn du diese Einsicht erlangt hast, entsteht daraus Mumukshutva – der intensive Wunsch, die höchste Wirklichkeit zu erfahren.

Vairagya und Mumukshutva gehören zusammen. Das eine ist das Loslassen – Vairagya, das andere ist das Streben – nach dem Höchsten, dem Ewigen, dem höchsten Bewusstseinszustand.

Zusammenfassung

Vairagya ist die Abwesenheit von Wünschen – oder genauer: die tiefe Überzeugung, dass Wunscherfüllung, ein äußerlich gelebtes Leben und materieller Erfolg kein dauerhaftes Glück schenken können.

Es ist die Erkenntnis, dass der Sinn des Lebens nicht darin besteht, bloß den eigenen Wünschen und Instinkten zu folgen oder äußeren Erfolg anzustreben.

Vairagya bildet die Grundlage für Mumukshutva – den brennenden Wunsch nach Erleuchtung und Gotteserfahrung.

Das Yoga Sutra von Patanjali

दृष्टानुश्रविकविषयवितृष्णस्य वशीकारसंज्ञा वैराग्यम् || 1.15 ||
तत्परं पुरुषख्यातेर्गुणवैतृष्ण्यम् || 1.16 ||
dṛṣṭānuśravika-viṣaya-vitṛṣṇasya vaśīkāra-saṃjñā vairāgyam || 1.15 ||
tat-paraṃ puruṣa-khyāter guṇa-vaitṛṣṇyam || 1.16 ||
Vairagya ist der Bewusstseinszustand, in dem das Verlangen nach sichtbaren und unsichtbaren Objekten aufgehört hat.
Der höchste Zustand des Nichtanhaftens entsteht durch Erkenntnis des Selbst und ist frei von Gier nach den Eigenschaften der Natur.

Swami Sivananda über Vairagya

Auszug aus dem Buch "Göttliche Erkenntnis" von Swami Sivananda

Was ist mit Wunschlosigkeit?

Vairagya ist Leidenschaftslosigkeit – jedoch nicht die Aufgabe sozialer Pflichten und Verantwortlichkeiten im Leben.

Ein Vairagi (ein leidenschaftsloser Mensch) kennt kein Raga und kein Dwesha – also weder Zu- noch Abneigung. Ein weltlicher Mensch hingegen ist Sklave dieser beiden mächtigen Strömungen.

Ein leidenschaftsloser Mensch hat eine besondere innere Schulung durchlaufen: das Loslösen vom Nichtdauerhaften und Vergänglichen.

So gilt: Ein leidenschaftsloser Mensch ist der stärkste, glücklichste und reichste Mensch der Welt.

Setze alles daran, dich von jedem Wunsch nach bekannten oder unbekannten Sinnenfreuden zu befreien. Ein leidenschaftsloser Mensch macht ganz andere Erfahrungen – er ist ein Meister in der Kunst und Wissenschaft des Sich-Loslösens.

Diese Leidenschaftslosigkeit kann erreicht werden, indem man sich immer wieder das darin liegende Übel bewusst macht. Leidenschaftslosigkeit bedeutet, auf das Streben nach Erfüllung zu verzichten – sie ist eine Abneigung gegenüber Sinnenfreuden, sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft.

Es gibt zwei Arten von Verhaftungslosigkeit bzw. Leidenschaftslosigkeit: eine niedere und eine höhere.

Vijnana Bhikshu beschreibt sie folgendermaßen:

  • Die höhere Verhaftungslosigkeit ist ein tiefer Widerwille gegenüber den angenehmen Dingen des Lebens – sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft. Sie entsteht aus der Erkenntnis, dass diese Dinge niemals ohne Mühe zu erlangen oder zu bewahren sind, dass ihr Verlust Schmerz verursacht und dass das Streben nach ihnen stets mit egoistischen Gefühlen verbunden bleibt.
  • Die niedere Verhaftungslosigkeit gründet sich hingegen auf das klare Unterscheiden zwischen der Intelligenz und den Objekten, die in ihrem Licht erscheinen.

Es gibt verschiedene Stadien der Leidenschaftslosigkeit.

  • In der ersten Phase fasst der spirituell Suchende den Entschluss, sich im Genuss sinnlicher Objekte zu mäßigen.
  • In der zweiten Phase verlieren bestimmte Dinge allmählich ihre Anziehungskraft, und er bemüht sich, auch die übrigen Bindungen zu überwinden.
  • In der dritten Phase beherrscht er die Sinne, doch im Geist verbleibt noch ein unbestimmtes Verlangen nach Sinnenfreuden.
  • In der vierten Phase erlischt auch dieses Verlangen, und der Suchende verliert gänzlich das Interesse an äußeren Dingen.
  • Die fünfte und letzte Phase ist der Zustand vollkommener Wunschlosigkeit.

Diese höchste Form der Leidenschaftslosigkeit schenkt dem Yogi vollkommene innere Freiheit. In diesem Zustand verzichtet er selbst auf subtile psychische Kräfte, etwa auf Allwissenheit oder ähnliche Fähigkeiten.

Durch Übung und Leidenschaftslosigkeit kann das Fließen der Gedanken zu äußeren Dingen unter Kontrolle gebracht werden. Bloße Gleichgültigkeit genügt nicht – es braucht beständiges Üben.

Sich immer wieder an Gott zu erinnern, ist ebenfalls eine Form der Übung.

Vairagya - Grundlagen des Jnana Yoga

Swami Sivananda

Auszug aus dem Buch "Jnana Yoga" von Swami Sivananda (Hrsg.: Divine Life Society, 2007), S. 12-13

Warum lachst du, mein Freund! Du hast doch allen Grund zu weinen. Du hast dein Leben mit Unsinn und Fleischeslust vertan. Du hast dich etlicher Vergehen schuldig gemacht. Du hast nichts getan, um dich weiterzuentwickeln. Du hast kein reines Gewissen. Dein Herz ist angefüllt mit Unrat. Du findest keine Ruhe im Geiste. Führe dir vor Augen, dass die Fleischeslust dir am Ende den Tod bringt.

In der Bhagavad Gita, XVIII.38, lesen wir: „Die aus Leidenschaft hervorgegangene Sinneslust ist Nektar zu Beginn und Gift am Schluss.“

Öffne deine Augen jetzt. Werde tugendhaft. Suche die Gesellschaft von Weisen. Denke an Ihn. Meditiere. Du wirst ein neues, wunderbares Leben haben.

Vairagya ist ein rein mentaler Zustand. Jemand kann in der Welt, inmitten von Luxus, Frauen und Reichtümern leben und dennoch Vairagya besitzen, während ein Sadhu, der in einer Höhle im Himalaya lebt, an sein Wassergefäß, seinen Stab oder seinen Lendenschurz gebunden sein kann. König Janaka war vollkommen leidenschaftslos, obwohl er ein großes Königreich regierte. Auch König Bhagiratha handelte so. Königin Chudala besaß vollkommenes Vairagya, obwohl sie einem Herrschaftsgebiet vorstand, während ihr Ehemann, der sich in die Waldeinsamkeit zurückgezogen hatte, an seinem Körper und seinem Wassergefäß hing.

Du kannst dir in Bezug auf Vairagya kein Urteil über einen Sannyasin oder einen Haushälter bilden, wenn du nur kurz mit ihm sprichst oder nur ein paar Tage mit ihm zusammen bist. Du musst sehr lange Zeit mit ihm verbringen und seine mentale Einstellung beobachten. Im Allgemeinen machen die Menschen schwerwiegende Fehler: Sie lassen sich von äußeren Erscheinungen täuschen. Sie halten einen physisch nackten Sadhu zunächst für einen Mahatma. Nachdem sie mit ihm in Kontakt waren, ändern sie ihre Meinung. Physische Nacktheit bedeutet nicht Vairagya. Worauf es ankommt, ist mentale Nacktheit – zum Beispiel die Überwindung der Vasanas und des Egos. Lasse dich nicht vom äußeren Erscheinungsbild täuschen!

Wahres Vairagya

Auszug aus dem Buch "Jnana Yoga" von Swami Sivananda (Hrsg.: Divine Life Society, 2007), S. 167-169

Der große Titikshu war ein Sannyasin in Benares. Er konnte Hitze und Kälte ertragen. Im Sommer stand er stundenlang in der Sonne, im Winter stundenlang in der Ganga. Er schlief auf einem Bett aus Gras und hielt sich von Ansiedlungen fern.

Eines Tages nahm ihn einer seiner Verehrer, Sri Ram, mit nach Mussorie. Sri Ram stellte ihm eine Hütte zum Schlafen zur Verfügung. Doch der Sannyasin lehnte es ab, in einer Hütte zu schlafen. Er wollte sein Bett aus Gras. Es regnete stark an jenem Tag, und es war schwierig, Gras für ihn zu finden.

Sri Ram sagte: „Swamiji, es ist sehr schwierig, hier Gras zu bekommen. Es regnet in Strömen. Bitte schlafe heute Nacht in der Hütte. Das wird dich in keiner Weise binden. Du bist ein fortgeschrittener Sannyasin. Was macht es für dich aus, ob der Körper auf Gras oder auf einem Bett liegt?“ Der Swamiji antwortete: „Nein, nein, nein. Ich schlafe nur auf Gras. Du musst es mir auf jeden Fall bringen.“ Unter größten Mühen gelang es Sri Ram, dem Swami ein Bett aus Gras zu bauen.

Anhaftung an Vairagya ist ebenfalls eine schlechte Anhaftung. Vairagya ist ein Weg, um die Weisheit des Selbst zu erfahren – nicht das Ziel an sich. Ein Jivanmukta hat weder Raga noch Vairagya. Wenn du ihm ein kleines, trockenes Bett zur Verfügung stellst, wird er zufrieden sein. Er wird nicht murren. Wenn du ihm Süßigkeiten, Milch und Früchte gibst, wird er sie nicht ablehnen – doch er ist von Nahrung nicht abhängig. Er erfreut sich allein an seinem eigenen Selbst, nicht an äußeren Objekten. Daran kann man am besten erkennen, ob ein Mensch Befreiung erlangt hat oder nicht.

Der weltliche Mensch verzagt, wenn er nicht die richtige Nahrung erhält. Er erfreut sich an schmackhafter Kost. Eine verwirklichte Seele hingegen hat einen ruhigen Geist – sie steht über Neigung und Abneigung.

Shukadeva wurde von König Janaka geprüft. Er wartete mehrere Tage ohne Nahrung vor dem Tor – ganz ruhig und gelassen. Schließlich wurde er in den Harem geführt. Auch dort blieb er unberührt. Die Ranis servierten ihm feinste Speisen – er blieb unbeeinflusst. Das ist wahre Weisheit.

Offensichtlich hatte der Swami, der in Mussorie auf einem Bett aus Gras bestehen wollte, die Ruhe des Geistes noch nicht vollkommen erlangt. Er war an Vairagya gebunden, selbst nach vielen Jahren spiritueller Praxis. Er war noch nicht vollkommen frei von jeglicher Anhaftung – denn auch das Festhalten an Vairagya ist eine Form der Anhaftung. Er hatte Sahaja Avastha noch nicht erreicht. In Sahaja Avastha ist der Weise allem gegenüber gelassen – ob er auf einem Grasbett oder auf einem normalen Bett mit Matratze und Kissen schläft, beides geschieht mit dem gleichen Gefühl.

Wer über die Ruhe des Geistes gegenüber Objekten verfügt, wird im Yoga Vasishtha ein Maha Tyagi oder Maha Bhogi genannt. Es ist leicht, Vairagya zu praktizieren – aber schwer, den Geist in Gelassenheit zu halten.

Einige in der Öffentlichkeit tätige Sannyasins sagen: „Wir reisen nicht mit dem Zug. Wir gehen nur zu Fuß. Wir trinken keine Milch, essen keine Früchte, benutzen keine Füllfederhalter oder Uhren.“ Doch das sind keine wünschenswerten Entsagungen. Das ist nicht das wahre Wesen von Vairagya. Sie sind an Vairagya selbst gebunden – auch das ist eine Form der Unwissenheit. Wenn sie mit Zügen oder Autos reisten, bliebe ihr Körper gesünder, und sie könnten der Menschheit länger dienen. Mit einem Füllfederhalter könnten sie in kürzerer Zeit viel mehr schreiben. Dummheit nimmt viele Formen an – sie macht selbst vor Gebildeten und Sannyasins nicht halt.

Manche Sannyasins praktizieren Vairagya, um Pratishtha – Ruhm und Respekt – zu erlangen. Gott kennt jedoch ihre wahren Motive, denn Er ist der Antaryamin, der innere Lenker. Ihn kann man nicht betrügen. Wo liegt die Stärke von Vairagya, wenn man in Einsamkeit lebt – ohne Versuchungen? Wo liegt die Stärke von Vairagya, wenn man nichts aufgegeben hat, weil es nichts aufzugeben gab – wenn man die Objekte der Welt nie genossen hat? Wo liegt die Stärke von Vairagya, wenn ein Mensch im Äußeren zeigt, dass er ein großer Virakta (Leidenschaftsloser) sei, indem er eine Bettelschale trägt, sein Geist sich aber nach den Objekten der Welt sehnt?

König Janaka lebte inmitten der Genüsse. Man erzählt, dass die Stadt Mithila in Flammen stand – und es berührte ihn nicht. Das ist wahres Vairagya. Nur ein solcher Mensch kann als Virakta bezeichnet werden.

Junge Aspiranten sollten sehr sorgsam und wachsam sein. Sie sollten sich nicht anmaßen, die Freiheit eines Maha Tyagis oder Maha Bhogis zu beanspruchen. Diese Lebensweise kann nur von fortgeschrittenen Yogis geführt werden, die mit allen Wesen eins sind. Anfänger sollten mit Wahrhaftigkeit, Ahimsa, Brahmacharya und Vairagya beginnen.

Möget ihr alle Raga und Vairagya transzendieren und das Wissen über das Selbst erlangen. Möget ihr die wahre Natur und das Svarupa von Vairagya verstehen!

"Was ist wahres Vairagya" - von Sri Swami Sivananda

Den Körper im Namen von Tapas (Askese) unnötigen Qualen auszusetzen, ist höchst verwerflich. Dies ist Asuric Tapas – dämonische Askese – unwissender Menschen. Krishna verurteilt solches Verhalten in der Gita.

Der Körper ist der lebendige Tempel Gottes und ein Instrument zur Selbstverwirklichung. Kein Sadhana kann praktiziert werden, wenn der Körper nicht stark und gesund erhalten wird.

Ebenso ist Anhaftung an Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) ebenso schädlich wie Anhaftung an Sinnesobjekte. Darum gilt: Gib Vairagya-Abhimana (ego-zentrierte Leidenschaftslosigkeit) auf. Diese Form des Abhimana bei Sadhus ist noch gefährlicher und schwerer zu überwinden als das Abhimana weltlicher Menschen.

Shiva Statue bei Bangalore

Vairagya-Abhimana ist wie ein tödliches Geschwür. Solange die Identifikation mit dem Körper besteht, ist es schwer, Vairagya-Abhimana zu überwinden.

Das Gefühl: „Ich bin ein großer Vairagi oder Tyagi“ ist selbst Vairagya-Abhimana. Der Körper eines Sannyasins (Mönchs), der sein Leben in den Dienst der Menschheit gestellt hat, gehört nicht mehr ihm selbst, sondern ist Eigentum des Volkes. Er kann keinen Anspruch darauf erheben, da er die Existenz des Körpers leugnet und sich stets bemüht, zu fühlen: „Ich bin Shiva (Shivoham)“. Um seinen Körper wird sich die Gemeinschaft kümmern.

Auch Lord Buddha hat seinen Körper zunächst misshandelt, strenge Askese geübt, auf Nahrung verzichtet – und war dennoch nicht in der Lage, auf diesem Weg das Ziel zu erreichen.

Er hörte das Lied:

Heiter ist das Tanzen, wenn die Sitar gestimmt ist. Stimme für uns die Sitar weder zu hoch noch zu tief, und wir werden den Menschen die Herzen wegtanzen. Die überspannte Saite bricht – und die Musik verfliegt. Die zu lockere Saite klingt dumpf – und die Musik stirbt. Stimme für uns die Sitar weder zu hoch noch zu tief.

Dann nahm er Nahrung zu sich, folgte dem mittleren Pfad und erreichte Nirvana. Extreme Askese ist nicht notwendig, um Perfektion zu erlangen. Entscheidend ist vielmehr ein starkes mentales Vairagya, geboren aus tiefer Unterscheidungskraft.

Nicht alle Körper sind geeignet für strenge Askese. Wird dem Körper zu rigides Tapas auferlegt, so bricht er zusammen. Beschädige daher deinen Körper und deine Gesundheit nicht im Namen von Tapas.

Halte deinen Körper stark und gesund – aber ohne Anhaftung an ihn. Sei bereit, ihn für eine edle Sache hinzugeben.

Wer ein Pferd versorgt, gibt ihm die richtige Nahrung, wenn es überarbeitet oder krank ist. Nur so wird es wieder in der Lage sein, weiterzuarbeiten. Genauso sollte man auch den Körper angemessen ernähren. Nur dann kann er gute Arbeit leisten und schnell verlorene Vitalität, die durch Überarbeitung oder Krankheit geschwunden ist, zurückgewinnen.

Die Arbeit wird leiden, wenn der Körper nicht richtig behandelt wird. Wenn der Körper altert, muss er vor Kälte geschützt und gut versorgt werden.

Wird jedoch übermäßig hartes Titiksha (Ausdauer) geübt, wirkt sich das nachteilig aus. Die Folge ist, dass das andere Ufer der Unsterblichkeit und der Angstfreiheit nicht erreicht werden kann.

O Ram, vernachlässige deinen Körper nicht. Die Gesellschaft und Prakriti ziehen so viel Arbeit aus einem selbstlosen Diener heraus, der sein Leben in den Dienst der Menschheit gestellt hat – und sie werden es weiter tun. Er wird dienen bis zum letzten Atemzug, der den Körper verlässt.

Vishnu sprach zu Prahlada: „Mein lieber Prahlada! Genug mit Tapas. Achte auf deinen Körper. Erhebe dich aus Samadhi. Diene nun den Menschen. Säe Bhakti fern und weit.“

Auch das Yoga Vashishta lehrt: Ein Maha Tyagi (großer Verzichter) und ein Maha Bhogi (großer Genießer) sind jene, die sich von der Vorstellung „Ich bin ein Tyagi“ oder „Ich bin ein Vairagi“ losgelöst haben. Sie nehmen weder die Dinge, die von selbst kommen, an, noch lehnen sie diese ab – denn sie identifizieren sich mit dem stillen Zeugen, dem unsterblichen Atman, und fühlen stets: „Ich bin Akarta (Nicht-Tuender), ich bin Abhoka (Nicht-Genießer)“, selbst wenn sie sich inmitten der Objekte bewegen.

Die Gita sagt: „Doch das disziplinierte Selbst, das sich inmitten der Sinnesobjekte bewegt, mit den Sinnen frei von Anziehung und Ablehnung, gemeistert durch das Selbst, gelangt zu Frieden.“ (Kapitel II, Vers 64)

Swami Sivananda

Einige Neophyten und unreife Aspiranten nennen sich selbst „Maha Tyagis“ oder „Maha Bhogis“ und zitieren die Schriften: „Wir essen ohne Zungen und sehen ohne Augen.“

Doch wie der Dieb oder der Heuchler bald entdeckt wird, so auch sie. Sie gleichen jenen Menschen, die Fische aus dem Ganges fangen, nur um ihren Gaumen zu befriedigen, und zugleich die Gita zitieren: „Nainam chindanti śastrāṇi, nainam dahati pāvakaḥ; na cainaṃ kledayanty āpo, na śoṣayati mārutaḥ – Waffen durchschneiden ihn nicht, Feuer verbrennt ihn nicht, Wasser durchnässt ihn nicht, kein Wind kann ihn forttragen.“

Dies ist in Wahrheit die sublime Philosophie, die von verdrehten Menschen oder pervertierten Intellekten missbraucht wird.

Solcher Schmuck wird nicht lange glänzen. Wie eine Krähe, die sich mit den geliehenen Federn eines Pfaus schmückt, wird auch sie bald entlarvt. Ihre Trishnas (Sinnesverlangen) und Vasanas (subtile Wünsche) werden zum Vorschein kommen – und jeder Laie wird ohne Mühe den Heuchler erkennen.

Ein Maha Tyagi oder Maha Bhogi lehnt weder Mangos noch ein Glas Milch ab, wenn sie ihm von selbst dargebracht werden. Doch er sehnt sich auch nicht danach. Er sagt nicht: „Heute habe ich köstliche Mangos und gute Milch genossen.“

Wenn ein Aspirant ernsthaft krank ist, keine feste Nahrung zu sich nehmen kann und in ihm der Wunsch nach Milch entsteht, er selbst aber kein Geld besitzt, um sie zu kaufen, und ein Anhänger ihm von sich aus etwas Milch anbietet, dann sollte er sie nicht zurückweisen.

Denn Gott wirkt auf geheimnisvolle Weise – er sorgt für denjenigen, der ihn verehrt, indem er durch den Geist vieler Menschen handelt.

Das Kind nimmt manchmal Nahrung zu sich, während es schläft. Fragt die Mutter es am nächsten Morgen: „Baby, du hast letzte Nacht etwas Nahrung gegessen“, antwortet es: „Ich habe letzte Nacht nichts zu mir genommen. Du spielst nur mit mir und machst Witze.“

So ist auch der Zustand eines Jivanmukta, eines Maha Tyagi oder Maha Boghi: Er isst – und doch isst er nicht. Er genießt, und doch ist er frei von Anhaftung. Er nimmt Nahrung auf, als hätte er keinen Mund, er riecht, als hätte er keine Nase.

Ebenso spricht ein Mensch manchmal im Traum, ohne es zu wissen. Fragt man ihn beim Erwachen: „O Prema, weißt du, dass du heute Nacht gesprochen hast, während du geträumt hast?“, so wird er antworten: „Ich erinnere mich an nichts.“

Genauso verhält es sich beim Jivanmukta oder beim Maha Tyagi, ja sogar beim Maha Bhogi.

Durvasa nahm ein reichhaltiges Mahl zu sich, und doch sagte er: „Ich bin ein Nitya Upavasi. Ich habe nichts gegessen – ich trank nur den Saft des Grases.“ Denn er identifizierte sich mit dem Atman, der immer der stille Beobachter und der Nicht-Genießer ist.

Auch Krishna wird als Nitya Brahmachari (im ewigen Zölibat lebend) betrachtet, obwohl er mit Radha, Rukmini und Satyabhama verbunden war.

Der Weise Tiruvalluvar sprach einst zu seiner Frau: Der Weise Tiruvalluvar sagte zu seiner Frau: “Liebste, sag dem Fluss dass dein Ehemann, ein Nitya Brahmachari , dir befiehlt mich durchzulassen. Der Fluss wird auf der Stelle weichen und du wirst ihn ohne Boot überqueren können. Sie wiederholte die Worte ihres Mannes und überquerte den Fluss sofort.

Erstaunt fragte sie: „Mein Herr! Du lebst mit mir, und dennoch sagst du, du seiest ein Nitya Brahmachari. Wie ist diese Philosophie zu verstehen?“

Da erwiderte Tiruvalluvar: „Ich bin der unsterbliche Atman, und ich habe dies durch direkte Anubhava erkannt. Ich tue nichts. Ich bin der stille Beobachter. Sinne, Körper, Geist und Intellekt sind meine Werkzeuge. Ich selbst aber bin verschieden von ihnen.“

Daraufhin verstand die Frau des Weisen die wahre Natur der Seele – und sie wurde still.

Gewöhnliche Aspiranten mit schwacher Gesundheit sollten keine strenge Askese üben. Wer jedoch Kaya Siddhi – die Vollkommenheit des Körpers – erlangt hat, kann jede Form von Tapas praktizieren, da sein Körper stark und widerstandsfähig wie ein Diamant geworden ist.

Versucht hingegen ein Aspirant mit schwacher Konstitution, auf Nahrung zu verzichten oder sich allein von Neem-Blättern zu ernähren, wird er unweigerlich verschiedene Magen-Darm-Beschwerden erleiden und früh aus dem Leben scheiden. Dies ist die unvermeidliche Frucht eines tamasigen Tapas.

Wenn du die Gegensatzpaare – wie Hitze und Kälte – gemeistert hast, wenn du starke Hitze wie auch intensive Kälte ertragen kannst, wenn du selbst ohne Kleider im eisigen Gangotri verweilst, dann ist das wahrlich anerkennenswert.

Wenn jedoch deine körperliche Verfassung zart und empfindlich ist, und du versuchst, im Sommer stundenlang in der Sonne zu stehen oder in Gangotri alle deine Kleider abzulegen, wirst du bald an Sonnenstich oder Lungenentzündung zugrunde gehen. Solche harten Praktiken solltest du nicht ausüben.

Denn das Wenige, was du durch Japa und Meditation in diesem Leben bereits erreicht hast, ginge verloren. So würdest du eine von Gott gewährte Gelegenheit, ihm in diesem Leben nahe zu kommen, durch törichtes, tamasiges Tapas vergeuden.

Swami Sivananda - ohne Verhaftung

Ein Aspirant legte eines Tages seine Kleidung vollständig ab. Kurz darauf erkrankte er an Rheuma, an Malaria und an einer vergrößerten Milz und verstarb nach kurzer Zeit. Während seiner Krankheit kehrten alle zuvor unterdrückten Wünsche mit doppelter Kraft zurück. Er wurde zum Sklaven der Zunge: voller Verlangen nach vielerlei Speisen konnte er seinen Appetit nicht mehr zügeln. So aß er ohne Unterscheidungskraft und fand schließlich den Tod durch akuten Durchfall.

Ein Aspirant sprach: „Ich habe das Selbst noch nicht verwirklicht, obwohl ich seit Jahren meditiere. Deshalb will ich meinen Körper verlassen – mit dem Bhava (Gefühl), dass ich das unsterbliche Atman bin. Ich habe vollkommene Verhaftungslosigkeit. Keine Sünde kann an mir haften, denn meine Motivation ist rein. So werde ich die Selbstverwirklichung erlangen.“

Daraufhin beging er diese Tat. Doch hat er dadurch wirklich die Selbstverwirklichung erreicht? Findest du eine solche Behauptung irgendwo in den Schriften? – Gewiss nicht. Dies ist ein Ausdruck äußerster Dummheit.

Manche Aspiranten, die das wahre Wesen der Verhaftungslosigkeit nicht verstanden haben und nicht für eine gewisse Zeit unter der Führung eines Meisters leben, handeln auf solch törichte Weise. Doch durch solches falsches Tapas ist keine Erlösung zu erlangen – auch dann nicht, wenn ihr Bhava rein erscheint. Sie können nicht das Bhava „Ich bin Atman“ unterhalten wenn sie diese Handlung vollbringen. Vielmehr werden in der entscheidenden Stunde erschreckende Gedanken über sie kommen, und sie werden das Schicksal der Pretas (Geister) teilen.

Der Geist sollte behutsam und schrittweise von seinen alten Gewohnheiten und Begierden entwöhnt werden. Wenn du alle Vergnügen plötzlich und auf einmal abschneidest, gerät der Geist in Verwirrung.

Darum geschieht es, dass junge Aspiranten, die zu viel Verhaftungslosigkeit auf einmal üben wollen, in Verzweiflung geraten und bisweilen sogar Selbstmord begehen. Stattdessen solltest du den Geist allmählich durch Meditation schulen und ihn die innewohnende Wonne erfahren lassen. So werden die alten Gewohnheiten und Verhaftungen nach und nach schwinden – und du kannst dich in wahrhaftigem Vairagya verankern.

Je stärker die Viveka – die Unterscheidungskraft –, desto tiefer und beständiger wird das wahre Vairagya. Die Blume des Vairagya entfaltet sich allmählich im Garten des Antahkarana (der geistigen Fähigkeiten wie Geist, Intellekt, Ego und des Unterbewusstseins). Sie wächst aus der klaren Einsicht, dass die Welt der Erscheinungen letztlich voller Leiden ist und dass allein Brahman die wahre Realität darstellt – erfüllt von Weisheit und Wonne. Diese Verwirklichung reift durch beständige Meditation und die Verbindung mit verwirklichten Seelen im Laufe der Zeit.

Eines Tages werden für die leidenschaftlose Seele alle weltlichen Objekte unbedeutend und wertlos erscheinen. Sie wird ihr neues spirituelles Leben nicht aufgeben – selbst dann nicht, wenn ihr alle Reichtümer der Welt angeboten würden.

Aspiranten sollten für eine Zeit lang jene Nahrungsmittel meiden, die sie am meisten lieben. Sie sollen ihre Sinne auf vollkommene Weise disziplinieren und ein einfaches Leben führen. Auch in ihrer Ernährung genügt ihnen das Schlichte. Doch sie dürfen nicht zu Sklaven des „Vairagya Abhimana“ werden. Denn Vairagya ist in Wahrheit ein innerer Geisteszustand, den Gott seinem Anhänger eingibt, damit er sich von der Verhaftung an weltliche Objekte löst.

Möget ihr alle zu Maha Tyagis und Maha Bhogis werden!
Möget ihr euch von dem Geschwür des Vairagya Abhimana befreien!
Möget ihr alle wahres, beständiges Para Vairagya – die tiefe Verhaftungslosigkeit – besitzen.
Möget ihr alle die Befreiung und die höchste Perfektion erlangen.

Worte aus der Bhagavad Gita, Kap. VI, 24-26

Krishna lehrt Arjuna in Bezug auf die Praxis der Geisteskontrolle: Er solle ohne Vorbehalt alle Wünsche aufgeben, die aus den Vorstellungen des Geistes entstehen, alle Sinne in jede Richtung zügeln und so allmählich Ruhe erlangen – durch die beständig geführte Vernunft.

Hat der Geist gelernt, im Selbst zu ruhen, solle er an nichts anderes mehr denken. Und immer dann, wenn der schwankende, unruhige Geist abschweift, bringe er ihn zurück unter die Führung und Kontrolle des Selbst.

Artikel aus dem Yoga Vidya Journal von Sukadev Bretz

Swami Vishnu und Sukadev

Vom Wortstamm her bedeutet Vairagya „Abwesenheit von Raga“. Raga heißt Wunsch oder Mögen. Vairagya ist also der Zustand jenseits des Wünschens – die innere Überzeugung, dass nichts Äußeres dauerhaft glücklich machen kann.

Die meisten Menschen würden zustimmen, dass Geld allein nicht glücklich macht. Dennoch fließt so viel Energie in den Versuch, immer mehr Geld zu verdienen. Warum?

Angenommen, es gäbe den Weihnachtsmann, der einem alles bringen würde, was man begehrt, oder eine Märchenfee, die sagt: „Du hast drei Wünsche frei – sie müssen äußerlich sein.“ Selbst wenn alle Wünsche nach äußeren Gütern erfüllt würden – wäre man dann dauerhaft glücklich? Unsere Erfahrung zeigt: Nein.

Die Verinnerlichung dieser Erfahrung ist Vairagya. Solange man denkt, glücklich zu werden, wenn nur dies oder jenes anders wäre, solange fehlt tiefes Vairagya.

Typische Gedanken sind etwa:

„Es müsste mich nur die oder der Richtige heiraten, dann wäre ich dauerhaft glücklich.“
„Ich müsste nur endlich ein Kind bekommen. Wenn es mit der künstlichen Befruchtung klappt, dann werde ich glücklich.“
„Wenn die Kinder endlich aus dem Haus sind, dann bin ich glücklich.“
„Wenn meine Mutter wieder gesund ist, dann werde ich glücklich sein.“
„Wenn endlich die Zeit der Pflege vorbei ist, dann werde ich wieder leben können.“
„Wenn ich diese besondere Wohnung habe – mit Ausblick und Traumküche –, dann werde ich dauerhaft glücklich sein.“

Und so weiter …

Vairagya - Kurzvortrag mit Sukadev

Erwachtes Vairagya bedeutet nicht, dass es bereits vollkommen ist. Auch wenn noch viele Wünsche vorhanden sind, weiß man doch tief im Inneren, dass ihre Erfüllung kein dauerhaftes Glück bringt – dass es etwas Tieferes geben muss.

Wenn jedoch nur Vairagya erwacht, ohne die drei anderen Grundlagen (Viveka, Shatsampat, Mumukshutwa), kann das nicht nur positiv sein. Es kann sogar zu inneren Krisen führen. Manche Formen von Depression – wenngleich keineswegs alle – sind Ausdruck des Erwachens von Subecha, der ersten Stufe des spirituellen Weges. Doch auch schwerere Formen von Depression, ja sogar Selbstmordgefährdungen, können auftreten, wenn Vairagya erwacht, man aber nicht erkennt, was tatsächlich glücklich macht – wenn man keine Alternative, keinen tieferen Sinn sieht.

Diesen Sinn schenkt die Überzeugung: Ja, es gibt ein höheres Ziel, nämlich die Verwirklichung der Einheit mit der ursprünglichen Essenz. Und es lohnt sich, danach zu streben – das ist Mumukshutwa.

Viele Menschen geraten in Verzweiflung, weil gerade in unserer Gesellschaft Spiritualität selten als mögliche Lebensperspektive vermittelt wird. Zwar gibt es viele Yoga- und Meditationszentren, und die Bücher des Dalai Lama sind Bestseller. Doch das durchschnittliche Kind wächst nur selten mit der Vorstellung auf, dass auch ein spiritueller Weg eine Lebensoption sein kann.

Wenn aber eine innere Suche bereits angelegt ist, kann deren Verdrängung zu Krisen und Süchten führen. Das normale Leben scheint dann nicht mehr aushaltbar – und man versucht, es durch Betäubung erträglich zu machen. Natürlich bedeutet nicht jede Sucht, dass jemand sich auf Subecha befindet. Doch bei manchen ist dies der Fall.

Nicht zufällig ist bis heute das erfolgreichste Programm gegen Alkoholismus das „Zwölf-Schritte-Programm“ der Anonymen Alkoholiker – ein zutiefst spirituelles Programm. Einer der entscheidenden Schritte dort ist, sich an Gott, in welcher Form auch immer, zu wenden und ihm das eigene Leben anzuvertrauen. Viele sagen, dies sei der wichtigste Schritt für ihre Heilung gewesen – die Hinwendung zu einer spirituellen Überzeugung.

Gerade Menschen, die sich unbewusst in einer beginnenden Subecha-Phase befinden, brauchen oft nicht mehr als diese neue Perspektive, um sich aus Suchtmustern zu befreien.

Vairagya und Kaivalya

Sei verhaftungslos wie der Lotus

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -

Nicht anhaften führt zur Gottverwirklichung, zur Selbstverwirklichung, zur Befreiung

Kommentar zum 50. Vers des 3. Kapitels des Yoga Sutra von Patanjali

Patanjali schreibt:

„tad vairagyad api dosha bija kshaye kaivalyam“.

Kaivalya kommt durch nicht anhaften an alles. Und durch die Zerstörung des Samens der Unwissenheit.

Vairagya – Nicht anhaften

Vairagya ist von enormer Bedeutung – es gilt, es beständig zu kultivieren. Jede Verhaftung führt letztlich zu Begrenzung.

Darum sollte man immer wieder von Neuem erkennen: „Hier hat sich mein Geist erneut verhaftet.“ Und genau davon gilt es sich wieder zu lösen.

Der Same der Unreinheit

Und dann gibt es Dosha und Bija Kshaya. Das bedeutet: der Same (Bija) der Unreinheit (Dosha) muss zerstört werden.

Wie gelingt das? – Durch Vairagya. Indem du aufhörst, dich zu verhaften, verschwindet jede Unreinheit. Denn der Same der Unreinheit entsteht immer aus Verhaftung.

Darum: Überwinde die Verhaftung – dann folgt Kaivalya, die Befreiung. Selbst an Siddhis, die übernatürlichen Kräfte, solltest du keine Verhaftung und keine Identifikation entwickeln.

Übe Vairagya: Dann gibt es keine Unreinheiten mehr – und du erlangst Befreiung und bleibendes Glück.

Video - Vairagya und Kaivalya - Yogasutra III 51

Hier ein Vortrag zum Thema „Vairagya und Kaivalya“ von und mit Sukadev Bretz, aus der Reihe Yoga Vidya Schulung, Vorträge zum ganzheitlichen [https://www.yoga-vidya.de/yoga/

Yoga].

Dies ist ein Kommentar zum Yogasutra des Patanjali, 3. Kapitel, Vers 51.

Viveka Chudamani - Entwickle Vairagya

Ashtavakra

- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 69 von Sukadev Bretz -

„Der erste Schritt zur Befreiung ist die völlige Losgelöstheit (vairagya) gegenüber allen vergänglichen Dingen. Darauf folgen Gedankenstille (shama), Selbstbeherrschung (dama), Duldsamkeit (titiksha) und vollständiger Verzicht auf alle eigennützigen Handlungen.“

Entwickle Losgelöstheit

Das sagt der Meister immer wieder: „Bereite dich vor – ich werde dich lehren. Aber zuvor musst du noch einiges tun.“

Er spricht: „Entwickle VairagyaLosgelöstheit! Lerne, verhaftungslos zu sein! Wenn du Wünsche hast und dich ärgerst, wenn sie sich nicht erfüllen … wenn du über andere schimpfst, die dich nicht beachten … wenn du dich beklagst, weil du glaubst, nicht das zu bekommen, was dir zusteht – dann mangelt es dir an [https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/sivananda/goettliche-erkenntnis/vairagya/

Vairagya].

Darum: Entwickle Vairagya – lerne loszulassen.“

Geschichte von Janaka und Ashtavakra

Es gibt eine bekannte Geschichte von Janaka und seinem Meister Ashtavakra.

Janaka war bei Ashtavakra in die Lehre gegangen. Am Ende seiner Lehrzeit sagte Janaka: „Es ist üblich, dem Meister zum Abschluss etwas zu schenken. Großer Meister, ich habe so viel von dir empfangen – ich weiß nicht, was ich dir geben soll. Gibt es etwas, das du brauchst? Ich werde es dir geben. Du weißt, ich bin der König des Landes. Ich kann dir alles schenken, was du dir wünschst!“

Ashtavakra lächelte und sprach: „Wirklich alles? Darf ich frei wählen?“ Janaka antwortete: „Ja, mein Wort gilt!“

Daraufhin sagte Ashtavakra: „Dann überschreibe mir dein Königreich.“

Janaka war für einen Moment wie erstarrt, doch er erwiderte: „Mein Wort gilt!“

Ashtavakra ließ seinen Schüler eine Urkunde aufsetzen: „Hiermit überschreibe ich meinem Guru das Königreich. Ab sofort regiert er das Reich.“ Janaka versiegelte sie mit einem Siegelring und fügte das königliche Emblem hinzu.

Ashtavakra sagte: „Gut. Jetzt kannst du gehen.“

Als Janaka gegangen war, rief ihn Ashtavakra sogleich zurück: „Oh Janaka, was soll ich mit deinem Königreich? Es gehört mir nun, aber ich mache dich zum Regenten. Regiere das Reich, doch unter zwei Bedingungen: Erstens, sage niemandem, dass es nicht mehr dein Reich ist. Regiere, als wärst du der König. Zweitens, wisse: Es kann jederzeit geschehen, dass ich komme und das Reich selbst übernehme.“

So kehrte Janaka in das Königreich zurück und regierte sein Reich so gut er konnte – besser als zuvor, denn er wollte es für seinen Guru besonders gut verwalten. Niemand erfuhr, dass das Reich eigentlich seinem Guru gehörte.

Einmal im Jahr kam Ashtavakra vorbei und sagte: „Ich überlege, ob ich nun selbst König werden sollte … Nein, noch nicht.“

So geschah es Jahr für Jahr. Auf diese Weise lernte Janaka vollkommene Verhaftungslosigkeit – und wurde schließlich zum Gottverwirklichten.

Nichts gehört dir

So kannst auch du dir bewusst machen: „Nichts gehört mir. Alles, was da ist, ist nur eine Leihgabe, von begrenzter Dauer. Jederzeit kann es mir genommen werden. Nichts gehört mir!“

Entwickle Vairagya: Gott ist der wahre Herrscher. Er hat dir alles nur anvertraut, damit du damit Gutes bewirken kannst. Nicht du bist der Eigentümer – alles gehört Gott. Darum brauchst du nicht verhaftet zu sein. Gott hat’s gegeben, Gott nimmt es wieder.

Vairagya ist besonders wichtig in Bezug auf alle nicht ewigen Dinge (anityavastuśhu) – sie vergehen ohnehin. Daraus erwächst Gemütsruhe (shama).

Kultiviere diese Gemütsruhe, die aus Vairagya entsteht. Und immer wenn du aus der Gemütsruhe fällst, erkenne: Irgendwo war noch eine Identifikation. Aus Vairagya entwickelt sich wahre innere Ruhe.

Übe dich in Selbstbeherrschung

Darauf folgt Selbstbeherrschung (dama). Auch wenn du nicht immer Gemütsruhe bewahren kannst – übe zumindest Selbstbeherrschung. Folge nicht blind deiner Gier, deinen Wünschen und Emotionen.

Schule dich bewusst in Selbstbeherrschung – sie ist ein weiterer Schritt zur inneren Freiheit.

Kultiviere Duldsamkeit auch gegenüber Leiden

Und dann folgt die Duldsamkeit – titiksha: die Fähigkeit, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, wenn Dinge nicht angenehm sind.

Titiksha bedeutet, auch gegenüber Leiden (dukha) gelassen zu bleiben.

Wenn es zu warm wird – öffne nicht sofort das Fenster.
Wenn es zu kalt wird – drehe nicht gleich die Heizung auf.
Wenn es regnet – lasse es regnen.
Wenn dich Menschen beschimpfen – bleibe gleichmütig.

Übe Duldsamkeit (titiksha) auch in widrigen Umständen – und bewahre Gemütsruhe (shama).

Verzichte auf alle Handlungen, an die du verhaftet bist

Dann heißt es weiter: „Verzichte auf alle Handlungen, an die du verhaftet bist!“ – Im Text steht nicht nur „Verzicht auf eigennützige Handlungen“, sondern ausdrücklich: nyāsaḥ – das Aufgeben von allem [https://www.yoga-vidya.de/karma/

Karma] (prasaktākhilakarmaṇāṁ), an das du gebunden bist – und zwar ohne Zögern.

Wenn du also bemerkst, dass es etwas gibt, woran du verhaftet bist, dann gib es auf. Wenn du ein Kleidungsstück besonders liebst – gib es in die Altkleidersammlung. Wenn du einen Lieblingstopf hast – verschenke ihn.

Willst du die Gottverwirklichung erreichen, dann setze dies praktisch um.

Vielleicht kannst du dich auch jetzt gleich fragen: „Woran bin ich verhaftet – und könnte ich das nicht jemand anderem geben?“

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Jnana Yoga und Philosophie

30.01.2026 - 06.02.2026 Spirituelle Sterbebegleiter Ausbildung

Immer mehr Menschen wollen sich aktiv und offen mit Sterben und Tod beschäftigen und dabei zu einem neuen spirituellen Verständnis von Vergänglichke…
Sukhavati Kusch
15.02.2026 - 18.02.2026 Vedanta Meditationen

Du willst dein wahres Selbst und diese Welt besser verstehen? Der Selbstverwirklichung näher kommen? - Vedanta, das „Ende des Wissens“, kommt schrit…
Karuna M Wapke

Meditation

04.01.2026 - 09.01.2026 Yin Yoga meets Vipassana

In der Ruhe, in der Weite liegt die Kraft: Mit klärender Yin Yoga-Praxis, fließend im Übergang mit Vipassana, „Buddhas Technik“. Du siehst, spürst:…
Christian Bliedtner
04.01.2026 - 09.01.2026 Shivalaya Stille Retreat

Stille – Schweigen – Sein. In der Abgeschiedenheit des Shivalaya Retreatzentrums fühlst du dich dem Himmel ganz nah. Mit intensiver Meditations- und…
Swami Nirgunananda, Rukmini Keilbar

Spirituelles Retreat

04.01.2026 - 09.01.2026 Shivalaya Stille Retreat

Stille – Schweigen – Sein. In der Abgeschiedenheit des Shivalaya Retreatzentrums fühlst du dich dem Himmel ganz nah. Mit intensiver Meditations- und…
Swami Nirgunananda, Rukmini Keilbar
11.01.2026 - 16.01.2026 Spirituelles Retreat

Spirit for free! Ein spirituelles Retreat bietet dir die Möglichkeit, dich einmal aus dem alltäglichen Leben mit all seinen Aktivitäten und seinen v…
Dana Oerding

Indische Meister

27.03.2026 - 29.03.2026 Klangmeditation - Heilende Klänge der Sitar

Vertiefe deine Meditationspraxis durch die Einbindung der heilenden Klänge der Sitar. Du erlernst verschiedene Meditationstechniken zusammen mit Man…
Ram Vakkalanka
29.03.2026 - 03.04.2026 Themenwoche: Nada Yoga mit Ram Vakkalanka - Kraft des Klanges

In dieser Woche ist Ram Vakkalanka, indischer Sanskrit Experte, begnadeter Sitar Spieler und erfahrener Meditationsleiter, zu Gast bei Yoga Vidya. R…
Ram Vakkalanka

Tsa Lung - Tibetischer Yoga

01.08.2025 - 03.08.2025 - TSA LUNG - tibetische Yogaübungen zur Aktivierung des feinstofflichen Körpers

In diesem Workshop erlernen und praktizieren wir eine Serie von fünf energetisierenden Übungen, die mit Körper, Aufmerksamkeit und Atmung arbeiten …
Dr phil Oliver Hahn

Bewusstseinstechniken aus dem Vijnana Bhairava Tantra

01.10.25 - 03.10.25 - Bewusstseinstechniken aus dem Vijnana Bhairava Tantra

Tantra benutzt alle Sinne, um durch Achtsamkeits- und Meditationstechniken den Schleier der materiellen Welt zu lüften und hinter allen Erscheinungen reines Bewusstsein - unser wahres Selbst - zu entdecken …
Dr phil Oliver Hahn

Multimedia

Was ist Vairagya?

Vairagya ist Verhaftungslosigkeit und führt zur Freiheit

Jnana Yoga und Vedanta - Einführung

Satchidananda – deine Wahre Natur ist Sein, Wissen und Glückseligkeit

Wer bin ich? Was ist die Welt?

Vedanta Meditation – Alles ist Brahman

Vedanta Tiefenentspannung: Wer bin ich?

Capeller Sanskrit Wörterbuch über Vairagya

Vairagya , Sanskrit वैराग्य vairāgya, Entfärbung; Gleichgültigkeit, Verdruss, Widerwille gegen. Vairagya ist ein Sanskritwort und bedeutet Entfärbung; Gleichgültigkeit, Verdruss, Widerwille gegen.

Ganesha mit Tablas, Gemälde von Narayani


Verschiedene Schreibweisen für Vairagya

Sanskrit Wörter werden in Indien auf Devanagari geschrieben. Damit Europäer das lesen können, wird Devanagari transkribiert in die Römische Schrift. Es gibt verschiedene Konventionen, wie Devanagari in römische Schrift transkribiert werden kann Vairagya auf Devanagari wird geschrieben " वैराग्य ", in IAST wissenschaftliche Transkription mit diakritischen Zeichen " vairāgya ", in der Harvard-Kyoto Umschrift " vairAgya ", in der Velthuis Transkription " vairaagya ", in der modernen Internet Itrans Transkription " vairAgya ".

Quelle

Zusammenfassung Deutsch Sanskrit - Sanskrit Deutsch

Sanskrit Vairagya - Deutsch Entfärbung; Gleichgültigkeit, Verdruss, Widerwille gegen
Deutsch Entfärbung; Gleichgültigkeit, Verdruss, Widerwille gegen Sanskrit Vairagya
Sanskrit - Deutsch Vairagya - Entfärbung; Gleichgültigkeit, Verdruss, Widerwille gegen
Deutsch - Sanskrit Entfärbung; Gleichgültigkeit, Verdruss, Widerwille gegen - Vairagya