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Version vom 20. Juni 2022, 11:28 Uhr

Nyayas sind Analogien, Beispiele, Veranschaulichungen. In Yoga und Vedanta werden gerne Analogien, Nyayas, verwendet, um abstrakte Wahrheiten, philosophische Konzepte zu verdeutlichen. Nyayas eignen sich auch, um spirituelle Erfahrungen, Aufgaben und Prinzipien zu verdeutlichen.

Ruhiges Meer.jpg

Nyayas - Gleichnisse aus dem Vedanta

Sri Shankaracharya

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -

Nyayas - Vedanta Analogien - Vedanta verstehen leicht gemacht

Heute möchte ich sprechen über sogenannte Nyayas, Gleichnisse aus dem Vedanta. Anhand des bisher gelernten aus den vorangegangenen Kurseinheiten hast du vielleicht immer mehr erfahren, dass die Welt eine Manifestation von Brahman ist. So wie du die Welt siehst, ist sie ein Irrtum, in der Tiefe deines Wesens bist du Satchidananda. Das ist die Essenz von Vedanta, vielleicht erinnerst du dich noch an die drei Sätze von Shankaracharya:

In drei Sätzen sei es verkündet, was man in tausend Büchern findet:
„brahma satyam
jagan mithya 
jivo brahmaiva naparah“
Brahman ist wirklich.
Die Welt ist Schein.
Das Selbst ist nichts als Brahman allein.

Das sind die Grundaussagen des Vedanta. Um das besser zu verstehen gibt es sogenannte Nyayas, Gleichnisse. Auf den Yoga-Vidya-Seiten können eine Menge dieser Gleichnisse gefunden werden. Die Ausführungen dieser Lektion folgen dem Buch „Meditation und Mantras“ von Swami Vishnu Devananda und dem Buch „Vedanta“ von Swami Sivananda, wo auch die Nyayas erläutert sind.

In dieser Lektion wird auf insgesamt fünf Nyayas eingegangen:

1. Mrigatrishna Nyaya – Das Gleichnis von der Fata Morgana in der Wüste
2. Kanakakundala Nyaya – Das Gleichnis von Gold und Schmuck
3. Samudrataranga Nyaya – Das Gleichnis von Ozean und Wellen
4. Surya Bimba Nyaya – Das Gleichnis der Reflektion der Sonne
5. Ghatakasha Nyaya – Das Gleichnis von Topf und Raum

Du kennst bereits andere Nyayas, zum Beispiel:

Rajjusarpa Nyaya – Schlange und Seil und
Shuktirajata Nyaya – Mann und Pfosten aus Kurs 16A

Mrigatrishna Nyaya – Das Gleichnis von der Fata Morgana in der Wüste

Luftspiegelung in der Wüste

In Indien gibt es große Wüsten, ich war zum Beispiel schon in Rajasthan, auch auf einem Kamelritt in Rajasthan. Rajasthan besteht zum größten Teil aus Wüste.

In der Wüste, besonders in der Mittagshitze, sieht man, wenn man in die Ferne schaut, eine Luftspiegelung. Alles verschwimmt miteinander, man sieht Eigenartiges in der Luft und manchmal sieht es tatsächlich so aus, als ob es da Bäume gäbe, als ob da eine Oase, Palmen wären. Das kann schon sehr erstaunlich sein, man schaut in die Weite und sieht Palmen, Bäume, Wasser und meint, da sei eine Oase, da seien Palmen, da könne man etwas essen und trinken.

Diese Fata Morgana führt dich vielleicht dazu, dass du dort hingehst, abkommst von dem normalen Karawanenpfad, der seit Jahrhunderten beschritten wird. Du hast vielleicht Durst, du hast vielleicht Hunger und denkst vielleicht: ‚Der Karawanenpfad, den ich sehen kann, mit den Zeichen, wo es weitergeht, der ist sicherlich eine Abirrung. Ich brauche jetzt unbedingt etwas zu trinken und zu essen‘ und du gehst in die Richtung der Fata Morgana und je weiter du gehst, umso weiter ist die Oase entfernt.

Irgendwann erkennst du: Da war nichts, das war nur eine Luftspiegelung, keine Palmen, keine Bäume, nichts zu essen, keine Kokosnüsse, nichts zu trinken. Dabei kann es sogar geschehen, dass man irregeführt durch eine Fata Morgana irgendwo in der Wüste verdurstet, was in früheren Zeiten gar nicht so selten war.

Wofür ist ‚Fata Morgana in der Wüste‘ ein Beispiel, wofür ist Mrigatrishna Nyaya eine Analogie, ein Gleichnis? Für zwei Verschiedenes:

  • Ähnlich wie die Rajjusarpa Nyaya als Analogie dafür, dass es die Welt nicht gibt. Die Welt ist Adhyaropa, eine Projektion des Geistes auf Brahman. So wie die Fata Morgana nie wirklich war, auch wenn sie dir wirklich erscheint, so existiert auch keine Welt, obgleich sie dir so wirklich erscheint. Die Welt, wie sie dir erscheint, ist nur eine Luftspiegelung.
  • Die Mrigatrishna Nyaya soll dir weiterhin zeigen, dass die Vorstellung, dass du durch das Erfüllen von Wünschen glücklich wirst, letztlich nur eine Fata Morgana ist. Ziel des Lebens ist Gottverwirklichung, Ziel des Lebens ist Selbstverwirklichung. Langfristig glücklich wirst du nur sein, wenn du die Gottverwirklichung, die Selbstverwirklichung erreichst, wenn du die Erleuchtung erlangst, wenn du wahrhaftig aufwachst. Um dorthin zu gehen, gibt es einen Pfad durch die Wüste dieses Samsara Chakras, dieses Kreislaufs von Wiedergeburt und Tod. Diesen Pfad zeige ich dir auch in diesen Jnana Yoga Meditations-Lektionen.

Es gibt also einen Pfad, eine Richtung, plötzlich weißt du, wo es hingeht, aber dann erscheint die Fata Morgana in der Wüste. Du denkst:

  • Wenn ich das und das erreichen würde,
  • wenn ich die Menge an Geld hätte,
  • wenn ich nur diese Wohnung bekommen würde,
  • diesen Beruf,
  • wenn ich mit diesem Menschen zusammen kommen könnte,
  • wenn ich diese berufliche Position hätte,
  • wenn ich den und den Chef haben könnte,
  • wenn ich ein besseres Smartphone oder iPhone haben könnte usw.

All diese sind wie Fata Morganas, du denkst: Da muss ich hin, da wird etwas zu trinken und zu essen sein, da werde ich glücklich sein. Du rennst dem nach, du kommst vom Pfad ab und nachher verdurstest und verhungerst du.

In der Befriedigung von äußeren Wünschen ist kein Glück zu finden, zumindest kein dauerhaftes. Du magst den Fata Morganas hinterher rennen, aber in Wahrheit ist es unsinnig. ‚Fata Morgana in der Wüste‘ ist eine Analogie für die unsinnigen Bestrebungen, die der Mensch hat im irrtümlichen Glauben glücklich zu sein.

Vielleicht magst du einen Moment innehalten und gerade überlegen: Was denkst du wovon dein Glück abhängt? Mache dir bewusst, dass du vielleicht einer Fata Morgana folgst.

Kanakakundala Nyaya – Das Gleichnis von Gold und Schmuck

Gold in der Form eines Ringes

Kanakakundala Nyaya ist eine Analogie aus dem Vedanta, ein Vedanta-Gleichnis, das sagen will: Hinter allem gibt es die gleiche unendliche Wirklichkeit. In Vedanta wird gesagt: Brahma Satyam – Brahman allein ist wirklich. Jagan Mithya – Die Welt, wie du sie siehst, ist unwirklich. Letztlich ist alles, was du siehst, eine Manifestation von Brahman. Als Analogie hierfür kann auch Gold und Schmuck genutzt werden.

Wenn du ein Goldschmuckstück hast, zum Beispiel einen Ring am Ringfinger, kannst du dich auf Ring oder auf Gold beziehen. Wenn ich sagen würde ‚Goldring‘, könntest du dich fragen: Was ist wirklich: Ring oder Gold? Siehst du Gold oder Ring, oder sieht man beides, oder sieht man mal den Ring und mal Gold, was ist wirklicher, Ring oder Gold? Es gibt unterschiedliche Weisen, wie man das beantworten kann und ich lasse Platos Ideenlehre außen vor, der von der sogenannten Ringhaftigkeit spricht, als ursprüngliches Konzept, sondern gehe vom Vedanta-Standpunkt aus.

Vedanta sagt: Das was wirklich ist, ist dauerhaft. Was nicht dauerhaft ist, ist nicht wirklich wirklich, es ist nur vorübergehend wirklich und was nur vorübergehend wirklich ist, ist nicht wirklich wirklich. Die Ringhaftigkeit dieses Rings ist unwirklich, nur vorübergehend da. Die Goldhaftigkeit dieses Goldrings ist dauerhaft da. Angenommen ich würde den Ring vom Finger nehmen und mit dem Hammer drauf hauen, dann wäre es nachher kein Ring mehr, aber es wäre immer noch Gold. Angenommen ich würde mit diesem Gold zum Zahnarzt gehen und ihn bitten mir daraus einen Goldzahn zu machen, dann habe ich nachher einen Goldzahn und angenommen später wird der Goldzahn herausgenommen und ich mache daraus eine Goldmünze… Gold bleibt gleich. Die Erscheinungsformen von Gold sind unterschiedlich.

Übrigens ist es tatsächlich so, dass der meiste Goldschmuck, den wir heute haben, zuvor schon so vieles anderes war. Es wird zwar weiterhin Gold aus der Erde gewonnen, aber das Gold wird immer wieder eingeschmolzen. So kannst du ziemlich sicher sein, wenn du einen Goldring, einen Gold-Nasen- oder –Ohrring etc. hast, dass es irgendwann schon mal eine Münze, ein Ring, ein Goldbarren war, irgendwann einmal in der Erde war usw. und es so viele Geschichten gibt, die da dran hängen. Gold verändert sich, aber es bleibt immer Gold. Der Unterschied zwischen einem großen Goldring, einem kleinen Goldring, einem mittelgroßen Goldring und einer kleinen Münze, großen Münze usw. ist nicht die Essenz. In der Essenz ist alles Gold, nur die Formen sind unterschiedlich.

In diesem Sinne ist alles Brahman, es gibt nur Brahman, es gibt nichts anderes als Brahman. Wenn du zum Beispiel Bäume siehst, oder Menschen siehst oder Ereignisse dir bewusst machst, ist das alles Brahman. Die Form mag unterschiedlich sein, so ähnlich wie Ring, Kette oder Münze unterschiedlich sind, aber in Wahrheit ist es immer nur Gold. So ähnlich ist die ganze Welt in ihrer Essenz nur Brahman. Alles andere ändert sich: Gemütszustände ändern sich, Körperzustände ändern sich, die Größe eines Baumes ändert sich usw. Es ist aber alles gemacht aus Gold.

In diesem Sinne soll dir Kanakakundala Nyaya, die Analogie von Gold und Schmuck, sagen, dass es hinter allen Erscheinungsformen nur ein unendliches Göttliches gibt. Die Formen sind unterschiedlich und verändern sich, aber das Göttliche ist überall gleich. Mache dir nicht zu viel Sorgen um die Formen, sondern erfreue dich an der Essenz, Brahman, Gott.

Samudrataranga Nyaya – Das Gleichnis von Ozean und Wellen

Einheit von Welle und Ozean

Samudrataranga Nyaya ist ähnlich wie Kanakakundala Nyaya, das Gleichnis von Gold und Schmuck. Der Ozean ist unendlich, Wellen kommen und gehen. Der Ozean, samudra, ist riesengroß, auf dem Ozean oben drauf gibt es Wellen, tarangas. Jede einzelne Welle erscheint als eine separate Welle. Angenommen, man würde zum Beispiel durch eine Schiffsluke hindurchschauen und die Wellen wären so groß, dass du nicht den Ozean siehst, sondern nur die Schaumkrone der Wellen, dann sieht es aus, als ob dort lauter verschiedene Wasser-Individuen passieren, die vielleicht etwas höher werden, etwas kleiner werden, von links nach rechts gehen, vielleicht kommen andere aus einer anderen Richtung, sie überlagern sich usw. So sieht es aus, als ob es dort lauter Wasser-Wesenheiten gibt, die irgendwo durch die Gegend ziehen.

Wenn sich der Ausblick aus der Luke erweitert, erkennst du, dass alle Wellen nur Wasser sind, Wasser aus dem Ozean. Es gibt keinen essentiellen Unterschied zwischen Wellen und Ozean, jede Welle ist eigentlich der Ozean. Das Interessante ist auch, dass die Welle nicht ständig aus den gleichen Teilen, den gleichen Wassermolekülen gemacht ist, sondern wenn sie wandert, geht das Wasser nicht mit, die Welle ist eigentlich nur eine Bewegungsenergie. Das Wasser geht hoch und runter und dieses Hoch-Runter setzt sich wellenförmig fort. Die Welle besteht beständig aus anderen Wassermolekülen, es ist nur ein Bewegungsimpuls des Ozeans.

Ähnlich ist es auch mit Brahman. Es gibt ein unendliches Brahman, ein unendliches Absolutes, ein unendliches Göttliches. ‚Brahma Satyam‘ heißt es, Es gibt nur Brahman, es gibt nichts anderes‘. Alle Individuen sind nur scheinbar, man könnte sagen, sie sind nur Bewegungsimpulse auf Brahman in Zeit und Raum. Aber so wie die Welle nur aus Brahman besteht, so bestehst auch du selbst nur aus Brahman und alles was du wahrnimmst, ist auch wiederum nur Brahman. Es kommt aus Brahman, es ist Brahman und es bleibt Brahman.

Du selbst magst dich identifizieren mit einem Körper, mit einer Psyche, aber auch die Bestandteile von Körper und Psyche ändern sich ständig. Wenn du zum Beispiel ein Video siehst, siehst du einen Körper, angenommen du hast ein Video gesehen von vor 100 Tagen, oder du siehst das Video, das vor mehr als 100 Tagen oder gar mehreren Jahren aufgenommen wurde, wo der Darsteller zum Beispiel ein paar Jahre jünger oder älter ist – es gibt Ähnlichkeiten, aber fast kein Molekül ist identisch, höchstens ein paar Moleküle in den Fingernägeln, aber alles andere hat sich geändert. Moleküle ändern sich, so wie die Wassermoleküle einer Welle sich auch ändern. Aber alle Moleküle sind auch wieder nur Brahman und die Individualität kann man sagen, ist einfach nur ein Bewegungsimpuls in Brahman. Du könntest dich jetzt mit anderen Wellen streiten, du könntest auch selbst sagen, dass du als Welle nicht ausreichend gut bist, du könntest aber auch sagen, dass du in der Tiefe deines Wesens jetzt und in diesem Moment verbunden mit allen Wellen und Eins mit dem Ozean bist. Du könntest sagen, dass es auf der Oberfläche so aussieht, als ob du individuell bist, du siehst andere Wellen, andere Individuen, andere Teile des Universums, und auf dieser Ebene ist es faszinierend und manchmal erschreckend und manchmal schön, aber in der Tiefe des Wesens gibt es jetzt und immer nur einen unendlichen Ozean.

Surya Bimba Nyaya – Das Gleichnis von Sonne und Reflexion

Wiederspiegelung der Sonne

Surya ist die Sonne, Bimba ist Reflexion. Surya Bimba Nyaya soll erklären, dass es nur ein unendliches Bewusstsein gibt, das sich wiederspiegelt in verschiedenen Körpern, bzw. Körper-Geist-Komplexen, aber dennoch immer noch nur ein einziges Bewusstsein bleibt.

Angenommen es ist ein schöner Tag und die Sonne scheint und es gibt ein paar Pfützen auf der Straße, einen kleinen Teich und kleine Gefäße, in denen Wasser ist. Wenn du dorthin schaust, siehst du in jeder Pfütze die Sonne, in jedem Glas und im Teich die Sonne. Es sieht also so aus, als ob es Dutzende von Sonnen gibt, aber jede Sonne, die du auf dem Boden siehst, ist eigentlich nur die Wiederspiegelung der einen Sonne. Zwar kannst du aus der Wiederspiegelung der Sonne Schlüsse ziehen, wie die Sonne selbst ist, aber es ist nur die Wiederspiegelung der Sonne. Das, was die Essenz des Spiegelbildes ist, ist letztlich die Sonne selbst.

So ähnlich ist es auch damit, dass es nur eine Seele im Universum gibt, ein Bewusstsein, ein Brahman und jede Einzelseele ist nichts anderes als die Wiederspiegelung von Brahman in einem Körper-Geist-Komplex. Wenn du vielleicht jetzt aus dem Fenster schaust und du siehst vor dir viele verschiedene Menschen, oder wenn du an Menschen denkst, könntest du sagen, dies seien so viele Individuen, so wie du so viele Sonnen in den Pfützen siehst. Du könntest aber auch sagen, dies seien so viele Wiederspiegelungen der einen Weltenseele. Jeder Körper-Psyche-Komplex ist wie eine Pfütze und in dieser Pfütze spiegelt sich Brahman wieder. So erscheint es, als ob jeder Einzelne ein Bewusstsein hat, eine bestimmte Freude hat und auch ein separates Sein ist. Jeder Einzelne empfindet sich als Individuum, jeder Einzelne hat verschiedene Erfahrungen von Freude und Nicht-Freude, jeder Einzelne hat ein individuelles Bewusstsein. So erscheint es so, als ob du mit Individuen kommunizierst, aber du kommunizierst eben nicht mit Individuen.

Die Essenz der Sonne ist Lichthaftigkeit, wenn sie auf die Erde strahlt. So reflektiert jede Pfütze die Lichthaftigkeit der Sonne und deshalb siehst du die Sonne als Licht wiedergespiegelt in der Pfütze. Die Essenz von Brahman ist Satchidananda, und jede Einzelseele ist nur Wiederspiegelung der kosmischen Seele im Körper-Geist-Komplex. Du kannst also sagen, diese Wiederspiegelung des Körper-Geist-Komplexes ist letztlich nichts anderes als Brahman. Die Essenz von Brahman ist Satchidananda, die Wiederspiegelung von Satchidananda ist beschränktes Satchidananda, so ähnlich wie wenn du direkt in die Sonne schauen würdest, dann könntest du dir die Netzhaut versengen und könntest Schwierigkeiten bekommen zu sehen, denn das Licht der Sonne ist viel zu groß für das menschliche Auge. Wenn du aber die Wiederspiegelung der Sonne in der Pfütze anschaust, geht das, das Licht ist nicht so grell. Du könntest auch die Wiederspiegelung der Sonne auf dem Asphalt anschauen, auch dort siehst du eine gewisse Wiederspiegelung, aber sie ist nicht so klar wie in einer Pfütze oder einem Spiegel. So ähnlich auch spiegelt die Einzelseele Brahman wieder und sie hat deshalb eine Beschränktheit, ein beschränktes Sat, denn es ist ein beschränkter Körper, ein beschränkter Körper-Psyche-Komplex, der den unendlichen Seinszustand beschränkt reflektiert. Weil es beschränkt ist, reflektiert es das unendliche Bewusstsein beschränkt, so entsteht ein beschränktes Bewusstsein, Chid. Auch das unendliche Ananda, die unendliche Freude, wird beschränkt reflektiert. So entsteht die beschränkte Form der Freude.

Jetzt gibt es einen kleinen Unterschied zur Reflektion-Sonnen-Analogie, denn das Licht in der Pfütze hat ja kein Bewusstsein, zumindest nicht vom ‚normalen‘ physikalischen Standpunkt aus gesehen, da die Sonne, dort kein Bewusstsein hat. In anderen Vorträgen wird gesagt, Surya hat auch ein Bewusstsein, da könnte dies noch ganz anders gesehen werden. Aber an dieser Stelle im physikalischen Sinne betrachtet, ist die Sonne eine Lichtquelle und das Licht in der Pfütze reflektiert das Licht der Sonne. Wenn sich unendliches Bewusstsein in Körper und Psyche wiederspiegelt, spiegelt es nicht nur einen beschränkten Seinszustand wieder, also das Individuum, sondern da ist auch ein Erleben: ein beschränktes Bewusstsein, eine beschränkte Freude. Weil dieses reflektierte Bewusstsein aber weiß, dass es eigentlich unendliches Bewusstsein ist, will dieses Bewusstsein zurückkehren zu sich Selbst. Das individuelle Bewusstsein hat die Sehnsucht danach, sich wieder zu erfahren, als das was es eigentlich ist: unendliches Bewusstsein. Daher ist der Mensch nie zufrieden mit dem was er hat. Denn egal, wie groß die Pfütze werden würde und wie viel mehr dadurch das Sonnenlicht reflektiert wird, es ist nie das Sonnenlicht selbst. Intuitiv weiß jedes Individuum: Eigentlich bin ich Brahman.

Manchmal werde ich gefragt: Wie viele Seelen gibt es, gibt es nicht immer mehr Seelen, was ist wenn alle Seelen die Befreiung erreicht haben?

So lange es Upadhis gibt, also Einzel-Körper-Psyche-Komplexe, so lange gibt es immer wieder Reflektionen der Sonne. Man könnte auch sagen, in jedem einzelnen Teil von Jagat, dieser Welt, reflektiert sich Brahman von neuem. Es ist nicht eine beschränkte Anzahl von Seelen, die da ist, es gibt nur eine unendliche Seele Brahman und Brahman reflektiert sich in jedem Upadhi von neuem. Man könnte sagen, auch das Stück Papier was vor einem liegt, ist vielleicht ein einzelnes Upadhi, in diesem Upadhi reflektiert sich Brahman als Einzelseele, aber so wie zum Beispiel die Sonne sich auf einem Stoff nicht so gut reflektiert, so ähnlich kann sich Brahman auch nicht so gut auf einem Stück Papier reflektieren. Aber irgendwo mag so eine Einzelseele geschaffen werden, weil Brahman sich reflektiert im Papier. Diese Einzelseele kann dann nachher irgendwann ins Pflanzenreich, Tierreich oder Menschenreich gehen und im Menschenreich dann als scheinbare Jiva, als scheinbares Individuum, nach dem Höchsten streben um irgendwann zu erkennen: ‚Ich war die ganze Zeit Satchidananda‘.

Ghatakasha Nyaya – Das Gleichnis von Topf und Raum

Ein Raum - innerhalb und außerhalb des Topfes

Ghatakasha Nyaya ist eine der bekanntesten Nyayas. Ghata heißt Topf und Akasha heißt Raum. Wenn man einen Topf mit einem Deckel verschließen kann, könnte man sagen, dass im Inneren des Topfes Raum ist. Wenn man den Topf kopfüber dreht, kann man den Raum auf den Kopf stellen oder man kann mit dem Topf den Raum von hier nach da bewegen. Aber so erscheint es nur, Akasha, der Raum als Raum an sich, ist unendlich. Es gibt nicht den inneren Raum und den äußeren Raum und es ist nicht so, dass dieser Raum mit dem Topf transportiert werden kann oder durch Abnehmen des Deckels sich der Raum innerhalb des Topfes mit dem Raum außerhalb verbindet. Oder angenommen, der Topf würde brechen, dann ist es nicht so, als dass der Raum innerhalb und außerhalb sich wieder vereint. Es gibt immer nur einen unendlichen Raum, Einsteins Relativitätstheorie außen vorgelassen; es gibt einen riesengroßen Raum und innerhalb dieses Raums gibt es verschiedene Töpfe. Diese Töpfe bewegen sich und scheinbar bewegt sich der Raum im Inneren mit. Aber der Raum ist unabhängig davon, was man mit dem Topf anstellt.

Wofür steht dieses Gleichnis? Für Brahman, Jiva und Upadhi.

  • Brahman ist das unendliche Bewusstsein,
  • Jiva ist das individuelle Bewusstein und
  • Upadhi sind die begrenzenden Attribute, man könnte sagen der Topf.

Brahman der unendliche Raum, es gibt nur ein unendliches Brahman, ein unendliches Absolutes. ‚Brahma Satyam‘ hat Shankara es genannt, Brahman allein ist wirklich. Dann gibt es innerhalb dieses Brahman scheinbar sogenannte Upadhis, begrenzende Attribute, und in diesen begrenzenden Attributen ist auch Brahman drin. Und wenn Brahman im Inneren eines Upadhis ist, wird er als Jiva bezeichnet, als individuelle Seele. Die individuelle Seele befindet sich scheinbar innerhalb des Upadhis.

So wie sich der Raum scheinbar innerhalb des Topfes befindet. So erscheinst du als ob du die Seele bist, hinter diesem Körper, dieser Psyche, dieser Persönlichkeit, hinter diesen Sehnsüchten usw. Du erscheinst als individuelles Bewusstsein innerhalb von Körper, Psyche und Persönlichkeit und wenn du durch die Gegend gehst, d.h. wenn der Körper durch die Gegend geht, dann erscheint es so, als ob du durch die Gegend gehst. Aber in Wahrheit gehst du nirgendwo hin, du bist unendlich und ewig, immer schon da. Was sich bewegt, ist der Körper, so wie sich der Topf bewegt. Der Topf bewegt sich, der Raum nicht, es erscheint nur so, als ob sich der Raum mit dem Topf bewegt. So ist es auch, wenn dein Körper durch die Gegend geht, dann bist du selbst überall. Du bewegst dich nie von der Stelle, du bist immer und überall. Der Körper bewegt sich, scheinbar bewegst du dich, aber du bist schon da und deshalb kann dein Körper überall hingehen und du hast das Gefühl da zu sein, wo dein Körper ist.

Wenn du die Gottverwirklichung erreichst, dann scheint es so, als ob du deine Einheit mit Brahman verwirklichst, du als Individuum erkennst deine Einheit mit Brahman. Aber auch das ist irrtümlich, du bist Brahman, du warst Brahman. Es ist nicht so, dass das Individuum zu Brahman wird, dass das Individuum sich auflöst zu Brahman, sondern dass das Individuum Brahman war, ist und immer sein wird. Nur scheinbar hat man sich mit dem Körper durch die Gegend bewegt.

Zusammenfassung

Das waren einige der Nyayas, weitere Nyayas findest du untenstehend. Dort findest du auch weitere Vorträge über die Nyayas verlinkt und du kannst sie nachlesen.

Zusammenfassend kann man sagen: Es gibt ein unendliches Brahman. Identifiziere dich nicht mit deiner Ringhaftigkeit oder deine Topfhaftigkeit, sondern sei dir bewusst, du bist unendliches Gold, unendlicher Ozean, unendliches Bewusstsein. Identifiziere dich nicht mit deiner Wellenhaftigkeit, sondern erkenne immer wieder, dass du in der Tiefe deines Wesens jetzt und in jedem Moment Sein, Wissen und Glückseligkeit bist.

Abschluss und Empfehlungen

Das war die Meditation über Satchidananda Svarupoham: In der Tiefe meines Wesens bin ich jetzt und in jedem Moment Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Ich möchte dich dazu ermutigen, diese Technik nicht nur als Meditation zu üben, sondern eben auch im Alltag. Eine ähnliche Übung hast du schon mal gemacht, aber ich halte sie für eine der essentiellen, existentiellen Übungen im Vedanta. Mache dir immer wieder bewusst: In der Tiefe meines Wesens bin ich jetzt und in jedem Moment Satchidananda – Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Wenn du zum Beispiel in den nächsten Tagen in dir etwas im Geist beobachtest, zum Beispiel wenn sich eine Angst manifest macht, du denkst, etwas könnte schief gehen oder du Lampenfieber hast, dann kannst du in einer hohen Stimme zu dir selbst sprechen: ‚An der Oberfläche meines Geistes ist Angst, ich habe Befürchtungen, dass etwas schief geht, ich habe Lampenfieber und es ist auch verständlich, dass ich diese Gedanken habe.‘ und mit einer tieferen Stimme sagst du: ‚Und in der Tiefe meines Wesens bin ich jetzt und in diesem Moment und jederzeit Sein, Wissen und Glückseligkeit, unendliches Sein, unendliches Wissen, unendliche Glückseligkeit. Auch wenn an der Oberfläche meines Geistes aus guten Gründen Ängste, Unruhe, Lampenfieber…sind, bin ich jetzt und in jedem Moment Sein, Wissen und Glückseligkeit und egal, was sich an der Oberfläche meines Geistes abspielt, was auf der Welle meines Bewusstseins so ist, in der Tiefe meines Wesens ist unendliches Sein und daher unendliches Vertrauen; unendliches Bewusstsein und so weiß ich, alles Wissen ist in mir; unendliche Glückseligkeit, so weiß ich, dass ich glücklich bleibe, egal was ist‘.

Du könntest das dann noch mit einem dritten Schritt versehen, dann ist es fast wie eine hypnotische Suggestion. Du könntest dann von der Tiefe deines Wesens hoch gehen in den Alltag, du könntest dann zum Schluss sagen: ‚Und aus der Tiefe meines Wesens kommt gleich tiefes Vertrauen, Stärke, Ausstrahlung und Kraft. Und aus der Tiefe meines Wesens, aus dem unendlichen Sein und Wissen, kommt die Kraft auch auf der relativen Ebene alles zu tun, was zu tun ist. Aus dem Gefühl der Verbundenheit mit allem kommt auch die Fähigkeit mit allen Menschen voller Freude und Harmonie zu sprechen‘.

Praktische Vedanta-Technik mit Beispielen

Aus dem vorangegangen Abschnitt ergeben sich also drei Schritte dieser praktischen Vedanta-Technik:

  • 1. Anerkenne was ist in einer hohen Stimme.
  • 2. Die Tiefe deines Wesens beschreiben, was wirklich ist, in einer tiefen Stimme.
  • 3. Aus der Tiefe deines Wesens nimmst du etwas in die normale Welt hinein.

Beispiel 1:

Du hast eine Enttäuschung erlebt, jemand hat dich schwer enttäuscht, vielleicht erlebst du es sogar als Verrat. Dann kannst du so vorgehen:

An der Oberfläche meines Geistes fühle ich mich verraten, enttäuscht, misshandelt, missbraucht, ausgenutzt und es gibt Gründe dafür, dass ich mich so fühle. Dieser andere Mensch hat mir übel mitgespielt. Und in der Tiefe meines Wesens bin ich jetzt und in jedem Moment unendliches Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Auf der Oberfläche meines Geistes bin ich wütend, habe Ängste und bin erschüttert, weiß nicht, worauf ich mich in der Zukunft verlassen kann. Und in der Tiefe meines Wesens bin ich jetzt und in jedem Moment unendliches Sein, Wissen und Glückseligkeit.

An der Oberfläche meines Geistes bin ich wütend gegenüber diesem Menschen, in der Tiefe bin ich verbunden mit ihm, unendliche Freude, unendliche Liebe.

An der Oberfläche meines Geistes weiß ich nicht, wie es weitergehen soll und in der Tiefe meines Wesens weiß ich, ich bin unendliches Sein, Wissen, Glückseligkeit und ich weiß, aus der Tiefe meines Wesens wird Kraft und Freude auch in den Alltag kommen und auch wenn ich jetzt nicht weiß, wie es weitergehen soll, aus der Tiefe meines Wesens wird schon bald Führung, Freude, neue Energie und Enthusiasmus kommen‘.

Beispiel 2:

Du hast Konflikte mit einem anderen Menschen, nicht ganz so schlimm, wie eine Enttäuschung, aber es gibt einen Konflikt. Hier kannst du ähnlich vorgehen:

An der Oberfläche meines Geistes ärgere ich mich über den anderen, ich schimpfe, ich weiß nicht, was ich mit ihm anfangen soll, wie ich ihn überzeugen kann, er weiß nicht, was richtig ist… und in der Tiefe meines Wesens, in der Tiefe unseres Wesens sind wir ein unendliches Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Auf der Oberfläche des Geistes gibt es vielleicht gute Gründe, dass wir uns auseinander setzen und unterschiedlicher Meinung sind, und in der Tiefe unseres Wesens sind wir verbunden im unendlichen Sein, im gleichen Bewusstsein, in Liebe und Freude.

Egal, wie es ausgeht, wie unser Konflikt sich weiter entwickeln wird, in der Tiefe unseres Wesens sind wir immer Eins. Und aus der Tiefe unseres Wesens wird auch bald schon die Kraft kommen, gemeinsam gut miteinander umzugehen, in Respekt und Liebe.

Und egal was wir sonst noch machen, in der Tiefe unseres Wesens ist Liebe und Freude.

Und aus der Tiefe und Freude kommt Mitgefühl und Verständnis‘.

Beispiel 3:

Du hast irgendwo körperliche Schmerzen. Hier könntest du so vorgehen:

Auf der Oberfläche meines Geistes spüre ich gerade Schmerzen und es tut weh, es ist nicht aushaltbar und ich weiß nicht, was ich mit den Schmerzen machen soll, ich bin vielleicht sogar verzweifelt, und in der Tiefe meines Wesens bin ich jetzt und in diesem Moment Satchidananda.

Auf der Oberfläche meines Geistes sind Schmerzen, vom Körper her rührend, ich weiß nicht, was die Ursache ist und es tut weh und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, und in der Tiefe meines Wesens bin ich unendliches Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Und egal, was sich auf der Oberfläche meines Geistes manifestiert und wie sehr sich der Schmerz in den Vordergrund schiebt, in der Tiefe meines Wesens ist immer Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Und aus der Tiefe meines Wesens wird schon bald auch Ruhe und Gleichmut in den Alltag kommen.

Aus der Tiefe meines Wesens kommt die Überzeugung, dass ich mich bald auch auf der Oberfläche wohl fühlen werde. Aus der Tiefe meines Wesens kommt Gleichmut und Freude.

Und egal, wie viel Schmerz jetzt da sein mag, ich weiß aus der Tiefe meines Wesens kommt schon bald Wohlbefinden, Ruhe und Kraft‘.

Probiere diese Techniken aus und werde dir bewusst, wie es funktionieren kann. Mache es im Alltag, vielleicht teilst du deine Erfahrungen in einem Kommentar, wo du diesen Kurs gefunden hast. Dann können auch andere von deinen Erfahrungen profitieren. Egal, ob du etwas schreibst oder nicht – deine wahre Natur ist jetzt und in jedem Moment Satchidananda – Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Hinweise

  • Wenn du noch mehr Gleichnisse zum Vedanta anhören möchtest, gibt es zu allen Nyayas auch Einzelvorträge
  • Verweis auf die Bücher „Meditation und Mantras“ von Swami Vishnu-devananda und „Vedanta“ von Swami Sivananda, als Grundlage für diesen Kurs
  • In der Yogalehrer-Ausbildung von Yoga Vidya bekommst du diese Vedanta-Vorträge auch systematisch vermittelt bzw. bei den 9-tägigen Weiterbildungen zu den Schriften, zum Beispiel die Weiterbildung A5 oder F5, Atma Bodha; H2 oder F2, Upanishaden, oder Weiterbildungen zu Aparoksha Anubhuti, Yoga Vasishta oder Viveka Chudamani. Dort wird sehr systematisch anhand eines Textes durch die verschiedenen Konzepte des Vedanta durchgegangen, und es wird – was noch wichtiger ist –vermittelt, wie du Vedanta im Alltag leben kannst.
  • Das war die Kurseinheit 19A ` Nyayas - Vedanta-Gleichnisse & Analogien ´ von insgesamt 20 Kurseinheiten zu unserem Kurs `Vedanta Meditationskurs und Jnana Yoga´ und die Meditationstechnik Satchidananda Svarupoham, die wir bei Yoga Vidya lehren.
  • Mehr Information über Vedanta, Meditation und wie du zum Beispiel Yoga vom ganzheitlichen Standpunkt aus üben kannst, findest du auf unseren den Yoga Vidya Internetseiten.
  • Und natürlich fällt es am Leichtesten sich mit besonders tiefen Fragen des Lebens zu beschäftigen, wenn man sich für ein paar Tage eine Auszeit nimmt und dieses vielleicht in einer besonders spirituellen Umgebung, zum Beispiel in einen der Yoga Vidya Ashrams, wie zum Beispiel in Bad Meinberg im Teutoburger Wald, an der Nordsee, Allgäu oder Westerwald.
  • Ein paar Tage weg vom Alltag, ein paar Tage intensiverer Meditation und Yoga hilft dir, dass du noch bereiter bist für Fragen wie:
Wer bin ich?
Wohin gehe ich?
Was ist wirklich?
Was ist unwirklich?
Was ist das höchste Ziel des Lebens?
Und wie kann ich es erfahren?

Video - Nyayas - Gleichnisse aus dem Vedanta

Nyayas als Verdeutlichung der Vedanta Lehre

Artikel aus Swami Sivananda [1]: Vedanta für Anfänger

Die Philosophie des Vedanta lehrt man am besten durch Nyayas, praktische Beispiele aus dem täglichen Leben, denn sie ist abstrakt und für den begrenzten Intellekt nicht leicht zu verstehen. Die Hauptaussage des Vedanta ist, dass nur Brahman existiert, die Welt der Erscheinungen nicht real ist und dass die individuelle Seele nichts anderes als Brahman selbst ist. Diese seltsam anmutende Theorie kann von normalen Menschen mit geringer Auffassungsgabe, die in dieser relativen Welt der Unwissenheit gefangen sind, nicht verstanden werden. Sie erhalten daher die Unterweisung in diese höchst erhabene Lehre durch für sie geeignete Veranschaulichungen, Beispiele, die Nyayas. Dadurch können sie ihren Verstand allmählich aus mehreren Blickwinkeln auf die Realität ausrichten.

Die klassischen Nyayas

Klassische Nyayas sind die Nyayas, die in den Vedanta Schriften von Shankara und anderen Vedantins verwendet werden. Sie sind unter ihrem Sanskrit-Namen bekannt.

Rattenschlange.jpg

Rajjusarpa Nyaya

Im Dunkeln tritt ein Mann auf ein Seil, hält es aber irrtümlich für eine giftige Schlange, springt auf und schreit vor Angst. Sein Herz pocht. Aber wenn ihm ein Freund ein Licht reicht, sieht er, dass es keine Schlange ist, sondern ein Seil. Sofort verschwindet seine Angst. Dies veranschaulicht die unwirkliche Natur der Welt als Überlagerung auf das höchste Brahman. Brahman ist die Wirklichkeit und die Welt ist nur eine Projektion auf Brahman, so wie die Schlange eine Projektion auf das Seil ist.

Mrigatrishna Nyaya

In der Wüste sieht ein Reisender am Mittag eine Fata Morgana, bestehend aus Wasser, Wiesen, Bäumen und schönen Häusern. Er glaubt an die Existenz des Gesehenen und läuft darauf zu. Aber je näher er der Oase kommt, desto mehr scheint sich der Ort von ihm zu entfernen. Um die Oase zu erreichen, verlässt er seinen ursprünglichen Pfad und wandert tiefer und tiefer in die Wüste hinein. Dann begreift er plötzlich seinen Fehler, für eine bloße Täuschung vom Weg abgekommen zu sein, und kann von nun an nie wieder von einer solchen Erscheinung getäuscht werden. Bezogen auf die Vedanta veranschaulicht diese Geschichte die trügerische Natur des Universums. Die individuelle Seele glaubt, im Universum durch den Genuss von Sinnesobjekten Freude zu erlangen. Erkennt die Seele nun durch Jnana Wissen über das höchste Selbst, dass diese Welt gar nicht real ist und dass sie einen Fehler gemacht hat, den wahren Pfad der Vollkommenheit zu verlassen, so gibt sie den falschen Pfad auf und folgt dieser Täuschung eines Lebens voller Sinnesfreuden nicht länger. Die Welt ist nur eine Erscheinung so wie die Fata Morgana, die ein Effekt der Sonnenstrahlen ist.

Shuktirajata Nyaya

Dieses Beispiel ähnelt ‘Akashanilima Nyaya’ oder ‘Stambha Nara Nyaya’. All diese ähneln auch Rajjusarpa Nyaya. Sie alle veranschaulichen die Projektion des Unwirklichen auf das Wirkliche. Perlmutt wird mit reinem Silber verwechselt, der eigenschaftslose Himmel erscheint blau, der Pfosten wird nachts für einen Menschen gehalten. Das Wissen über das höchste Brahman - die Realität, folgt dem rechten Verstehen durch Unterscheidung, Geduld, Ausdauer, Entsagung und Meditation. Die Welt ist eine Erscheinung Brahmans, so wie der auf den Pfosten projizierte Mensch nur eine Erscheinung des Pfostens ist und das Silber im Perlmutt eine Erscheinung des Perlmutts darstellt.

Kanakakundala Nyaya

Dies ähnelt ‘Mrittika Ghata Nyaya’ und der Analogie von Eisen und Werkzeug. Alle Ornamente werden aus dem gleichen Gold gefertigt, aber sie unterscheiden sich in ihrer Form. In Wahrheit bestehen sie alle aus Gold. Es gibt viele Gefäßarten wie Krüge, Töpfe, Kessel, kleine und große, runde und schmale, mit vielen Formen. Aber sie bestehen letztlich nur aus Ton. Viele Arten von Werkzeugen werden hergestellt, mit vielen Formen und Einsatzmöglichkeiten, aber alle bestehen in Wahrheit nur aus Eisen. Ihre Namen und Formen sind falsch, weil sie in Wahrheit nur die ursprüngliche Substanz sind, nämlich das Gold, der Ton oder das Eisen. Dies soll veranschaulichen, dass die vielen Namen, Formen und Inhalte dieser Welt einfach falsch sind, weil sie ihrer Wesenheit nach alle nur Brahman sind. Nur Brahman erscheint uns in den vielen Namen und Formen.

Samudrataranga Nyaya

Im weiten Ozean sind zahllose Wellen. Jede Welle ist von den anderen verschieden und kann separat wahrgenommen werden. Aber sie alle sind nur Wasser und vom großen Ozean nicht zu trennen. In der Realität sind sie alle eins. Die Unterschiede existieren nur scheinbar. Dies soll zeigen, dass alle individuellen Seelen, auch wenn sie anscheinend getrennt voneinander existieren, in Wahrheit der eine Ozean aus Satchidananda (Sein, Wissen, Wonne) und mit ihm identisch sind. Es gibt weder Unterschiede noch Vielfalt.

Sphatikavarna Nyaya

Dies ist das Gleichnis von den Farben im Kristall. Der Sphatika (Kristall) ist rein und hat keine eigene Farbe. Aber wenn ein farbiges Objekt in seiner Nähe ist, reflektiert er dessen Farbe und scheint diese Farbe tatsächlich zu haben, sei es Blau, Rot oder was auch immer. Auf dieselbe Weise ist Brahman oder Atman farblos, makellos und eigenschaftslos, aber die Upadhis, die begrenzenden Eigenschaften, lassen Brahman als ein Phänomen voller unterschiedlicher Eigenschaften, Namen und Formen erscheinen.

Padmapatra Nyaya

Dies ist das Gleichnis vom Lotusblatt und dem Wasser. Regenwasser perlt vom Lotusblatt ab. Das Wasser haftet nicht an dem Blatt. Auf gleiche Weise ist Atman bzw. Brahman makellos, auch wenn zahllose Welten innerhalb von Brahman existieren und zahllose Wesen von Brahman in die Welt eingebracht worden sind.

Vatagandha Nyaya

Der Wind trägt jeden Duft und verbreitet ihn überall hin. Aber die Luft selbst ist rein und weder durch schlechte Gerüche verunreinigt noch durch angenehme Gerüche angereichert. Dieser Vergleich ähnelt obigem Gleichnis vom Lotusblatt und dem Wasser, um zu verdeutlichen, dass Atman bzw. Brahman unverhaftet sind, auch wenn viele Namen, Formen und Taten in der phänomenalen Welt erscheinen.

Urnanabhi Nyaya

Die Spinne erzeugt im Mund die Fäden, um ihr Netz zu spinnen und zieht diese wieder in ihren Mund zurück. Aber das Netz ist nichts als der Körper selbst und ist eins mit ihm. Genauso ist diese Welt von Brahman hervorgebracht und projiziert und wird von ihm eines Tages wieder aufgelöst. Die Welt ist nichts außer das Wesen Brahmans. Dies zeigt, dass nur Brahman real ist.

Surya Bimba Nyaya

Die Welt wird durch eine einzige Sonne erhellt. Durch Reflektionen in Teichen, Becken, Flüssen, Spiegeln etc. kann der Eindruck entstehen, dass es viele Sonnen gibt. Die Sonne wird in allen Gewässern gespiegelt, aber es gibt in Wahrheit nur eine Sonne. Es gibt auch nur ein höchstes absolutes Sein, das unendliche Brahman, aber diese eine Realität wird durch die Upadhis (Verhüllung) der Maya und Avidya (Unwissenheit) als verschiedene Welten und individuelle Seelen reflektiert. Das ist falsch, weil es nur Reflektionen, Spiegelungen, sind. In Wahrheit ist alles eins.

Ghatakasha Nyaya

Es gibt das Gleichnis vom Raum in einem Glas. Auf der einen Seite gibt es den Raum, der das ganze Universum ausfüllt. Und da ist der gleiche Raum innerhalb eines Glases. Aber der Raum in dem Glas kann vom restlichen Raum unterschieden werden, weil er durch das Glas abgegrenzt ist. Der Raum im Glas ist durch das Glas in keinster Weise verändert. Sollte das Glas zerbrechen, so vereinigt sich der Raum wieder mit dem großen Raum, ohne sich in der Zwischenzeit verändert zu haben. Genauso ist der Atman (höheres Selbst) im Individuum durch Geist und Körper begrenzt, aber in Wirklichkeit eins mit dem Paramatman, der höchsten Seele. Wenn der Körper zerfällt und der Geist sich auflöst, wird der Atman wieder eins mit dem höchsten Brahman, ohne sich vorher von der Begrenzung durch den Geist oder durch den Körper auch nur im geringsten verändert zu haben.

Bhramara Kita Nyaya

Man sagt über die Wespe, dass sie die Insekten, die sie zu ihrem Wespennest bringt, mit ihrem Stich derart vergiftet, dass die Insekten zu jeder Zeit nur noch die Anwesenheit der Wespe wahrnehmen. Man könnte sagen, die Insekten meditieren über die Anwesenheit der Wespe und werden dadurch sozusagen selbst zu Wespen. Dies soll zeigen, dass durch Meditation über das Mantra „Aham Brahma Asmi“ oder „Ich bin Brahman“ die individuelle Seele letztlich zu Brahman selbst wird.

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Dagdhapata Nyaya

Dies ist das Gleichnis vom verbrannten Stück Stoff. Wenn Stoff verbrannt ist, hat er seine Form nicht verändert. Aber durch die leichteste Berührung mit der Hand zerfällt er zu Staub. So ist auch der Körper des Jnani oder Jivanmukta (im Körper Befreiter) beschaffen. Er besitzt keinen Körper, sondern es verhält sich wie mit dem verbrannten Stück Stoff. Die Form erscheint uns zwar, aber sie ist nicht real. Der Körper wurde durch das Feuer der Weisheit verbrannt und es ist kein Ego da, um ihn zu erhalten. Der Jnani ist frei von weltlichen Makeln. Er macht den Eindruck, einen Körper zu haben und erlangt Sadyo Mukti (sofortige Befreiung) oder Kaivalya Mukti (individuelle Befreiung).

Arundhati Nyaya

Um jemandem den Stern Arundhati am Himmel zu zeigen, weist man zuerst zu einem großen, besser erkennbaren Stern in dessen Nähe und behauptet, dies wäre bereits Arundhati. Dann wird diese Behauptung zurückgenommen und der tatsächliche Stern in dessen Nähe gezeigt. So erhält auch der spirituelle Aspirant zuerst äußere Methoden durch Dienst und Anbetung von göttlichen Formen, um sich der Realität anzunähern. Danach wird er schrittweise zur höchsten Wahrheit geführt, die formlos und unpersönlich ist.

Bija Vriksha Nyaya

Der Samen ist die Ursache für den Baum und der Baum ist die Ursache für den Samen. Niemand kann sagen, was die letzte Ursache von was ist. Dies soll zeigen, dass jede Frage und jedes Argument eine Gegenfrage und ein Gegenargument mit sich bringen. Jedes „dies hier“ ist auch ein „das dort“. Die ganze Welt unterliegt der Relativität. Die letzte Wahrheit ist die Stille, die Dakshinamurti (Shiva-Aspekt als Lehrer des Jnana) lehrte.

Markata Kishora Nyaya

Das Affenbaby ergreift aktiv die Brust seiner Mutter und verweilt dort auch in Zeiten höchster Gefahr. Es verlässt sich für die eigene Sicherheit nicht passiv auf die Mutter, sondern kämpft für sich selbst. Dies verdeutlicht den Weg des Aspiranten auf dem Pfad des Jnana Sadhana. Er verlässt sich nicht auf äußere Hilfe oder Gnade für seine Befreiung, sondern bemüht sich selbst und erreicht das Wissen um das Selbst.

Ashma Loshta Nyaya

Dies ist das Gleichnis von Stein und Lehm. Verglichen mit Wolle ist Lehm sehr hart, aber verglichen mit Stein ist er weich. Dies zeigt, dass Dinge im Vergleich zu besseren Dingen schlecht erscheinen mögen. Oder sie erscheinen gut, verglichen mit niedrigeren Dingen. Die Dinge selbst besitzen also keine ihnen innewohnende Qualität. Es gibt keine Vielheit. Unterschiede existieren bloß in der Vorstellung.

Kakadanta Nyaya

Dies ähnelt Vandhya Putra Nyaya, Gaganaaravinda Nyaya, Gandharvanagara Nyaya oder Shashavishna Nyaya. Es bringt gar nichts, nach den Zähnen einer Krähe zu suchen, weil sie keine Zähne hat. Genauso ist es mit dem Sohne einer unfruchtbaren Frau, einem Lotus im Himmel, einer Stadt in den Wolken und den Hörnern eines Hasen. Folglich ist es sinnlos, nach den Widersprüchen und Mysterien der Existenz zu fragen, wie z.B.: „Warum hat ein perfekter Gott eine unvollkommene Welt erschaffen?“ etc., denn in Wahrheit gibt es keine Veränderung und keine Schöpfung. Diese Fragen kommen so lange auf, wie die Sonne der Weisheit noch nicht am Horizont aufgegangen ist.

Dandapoopa Nyaya

Wenn viele Kekse an einen Stock gebunden sind und gesagt wird: „Der Stock ist weg und kann nicht mehr gefunden werden“, so bedeutet dies automatisch, dass auch die Kekse verschwunden sind. So vergehen auch alle Zweifel und Begierden, sobald wir begreifen, dass die Existenz ewig, unendlich, ohne Veränderung, ungeteilt, intelligent und glückselig ist! Zweifel und Wünsche steigen nur auf, wo es Veränderungen und Werden gibt.

Kshaurikaputra Nyaya

Einst bat der König einen Barbier, ihm den schönsten Jungen im Königreich zu bringen. Aber im ganzen Land konnte der Barbier keinen wirklich schönen Jungen finden. Dies war ihm sehr unangenehm und er kehrte unzufrieden nach Hause zurück. Dort sah er seinen Sohn. Dieser war eigentlich die personifizierte Hässlichkeit, aber für den Barbier war er der schönste Junge in der ganzen Welt und so brachte er ihn zum König. Dies veranschaulicht, dass wir all das für das Beste und Wertvollste halten, für das wir die meiste Zuneigung und Anhaftung besitzen. Menschen lieben die Welt, weil sie an ihr haften. Jeder einzelne ist in seiner eigenen begrenzten individuellen Erfahrung eingesperrt.

Visha Krimi Nyaya

Würmer, die in giftigen Substanzen leben, sind davon unbeeinflusst und können dort glücklich leben. Ein Ding kann also für jemanden wertlos sein, aber sehr nützlich für jemand anderen und für einen Weiteren das Wichtigste, wonach er strebt und umgekehrt. Die Wesen dieser Welt sind in der Welt glücklich, weil sie nichts Höheres kennen.

Kakataliya Nyaya

Eine Krähe setzte sich auf eine Palmyrapalme. In dem Moment fiel eine Frucht des Baums herunter und tötete die Krähe. Die fallende Frucht hatte nichts mit dem Hinsetzen des Vogels zu tun. Das Zusammentreffen beider Ereignisse war rein zufällig. Dies soll die Natur zufälliger Ereignisse veranschaulichen. Die Yoga Vasishtha (Jnana-Schrift) sagt, dass die Erscheinung einer gemeinsamen Welt für alle individuellen Seelen, die jeweils in ihrer eigenen unabhängigen Welt leben, ein vergleichbarer Zufall ist - ohne tiefere Bedeutung oder Ursache.

Modernere Nyayas

Butter in Milch

Butter ist in Milch vorhanden. Aber wo befindet sie sich? Sie kann als solche nicht wahrgenommen werden. Trotzdem ist sie überall vorhanden – in jedem Tropfen. Es gibt keine Milchpartikel, in denen Butter nicht vorhanden wäre. Auf gleiche Weise ist Brahman überall vorhanden und es gibt keinen noch so kleinen Ort, wo Brahman nicht ist. Es ist die Essenz der Existenz und doch für einen weltlich orientierten Menschen nirgends zu sehen. Dies verdeutlicht die Allgegenwart von Brahman.

Feuer im Holz

Feuer ist in jedem Holzstück bereits latent vorhanden, so wie die Butter in der Milch. In allen Hölzern existiert nur ein Feuer, aber sobald es sichtbar wird, unterscheidet es sich bezüglich Name, Form und Ablauf. Brahman, die Realität hinter allen Dingen, erscheint auch mannigfach in Bezug auf Name, Form und Handlung in all den individuellen Seelen und zahllosen Welten. Aber in Wahrheit ist es eins und erscheint uns nur irrtümlich in dieser Vielheit.

Rauch und Feuer

Rauch entsteigt dem Feuer. Der dichte Rauch umhüllt das helle Feuer und so ist es nicht mehr sichtbar. Aber der Rauch entstammt dem Feuer und ist somit ein Teil des brennenden Feuers. Er ist eins mit dem Feuer. Auf ähnliche Weise entstammt die Illusion (Maya) aus Brahman und verdeckt es, so dass Brahman nicht wahrgenommen werden kann und die Vielheit und die Unterschiede tatsächlich zu existieren scheinen. Aber Maya ist eins mit Brahman und eine bloße Erscheinung Brahmans, des strahlenden, glückseligen Bewusstseins.

Kette und Faden

Ein Halsband besteht aus vielen Perlen unterschiedlicher Form, aber es gibt einen Faden, der sie zu einer Einheit verbindet. Der Faden ist der wichtigste Halt und das Wesen der Kette. Genauso ist das höchste Brahman das verbindende Lebensprinzip in allen individuellen Seelen und Welten. Es vereinigt die gesamte Existenz und ist der Halt und die Wesenheit aller Dinge.

Tragen von Kleidung

Alte gebrauchte Kleidung wird weggeworfen. Neue Kleidung wird angezogen. In der Bhagavad Gita wird damit gezeigt, wie die individuelle Seele einen alten verbrauchten Körper wegwirft und einen neuen annimmt. Daher stirbt die individuelle Seele niemals.

Das Chamäleon

Ein Chamäleon passt seine Farbe der Farbe der Umgebung an. Wer das Chamäleon in Rot sieht, behauptet, dass das Tier rot sei. Wer es in Grün gesehen hat, wird behaupten, dass es grün sei. Aber wer das Chamäleon aufmerksam längere Zeit unter den Bäumen beobachtet hat, kennt all seine Farben und hat keine Zweifel mehr über die wahre Natur seiner Farbe. Dies zeigt, dass die Menschen Gott nur teilweise verstehen und sich untereinander darüber streiten, was richtig und falsch ist. Gott ist dies, Gott ist das usw. Ein Brahma-Jnani, der in Stille die Natur des gesamten Seins beobachtet hat, kennt seine wahre Natur. Er hat keine Zweifel mehr über die Natur des Absoluten.

Wasser und Salz

Ein Salzkorn fällt in ein großes Wassergefäß, löst sich auf und ist für das Auge nicht mehr wahrnehmbar. Jeder Tropfen Wasser schmeckt nun salzig. Auf gleiche Weise löst sich die individuelle Seele durch die gewonnene Weisheit in „Sein-Wissen-Glückseligkeit“ auf und wird eins mit Allem. Alles wird als höchste Glückseligkeit erfahren und ist überall gleich.

Zwei Dornen

Wenn ein Dorn im Bein steckt, kann er mit einem anderen Dorn vorsichtig entfernt werden. Anschließend werden beide Dornen weggeworfen und das Problem ist beseitigt. Genauso sollten durch gute Eigenschaften und wahres Wissen die negativen Eigenschaften und Unwissenheit entfernt werden. Nachdem man Frieden gefunden hat, muss man beides loslassen und alle Unterschiede transzendieren.

Schwert und Stein der Weisen

Nach der Berührung mit dem Stein der Weisen ist das scharfe Eisen eines Schwerts zu Gold geworden. Nun sieht es noch wie ein Schwert aus, kann aber nicht mehr schneiden. Auch das Ego eines Siddha-Jnani (verwirklichter Weiser) oder Jivanmukta (in diesem Körper Befreiter) mag wie ein Individuum erscheinen und einen Körper bewohnen, bindet ihn aber nicht mehr an den Kreislauf der Wiedergeburt. Denn er ist durch die Berührung der höchsten Weisheit des Absoluten zu Shuddha-Sattva (höchste Reinheit) transformiert.

Kronleuchter und Elektrizität

Viele verschieden geformte Glühbirnen mit unterschiedlichen Farben befinden sich in einem Kronleuchter. Aber die Grundlage für das Leuchten, die grundlegende Kraft hinter dieser Erscheinung, ist die Elektrizität. Sie hat weder Farbe noch Unterschiede. Genauso gibt es verschiedenste Welten und Kreaturen facettenreichster Namen und Formen. Aber sie alle haben ihre Wurzeln in der einen Kraft, dem höchsten Brahman, das eigenschaftslos und unteilbar, namenlos und formlos ist.

Zwei Vögel

Zwei Vögel leben als Gefährten im selben Baum. Einer von ihnen isst die süßen Früchte des Baumes und verliert sich dadurch allmählich in Anhaftung und Täuschung. Der andere Vogel hingegen isst nichts davon und bleibt ein ewiger Zeuge. Von dieser Analogie wird im Rigveda (einer der vier Veden) und der Mundaka Upanishad berichtet. Sie zeigt, dass sowohl die individuelle Seele als auch der Paramatman (das höchste Selbst) in demselben Körper wohnen, aber die Seele genießt die Freuden und Leiden der relativen Existenz und entwickelt Anhaftung, wohingegen der Paramatman (Kutastha), die höchste Seele, Zeuge bleibt und für immer im Absoluten existiert.

Der Mann mit der Halskette

Ein Mann trägt eine goldene Halskette um den Hals. Aber vor lauter Aufregung und Verwirrung sucht er eines Tages überall nach seiner Kette. Völlig in Eile sucht er mal hier und mal dort, kann sie aber nirgends finden. Sie ist ja bereits um seinen Hals. Auf gleiche Weise sucht die individuelle Seele Perfektion und Glückseligkeit überall in der Außenwelt und vergisst, dass Brahman ihre wahre Natur ist und sie identisch mit Brahman ist.

Seidenraupe und Kokon

Die Seidenraupe spinnt sich selbst mit dem Faden aus ihrem Mund einen Kokon. Durch Unwissenheit und Anhaftung bindet sich die individuelle Seele auf gleiche Weise fest und leidet unter dieser Bindung an die körperliche Existenz mit ihren vielen Geburten und Toden.

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Siehe auch

Literatur

Seminare

Vedanta

Hier erscheint demnächst wieder eine Seminarempfehlung: url=interessengebiet/vedanta/?type=2365 max=2