Yoga des Erfolgs: Unterschied zwischen den Versionen

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15.33. Die Entspannung kann bei der Transformation bestimmten Nebels sogar so wichtig sein, dass nur durch sie Fortschritte bei der Transformation der Hüllen auftreten.
15.33. Die Entspannung kann bei der Transformation bestimmten Nebels sogar so wichtig sein, dass nur durch sie Fortschritte bei der Transformation der Hüllen auftreten.
==Teil III: Die 4 dichtesten Hüllen und Ideen zu ihrer Transformation==
===Verstandeshülle===
16.1.  Überzeugungen über das Leben, das Universum, sich selbst und andere sind in der Verstandeshülle gespeichert.
16.2.  Die  Überzeugungen können mit  Emotionen aus der Emotionalhülle (siehe Kapitel 17 und 18) verbunden sein, müssen es aber nicht.
16.3.  Weil in der Verstandeshülle nur erlebtes Wissen gespeichert ist, müssen Weisheit, Aufmerksam- keit, Willen, Konzentrationsfähigkeit und echte Intuition jenseits der Verstandeshülle arbeiten.
16.4.  Was nicht heißen soll, dass diese die Verstandes- hülle nicht nutzen.
16.5. In  einer  Situation  erlerntes  Wissen  und Fähigkeiten sind nur nutzbar, wenn die Situation, in der das Wissen angeeignet wurde, keine emotionalen Reaktionen (mehr) auslöst.
16.6.  Emotionen im Moment des Abrufens erschweren oder verhindern sogar das Abrufen des Wissens.
16.7. Überzeugungen  können  so  selbstverständlich werden, dass man vergisst, dass es nur Überzeu- gungen sind. Sie manifestieren sich in der Au- ßenwelt als Realität.
16.8. Unbewusste Überzeugungen sind mächtiger als bewusste Überzeugungen. Insbesondere, wenn sie verborgen bleiben. Das ist einer der Gründe, wes- halb Affirmationen manchmal nicht funktionieren. In diesem Fall müssen zusätzlich andere Techni- ken zur Transformation des Unterbewusstseins verwendet werden.
16.9.  Nicht mit Emotionen verbundene Überzeugungen lassen wesentlich mehr Licht Atmans hindurch als Verbundene.
16.10. Sie  sind  leichter  wandelbar  und  können,  falls notwendig, auch schneller als „nicht mehr gültig“ erkannt werden.
16.11. Sind Gedankenformen nicht aktiv, heißt es noch lange nicht, dass sie nicht da sind. Ergeben sich andere Umstände in der Außenwelt, können diese bisher ruhende Gedankenformen zur Aktivität bringen. Insbesondere, wenn die Umstände an Si- tuationen der  Vergangenheit erinnern und  diese 16.12. Das  erste  Ego  entsteht aus  den  Eindrücken im Mutterleib und den ersten Lebensjahren. Viele dieser Eindrücke bilden die grundlegenden Über- zeugungen darüber, wie die Welt ist und werden im Allgemeinen fest behauptetet. Und somit auch immer wieder in unterschiedlichsten Situationen neu erlebt. (Solange sie nicht transformiert sind.)
16.13. Weiteres Ego entsteht, indem man sich falsches Wissen aneignet, es längere Zeit erlebt denkt und dadurch immer mehr daran glaubt.
16.14. Oder, indem richtig erworbenes Wissen unzuläs- sig verallgemeinert und behauptet wird.
16.15. Oder,  indem  Widerstand  oder  Begehren  von Emotionen aufgebaut wird. Das können auch Lob und Tadel, Bewunderung und Ablehnung sein.
16.16. Oder, indem man sich Verhaltensweisen aneignet, die andere emotional oder intellektuell manipulie- ren oder kontrollieren. Dazu gehört auch das bewusste oder unbewusste Verleugnen eigener Fähigkeiten.
16.17. Oder,  indem  egoistische  Anteile  anderer  Men- schen für richtig erachtet und daher nachgeahmt werden.
16.18. Oder, indem man sich Verhaltensweisen aneignet, die andere dazu bringen, einem mehr Aufmerk- samkeit zu geben.
16.19. Oder indem der Aspirant Gefühle nachahmt, die er zwar nicht zulassen will, weil sie mit unange- nehmen Situationen der Vergangenheit verknüpft sind, aber trotzdem gerne (zum eigenen Vorteil) schauspielern möchte.
16.20. Oder indem er dunkle Seiten (siehe Kapitel 18)
verleugnet, die trotzdem aktiv sind.
16.21. Alle diese Anteile werden, wenn sie zu lange ge- lebt werden, zu sehr festem Nebel, der darüber hinaus beim Aspiranten den Eindruck erweckt, dieses sei absolute Realität.
16.22. Sie verselbständigen sich und der Aspirant glaubt, es gäbe einen Handelnden, nämlich ihn. In Wirk- lichkeit gibt es nur automatisierte Gedankenfor- men, die einen glauben machen, es gäbe ein Ich. Diese Gedankenformen sind der Nebel der Ver- standeshülle.
16.23. Anmerkung: Ramana Maharshi schreibt, dass die Erforschung der Wurzel der Gedankenform eine sehr hilfreiche Transformationsmöglichkeit ist: es gibt keine Wurzel und erlebt man die Einsicht im konkreten Fall, löst sich die Gedankenform auf. Doch  die  Hinterfragung  „Wer  ist  es,  der  da denkt?“ oder „Wer bin ich?“ funktioniert nicht bei jedem. [9]
16.24. Die Gedankenformen nutzen die Größe Atmans, damit sich aus ihnen Realität manifestieren kann.
16.25. Auch wenn das Ego das nicht wahrhaben will.
16.26. Anmerkung: Ramana Maharshi schreibt, dass es einer der wichtigsten Momente bei der Transfor- mation des Aspiranten ist, wenn das Ego seine Ohnmacht bei der Gestaltung der Welt feststellt. [9] Insbesondere, wenn schon ein hoher Grad ein Reinheit (Sattwa) im Aspiranten vorhanden ist.
16.27. Atman    kommt    zum    Leuchten,    wenn    die Gedankenwellen ruhen. Denken verhindert die Er- fahrung Gottes.
16.28. Patanjali schreibt: Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist. Dann ruht der Wahrneh- mende (Sehende) in seiner wahren Natur. (Kap I, Sutras 2,3) [4]
16.29. Wichtige    Fertigkeiten    auf    dem    Weg    zur Gedankenruhe sind Konzentration, Willen, Auf- merksamkeit und Selbstbeobachtung.
16.30. Mit diesen kann sich der Aspirant mit dem be- schäftigen, was er möchte und er kann auch be- wusst  wahrnehmen,  wenn  die  Gedanken  nicht mehr in Ruhe sind.
16.31. Alle 4 Fertigkeiten sind für jeden erlernbar. Das
Erlernen braucht allerdings Zeit (und Muße).
16.32. Die  automatisch  ablaufenden  Gedankenformen führen zu Leiden, da das eigene Verhalten sich zu sehr an der Vergangenheit und zu wenig an der momentanen Situation orientiert.
16.33. So  schreibt  Patanjali:  „Es  gibt  fünf  Arten  von Gedankenwellen. Einige davon sind schmerzhaft, andere nicht.“ ([4], Kap I, Sutra 5).
16.34. Dieses  wird  gemeinhin  so  interpretiert,  dass Gedankenwellen zum Leiden bringen können oder maximal neutral sind.
16.35. Momente des Glücks sind immer Momente der ruhenden Gedankenwellen:
16.36. Sind die Gedanken still und ist das Herz geöffnet (siehe), entsteht eine gelassene, grundlose Fröhlichkeit, die frei von Wünschen ist.
16.37. Denn  Wünsche  sind  eine  der  Hauptursachen intensiver Gedankenwellen und Hauptursache des Leidens, da sie die Idee benötigen, dass es in der Gegenwart einen Mangel gibt.
16.38. Der Selbstverwirklichte nutzt den Verstand, ohne dass der Verstand sich selbstständig macht und bringt ihn zum ruhen, wenn er ihn nicht benötigt.
16.39. Beim  Aspiranten  machen  sich  Gedankenwellen selbstständig.
16.40. Wie mächtig die Gedankenformen sind, beschreibt das Kapitel 10 „Karma und Schicksal“.
16.41. Das  Stoppen  der  automatisierten Gedanken  der Vergangenheit im Alltag ist ein wichtiger Aspekt bei der Transformation des Nebels.
16.42. Denn der Alltag bildet den Großteil des Lebens.
Auch für höchstmotivierte Aspiranten, die meh- rere Stunden täglich praktizieren, bleibt der Alltag ein wichtiger Anteil bei der Lebensgestaltung.
16.43. Auf diese Weise wird der Alltag zum höchsten erhoben.
16.44. Es ist eine edle Form der Anwendung des allge- meinen Anpassungsprinzips.
16.45. Selbst Paramahansa Yogananda bekam nach sei- ner Erleuchtung von seinem Yogameister Sri Yukteswar den Auftrag, alle Aspekte bei der Be- wältigung des Alltags lieben und schätzen zu ler- nen und sich nicht vor dem Alltag durch tiefe Me- ditationen zu drücken. [15]
16.46. Von  einem anderen  berühmten Yogameister ist bekannt, dass er allen Neuaspiranten in seinem Ashram die Anweisung gab, als erstes am nächs- ten Morgen in der Früh die Latrinen zu putzen. War sich der Aspirant zu fein dafür, putzte der Meister am nächsten Morgen vor den Augen des Neuaspiranten  die  Latrine,  was  häufig  einen großen Eindruck hinterlassen hat.
16.47. Widerstand erhöht das Leiden nur! Das gilt auch im Alltag.
16.48. Das Stoppen der automatisierten Gedanken lässt sich durch eine zusätzliche Aufgabe gerade bei einfachen Tätigkeiten erreichen.
16.49. Dieses kann zum Beispiel, die bewusste, ruhige
Bauchatmung bei tiefem Ausatmen sein.
16.50. Oder    die    Beobachtung    (mit    Hilfe    der Aufmerksamkeit, nicht mit den Augen!) des He- ben und Senken der Bauchdecke während der Bauchatmung.
16.51. Oder durch Rezitieren in  Gedanken oder  durch Singen eines Mantras. Wobei das Rezitieren in Gedanken noch mächtiger als das Singen ist.
16.52. Oder durch Singen von Liedern, insbesondere von
Kirtans und Bhajans.
16.53. Oder durch bewusstes, möglichst müheloses Kon- zentrieren auf die zu erledigende Tätigkeit.
16.54. Oder durch das Denken an jemanden, dessen Geist den Bereich von Gier und Verhaftung transzen- diert hat (nach Patanjali, Kapitel I, Vers 37 [4]).
16.55. Oder, indem man bewusst über das Gegenteil der Gedankenform nachdenkt (nach Patanjali, Kapitel II, Vers 34 [4]).
16.56. Je mehr automatisch ablaufende Gedankenformen im Widerspruch zueinander stehen, desto trüber ist der Geist des Aspiranten. Dieses gilt insbeson- dere, wenn Emotionen mit den Gedankenformen verknüpft sind.
16.57. Dieses  kann  sogar  bis  zur  Verwirrung und  be- stimmten Formen von Depression führen.
16.58. Hier helfen zunächst Übungen zur Stärkung des Willens,  zur  Entspannung  und  insbesondere Atem- und Körperübungen des Hatha Yoga, um die Gedanken zur Ruhe zu bringen. Auch die Me- ditationstechnik Tratak (siehe A.6), die mit offe- nen Augen ausgeführt wird, ist sehr hilfreich.
16.59. In der Verstandeshülle ist nur bisher erlebtes Wis- sen abgelegt.
16.60. Die daraus resultierende persönliche Wahrheit gilt nicht unbedingt für andere. Auch wenn das Ego dieses gerne so sehen möchte (und meistens auch in den Menschen der Umgebung umsetzen möch- te).
16.61. Das Ego bestreitet die Existenz einer nur subjekti- ven Wahrheit häufig. Es will sich oder anderen weismachen, dass es handelt und das einzig Wichtige ist.
16.62. Unbekanntes  kann  sich  in  das  schon  bekannte einordnen oder im Widerspruch zu Bekanntem stehen.
16.63. Berechtigter Widerspruch zu unberechtigt Beste- hendem ist eine Voraussetzung für die Transfor- mation des Nebels.
16.64. Das  Annehmen  eines  unberechtigten  Wider- spruchs kann Zweifel, mangelndes Selbstver- trauen und fehlende Entscheidungskraft hervor- bringen.
16.65. Durch die Ablehnung eines unberechtigten Wider- spruchs verfestigt das zu Recht erworbene Wis- sen.
16.66. Heute als Recht bekanntes Wissen kann sich mor- gen schon als Unrecht erweisen.
16.67. Dieses  geschieht  durch  Veränderung im  Außen oder durch eine Einsicht jenseits des Verstandes.
16.68. Alles Wahrnehmen, alles Handeln wird den be- haupteten Überzeugungen angepasst, damit  sich die Überzeugungen erfüllen können. (Diese Ei- genschaft nennt man Recht haben wollen.) Dann können die automatisierten Gedankenformen weiterlaufen. Das kann sogar zur Verleugnung be- rechtigter Widersprüche führen.
16.69. Daher lässt sich das Zitat aus der Erwachsenen- Weiterbildung auch auf die Transformation des Nebels übertragen: „Jede Lernsituation reizt mit Gewinn für das Ich und bedroht zugleich das Ge- wohnte. Man will das Neue und will zugleich das Vertraute nicht verlieren“.
16.70. Anmerkung: Dieser Satz ist auch eine interessante
Anwendung des allgemeinen Anpassungsprinzips.
16.71. Insbesondere das Eingeständnis, viele Jahre lang etwas „falsch“ gemacht zu haben, fällt dem Ego sehr schwer. Es ist, allerdings nur kurzfristig, an- genehmer, den Nebel zu tarnen und zum Ruhen zu bringen als zu transformieren.
16.72. Recht haben wollen führt langfristig zu vermehr- ter Einsamkeit und auch zu vermindertem Erfolg: Die Erfolgreichen, die ihren Nebel schon ausge- dünnt haben, meiden einen. Die, die übrig bleiben, sind nur selten hilfreich. Die Transformation des Nebels beugt hier auf fundamentale Weise vor.
16.73. Denn einsame Menschen sind selten erfolgreich und glücklich. (Anmerkung: Allein sein ist allein sein und Einsamkeit ist Einsamkeit.)
16.74. Das Licht eines guten Lehrers ist daher besonders zu schätzen, da er einem helfen kann, die Mosaik- steine vom Vertrauten (Gewohntem), die nicht (mehr) hilfreich sind, zu transformieren.
16.75. Alle behaupteten Überzeugungen vernebeln, wie all die anderen Mosaiksteine, die Sonne und Wonne Atmans.
16.76. Wahrheiten  der  Vergangenheit  helfen  nicht  im
„Hier und Jetzt“. Die notwendige Transformation des Egos bringt nicht nur die Sonne Atmans zum scheinen, sie verhilft auch zu situationsgerechtem Entscheiden und Handeln. Wobei nur die materiell eingestellten Menschen hier einen Unterschied sehen.
16.77. Beziehungen werden noch positiver, fester, ruhen auf noch soliderem Fundament. Die zur Verfü- gung stehende Intelligenz nimmt zu.
16.78. Die Transformation erfordert Loslassen, Entspan- nen und sich Einlassen. Denn Recht haben ist mit Kontrolle und Anspannung verbunden.
16.79. Das für die Transformation des Nebels Geschrie- bene (siehe Kapitel 5) gilt selbstverständlich auch für die Verstandeshülle.
16.80. Das gilt auch für die daraus entstehenden Qualitä- ten des Aspiranten und die daraus folgenden Le- bensqualitäten.
===Emotionen und Gefühle===


==Siehe auch==
==Siehe auch==

Version vom 8. Februar 2014, 11:31 Uhr

Yoga des Erfolgs ist eine Abschlussarbeit im Yoga-Vidya-Visharada-Studiengang von Dr.-Ing. Thomas Probol (Kalidas), August 2007. Thomas Probol baut seine Arbeit in Versen auf und nummeriert diese durch. Die Arbeit besteht aus fünf Teilen und mehreren Unterkapiteln. Er nummeriert diese allerdings durch. Das Vorwort ist für ihn die Nummer 1 seines Inhaltsverzeichnisses, das Inhaltsverzeichnis an sich die Nummer 2 und das erste Unterkapitel von Teil I. ist dann die Nummer 3.

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So erklärt sich die erste Zahl der Verse bei dem Unterkapitel von Teil I, das "Brahman, Atman, der Nebel und die Transformation" heißt. Wenn der Autor also auf ein Kapitel verweist, erkennt man diese hier als erste Zahl der Verse.

Vorwort

Trotz des materiellen Wohlstandes im westlichen Kulturkreis gibt es nicht gerade viele glückliche und zufriedene Menschen. Dabei versucht jeder Mensch – bewusst oder unbewusst – auf seine Weise täglich aufs Neue, Glück zu erlangen und Leid zu vermeiden. Und doch gelingt es vielen Menschen bei weitem nicht so, wie sie sich das vorstellen.

Der indische Yogameister Swami Sivananda hat sinngemäß geschrieben, dass Glück, Gesundheit und Zufriedenheit Geburtsrechte des Menschen sind. Doch was ist aus diesen Rechten in unserer Kultur geworden? Streben nach Glück und Vermeiden von Leid reichen alleine nicht aus, um diese Geburtsrechte zu erlangen. Das, was wir tun, ist fast immer richtig. Das „Wie“ ist es, was viele Dinge immer wieder in eine nicht erwartete und nicht gewollte Richtung lenkt.

Hier setzt dieses Buch an. Hier geht es um das „Wie“. Und auch um das „Wie besser nicht,“ damit das Streben nach Glück und Erfolg erfolgreich wird. Dabei geht es um allgemeine Grundsätze und Prinzipien, welche Ideen, Entscheidungen und Handlungen zu Glück und Erfolg führen. Beruf, Familienstand, Alter und andere (aus spiritueller Sicht) Äußerlichkeiten sind für Glück und Erfolg fast unbedeutend im Vergleich zu den Motivationen und Intentionen, aus denen heraus wir unser Leben täglich neu gestalten.

Dieses Buch will Beziehungen zwischen Positivität, Persönlichkeitsentwicklung, Lernen, Erfolg und Umgang mit Misslungenem lehren. Das Fundament dazu bilden Erkenntnisse und Weisheit aus Yoga, Psychologie und Mentaltraining, die in diesem Buch zu einem neuen Wissen verschmolzen sind. So soll eine neue Form der Ganzheitlichkeit entstehen: Zum einen aus dem resultierenden Wissen dieser recht nahe beieinander liegenden Wissenschaften. Zum anderen aus einer völlig neuen Verschmelzung von Spiritualität und Meisterung des Alltags: Immer wieder wird hervorgehoben, dass Spiritualität und Meisterung des Alltags ein- und dasselbe sind, solange unter der Meisterung des Alltags ein fröhliches, erfolgreiches, müheloses Dasein zum Wohle von allen (einschließlich einem selbst) verstanden wird.

Mein Yoga-Wissen stammt größtenteils aus dem Hause Yoga Vidya unter der Leitung von Sukadev Bretz, der nach der Tradition von Swami Sivananda lehrt. Auch von Büchern der Meister Swami Vivekananda, Paramahansa Yogananda und Ramana Maharshi wurde ich geprägt. Der Großteil meines Wissens über Mentaltraining stammt aus dem Avatar-Weg, der von Harry Palmer kreiert wurde. Das intensive Praktizieren beider Richtungen setzte und setzt auch immer noch große Synergien frei, die ich mit einem Weg alleine nicht gefunden hätte.

Das Wissen dieses Buches ist nicht wirklich neu. Das Wissen über die Meisterung des Alltags kann auch nicht wirklich neu erfunden werden. Schließlich ist und war es großen Meistern über Jahrtausende bekannt. Neu ist vielleicht der Versuch, dieses Wissen in die Denkweise des westlichen Menschen des 21. Jahrhunderts zu übertragen.

Mir ist dabei wohl bewusst, dass ich das, was ich hier alles in Reinform geschrieben habe, selbst noch nicht in Perfektion lebe. Auch wenn ich weiterhin viel praktiziere und den Wunsch verspüre, mich den hier beschriebenen Idealen noch viel mehr zu nähern, vielleicht sogar die Gnade erlebe, sie zu erreichen. Falls mir ein Mensch begegnet und mein noch vorhandenes Ego sieht, möge er Nachsicht und Geduld üben, wie auch ich das Leben dieser beiden Eigenschaften noch steigern kann.

Wohlweislich habe ich mich auf das Wissen beschränkt, das ich mindestens ansatzweise selbst erlebt habe. So soll dieses Buch einen möglichst hohen Grad an Authentizität erlangen. Eine große Ausnahme musste ich dennoch aus didaktischen Gründen tun. Ich habe Gott (oder Brahman, oder welchen Namen er auch immer in anderen Religionen oder spirituellen Richtungen bekommen hat) selbst noch nicht erlebt. Das ganze Konzept rund um Spiritualität, Persönlichkeitsentwicklung, Ego und Meisterung des Egos setzt das Unsichtbare, Hintergründige voraus, mit dem das ganze Weltall durchwoben ist und dennoch, solange noch ein Ego vorhanden ist, nicht greifbar ist. So habe ich das Konzept von Brahman und Atman aus dem Jnana Yoga als Grundlage dieses Buches genommen, und es so gut beschrieben, wie es mir als noch nicht Selbstverwirklichtem möglich war.

Dieses Buch ist meine Abschlussarbeit im Yoga-Vidya-Visharada-Studiengang. Es enthält in kompakter Form fast mein gesamtes momentanes Wissen über Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität. So ist dann momentan die Zielgruppe der Leser auf spirituelle Aspiranten mit Vorkenntnissen beschränkt. Was aus dieser Kompaktform zukünftig noch entstehen kann, wird sich zeigen. Ich glaube, dass allein schon das Aufzeigen vieler Zusammenhänge zwischen Innenwelt (z. B. Gedanken, Gefühle) und Außenwelt (z. B. unsere Umgebung, unsere Beziehungen) zu vielen neuen Einsichten führen kann.

Meine Vision für die nächsten zwei Jahrzehnte ist es, dass Eigenverantwortung und Mitgefühl einen völlig neuen, angemessenen Stellenwert im westlichen Kulturkreis bekommen. So entsteht ein völlig neues Miteinander mit mehr Erfolg, Glück, Schaffenskraft und Kreativität.

Mein Dank für die Entstehung dieses Buches richtet sich an alle Yogalehrer, in deren Unterricht und von deren Sein ich lernen durfte und an all die Avatar-Master, mit denen ich gemeinsam Übungen durchgeführt habe. Stellvertretend für viele andere sei hier der Leiter von Yoga Vidya Sukadev Bretz genannt, der in vielen Yoga-Weiterbildungen sein Wissen weitergegeben und viele hochspirituelle Aspiranten bei Yoga Vidya ausgebildet hat. In der Avatar-Linie möchte stellvertretend für viele andere Avatar-Master Julie Armitage danken. Sie hat mich bei dem diesjährigen Wizard-Kurs liebevoll und beharrlich in eine völlig neue Tiefe meines eigenen Bewusstseins geführt, was einige Schichten meines Egos partout nicht wollten und was zu einem völlig neuen Schub in meinem eigenen Wachstum führte.

Für die Entstehung dieses Buches waren auch viele eigene Schüler besonders wichtig, die meine Schärfe im Denken und Denken in Zusammenhängen durch konstruktive Fragen und Anmerkungen besonders gefördert haben und von denen ich noch viel lernen konnte. Madelaine Brinkmann und Markus Wentzke danke ich für die wertvollen Tipps und Anregen bei der Fertigstellung des Buches. Besonders danken möchte ich meiner Frau Maheshwari für das Leben der gemeinsamen Idee, dass jeder für sein eigenes Glück selbst verantwortlich ist, was sich jedoch besser gemeinsam als alleine erreichen lässt. So konnten viele verbundene Stunden gemeinsam und alleine entstehen, die ohne das gemeinsame Wachstum niemals möglich gewesen wären.

Teil I: Die Lebensaufgabe

Brahman, Atman, der Nebel und die Transformation

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3.1. Eine große Kraft durchzieht das ganze Universum. Sie, mit dem von Menschen gegebenen Namen Brahman, hat es erschaffen, durchwebt das Universum und steht doch jenseits von ihm. Im Herzen eines jeden Menschen spiegelt sie sich als Atman wider.

3.2. Anmerkung: Ist der Glaube an Brahman oder Gott oder wie man „Es“ auch immer bezeichnen möge, nicht gewünscht oder noch nicht möglich, ist dieses Buch trotzdem für alle sehr wertvoll, die ihr Leben verstärkt selbst in die Hand nehmen und / oder ihre Fähigkeiten ausbauen möchten.

3.3. Atman ist gütige, fröhliche, gelassene und mächtige Seins- und Schaffenskraft.

3.4. Dieses Bild von Atman ist für dieses Buch sehr hilfreich.

3.5. Jedes Bild von Atman und Brahman bleibt nur ein Bild. Um Atman zu verstehen, muss man ihn erleben und dadurch verwirklichen.

3.6. Der Mensch, der Atman lebt, denkt, fühlt und handelt als Atman. Und weiß doch, dass er als Mensch auf diesem Planeten ist (Doppelbewusstsein). Er lebt in Verbindung mit allem und lebt die positive Veränderung von allem.

3.7. Atman will sich in dieser Form in jedem Menschen verwirklichen.

3.8. Ein Nebel verhindert die Gestaltung des Lebens in der gewünschten Weise und in der Leichtigkeit, in der es möglich wäre.

3.9. Der Nebel scheint zunächst nur außerhalb zu sein.

3.10. Die Transformation des Nebels ist möglich. Die in schwierigen Situationen unbewusst erworbenen Fähigkeiten können sich durch die Transformation entfalten.

3.11. Die Sehnsucht nach Atman und seinen Fähigkeiten fördert die Transformation.

3.12. Der Aspirant, dessen Herz nach Atman brennt und der sich ganz auf die Transformation konzentriert, wird die Selbstverwirklichung noch in diesem Leben erreichen.

3.13. Anmerkung: In diesem Buch werden Selbstverwirklichung, Verwirklichung des Atman, Befreiung und Erleuchtung gleichwertig benutzt.

3.14. Die erste notwendige Einsicht für die Transformation lautet: „Einen Teil des Nebels verursache ich selbst.“

3.15. Aus ihr resultiert die nächste Einsicht: „Wenn ich ihn verursacht habe, kann ich den Nebel ändern.“

3.16. Die Transformation beginnt mit dem Vorsatz, den eigenen Nebel zu transformieren. Ein Meister hat sinngemäß gesagt: 100 Meister können einen Aspiranten nicht erheben, wenn der Aspirant nicht den brennenden Wunsch nach Selbstverwirklichung hat.

3.17. Das einzig wirklich Wichtige im Leben ist die Transformation des eigenen Nebels. Aus ihr entwickeln sich die Qualitäten Atmans.

3.18. Eines der großen Paradoxa des Lebens ist es, dass Atmans Nebel das Erkennen von Atman behindert und das Erkennen von Atman, obwohl wir selbst Atman sind, Beharrlichkeit und Einsatz erfordert. So kann sich Atman in den verschiedensten Spielweisen selbst erleben.

3.19. Alle Probleme mit der Außenwelt sind in Wirklichkeit eigener Nebel, der nicht als solcher wahrgenommen wird.

3.20. Das nachhaltige Lösen eines Problems beginnt mit dem Erkennen dieses eigenen Nebels.

3.21. Das erfordert die Ehrlichkeit, (vermeintliche) Unzulänglichkeiten bei sich zu suchen und nicht bei anderen.

3.22. Aus Atmans Sicht gibt es keine Unzulänglichkeiten, nur das Ich kennt welche.

3.23. Denn alles auf diesem Planeten gehört zu Lila, wie das große kosmische Schauspiel in diesem Universum in Sanskrit heißt.

3.24. Nach dem Ehrlich-Werden ist der Nebel zu transformieren. In jeder Unzulänglichkeit schlummert ein Potenzial. Ist der Nebel transformiert, steht dem Aspiranten das dem Nebel innewohnende Potenzial zur Verfügung.

3.25. Ist der Nebel transformiert, ist auch das Problem mit der Außenwelt auf (scheinbar) magische Weise verschwunden.

3.26. Auch das ist Teil des Lila.

3.27. Eine wichtige Grundidee auf dem Weg zum Erleben Atmans: Solange Atman nicht erlebt ist, kommt mehr Nebel von einem selbst als vermutet.

3.28. Sie beruht auf der Tatsache, dass es jedem nicht Selbstverwirklichten schwer fällt, wirklich jede bei sich nicht geliebte Eigenschaft einzugestehen und sie zu transformieren.

3.29. Das Eingeständnis und das „dranbleiben“ fällt leichter, wenn man sich regelmäßig den gewünschten Zustand (z. B. Charaktereigenschaften, Lebensumstände, Ereignisse) nach der erfolgten Transformation vorstellt.

3.30. Insbesondere in Momenten, in denen man nicht mehr daran glaubt, dass man es schafft.

3.31. Die Grundidee entsteht aus der Kenntnis der Funktionsweise des Ego: Anstatt die nicht geliebten Eigenschaften anzunehmen und zu transformieren, was die Liebe zu sich selbst und anderen steigern würde, ignoriert oder kontrolliert oder tarnt man die nicht geliebten Eigenschaften. Und das führt zu unnötigem Nebel des Leidens.

3.32. Das ist Teil der so genannten Maya, der kosmischen Illusion, die mit ihren Kräften dafür sorgt, dass der Aspirant nicht zu schnell die Erleuchtung erlangt.

3.33. Denn dann wäre Lila, das große kosmische Schauspiel, schnell beendet.

3.34. Transformation geschieht über direkte spirituelle körperliche oder geistige Übungen, Lernen über das Leben, Dienst am anderen oder Hingabe an Brahman in Form von diesem oder einem der anderen Namen.

3.35. Echte Transformation geht über die Einsicht hinaus und verändert dein Leben in die gewünschte Richtung.

3.36. Der Nebel setzt sich aus vielen kleinen Mosaiksteinen zusammen. Ist ein Mosaikstein transformiert, wird das Licht in diesem Bereich des Lebens heller.

3.37. Echte Transformation erhöht die Bereitschaft, weitere Mosaiksteine des Nebels als die eigenen anzuerkennen.

3.38. Verändert sich das (Er-)Leben nach einer (scheinbaren) Transformation nicht, ist die Transformation nur eingeredet.

3.39. Besteht der Aspirant darauf, dass die Transformation vollzogen worden ist, wird der Nebel durch die Einbildung sogar noch größer: Der mächtige Mosaikstein der scheinbaren Transformation wurde hinzugefügt.

3.40. Die Freude über die ersten Fortschritte gaukelt häufig vor, dass der Aspirant glaubt, schon viel weiter zu sein, als er ist. Diese kurzfristige Zufriedenheit kann zum neuen Mosaikstein werden. Beständigkeit in der Transformation nimmt auch diesen Nebel.

3.41. Wenn sich der Aspirant messen möchte, dann an denen, die kaum noch oder vielleicht gar keinen Nebel (mehr) haben. Ihre Nähe ist Ansporn und stärkt die eigene Transformationskraft.

3.42. Jeder kann bei anderen, die Atman noch nicht verwirklicht haben, Nebel finden, wenn er sich dafür entscheidet.

3.43. Er kann sogar mit Leichtigkeit Nebel erfinden, ohne dass er es merkt, in dem er durch seinen unbewussten Nebel hindurchschaut und den Nebel anderen zuordnet.

3.44. Die Verurteilung des (vermeintlichen) Nebels anderer, egal ob bewusst oder unbewusst, gibt einen Hinweis auf noch unbewusste Mosaiksteine in einem selbst.

3.45. Dementsprechend lautet es im chinesischen: „Am besten kannst du von deinen Feinden lernen. Von den Freunden geht es häufig nicht so gut, da sie dir zu ähnlich sind.“

3.46. Genau so kann man in anderen immer Atman sehen. Das Erarbeiten dieser Fähigkeit transformiert viele Mosaiksteine. Beständigkeit und Leichtigkeit dieser Fähigkeit erhebt den Aspiranten auf eine hohe Stufe des Daseins.

3.47. Der Anzahl der Mosaiksteine sind viele. Transformation geschieht in vielen kleinen Schritten. Viele Wenig ergeben ein Viel. Fortschritte bei der Transformation machen immer neugieriger auf Atman.

3.48. Beständige, nicht nur eingebildete Transformation wird zur freiwilligen Gewohnheit. Der einzigen Gewohnheit, die die Sonne im Aspiranten erhellt.

3.49. Sie schenkt Leichtigkeit auch im Annehmen scheinbar schwieriger Umstände und damit immerwährendes Glück.

3.50. Unbeständige oder seltene Transformation kann das Vertrauen in Atman schwächen und sogar die Transformation einschlafen lassen.

3.51. Doch es kommen die Ereignisse, die geradezu zum Wiederaufleben des Transformationsprozesses einladen. Letztendlich bleibt es die Entscheidung des Aspiranten, die Einladung zur Transformation anzunehmen.

3.52. Göttliche Gnade kann auch ohne eigenes Zutun Nebel entfernen. Die letzten Mosaiksteine entfernt Atman persönlich. Der letzte Mosaikstein vor der Selbstverwirklichung ist die Angst vor dem Tod.

Struktur und Erleben des Nebels

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4.1. Die Kenntnis über die Wirkungsweise des Nebels ist bei der Transformation sehr hilfreich. (Das ist einer der Gründe für das Entstehen dieses Buches.)

4.2. Die Verhaftung mit dem Nebel geschieht auf mehrere Weisen. Einige von ihnen sind:

  • Man glaubt, man ist der Nebel.
  • Man glaubt, man ist etwas Bestimmtes nicht.
  • Man glaubt, den Nebel nicht transformieren zu können.
  • Man hat Widerstand gegen ihn.
  • Man ist gar verliebt in ihn.
  • Er ist für den Aspiranten unsichtbar.
  • Man bewertet den Nebel.

4.3. All diese Kräfte der Maya verschleiern das Bewusstsein von Atman und gaukeln vor, dass die Welt so ist wie sie ist.

4.4. Diese Kräfte sind sehr mächtig und erhalten Maya und Lila aufrecht.

4.5. Der Nebel ist in 5 Hüllen gespeichert. [Die 4 dichtesten Hüllen sind genau in Teil III beschrieben.]

4.6. Die fünfte Hülle beschreibt die Gesetze des Lebens.

4.7. Ihr folgen das intellektuelle Denken und das Erleben des Ichs als eigenständig handelnde Person.

4.8. Emotionen schließen sich in einer eigenen Hülle an.

4.9. Die Energien, die alles zum Handeln und Leben bringen, befinden sich in einer eigenen Hülle.

4.10. Die gröbste Manifestation des Nebels ist der physische Körper.

4.11. Alle Hüllen sind miteinander verbunden.

4.12. Die Transformation einer Hülle transformiert alle anderen Hüllen mit. Wie intensiv, hängt im Einzelfall ab.

4.13. Das direkte Einwirken auf eine Hülle wirkt stärker als das indirekte.

4.14. Mosaiksteine des Nebels resultieren aus vergangenem Handeln, Denken und Erleben.

4.15. Ob das vergangene Handeln, Denken und Erleben aus einem vergangenen Leben resultiert oder nicht, ist für die Transformation unerheblich.

4.16. Das heutige Denken, Fühlen und Handeln bestimmt Art und Intensität der Mosaiksteine des Nebels und der Fähigkeiten in der Zukunft.

4.17. Jede Transformation eines Mosaiksteins einer Hüllelässt das Licht Atmans und die Fähigkeiten größer werden.

4.18. Alles, was nur zum eigenen Nutzen getan wird, vermindert das Licht Atmans, erzeugt neue Mosaiksteine.

4.19. Alles, was zum Wohle anderer getan wird, verstärkt das Licht Atmans im Handelnden.

4.20. Ist bei Mischformen das Wohl zwischen Handelndem und anderen ausgewogen, folgt der Handelnde immer dem göttlichen Weg des rechen Maßes.

4.21. Intention ist das, was der Aspirant erlebt und anrichtet.

4.22. Es kann sich stark von dem unterscheiden, was er zu tun glaubt, was sich an der Oberfläche abspielt.

4.23. Fast immer legt nicht das Was, sondern das Wie diese Intention fest. (Genaueres erläutert Kapitel 6)

4.24. Das kann eine gut gemeinte Handlung oder Idee in ihrer Wirkung umkehren.

4.25. Die Intention bestimmt mehr als das sichtbare Handeln über die Zukunft von Licht und Nebel im Aspiranten.

4.26. Für den, der aus dem Leben lernt, ist das Erforschen des Wie und der Intention der Schlüssel zum Bewusstsein und zum Erleben von Atman.

4.27. Was und wie etwas erlebt wird, weist auf den Nebel hin.

4.28. Wenn der Aspirant ihn denn sehen möchte.

4.29. Je unveränderlicher Leben und Umstände erscheinen, desto dichter ist der Nebel.

4.30. Will der Aspirant schnell voranschreiten, nimmt er das direkte Erleben als Basis für die Transformation. Und nicht das Denken darüber.

4.31. Das Denken über andere sagt häufig mehr über den Sprecher als ihm lieb ist.

4.32. Je mehr sich der Nebel gelichtet hat, desto positiver und mitfühlender sieht der Aspirant auch andere.

Aktiver und schlafender Nebel; Aktivierung und Transformation des Nebels

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5.1. Ist der ganze Nebel transformiert, lebt der Mensch im Bewusstsein des Atman. Die Eigenschaften des Atman treten mühelos und beständig hervor.

5.2. Ist noch Nebel vorhanden, aber kein Nebel im Moment aktiv, scheint die Sonne Atmans in diesem Moment recht hell.

5.3. Menschen, die nicht beständig an sich arbeiten, neigen dazu, den eigenen Nebel zum Schlafen bringen zu wollen und den Nebel anderer zu aktivieren, um den eigenen nicht mehr sehen zu müssen.

5.4. Das Einschlafen kann durch Vermeiden von Situationen und Menschen erfolgen, die eigenen Nebel aktivieren würden. Es ist dem Aspiranten nur selten klar, dass dabei der eigene Nebel vermieden werden soll.

5.5. Oder durch Genussmittel, ungesunde Ernährung, übermäßige oder mangelhafte Ernährung, Drogen, Medienkonsum, Selbstkasteiung, Sex, Denken, Sprechen und intensives Handeln. Hier entscheidet die Intention der Handlung über Transformation des Nebels oder das Erschaffen neuen Nebels.

5.6. Schlafender Nebel kann durch das bewusste Erschaffen neuen Nebels erzeugt werden.

5.7. Das Nicht-Nutzen von Fähigkeiten und/oder Verantwortung gehört dazu.

5.8. Oder Rechtfertigen, Ausreden, Notlügen, Lügen und (emotional geführte) Angriffe auf andere.

5.9. Oder durch Beschäftigung mit dem Nebel anderer.

5.10. Oder durch die bewusste oder unbewusste Erschaffung von Neid, Bewunderung, Arroganz, Distanz, Süchten, Wut, Aggression, Selbstmitleid, Selbstsucht, (Selbst-)Zerstörung, Machtmissbrauch, Eifersucht.

5.11. Oder durch das bewusste oder unbewusste Aufsuchen von Situationen und Menschen, die den Nebel nicht aktivieren.

5.12. Die Intention all dieser Dinge eignet sich nur selten zur Transformation. Es ist neuer Nebel, der den schon vorhandenen Nebel tarnt und den Aspiranten weiter von Atman entfernt.

5.13. Die Idee, Nebel zum Schlafen bringen zu wollen, bringt nur kurzfristigen Erfolg. Atman will sich verwirklichen und unbewusst erschafft der Nebel in Form des Egos Situationen, die den eingeschlafenen Nebel wieder aktivieren.

5.14. Es zieht Menschen und Situationen an, die sich anders entpuppen, als beim ersten Mal wahrgenommen.

5.15. Oder es entstehen Situationen, in denen die Kontrolle zusammenbricht.

5.16. Oder der Erfolg geht verloren.

5.17. Oder wichtige Bereiche des Lebens lassen sich nicht in die gewünschte Richtung lenken.

5.18. Oder in Situationen wird es in einer Weise emotional, wofür es, von außen betrachtet, keine Erklärung gibt.

5.19. Oder das reale Handeln weicht vom Vorsatz ab.

5.20. Oder der Aspirant oder andere werden geschädigt.

5.21. Oder er wird krank.

5.22. Es ist also immer besser, sich gleich mit der Transformation des Nebels zu beschäftigen. Der langfristige Lohn werden nicht zerstörbare Zufriedenheit, Gelassenheit, Humor und erfolgreiche Schaffenskraft sein.

5.23. Das Streben nach den Qualitäten des Atman bringt jeglichen eigenen Nebel hervor.

5.24. Auch beim Dienst am anderen, egal ob in Familie, Beruf oder bei Freunden und Bekannten.

5.25. Gerade deshalb bedarf der Dienst am anderen auch der beständigen eigenen Transformation, damit er aus dem Herzen und in Leichtigkeit erfolgen kann.

5.26. Auch das Arbeiten im Team und das Leben in der Gemeinschaft fördern das Auftauchen von Nebel.

5.27. Und das kreative Erschaffen von neuem Nebel.

5.28. Alleine sein, kann viel Nebel aktivieren, insbesondere bei gleichzeitigem Reizentzug und der Abstinenz von den oben genannten Konsumgütern.

5.29. Transformation geschieht leichter, wenn der Aspirant entspannt ist und sein Umfeld erlaubt, dass er so sein kann, wie er ist. Mit all seinem Nebel.

5.30. Der Aspirant muss auch davon überzeugt sein, dass er so sein kann, wie er ist. Die Anwesenheit eines entsprechenden Umfeldes reicht nicht aus, wenn der Aspirant durch seinen Nebel des Misstrauens die Außenwelt verzerrt wahrnimmt.

5.31. Allerdings nimmt ein derartiges Umfeld, sofern es lange genug besteht, das Misstrauen und erhöht die Einsichtsfähigkeit des Aspiranten.

5.32. Meditation (siehe Kapitel 39) aktiviert nicht nur, Meditation transformiert gleichzeitig. Ein Mantra (siehe Kapitel 36) verhindert, dass Meditation zur scheinbaren Transformation verkommt.

5.33. Sage Dinge nur, wenn sie ehrlich, gut gemeint und zum Wohle von allen sind.

5.34. Kann sich der Aspirant am Auftauchen von Nebel erfreuen, egal wie unbequem er ist, wird seine Transformation leicht und beständig.

5.35. Patanjali schreibt: Für einen Yogi ist Karma weder weiß noch schwarz; für andere ist es dreierlei Art (Kap IV, Vers 7 [4]).

5.36. Die Vision über das Erleben Atmans ist immer stärker als die Enttäuschung über das bisherige Leben.

Teil II: Grundlegende Lebensideen

Krähe

Intention

6.1. Intention ist der tiefer, manchmal auch im Verborgenen, liegende Anteil von Denken, Sprechen und Handeln.

6.2. Authentizität im Moment ist die Übereinstimmung von Intention und dem, was bewusst gedacht, gesprochen oder gehandelt wird.

6.3. Volle Authentizität ist eine lang anhaltende Authentizität im Moment bei gleich bleibender Intention zum Wohle der Umgebung und des Wesens selbst.

6.4. Bewusstes Tun (Denken, Sprechen, Handeln) setzt die Kenntnis der eigenen Intention voraus.

6.5. Intention ist immer die Wurzel des Tuns. Besitzt ein Gedanke noch eine tiefer liegende Schicht, ist nicht der Gedanke die Intention, sondern die tiefer liegende Schicht.

6.6. Bewusstes Tun ist eine Voraussetzung für Erfolg.

6.7. Ist die Intention bewusst, wird ein Mensch immer zum Wohle von Allen handeln. Das Ego wird sich niemals vorwerfen wollen, absichtlich zu schädigen.

6.8. Weicht das Ergebnis des Tuns vom Plan ab, weist das erlebte/erschaffene Ergebnis auf die Intention hin.

6.9. Unbewusste Intentionen leben solange weiter, bis sie sich bewusst gemacht werden. Wenn sie ruhen, ist der Glaube an die Transformation zwar verlockend, aber verfrüht.

6.10. Schädigendes Verhalten bei guter Absicht zeugt von Blindheit bzgl. der Intention.

6.11. Die Erlebnisse eines Menschen sind immer auch Hinweise auf Karma (siehe Kapitel 10) und Intention. Die Intention ist immer ein Teil des abzuarbeitenden Karmas.

6.12. Das aufrichtige Erforschen der Intention gibt Macht über die Lebensumstände.

6.13. Wenn eigenes oder anderes Tun erforscht wird, ist es fast immer hilfreich, das „Wie“ und nicht das „Was“ zu erforschen. („Der Ton macht die Musik.“)

6.14. Aus spiritueller Sicht spielt das „Was“ keine Rolle, solange das „Was“ den Werten entspricht.

6.15. Brahman behält sich vor, zum Wohle des größeren Ganzen einem Menschen eine besondere karmische Lernaufgabe zu geben. Das Wissen aus dem Abarbeiten des Karmas bereichert die Umgebung des Lernenden.

6.16. Vor jedem Tun sich auch der angestrebten Intention bewusst zu werden („Welches Ziel hat das Tun?“), fördert den Erfolg und den positiven Umgang mit anderen.

6.17. Die Unterschiede zwischen dem, was man sich vorgenommen hat und dem, was erreicht wurde, weisen auf die wahre Intention des Handelns hin.

6.18. Bei konsequenter Anwendung hilft diese Sichtweise, nicht erwünschte, aber vorhandene Intentionen zu transformieren.

6.19. Ein nicht aufrichtiger Umgang mit Emotionen (siehe Kapitel 17) vernebelt die Intuition.

6.20. Und Widerstand, Begehren und ein verschlossenes Herz.

6.21. Klarheit über die eigenen Intentionen gibt intuitives Wissen über die Intuitionen anderer. Andere können ihre Intention dann nicht mehr verbergen.

6.22. Es ist hilfreich, die Wahrnehmung von Intentionen anderer nur sehr bewusst und durchdacht zu kommunizieren.

6.23. Denn: anderen ihre Intentionen mitzuteilen, insbesondere wenn es dem offiziellen Wertesystem des anderen widerspricht, wird fast immer auf Ablehnung, wenn nicht sogar auf Feindschaft stoßen.

6.24. Besser ist es, das Wahrgenommene mit keinem Dritten zu teilen. Bei (vermeintlichem) Schaden ist abzuwägen.

6.25. Vollständige Bewusstheit über die eigenen Intentionen heißt, Atman erfahren zu haben. Das Herz ist zwangsläufig ganz weit geöffnet.

Aufmerksamkeit, Freundschaft, Erziehung, Einsamkeit und Verbundenheit

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7.1. Die Erfahrung des Menschen verwendet Brahman in der Form von Atman, um die Vielfalt der Welt erleben zu können.

7.2. Das Mittel des Erlebens ist die Aufmerksamkeit.

7.3. Aufmerksamkeit unterstützt das Erschaffen und Erhalten von Allem.

7.4. Derjenige, der Atman nicht erlebt hat, weiß nicht, ob die Objekte noch vorhanden sind, wenn keine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet ist.

7.5. Derjenige, der Atman gespürt hat, braucht keine Aufmerksamkeit von außen.

7.6. Alle anderen Menschen benötigen Aufmerksamkeit von anderen lebenden Wesen.

7.7. Hilfreiche Formen der Aufmerksamkeit wirken transformierend und zeugen von Schaffen und Erfolg zum Wohle Aller, Güte, Freude, Gelassenheit, Unterstützung in der Transformation, Sein können oder dem Streben nach dem Erleben Atmans.

7.8. Nicht hilfreiche Formen erzeugen neuen Nebel bei sich und bei anderen oder lassen den ursprünglichen Nebel unverändert.

7.9. Wie immer legt die Intention die Hauptwirkung fest, nicht das oberflächliche Aussehen.

7.10. Gibt ein Mensch hilfreiche Aufmerksamkeit aus freien Stücken und geöffnetem Herzen, wird er zur Quelle des Glücks in seiner Umgebung.

7.11. Dadurch erhebt er sich selbst und seine Umgebung, wodurch er sich noch weiter erheben kann.

7.12. Langfristig wird er wie durch Magie selbst der Empfänger vieler hilfreicher Aufmerksamkeit.

7.13. Er wird das Zentrum, zu dem viele Menschen freiwillig kommen.

7.14. Der Mensch, der (überwiegend) hilfreiche Aufmerksamkeit gibt, wird zu seiner eigenen Stärkung immer nur andere Menschen aufsuchen, die überwiegend hilfreiche Aufmerksamkeit ausstrahlen. Oder sogar die, die sich selbst verwirklicht haben und frei von nicht hilfreicher Aufmerksamkeit sind.

7.15. Tragfähige Freundschaften zeichnen sich durch das gegenseitige Geben hilfreicher Aufmerksamkeit aus. Davon unberührt sind die Folgen kurzzeitig aktivierten Nebels, der noch nicht transformiert wurde.

7.16. In tragfähigen Freundschaften wird vorrangig hilfreiche Aufmerksamkeit gegeben, nicht gefordert.

7.17. Der Aspirant überwindet auf diese Weise die Einsamkeit, die letztendlich aus der Nichtwahrnehmung des Atman in ihm stammt, in dem er Atman im anderen und/oder in sich erlebt.

7.18. Nicht hilfreiche Formen verstärken langfristig die Einsamkeit, auch wenn sie kurzzeitig das Gefühl der Verbindung mit anderen oder des Glücks vorgaukeln können.

7.19. Und der Abstand von Atman wird immer größer.

7.20. Es gibt auch Mischformen.

7.21. Die Mischformen hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck in der Umgebung.

7.22. Sprechen sie den Nebel des Empfängers an, erzeugen sie besonderes Leid beim Empfänger, da sie Widerstand und Begehren gleichzeitig erzeugen.

7.23. Der klare Aspirant wird bei der Wahrnehmung von Mischformen der Aufmerksamkeit automatisch wachsam werden, da er spürt, dass Angriff und Glück hier sehr dicht beieinander liegen.

7.24. Eine hilfreiche Erziehung gibt hilfreiche Aufmerksamkeit an die Kinder.

7.25. Und sie fördert, dass Kinder hilfreiche Aufmerksamkeit geben und empfangen können.

7.26. Und sie fördert durch hilfreiche Aufmerksamkeit, dass das Kind keine nicht hilfreiche Aufmerksamkeit gibt und empfängt.

7.27. Kinder, die nicht genügend hilfreiche Aufmerksamkeit erleben, werden automatisch nicht hilfreiche Aufmerksamkeit aussenden.

7.28. Leben Kinder nicht hilfreiche Aufmerksamkeit, ist das Geben hilfreicher Aufmerksamkeit und das Unterbinden der nicht hilfreichen Aufmerksamkeit sehr wichtig.

Atmung

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8.1. Bauchatmung ist (neben Meditation) ein wichtiger Schlüssel zur Transformation des Nebels.

8.2. Der Schlüssel lässt sich durch Beobachten oder durch Steuerung verwenden.

8.3. Bauchatmung beginnt mit einem tiefen, vollständigen Ausatmen (durch die Nase, siehe 8.7 f.).

8.4. Der Brustkorb bleibt im Normalfall ruhig. Nur die Bauchdecke wölbt sich beim Einatmen (durch Kontraktion des Zwerchfells) von der Wirbelsäule weg und zieht sich beim Ausatmen (durch Kontraktion der Bauchmuskeln) zur Wirbelsäule hin.

8.5. Diese Bauchatmung, ständig mühelos, sanft, langsam und liebevoll durchgeführt, ist das größte Geschenk, dass sich ein Mensch machen kann.

8.6. Die Atmung erfolgt dabei immer durch die Nase.

8.7. Beim Einatmen wird die Luft gewärmt, gereinigt, angefeuchtet.

8.8. Beim Ausatmen gibt der Strom des Ausatmens der Nase Wärme und Feuchtigkeit zurück.

8.9. Die Nasenatmung erfolgt langsamer als die Mundatmung. Und langsame Atmung beruhigt den Geist. (Und macht ihn klarer, schärfer, nicht dumpfer.)

8.10. Auch aus diesem Grund ist die Nasenatmung anzustreben.

8.11. Und schließlich gibt es auch noch energetische Gründe, die in 19.10 erläutert sind.

8.12. Bauchatmung durch die Nase ist die natürliche Atmung, mit der ein Mensch auf die Welt kommt und die er im Laufe des Erwachsen-Werdens häufig verlernt.

8.13. Davon unberührt bleiben andere Atemweisen bei vergrößertem körperlichem Einsatz oder bei anderen Atemübungen, die genau diese Bauchatmung indirekt fördern.

8.14. Sie führt zu Gelassenheit, Konzentrationsvermögen, Humor, Intuition, Stressfestigkeit, guter Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und gutem Kontakt zu sich und zur Umwelt.

8.15. Sie fördert auch die Aufnahme von Prana, der feinstofflichen Energie, die uns am Leben erhält. (siehe Kapitel 19)

8.16. Und zu gutem Kontakt zu Emotionen und Gefühlen. Sowohl bei sich als auch bei anderen.

8.17. Und zu verbesserter Gesundheit und zu besserem Kontakt für die Bedürfnisse des Körpers. Letzteres gilt auch für die Nahrung und den Umgang mit Genussmitteln.

8.18. Und zu einer besseren Erreichbarkeit beim Sprechen, ohne laut werden zu müssen.

8.19. Und dem Annehmen können unangenehmer Situationen und Zustände. (Anmerkung: Erst aus dem Annehmen folgt das „Sich-Lösen-Können“. Ausführlich erläutert in Kapitel 33)

8.20. Das bewusste Beobachten der Bewegungen der Bauchatmung erleichtert schwierige Situationen. Es erhält Einfühlsamkeit, Standfestigkeit und innere Stärke und verhindert ein Mitgerissen-Werden.

8.21. Zunächst sollte die Bauchatmung im Liegen in der Stille geübt werden. Es schließen sich das Üben im Sitzen, Stehen und Gehen an. Die Bewegung der Bauchdecke bleibt immer die gleiche.

8.22. Gerade in den Körperstellungen des Hatha Yoga (Kapitel 40) und in der Meditation (Kapitel 39) lässt es sich vorzüglich üben.

8.23. Singen fördert das langsame, wohldosierte Ausatmen auf natürliche Weise.

8.24. Möchte man die Meisterschaft vorantreiben, schließt sich das bewusste Atmen beim Zuhören und einfachen Tätigkeiten (des Alltags) an.

8.25. Es geht weiter voran mit schwierigeren Tätigkeiten und beim Sprechen.

8.26. Zweifel am Fortschritt lassen sich durch Üben der Bauchatmung und Erleben des Zweifels auflösen.

8.27. Auch andere Emotionen (als der Zweifel) lassen sich auf diese Weise transformieren.

8.28. Die Meisterschaft naht, wenn die Atmung auch in schwierigen Situationen in der beschriebenen Weise durchgeführt werden kann und in Leichtigkeit mit Genuss beibehalten wird.

8.29. Durch die Leichtigkeit finden sich in diesen Situationen ungeahnte, unkonventionelle und effektive Lösungen. Kreativität wird freigesetzt.

8.30. Die Gnade Brahmans ermöglicht schließlich die Meisterschaft, die (mühelose, ganz leichte, sanfte, erhebende) meditative Atmung Kevala Kumbhaka im Alltag, die zum grundlosen Glücklichsein des Aspiranten führt.

Konzentration und Willen

Pfau

9.1. Konzentration ist die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit längere Zeit auf einem wahrgenommenen oder erdachten Objekt zu halten.

9.2. Dieses gilt entsprechend auch für die Konzentration auf mehrere Objekte.

9.3. Oder gar auf das unspezifische, unbewertete Wahrnehmen aller wahrnehmbaren Objekte und Gedanken mit allen Sinnen.

9.4. Konzentration heißt auch, ganz bei dem zu sein, was man gerade tut, ohne in Gedanken bei einer anderen Sache oder Objekt zu sein.

9.5. Auch nicht bei den Früchten des gegenwärtigen Tuns.

9.6. Sowohl die Konzentration auf ein einziges Objekt („Einpünktigkeit“) als auch die maximale Wahrnehmung aller wahrnehmbaren Objekte („Reines Sein“) sind wichtig.

9.7. Willen ist die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf das gewünschte gedachte oder wahrgenommene Objekt zu lenken.

9.8. Dieses gilt entsprechend auch für die Teilung der Aufmerksamkeit auf mehrere Objekte gleichzeitig oder das unspezifische Wahrnehmen.

9.9. Im Idealfall sind Willen und Konzentration stark ausgeprägt und stehen mühelos, liebevoll und andauernd zur Verfügung.

9.10. Beide Fähigkeiten sowie die Bauchatmung einschließlich der Attribute sind die Voraussetzungen für die gelassene, erfolgreiche, leichte und fröhliche Meisterung des Alltags in allen Bereichen.

9.11. Und für das Erleben von Atman und der Verbindung mit Allem.

9.12. Die Qualitäten von Konzentration und Willen lassen sich trainieren.

9.13. Das Training beendet langfristig jegliches Leiden.

9.14. Es aktiviert und transformiert Mengen an Nebel.

9.15. Fortschritte im Training fallen nicht immer leicht.

9.16. Oder werden noch nicht einmal gesehen, da schlafender Nebel, insbesondere in Form von Emotionen, aktiviert und als Rückschritt interpretiert wird.

9.17. Die Vision all des Erreichbaren ist der beste Ansporn, um den Nebel zu transformieren.

9.18. Beharrlichkeit, der Austausch mit Gleichgesinnten, das Lesen spiritueller Schriften sowie Lebensläufe und Werke verwirklichter Meister geben ebenfalls Kraft, das Üben fortzusetzen oder gar zu intensivieren.

9.19. Mögliche Trainingsmethoden sind die Schulung der Atmung, Mantra Rezitation, Hatha Yoga und Meditation.

9.20. Sowie alles andere, was Nebel, insbesondere Emotionen, Widerstände und Begehren, transformiert.

9.21. Mühe nimmt mit fortwährendem Training ab, Leichtigkeit, Intensität und Fortschritte zu.

9.22. Das Training erleichtert den Alltag, auch ohne schon die Perfektion der Eigenschaften erreicht zu haben.

9.23. Mit der Gnade Brahmans wird schließlich das Üben überflüssig und die Meisterschaft erreicht.

Karma und Schicksal

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10.1. Der bewusste und der unbewusste Nebel legt fest, was in der Zukunft geerntet wird. Dieses nennt man Karma.

10.2. Das gilt unabhängig von der Hülle, in der sich der Nebel befindet.

10.3. Die Teile des Nebels, die aufgelöst werden, bevor sich ihre Früchte in der physikalischen Welt äußern, lösen keine Reaktion in der physikalischen Welt mehr aus.

10.4. Das ist die Chance, Schicksal schnellstmöglich zu wandeln.

10.5. All das, was sich im Leben ändern sollte, weist auf Karma hin. Karma in diesem Sinne sind Lernaufgaben.

10.6. Verdeckt die Kontrolle des Geistes die Sehnsucht des Herzens, existiert das Karma weiterhin. Der Frieden ist oberflächlich und hält nur so lange an, bis die Kontrolle zusammenbricht.

10.7. Aus karmischer Sicht ist der Zusammenbruch der Kontrolle hilfreich, da sie das Karma an die Oberfläche bringt. Das gilt insbesondere, wenn der Zusammenbruch niemanden schädigt. Anderenfalls gilt: Das Erleben des anderen gehört ebenfalls zu dessen Karma.

10.8. Karma darf nicht zur Rechtfertigung der Übertretung von Gesetzen spiritueller (Yamas und Niyamas, siehe Kapitel 13) als auch weltlicher Art dienen. Allerdings darf aus der Übertretung gelernt werden.

10.9. Nicht lernen (wollen) führt zur Wiederholung des Karmas zu einem späteren Zeitpunkt, meistens in einer heftigeren Form. Bis sich der Aspirant dem Lernprozess dann doch stellt.

10.10. Daher ist es geschickt, sich seinen Lernaufgaben zu stellen und nicht vor ihnen wegzulaufen.

10.11. Sivanandas Satz gilt uneingeschränkt: „Gedanken formen Handlungen. Handlungen formen Gewohnheiten. Gewohnheiten formen Charakter. Charakter formt Schicksal. Du hast es geschaffen, du kannst es ändern, indem du edle Gedanken pflegst, tugendhaft handelst und deine Denkweise änderst.“[13]

10.12. Ähnliche Gedanken finden sich auch in anderen Traditionen sowie der westlichen Wissenschaft:

10.13. In der Bibel steht allein schon im Matthäus-Evangelium: „Und Jesus sprach zu dem Hauptmann [von Kapernaum]: Gehe hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast.“ (8,13) „Dir geschehe nach deinem Glauben.“ (9,29) „O Weib, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst.“ (15,28) [1]

10.14. Die Philosophie des radikalen Konstruktivismus kennt in der Außenwelt nur erschaffene Wahrheit [aufgrund der eigenen Annahmen über die Welt], keine objektive Wahrheit. [14]

10.15. Anmerkung: Die einzige absolute Wahrheit ist Atman. Verweigert sich ein Mensch, diese zu sehen, erschafft er sich durch diese Verweigerung eine persönliche Wahrheit, die nicht verallgemeinerbar ist. Es bleibt so oder so eine erschaffende Wahrheit.

10.16. Die Psychologen kennen die so genannte „selbst erfüllende Prophezeiung“: Der feste Glaube an eine Überzeugung erschafft die Umstände, die die Überzeugung wahr machen.

10.17. Diese ähnlichen Standpunkte aus den unterschiedlichsten Geistesrichtungen machen Sivanandas Satz nicht richtiger, aber interessanter.

10.18. Die Intention der „edlen Gedanken“ in Sivanandas Satz 10.11 bestimmt auch hier über die Wirkung. Edle Gedanken, die nicht in der Absicht, anderen Gutes zu tun oder sich selbst zu transformieren gedacht werden, vergrößern den Nebel: Das Ego spiritualisiert sich.

10.19. Je offener das Herz beim Pflegen der edlen Gedanken, desto mächtiger sind sie.

10.20. Einen Teil seines Unterbewusstseins kann man einfach erschließen, indem man die vorhandene Realität in Worte ausdrückt. Die Worte spiegeln die unbewussten oder transparenten Überzeugungen über das Leben wider.

10.21. Widerstand gegen und Begehren anderer Lebensumstände weisen nicht nur auf Karma hin, sondern sie vergrößern das Karma in diesem Bereich und verhindern dessen Auflösung.

10.22. Gibt es Begehren eines Umstands und wird er nicht erreicht, gibt es (unbewussten) Widerstand dagegen. Sonst hätte sich der Umstand längst manifestiert.

10.23. Gibt es Widerstand gegen einen Umstand und geht er nicht hinfort, gibt es (unbewusstes) Begehren danach. Sonst wäre er längst verschwunden.

10.24. Die Transformation von Begehren und Widerstand ermöglicht den Zugang zur nächsten Schicht (siehe auch Kapitel 33).

10.25. Handeln ohne Widerstand und Begehren bei geöffnetem Herzen ist das Mittel der Wahl. Atman ist dann sehr nahe. Das Handeln ist von echtem Selbstvertrauen gekennzeichnet.

10.26. Neutrales Handeln bei geschlossenem Herzen vergrößert den Nebel, obwohl er ihn scheinbar verringert. Der im geschlossenen Herzen verborgene Nebel wird häufig erst viele Jahre später geerntet.

10.27. Die Intention ist für den Ungeübten häufig verborgen. Dieses gilt insbesondere für (unbewusste) Intentionen, die dem eigenen Wertesystem, das Teil der Verstandeshülle ist, widersprechen (siehe auch Kapitel 18).

10.28. Äußere Kennzeichen sind Distanz, Kritik, Wut, Beschuldigung, Missbilligung, Sich-Betrogen-Fühlen.

10.29. In diesem Fall wird Handeln in diesem Bereich selten erfolgreich sein.

10.30. In solchen Fällen ist es geschickt, sich erst die unbewusste Intention klar zu machen.

10.31. Lösungs- und werteorientiertes Handeln zum Wohle von allen löst Karma auf. Es erschafft auch kein Neues.

10.32. Egoistische Anteile erschaffen neues Karma.

10.33. Mischformen sind möglich.

10.34. Das ideale Handeln ist befreit vom Wunsch nach Anerkennung von anderen. Interessanterweise kommt Anerkennung dann von selbst.

10.35. Angriffe der Neider gehören dazu. Sie sind lästig, behindern allerdings das Handeln bei reiner, edler Intention nicht.

10.36. Die Anerkennung überwiegt die Angriffe bei weitem. Die Schaffenskraft ist stark.

10.37. Die größte Anerkennung ist die Auflösung des letzten negativen Karmas durch Atman (Erleuchtung).

Intuition

Gomukhasana

11.1. Intuition ist die direkte Stimme Atmans, die hilft, weise Entscheidungen zu fällen. Sie stammt aus einer Ebene jenseits der Verstandeshülle.

11.2. Sie ist immer da, auch wenn sie nicht immer, vielleicht auch nie, vernommen wird.

11.3. Der die Stimme Wahrnehmende weiß nicht, woher die Einsicht kommt. Sie erscheint wie ein magisches Geschenk.

11.4. Das ganze Leben lang wird er die nach der Intuition gefällte Entscheidung für richtig halten, ohne sie jemals hinterfragen zu können oder zu wollen.

11.5. Die Stimme Atmans direkt regelmäßig wahrzunehmen, ist eine Gnade. Sie gibt innere Kraft, Gelassenheit, Weisheit und felsenfestes Vertrauen in die Handlungen, in das ganze Leben.

11.6. Wenn der Aspirant vor einer Entscheidung steht, kann Nebel aktiviert werden.

11.7. Dieser Nebel kann generell mit Entscheidungen zusammenhängen oder mit der speziellen Situation. Anmerkung: Ausführlich beschrieben in Kapitel 25 „Entscheidungen und Veränderungen“

11.8. Dieser Nebel verhindert den Kontakt zur echten Intuition.

11.9. Das Ego kann stets und immer die Stimme Atmans sehr gut imitieren.

11.10. Wenn die nachgeahmte Intuition in Form einer Entscheidungs- oder Handlungsanweisung schon aus der Vergangenheit bekannt ist, ist besondere Vorsicht geboten.

11.11. Der in der Transformation Ungeübte kann Intuition leicht mit durch die bevorstehende Handlung oder Entscheidung aktiviertem Nebel verwechseln.

11.12. Es sei denn, er kann alle Facetten der Situation spielerisch leicht und von allen Seiten betrachten.

11.13. Der in der Transformation Geübte kann normalerweise aktivierten Nebel von der Stimme Atmans unterscheiden.

11.14. Doch auch hier gibt es die letztendliche Sicherheit beim Betrachten der Ergebnisse, die sich nach der Entscheidung einstellen.

11.15. Der Einzige, der keinen Zweifel hat, ist der, der die Wonne und Güte Atmans erlebt hat und bei dem der ganze Nebel verbrannt ist.

11.16. Echte Intuition dient immer allen.

11.17. Echte Intuition ist nie mit Emotionen, deren Ursache immer in der Vergangenheit liegt, oder Bewertungen verbunden.

11.18. Marshall Rosenberg schreibt: „Kritisiere nicht und du wirst sofort intuitiv.“ [11]

11.19. Echte Intuition kann sich allerdings gegen die vermeintlichen Bedürfnisse des eigenen Egos richten.

11.20. Oder gegen die Egos der Nächsten.

11.21. Gerade in diesen Fällen ist das Befolgen der Stimme Atmans besonders erhebend, dem Folgen des Egos besonders schwächend.

11.22. Denn das Befolgen transformiert besonders viel Nebel, wirkt sich auf die ganze Zukunft aus und verhilft so zu noch besserem Kontakt zu Atman.

11.23. Anderenfalls wird die Stimme Atmans nicht nur für die eine Entscheidung geschwächt, sondern auch gleich für die gesamte Zukunft mit.

11.24. Eine der wichtigsten Fähigkeiten wird brach liegen gelassen.

11.25. Jeder transformierte Nebel stärkt die Wahrnehmung der Intuition.

11.26. Insbesondere die Transformation emotionalen Nebels und der der dunklen Seite (siehe Kapitel 17 und 18) ist hilfreich.

11.27. Noch schlafender Nebel kann die Intuition je nach Wechselwirkung zwischen Nebel und Entscheidung/Handlung vernebeln oder auch durchlassen.

11.28. Entspannung, Heiterkeit und Gelassenheit stärken die Stimme Atmans.

Moral

Kukkutasasna

12.1. Atman ist die Verkörperung von Sat-Chid-Ananda, reinem Sein, Wissen, Glückseligkeit.

12.2. Der Nebel verhüllt auch dieses.

12.3. Moral im engen Sinn ist Nebel, um gewissen eigenen Nebel und den Nebel anderer zu kontrollieren und zu unterdrücken.

12.4. Moral im ursprünglichen, weiten Sinn ist gelebte Herzensqualität.

12.5. Atman ist lebendes Vorbild der gewünschten Eigenschaften.

12.6. Er entscheidet sich für diese mühelos, aus freiem Willen und beständig.

12.7. Moral im weiteren Sinn ist das anzustrebende langfristige Ziel. Kurzfristige Umsetzung ist nur selten möglich, weil der Nebel zu dicht, zu intensiv und zu unbewusst ist.

12.8. Die beständige Transformation des Nebels führt, auch über Umwege, automatisch hier hin.

12.9. Die Aktivierung bisher unterdrückter Emotionen kann dieser Umweg sein.

12.10. Und die Aktivierung bisher unterdrückter selbstsüchtiger Motive.

12.11. Ist die Transformation beständig, werden sich auch diese Nebelanteile transformieren.

12.12. Unterdrückung von Emotionen führt zum Verlust von Kreativität und echter Intuition. Daher verträgt sich enge Moral nicht mit diesen Eigenschaften.

12.13. Atman ist alles. Er weiß dieses und kann dieses auch annehmen. Nur deshalb kann er die ursprüngliche Moral leben.

12.14. Ursprüngliche Moral lebt ohne Erwartungen vor, enge Moral erwartet von anderen. (Bibel [1], Matth. 7,2: „Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden.“, Joh. 8,7-11: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. … Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“)

12.15. Die enge Moral führt zum Wiederaufleben des Unterdrückten und Kontrollierten, sobald die Kontrolle nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

12.16. Oder man fängt an, dass eigentlich Unterdrückte zu begehren und absichtlich aufleben zu lassen.

12.17. Oder man nimmt den eigenen unterdrückten Nebel gerade bei anderen wahr und kritisiert, drängt ihnen den Nebel unbewusst auf oder schiebt ihnen den Nebel sogar in die Schuhe (siehe auch Kapitel 18).

12.18. Ursprüngliche Moral weiß um die Langfristigkeit des Anzustrebenden und ist gütig bei eingesehenem Fehlverhalten.

12.19. Und weiß um den eigenen, schon transformierten Nebel. Gerade deshalb ist sie gütig.

12.20. Sie bietet Hilfe zur Transformation des aktivierten Nebels an.

12.21. Eine Organisation braucht auch Regeln, falls die Hilfe nicht oder erst später angenommen wird und mit einem Wiederaufleben des Aktivierten zu rechnen ist.

12.22. Eine Organisation braucht eine enge Moral, um sich aufrechterhalten zu können, solange nicht genügend Menschen an ihrer Transformation beständig arbeiten.

12.23. Durchdringt das Licht Atmans die Organisation und lässt der Nebel nach, wandelt sich die enge Moral Stück für Stück ohne weiteres Zutun in die ursprüngliche, weite Moral.

12.24. Umfang und Grenzen der Moral werden sich verschieben. Die Freiheiten nehmen zu.

12.25. Arbeiten zu wenige Menschen einer Organisation beständig an ihrer Transformation und nimmt der aktive Nebel deshalb zu, wird die Organisation untergehen.

12.26. All dieses gilt auch für den Einzelnen.

12.27. Die beständige Transformation ist der größte Dienst am anderen, an Organisationen, an der gesamten Welt. Denn gelebte ursprüngliche Moral transformiert das Umfeld unmittelbar, was zu weiterer Transformation und zu noch weiterer Transformation führt.

Werte

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13.1. Werte lassen sich ohne das Verständnis von Ursache und Wirkung (Karma, Kapitel 10) nicht richtig verstehen.

13.2. Werte, richtig angewandt, sind vor allem der Leitfaden für das eigene Handeln, und nicht der Maßstab zum Urteilen über andere. (siehe „weite Moral“, Kapitel 12).

13.3. Patanjalis Yamas (Regeln im Umgang mit anderen, zitiert nach [4]) zeigen wunderbar die Kraft und Link-TextMacht, über die auch das reine Sein verfügt:

13.4. Wenn Ahimsa (Nichtverletzen) fest begründet ist, wird Feindschaft in der Gegenwart des Yogis aufgegeben.

13.5. Wenn Satya (Wahrhaftigkeit) fest begründet ist, erlangt man die Frucht der Handlung ohne zu handeln.

13.6. Ist Nichtstehlen (Asteya) fest begründet, kommen alle Kostbarkeiten wie von selbst.

13.7. Ist Brahmacharya (Enthaltsamkeit) fest begründet, erlangt man große Lebenskraft.

13.8. Ist Aparigraha (Unbestechlichkeit) fest begründet, versteht man den Sinn des Lebens.

13.9. Diese 5 Sätze zeigen, dass Patanjalis Werte dem eigenen und dem Wohle anderer dienen.

13.10. Und das nicht nur bei denen, für die außen auch innen ist und innen auch außen (die Erleuchtung erlangt haben).

13.11. Das gilt auch für die Werte im Umgang mit sich selbst (Niyamas), wieder zitiert nach [4]:

13.12. Durch die Saucha (äußere und innere Reinigung) entstehen geistige Klarheit, heiteres Gemüt, Konzentrationsfähigkeit, Kontrolle der Sinne und Eignung für die Verwirklichung des Selbst.

13.13. Aus Santosha (Zufriedenheit) gewinnt man unübertroffenes Glück.

13.14. Durch Tapas (Selbstdisziplin) werden Unreinheiten aufgelöst und Kräfte des Körpers und der Sinne herbeigeführt.

13.15. Swadhyaya (Selbststudium) führt zur Verbindung zum persönlichen Gott.

13.16. Ishvarapanidhana (Hingabe an Gott) führt zur Fähigkeit, Samadhi zu erreichen.

13.17. Diese 5 Niyamas zeigen Möglichkeiten zur Transformation des Nebels auf.

13.18. Anhand der Wirkungen der entwickelten Yamas kann man den eigenen Fortschritt überprüfen: Ist die Wirkung nicht da, fehlt auch die Ursache.

13.19. Siehe die einfache Logik: „Feindschaft wird in der Gegenwart des Yogi aufgegeben“: Streit in der Umgebung ist ein Zeichen dafür, dass das Nichtverletzen noch nicht fest begründet ist.

13.20. Auch bei der Wahrhaftigkeit gilt: Muss man für seine Früchte schwer arbeiten oder erntet sie gar nicht, fehlt es an Wahrhaftigkeit. Merke: Gegensätze zwischen Unbewusstem und Bewusstem zeugen von Nicht-Wahrhaftigkeit.

13.21. Kommen die Kostbarkeiten nicht wie von selbst, fehlt es am Nicht-Stehlen. Achtung: Auch geistige Energien kann anderen wegnehmen: Zeit, Aufmerksamkeit, Liebe, Hilfsbereitschaft usw.

13.22. Dieses gilt für die anderen 7 Wirkungen entsprechend.

13.23. Yamas und Niyamas verweisen auf die notwendige Intention, um bei der Anwendung spiritueller Praktiken Fortschritte erzielen zu wollen.

13.24. Je ausgeprägter Yamas und Niyamas sind, umso leichter, intensiver und anhaltender ist der spirituelle und weltliche Fortschritt.

13.25. Weltlicher Fortschritt ist ohne Yamas und Niyamas langfristig nicht möglich. Das gilt auch für Beruf und Familie.

13.26. Das ist einer der Gründe, weshalb Jesus sagt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.“ (Matth. 10,37-38) [1]

13.27. Durch Leben der Yamas und Niyamas mit geöffnetem Herzen wird das Leben auf diesem Planeten eine einzige Freude.

13.28. Das geöffnete Herz ist eine wichtige Qualität, denn der Verstand kann bei geschlossenem Herzen nachahmen (siehe 16.19).

13.29. So sagt Buddha: „Sei still und liebevoll und furchtlos“, um unter anderem auf die notwendige Herzensqualität hinzuweisen. ([10], Vers 33)

Die drei Gunas

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14.1. Die drei Gunas Sattwa (Reinheit, Klarheit), Rajas (nicht enden wollende Aktivität, Erregung) und Tamas (Dunkelheit, Trägheit, Faulheit) durchziehen das Universum.

14.2. Sie durchziehen jeden Gegenstand, jedes Wesen in unterschiedlichen Anteilen.

14.3. Streben eines ernsthaften Aspiranten ist es, alle Facetten seines Daseins in einen sattwigen Zustand zu erheben.

14.4. Die Vorgehenswesen und die Wege können sich dabei sehr unterscheiden.

14.5. Verschiedene Ebenen des Menschen können unterschiedliche Zusammensetzung besitzen.

14.6. Selbst eine Hülle kann unterschiedliche Zusammensetzungen haben: genau wie ein Obstbaum gleichzeitig reife (sattwige), noch nicht reife (rajasige) und überreife (tamasige) Früchte haben kann, kann auch jede einzelne Hülle mehrere Gunas besitzen.

14.7. Wobei die Transformation von Nebel einer Hülle diese erhebt und auch andere Hüllen mit transformiert und dadurch erhebt. Das Maß der Erhebung hängt vom Einzelfall ab.

14.8. Nach Paramahansa Yogananda vollzieht sich der Weg in der Reihenfolge Tamas, Tamas/Rajas, Rajas/Sattwa, Sattwa [15].

14.9. Der sattwige Zustand bereitet auf das Erkennen von Atman vor, kann es allerdings nicht erzwingen.

14.10. Zwang ist es kein Sattwa, sondern je nach Intention Rajas/Sattwa oder gar Rajas/Tamas.

14.11. Genauso, wie wir nur durch Loslassen einschlafen können, können wir nur durch Loslassen aller Wünsche – auch den zur Selbstverwirklichung – und durch Gnade Selbstverwirklichung erreichen.

14.12. Anmerkung: Anwendungen des Prinzips der drei Gunas ziehen sich durch das ganze Buch.

Anpassung

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15.1. Nichts ist beständiger als die Veränderung.

15.2. Richtige Anpassung hilft, sich den äußeren Umständen anzupassen und sich trotzdem selbst treu zu bleiben.

15.3. Sich selbst treu zu bleiben heißt, (mit dem Ziel der Selbstverwirklichung) an seiner Transformation zu arbeiten, Werte (siehe Kapitel 13) zu leben und auf eine weite Moral (siehe Kapitel 12) hin zu arbeiten.

15.4. Alles andere sind Äußerlichkeiten.

15.5. Führen Änderungen in der Außenwelt zur Transformation von Teilen des eigenen Nebels, entsteht eine größere Weite und die Bereitschaft, weitere Anpassungen an das Außen durchzuführen.

15.6. Verletzt eine Änderung in der Außenwelt das „sich treu bleiben“, ist große Vorsicht geboten.

15.7. Aus Sicht der Selbstverwirklichung ist eine selbst herbeigeführte Änderung der Lebensumstände hilfreicher als die geforderte Anpassung, wenn dadurch Transformation, Werte und weite Moral erhalten oder vielleicht sogar ausgebaut werden.

15.8. Gibt man das „sich selbst treu bleiben“ auch nur zu geringen Teilen auf, kann ein Dammbruch entstehen, der einen Jahre in der eigenen Entwicklung zurückwerfen kann.

15.9. Gibt man das „Sich-selbst-treu-Bleiben“ über Jahre hinweg auf, können sogar Depressionen die Folge sein.

15.10. Auf neue Anforderungen reagiert der Mensch nach dem allgemeinen Anpassungsprinzip.

15.11. Es besteht aus 4 Stufen.

15.12. Auf den ungewohnten Reiz reagiert der Mensch mit einem Alarmzustand. Wachsamkeit ist erhöht, auch Angst oder Ärger können auftreten.

15.13. Der Mensch baut zunächst Widerstand auf.

15.14. In der nächsten Stufe passt sich der Mensch an. Er lernt hinzu.

15.15. Der Mensch kann sogar mehr hinzulernen als er eigentlich benötigt (Hyperkompensation). Dieses Prinzip wird insbesondere beim Körpertraining verwendet.

15.16. Ist der Mensch nicht in der Lage, ausreichend hinzu zu lernen, bricht er zusammen.

15.17. Entspannung (siehe Kapitel 21) und Vertrauen fördern den Anpassungsprozess, da Alarm und Widerstand weniger deutlich ausgeprägt sind, vielleicht sogar gar nicht auftreten.

15.18. Der Widerstand könnte im nicht entspannten Zustand so groß sein, dass statt Einsicht und Lernen Kampf und Distanz die Transformation zumindest zunächst blockieren.

15.19. Von daher sind Entspannung und Vertrauen wichtige Güter. (Gemeint ist nicht „blindes Vertrauen“.)

15.20. Ob mit oder ohne Entspannung und Vertrauen: Manche Lernprozesse bleiben in der 2. Stufe „Widerstand“ zunächst stehen.

15.21. In diesem Fall gibt es (innere und/oder äußere) Kämpfe, in der Neues und Altes um die Vorherrschaft ringen.

15.22. Diese Kämpfe können sehr lange anhalten. Sie können auch nach langem Kampf einschlafen, ohne dass der Kampf transformiert wird.

15.23. Wenn schon ein Kampf auftritt, ist er im Idealfall kurz und führt schnell zur Transformation der Ursache des Kampfes.

15.24. Auch eine oberflächliche Anpassung ist möglich, bei der allerdings die bisherige Intention erhalten bleibt.

15.25. Ein Kampf kann auch zu einer nur oberflächlichen Anpassung führen.

15.26. Hier entsteht ein sehr zäher Nebel, der langfristig besonders lähmen kann.

15.27. Anmerkung: Auch dunkle Seiten des Nebels (siehe Kapitel 18) werden häufig so erzeugt.

15.28. Ist der Aspirant in seiner Transformation fest verwurzelt, sind auch Entspannung und Vertrauen fest verwurzelt:

15.29. Er kann äußere Herausforderungen problemlos angehen. Er sieht alle aktivierten Mosaiksteine, insbesondere Emotionen, als zu transformierenden Nebel.

15.30. Arbeitet ein Mensch gar nicht an seiner Transformation, wird er auch jegliche äußere Änderung ablehnen.

15.31. Ist die Transformation nicht fest verwurzelt, bedarf es für die Transformation des Nebels großer Entspannung und großem Vertrauen. Mehr als bei Anpassungen an die Umwelt.

15.32. Das fördert Lernbereitschaft und Anpassung an die bei der Transformation des Nebels gefundenen neuen Wahrheiten.

15.33. Die Entspannung kann bei der Transformation bestimmten Nebels sogar so wichtig sein, dass nur durch sie Fortschritte bei der Transformation der Hüllen auftreten.

Teil III: Die 4 dichtesten Hüllen und Ideen zu ihrer Transformation

Verstandeshülle

16.1. Überzeugungen über das Leben, das Universum, sich selbst und andere sind in der Verstandeshülle gespeichert.

16.2. Die Überzeugungen können mit Emotionen aus der Emotionalhülle (siehe Kapitel 17 und 18) verbunden sein, müssen es aber nicht.

16.3. Weil in der Verstandeshülle nur erlebtes Wissen gespeichert ist, müssen Weisheit, Aufmerksam- keit, Willen, Konzentrationsfähigkeit und echte Intuition jenseits der Verstandeshülle arbeiten.

16.4. Was nicht heißen soll, dass diese die Verstandes- hülle nicht nutzen.

16.5. In einer Situation erlerntes Wissen und Fähigkeiten sind nur nutzbar, wenn die Situation, in der das Wissen angeeignet wurde, keine emotionalen Reaktionen (mehr) auslöst.

16.6. Emotionen im Moment des Abrufens erschweren oder verhindern sogar das Abrufen des Wissens.

16.7. Überzeugungen können so selbstverständlich werden, dass man vergisst, dass es nur Überzeu- gungen sind. Sie manifestieren sich in der Au- ßenwelt als Realität.

16.8. Unbewusste Überzeugungen sind mächtiger als bewusste Überzeugungen. Insbesondere, wenn sie verborgen bleiben. Das ist einer der Gründe, wes- halb Affirmationen manchmal nicht funktionieren. In diesem Fall müssen zusätzlich andere Techni- ken zur Transformation des Unterbewusstseins verwendet werden.

16.9. Nicht mit Emotionen verbundene Überzeugungen lassen wesentlich mehr Licht Atmans hindurch als Verbundene.

16.10. Sie sind leichter wandelbar und können, falls notwendig, auch schneller als „nicht mehr gültig“ erkannt werden.

16.11. Sind Gedankenformen nicht aktiv, heißt es noch lange nicht, dass sie nicht da sind. Ergeben sich andere Umstände in der Außenwelt, können diese bisher ruhende Gedankenformen zur Aktivität bringen. Insbesondere, wenn die Umstände an Si- tuationen der Vergangenheit erinnern und diese 16.12. Das erste Ego entsteht aus den Eindrücken im Mutterleib und den ersten Lebensjahren. Viele dieser Eindrücke bilden die grundlegenden Über- zeugungen darüber, wie die Welt ist und werden im Allgemeinen fest behauptetet. Und somit auch immer wieder in unterschiedlichsten Situationen neu erlebt. (Solange sie nicht transformiert sind.)

16.13. Weiteres Ego entsteht, indem man sich falsches Wissen aneignet, es längere Zeit erlebt denkt und dadurch immer mehr daran glaubt.

16.14. Oder, indem richtig erworbenes Wissen unzuläs- sig verallgemeinert und behauptet wird.

16.15. Oder, indem Widerstand oder Begehren von Emotionen aufgebaut wird. Das können auch Lob und Tadel, Bewunderung und Ablehnung sein.

16.16. Oder, indem man sich Verhaltensweisen aneignet, die andere emotional oder intellektuell manipulie- ren oder kontrollieren. Dazu gehört auch das bewusste oder unbewusste Verleugnen eigener Fähigkeiten.

16.17. Oder, indem egoistische Anteile anderer Men- schen für richtig erachtet und daher nachgeahmt werden.

16.18. Oder, indem man sich Verhaltensweisen aneignet, die andere dazu bringen, einem mehr Aufmerk- samkeit zu geben.

16.19. Oder indem der Aspirant Gefühle nachahmt, die er zwar nicht zulassen will, weil sie mit unange- nehmen Situationen der Vergangenheit verknüpft sind, aber trotzdem gerne (zum eigenen Vorteil) schauspielern möchte.

16.20. Oder indem er dunkle Seiten (siehe Kapitel 18) verleugnet, die trotzdem aktiv sind.

16.21. Alle diese Anteile werden, wenn sie zu lange ge- lebt werden, zu sehr festem Nebel, der darüber hinaus beim Aspiranten den Eindruck erweckt, dieses sei absolute Realität.

16.22. Sie verselbständigen sich und der Aspirant glaubt, es gäbe einen Handelnden, nämlich ihn. In Wirk- lichkeit gibt es nur automatisierte Gedankenfor- men, die einen glauben machen, es gäbe ein Ich. Diese Gedankenformen sind der Nebel der Ver- standeshülle.

16.23. Anmerkung: Ramana Maharshi schreibt, dass die Erforschung der Wurzel der Gedankenform eine sehr hilfreiche Transformationsmöglichkeit ist: es gibt keine Wurzel und erlebt man die Einsicht im konkreten Fall, löst sich die Gedankenform auf. Doch die Hinterfragung „Wer ist es, der da denkt?“ oder „Wer bin ich?“ funktioniert nicht bei jedem. [9]

16.24. Die Gedankenformen nutzen die Größe Atmans, damit sich aus ihnen Realität manifestieren kann.

16.25. Auch wenn das Ego das nicht wahrhaben will.

16.26. Anmerkung: Ramana Maharshi schreibt, dass es einer der wichtigsten Momente bei der Transfor- mation des Aspiranten ist, wenn das Ego seine Ohnmacht bei der Gestaltung der Welt feststellt. [9] Insbesondere, wenn schon ein hoher Grad ein Reinheit (Sattwa) im Aspiranten vorhanden ist.

16.27. Atman kommt zum Leuchten, wenn die Gedankenwellen ruhen. Denken verhindert die Er- fahrung Gottes.

16.28. Patanjali schreibt: Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist. Dann ruht der Wahrneh- mende (Sehende) in seiner wahren Natur. (Kap I, Sutras 2,3) [4]

16.29. Wichtige Fertigkeiten auf dem Weg zur Gedankenruhe sind Konzentration, Willen, Auf- merksamkeit und Selbstbeobachtung.

16.30. Mit diesen kann sich der Aspirant mit dem be- schäftigen, was er möchte und er kann auch be- wusst wahrnehmen, wenn die Gedanken nicht mehr in Ruhe sind.

16.31. Alle 4 Fertigkeiten sind für jeden erlernbar. Das Erlernen braucht allerdings Zeit (und Muße).

16.32. Die automatisch ablaufenden Gedankenformen führen zu Leiden, da das eigene Verhalten sich zu sehr an der Vergangenheit und zu wenig an der momentanen Situation orientiert.

16.33. So schreibt Patanjali: „Es gibt fünf Arten von Gedankenwellen. Einige davon sind schmerzhaft, andere nicht.“ ([4], Kap I, Sutra 5).

16.34. Dieses wird gemeinhin so interpretiert, dass Gedankenwellen zum Leiden bringen können oder maximal neutral sind.

16.35. Momente des Glücks sind immer Momente der ruhenden Gedankenwellen:

16.36. Sind die Gedanken still und ist das Herz geöffnet (siehe), entsteht eine gelassene, grundlose Fröhlichkeit, die frei von Wünschen ist.

16.37. Denn Wünsche sind eine der Hauptursachen intensiver Gedankenwellen und Hauptursache des Leidens, da sie die Idee benötigen, dass es in der Gegenwart einen Mangel gibt.

16.38. Der Selbstverwirklichte nutzt den Verstand, ohne dass der Verstand sich selbstständig macht und bringt ihn zum ruhen, wenn er ihn nicht benötigt.

16.39. Beim Aspiranten machen sich Gedankenwellen selbstständig.

16.40. Wie mächtig die Gedankenformen sind, beschreibt das Kapitel 10 „Karma und Schicksal“.

16.41. Das Stoppen der automatisierten Gedanken der Vergangenheit im Alltag ist ein wichtiger Aspekt bei der Transformation des Nebels.

16.42. Denn der Alltag bildet den Großteil des Lebens. Auch für höchstmotivierte Aspiranten, die meh- rere Stunden täglich praktizieren, bleibt der Alltag ein wichtiger Anteil bei der Lebensgestaltung.

16.43. Auf diese Weise wird der Alltag zum höchsten erhoben.

16.44. Es ist eine edle Form der Anwendung des allge- meinen Anpassungsprinzips.

16.45. Selbst Paramahansa Yogananda bekam nach sei- ner Erleuchtung von seinem Yogameister Sri Yukteswar den Auftrag, alle Aspekte bei der Be- wältigung des Alltags lieben und schätzen zu ler- nen und sich nicht vor dem Alltag durch tiefe Me- ditationen zu drücken. [15]

16.46. Von einem anderen berühmten Yogameister ist bekannt, dass er allen Neuaspiranten in seinem Ashram die Anweisung gab, als erstes am nächs- ten Morgen in der Früh die Latrinen zu putzen. War sich der Aspirant zu fein dafür, putzte der Meister am nächsten Morgen vor den Augen des Neuaspiranten die Latrine, was häufig einen großen Eindruck hinterlassen hat.

16.47. Widerstand erhöht das Leiden nur! Das gilt auch im Alltag.

16.48. Das Stoppen der automatisierten Gedanken lässt sich durch eine zusätzliche Aufgabe gerade bei einfachen Tätigkeiten erreichen.

16.49. Dieses kann zum Beispiel, die bewusste, ruhige Bauchatmung bei tiefem Ausatmen sein.

16.50. Oder die Beobachtung (mit Hilfe der Aufmerksamkeit, nicht mit den Augen!) des He- ben und Senken der Bauchdecke während der Bauchatmung.

16.51. Oder durch Rezitieren in Gedanken oder durch Singen eines Mantras. Wobei das Rezitieren in Gedanken noch mächtiger als das Singen ist.

16.52. Oder durch Singen von Liedern, insbesondere von Kirtans und Bhajans.

16.53. Oder durch bewusstes, möglichst müheloses Kon- zentrieren auf die zu erledigende Tätigkeit.

16.54. Oder durch das Denken an jemanden, dessen Geist den Bereich von Gier und Verhaftung transzen- diert hat (nach Patanjali, Kapitel I, Vers 37 [4]).

16.55. Oder, indem man bewusst über das Gegenteil der Gedankenform nachdenkt (nach Patanjali, Kapitel II, Vers 34 [4]).

16.56. Je mehr automatisch ablaufende Gedankenformen im Widerspruch zueinander stehen, desto trüber ist der Geist des Aspiranten. Dieses gilt insbeson- dere, wenn Emotionen mit den Gedankenformen verknüpft sind.

16.57. Dieses kann sogar bis zur Verwirrung und be- stimmten Formen von Depression führen.

16.58. Hier helfen zunächst Übungen zur Stärkung des Willens, zur Entspannung und insbesondere Atem- und Körperübungen des Hatha Yoga, um die Gedanken zur Ruhe zu bringen. Auch die Me- ditationstechnik Tratak (siehe A.6), die mit offe- nen Augen ausgeführt wird, ist sehr hilfreich.

16.59. In der Verstandeshülle ist nur bisher erlebtes Wis- sen abgelegt.

16.60. Die daraus resultierende persönliche Wahrheit gilt nicht unbedingt für andere. Auch wenn das Ego dieses gerne so sehen möchte (und meistens auch in den Menschen der Umgebung umsetzen möch- te).

16.61. Das Ego bestreitet die Existenz einer nur subjekti- ven Wahrheit häufig. Es will sich oder anderen weismachen, dass es handelt und das einzig Wichtige ist.

16.62. Unbekanntes kann sich in das schon bekannte einordnen oder im Widerspruch zu Bekanntem stehen.

16.63. Berechtigter Widerspruch zu unberechtigt Beste- hendem ist eine Voraussetzung für die Transfor- mation des Nebels.

16.64. Das Annehmen eines unberechtigten Wider- spruchs kann Zweifel, mangelndes Selbstver- trauen und fehlende Entscheidungskraft hervor- bringen.

16.65. Durch die Ablehnung eines unberechtigten Wider- spruchs verfestigt das zu Recht erworbene Wis- sen.

16.66. Heute als Recht bekanntes Wissen kann sich mor- gen schon als Unrecht erweisen.

16.67. Dieses geschieht durch Veränderung im Außen oder durch eine Einsicht jenseits des Verstandes.

16.68. Alles Wahrnehmen, alles Handeln wird den be- haupteten Überzeugungen angepasst, damit sich die Überzeugungen erfüllen können. (Diese Ei- genschaft nennt man Recht haben wollen.) Dann können die automatisierten Gedankenformen weiterlaufen. Das kann sogar zur Verleugnung be- rechtigter Widersprüche führen.

16.69. Daher lässt sich das Zitat aus der Erwachsenen- Weiterbildung auch auf die Transformation des Nebels übertragen: „Jede Lernsituation reizt mit Gewinn für das Ich und bedroht zugleich das Ge- wohnte. Man will das Neue und will zugleich das Vertraute nicht verlieren“.

16.70. Anmerkung: Dieser Satz ist auch eine interessante Anwendung des allgemeinen Anpassungsprinzips.

16.71. Insbesondere das Eingeständnis, viele Jahre lang etwas „falsch“ gemacht zu haben, fällt dem Ego sehr schwer. Es ist, allerdings nur kurzfristig, an- genehmer, den Nebel zu tarnen und zum Ruhen zu bringen als zu transformieren.

16.72. Recht haben wollen führt langfristig zu vermehr- ter Einsamkeit und auch zu vermindertem Erfolg: Die Erfolgreichen, die ihren Nebel schon ausge- dünnt haben, meiden einen. Die, die übrig bleiben, sind nur selten hilfreich. Die Transformation des Nebels beugt hier auf fundamentale Weise vor.

16.73. Denn einsame Menschen sind selten erfolgreich und glücklich. (Anmerkung: Allein sein ist allein sein und Einsamkeit ist Einsamkeit.)

16.74. Das Licht eines guten Lehrers ist daher besonders zu schätzen, da er einem helfen kann, die Mosaik- steine vom Vertrauten (Gewohntem), die nicht (mehr) hilfreich sind, zu transformieren.

16.75. Alle behaupteten Überzeugungen vernebeln, wie all die anderen Mosaiksteine, die Sonne und Wonne Atmans.

16.76. Wahrheiten der Vergangenheit helfen nicht im „Hier und Jetzt“. Die notwendige Transformation des Egos bringt nicht nur die Sonne Atmans zum scheinen, sie verhilft auch zu situationsgerechtem Entscheiden und Handeln. Wobei nur die materiell eingestellten Menschen hier einen Unterschied sehen.

16.77. Beziehungen werden noch positiver, fester, ruhen auf noch soliderem Fundament. Die zur Verfü- gung stehende Intelligenz nimmt zu.

16.78. Die Transformation erfordert Loslassen, Entspan- nen und sich Einlassen. Denn Recht haben ist mit Kontrolle und Anspannung verbunden.

16.79. Das für die Transformation des Nebels Geschrie- bene (siehe Kapitel 5) gilt selbstverständlich auch für die Verstandeshülle.

16.80. Das gilt auch für die daraus entstehenden Qualitä- ten des Aspiranten und die daraus folgenden Le- bensqualitäten.

Emotionen und Gefühle

Siehe auch

Seminare