Der spirituelle Weg

Aus Yogawiki
Der spirituelle Weg

Der spirituelle Weg: Hier bekommst du einige Informationen und Anregungen über den spirituellen Weg. Das Wort spirituell bedeutet Ausrichtung auf eine höhere Wirklichkeit. Weg bedeutet, dass es ein Ziel gibt, und dass man sich auf den Weg zu diesem Ziel macht. Hier erfährst du auch einiges über die Aufgaben auf dem spirituellen Weg.

Spiritueller Weg - ein Vortrag von Sukadev Bretz 2018

Was bedeutet Spiritualität für dich?
  • Was ist überhaupt Spiritualität?
  • Was heißt spirituelles Leben?
  • Was hat es mit dem spirituellen Weg auf sich?
  • Was ist das Ziel des spirituellen Weges?
  • Welche Entwicklung gibt es auf dem spirituellen Weg?
  • Welche Gefahren hat der spirituelle Weg? Welche Fallstricke gibt es dort?
  • Wie erkennt man, welche Aufgaben man hat auf den verschiedenen Ebenen und Stufen des spirituellen Weges?

Was ist überhaupt Spiritualität?

Zunächst ist die Frage: Was ist überhaupt Spiritualität? Vom lateinischen her könnte man sagen: „Spiritus“ heißt hier „Geist, Seele, höheres Bewusstsein.“ Spiritualität bedeutet, sein Leben auszurichten auf eine höhere Wirklichkeit. Spiritualität heißt davon auszugehen, dass es eine höhere Wirklichkeit gibt, die erfahrbar ist und ich will sie auch erfahren und ich hoffe ich kann sie erfahren und will alles dafür tun. Das ist eine spirituelle Lebens- und Weltsicht.

Spiritualität kann unterschiedlich genau definiert werden. Ein spiritueller Meister im 20.Jahrhundert namens Graf Dürckheim hat Spiritualität wie folgt definiert: „Spiritualität ist Transparenz zum immanent Transzendenten.“

Spiritualität - über Sinneserfahrungen hinausgehen

Sinneserfahrungen gelassen wahrnehmen

Was heißt das? Transparenz heißt durchlässig werden. Transzendent ist das, was über das hinausgeht insbesondere über das, was wir im Alltagsbewusstsein sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen über das hinausgeht was wir im Alltag gegenständlich erfahren. Immanent heißt Innewohnend. Spiritualität geht davon aus, dass hinter allen Phänomenen eine höhere Wirklichkeit ist und diese ist in allem Innewohnend. Egal was wir sehen, hören, riechen, schmecken oder erleben, überall ist eine höhere Wirklichkeit. Wir können auch sagen, ist ein Göttliches, wir können es nennen ein Numinosis, eine kosmische Intelligenz, Gott/ Göttin oder kosmische Energie. Hinter allem diese höhere Wirklichkeit.

Spiritualität heißt also transparent dafür zu sein. Transparent heißt zum einen, dass wir in dem was von Außen auf uns zukommt, das sehen, was dort immanent transzendent ist. Ein spiritueller Mensch sieht nicht nur einen Baum, wenn er einen Baum sieht, sondern er sieht in dem Baum ein Göttliches. Ein spiritueller Mensch sieht in einem Menschen, der da ist nicht nur ein Mensch, sondern ein Göttliches was dort durchscheint und spricht. Immanent, transzendent gibt es auch in dir. Ein spiritueller Mensch spürt in sich selbst dieses Göttliche. Ein spiritueller Mensch will auch, dass dieses Göttliche durch ihn hindurch wirkt, er will transparent werden. Er bittet darum, dass dieses immanent Transzendente durch ihn wirkt und auch, dass das immanent Transzendente in Anderen zu ihm wirkt. Und dass er sich an das Göttliche ihm gegenüber und in sich selbst richten kann.

Spiritualität verbindet alle Religionen

Spiritualität ist das, was alle Religionen verbindet. Man kann sagen, Spiritualität und Religiosität sind zwei verschiedene Dinge, die Gemeinsamkeiten haben, aber eben auch Unterschiede. Religion kann Spiritualität heißen, kann aber einfach nur eine Art Glaube sein, die Hoffnung, dass wenn ich einer bestimmtem Religion angehöre, im Wesentlichen die Empfehlungen dieser Religion auch umsetze und ich dann nach dem Tod ins Paradies komme, die Erlösung erfahre. Bei dieser Art von Religion kommt es nicht darauf an, in diesem Leben wirklich Gott zu erfahren/zu verwirklichen, sondern man verschiebt letztlich diese Gotteserfahrung auf nach den Tod. Dann kann Religion ein reiner Glaube, kultureller Lebensstil sein und es kann sein, dass man hofft, aber nicht erfährt.

Der spirituelle Mensch will Gott erfahren

Der spirituelle Mensch ist ungeduldiger, er will nicht warten bis er tot ist, um Gott zu erfahren, sondern jetzt, in diesem Leben und er will alles tun, um Gott, die höhere Wirklichkeit zu erfahren. Es gibt Spiritualität ohne eine konkrete Religion. Es gibt spirituelle Menschen, die sich nicht als einer konkreten Religion als zugehörig empfinden würden. Sie würden sagen: Ich bin spirituell, aber nicht religiös. Es gibt religiöse Menschen, die nicht unbedingt spirituell sind, sie haben einen gewissen Glauben, sie gehören einer Religion an, sie machen Rituale mit und hoffen, dass sie nach dem Tod erlöst werden. Heutzutage würde man sagen, dass mindestens in Europa die meisten religiösen Menschen auch spirituell sind. Wer heutzutage den christlichen Weg geht, der will nicht bis nach dem Tod warten und er vertraut nicht einfach auf die Erlösung nach dem Tod, sondern er geht davon aus oder erhofft in diesem Leben Gott zu erfahren und spürt auch die Gegenwart des Göttlichen. Aber es gibt spirituelle Menschen, die nicht einer Religion angehören, sondern verschiedenen. Wenn jemand religiös ist ohne spirituell zu sein, dann kann es viele Probleme geben. Wenn jemand vor allem spirituell ist, erkennt er die Gemeinsamkeiten zu allen Religionen und weiß auch, dass ohne konkreten religiösen Kontext Spiritualität möglich ist.

Spiritualität - Bereitschaft zu Veränderung

Transformation erleben - schlüpfender Schmetterling

Also: Spiritualität ist nicht nur eine theoretische Philosophie, nicht nur ein Glaube, sondern in der Spiritualität geht es um Erfahrung. Man will das Göttliche erfahren und man will aus der Erfahrung des Göttlichen heraus handeln. Man will dem Leben einen höheren Sinn geben, nämlich in den spirituellen Weg zu gehen. Und man will auch den spirituellen Weg so gehen, dass es einen transformiert/verändert. Spiritualität heißt auch Bereitschaft zur Veränderung, seine Denk-Fühl und Handlungsmuster zu ändern, um sie so auszurichten, dass sie zur spirituellen Erfahrung führen und, dass man durch den Alltag das Göttliche erfährt und das Göttliche durch sich hindurch wirken lässt.

Spiritueller Weg bedeutet Sinn im Leben

Das zweite Wort, in dem Wort spiritueller Weg ist Weg. Weg bedeutet, wir gehen eine Wegstrecke. Es fängt irgendwo an, es geht weiter und hat auch ein Ziel. Spiritueller Weg bedeutet, wir wollen irgendwo hin gehen und das heißt auch einen Sinn im Leben finden. Und Weg ist ein wunderschönes Symbol. Wir befinden uns momentan an einem Punkt der spirituellen Entwicklung, wir haben auch schon einen gewissen Weg hinter uns, ob bewusst oder unbewusst und wir wollen zur Erleuchtung, zur Gottverwirklichung, zur Gotteinheit, unio mystica, Satori, zur Nirvikalpa Samadhi, zu Moksha, zu Kaivalya.

So viele Ausdrücke haben die verschiedenen spirituellen Traditionen gefunden für dieses Ziel. Dort wollen wir hinkommen und es gibt einen Weg dorthin. Ein Weg hat auch verschiedene Etappen und ein Weg hat verschiedene Strecken. Und es gibt immer wieder Abzweigungen. Da mag es Abzweigungen geben, die einen in Richtung es Ziel führen und es gibt Abzweigungen, die woanders hinführen. Auf dem Weg dorthin kann es sein, dass man mal stolpert. Es gibt auch mehrere Wege zum Ziel. Und es kann auch sein, dass man mal eine Weile irgendwo hängen oder stecken bleibt. Aber irgendwann kommt man zum Ziel und erfährt sich selbst als Eins mit dem Unendlichen. Auf den verschiedenen Etappen des spirituellen Weges gibt es also verschiedene Aufgaben, es gibt verschiedene Fallstricke, es gibt verschiedene Weisen, wie man hängen bleiben kann und es ist gut diese zu erkennen. Und in dieser Vortragsreihe möchte ich sprechen, über die verschiedenen Entwicklungsstufen auf dem spirituellen Weg,

  • Aufgaben auf dem spirituellen Weg.
  • Was heißt das, den spirituellen Weg zu gehen.
  • Wie erkennt man, wie man den nächsten Schritt gehen kann.

Mehr also im nächsten Vortrag zum Thema der spirituelle Weg.

Videos: Der spirituelle Weg

Dieser Videovortrag wurde im Rahmen der Vortragsreihe „Yoga Vidya Schulung“ aufgenommen.

Hier findest du einen Videovortrag über "Der spirituelle Weg":

Vortragsvideo vom Gründer von Yoga Vidya, Sukadev Volker Bretz rund um das Thema Spiritualität, rund um das Thema Yoga Psychologie.

Durchhaltevermögen auf dem Spirituellen Weg

Es braucht Ausdauer und Durchhaltevermögen, um auf dem spirituellen Weg voranzuschreiten:

Drei wichtige Hindernisse auf dem spirituellen Weg und ihre Überwindung

Hindernisse überwinden!

In diesem Teil der Reihe über den spirituellen Weg aus der großen Reihe Yoga Vidya Schulung geht es um 3 wichtige Hindernisse auf dem spirituellen Weg. Dies ist ein Thema, das Swami Sivananda besonders in seinem Buch „Sadhana“ beschreibt, da gibt es ein Kapitel über den Geist des Aspiranten, des Suchenden. Dieses Kapitel ist auch im Yoga Vidya Yogalehrer Handbuch abgedruckt.

Es gibt drei Haupthindernisse:

  • 1. Vorgefasste Ideen und Vorurteile
  • 2. Eingebildete Pflichten
  • 3. Umgang mit Schwierigkeiten und Anstrengungen

1. Hindernis: Vorgefasste Ideen und Vorurteile

Zitat aus „Sadhana“ von Swami Sivananda:

„Der/die Sadhaka beginnt das spirituelle Leben mit bestimmten eigenen Vorstellungen über Sadhana, die spirituelle Praxis, über Selbstverwirklichung, über Guru, spirituellen Lehrer und ähnlichem. Diese Vorstellungen können sich in tiefe Vorurteile verfestigen. Tatsächlich jedoch ist das spirituelle Leben ganz anders als die individuelle Einbildung es glaubt."

Es ist wichtig sich bewusst zu sein, auf dem spirituellen Weg Vorstellungen darüber zu haben, wie er sein soll. Du hast Vorstellungen, wie ein Yogalehrer, ein spiritueller Lehrer sich verhalten soll, du hast Vorstellungen, wie ein Aspirant sich zu verhalten hat, du hast Vorstellungen, wie spirituelle Praxis sein sollte, wie spiritueller Fortschritt sein sollte, vielleicht auch davon, wo du selbst stehst. Diese Vorstellungen werden auf dem spirituellen Weg enttäuscht werden und das ist gut, denn enttäuscht heißt aus der Täuschung heraus zu kommen. Wenn der spirituelle Weg so wäre, wie du es dir vorstellst, dann würdest du einfach nur deine Fantasien ausleben, das kannst du ja im Traum machen, du könntest dir vorstellen, wie du den spirituellen Weg gehst, kannst dir auch ein eigenes Theaterstück daraus machen oder visualisieren, in deiner Fantasie kannst du es ausleben.

Aber so ist der spirituelle Weg nicht. So ist ein wichtiger Aspekt des spirituellen Weges: Habe einen offenen Geist, frei von Vorurteilen. Es ist gut ethische Wertvorstellungen zu haben, die sollte man schon haben und die sollte man sich auch nicht ausreden lassen, im Yoga sind das Satya, Ahimsa, Asteya, Brahmacharya, Aparigraha und daran sollte man schon Lehrer messen.

  • Da gehört Nicht-verletzen dazu, also wenn du einen Lehrer hast, der zu Gewalt aufruft ist er wahrscheinlich nicht der Richtige.
  • Wenn du jemanden hast, der ständig andere anlügt, ist er auch nicht der Richtige.
  • Wenn du jemanden hast, der betrügt, solltest du ihn nicht als Lehrer akzeptieren.
  • Wenn ein Lehrer bezüglich Sexual-Ethik das eine predigt und das andere lebt, ist er auch nicht der richtige Lehrer.
  • Wenn du jemanden hast, der andere besticht oder bestochen werden kann, ist er auch nicht der Richtige.

Manche Vorstellungen solltest du nicht zur Seite geben. Der Ratschlag, den ich gebe, der ist durchaus mit Vorsicht zu genießen. Also sei vorurteilsfrei, aber nicht wertfrei.

Sadguru Swami Sivananda

Beispiele:

  • Oder du könntest dir denken ein spiritueller Lehrer sollte alle umarmen und immer fröhlich sein. Auch hier kannte ich einen, das war Swami Vishnu-devananda, aber ich kannte auch einen Lehrer, Swami Krishnananda, der hat niemanden umarmt, er hat eine gewisse Distanz gehalten. Es war eine spirituelle Nähe, aber eine physische Distanz.
  • Oder vielleicht denkst du, wenn du einen spirituellen Lehrer siehst, er schaut dir in die Augen und er durchschaut dich in der Tiefe deiner Seele. Diesen Eindruck hatte ich nach einer Weile sicherlich bei Swami Vishnu-devananda, aber als ich ihn die ersten Male gesehen hatte, war ich irgendwo etwas enttäuscht. Es war nicht dieses ‚erstmalige Wiedersehen aus einem früheren Leben‘, ein Aufleuchten und Willkommen-heißen im Sinne von ‚in dieser Inkarnation bist du jetzt da, ich kümmere mich um dich‘. Also sei dir bewusst welche Vorurteile du vielleicht hast.
  • Oder Menschen gehen in einen Ashram und denken, dort müsste alles vollkommen sein. Jeder, der im Ashram ist, geht liebevoll mit anderen um und dann stellst du fest, dass Leute sich an Essensschlangen vordrängeln, dass Leute an der Rezeption an einem langen Anreisetag auch mal genervt reagieren, du stellst fest, dass ein Vortragender deine Frage nicht richtig versteht. Da siehst du, du hast die heile Welt zu sehr in einen Ashram projiziert.

Und es gibt gute Gründe, dass diese heile Welt nicht da ist in dieser physischen Welt. Wir lernen durch Herausforderungen, wir lernen auch dadurch, dass Dinge eben nicht so sind, wie wir sie gerne hätten.

So sagt Swami Sivananda zum Ende dieses Abschnittes über das erste Hindernis:

„Gehe das Leben eines Aspiranten, einer Aspirantin, mit geistiger Offenheit. Löse dich von deinen Vorstellungen und deinen Vorurteilen, die vom Ego erzeugt wurden. Nähere dich den spirituellen Dingen mit einer ernsthaften, offenen empfangsbereiten Einstellung gepaart mit dem Wunsch zu lernen. Sei bereit deine geistige Einstellung und deine spirituelle Praxis dem anzupassen, was du lernst, anstatt zu wünschen, dass alles sich deiner geistigen Vorstellung anpasst. Den Lieblingsvorstellungen zu entsagen ist sehr notwendig, wenn du auf dem spirituellen Weg beständig und harmonisch voranschreiten willst.“

Vielleicht magst du jetzt einen Moment innehalten und überlegen welche Vorurteile, Vorstellungen, vielleicht auch romantischen Vorstellungen vom spirituellen Weg du hast, welche wurden vielleicht schon bisher auf deinem Weg enttäuscht und bist du bereit, deinen Vorstellungen zu entsagen um anderes zuzulassen? Und was sind vielleicht wichtige ethische Prinzipien, die du nicht aufgeben solltest, die du selbst dann nicht aufgeben solltest, wenn das in einer Gemeinschaft oder von einem Lehrer verlangt werden würde? Auch das ist wichtig, weil es so viele Menschheitsverführer gibt.

2. Hindernis: Vorstellungen von Pflichten

Dazu zählen zusätzliche Pflichten, die man sich aufhalst um den spirituellen Weg nicht zu gehen.

Ein paar Sätze von Swami Sivananda: „Das zweite Problem, mit dem fast jeder Anfänger zu tun bekommt, hängt mit den Vorstellungen von Verpflichtungen zusammen. Oft ist es so, dass vor dem Anfang des spirituellen Sadhanas diese Pflichten eben nicht da sind, aber wenn du mit Sadhana ernsthaft beginnen willst, siehst du dich plötzlich allen möglichen neuen Verpflichtungen gegenüber Familie, Freunden und anderen, die deinem Sadhana im Wege stehen“.

Natürlich hast du Verpflichtungen und Sevadienen ist etwas Wichtiges; Dharma, seine Aufgaben zu erledigen ist etwas wichtiges auf dem spirituellen Weg. Aber es passiert manchmal, dass Menschen, die den spirituellen Weg zu gehen beginnen, sich plötzlich neuer Aufgaben annehmen um eben keine Zeit für spirituelle Praktiken zu haben.

Zwei Geschichten dazu:

  • Bei der ersten 4-wöchgigen Yogalehrer-Ausbildung bei Yoga Vidya gab es eine Frau, die die ersten drei Wochen gut dabei war, sehr tief gegangen war, tiefe Fragen gestellt hatte, immer unter den ersten vor dem Satsang war und sehr tiefes Interesse hatte. Nach drei Wochen kam sie zu mir und sagte, sie müsse jetzt abreisen, weil sie sich um ihre Kinder kümmern müsse. Ich hakte nach, wo denn die Kinder seien und sie entgegnete, dass sie gerade mit ihrem Mann auf einer Nordseeinsel sind und Urlaub machen. „Das klingt doch gut, warum brauchen die dich?“ fragte ich. Sie antwortete „Mein Herz spürt, dass ich dahin muss, da stimmt etwas nicht. Ich muss mich um die Kinder kümmern.“ Ich fragte: „Was sagt denn dein Mann dazu?“ – „Der sagt, alles ist in Ordnung, aber mein Mutterherz sagt mir, dass ich dahin muss“. Ich machte sie auf den Geist des Aspiranten, auf das zweite Hindernis, aufmerksam: „Vielleicht schaffst du dir deine eigene Pflicht“. „Nein, ich muss dorthin“ entgegnete sie. So ist sie abgereist und kam ein Jahr später wieder, um die letzte Woche nachzuholen und hat mir dann beim Empfang gesagt: „Du hattest Recht, als ich an der Nordsee angekommen bin habe ich sofort gemerkt, dass es ein Fehler war. Mein Mann hatte so viel Spaß gehabt mit unseren Kindern und die Kinder hatten so viel Spaß mit ihm, ich habe erkannt, dass ich die ganze Zeit die Glucke war und verhindert habe, dass mein Mann engen Kontakt mit den Kindern hat. Ich war ein richtiger Spielverderber für die und sie waren die ganze nächste Woche sauer auf mich und haben versucht, mich auszuschließen“. Das ist ein Beispiel, wie man sich zusätzliche Pflichten schaffen kann.
  • In einem Ashram gab es eine sehr ernsthafte Aspirantin, die war Sevaka, also Mitarbeiterin, Teil der spirituellen Gemeinschaft. Nach einer der zwei Jahre in der Gemeinschaft hat sie immer ihren freien Tag damit verbracht, zu ihrer Schwester zu gehen, die ein Kind bekommen hatte und meinte ihrer Schwester helfen zu müssen, sich um das Kind zu kümmern. Nachdem sie das so ein halbes oder dreiviertel Jahr gemacht hat, hat sie gesagt, sie müsse jetzt den Ashram verlassen, weil sie ihrer Schwester mit dem Kind helfen müsse. Ich hatte noch nachgefragt: „Was ist denn los mit deiner Schwester, kann sie das nicht selbst?“ – „Ja, schon“, antwortete die Aspirantin, „aber sie braucht Unterstützung“. – „Hat sie dich darum gebeten?“, fragte ich – „Nein, aber ich merke sie schafft das allein nicht, als alleinerziehende Mutter“. Ich fragte weiter: „Wie geht es denn dem Kind? Ist da alles in Ordnung?“ – „Ja, schon, aber nur deshalb, weil ich einmal die Woche hingehe, ich muss öfters hingehen“. Sie war nicht davon abzuhalten, doch ein paar Monate später kam sie wieder zurück und sagte mit Tränen in den Augen, dass sie Hausverbot bei ihrer Schwester bekommen hätte und dass sie ihre Nichte nicht mehr sehen dürfe. Damit war klar, dass ihre Schwester sich sehr wohl allein um das Kind kümmern wollte und die Aspirantin sich eine Verpflichtung eingebildet hat und damit jemand anderem auf die Nerven gegangen ist.
Keine eingebildeten Pflichten schaffen

Also sei dir bewusst, du hast Pflichten, aber manche Pflichten schaffst du dir selbst. Du kannst manchmal überlegen: Angenommen, ich wäre kein spiritueller Aspirant, würde ich mir dann vorstellen, dies tun zu müssen? Wenn die Antwort ‚Vermutlich nicht‘ ist, dann hast du sie höchstwahrscheinlich als spiritueller Aspirant auch nicht. Ich erlebe es auch immer wieder, dass Aspirantinnen – es scheint häufiger bei weiblichen Aspiranten aufzutreten – plötzlich ihre Großmutter-Pflichten sehr hoch schätzen. Zuvor hatten sie gesagt „Jetzt bin ich bald pensioniert und kann dann mehr spirituell praktizieren, komme häufiger in den Ashram, auch als Karma Yogi“ und plötzlich werden sie immer engagierter in der Kindererziehung und gar nicht mal selten erzählen sie, dass sie in Konflikte kommen mit ihren Schwiegertöchtern. Die wollen gar nicht, dass sie sich so viel engagieren. Großmütter und Großväter sind oft hilfreich, aber übertreibe es nicht. Die Eltern sind die Haupterziehungsberechtigten, deine Zeit als Erziehungsberechtigte ist vorbei. Helfen vielleicht, aber lass dich nicht abhalten von deinen spirituellen Praktiken durch selbst eingebildete Verpflichtungen, mit denen du anderen nur Probleme bringst.

Jetzt kannst du einen Moment nachdenken, ob du dir in letzter Zeit vielleicht neue Verpflichtungen aufgehalst hast, die du nicht wirklich hast.

Noch eine weitere Anregung:

Es gibt manche Menschen, die, so wie sie auf den spirituellen Weg kommen, plötzlich auf die Idee kommen, ihre ganze Wohnung renovieren zu wollen oder ihren Garten neu konstruieren wollen. Mein Tipp wäre vielleicht etwas spiritueller gestalten, aber übertreibe es nicht. Sorge dafür, dass du ausreichend Zeit hast für dein Sadhana, ausreichend Zeit für die spirituellen Praktiken. Wenn du noch weitere Zeit hast, kannst du noch immer etwas für deine Wohnung, deinen Garten usw. tun

Und dazu sagt Swami Sivananda:

„Du hast zu verschiedenen Zeiten verschiedene Pflichten und Aufgaben, aber Sadhana, für die Selbstverwirklichung, die Gottverwirklichung, ist deine wichtigste und dringendste Pflicht bis zur letzten Minute deines Lebens. Du kannst es dir nicht erlauben dein Sadhana zu verschieben. Lass diesen Gedanken tief und stark in dir werden, werde nicht schwach, mache regelmäßiges, systematisches Sadhana und vergegenwärtige dir immer wieder das Ziel des Lebens. Gehe unerschrocken voran, halte das Ideal vor Augen, du wirst das Ziel noch in diesem Leben erreichen“. 

So kannst du nochmals überlegen, wo du vielleicht es mit den äußeren Tätigkeiten übertreibst und welche äußeren Tätigkeiten du vielleicht reduzieren kannst um die Zeit für dein Sadhana zu haben.

3. Hindernis: Umgang mit Schwierigkeiten und Anstrengungen

Sadhana ist nicht immer einfach.

Swami Sivananda sagt dazu:

„Wenn du regelmäßig Sadhana praktizierst, kann es sein, dass du überall Hindernissen entgegen trittst. Du magst sogar denken, dass es dir vorher besser ging. Sei nicht traurig, es gibt Gründe dafür“, und es gibt verschiedene Gründe, warum man am Anfang diese Widerstände hat, der erste den er beschreibt ist: 

„Spirituell zu praktizieren heißt regelmäßig stromauf gegen die uralten Gewohnheiten zu schwimmen“, also dein Leben umzustellen, was gar nicht so einfach ist. Wenn du dir vornimmst, jeden Tag Yoga zu praktizieren, deine Ernährung sattwig zu gestalten, wenn du dir vornimmst freundlich und liebevoll mit deinen Mitmenschen umzugehen, wenn du dir vornimmst auch sonst dein Leben sattwig zu gestalten, wirst du merken, dass der Gemütlichkeitsaspekt hinein kommt, du willst morgens länger schlafen; oder plötzlich kommt die Gier nach einer unsattvigen Nahrung hin, oder es kommt Ärger und eine Angst auf. Das heißt alte Gewohnheiten kommen wieder und so könnte man sagen, es gibt verschiedene Hindernisse:

Jeder muss sein Kreuz tragen

Bergauf zu gehen, das ist anstrengend. Wenn du bergauf Fahrrad fährst, ist das anstrengend, bergab ist einfach, aber wo entwickelst du deine Muskeln? Beim Bergauffahren! Und so kann es am Anfang sein, dass es anstrengend ist und es kann auch sein, dass du etwas langsamer gehen musst und es kann sein, dass du dir zwischendurch eine Pause gönnst, zwar praktizierst, aber du musst nicht an einem Tag den 3000er hochfahren mit dem Fahrrad. Aber gehe den Weg, sei dir bewusst es ist anstrengend, aber mit jeder Anstrengung wirst du stärker.

Was auch anstrengend sein kann, ist überhaupt, dass du die andere Richtung gehen willst und du bemerkst, wie viele Dinge du tust, die spirituell nicht ok sind. Wenn du vorher einfach gegessen hast, was du gemocht hast und dir jetzt beim Essen Disziplin auferlegst, nicht zu früh, nicht zu spät, das was ökologisch verträglich ist, nicht zu viel Zucker, keine tierischen Produkte… da merkst du plötzlich wie viele Wünsche in dir schlummern, wie viele Widerstände dort sind. Wenn du dir vornimmst, liebevoll mit anderen Menschen zu sprechen, wirst du dir bewusst, wie häufig du aus Ärger und Gekränktheit sprichst. Wenn du dir vornimmst, morgens früh aufzustehen, wirst du feststellen, wie gemütlich du doch ansonsten bist und wie schwer es dir fällt. Also das Bemerken, dass noch einiges zu tun ist, an sich ist schmerzhaft, es zu ändern ist anstrengend.

Wenn du Gutes tun willst, kommt manches an die Oberfläche, was vorher tief in dir drin war.

  • Es kann sein, dass du meditierst und während du meditierst, vielleicht über liebevolle GüteMaitri Bhavana – plötzlich in dir Aggression hochkommt.
  • Du meditierst über das Göttliche an sich und plötzlich kommt dir hoch, was für tiefe Kränkungen dir vielleicht als Kind zugefügt wurden. So kommt also manches aus deinem Unterbewusstsein zur Oberfläche und das ist gut so. Mein Tipp wäre hier nicht zu viel drüber nachzudenken, woher und warum das kommt, sondern du kannst lieber froh darüber sein, dass es an die Oberfläche kommt, eine Spannung, die tief in dir ist, kommt an die Oberfläche. Schaue sie an, identifiziere dich nicht, projiziere nicht, lasse los, mache weiter mit deiner Praxis und du kommst zu dem, was tiefer ist.

Zum Ende dieser Lektion der letzte Absatz aus dem Kapitel „Der Geist des Suchenden“ von Swami Sivananda:

„Gehe den Sadhana Marga, den spirituellen Weg, mit einem offenen Geist ohne Vorurteile. Sei dir des höchsten Ziel des Lebens, Sadhana zu praktizieren für die Gottverwirklichung, bewusst. Trage ruhig und heiter alle anfänglichen Prüfungen, Versuchungen, Widerstände. Du wirst das ewige Leben, unvergessliches Strahlen, Frieden und Wonne ernten.“

Hari Om Tat Sat

Video - Hindernisse auf dem spirituellen Weg

Welche Hindernisse gibt es auf dem spirituellen Weg? Wie kannst du sie erkennen und überwinden?

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