Geist des Aspiranten

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Geist des Aspiranten: Dieses ist ein Text von Shri Swami Sivananda, einer der großen Yoga Meister des 20. Jahrhunderts, publiziert im Buch "Sadhana". Hier findest du den vollständigen Text, danach einen Vortrag von Sukadev zu diesem Thema.

Der Geist des Aspiranten: eine psychologische Studie

Wer ernsthaft den spirituellen Weg aufnimmt und beginnt, regelmäßig Sadhana zu machen, findet sich mit bestimmten eigenartigen Schwierigkeiten und enttäuschenden Erfahrungen konfrontiert, die den Anfänger vorerst einmal erschrecken und entmutigen können. Diese Probleme und Hindernisse betreffen den Großteil der Suchenden, und deshalb ist es wichtig, über sie Bescheid zu wissen, und die Methoden richtig zu verstehen, mit denen sie zu überwinden sind.

Falsche Vorstellungen über das spirituelle Leben

Das erste ist dies. Der Sadhak, der Suchende, beginnt sein spirituelles Leben mit bestimmten, genauen, selbst geschaffenen Vorstellungen von Sadhana, Verwirklichung, Guru, Upadesh und dergleichen. Solcherart gehegte Vorstellungen kristallisieren sich unbewußt zu fest verwurzelten Vorurteilen. Aber in der Tat ist das wirkliche spirituelle Leben ganz anders als das, was sich die individuelle Meinung gerne dazu vorstellt. Realitäten stellen sich nicht nur als anders, sondern als den alten Vorstellungen, die er so liebevoll umarmt gehalten hatte, sogar absolut entgegengesetzt heraus. All seinen vorgefaßten Meinungen wird ein schwerer Schlag versetzt. Was geschieht? In den meisten Fällen kann sich der Anfänger nicht mit diesen unerwarteten Entdeckungen abfinden, geht wieder zurück, und landet schließlich wieder in seinem früheren sinnlichen Leben der Täuschung. Das wäre der größte Fehler, den er machen könnte. Er hält einen unvergleichlichen Edelstein in der Hand und wirft ihn töricht weg. Eine unschätzbare Gelegenheit ging verloren. Der Geist wird wieder mit aller Kraft denselben sinnlichen Furchen folgen. Eigentlich will der Suchende die lange gehegten Vorstellungen nicht aufgeben. Sein Ego hängt an ihnen. Er hat zum Beispiel eine bestimmte Vorstellung davon, wie das Sadhana gestaltet sein sollte. Er stellt sich vor, daß derjenige, den er als seinen Guru annimmt, ihm ein Sadhana vorschreibt, das dieser Vorstellung entspricht. Wenn nicht, tritt Unzufriedenheit auf. Er denkt, ein Guru müßte sich so und so verhalten. Wenn er es nicht tut, schwindet die Treue. Sich zu den Füßen des Gurus zu ergeben und dann zu zweifeln zu beginnen und sein Verhalten zu mißbilligen, ist der fürchterlichste und kolossalste Fehler, den ein Suchender jemals machen kann. Dadurch setzt er das Messer an die Wurzel von Sadhana und spirituellem Leben. Oder der Sadhak betritt den Weg mit einer speziellen Einschätzung seines spirituellen Fortschritts und des Niveaus, das er erreicht hat. Aber in der Tat weiß nur Gott allein wirklich, wo genau er steht. Und doch handelt er nach seinen vorherigen Vorstellungen. Wenn spätere Ereignisse zeigen, daß er sich irrt, ist er enttäuscht und verliert die Begeisterung. All das ist überaus schädlich. Sich von einer Reihe von Enttäuschungen und Fehlschlägen zu Beginn des spirituellen Lebens fangen zu lassen, ist ein furchtbares Hindernis. Es lähmt die Fähigkeit zu Sadhana und das Bedürfnis danach. Man verliert den Mut und fühlt sich vom spirituellen Leben abgestoßen. Sadhana muß auf lebhafter Begeisterung und Freude basieren und darauf gestützt sein.

Beginne das Leben des Sadhana mit offenem Geist. Sei frei von verkrampften vorgefaßten Meinungen, die aus dem Ichdenken entstehen. Gehe an spirituelle Angelegenheiten mit ehrlich aufnahmebereiter Haltung heran, mit dem Gedanken, lernen zu wollen. Sei darauf vorbereitet, dich vernünftig darauf einzustellen, anstatt törichterweise zu wünschen, daß sie sich anpassen, um deinen geistigen Mustern zu entsprechen. Ansonsten wird Mißklang den Beginn deines Sadhanalebens kennzeichnen. Du fällst in eine Mutlosigkeit, aus der du nur schwer wieder herauskommst. Das beeinträchtigt den gesamten Verlauf des folgenden Sadhana, und wertvolle Jahre werden vergeudet. Diese Erfahrung machen heutzutage zahllose Sadhakas. Tyaga von Lieblingsvorstellungen und eigenwilligen Denkweisen ist sehr notwendig, wenn man den Pfad betreten und ihn ungestört fortsetzen möchte. Dadurch daß man voranschreitet, werden die Dinge allmählich verständlich. Eines nach dem anderen wird klar werden.

Falsche Vorstellungen von Pflicht

Das zweite, das den Anfänger immer wieder plagt, sind verschiedenste Gedanken und Vorstellungen hinsichtlich seiner Pflicht. Eigenartigerweise wird sich herausstellen, daß, solange man kein Sadhana macht und nicht daran denkt, den spirituellen Weg aufzunehmen, keine solche Gedanken an Pflicht, usw. usw. auftauchen. Sehr wahrscheinlich ist man seinen Pflichten oder Angehörigen gegenüber gleichgültig oder sogar nachlässig. Die Eltern drängen vielleicht jeden Tag darauf, daß ein Beruf ergriffen und zum Unterhalt der Familie beigetragen wird. Auf diesem Ohr ist man taub und geht ins Kino und in Restaurants. Wenn man dann vielleicht im Berufsleben steht, trägt man Tweedanzüge und Seidenkravatten. Aber man macht sich keine Gedanken darüber, daß Mutter oder Schwerster dieselben zwei alten Saris abwechselnd tragen und waschen. Denn, ist es nicht Aufgabe des Vaters, die Mutter zu erhalten? Um die Schwester wird sich doch wohl bald der zukünftige Mann kümmern. So wird argumentiert. Wenn sich aber die Frage nach Sadhana und spirituellem Leben stellt, beginnt der Geist zu sagen, daß man Pflichten der Familie gegenüber hat. Man würde die Pflichten gegenüber Mutter, Bruder, Schwester, usw. vernachlässigen. All das tritt erst jetzt auf, wenn man mit dem Weg des Sadhana beginnt. Man beginnt zu schwanken, zu zögern und schwach zu werden. Dazu kommt noch, daß Freunde abraten und die eigene Familie allem Spirituellen negativ gegenübersteht. „Was ist mit all dem Japa, Dhyana, Tragen der Mala, usw.? Die Dinge zu ihrer Zeit. Du kannst dich darum kümmern, wenn die Zeit gekommen ist. Tue jetzt zuerst deine Pflicht.“ So sagen sie. Das wird auch noch der wenigen Lust, mit der begonnen wurde, ein Ende setzen. Das ist ein typisches Täuschungsmanöver des Geistes. Der Geist ist Maya. Seine Funktion ist es, den Menschen auf die eine oder andere Weise davon abzuhalten, einen kleinen Einblick in die Realität zu erhaschen. Er ist der Umstand, der die Wahrheit stets zu verschleiern trachtet. Daher gilt es, wachsam zu sein und seine Schachzüge auf Schritt und Tritt zu durchkreuzen. Genau dann, wenn man versucht, den Pfad zu beginnen, schafft der Geist all diese Vorstellungen von Pflicht, Verantwortung, wichtigen Vorhaben, usw., die vorher niemals von Belang waren. Sei dir dessen voll bewußt. Zu verschiedenen Zeiten gibt es verschiedene Pflichten. Sadhana zur Selbstverwirklichung zu machen, ist jedoch die wichtigste und dringendste Pflicht, die das ganze Leben lang, bis zum letzten Moment, bestehen bleibt. Man kann es sich nicht leisten, ja man darf sich nicht erlauben, sie auch nur einen einzigen Augenblick aufzuschieben oder zu verzögern. Lasse diesen Gedanken fest in deinen Geist sinken. Schwanke nicht. Beginne regelmäßiges und systematisches spirituelles Sadhana von der Sekunde an, in der du diese Zeile liest. Lege ein Lesezeichen in diese Seite, schließe das Buch und sitze still, entspannt und gerade mit geschlossenen Augen. Denke über den erhabenen Sinn des Lebens nach, wie es einzig und allein für das spirituelle Sadhana bestimmt ist. Wiederhole zehn Minuten lang den Namen des Herrn. So wurde ein guter Anfang gemacht. Betritt den Pfad, schreite unerschrocken weiter. Dränge entschlossen und kraftvoll voran. Hefte den Geist ein für alle Mal fest auf das zu erreichende Ideal. Du wirst das Ziel noch in diesem Leben erreichen.

Falsche Vorstellungen von den Schwierigkeiten auf dem Weg

Sobald man tatsächlich entschlossen ist und regelmäßiges Sadhana beginnt, treten vielleicht Unmengen von Schwierigkeiten und Problemen auf, die man vorher nicht hatte. Zu Beginn sieht man sich vielleicht von allen Seiten her von Hindernissen bedrängt. Dann denkt man vielleicht, daß es das einsetzende Sadhana ist, das zu all den Schwierigkeiten geführt hat, und daß früher eigentlich alles besser war. Sei nicht erschrocken. Das hat einen Grund. Sadhana bedeutet, sich selbst gewisse Beschränkungen aufzuerlegen. Bis jetzt warst du immer dem Lauf der Sinne gefolgt. Daher gab es niemals irgendwelche Widerständen von ihnen. Nun betritt man einen Weg, der in erster Linie aus Disziplin besteht, aus innerer wie aus äußerer. Das bedeutet, einen Konflikt mit den aufsässigen, eigensinnigen Neigungen der Sinne zu haben. Wenn es zu einem solchen Konflikt kommt, beginnt man ihre Kräfte zu spüren, wohingegen sie früher allem Anschein nach vergleichsweise ruhig schienen. Wenn man frohgemut einen Hügel hinunterradelt, erscheint alles wunderbar angenehm und eine unbehinderte Fahrt zu sein. Erst wenn man kehrtmacht und versucht, hinaufzutreten, spürt man welch überaus mühsame Aufgabe es ist. Die Waden- und Oberschenkelmuskeln scheinen unter der Belastung zusammenzubrechen. So ist es, wenn man mit richtigem Ernst mit Sadhana beginnt. Sadhana ist mühsam. Es ist ein regelmäßiger Kampf gegen den Strom, gegen die seit undenklichen Zeiten bestehenden Strömungen der samsarischen Tendenzen. Es bedeutet, die Höhen wiederzuerlangen, die man bei der unkontrollierten Talfahrt in den Abgrund der grobstofflichen Weltlichkeit verloren hat. Und im Beginn sind dem Anfänger dieser Kampf, diese Mühe und Anstrengung ganz ungewohnt. Ein derart organisierter Ansturm von Problemen und Schwierigkeiten verwirrt und zermürbt ihn für eine gewisse Zeit. Das ist nur natürlich. Lasse dich nicht verwirren. Bleibe standhaft mit aller Kraft. Diese anfänglichen Schwierigkeiten verschwinden bald. Tag um Tag wird man stärker. Wenn man nur bedenkt, wieviele Schwierigkeiten, Prüfungen und Risiken man gewöhnlich erträgt, wenn es sich um eine weltliche Angelegenheit handelt, wie etwa den Gewinn von Geld, etwas Berufliches, eine Prüfung oder einen Rechtsstreit, wird man bereitwillig alle Anfangsschwierigkeiten, auf die man trifft, sobald man den Pfad betritt, auf sich nehmen und an den unendlichen, unermeßlichen und unvergänglichen Schatz des Atman denken, den man letzten Endes erlangen wird. Auf dem spirituellen Weg bringt ein wenig Schmerz grenzenlosen Gewinn. Der Erfolg ist dem sicher, der ein kleines Opfer bringt. Bisher bewegte sich der Sadhak in einem engen Kreis, setzte ein wenig Zeit und Energie ein und bekam dafür etwas glitzerndes Metall, Seidenkleider und feines Geschirr. Er opferte nur einen Teil des Endlichen, um einen anderen Teil desselben vergänglichen Endlichen zu erhalten. Da der Sadhak nun den geraden und glorreichen Pfad betritt, opfert er die vergänglichen endlichen Dinge und strebt danach, DAS zu erlangen, was ewig und unendlich ist.

Betritt nun Sadhana Marga mit offenem Geist, frei von allen Vorurteilen, sei dir voll der beschwerlichen und unerläßlichen Pflicht bewußt, Sadhana zu machen, und ertrage ruhig und gelassen alle anfänglichen Prüfungen und Tests. Dafür erhältst du ewiges Leben, immerwährenden Glanz, Frieden und Wonne!


Videovortrag

"Geist des Aspiranten" - Hindernisse auf dem spirituellen Weg

Sukadev spricht über seine erste Begegnung mit Swami Vishnu-devananda im Jahre 1981. Auch erzählt er von persönlichen Erfahrungen wie er Swami Vishnu-devananda für sich als Guru gefunden hat.

In diesem Vortrag weist Sukadev uns darauf hin wie wichtig Offenheit auf dem Weg als Qualität ist, Offenheit an den Lehrer, Offenheit gegenüber den Praktiken die es zu üben gibt und Offenheit gegenüber den Erfahrungen die dann geschehen. Um das erste Hindernis zu beschreiben liest Sukadev aus dem Buch `Sadhana´ von Swami Sivananda "Lebe das Leben eines Aspiraten mit geistiger Offenheit, sei frei von Vorurteilen und Vorstellungen wie die von deinem Ego erzeugt worden. Nähre dich allen spirituellen Dingen mit einer ernsthaften offenen empfangsbereiten Einstellung, gepaart mit dem Wunsch zu lernen. Sei bereit deine geistige Einstellung dem anzupassen was du lernst, anstatt zu Wünschen das alles sich deiner Vorstellung anpasst. Den Vorurteilen zu entsagen ist sehr hilfreich wenn du auf dem spirituellen Weg voranschreiten willst.". Ein weiteres Hindernis hängt mit den Vorstellen Verpflichtungen gegenüber zusammen. Schreiten wir auf dem Weg voran werden wir "das Ewige erfahren und Freude, Frieden und Wonne ernten" zitiert Sukadev Swami Sivananda zum Abschluss.


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Siehe auch

Seminare zum Thema bzw. im indirekten Zusammenhang

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