Sadhana: Unterschied zwischen den Versionen
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:'''Der Meister:''' Im allgemeinen gilt die rechte Seite der Brust als der Sitz des Selbst, Es ist eine Alltagserfahrung: wer auf sich selbst verweist, deutet mit der Hand auf seine rechte Brust und sagt: »ich tat das, — ich habe das gesagt« usw. Manche meinen, der Tausendblättrige Lotos in der Hirnschale (sahasrâra) sei der Sitz des Selbst, Dann sollte aber einem, der müde wird, der Kopf nicht sinken, sondern aufrecht bleiben, Zudem bedeutet das Wort »Herz« (hridaya) »selbst«. Freilich ist der Ort des Selbst, den man als »Herz« bezeichnet, nicht das muskulöse Gefäß, welches das Blut pumpt, oder ein Teil davon, denn das Selbst, das Unbedingte, das mit »seiend, geistig, selig« (sat-chit-ânanda) umschrieben wird, ist vollkommen, ewig und jenseits der Grenzen von Zeit und Raum; die Wechselbegriffe räumlichen Vorstellens wie Innen und Außen, Oben und Unten haben eigentlich keinen Bezug auf das Selbst. Mit anderen Worten; der Ort des Selbst ist dort, wohin die Vorstellungen und Regungen des Gemüts zurückweichen, worin sie versinken und zur Ruhe gelangen. Jenseits der Vorstellungen und Regungen gelangt man zum Selbst, das bedeutet: jenseits von Zeit und Raum, die der Sphäre des Vorstellens angehören. Wenn der Adept sich nicht bei bloßen Vorstellungen und Begriffen zufrieden gibt, sondern verlangt, den heiteren und stillen Stand wirklich zu erfahren: im Selbst oder im reinen Innesein zu verharren, dann sind solche Erwägungen, ob der Ort des Selbst innen oder außen am stofflichen Leibe ist, belanglos. Wenn einer im Selbst verharrt, ist gar keine Möglichkeit, daß solche Fragen auftauchen. | :'''Der Meister:''' Im allgemeinen gilt die rechte Seite der Brust als der Sitz des Selbst, Es ist eine Alltagserfahrung: wer auf sich selbst verweist, deutet mit der Hand auf seine rechte Brust und sagt: »ich tat das, — ich habe das gesagt« usw. Manche meinen, der Tausendblättrige Lotos in der Hirnschale (sahasrâra) sei der Sitz des Selbst, Dann sollte aber einem, der müde wird, der Kopf nicht sinken, sondern aufrecht bleiben, Zudem bedeutet das Wort »Herz« (hridaya) »selbst«. Freilich ist der Ort des Selbst, den man als »Herz« bezeichnet, nicht das muskulöse Gefäß, welches das Blut pumpt, oder ein Teil davon, denn das Selbst, das Unbedingte, das mit »seiend, geistig, selig« (sat-chit-ânanda) umschrieben wird, ist vollkommen, ewig und jenseits der Grenzen von Zeit und Raum; die Wechselbegriffe räumlichen Vorstellens wie Innen und Außen, Oben und Unten haben eigentlich keinen Bezug auf das Selbst. Mit anderen Worten; der Ort des Selbst ist dort, wohin die Vorstellungen und Regungen des Gemüts zurückweichen, worin sie versinken und zur Ruhe gelangen. Jenseits der Vorstellungen und Regungen gelangt man zum Selbst, das bedeutet: jenseits von Zeit und Raum, die der Sphäre des Vorstellens angehören. Wenn der Adept sich nicht bei bloßen Vorstellungen und Begriffen zufrieden gibt, sondern verlangt, den heiteren und stillen Stand wirklich zu erfahren: im Selbst oder im reinen Innesein zu verharren, dann sind solche Erwägungen, ob der Ort des Selbst innen oder außen am stofflichen Leibe ist, belanglos. Wenn einer im Selbst verharrt, ist gar keine Möglichkeit, daß solche Fragen auftauchen. | ||
=== | ===Vorstellungen=== | ||
:Der Schüler: Wie kommt das: | :'''Der Schüler:''' Wie kommt das: Auch wenn man nicht in unmittelbarer Berührung mit Sinnesgegenständen steht, tauchen [[Vorstellung]]en von innen im innersten Winkel unseres Gemüts auf und vereiteln es, den stillen Stand zu erleben, im Selbst zu verharren? | ||
:Der Meister: Die wirklichen Gegenstände solcher Vorstellungen sind nicht außen, es sind die feinen Neigungen und Gewohn-heiten des Gemüts innen (vâsanâ), die seinen Erbbestand aus früheren Leben bilden auf Grund früherer Gewohnheiten, Gedanken und Taten: in diese sind die Vorstellungen eingebettet. Ihre Gegenstände existieren eigentlich nur im Gemüt, das seine eingeborene Stille verloren hat, weil wir fälschlich unser Dasein mit unserem Leben im Leibe gleichsetzen; davon ist das Gemüt den ewig wechselnden Einwirkungen der Sinnesgegenstände ausgesetzt, Gestatten wir dem Gemüt nicht, sich in solche Vorstellungen zu verwickeln, sondern fragen nach innen und suchen, wenn solche Vorstellungen aufsteigen, zu erkennen, wem sie einfallen, dann verschwinden sie auf der Stelle. | :'''Der Meister:''' Die wirklichen Gegenstände solcher Vorstellungen sind nicht außen, es sind die feinen Neigungen und Gewohn-heiten des Gemüts innen (vâsanâ), die seinen Erbbestand aus früheren Leben bilden auf Grund früherer Gewohnheiten, Gedanken und Taten: in diese sind die Vorstellungen eingebettet. Ihre Gegenstände existieren eigentlich nur im Gemüt, das seine eingeborene Stille verloren hat, weil wir fälschlich unser Dasein mit unserem Leben im Leibe gleichsetzen; davon ist das Gemüt den ewig wechselnden Einwirkungen der Sinnesgegenstände ausgesetzt, Gestatten wir dem Gemüt nicht, sich in solche Vorstellungen zu verwickeln, sondern fragen nach innen und suchen, wenn solche Vorstellungen aufsteigen, zu erkennen, wem sie einfallen, dann verschwinden sie auf der Stelle. | ||
:Der Schüler | ===Der Schein des Triputi=== | ||
:Der Meister: Aus dem Selbst in seinem reinen und ursprünglichen Stande des Seins strahlt an erster Stelle der gespiegelte Schein des Inneseins (chit-âbhâsa), und aus ihm steigt die Ich-Vorstellung auf; sie ist die Wurzel aller Vorstellungen und Regungen, Dieses Ich, das Ego, stellt mit dem, was aus ihm folgt und an ihm hängt — Welt und Sinneswahrnehmungen — den Seher der gesehenen Gegenstände dar. So erwächst die anscheinende Entfaltung des Dreier-Verhältnisses von Seher, Sehen und Gesehenem, denn keines der drei Glieder besteht unabhängig voneinander und kann ohne das andere da sein. | :'''Der Schüler:''' Wie kommt es, daß die Dreiheit (triputi) des Sehenden, des Sehens und des Gesehenen, die im traumlos tiefen Schlafe, in Versenkung (samâdhi) und verwandten Zuständen nicht vorhanden ist, sich als Schein am Selbst einstellt und entfaltet, das doch in sich eins und allumfassend ist? | ||
:'''Der Meister:''' Aus dem Selbst in seinem reinen und ursprünglichen Stande des Seins strahlt an erster Stelle der gespiegelte Schein des Inneseins (chit-âbhâsa), und aus ihm steigt die Ich-Vorstellung auf; sie ist die Wurzel aller Vorstellungen und Regungen, Dieses Ich, das Ego, stellt mit dem, was aus ihm folgt und an ihm hängt — Welt und Sinneswahrnehmungen — den Seher der gesehenen Gegenstände dar. So erwächst die anscheinende Entfaltung des Dreier-Verhältnisses von Seher, Sehen und Gesehenem, denn keines der drei Glieder besteht unabhängig voneinander und kann ohne das andere da sein. | |||
:Der Schüler: Es heißt: das Selbst ist jenseits von Wissen und Nichtwissen, Wie kann es dann den stofflichen Leib durchdringen und dem Gemüt und den Sinnesorganen Leben und Tätigkeit verleihen? | ===Durchdringen des Selbst=== | ||
:Der Meister: Die alten Seher, die um das Wirkliche wußten, lehren; da ist eine feine Verbindung, ein Knoten (granthi) zwischen dem Ort des Selbst und dem Zentrum des Nervensystems, Dieser Knoten ist der Herzknoten (hridaya-granthi), und solange diese Verbindung nicht durch das Erlebnis der Wahrheit zerschnitten ist, offenbart und entfaltet sich das Selbst durch das Nervensystem und verleiht dem Gemüt und den Sinnesorganen Leben und Tätigkeit, so wie die feine und unsichtbare Elektrizität durch Drähte und Fäden Licht und Kraft verleiht. Wird dieser Knoten zwischen dem Ort des Atman und dem Nervensystem zerschnitten, so verharrt, wie die Seher lehren, der Atman in sich selber als reines eigenschaftsloses Innesein: So wie er allzeit ist. | :'''Der Schüler:''' Es heißt: das Selbst ist jenseits von Wissen und Nichtwissen, Wie kann es dann den stofflichen Leib durchdringen und dem Gemüt und den Sinnesorganen Leben und Tätigkeit verleihen? | ||
:'''Der Meister:''' Die alten Seher, die um das Wirkliche wußten, lehren; da ist eine feine Verbindung, ein Knoten (granthi) zwischen dem Ort des Selbst und dem Zentrum des Nervensystems, Dieser Knoten ist der Herzknoten (hridaya-granthi), und solange diese Verbindung nicht durch das Erlebnis der Wahrheit zerschnitten ist, offenbart und entfaltet sich das Selbst durch das Nervensystem und verleiht dem Gemüt und den Sinnesorganen Leben und Tätigkeit, so wie die feine und unsichtbare Elektrizität durch Drähte und Fäden Licht und Kraft verleiht. Wird dieser Knoten zwischen dem Ort des Atman und dem Nervensystem zerschnitten, so verharrt, wie die Seher lehren, der Atman in sich selber als reines eigenschaftsloses Innesein: So wie er allzeit ist. | |||
:Der Schüler: Wie verhält sich dieser ursprüngliche Stand des Inneseins oder reinen Erkennens zum bedingten Erkennen der Erscheinungswelt, das die Dreiheit von Seher, Sehen und Gesehenem in sich schließt? | ===Erkennen im Verhältnis zum bedingten Erkennen=== | ||
:Der Meister: Du kannst dir dieses Verhältnis nach Art eines Filmapparates vorstellen: das Selbst, oder das reine Innesein, ist die Lampe, die Lichtquelle im Inneren, Das Gemüt, frei von leidenschaftlicher Bewegtheit (rajas) und dumpfer Dunkelheit (tamas), im Stande lichter Klarheit (sattva) und dem Atman nahe, ist die Linse vor der Lichtquelle, Die Skala der ererbten Neigungen und Gewohnheiten (vâsanâ) im Gemüt, die einander in Gestalt äußerst feiner, ungreifbar hinhuschender Vorstellungen und Regungen folgen, ist der Filmstreifen mit seinen Bildern voll Gestalten, der an der Linse vorüberläuft. Das Gemüt ist die Linse, sein belebter oder erhellter Zustand sind die Lichtstrahlen, die durch die Linse gehen: beide bilden zusammen mit dem Selbst das Einzel-Ich (jîva): die Lampe mit dem Licht, das die Linse versammelt und weiterwirft, Wie das Licht, das durch die Linse geht, als heller Schein auf den Schirm gegenüber fällt, so erscheint das Licht des Selbst, vom Gemüt durch die Sinnesorgane nach außen geströmt, als die Welt gegenständlicher Erscheinungen, Das aus dem Brennpunkt der Linse strahlende Licht erhellt den Schirm gegenüber: so wird die leblose, fühllose Welt des Stoffs vom Gemüt angehellt, das die innere Helle des Selbst nach außen weiterleitet. | :'''Der Schüler:''' Wie verhält sich dieser ursprüngliche Stand des Inneseins oder reinen Erkennens zum bedingten Erkennen der Erscheinungswelt, das die Dreiheit von Seher, Sehen und Gesehenem in sich schließt? | ||
:'''Der Meister:''' Du kannst dir dieses Verhältnis nach Art eines Filmapparates vorstellen: das Selbst, oder das reine Innesein, ist die Lampe, die Lichtquelle im Inneren, Das Gemüt, frei von leidenschaftlicher Bewegtheit (rajas) und dumpfer Dunkelheit (tamas), im Stande lichter Klarheit (sattva) und dem Atman nahe, ist die Linse vor der Lichtquelle, Die Skala der ererbten Neigungen und Gewohnheiten (vâsanâ) im Gemüt, die einander in Gestalt äußerst feiner, ungreifbar hinhuschender Vorstellungen und Regungen folgen, ist der Filmstreifen mit seinen Bildern voll Gestalten, der an der Linse vorüberläuft. Das Gemüt ist die Linse, sein belebter oder erhellter Zustand sind die Lichtstrahlen, die durch die Linse gehen: beide bilden zusammen mit dem Selbst das Einzel-Ich (jîva): die Lampe mit dem Licht, das die Linse versammelt und weiterwirft, Wie das Licht, das durch die Linse geht, als heller Schein auf den Schirm gegenüber fällt, so erscheint das Licht des Selbst, vom Gemüt durch die Sinnesorgane nach außen geströmt, als die Welt gegenständlicher Erscheinungen, Das aus dem Brennpunkt der Linse strahlende Licht erhellt den Schirm gegenüber: so wird die leblose, fühllose Welt des Stoffs vom Gemüt angehellt, das die innere Helle des Selbst nach außen weiterleitet. | |||
:Die Bilder des Films, die dank dem Licht aus der Linse sich auf dem Schirm folgen, sind die verschiedenen Gegenstände, die mit Namen und Gestalt als Sinneswahrnehmungen in der Erscheinungswelt auftauchen, dank dem Licht, das ihnen vom Gemüt her zuteil wird. Die Maschinerie, die den Film laufen läßt, entspräche dabei dem göttlichen Gesetz, kraft dessen die ererbten Gewohnheiten und Neigungen (vâsanâ) sich selber nacheinander dem Gemüt eingeben. Die Bilder erscheinen auf dem Schirm, solange der Film läuft und seine Schatten durch die Linse auf den Schirm wirft: ebenso spielt die Erscheinungswelt sinnlicher Wahr¬nehmungen von Gegenständen als eine anscheinend eigenständige Wirklichkeit so lange, wie die ererbten Neigungen und Gewohnheiten im Gemüt ihr Spiel treiben, und das Einzel-Ich (jîva) wird sie im Wachen und Traum gewahr. Weiter: wie die Linse die zahllosen winzigen Bilder des Filmstreif ens vergrößert und in riesigem Ausmaß mit Augenblicksschnelle auf den Schirm wirft, so vergrößert das Gemüt die keimhaft winzigen feinen Neigungen und Gewohnheiten zu gewaltigen Maßen im Bruchteil eines Augenblicks und gibt ihnen Namen und Gestalt. Ist kein Film da, so scheint die Lampe, ohne Bilder auf den Schirm zu werfen: ebenso scheint das Licht des Atman allein ohne die Dreifalt (triputi) von Seher, Sehen und Gesehenem, wenn keine Neigungen (vâsanâ) im Spiel sind, die sich in Vorstellungen und Regungen ausprägen: nämlich im traumlos tiefen Schlaf, in Zuständen der Bewußtlosigkeit, der Versenkung (samâdhi) usw, Der Lampe geschieht gar nichts, sie bleibt völlig unverändert, wandellos und unberührt, indes sie Linse, Film und Schirm erhellt: so bleibt auch das Selbst, indes es das Gemüt, seine Neigungen und Gewohnheiten und die Sinnesorgane mit seinem Licht erhellt, immer wie es in sich selber ist: rein und wandellos. | :Die Bilder des Films, die dank dem Licht aus der Linse sich auf dem Schirm folgen, sind die verschiedenen Gegenstände, die mit Namen und Gestalt als Sinneswahrnehmungen in der Erscheinungswelt auftauchen, dank dem Licht, das ihnen vom Gemüt her zuteil wird. Die Maschinerie, die den Film laufen läßt, entspräche dabei dem göttlichen Gesetz, kraft dessen die ererbten Gewohnheiten und Neigungen (vâsanâ) sich selber nacheinander dem Gemüt eingeben. Die Bilder erscheinen auf dem Schirm, solange der Film läuft und seine Schatten durch die Linse auf den Schirm wirft: ebenso spielt die Erscheinungswelt sinnlicher Wahr¬nehmungen von Gegenständen als eine anscheinend eigenständige Wirklichkeit so lange, wie die ererbten Neigungen und Gewohnheiten im Gemüt ihr Spiel treiben, und das Einzel-Ich (jîva) wird sie im Wachen und Traum gewahr. Weiter: wie die Linse die zahllosen winzigen Bilder des Filmstreif ens vergrößert und in riesigem Ausmaß mit Augenblicksschnelle auf den Schirm wirft, so vergrößert das Gemüt die keimhaft winzigen feinen Neigungen und Gewohnheiten zu gewaltigen Maßen im Bruchteil eines Augenblicks und gibt ihnen Namen und Gestalt. Ist kein Film da, so scheint die Lampe, ohne Bilder auf den Schirm zu werfen: ebenso scheint das Licht des Atman allein ohne die Dreifalt (triputi) von Seher, Sehen und Gesehenem, wenn keine Neigungen (vâsanâ) im Spiel sind, die sich in Vorstellungen und Regungen ausprägen: nämlich im traumlos tiefen Schlaf, in Zuständen der Bewußtlosigkeit, der Versenkung (samâdhi) usw, Der Lampe geschieht gar nichts, sie bleibt völlig unverändert, wandellos und unberührt, indes sie Linse, Film und Schirm erhellt: so bleibt auch das Selbst, indes es das Gemüt, seine Neigungen und Gewohnheiten und die Sinnesorgane mit seinem Licht erhellt, immer wie es in sich selber ist: rein und wandellos. | ||
:Der Schüler: Was ist Meditation (dhyâna)? | ===Sadhana ist Dhyana - Meditation=== | ||
:Der Meister: Dhyâna besteht darin, daß du fest und ohne Wanken als eines mit dem eigenen reinen Sein verharrst, — einerlei in welchem der drei Zustände Wachen, Traum oder tiefer Schlaf du dich befindest, — ohne daß du die Vorstellung hegst, dich in Meditation zu befinden, Wer das kann, wird der Unterschiede zwischen diesen drei Zuständen nicht im leisesten in seinem Gemüt gewahr, So darf der scheinbare Schlaf in tiefer Meditation als Dhyâne angesehen werden, Meditation besteht wesentlich darin, hinaus zu gelangen über das Gewahrsein der Vorstellung oder des Eindrucks »ich bin in Meditation«. | :'''Der Schüler:''' Was ist Meditation (dhyâna)? | ||
:'''Der Meister:''' Dhyâna besteht darin, daß du fest und ohne Wanken als eines mit dem eigenen reinen Sein verharrst, — einerlei in welchem der drei Zustände Wachen, Traum oder tiefer Schlaf du dich befindest, — ohne daß du die Vorstellung hegst, dich in Meditation zu befinden, Wer das kann, wird der Unterschiede zwischen diesen drei Zuständen nicht im leisesten in seinem Gemüt gewahr, So darf der scheinbare Schlaf in tiefer Meditation als Dhyâne angesehen werden, Meditation besteht wesentlich darin, hinaus zu gelangen über das Gewahrsein der Vorstellung oder des Eindrucks »ich bin in Meditation«. | |||
:Der Schüler: Was ist dann der Unterschied zwischen solcher Meditation und dem Aufgesogensein in das Selbst (samâdhi)? | :'''Der Schüler:''' Was ist dann der Unterschied zwischen solcher Meditation und dem Aufgesogensein in das Selbst (samâdhi)? | ||
:Der Meister: Meditation wird durch bewußte Anstrengung des Gemütes eingeleitet und getragen, Ist solche Anstrengung völlig zur Ruhe gelangt, so spricht man von Samâdhi, | :'''Der Meister:''' Meditation wird durch bewußte Anstrengung des Gemütes eingeleitet und getragen, Ist solche Anstrengung völlig zur Ruhe gelangt, so spricht man von Samâdhi, | ||
:Der Schüler: Auf welche Bestandteile des Uebens soll, wer Meditation treibt, besonders achten? | :'''Der Schüler:''' Auf welche Bestandteile des Uebens soll, wer Meditation treibt, besonders achten? | ||
:Der Meister: Wer im Selbst verharren will, darf niemals abschweifen aus der in eine Spitze gesammelten Aufmerksamkeit auf das Selbst oder reine Sein, das er selber ist, Schweift er aus dieser Sammlung ab oder entgleitet ihr, so tauchen mannigfache innere Gesichte auf, die das Gemüt vor sein inneres Auge heraufbeschwört, Aber er soll sich von solchen Gesichten nicht in die Irre führen lassen, ob sie nun Licht sind oder Raum, auch nicht vom »nâda«, dem feinen zarten Ton, den er etwa innerlich vernimmt, auch nicht von Gesichten der personhaft erscheinenden Gottheit, die er in seinem Innern oder außen vor sich erschaut, als hätte das Alles eine gegenständliche Wirklichkeit, und etwas davon für das wahrhaft Seiende, Wirkliche (sat) nehmen, Wenn die Kraft geistiger Vergegenwärtigung, durch die solche Gesichte vorgestellt und wahrgenommen werden, schon in sich Trug und scheinhaft ist, wie können die Dinge, die durch sie wahrgenommen werden und gar erst deren Gesichte wirklich sein? | :'''Der Meister:''' Wer im Selbst verharren will, darf niemals abschweifen aus der in eine Spitze gesammelten Aufmerksamkeit auf das Selbst oder reine Sein, das er selber ist, Schweift er aus dieser Sammlung ab oder entgleitet ihr, so tauchen mannigfache innere Gesichte auf, die das Gemüt vor sein inneres Auge heraufbeschwört, Aber er soll sich von solchen Gesichten nicht in die Irre führen lassen, ob sie nun Licht sind oder Raum, auch nicht vom »nâda«, dem feinen zarten Ton, den er etwa innerlich vernimmt, auch nicht von Gesichten der personhaft erscheinenden Gottheit, die er in seinem Innern oder außen vor sich erschaut, als hätte das Alles eine gegenständliche Wirklichkeit, und etwas davon für das wahrhaft Seiende, Wirkliche (sat) nehmen, Wenn die Kraft geistiger Vergegenwärtigung, durch die solche Gesichte vorgestellt und wahrgenommen werden, schon in sich Trug und scheinhaft ist, wie können die Dinge, die durch sie wahrgenommen werden und gar erst deren Gesichte wirklich sein? | ||
===Ratschläge für das Sadhana=== | |||
:Beim Ueben (sâdhanâ) sollte man vornehmlich auf Viererlei achten: | :Beim Ueben (sâdhanâ) sollte man vornehmlich auf Viererlei achten: | ||
#Wenn der Adept nur jeden Augenblick, den er mit eitlem Denken über Dinge, die das Nicht-Selbst bilden, vergeudet, in ernstlichem Erforschen und Ergründen des Selbst zubringen wollte, würde er sehr bald die Wirklichkeit des Selbst erleben | #Wenn der Adept nur jeden Augenblick, den er mit eitlem Denken über Dinge, die das Nicht-Selbst bilden, vergeudet, in ernstlichem Erforschen und Ergründen des Selbst zubringen wollte, würde er sehr bald die Wirklichkeit des Selbst erleben | ||
#Bis das Gemüt einen festen Halt im Stande reinen Seins erlangt hat, ist es wesentlich, tiefe Meditation zu üben, die vom Ueberschwang frommer Hingabe durchtränkt ist (bhâvanâ), ausgehend vom innig vergegenwärtigten Bilde der Gottheit, in deren Kult der Fromme eingeweiht ist, durchdringt die gläubige Hingabe den Adepten bis in den Kern seines Wesens und macht sein Gemüt weit aufgeschlossen, ohne daß es deshalb abschweift. Andernfalls wird das Gemüt eine leichte Beute schweifender Vorstellungen oder wird von Schlaf überwältigt. | #Bis das Gemüt einen festen Halt im Stande reinen Seins erlangt hat, ist es wesentlich, tiefe Meditation zu üben, die vom Ueberschwang frommer Hingabe durchtränkt ist (bhâvanâ), ausgehend vom innig vergegenwärtigten Bilde der Gottheit, in deren Kult der Fromme eingeweiht ist, durchdringt die gläubige Hingabe den Adepten bis in den Kern seines Wesens und macht sein Gemüt weit aufgeschlossen, ohne daß es deshalb abschweift. Andernfalls wird das Gemüt eine leichte Beute schweifender Vorstellungen oder wird von Schlaf überwältigt. |
Version vom 17. Oktober 2013, 13:23 Uhr
Sadhana (Sanskrit: साधन sādhana n. und साधना sādhanā f.) spirituelle Praktiken; geistige Übungen. Der männliche bzw. weibliche Übende von Sadhana heißt Sadhaka bzw. Sadhika.
Swami Sivananda über Sadhana
"Sadhana-Kursus", Auszug aus dem Buch Die Botschaft
- Du musst imstande sein, drei Stunden hintereinander mit erhobenem Haupt in einer Asana zu verharren.
- Übe täglich eine halbe Stunde Pranayama (Atemkontrolle).
- Du musst um 4 Uhr morgens aufstehen und zuerst meditieren. Dann kannst du Asana und Pranayama üben. Das Wichtigste ist die Meditation.
- Beginne mit einer bestimmten Meditation in irgendeiner Form, die dir am besten liegt. Fühle die innere Gegenwart in dieser Form und denke an die Eigenschaften der Reinheit, Vollkommenheit, alldurchdringenden Intelligenz, Glückseligkeit, Allmacht usw. Wenn die Gedanken davonlaufen, bringe sie immer wieder zu diesem Punkt zurück. Meditiere noch einmal am Abend und halte die Übungen regelmäßig ein.
- Entwickle richtiges Denken, Fühlen, Handeln und Sprechen.
- Rotte die Laster aus, wie Zorn, Sinnenlust, Gram, Selbstsucht, Hass usw.
- Halte die Indriyas (Sinnesorgane) im Zaum. Beachte das Gelübde des täglichen zweistündigen Schweigens.
- Entwickle Tugenden: Vergebung, Dankbarkeit, Liebe, Freundlichkeit, Geduld, Beständigkeit, Mut, Wahrhaftigkeit usw.
- Führe regelmäßig ein geistiges Tagebuch und halte an der Praxis deiner geistigen Übungen fest, koste es , was es wolle.
- Schreibe dein Ischta-Mantra „Hari Om“ Shri Rama“ usw. täglich eine Stunde lang in dein Notizbuch und sende es mir am Ende jedes Monats zusammen mit dem geistigen Tagebuch.
- Werde ein reiner Vegetarier.
"Zwanzig geistige Belehrungen", Auszug aus dem Buch Die Botschaft
- Stehe täglich um 4 Uhr morgens auf. Mache Japa und meditiere.
- Nimm sattwischen Ahara,reine Nahrung, zu dir. Überlade nicht deinen Magen.
- Sitze im Padma oder Siddha Asana für Japa und Dhyana (Wiederholung eines Namens Gottes oder Mantras und tiefe Meditation).
- Habe einen besonderen verschließbaren Raum für die Meditation.
- Übe Barmherzigkeit. Gib ein Zehntel deines Einkommens den Armen.
- Studiere systematisch ein Kapitel der Bhagavad Gita oder der Bibel.
- Erhalte dir Virya (die sexuelle Energie oder Lebenskraft). Schlafe getrennt von anderen.
- Gib das Rauchen, den Genuss berauschender und rajasischer Nahrung auf.
- An Ekadashi Tagen (jeweils der 11. Tag des Halbmonats) faste oder lebe nur von Milch und Früchten.
- Übe Mauna (Schweigen), täglich zwei Stunden lang und außerdem während den Mahlzeiten.
- Sprich um jeden Preis die Wahrheit. Sprich wenig.
- Schränke deine Wünsche ein. Führe ein glückliches und zufriedenes Leben.
- Verletze niemals die Gefühle anderer. Sei freundlich zu allen.
- Denke über die Fehler nach, die du selbst gemacht hast. (Selbstanalyse) Mache dich nicht abhängig von Dienstboten. Verlasse dich auf dich selbst.
- Denke an Gott, sobald du erwachst und bevor du einschläfst.
- Habe immer eine Japa Mala (Rosenkranz) unter dem Kopfkissen oder in deiner Tasche.
- Nimm dir als Motto: „Einfach leben und edel denken.“
- Diene Sadhus, Sannyasins sowie den Armen und Kranken.
- Schreibe täglich in dein geistiges Tagebuch. Halte dich an diese deine Gewohnheit.
"Empfehlungen für die Praxis", Auszug aus dem Buch Die Botschaft
- Diene, liebe, gib, läutere dich, meditiere, verwirkliche.
- Passe dich an. Harmonisiere dich.
- Sei gut, tue Gutes. Sei freundlich und mitfühlend. Sei ehrlich und aufrichtig. Sei wahrhaftig.
Die Struktur der Yoga-Sadhana
Für eine erfolgreiche Yogapraxis ist ethische Disziplin unentbehrlich. Ethische Disziplin bedeutet Führung eines guten Lebens. Die beiden moralischen Dreh- und Angelpunkte, die jeder Yoga-Übende in sein tägliches Leben einbinden sollte, sind Yama und Niyama. Sie sind etwa vergleichbar mit den zehn Geboten des Christentums oder dem achtfachen Pfad Buddhas. Die Tugenden des Yama sind Gewaltlosigkeit (Ahimsa), Wahrhaftigkeit (Satya), Nichtstehlen (Asteya), Mäßigkeit (Brahmacharya) und Begierdelosigkeit (Aparigraha). Innere und äußere Reinheit (Saucha), Zufriedenheit (Santosha), Askese (Tapas), Studium religiöser und philosophischer Literatur (Swadhyaya) und Hingabe an Gott (Ishwarapranidhana) sind die Gebote des Niyama. Yama und Niyama bilden die Grundpfeiler der Yoga-Philosophie.
Gegenüber allen anderen Tugenden hat die Gewaltlosigkeit absoluten Vorrang. Es gilt, diese Regel gegenüber allen lebenden Kreaturen gedanklich, sprachlich und hinsichtlich deiner Handlungen (Ahisma) einzuhalten. Die Tugend der Gewaltlosigkeit besitzt oberste Priorität, auch, weil sie eine Grundlage der folgenden Regeln darstellt. Die Ausübung von universeller Liebe und Brüderlichkeit ist ein essentieller Teil der Gewaltlosigkeit. Ebenfalls forsche Worte und unfreundliche Blicke gilt es zu unterbinden. Der Praktizierende muss guten Willen und Freundlichkeit zeigen, wie auch Respekt gegenüber allem Leben. Er sollte immer daran denken, dass den Herzen aller Wesen ein universelles Selbst entspringt.
Die Tugend der Wahrhaftigkeit (Satya) ist direkt an Ahimsa angegliedert. Auch hier ist wichtig, dass sich Gedanken, Worte und Taten auf einer Ebene befinden. Nur Menschen, die frei von egoistischen Eigenschaften sind, können die Tugend der Wahrhaftigkeit umsetzen. Die Wahrheit kann nur schwer ans Licht treten, wenn die Tat nicht von einem reinen Motiv begleitet wird. Das Wort eines Yogis sollte ein Segen für andere sein.
Weiterhin spielt das Gebot des Nicht-Stehlens eine Rolle im Yama. Es fordert den Praktizierenden auf, aus tiefstem Herzen mit dem zufrieden zu sein, was er besitzt. Das Gesetz des Karmas ist unerbittlich. Jeder muss für seine unrichtigen Handlungen einstehen. Aktionen und Reaktionen sind gleichrangig und bedingen sich gegenseitig. Ebenfalls zum Stehlen zählt die Anhäufung von Reichtum. Der gesamte Reichtum aller drei Welten ist Eigentum Gottes. Du selbst bist nur ein kleiner Bestandteil dieses Wohlstandes. Teile mit allen, was Dir gehört und gib voller Nächstenliebe.
Die vierte Tugend ist die Mäßigkeit (oder auch Enthaltsamkeit). Brahmacharya ist der Grundbaustein für das Leben im Atman. Die Enthaltsamkeit ist eine geladene Waffe im unerbitterlichen Kampf gegen innere Monster. Hierzu zählt unter anderem Leidenschaft, Gier, Zorn, Geiz, Heuchelei. Ein gemäßigtes Leben führt dich zu andauernder Freude und Glückseligkeit. Du wirst Energie, einen klaren Kopf, Willensstärke, klaren Verstand, ein gutes Gedächtnis und Forschergeist haben (Vichara Shakti) .
Ziel ist ein tiefes und bewusstes Dasein und ein ruhiger, entspannter Geist. Dies beinhaltet, dich selbst für eine höhere Spiritualität zu öffnen. Die göttliche Gegenwart und Führung zu spüren. "Fix your mind at the lotus-feet of the Lord." Vernakere deinen Geist an den Lotus-Füßen Gottes. Sei wie ein Kind. Spreche frei und unbefangen zu Krishna und sei absolut aufrichtig. Verstecke deine Gedanken nicht. Es wird dir nicht gelingen, denn Gott ist der innere Herrscher. Er beobachtet all deine Gedanken. Bete um Gnade, Licht, Reinheit, Stärke, Frieden und Erkenntnis. Du wirst sie ganz sicher erlangen.
Ein Yoga-Übender sollte nicht geizig sein. Er sollte von niemanden luxuriöse Geschenke annehmen. Geschenke beeinträchtigen den Geist des Empfängers. Der Yogi sollte diese fünf Gebote in seinem Herzen tragen und in Gedanken, Worten und Taten umsetzen. Sie sind nicht nur Gebote, sie beeinflussen auch den Charakter des Übenden, indem sie ihm innere Stärke und Reinheit verleihen.
Zwei Dinge sind notwendig, um eine erfolgreiche Kontrolle über den Geistes zu erlangen, die Yogapraxis (Abhyasa) und Leidenschaftslosigkeit (Vairagya). Versuche dein Bestes, dich von jeglichem Verlangen und Vergnügen, sichtbar oder unsichtbar, zu befreien. Dies kannst du erreichen, indem du dir das schlechte in diesen Dingen ständig vor Augen führst. Leidenschaftslosigkeit bedeutet die Entsagung dessen, was es zu erreichen gilt. Es ist die Entsagung sinnlicher Genüsse im Dies- und Jenseits.
Es gibt zwei Arten von Leidenschaftslosigkeit oder Ablösung – die Niedrige und die Höhere. Vijnana Bhikshu unterscheidet zwischen unter- und übergeordneten Typen der Vairagya: Der erstere ist ein Widerstehen der schönen Dinge im Leben, hier und im Jenseits, denn diese können nicht ohne Probleme erlangt und erhalten werden. Ihr Verlust kann Schmerz verursachen und das Streben nach ihnen ist nie frei von egoistischen Gefühlen. Der zweite Typ jedoch, basiert auf der klaren Erkenntnis des Unterschiedes zwischen der Intelligenz und den Gegenständen die in ihrem Licht erscheinen.
Es gibt verschiedene Stadien der Entsagung. Der Entschluss, sich von allen Arten sinnlicher Objekte zu distanzieren ist das erste Stadium. Im zweiten Schritt verlieren bestimmte dingliche Objekte ihren Charme in den Augen des Praktizierenden. Derjenige strebt außerdem danach, dass anderen Menschen eine gleiche Leidenschaftslosigkeit gegenüber der dinglichen Welt erfahren. Im Dritten Stadium unterliegen die Sinne des Yogis seiner Kontrolle. Allerdings verspürt der Praktizierende nach wie vor eine leichte Sehnsucht nach sinnlichen Freuden. Im vierten Stadium verliert der Yogi komplett sein Interesse an allen externen Objekten. Das finale Stadium ist jenes mit dem höchsten Maß an Leidenschaftslosigkeit. Es ist diese Art der Entsagung, die dem Yogi einen Zustand der absoluten Unabhängigkeit versetzt. Auf diesem Level verzichtet der Praktizierende auf alle Arten psychischer Kräfte. Hierin ist sogar die Allwissenheit eingeschlossen.
Ob man in der Lage ist, in geistige Distanz von externen Objekten zu treten, hängt stark von der Fähigkeit zur Entsagung jedes einzelnen ab. Bloße Gleichgültigkeit wird diesem Zweck nicht dienen. Weiterhin ist es notwendig zu üben. Hierzu zählt auch, dass man Gott stets in seine Gedanken einschließt. Krishna sagt zu Arjuna (er bezieht sich auf die Praxis der Kontrolle des Geistes): "Verbanne ohne zu zögern all deine Wünsche, die dir die Vorstellungskraft deines Geistes zeigt und die überall von deinen Sinnen wahrgenommen werden. Lass den Geist nach und nach ruhiger werden, kontrtolliere deinen Verstand immer wieder. Lasse deinen Geist im Selbst verweilen. Lass ihn über nichts nachdenken. Immer wenn dein bewegter und unruhiger Geist sich von dir wegbewegt, fange ihn wieder ein, lasse das Selbst ihn kontrollieren."(Bhagavad Gita, Ch. VI-24, 25, 26) Man kann einen in sich ruhenden Geist erlangen, indem man das gesamte Verlangen nach materiellen Objekten einstellt und mittels Vernunft und Stetigkeit den Zustand des Geistes mehrseitig schult und ihn nicht in Gedanken verfallen lässt. Der ruhelose Geist sollte so häufig gereinigt werden, wie er in Unruhe verfällt, nur so kann Selbstbeherrschung stattfinden.
Der Geist wird geleitet durch das Verlangen nach externen Objekten. Wenn man sich selbst von der Illusion sinnlicher Objekte überzeugt, indem man ihre Natur genauer erforscht und eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber weltlichen Dingen entwickelt, kann der Geist gebändigt werden um schließlich beim Selbst zu verweilen. Der Wert dieser Yogapraxis liegt darin, dass die Seele des Übenden Frieden im Selbst findet. Die Yogapraxis wird ausgeübt indem man ein und denselben Gedanken immer wieder rezitiert. Durch konstante gedankliche Wiederholung wird die Willenskraft gestärkt. Die rezitierten Worte werden an das Unterbewusstsein weitergeleitet. Damit suggeriert man dem Unterbewussten nicht nach Vergnügungen im Außen zu suchen, sondern sich auf das Unveränderliche im Inneren einzustimmen.
Übe dich in Wachsamkeit. Wenn du merkst, dass dein Geist sich sinnlichen Objekten hingibt, finde neue Möglichkeiten der Bedeutungsfindung und Interpretation. Verhilf deinem Geist dazu, seine Einstellung gegenüber diesen Dingen zu ändern, so dass er sich diesen schließlich vollständig entziehen kann. Dies bezeichnet man als Praxis.
Die Haupteigenschaft des Geistes in der erwachenden Phase ist, ein Objekt verinnerlicht zu haben, mit dessen Hilfe er erwachen kann. Er kann nie ganz leer bleiben. Er kann sich stattdessen auf eine bestimmte Sache zu einem Zeitpunkt konzentrieren. Die Gedanken, die ihm innewohnen ändern sich stets, dies macht den Geist rastlos. Sein Charakter ist ungestüm, stark und kann nur schwer gezügelt werden. Aus diesem Grund sagt Patanjali Maharshi, die Praxis müsse unbeirrt und ständig vollzogen werden, begleitet von unerschütterlichem Glaube and ihre regenerierende und belebende Wirkung. Daher solltest du in keiner Phase deiner Praxis Nachlässigkeit zeigen.
Der Prozess der Entsagung wird nicht an einem Tag vollzogen. Es bedarf einer andauernden und kontinuierlichen Praxis, die von Eifer und Enthusiasmus begleitet wird. Der Fortschritt im Yoga geht nur graduell vonstatten. Viele Menschen unterbrechen nach einer gewissen Zeit ihre Praxis, weil sie keine Fortschritte ihrer psychischen Kräfte bemerken. Sie werden ungeduldig. Sie tun wenig und erwarten viel. Das ist nicht gut. Wird die Praxis nur unregelmäßig vollzogen, trägt sie am Ende nicht die gewünschten Früchte. Direkte Erfahrung ist das zentrale Ziel im Leben. Auch wenn die Yogapraxis zu Anfang sehr beschwerlich sein kann, bringt sie schließlich höchste Freude. Krishna sagt zu Arjuna: „Höchste Freude wird derjenige Yogi erlangen, dessen Geist friedlich, dessen leidenschaftliche Natur unter Kontrolle ist, welcher frei von Sünde ist, und derjenige, dessen Natur dem Ewigen entspringt!“ (Bhagavad Gita, Ch. VI-27)
“Einzig der Geist des Menschen ist Ursache für Unfreiheit oder Befreiung, verloren im Genuss, führt es zur Gefangenschaft; frei von Leidenschaften, führt er zur Befreiung. Ist der Geist einmal befreit von der materiellen Welt, muss der Praktizierende stets darauf bedacht sein, materielle Gedanken aus zu verbannen, um nicht in die alten Zwänge zurückzufallen. Wenn sich der Geist nicht in Verbindung mit materiellen Objekten befindet, sondern mit dem Herzen, ist er in einem Zustand der Ekstase. Dann, so heißt es, habe er seinen Höhepunkt erreicht. Man sollte den Verstand davon abhalten zu funktionieren, bis er vollkommen im Herzen aufgegangen ist, das ist Gnosis, der Rest ist reine Konzentration.
Das Verlangen kann beschrieben werden als Sehnsucht nach Dingen, die eine große Herrschaft über den Geist erlangt und, die sogar die Suche nach Ursache und Wirkungen von Dingen zu unterbinden vermag. Der Mensch ist das, womit er sich selbst identifiziert, durch den Zwang einer starken und tiefen Bindung und den Verlust der Erinnerung an alles andere. Da der Mensch, der durch sein Verlangen angetrieben wird, sein Auge auf alles Materielle wirft, beginnt er, dieses Objekt für das einzig Wahre zu halten. Der Mensch verliert die Kontrolle und sieht alles hinter einem täuschenden Schleier, vergleichbar mit einem starken Rauschmittel.
Verlangen entsteht aus Unwissenheit (Avidya). Bindung, Sehnsucht und Vorliebe sind Bestandteile des Verlangens. Bemühe dich nicht, deinem Verlangen nachzugehen. Versuche stattdessen, es so weit wie möglich zu reduzieren. Die Sehnsucht nach Befriedigung der materiellen Sehnsüchte ist der Treibstoff des Verlangens, der entzogen werden sollte. Das Feuer des Verlangens wird so von selbst erlöschen. Wie eine Lampe, die kein Öl mehr hat, erlischt, so erlischt ein Feuer ohne Brennstoff. Wenn die Sehnsucht nach Objekten unterbunden wurde, wird das Verlangen von selbst vergehen.
Wenn ein Mensch versucht, etwas zu bekommen, begeht er Sünden und verletzt seine Mitmenschen. Als Folge muss er die Früchte seiner Handlungen ernten und wird wieder und wieder Bestandteil des Kreislaufes von Leben und Tod sein. Erhöht sich die Anzahl der begehrten Objekte um nur eins, so wächst das Verlangen nach ihnen um das zehnfache. Je mehr weltliche Objekte du besitzt, desto größer ist die Distanz zu Gott. Der Geist wird immer unruhig sein und sich damit beschäftigen, wie er mehr Sachen bekommen und behalten kann, beispielsweise, wie er eine große Menge an Geld anhäufen und sparen kann. Wenn die erwobenen Objekte verlorengehen, ist deine Seele aufgebracht. Sorgen, Ängste und andere Arten seelischer Probleme wachsen mit der Anzahl von Objekten, mit denen man sich umgibt.
Befreie dich von der Tyrannei des Geistes, die dich so lange gnadenlos unterdrückt hat. Du hast deinem Geist erlaubt, sich auf sinnliche Freuden zu berufen und seine eigenen Wege zu gehen. Nun ist die Zeit gekommen, ihn zu zügeln wie ein wildes Pferd. Halte durch und sei geduldig. Übe täglich Meditation und die Zurückhaltung deiner Gedanken. Am Anfang könnte diese Aufgabe schwierig sein, ja sogar widerwärtig und ermüdend erscheinen, am Ende jedoch steht ein riesiger Erfolg. Du wirst Unsterblichkeit, höchste Freude, ewigen Frieden und unendliche Glückseligkeit erlangen. Es ist ein lohnender Schritt. Aber sei auf der Hut. Wenn dir dein Wunsch ernst ist, und du gehst deinen Weg mit starkem Geist, dann wird nichts auf der Welt unmöglich sein. Nichts wird dich aufhalten können.
Anhand deines geistigen Zustandes, deiner Gefühle und deines Verhaltens kannst du die Natur deiner Handlungen in deinen früheren Leben sehr gut verstehen. Du kannst den Folgen schlechter Handlungen durch gute Taten, also Tapas, Disziplin und Meditation, entgegenstehen. Versuche, ein Leben ohne Verhaftungen zu führen. Diszipliniere deinen Geist mit Sorgfalt. Es gibt niemanden, der frei von Schmerzen, Krankheiten, Problemen und Schwierigkeiten ist. Gib deiner unruhigen Seele Rast. Dann wirst nur du die Stärke finden, den Problemen des Lebens ins Antlitz zu schauen. Dann wirst nur du ein ausgeglichenes Leben führen. Nur du wirst nicht beeinträchtigt sein durch morbide äußere Einflüsse und ungleichförmige Vibrationen. Regelmäßige Meditation am Morgen wird dir Freude, Glückseligkeit und innere Stärke verleihen. Übe Meditation. Erfahre, auch wenn die äußeren Umstände ungünstig sind, Glückseligkeit und Freude. Du wirst Stück für Stück spirituell wachsen und deine Selbstverwirklichung erreichen.
Sri Swami Chidananda über Sadhana
Strahlender und unsterblicher atman (das Selbst, die Seele)! Geliebte und gesegnete Kinder Gottes, jijnasus und mumukshus! Ein jijnasu ist jemand auf der Suche nach Wahrheit – jnana. Ein mumukshu ist jemand, der sehnlich nach Befreiung, moksha, strebt. Mit dieser Suche, der Sehnsucht nach Wahrheit, dem Strebem nach Wahrheit, und zwar Wahrheit über den Sinn des Lebens und wie man dies erfolgreich umsetzt, über dharma (Ethik, Moral, Pflicht) und adhyatma (was diese Pflicht auf das Selbst bezogen bedeutet). Durch sravana (hören) und durch satsanga (das Treffen von Menschen unter Leitung eines Gurus) möchte man sich das Wissen aneignen, das einem helfen kann, das eigene Leben wirksamer und erfolgreicher zu gestalten. Daher bist Du ein jijnasu.
Du möchtest dieses Wissen, weil Dir gesagt wurde und Du das auch glaubst, dass solch ein Wissen Dir helfen könnte, Befreiung von Schmerz, Kummer, Leiden, Angst und Furcht zu erreichen – von all den unangenehmen, negativen Erfahrungen, denen ein Mensch im Laufe eines Erdenlebens ausgesetzt ist. Während dieser Lebensspanne ist man sowohl Leid als auch Freude unterworfen, Schmerz und Vergnügen, Kummer und Glückseligkeit. Während jeder Freude, Vergnügen und Glückseligkeit möchte und danach strebt, möchte niemand Leid, Schmerz und Kummer. Der Mensch sucht nach Befreiung von diesen unerwünschten, schmerzhaften Erfahrungen, die ihm Leiden bescheren. Gleichzeitig sucht der Mensch aber, all die positiven, angenehmen Erfahrungen zu erlangen: sukha (Freude), ananda (Wonne), santi (Frieden), tripti und santosha (Zufriedenheit), Trost, Bequemlichkeit, Glück und Vergnügen. Und in dem Glauben, dass das Wissen, welches Du Dir hier aneignen kannst, Dir helfen kann bei Deinem zentralen Streben, nämlich Befreiung zu erlangen von allem, was schmerzhaft und unerwünscht ist, bist Du hierher gekommen. Weil Anleitung, Führung, Inspiration, Studium und Einkehr Dir helfen können. Daher seid Ihr mumukshus. Ihr seid sadhakas (jemand, der spirituelle Praktiken ausführt), ihr bemüht euch sehr aktiv um sadhana (spirituelle Praxis).
Als solche wollt Ihr wissen, wie Ihr Euer sadhana verbessern könnt, auch die Konzentration, wie Ihr vikshepa (Zerstreutheit des Geistes) überwinden könnt. Nun, in der Absicht, die Bedürfnisse der sadhakas, jijnasus, mumukshus und satsangas wie Ihr zu erfüllen, hat Gurudev vor langem entschieden, ein praktisches Handbuch bereitzustellen, das alle nötigen Informationen über ein spirituelles Leben, Yoga und sadhana enthält. So dass diejenigen, die sich leidenschaftlich nach einem Leben des sadhana sehnen, alles Wesentliche, alle nötigen Bestandteile finden, um unverzüglich ein Leben des sadhana beginnen zu können, um sofort ein zweckmäßiges, spirituelles Leben leben zu können, erfüllt von täglicher, spiritueller Praxis.
Gurudev wollte nichts auslassen, alles sollte inbegriffen sein. Und dieses kompakte Handbuch gibt daher die Essenz aller Yogapfade – Hatha Yoga, Karma Yoga, Bhakti Yoga, Raja Yoga, Jnana Yoga, Japa Yoga, Laya Yoga usw. Und es gibt unschätzbare praktische Anweisungen und Tips, wie man sadhana erfolgreich fortführen kann – wie man es plant, wie man sich den Tag einteilt vom Morgen bis zur Nacht, welche Zeit man für welches sadhana einteilt, wie man es sorgsam auf systematische Weise aufbaut. Und dann natürlich, wie man das alles überwachen kann und auf einen Blick in der Lage ist zu wissen, wie gut man vorankommt. Du kannst Dich dadurch selber regelmäßig überprüfen, Vorsätze und Entschlüsse fassen, um die Intensität des sadhana auf der gewünschten Ebene zu halten, damit es nicht erlahmt und verflacht.
Unser geliebter Gurudev hat für uns in diesem kompakten Handbuch alles bereitgestellt das nützlich, hilfreich und zweckdienlich für einen sadhaka ist. Und dieses Handbuch wird jedem neuen Mitglied der Divine Life Society bei der Registrierung überreicht als Teil des Paketes, das jedes Mitglied erhält. Dieses Paket hat den bedeutungsvollen Namen „sadhana set“, und der Name des Handbuches ist „Essence of Yoga“.
Der eigentliche Zweck einer Mitgliedschaft in der Divine Life Society ist, ein aktives, praktisches und fortschreitendes spirituelles Leben zu beginnen. Man muss alles über spirituelles sadhana wissen und über die Kernaussagen der verschiedenen Yoga-Arten. Wenn Du also mehr über sadhana wissen möchtest, besorge Dir dieses Buch und studiere es sorgfältig und eifrig. Du wirst Dich selbst, Deinen Geist und die feineren Aspekte des spirituellen Lebens und dem Geheimnis von yoga sadhana vestehen. Das Handbuch ist kurz und bündig gefasst – nicht in komplizierter Weise, sondern ganz präzise, kompakt und kurz und lässt keinen wesentlichen Punkt aus. Daher rüste Dich aus mit dem Wissen über richtiges sadhana und mache Fortschritte auf diesem Weg!
Sadhana leitet all Deine Aktivitäten hin zu der höchsten Erfahrung der Wirklichkeit – sat - darshana(erfahren des Seins).
Das höchste Ziel von sadhana ist sat-darshana, und dafür beten wir immer: asato ma sat gamaya. Wir wissen, dass wir hier mitten unter flüchtigen und vorübergehenden Wirklichkeiten leben, und dass dies alles ist, das wir wissen. Seit der Geburt haben wir nur inmitten dieser veränderlichen Wirklichkeiten, den sich stets ändernden Erscheinungen gelebt. Das ist unsere einzige Erfahrung, unser einziges Wissen. Aber uns wurde gesagt, dass es etwas Höheres gibt, etwas, das sich nicht verändert, das nitya (ewig) ist. Weil es nitya ist, ist es satya (wahr). Deshalb wollen wir darshan (Schau) des sat (Seins). Dieses uralte Gebet lautet daher: führe uns von der Unwirklichkeit zur großen, ewigen Wirklichkeit, zur Kosmischen Wirklichkeit.
Es ist sehr schwer zu glauben, dass das, was wir wahrnehmen, in dessen Mitte wir leben, was wir Tag für Tag erfahren, nicht die Wirklichkeit ist; wohingegen das, was wir nie wahrnehmen konnten, über das wir keine Kenntnis haben, was wir nie erfahren haben – weder hat die Nase es gerochen, noch die Augen haben es gesehen, die Hände es berührt, haben es die Ohren gehört oder die Zunge geschmeckt – das ist die Wirklichkeit.
Daher wird Glauben (shradda) benötigt in die apta vakya (Worte einer vertrauenswürdigen Person), in die sruti vakya (Worte der Veden), in die guru vakya (Worte des Guru). Denn die srutis, die Heiligen, die Weisen, Mystiker und weltlichen Lehrer und Dein eigener Guru verfolgen keine eigennützigen Zwecke, sie haben keine Hintergedanken, sie haben nichts davon, Dich in die Irre zu leiten, Dir etwas zu erzählen, das nicht wahr ist. Sie haben keine eigennützigen Interessen, sie haben nichts zu gewinnen oder verlieren. Daher musst Du glauben.
Die srutis verkünden, was Deinem höchsten Wohlergehen nützlich und förderlich ist. Sie verkünden dies ohne irgendeine Motivation, ohne Absicht, außer Dir zu nützen. Glaube daher die apta vakya, glaube an die sruti vakya und glaube an die guru vakya. Wenn also irgend etwas im ganzen menschlichen Universum vollständig selbstlos ist, dann sind es die srutis, die großen unsterblichen Lehrer, die alles erreicht haben, was erreicht werden kann, die all ihre Pflichtenn erfüllt haben, die alles getan haben, was getan werden muss. Ihre Herzen sind voll; sie haben keine Wünsche mehr. Solche Menschen können Dich nicht fehl leiten. Daher glaube, habe Glauben, sraddha.
Du solltest nicht denken, dass eine logische und rationale Herangehensweise auf jeden Fall Glauben ausschließt, dass sie unvereinbar sind. – „Wir, die vernünftigen Leute, wollen wissen, wir wollen, dass alles überprüft und erwiesen wird - Glauben ist blind.“ Vor langer Zeit haben unsere Vorfahren eine super rationale Methode entdeckt, um der großen Wahrheit näher zu kommen. Es waren Menschen mit scharfsinnigem Verstand, leidenschaftlich und kühn, gründlich forschend und analytisch. Sie waren hundert mal logischer, vernünftiger und wissenschaftlicher vom Denken her als jeder von uns. Und trotzdem waren es diese jnanis, die vichara marga, jnanayoga und vedanta praktizierten, die sagten: „sraddhavan labhate jnanam (derjenige, der voller Glauben ist, erlangt Kenntnis).“ Sie verkündeten auch: wenn Du die Auslegungen der vedantischen Weisheiten hören möchtest, musst Du mit der Tugend des Glaubens und Vertrauens (sraddha) ausgerüstet sein.
Lese die „Essenz des Yoga“ inniglich und andachtsvoll. Swami Sivanandaji, mit seinem großen Herzen, hatte nur einen Wunsch, ein Ziel, nämlich Dein eigenes höchstes Wohlergehen, Deinen höchsten Nutzen. An Dich hat er gedacht, als er all diese großartige Literatur hervorbrachte. Er dachte nicht an sich selbst. Er dachte zuallererst an Dich, zweitens auch an Dich und drittens ebenso nur an Dich. Er wollte sich Dir zu Nutze machen, er dachte an Dein Gedeihen, Deinen Erfolg im Leben. Er dachte an Dein Wohlergehen und Dein Glück. Daher mache mit Glauben und Hingabe einen aufrichtigen Versuch, die weisen Lehren von Gurudev Swami zu studieren. Das ist die beste Investition. Du kannst nichts Weiseres tun als dies.
Aber Du musst Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit besitzen; Du darfst nicht oberflächlich und leichtfertig sein, Du darfst nicht nur neugierig auf Yoga und ein spirituelles Leben sein. Es sollte eine tiefe Ernsthaftigkeit da sein, das Wissen aufzusaugen und ein neues Leben zu beginnen, in die Praxis einzutauchen. Das ist das Notwendige.
Von Gurudevs verehrungswürdigen Lehren war sadhana das wichtigste, das Leitmotiv. Sadhana ist das zentrale Thema all seiner Schriften. Er wollte, dass Du sadhana ganz aktiv in Deinem täglichen Leben lebst; er wollte, dass Du sadhana einen zentralen Platz einräumst.
Wie macht man sadhana? In welcher Weise beginnt man damit? Welche hilfreichen Praktiken gibt es, um voranzukommen? Um Dir dieses Wissen zu vermitteln, schrieb er mit großer Sorgfalt „20 wichtige spirituelle Anweisungen“. Sie wurden in alle indischen Sprachen übersetzt und haben sich über die ganze Welt ausgebreitet. Er hat auch „Sadhana Tattva“ zusammengestellt und produziert, die Wissenschaft der Sieben Kulturen, die eine sorgsam abgestufte Reihe von 32 Anweisungen enthält, die Gesundheit, Energie, Ethik, Willen, Herz, Psyche und Spiritualität abdecken. Er erarbeitete „Twenty Hints on Meditation“, Resolve Form, Daily Routine Timetable und das Spirituelle Tagebuch. Er hat die Essensz von all diesem im Universellen Gebet zusammengefasst. Und fast alles, das ich gerade erwähnt habe, findest Du in „Essence of Yoga“, welches Du nicht kaufen kannst, denn es wird nicht verkauft. Es wird nur an echte sadhakas weitergegeben, die ganz ernsthaft mit spirituellen Praktiken in ihrem Leben beginnen wollen.
Daher, wenn Du wissen möchtest, wie man ein Leben des spirituellen sadhana lebt, kannst Du nichts Besseres machen als ein Mitglied der Divine Life Society zu werden und dieses Buch zu bekommen. Dann kannst Du beginnen, ein praktikables, spirituelles Leben auf systematische und wissenschaftliche Weise zu leben. Aus diesem Grunde kam und lebte Gurudev. Darum hinterließ er den Sivananda Ashram. Daher hinterließ er die Divine Life Society – damit Du spirituellen sadhana machen kannst, damit Du Dich auf Gott zubewegen kannst. Suche das Unsterbliche und sei gesegnet!
Was bedeutet die Mitgliedschaft in der Divine Life Society? Ein Mitglied ist ein sadhaka, der sich der spirituellen Praxis mit dem aufrichtigem Wunsche verpflichtet, mit der tiefer Sehnsucht, sein Leben zu verbessern, seine Handlungen zu spiritualisieren, auf yogische Weise zu leben, so dass das ganze Leben ein Prozess des stufenweisen Anstiegs zum höchsten Ziel ist.
Überdenke diesen Aspekt Deiner Persönlichkeit gut und prüfe, ob Du fest gegründet bist in dieser großen Sehnsucht, in diesem großen Ideal, ein sadhaka zu sein. Wäge gut ab und prüfe, ob Du all die Qualifikationen eines sadhakas erfüllst, ob Du Tag für Tag diese Qualifikationen verbesserst und ein wahrer mumukshu, ein wahrer jijnasu wirst. Schau, ob Du einer wirst, der fest auf yama (5 ethische Regeln für das Leben in der Gemeinschaft) und niyama (5 ethische Regeln für das Privatleben), viveka (Unterscheidungskraft), vairagya (Wunschlosigkeit, Verhaftungslosigkeit), in den shat-sampat (6 edle Tugenden) und mumukshutva (Wunsch nach Befreiung) gegründet ist. Und schaue, ob Du fest gegründet bist in all diesen wichtigen Aspekten des vorbereitenden sadhana. Analysiere beständig Dein Leben. Sei davon so in Anspruch genommen, dass Du keine Zeit hast für anderweitiges Denken und Handeln. Das ist so, weil Du ernsthaft bist, aufrichtig und ehrlich, Du konzentrierst Dich auf Deine wichtigste Berufung: Dein spirituelles sadhana.
Es ist solche eine Einstellung der Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit, die Früchte trägt. Letztendlich wird es Dir höchsten Segen bringen, es wird Dein Leben mit der Verwirklichung von Frieden, Glückseligkeit, Furchtlosigkeit und Freiheit krönen. Das ist der Zweck, das ist das Ziel von sadhana. Sei daher ein aufrichtiger, erfahrener sadhaka. Verbessere Dich von Tag zu Tag. Immer mehr in Richtug Perfektion.
Möge Gurudevs kostbarster Segen mit Dir sein in diesem großen Abenteuer! Möge Gottes Gnade Dir stetigen und ungehinderten Fortschritt, Erfüllung und Erfolg in Deinem sadhana gewähren!
Der Weg der Übung (Sadhana)
Lehrgespräch über Sadhana als Weg zum Ziel zwischen einem Schüler und seinem Meister Ramana Maharshi aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich
Vorgehensweise beim Sadhana
- Der Schüler: Welches ist der rechte Weg für den Schüler bei seinen Übungen?
- Der Meister: Allererst soll er begreifen: das Selbst (Atman) ist kein Ding außerhalb und verschieden von dem, der es sucht, das er gewissermaßen von außen bekommen müßte. Weiter soll er bedenken: es gibt nichts Höheres und Zarteres als den Gegenstand seines Suchens, der mit ihm selbst gleich ist, Darum soll er, so ihn ernstlich nach Erlösung verlangt, zunächst zwischen Vergänglichem und Unvergänglichem unterscheiden lernen. Dank dieser unterscheidenden Einsicht soll er sonder Zweifel und Mißverständnis erkennen, was er wirklich ist, worin sein wahres Wesen besteht. Erfährt er diesen wahren, eigentlichen Stand seiner selbst in Wirklichkeit, so soll er wandellos und fest darin verharren. Das ist der rechte Weg der Übung (Sadhana), er heißt »Weg unterscheidender Erkenntnis« (Vichara Marga), Er ist vor anderen geeignet, geradeaus zur unmittelbaren Erkenntnis des Selbst zu führen.
- Der Schüler: Kann jeder, der sucht, ohne Ansehen seiner geistlichen Reife unverzüglich diesen Weg wandeln und die Übung des Suchens nach dem Selbst angehen?
- Der Meister: Nein, dieses Verfahren ist nur für reife Seelen, Andere sollen sich die notwendige Eignung und Übung erwerben durch Verfahren, die ihrer geistigen und sittlichen Reife angemessen sind.
Vorbereitung auf Sadhana
- Der Schüler: Welches sind die vorbereitenden Verfahren?
- Der Meister: Unter anderem das Singen frommer Preislieder (Stotra), das Flüstern heiliger Namen und Silben (Japa), Sammlung in Meditation (Dhyana), Yoga und Erkenntnis (Jiiana), — »Stotra« heißt Preislieder zum Lobe der Gottheit singen nach Herzenslust, bis das Herz in Tränen seliger Hingabe schmilzt. »Japa« ist laut oder inwendig leise die heiligen Namen der Gottheit flüstern, der sich der Fromme geweiht hat, oder heilige Sprüche und Silben (wie die Silbe OM), Uebt der Fromme beide Verfahren: »Namajapa« (Namen flüstern) und »mantra Japa« (Sprüche flüstern), so wird sein Gemüt zu Zeiten unwillkürlich auf äußere Dinge abschweifen, zu anderen Zeiten sinkt es in große Tiefen und erlangt vertiefte Sammlung. Der Mangel bei dieser Uebung ist, daß der Uebergang von einem Zustand in den anderen: von tiefer Sammlung zu Zerstreuung und umgekehrt, sich meist der Kontrolle durch den Frommen selbst entzieht.
- »Dhyana« ist ein innerliches Rezitieren mit frommer Inbrunst und Anspannung zu innerer Verwirklichung, Dabei übernimmt das Gemüt selber die Rolle der Sprache. In diesem Zustand wird der Uebende sein Gemüt deutlich gewahr, denn das Gemüt kann nicht zugleich nach außen abgelenkt und in sich gesammelt sein, kann nicht Sinneswahrnehmungen nachlaufen, launisch und unstät sein, während es sich im Zustand der Meditation oder inneren Schau befindet. Daher kann man an Hand der Meditation leicht den Bewegungen des Gemüts hierhin und dorthin folgen, kann das Eindringen fremder Vorstellungen hemmen, sobald sie sich aufdrängen, und kann das Gemüt in »Dhyana« stetig und fest machen. Vollendung in der Uebung des »dhyâna« bedeutet stetig das Selbst inne werden. Da Meditation eine äußerst subtile Tätigkeit ist und sich so nahe an der Quelle aller Vorstellungen und Regungen des Gemüts abspielt, ist es schwierig, jeweils das Aufsteigen und zur Ruhe Sinken des Gemüts, wenn es sich erhebt und legt, zu verfolgen.
- Dem »Yoga« liegt der Umstand zugrunde, daß Gemütsvorgänge einerseits, Atem- und Lebensvorgänge anderseits ein und dieselbe Quelle haben. Wird eines der beiden gemeistert, hat man das andere von selbst in der Hand, Yoga besteht darin, »Mano Laya« Zergehen oder Einschmelzen des Gemüts zu erzielen durch «Pranalaya« Schwinden oder Einschmelzen des Atems und der Lebenskräfte, Letzteres geschieht durch Meisterung und Anhalten des Atems (Pranayama). Wenn der Yogin sein Gemüt in einem inneren Zentrum, wie dem Tausendblättrigen Lotos der Hirnschale (Sahasrara) zur Ruhe bringt, kann er solange er wünscht in diesem Zustand verharren, ohne seines leiblichen Daseins inne zu werden. Solange das Gemüt in diesem Ruhestand verbleibt, hat der Yogin das Gefühl, er erfahre eine Art Seligkeit. Sobald aber das Gemüt aus diesem Ruhestande wieder auftaucht, ist es erneut allen Einwirkungen des In-der-Welt-Seins ausgesetzt. Vollzieht der Adept hingegen während dieses Auftauchens eine Übung (Sadhana): eine Meditation innerer Schau (Dhyana) oder Erforschen des Selbst (Atma Vichara), so vermag er schließlich einen Stand zu erreichen, wo es kein zur Ruhekommen und Wiederauftauchen oder Wiederaufleben des Gemüts mehr gibt.
- »Erkenntnis« (Jnana) ist die völlige Vernichtigung des Gemüts: dank unablässiger Uebung von Meditation (Dhyana) oder Erforschung des Selbst (Atma Vichara) wird es dazu gebracht, seine völlige Einheit mit dem Selbst (Atman) als die wahre Wirklichkeit zu erfahren, Völlige Vernichtigung des Gemüts ist gleichbedeutend mit dem Stande reinen Seins, in dem alle Bemühungen, das Gemüt zu meistern oder zu leiten endgültig aufgehört haben; sie waren nur erforderlich, solange das Gemüt unstet schweifte oder sonst Einwirkungen der Umwelt erlag. Wer diesen Stand erreicht hat, wankt nie mehr aus ihm. Was man Schweigen oder Stille (Mauna), den Stand des Weisen (Muni) genannt hat', ist fürwahr dieser Stand.
- Die mannigfachen Uebungen (Sadhana) dienen nur dazu, das Gemüt stetig zu machen und aus seiner alltäglichen Verstreuung auf vielerlei Anziehungspunkte durch Sammlung auf einen Gegenstand innerer Schau zur »Sammlung in eine Spitze« zu erziehen und umzuformen. Vorstellungen und ihr Verschwinden, Anziehen und Abstoßen, das Langen nach Gegenständen und ihr Fahrenlassen: all das sind nur Wandlungsformen (Vikara), die das Gemüt in unablässigem Wechsel seiner Gestalt annimmt. Sie gehören nicht zu unserem wahren Wesen, wie es, wandellos und verharrend, allein wirklich ist. Dies geradezu und unmittelbar als unser eigenes wahres Wesen erfahren, in das Selbst verschlungen verharren, heißt Befreiung, »Aufhören der Bindung« (Bandha Nivritti) oder Zerschneiden des »Knotens« (Granthi). Solange du nicht festen Halt in diesem Stand reinen Seins gewonnen hast, der Stille und vollkommener Frieden ist, bleiben zwei Uebungen unerläßlich: den Halt am Selbst nicht fahren zu lassen und dem Gemüt zu wehren, daß es sich nicht mit Vorstellungen von außen trübt.
- Alle Wege und Übungen, das Gemüt fest und stark zu machen, zielen auf das gleiche Ergebnis: Die Einheit mit dem Selbst, dem Höchsten Wesen, als Wirklichkeit zu erfahren. Jeder mag sich den Gegenstand wählen, auf den er sein Gemüt sammelt und heftet; die verschiedene Wahl ändert nichts am Ergebnis, — denn am Ende des Uebens ergibt sich: Das Gemüt bleibt allein übrig als der eigentliche Gegenstand, die Vorstellungen, die von außen kommen und nach außen lenken, sind völlig vernichtigt. Das versteht man unter »Vollendung in gesammelter Schau« (Dhyana Siddhi) oder Vollendung in Meditation.
- Wer den Pfad der »Erforschung des Selbst« (Atma Vichara) beschreitet, erfährt: was er schließlich fragend ergründet, ist wahrhaft das Unbedingte (Brahman), Ebenso erfährt, wer den Pfad »gläubiger Hingabe« (Bhakti Marga) geht: was am Ende seines Uebens übrig bleibt, ist der eigentliche Gegenstand seiner gläubigen Hingabe. Das schließliche Ergebnis beider Wege ist das Gleiche. Unerläßlich für jeden, der Befreiung sucht, ist ernste unablässige Uebung in gläubiger Hingabe oder Selbsterforschung, bis er ans Ziel gelangt ist.
Mauna als Sadhana
- Der Schüler: Was ist Stille (Mauna)? Ist sie in sich voll bewegender [[Kraft, oder ist sie reine Ruhe und Trägheit?
- Der Meister: Sie ist kein Zustand der Trägheit, bar aller Tätigkeit, Jede Betätigung, jeder Vorgang, die außen in der Alltagswelt erfahren werden, sind stoßweise von einzelnen Stücken oder Strekken des Gemüts getragen. Aber die innere Ruhe, in der das Selbst bei sich verharrt (Atma Vyavahara), oder der Umgang mit dem Selbst, ist eine ununterbrochene Tätigkeit des Gemüts in seiner Gesamtheit, Die Maya, der Schein von Welt und Ich ist auf keine andere Weise zu vernichtigen als durch diesen einwärtsgewandten Umgang mit dem Selbst, der Tätigkeit im höchsten Sinne ist.
Ziel beim Sadhana ist es die Maya zu erkennen
- Der Schüler: Was ist Maya?
- Der Meister: Maya oder die Gewalt des Scheins bewirkt, daß uns das nicht vorhanden und unwirklich erscheint, was allgegenwärtig und alldurchdringend ist: ganz vollkommen und Licht in sich selbst und in Wahrheit das Selbst, Kern unseres Wesens. Entsprechend läßt Maya uns für wirklich und in sich selbst gegründet nehmen, was nicht-seiend und unwirklich ist: Die Dreiheit der Welt (Jagat), der Ich-Seelen (Jiva) und des Höchsten (Para), die zu allen Zeiten unter allen Himmelsstrichen für Schein erklärt worden sind.
Das vertraute Selbst
- Der Schüler: Wenn das Selbst Licht in sich selber ist und ganz vollkommen, warum ist es dann nicht jedermann und in der üblichen Weise vertraut wie irgend ein ander Ding in der Welt außen?
- Der Meister: Wenn e i n Ding vertraut ist, so ist es in der Tat das Selbst (Atman), denn es ist sich selber vertraut und weiß nun um sich als das Ding, das es wahrnimmt. Denn Wissen oder Gewahrsein, inneres Licht, das sich selbst erhellt, dank dessen du die Dinge der äußeren Welt gewahrst, ist wahrhaftig die Kraft und treibende Regsamkeit (Shakti) des Atman selbst. Das Selbst ist geistig (Chit), reines Innesein, und es gibt keinen andern Gegenstand als das Selbst, Es ist der Untergrund des Lebens und Vorstellens und offenbart sich als das Gemüt, das Gegenstände wahrnimmt, die selber leblos sind und darum ihres eigenen Daseins nicht gewahr werden. Ihr Sein und Da-Sein ist dem Atman selber beizumessen, Die Auffassung von einer Vielheit der Gegenstände, die anscheinend ein selbständiges Dasein führen, ist die Folge davon, daß einer sein eigenes Sein mit seinem Da-Sein im stofflichen Leibe gleichsetzt, mit anderen Worten: die anscheinende Vielfältigkeit des Da-Seins beruht darauf, daß man in Ausdrücken des stofflichen Leibes denkt, indes reines geistiges Innesein (Chit) eines und allumfassend ist. Nimmt man ein Dasein der Gegenstände außer dem Selbst an, so sind sie weder Licht in sich selbst, das heißt: ihres eigenen Daseins gewahr, noch können sie einander erkennen oder sind erkennbar. Weil das Subjekt seiner selber gewahr wird, wird es auch der Gegenstände gewahr, und was nicht seiner selbst gewahr ist, wird auch keines anderen Dinges gewahr. Weil das Selbst nicht auf diese Weise erkannt wird, daß in allem, was erkannt wird, das Selbst sich selber erkennt, davon nimmt es die Gestalt des Einzel-Ichs oder der Individuation (Jiva) an, die ins Meer kreisender Wiedergeburten (Sansara) versinkt und sich träge und benommen in ihnen dahin bewegt. Der Nichtwissende begreift nicht seine wirkliche Einheit mit dem Selbst und vergißt den Umstand, daß sein stofflicher Leib ebenso sehr Gegenstand seines Vorstellens ist wie jedes andere Ding sinnlicher Wahrnehmung in der Erscheinungswelt, welches das nach außen strömende Gemüt ihm heraufbeschwört; darum quält es sich in dem Wahn ab, Geburt und Tod seien wirklich, indes sie nicht wirklicher sind als die greifbaren Dinge der äußeren Welt. So versinkt er in Maya und Sansara.
Erfahrung des Höchsten
- Der Schüler: Wenn das Höchste Wesen allgegenwärtig ist, wie es von ihm heißt, müßte es doch ein Leichtes sein, seine Wirklichkeit zu erfahren, Aber die heiligen Schriften lehren, daß ohne seine Gnade der Höchste Herr nicht einmal verehrt, geschweige denn in seiner Wirklichkeit erfahren werden könne, Wie kann da das Einzel-Ich (jîva) je aus eigener Kraft das Selbst erfahren oder das Höchste Wesen, — es sei denn dank seiner Gnade?
- Der Meister: Nie war eine Zeit, in der das Höchste Wesen unerkannt und nicht in seiner Wirklichkeit erfahren war, denn es ist eins mit unserem Selbst, Seine Gnade (anugraha) ist das Gleiche wie das unmittelbare Gewahrwerden seiner göttlichen Gegenwart (prasannatâ) mit Erleuchtung und Offenbarung. Daß einer von dieser sich selbst offenbarenden Unmittelbarkeit der göttlichen Gnade nichts ahnt, beweist nichts dagegen. Die Eule schaut die Sonne nicht, die alle Welt erleuchtet, — liegt das an der Sonne oder der Eule? Wird der Mensch in seinem Nichtwissen den ewig-strahlenden Atman, das Selbst, nicht gewahr, — ist das dem Wesen des Selbst beizumessen? — Der höchste göttliche Herr ist die ewige Gnade selbst, Daher gibt es im Grunde keinen solchen persönlichen Vorgang wie das Ausströmen der Gnade, und da er allgegenwärtig ist, so ist die Offenbarung der Gnade nicht auf irgend eine Zeit oder Gelegenheit beschränkt.
Wo das Selbst ruht
- Der Schüler: Gibt es für das Selbst einen eigenen Ort im stofflichen Leibe, daß man sagen könnte: dort weilt es?
- Der Meister: Im allgemeinen gilt die rechte Seite der Brust als der Sitz des Selbst, Es ist eine Alltagserfahrung: wer auf sich selbst verweist, deutet mit der Hand auf seine rechte Brust und sagt: »ich tat das, — ich habe das gesagt« usw. Manche meinen, der Tausendblättrige Lotos in der Hirnschale (sahasrâra) sei der Sitz des Selbst, Dann sollte aber einem, der müde wird, der Kopf nicht sinken, sondern aufrecht bleiben, Zudem bedeutet das Wort »Herz« (hridaya) »selbst«. Freilich ist der Ort des Selbst, den man als »Herz« bezeichnet, nicht das muskulöse Gefäß, welches das Blut pumpt, oder ein Teil davon, denn das Selbst, das Unbedingte, das mit »seiend, geistig, selig« (sat-chit-ânanda) umschrieben wird, ist vollkommen, ewig und jenseits der Grenzen von Zeit und Raum; die Wechselbegriffe räumlichen Vorstellens wie Innen und Außen, Oben und Unten haben eigentlich keinen Bezug auf das Selbst. Mit anderen Worten; der Ort des Selbst ist dort, wohin die Vorstellungen und Regungen des Gemüts zurückweichen, worin sie versinken und zur Ruhe gelangen. Jenseits der Vorstellungen und Regungen gelangt man zum Selbst, das bedeutet: jenseits von Zeit und Raum, die der Sphäre des Vorstellens angehören. Wenn der Adept sich nicht bei bloßen Vorstellungen und Begriffen zufrieden gibt, sondern verlangt, den heiteren und stillen Stand wirklich zu erfahren: im Selbst oder im reinen Innesein zu verharren, dann sind solche Erwägungen, ob der Ort des Selbst innen oder außen am stofflichen Leibe ist, belanglos. Wenn einer im Selbst verharrt, ist gar keine Möglichkeit, daß solche Fragen auftauchen.
Vorstellungen
- Der Schüler: Wie kommt das: Auch wenn man nicht in unmittelbarer Berührung mit Sinnesgegenständen steht, tauchen Vorstellungen von innen im innersten Winkel unseres Gemüts auf und vereiteln es, den stillen Stand zu erleben, im Selbst zu verharren?
- Der Meister: Die wirklichen Gegenstände solcher Vorstellungen sind nicht außen, es sind die feinen Neigungen und Gewohn-heiten des Gemüts innen (vâsanâ), die seinen Erbbestand aus früheren Leben bilden auf Grund früherer Gewohnheiten, Gedanken und Taten: in diese sind die Vorstellungen eingebettet. Ihre Gegenstände existieren eigentlich nur im Gemüt, das seine eingeborene Stille verloren hat, weil wir fälschlich unser Dasein mit unserem Leben im Leibe gleichsetzen; davon ist das Gemüt den ewig wechselnden Einwirkungen der Sinnesgegenstände ausgesetzt, Gestatten wir dem Gemüt nicht, sich in solche Vorstellungen zu verwickeln, sondern fragen nach innen und suchen, wenn solche Vorstellungen aufsteigen, zu erkennen, wem sie einfallen, dann verschwinden sie auf der Stelle.
Der Schein des Triputi
- Der Schüler: Wie kommt es, daß die Dreiheit (triputi) des Sehenden, des Sehens und des Gesehenen, die im traumlos tiefen Schlafe, in Versenkung (samâdhi) und verwandten Zuständen nicht vorhanden ist, sich als Schein am Selbst einstellt und entfaltet, das doch in sich eins und allumfassend ist?
- Der Meister: Aus dem Selbst in seinem reinen und ursprünglichen Stande des Seins strahlt an erster Stelle der gespiegelte Schein des Inneseins (chit-âbhâsa), und aus ihm steigt die Ich-Vorstellung auf; sie ist die Wurzel aller Vorstellungen und Regungen, Dieses Ich, das Ego, stellt mit dem, was aus ihm folgt und an ihm hängt — Welt und Sinneswahrnehmungen — den Seher der gesehenen Gegenstände dar. So erwächst die anscheinende Entfaltung des Dreier-Verhältnisses von Seher, Sehen und Gesehenem, denn keines der drei Glieder besteht unabhängig voneinander und kann ohne das andere da sein.
Durchdringen des Selbst
- Der Schüler: Es heißt: das Selbst ist jenseits von Wissen und Nichtwissen, Wie kann es dann den stofflichen Leib durchdringen und dem Gemüt und den Sinnesorganen Leben und Tätigkeit verleihen?
- Der Meister: Die alten Seher, die um das Wirkliche wußten, lehren; da ist eine feine Verbindung, ein Knoten (granthi) zwischen dem Ort des Selbst und dem Zentrum des Nervensystems, Dieser Knoten ist der Herzknoten (hridaya-granthi), und solange diese Verbindung nicht durch das Erlebnis der Wahrheit zerschnitten ist, offenbart und entfaltet sich das Selbst durch das Nervensystem und verleiht dem Gemüt und den Sinnesorganen Leben und Tätigkeit, so wie die feine und unsichtbare Elektrizität durch Drähte und Fäden Licht und Kraft verleiht. Wird dieser Knoten zwischen dem Ort des Atman und dem Nervensystem zerschnitten, so verharrt, wie die Seher lehren, der Atman in sich selber als reines eigenschaftsloses Innesein: So wie er allzeit ist.
Erkennen im Verhältnis zum bedingten Erkennen
- Der Schüler: Wie verhält sich dieser ursprüngliche Stand des Inneseins oder reinen Erkennens zum bedingten Erkennen der Erscheinungswelt, das die Dreiheit von Seher, Sehen und Gesehenem in sich schließt?
- Der Meister: Du kannst dir dieses Verhältnis nach Art eines Filmapparates vorstellen: das Selbst, oder das reine Innesein, ist die Lampe, die Lichtquelle im Inneren, Das Gemüt, frei von leidenschaftlicher Bewegtheit (rajas) und dumpfer Dunkelheit (tamas), im Stande lichter Klarheit (sattva) und dem Atman nahe, ist die Linse vor der Lichtquelle, Die Skala der ererbten Neigungen und Gewohnheiten (vâsanâ) im Gemüt, die einander in Gestalt äußerst feiner, ungreifbar hinhuschender Vorstellungen und Regungen folgen, ist der Filmstreifen mit seinen Bildern voll Gestalten, der an der Linse vorüberläuft. Das Gemüt ist die Linse, sein belebter oder erhellter Zustand sind die Lichtstrahlen, die durch die Linse gehen: beide bilden zusammen mit dem Selbst das Einzel-Ich (jîva): die Lampe mit dem Licht, das die Linse versammelt und weiterwirft, Wie das Licht, das durch die Linse geht, als heller Schein auf den Schirm gegenüber fällt, so erscheint das Licht des Selbst, vom Gemüt durch die Sinnesorgane nach außen geströmt, als die Welt gegenständlicher Erscheinungen, Das aus dem Brennpunkt der Linse strahlende Licht erhellt den Schirm gegenüber: so wird die leblose, fühllose Welt des Stoffs vom Gemüt angehellt, das die innere Helle des Selbst nach außen weiterleitet.
- Die Bilder des Films, die dank dem Licht aus der Linse sich auf dem Schirm folgen, sind die verschiedenen Gegenstände, die mit Namen und Gestalt als Sinneswahrnehmungen in der Erscheinungswelt auftauchen, dank dem Licht, das ihnen vom Gemüt her zuteil wird. Die Maschinerie, die den Film laufen läßt, entspräche dabei dem göttlichen Gesetz, kraft dessen die ererbten Gewohnheiten und Neigungen (vâsanâ) sich selber nacheinander dem Gemüt eingeben. Die Bilder erscheinen auf dem Schirm, solange der Film läuft und seine Schatten durch die Linse auf den Schirm wirft: ebenso spielt die Erscheinungswelt sinnlicher Wahr¬nehmungen von Gegenständen als eine anscheinend eigenständige Wirklichkeit so lange, wie die ererbten Neigungen und Gewohnheiten im Gemüt ihr Spiel treiben, und das Einzel-Ich (jîva) wird sie im Wachen und Traum gewahr. Weiter: wie die Linse die zahllosen winzigen Bilder des Filmstreif ens vergrößert und in riesigem Ausmaß mit Augenblicksschnelle auf den Schirm wirft, so vergrößert das Gemüt die keimhaft winzigen feinen Neigungen und Gewohnheiten zu gewaltigen Maßen im Bruchteil eines Augenblicks und gibt ihnen Namen und Gestalt. Ist kein Film da, so scheint die Lampe, ohne Bilder auf den Schirm zu werfen: ebenso scheint das Licht des Atman allein ohne die Dreifalt (triputi) von Seher, Sehen und Gesehenem, wenn keine Neigungen (vâsanâ) im Spiel sind, die sich in Vorstellungen und Regungen ausprägen: nämlich im traumlos tiefen Schlaf, in Zuständen der Bewußtlosigkeit, der Versenkung (samâdhi) usw, Der Lampe geschieht gar nichts, sie bleibt völlig unverändert, wandellos und unberührt, indes sie Linse, Film und Schirm erhellt: so bleibt auch das Selbst, indes es das Gemüt, seine Neigungen und Gewohnheiten und die Sinnesorgane mit seinem Licht erhellt, immer wie es in sich selber ist: rein und wandellos.
Sadhana ist Dhyana - Meditation
- Der Schüler: Was ist Meditation (dhyâna)?
- Der Meister: Dhyâna besteht darin, daß du fest und ohne Wanken als eines mit dem eigenen reinen Sein verharrst, — einerlei in welchem der drei Zustände Wachen, Traum oder tiefer Schlaf du dich befindest, — ohne daß du die Vorstellung hegst, dich in Meditation zu befinden, Wer das kann, wird der Unterschiede zwischen diesen drei Zuständen nicht im leisesten in seinem Gemüt gewahr, So darf der scheinbare Schlaf in tiefer Meditation als Dhyâne angesehen werden, Meditation besteht wesentlich darin, hinaus zu gelangen über das Gewahrsein der Vorstellung oder des Eindrucks »ich bin in Meditation«.
- Der Schüler: Was ist dann der Unterschied zwischen solcher Meditation und dem Aufgesogensein in das Selbst (samâdhi)?
- Der Meister: Meditation wird durch bewußte Anstrengung des Gemütes eingeleitet und getragen, Ist solche Anstrengung völlig zur Ruhe gelangt, so spricht man von Samâdhi,
- Der Schüler: Auf welche Bestandteile des Uebens soll, wer Meditation treibt, besonders achten?
- Der Meister: Wer im Selbst verharren will, darf niemals abschweifen aus der in eine Spitze gesammelten Aufmerksamkeit auf das Selbst oder reine Sein, das er selber ist, Schweift er aus dieser Sammlung ab oder entgleitet ihr, so tauchen mannigfache innere Gesichte auf, die das Gemüt vor sein inneres Auge heraufbeschwört, Aber er soll sich von solchen Gesichten nicht in die Irre führen lassen, ob sie nun Licht sind oder Raum, auch nicht vom »nâda«, dem feinen zarten Ton, den er etwa innerlich vernimmt, auch nicht von Gesichten der personhaft erscheinenden Gottheit, die er in seinem Innern oder außen vor sich erschaut, als hätte das Alles eine gegenständliche Wirklichkeit, und etwas davon für das wahrhaft Seiende, Wirkliche (sat) nehmen, Wenn die Kraft geistiger Vergegenwärtigung, durch die solche Gesichte vorgestellt und wahrgenommen werden, schon in sich Trug und scheinhaft ist, wie können die Dinge, die durch sie wahrgenommen werden und gar erst deren Gesichte wirklich sein?
Ratschläge für das Sadhana
- Beim Ueben (sâdhanâ) sollte man vornehmlich auf Viererlei achten:
- Wenn der Adept nur jeden Augenblick, den er mit eitlem Denken über Dinge, die das Nicht-Selbst bilden, vergeudet, in ernstlichem Erforschen und Ergründen des Selbst zubringen wollte, würde er sehr bald die Wirklichkeit des Selbst erleben
- Bis das Gemüt einen festen Halt im Stande reinen Seins erlangt hat, ist es wesentlich, tiefe Meditation zu üben, die vom Ueberschwang frommer Hingabe durchtränkt ist (bhâvanâ), ausgehend vom innig vergegenwärtigten Bilde der Gottheit, in deren Kult der Fromme eingeweiht ist, durchdringt die gläubige Hingabe den Adepten bis in den Kern seines Wesens und macht sein Gemüt weit aufgeschlossen, ohne daß es deshalb abschweift. Andernfalls wird das Gemüt eine leichte Beute schweifender Vorstellungen oder wird von Schlaf überwältigt.
- Der Adept soll seine Zeit nicht mit endloser Wiederholung von Formeln der heiligen Ueberlieferung verschwenden, wie »Shivo 'ham«, ich bin Shiva (der Höchste Gott), oder »aham brahmâsmi«, ich bin Brahman (das Unbedingte), die als bezeichnend gelten für die verehrende Meditation über das jenseits aller Eigenschaften wesende höchste Göttliche in seiner Unbedingtheit (nirgunam brahman), um dessen Stand zu erreichen, Statt dessen soll der Adept mit der Kraft, die er aus dem Wiederholen heiliger Worte und Sprüche und aus andächtiger Verehrung der Gottheit (upâsanâ) schöpft, die Erforschung des Selbst (âtma-vichâra) betreiben, so wie es ist, ohne sich Vorstellungen wie »ich bin Brahman« beizumessen.
- Der Vorzug dieser Art Uebung vor anderen Wegen besteht wesentlich darin, daß der Adept auf keine Weise Vorstellungen, die sein Gemüt umlagert halten, den Spielraum gewährt, sich einzudrängen.
- Der Schüler: Es heißt: Alles geschieht nach Schicksalsfügung, Danach müssen auch die Hemmnisse, die erfolgreiche Meditation verzögern oder verhindern, als unübersteiglich gelten, da sie unwiderruflich vom Schicksal verhängt sind, Wie kann man da überhaupt hoffen, ihrer Herr zu werden?
- Der Meister: Was man Schicksal nennt und was Meditation (dhyâna) verhindert, besteht nur für das nach außen gestrahlte Gemüt, nicht für das einwärts gekehrte, Wer einwärts forscht mit Ergründung des Selbst, den schreckt von Anbeginn, wie er eben ist, kein Hemmnis, das im Weg zu stehen scheint, seine Medi¬tationsübung fortzusetzen. Der bloße Gedanke an solche Hemmnisse ist das größte Hemmnis.
- Der Schüler: Welche Enthaltungen oder Vorschriften soll der Adept befolgen?
- Der Meister: Mäßigung im Essen, Schlafen und Reden.
- Der Schüler: Bis zu welcher Stufe ist Uebung (sâdhanâ) erforderlich?
- Der Meister: Unablässige Übung ist erforderlich, bis du ohne die leiseste Anstrengung den natürlichen, ursprünglichen Stand des Gemüts erreichst, der frei von Vorstellungen und Regungen Ist, — bis Vorstellungen wie »ich«, »mich« und »mein« völlig ausgerodet und vernichtigt sind.
- Der Schüler: Was hat es mit dem Leben in Einsamkeit und Abgeschiedenheit (ekânta-vâsa) auf sich, das als förderlich zur geistlichen Entwicklung empfohlen wird?
- Der Meister: Das Selbst ist allerfüllend, alldurchdringend, da¬her gibt es keinen besonderen Ort, der dem geistlichen Leben insbesondere zugewiesen wäre, In jenem stillen Stande verharren, der frei von Vorstellungen und Regungen ist, heißt wahrhaft ein Leben der Einsamkeit und Abgeschiedenheit führen.
- Der Schüler: Was ist das Zeichen der »unterscheidenden Er-kenntnis« (viveka), die wahres Wissen in sich schließt?
- Der Meister: Hast du erkannt, was wahr und wirklich ist, so besteht »unterscheidende Erkenntnis« (viveka) darin, von nichts mehr getäuscht und in die Irre geführt oder durch Einwirkung von außen abgelenkt zu werden. Solange noch das leiseste Gefühl von Unterschiedlichkeit am Unbedingten haftet, das eines, umfassend und vollkommen ist, wird den Adepten, der seine Wirklichkeit erleben soll, Verlangen, Furcht und Verdruß befallen, Sie erweisen einfach, daß es ihm an unterscheidender Erkenntnis (viveka) mangelt. Wer in der Vorstellung lebt, sein Leib sei das Selbst (dehaâtma-buddhi), ist wahrlich nicht-wissend; aus dieser falschen Gleichsetzung entspringt der Eindruck der Unterschiedlichkeit, und dieser ist die Ursache aller abirrenden Verwandlungen des Gemüts (vikâra) zu Verlangen, Furcht, Verdruß usw,
- Der Schüler: Ist es ein unerläßlicher Schritt, um festen Stand und Verharren im Selbst (âtma-nishthâ) zu erreichen, daß einer in den Lebensstand des allverzichtenden Asketen (sannyâsa-âshrama) trete?
- Der Meister: Der einzige Weg, um festes Verharren im Selbst (âtma-nishthâ) zu erlangen, ist das fortgesetzte Bemühen, das Hangen am eigenen Leibe loszuwerden, Ohne Reife und Reinheit des Gemüts und ohne Erforschung des Selbst wird dieses Hangen am Leibe nicht überwunden, einerlei in welchem der Vier Lebensständen einer sich befinde, Denn das Hangen am Leibe ist eine Verwicklung des Gemüts, die Vier Lebensstände aber mit ihren Vorschriften und Abzeichen beziehen sich, soweit sie dazu dienen, das Gemüt zu reinigen, auf den Leib und sind äußerlichen Wesens. Wie kann die bloße Anpassung an äußere Vorschriften des Verhaltens oder gar bloß das Tragen von Abzeichen die Bande des Gemüts lösen? Das Hangen am Leibe rührt daher, daß das Gemüt unreif und unrein ist, rührt vom Mangel an Selbstergründung (âtma-vichâra) her und wird nur behoben, wenn das Gemüt reif und rein wird und sich der Selbstergründung zuwendet, Der Stand des allverzichtenden Asketen (sannyâsa-âshrama) ist nur ein Mittel, um Freisein von Leidenschaften (vairâgya) zu erlangen, und dieses Freisein ist wiederum ein Mittel, um Ergründung des Selbst üben zu können. Der Stand des allverzichtenden Asketen ist bei denen, die ernstlich Befreiung suchen, eine mittelbare Hilfe, um Ergründung des Selbst zu üben, indem sie Freisein von Leidenschaften anstreben.
- Der Lebensstand des Allverzichts setzt Reinheit und Reife des Gemüts voraus; fehlen beide, ist es zuträglicher, als Haus- und Familienvater in der Welt zu leben und die Pflichten dieses Standes zu erfüllen, statt sein Leben zu vergeuden, indem man Asket wird. Die eigentliche Bedeutung von »sannyâsa«, »Ablegen«, Verzicht ist, daß man von Entschlüssen (sankalpa) und Unschlüssigkeiten (vikalpa) frei wird: von Entschlüssen, die unterm Drang des Verlangens sich bilden und zu Handlungen führen, und von Unschlüssigkeiten, die das Gemüt zwischen Verlangen und Hemmung in der Schwebe halten, Diese beide halten das Gemüt in Atem und bilden recht eigentlich die »Familie Hangen und Bangen«. Nicht der Verzicht auf Heim und Familie und daß einer die Abzeichen des bettelnden Pilgers anlegt, machen den Allverzicht (sannyâsa) aus, sondern der Verzicht auf diese »Familien«-Bande des Gemüts. Kraft seiner mag das Gemüt dahin gelangen, fest im Selbst zu verharren.
- Der Schüler: Es wird unzweideutig gelehrt: solange noch die leiseste Spur des »Täter-Seins« (kartritva) oder das Gefühl: »ich bin es, der das tut« bestehen, kann keine Erleuchtung oder Erkenntnis des Selbst (âtma-jiiâna) Platz greifen. Kann nun ein Hausvater (grihastha), der ernstlich nach Befreiung verlangt, die Pflichten seines Standes vollkommen erfüllen, ohne »Täter zu sein« (kartritva)?
- Der Meister: Da ist kein Gesetz, das sagt, Betätigung sei nur möglich auf Grund des »Täter-Seins« (kartritva), und so ist kein Anlaß zu zweifeln und zu fragen, ob Betätigung möglich ist ohne die Vorstellung des »Täters« (kartri) und des »Täter-Seins«, Nimm ein Beispiel: ein Kassierer versieht seinen Dienst den ganzen Tag über gewissenhaft; wer ihm zuschaut, könnte meinen, er sei verantwortlich für das Geldgebaren des Geschäftes. Aber er weiß, daß er mit dem Geld, das eingeht und das er auszahlt, eigentlich nichts zu tun hat. So hängt er nicht daran und ist ohne »Täter-Sein« bei aller Erfüllung seiner Pflicht und versieht sie tadellos, Geradeso steht es mit einem Weisen im Hausvaterstande, der ernstlich nach Befreiung strebt: es ist ihm durchaus möglich, seine Lebenspflichten, die ihm aus angesponnenem Karman früherer Leben (prârabdha) zugewachsen sind, zu erfüllen, ohne daran zu hängen, Er sieht sich rein als Werkzeug an. Solche Betätigung(karman) ist kein Hemmnis auf dem Wege zur Erkenntnis (jnâna), und Erkenntnis hindert nicht, die Lebenspflichten zu erfüllen, Jnâna und Karman sind einander nicht feind und hindern einander nicht.
- Der Schüler: Was bezeichnet das Leben eines geistlich gesinnten Hausvaters, der all seine Zeit daran wenden muß, seinen Unterhalt zu verdienen und seine Familie zu unterhalten, und was haben er und seine Familie dabei voneinander?
- Der Meister: Wenn solch ein Hausvater, ohne auf sein eigenes Behagen zu schauen, sich müht, seine Familie zu unterhalten, so hat seine Pflichterfüllung als selbstloser Dienst an den Gliedern seiner Familie zu gelten, für deren Bedürfnisse er auf Grund seines ausgesponnenen Karman aus früheren Leben (prârabdha) zu sorgen hat. Fragt man, welchen Segen er dabei für sich von seiner Familie hat, so ist die Antwort, daß er von der Familie an sich nichts erhält, denn die Erfüllung seiner Pflichten gegen die Familie war für ihn allezeit ein Mittel, geistlicher Einsicht näher zu kommen, und da er schließlich höchste Wunscherfüllung erreichen wird, wenn er die höchste Seligkeit der Erkenntnis gewinnt — das letzte Ziel und höchste Gut des Lebens, das es mit allen Mitteln zu erlangen gilt —, so bedarf er keines anderen Entgelts von seiten der Familienglieder oder aus dem Familienleben.
- Der Schüler: Wie kann ein Hausvater unter der Last seiner Pflichten, die ihm von selber immer wachsende Betätigung auferlegen, den Frieden der Abgeschiedenheit und das Freisein vom Drange der Betätigung finden, — inmitten seiner Geschäftigkeit?
- Der Meister: Nur von außen gesehen erscheint ein erleuchteter Hausvater bei seiner Betätigung als geschäftig. So sehr er an¬scheinend mit der Erledigung von Pflichten ohne Ende befaßt ist, so wenig ist er eigentlich mit irgend einer Tätigkeit befaßt, Seine äußere Betätigung hindert ihn nicht, so geschäftig er sie übt, den vollkommenen Frieden der Abgeschiedenheit, das völlige Freisein vom ruhelosen Drange, tätig zu sein, zu erfahren, Der Sinn in diesem scheinbaren Widerspruch ist: wer in Erkenntnis erleuchtet ist (jnânin), ist nicht mehr der göttlichen Ordnung für Welt- und Menschenleben (dharma) untertan, vielmehr diese Ordnung selbst beruht auf ihm und empfängt an seiner beispielhaften Erfüllung ihre Bestätigung. Denn er hat die Wirklichkeit erfahren, aus der sie fließt und die zu erlangen die göttliche Menschenordnung (dharma) als Mittel gesetzt ist, — darum ist er ihr nicht mehr unterworfen, Sie aber hängt in ihrer Gültigkeit und ihrem Erweis von ihm ab, denn er gibt den übrigen Sterblichen ein unvergängliches Beispiel ihrer Erfüllung. So ist er eine Quelle und Stütze der ewigen Ordnung, indes er selber über sie hinaus ist. Weil er der Wirklichkeit, die diesem Sachverhalt zugrunde liegt, völlig gewahr ist, bleibt er immer aus dem Spiel als reiner Zuschauer und unberührter Zeuge seiner eigenen Betätigung und verliert sich nie in siel, Der Schüler: Aber wenn der »Erkennende« (jnânin) auf Grund seines angesponnenen Karman aus früheren Leben (prârabdha) handelt, lassen dann diese Handlungen keine Spuren und Nach¬wirkungen (vâsanâ) als feine Neigungen und Gewohnheiten in seinem Gemüt zurück, die am Gemüte haften und ihn notwendig treiben, sich in weitere Betätigung zu verstricken?
- Der Meister: Nur der ist ein »Erkennender«, der frei von solchen »vâsanâ« ist. Wie könnten seine Handlungen, die ohne Hangen daran geschehen, Spuren (vâsanâ) hinterlassen? Da keine Spuren entstehen, können sie auch nicht im Gemüt haften.
- Der Schüler: Was bedeutet »brahma-charya«, der keusche Wandel des Brahmanenschülers auf dem Wege der Einweihungen heiligen Wissens um das Höchste (brahman)?
- Der Meister: Allein das Forschen nach dem Leben des Unbedingten (brahman) ist wahrer »Brahmanwandel« (brahma-charya).
- Der Schüler: Sind die Vorschriften und Verhaltensregeln dieses Lebensstandes der Schülerzahl (brahmacharya-âshrama) Weg und Mittel (sâdhanâ), um zur Erkenntnis zu gelangen?
- Der Meister: Die Tugenden und Uebungen, die Mittel zum Erlangen der Erkenntnis sind, finden sich allesamt in den Verhaltensregeln des Schülerstandes einbegriffene, Wer unverheiratet ist, sollte diese Regeln genau beobachten, um seiner sittlichen Entwicklung voranzukommen. Der Schüler: Darf einer vom jugendlichen Stande keuscher Schülerschaft (brahmacharya-âshrama) unmittelbar zum letzten Lebensstande des Allverzichts (sannyâsa-âshrama) übergehen, ohne die beiden mittleren Lebensstufen des Hausvaters (grihasthaâshrama) und des Waldeinsiedels (vânaprastha) zuvor erfüllt zu haben?
- Der Meister: Wer voll geeignet ist, Erkenntnis zu erlangen — ein »Adept höchster Eignung« (uttama adhikârin), — muß nicht durch alle vier Lebensstadien nacheinander gehen. Wer sein eigenes wahres Wesen erkannt hat, achtet die Unterschiede zwi-schen den Lebensstadien nicht mehr, und der Stand, dem er zu-fällig angehört, dünkt ihm weder förderlich noch abträglich für seine geistliche Vollendung.
- Der Schüler: Ist ein Abweichen von der Lebensordnung der Kasten und Lebensstufen für den Einzelnen abträglich?
- Der Meister: Die Beobachtung aller Vorschriften und Regeln hat allein den Sinn, Mittel auf dem Weg zur Erkenntnis zu sein; daher ist es für einen, der unablässig Erkenntnis übt, nicht unbedingt geboten, die Pflichten des Lebensstandes, indem er sich gerade findet, zu erfüllen. Wenn solch ein Weiser sie genau erfüllt, geschieht es ausschließlich, um der Menschheit zu dienen und zum Frommen der Welt im Großen. Ihm selber trägt die Erfüllung solcher Pflichten nichts ein und nichts weg.
Siehe auch
- Voraussetzungen für Sadhana
- Sadhaka
- Sadhana Chatushtaya
- Heinrich Zimmer
- Anfang
- Anubhava
- Begegnung
- Belehrung
- Bruder
- Einsiedler
- Ramana Maharshi
- Entsagung
- Erfahrung
- Erkenntnis
- Erlösung
- Frage
- Gemeinschaft
- Gottesverehrung
- Janaka
- Jenseits
- Kraft
- Last
- Lehrer
- Ordnung
- Regung
- Seher
- Selbst
- Selbsterkenntnis
- Torheit
- Untätigkeit
- Upadesha
- Versenkung
- Wer bin ich
- Wirklichkeit
- Wissende
- Zuflucht
- Heinrich Zimmer
Literatur
- Sadhana - Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit von Swami Sivananda
- Der Weg Zum Selbst von Heinrich Zimmer, Rascher Verlag Zürich, 1944, 1. Auflage
Weblinks
- Offizielle Homepage von Yoga Vidya
- Divine Life Society - Sivananda Ashram
- "Sadhana" aus Göttliche Erkenntnis von Swami Sivananda
- Sadhana von Swami Sivananda
- "Sadhana Tattwa" aus Der Yogi von Swami Vishnu-Devananda
- Vorbereitung und Tipps für ein erfolgreiches Sadhana
Seminare
- Sadhana Intensiv - Fortgeschrittene Praxis für den erfahrenen Übenden
- Seminare zum Thema "Sadhana Intensiv"
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Sadhana, der spirituelle Weg
Multimedia
Paradoxien auf dem spirituellen Weg, Spirituelle Entwicklung
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Japa Sadhana bei der Arbeit
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Sadhana – Hindernisse überwinden
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Sadhana und Sinn des Lebens
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