Kaushitaki Upanishad: Unterschied zwischen den Versionen

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'''12.-13.''' Nun folgt der [[daivah]] [[parimarah]], das Sterben der [[Gottheit]]en ([[Agni]], [[Aditya]], [[Candramas]], [[Vidyut]], und analog [[Vac]], [[Cakshus]], [[Srotram]], [[Manas]]) in dem [[Vayu]] [[Prana]], aus dem sie wieder auferstehen. Eine ähnliche, nur viel einfachere Anschauung liegt dem [[brahmanah]] parimarah, Ait. Br. 8,28, zugrunde. Dort gehen Vidyut, [[Vrishti]], Candramas, Âditya, Agni in Vâyu ein und wieder aus ihm hervor, in der Weise, daß der Blitz im [[Regen]], dieser im [[Mond]], dieser in der [[Sonne]], diese im [[Feuer]], dieses im [[Wind]] erlischt, worauf sodann wiederum aus dem Wind das Feuer, aus diesem die Sonne, aus dieser der Mond, aus diesem der Regen, aus diesem der Blitz hervorgehen. Das Hauptgewicht fällt dabei auf die an diese einfache Naturanschauung sich knüpfende [[Zauberformel]] zur Vernichtung der [[Feind]]e. - In unserer Stelle tritt dieser praktische Zweck in den Hintergrund, indem nur die Verheißung am Schluß an ihn erinnert, wohingegen die Naturanschauung in eigentümlicher Weise fortentwickelt erscheint, zunächst, sofern neben die kosmischen [[Götter]] (Agni, Âditya, Candramas, Vidyut) die entsprechenden psychischen "Götter" (Vâc, Cakshus, Srotram, Manas) treten, welche im Prâna aufgehen wie jene im Vâyu, - sodann, sofern mit diesem Vâyu-Prâna das kosmische und psychische [[Brahman]] identisch oder nahezu identisch ist. Das kosmische Brahman, d.h. das in der [[Welt]] verwirklichte [[Veda]]-Wort, manifestiert sich in Agni, Aditya, Candramas, Vidyut und scheint mit dem Aufhören dieser [[Manifestation]]en zu sterben. In Wahrheit aber sterben dieselben (und mit ihnen das Brahman) nicht; ihren Glanz ([[tejas]]) geben sie an andere Erscheinungen ab; ihr Leben (prâna) aber kehrt in den Vâyu zurück. In analoger Weise manifestiert sich das psychische Brahman, d.h, das im Menschen als Gebet erwachende Veda-Wort, in Vâc, Cakshus, Srotram, Manas; auch sie (und mit ihnen das Brahman) sterben nicht, sondern geben ihren Glanz (tejas) an andere psychische [[Kraft|Kräfte]] ab, während sie selbst im Prâna, dem psychischen Äquivalent des Vâyu, fortbestehen. - Der Grundgedanke ist sonach: der Vayu-Prâna als Prinzip des kosmischen und psychischen [[Leben]]s, von welchem hier das Brahman noch abhängig ist, jedoch so, daß es in undeutlicher Weise als identisch mit ihm behandelt wird.
'''12.-13.''' Nun folgt der [[daivah]] [[parimarah]], das Sterben der [[Gottheit]]en ([[Agni]], [[Aditya]], [[Candramas]], [[Vidyut]], und analog [[Vac]], [[Cakshus]], [[Srotram]], [[Manas]]) in dem [[Vayu]] [[Prana]], aus dem sie wieder auferstehen. Eine ähnliche, nur viel einfachere Anschauung liegt dem [[brahmanah]] parimarah, Ait. Br. 8,28, zugrunde. Dort gehen Vidyut, [[Vrishti]], Candramas, Âditya, Agni in Vâyu ein und wieder aus ihm hervor, in der Weise, daß der Blitz im [[Regen]], dieser im [[Mond]], dieser in der [[Sonne]], diese im [[Feuer]], dieses im [[Wind]] erlischt, worauf sodann wiederum aus dem Wind das Feuer, aus diesem die Sonne, aus dieser der Mond, aus diesem der Regen, aus diesem der Blitz hervorgehen. Das Hauptgewicht fällt dabei auf die an diese einfache Naturanschauung sich knüpfende [[Zauberformel]] zur Vernichtung der [[Feind]]e. - In unserer Stelle tritt dieser praktische Zweck in den Hintergrund, indem nur die Verheißung am Schluß an ihn erinnert, wohingegen die Naturanschauung in eigentümlicher Weise fortentwickelt erscheint, zunächst, sofern neben die kosmischen [[Götter]] (Agni, Âditya, Candramas, Vidyut) die entsprechenden psychischen "Götter" (Vâc, Cakshus, Srotram, Manas) treten, welche im Prâna aufgehen wie jene im Vâyu, - sodann, sofern mit diesem Vâyu-Prâna das kosmische und psychische [[Brahman]] identisch oder nahezu identisch ist. Das kosmische Brahman, d.h. das in der [[Welt]] verwirklichte [[Veda]]-Wort, manifestiert sich in Agni, Aditya, Candramas, Vidyut und scheint mit dem Aufhören dieser [[Manifestation]]en zu sterben. In Wahrheit aber sterben dieselben (und mit ihnen das Brahman) nicht; ihren Glanz ([[tejas]]) geben sie an andere Erscheinungen ab; ihr Leben (prâna) aber kehrt in den Vâyu zurück. In analoger Weise manifestiert sich das psychische Brahman, d.h, das im Menschen als Gebet erwachende Veda-Wort, in Vâc, Cakshus, Srotram, Manas; auch sie (und mit ihnen das Brahman) sterben nicht, sondern geben ihren Glanz (tejas) an andere psychische [[Kraft|Kräfte]] ab, während sie selbst im Prâna, dem psychischen Äquivalent des Vâyu, fortbestehen. - Der Grundgedanke ist sonach: der Vayu-Prâna als Prinzip des kosmischen und psychischen [[Leben]]s, von welchem hier das Brahman noch abhängig ist, jedoch so, daß es in undeutlicher Weise als identisch mit ihm behandelt wird.
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'''12.''' Nunmehr daher das [um den [[Prana]]] Herumsterben der [[Götter]].
'''12.''' Nunmehr daher das [um den [[Prana]]] Herumsterben der [[Götter]].



Version vom 27. Mai 2014, 15:42 Uhr

Kaushitaki Upanishad (Sanskrit: kauṣītāki upaniṣad) eine der Upanishaden (indische Heilige Schriften). Sie stammt aus dem Rigveda.

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Die Kaushitaki-Upanishad des Rigveda nach Deussen

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 57, 59-99

Einleitung

Die Kaushitaki-Upanishad (auch Kaushîtaki-brâhmana-upanishad genannt) gehört dem Brahmanabestand der Schule der Kaushîtakins oder, wie sie auch heißen, der Sâiïkhâyanas an, welche ein Brahmanam und im Anschluß daran ein die Upanishad einschließendes Aranyakam besitzen, ersteres aus 30, letzteres aus 15 Adhyayas bestehend.

Über den Zusammenhang der vier Teile unserer Upanishad äußert sich der Kommentator Saiikarânanda in der Einleitung wie folgt: "Die mit den Worten Citro ha vai Gangyâyanir anfangende und mit ya evam veda endigende, aus vier Adhyayas bestehende Kaushîtaki-brâhmana-Upanishad enthält:

im ersten Adhyâya die Paryanka-vidya [Ruhebettlehre, weil darin die ins Jenseits gelangende Seele vor das Ruhebett des Brahman tritt, um von ihm geprüft zu werden] zugleich mit den Endpunkten des südlichen Weges [des Pitriyana, der zur Erde zurückführt] und des nördlichen [des zu Brahman führenden Devaydna];
im zweiten Adhyâya die Prana-vidyâ [Lehre vom Prâna, Leben, als Symbol des Atman], und für den, der sie kennt, gewisse, auf andere und das eigene Ich bezügliche und zur Erreichung bestimmter Früchte dienliche Werke;
im dritten und vierten Adhyâya die Atma-vidyâ [Lehre vom Atman].

Wenn auch der Abschnitt Pratardano ha usw. [d. h. die esoterische Lehre in Adhyâya 3-4] in erster Linie zu studieren ist, so könnte es doch geschehen, daß selbst ein reines Gemüt vor dem attributlosen Brahman, so wenig dasselbe zu fürchten ist, zu Anfang und solange man die Wesenheit des Brahman noch nicht kennt, Furcht empfände, ähnlich wie ein tugendhafter Jüngling, dessen Vater vor seiner Geburt in die Ferne gezogen ist, wenn er seinen Vater zum ersten Mal sieht. Darum, um diese Furcht zu beseitigen, schildert die Schrift vorher [in Adhyâya 1] das als Ziel des nördlichen Weges gleichwie ein irdischer König in der Brahmanwelt thronende attributhafte Brahman. Hierbei heißt es: "Dann kommt er zu dem Ruhebette Amitaujas, das ist der Prana." So wird der Prâna als ein Ruhebett im ersten Adhyâya geschildert. In betreff dieses Prâna entsteht dann bei dem Zuhörer die Frage, ob derselbe der bloße Odem ist, oder ob er nicht vielmehr sich mannigfacher Machtvollkommenheiten erfreut. Um diese Frage zu lösen, wird im zweiten Adhyâya die verehrende Betrachtung des Prâna unternommen. Und so bahnt sich in trefflicher Weise die Schrift den Weg, um weiterhin [in Adhyâya 3-4] die Brahmavidya zu lehren. Wenn aber auch die attributhafte Brahmanlehre selbst von so großen Männern wie Gautama und Svetaketu in aller Demut aus dem Mund des Lehrers angenommen wurde, so müssen auch heute noch die dazu Berufenen in aller Demut die attributhafte wie die attributlose Brahmanlehre annehmen, - dies zu lehren dient die Erzählung."

Die hier vom Kommentator hervorgehobene Absicht, den Leser von dem Exoterischen zum Esoterischen, vom persönlichen Brahma zum Prâna und von diesem zum Atman stufenweise emporzuführen, scheint in der Tat, wenn auch nicht bei der ursprünglichen Abfassung, so doch bei der Anordnung der Adhyâyas 1,2,3-4 der Kaushîtaki-Upanishad zugrunde gelegen zu haben.

Erster Adhyâya

Über die hier auftretende Entwicklungsstufe des Seelenwanderungsglaubens vgl. die Vorbemerkungen zu Chând. 5,3-10.

1. Es geschah einmal, daß Citra, der Sproß des Gaiigya, opfern wollte und den Aruni zum Priester wählte. Der aber sandte seinen Sohn Svetaketu hin, für ihn Priester zu sein. Ihn, da er ankam, fragte Citra: "Also du bist Gautamas Sohn! Gibt es einen Abschluß [der Seelenwanderung] in der Welt, zu dem du mich befördern kannst? Oder ist sonstwie ein Weg, und du willst mich in die Welt, zu der er führt, befördern?" - Er antwortete: "Das weiß ich nicht. Ich will doch meinen Lehrer darum befragen!" Damit ging er zu seinem Vater und befragte ihn: "So und so hat er mich gefragt; was soll ich antworten?" - Der Vater sprach: "Das weiß ich auch nicht. Laß uns in seiner Opferhalle die Veda-Lektion abhalten und dafür empfangen, was Bessere als wir geben! Komm, wir wollen beide gehen!" - So kam er mit dem Brennholz in der Hand zu Citra, dem Sproß des Gâiïgya, und sprach: "Laß mich dein Schüler sein!" - Der sprach zu ihm: "Du bist der Priester Anführer (lies agranîr), o Gautama, und hast doch keinen Stolz gezeigt; komm, ich will es dir lehren!"

2. Und er sprach: "Alle, die aus dieser Welt abscheiden, gehen [zunächst] sämtlich zum Mond; durch ihre Leben wird seine zunehmende Hälfte angeschwellt, und vermöge seiner abnehmenden Hälfte befördert er sie [auf dem Pitriyana] zu einer [abermaligen] Geburt. - Aber der Mond ist auch die Pforte zur Himmelswelt [auch der Devayana führt über den Mond]; und wer ihm auf seine Fragen antworten kann[1], den läßt er über sich hinaus gelangen. - Hingegen wer ihm nicht antworten kann, den läßt er [in dem schwindenden, aus zurückkehrenden Seelen bestehenden Teil], zu Regen geworden, herabregnen. Der wird hienieden, sei es als Wurm, oder als Fliege, oder als Fisch, oder als Vogel, oder als Löwe, oder als Eber, oder als Beißtier, oder als Tiger, oder als Mensch, oder als sonst etwas, an diesem oder jenem Orte wiederum geboren, je nach seinem Werk, je nach seinem Wissen. - Nämlich, wenn einer zum Mond kommt, so fragt dieser ihn: "Wer bist du?" Dann soll er antworten:

"Vom Lichten[2], o Jahrzeiten! kam als Same ich,
"Vom fünfzehnfachgezeugten Väterheimat-Land[3] -
"Ihr habt mich eingezwängt[4]im Mann als Schöpfer,
"Durch Mann als Schöpfer eingesprengt[5] der Mutter.
"Geboren ich (lies jayamana) und wiederum geboren,
"Als zwölffach Jahr[6], als dreizehnt-über-Mond'ges[7],
"Vom zwölffachen[8], vom dreizehnfachen[9] Vater,
"Das Dies[10] und auch das Gegendies[11] zu Wissen; -
"Bis ihr, Jahrzeiten, mich (lies ma 'rtavo) zum Tod geleitet, -

vermöge dieser Wahrheit, vermöge dieser Kasteiung bin ich Jahreszeit[12], bin ich der Jahreszeiten Kind[13]!" - "Wer bist du[14]?" - "Du bin ich!" -

Wenn er so [zum Mond] spricht, dann läßt er ihn über sich hinaus [zum Devayana] gelangen.

3. Wenn er nun diesen Devayana genannten Weg antritt, so gelangt er zur Feuerwelt, dann zur Windwelt, dann zur Varunawelt, dann zur Indrawelt, dann zur Prajapatiwelt, dann zur Brahmanwelt. In dieser Welt fürwahr ist

der See Ara (etwa: Sturmflut),
die Stunden Yeshtiha (angeblich: Opfersäumig),
der Strom Vijara (Alterlos),
der Baum Ilya (etwa: Labungsreich),
die Stadt Salajya (etwa: durch Bogensehnen, so dick wie Sala-Bäume, beschützt),
der Palast Aparajita (Unüberwindlich),
als Türhüter Indra und Prajapati,
die Halle Vibhu (die weite),
der Thron Vicakshana (weit sichtbar),
das Ruhebett Amitaujas (unermeßlich kraftvoll),
und die Geliebte Manasi (Verstandgenie)
und ihr Gegenbild Cakshushi (Augengenie), die halten Blumen in Händen, und sie sind es, die [als Nama und Rupam] die Welten weben;
und die Apsaras Ambas und Ambayavis (Mütter und Ammen),
und die Ströme Ambayah (etwa: Mutterheiten).

In diese Welt gelangt, wer solches weiß. Und Brahman spricht: 26 "Lauft ihm entgegen! Denn durch meine Herrlichkeit ist er zum Strome Vijard (Alterlos) gelangt, und nimmer, wahrlich, wird er altern!.

4. Dann gehen ihm fünfhundert Apsaras entgegen, hundert mit Früchten in den Händen, hundert mit Salben, hundert mit Kränzen, hundert mit Gewändern, hundert mit wohlriechendem Pulver; die schmücken ihn aus mit dem Schmuck des Brahman; und nachdem er mit dem Schmuck des Brahman ausgeschmückt ist, geht er, der Brahmanwisser, hin zu Brahman;

zuerst kommt er zu dem See Ara, den überschreitet er mit dem Manas; die aber nur die Gegenwart kennend sich in ihn begeben, die gehen unter;
dann kommt er zu den Stunden Yeshtiha, die laufen vor ihm davon;
dann kommt er zu dem Strom Vijara, auch den überschreitet er mit dem Manas;
daselbst schüttelt er ab gute Werke und böse Werke; dann übernehmen seine Bekannten, die ihm freund sind, sein gutes Werk, und die ihm nicht freund sind, sein böses Werk;
gleichwie einer, auf einem Wagen schnell fahrend, auf die Wagenräder hinabblickt [deren Speichen ihm verschwimmen], so blickt er hinab auf Tag und Nacht, so auf gute und böse Werke und auf alle Gegensätze: er aber, frei von guten und bösen Werken, als Brahmanwisser, geht zu dem Brahman ein.

5. Dann kommt er zu dem Baum Ilya, da erfüllt ihn der Brahmanduft;

dann kommt er zu der Stadt Sâlajya, da erfüllt ihn der Brahmangeschmack;
dann kommt er zum Palaste Aparâjita, da erfüllt ihn der Brahmanglanz;
dann kommt er zu den Türhütern Indra und Prajâpati, die laufen vor ihm davon;
dann kommt er zur Halle Vibhu, da erfüllt ihn die Brahmanherrlichkeit;
dann kommt er zum Thron Vicakshanâ; der hat als Vorderfüße die Samans Brihad und Rathantaram, und als Hinterfüße [die Sâmans] Syaitam und Naudhasam, und als Längeleisten Vairupam und Vairajam, und als Querleisten Sakvaram und Raivatam, und ist [seinem Wesen nach] Erkenntnis; denn durch die Erkenntnis wird man [zu dem Thron gelangend] weitsehend;
dann kommt er zu dem Ruhebett Amitaujas, das ist der Prana (das Leben); Vergangenheit und Zukunft, sind seine Vorderfüße, Glück und Labung seine Hinterfüße, [die Sâmans] Bhadram und Yajnayajniyam seine Kopfleisten, Brihad und Rathantaram seine Längeleisten, Rics und Sâmans seine Längsborten, Yajus' seine Querborten, Somafasern seine Polsterung, Udgitha sein Überzug, Schönheit sein Kopfkissen;
darauf sitzt Brahman; zu ihm steigt, wer solches weiß, den Fuß vorsetzend [nicht kriechend] hinan. Dann fragt ihn Brahma: "Wer bist du?" -

Dann soll er antworten:

6. "Jahreszeit bin ich, jahreszeitentsprossen bin ich, aus dem Äther als Wiege geboren, als Same des Weibes, als Kraft des Jahres, als eines jeglichen Wesens Selbst. Eines jeglichen Wesens Selbst bist du; und was du bist, das bin ich." Und er fragt ihn: "Wer bin denn ich?" - Dann soll er sagen: "Die Wahrheit!" "Wieso die Wahrheit?" - "Was verschieden von den Göttern und den [ihnen entsprechenden] Lebensorganen, das ist "Wahr-", was aber die Götter und Lebensorgane sind, das ist "-heit"; das wird ausgedrückt durch dies eine Wort "Wahrheit". Dieses befaßt die ganze Welt; und die ganze Welt bist du." Also wird er dann sprechen. Das besagt auch der Vers:

7. Des Bauch Yajus, des Haupt Sâman,

Des Körper Ric, als ewig der
Ist anzusehen, als Brahman,
Der große Weise, brahmanvoll[15].

Und er fragt ihn: "Wodurch erfassest du meine männlichen 28 Namen?" - "Durch den Prana", soll er antworten. "Wodurch meine sächlichen?" - "Durch das Manas." "Wodurch meine weiblichen?" - "Durch die Vac (Rede)." "Wodurch meine Gerüche?" - "Durch den Odem." "Wodurch meine Gestalten?" - "Durch das Auge." "Wodurch meine Töne?" - "Durch das Ohr." "Wodurch meine Nahrungssäfte?" - "Durch die Zunge." "Wodurch meine Handlungen?" - "Durch die Hände." "Wodurch meine Lust und Unlust?" - "Durch den Leib." "Wodurch meine Wonne, Geschlechtslust, Zeugung?" - "Durch das Zeugungsglied." "Wodurch meine Ortsbewegungen?" - "Durch die Füße." "Wodurch meine Gedanken, mein Erkanntes, meine Wünsche?" - "Durch die Erkenntnis (prajna)",

also soll er dann antworten. Dann wird er zu ihm sagen: "Die Urwasser fürwahr sind meine Welt [als Hiranyagarbha], und sie ist dein!" Wahrlich, jede Eroberung des Brahman, jede Entfaltung des Brahman, diese Eroberung erobert, mit dieser Entfaltung entfaltet sich, wer solches weiß, - wer solches weiß.

Zweiter Adhyâya

1. Der Prâna (das Leben) als Brahman nach der Lehre des Kaushîtaki. Wer sein Leben als identisch mit dem allbefassenden Brahman weiß, dem dienen (ähnlich wie dem Leben die Lebensorgane), sofern er dieses Brahman ist, alle Geschöpfe, auch ohne daß er sie darum bittet.

Der Prâna ist das Brahman, also sprach Kaushîtaki. Diesem Prâna als Brahman dient das Manas als Bote, das Auge als Wächter, das Ohr als Anmelder, die Rede als Aufwärterin.

Fürwahr, wer da weiß, wie diesem Prâna als Brahman das Manas als Bote dient, dem fehlt nicht der Bote; wie ihm das Auge als Wächter dient, dem fehlt nicht der Wächter; wie ihm das Ohr als Anmelder dient, dem fehlt nicht der Anmelder; wie ihm die Rede als Aufwärterin dient, dem fehlt nicht die Aufwärterin.

Diesem Prâna als Brahman bringen alle jene Gottheiten [Manas, Auge, Ohr, Rede], ohne daß er darum bittet, Spende dar. Also bringen demjenigen alle Wesen, auch ohne daß er darum bittet, Spende dar, der solches weiß.

Seine Upanishad (geheime Losung) ist, nicht zu bitten: Denn wie wenn einer, der das Dorf durchbettelt und nichts erhalten hat, sich hinsetzt und denkt: "Jetzt möchte ich von denen, auch wenn sie mir gäben, nicht essen", und dann kommen sie und sprechen ihn an, die ihn vorher abgewiesen hatten[16], - so ist das Verhalten jenes, der nicht bittet. Ihn sprechen vielmehr [statt daß er, wie vordem, erst bittet] Nahrungbringende an und sagen: "Erlaube uns, dir zu geben!"

2. Der Prana als Brahman nach der Lehre des Paingya. Manas, Ohr, Auge, Rede, die vorher Diener des Prâna waren, erscheinen hier als umeinander gelagerte Schichten (vgl. die vier Hüllen Taitt. Up. 2), die den Prâna, wie dieser wieder den Atman, schützend umgeben.

Der Prâna ist das Brahman, also sprach Paingya. Um diesen Prâna als Brahman ist über die Rede hinaus [nach innen zu] das Auge gelagert; über das Auge hinaus das Ohr gelagert, über das Ohr hinaus das Manas gelagert; über das Manas hinaus ist [um das eigentliche Brahman, den Âtman] der Prâna gelagert.

Diesem Prâna als Brahman bringen alle jene Gottheiten [Manas, Auge, Ohr, Rede], ohne daß er darum bittet, Spende dar. Also bringen demjenigen alle Wesen, auch ohne daß er darum bittet, Spende dar, der solches weiß.

Seine Upanishad (geheime Losung) ist, nicht zu bitten. Denn wie wenn einer, der das Dorf durchbettelt und nichts erhalten hat, sich hinsetzt und denkt: "Jetzt möchte ich von denen, auch wenn sie mir gäben, nicht essen", und dann kommen sie und sprechen ihn an, die ihn vorher abgewiesen hatten, - so ist das Verhalten jenes, der nicht bittet. Ihn sprechen vielmehr [statt daß er, wie vordem, erst bittet] Nahrungbringende an und sagen: "Erlaube uns; dir zu geben!"

3. Dem exoterischen, noch nicht völlig geläuterten Charakter der Verehrung des Prâna als Brahman entspricht es, daß hier und im folgenden diese Lehre (ähnlich wie der Theismus in einigen Psalmen) zum Mittel wird, um irdische Zwecke der Habsucht und Rachgier zu befriedigen.

Nunmehr daher die Einheimsung eines bestimmten Gutes. Wenn man auf ein bestimmtes Gut Absichten hat, so soll man in der Vollmondsnacht, oder in der Neumondsnacht, oder während der hellen Monatshälfte bei einer günstigen Konstellation, - an einem dieser Zeitpunkte ein Feuer anlegen, um dasselbe herum kehren, streuen, sprengen, das rechte Knie beugen, mit dem Löffel die Butterspenden opfern und dabei sprechen: "Rede heißt die Gottheit der Einheimsung; die möge mir von dem da dieses da einheimsen, ihr sei Svaha; - Odem heißt die Gottheit der Einheimsung; die möge mir von dem da dieses da einheimsen, ihr sei Svâhâ; - Auge heißt die Gottheit der Einheimsung; die möge mir von dem da dieses da einheimsen; ihr sei Svâhâ; - Ohr heißt die Gottheit der Einheimsung; die möge mir von dem da dieses da einheimsen; ihr sei Svâhâ; - Manas heißt die Gottheit der Einheimsung; die möge mir von dem da dieses da einheimsen; ihr sei Svâhâ; - Erkenntnis (prajnâ) heißt die Gottheit der Einheimsung; die möge mir von dem da dieses da einheimsen; ihr sei Svâhâ. - Sodann soll er den Geruch des Rauches einziehen, mit Buttersalbung seine Glieder bestreichen und schweigend zu dem Betreffenden hingehen und die Sache nennen, oder er kann auch einen Boten danach senden, denn erhalten wird er sie sicherlich.

4. Die neue Lehre weiß sich dadurch zu empfehlen, daß sie auch zu den so vielfach beliebten Liebeszaubern die Mittel an die Hand gibt. Nunmehr daher die von den Göttern [[[Rede]], Odem, Auge, Ohr, Manas, Erkenntnis] erregte Liebessehnsucht (daivah smarah). Wenn man einem Mann oder einer Frau, oder Männern oder Frauen lieb zu werden wünscht, so soll man den erwähnten [Göttern] an einem der [erwähnten] Zeitpunkte in der erwähnten Art und Weise dieselben Butterspenden opfern und dabei sprechen: "Deine Rede opfere ich in mir, du da Svaha; deinen Prana opfere ich in mir, du da Svâhâ; dein Auge opfere ich in mir, du da Svâhâ; dein Ohr opfere ich in mir, du da Svâhâ; dein Manas opfere ich in mir, du da Svâhâ; deine Erkenntnis opfere ich in mir, du da Svâhâ." - Sodann soll er den Geruch des Rauches einziehen, mit Buttersalbung seine Glieder bestreichen und schweigend zu den Betreffenden hingehen und versuchen, sie zu berühren, oder auch er mag von der Windseite stehen und so mit ihnen reden; sicherlich wird er ihnen lieb werden, sicherlich werden sie an ihn mit Sehnsucht denken.

5. Die Gewohnheit, zu opfern, war zu tief eingewurzelt, als daß man sie ohne Ersatz hätte beseitigen können. Hier tritt an Stelle des täglich am Morgen und Abend zu bringenden Agnihotram der ununterbrochen fortgehende Prozeß des Einatmens (prâna) und des Ausatmens beim Reden (vac). Ersteres ist eine Opferung der Vâc im Prâna, letzteres eine solche des Prâna in der Vâc. - Nicht in äußerem Kultus soll die Religion bestehen, sondern darin, daß man das ganze Leben mit jedem Atemzuge in ihren Dienst stellt. E'TE ovv ÉoliLEtiE E'TE JaVETE ECTE it atoiEitE, râvta Eiç 86 av SEov 5toLEitE,1. Kor. 10, 31.

Nunmehr daher die Selbstzwingung des Pratardana (samyamanam Pratardanam), oder, wie es auch genannt wird, das innerliche Agnihotram. Solange nämlich ein Mensch redet, solange kann er nicht einatmen; dann opfert er den Odem in der Rede; - und solange ein Mensch einatmet, solange kann er nicht reden; dann opfert er die Rede in dem Odem. Diese beiden Opferungen sind unendlich, unsterblich; denn man bringt sie dar ohne Unterlaß im Wachen wie im Schlaf. Hingegen die anderen Opferungen sind endlich, denn sie bestehen aus Werken. Darum haben die alten Weisen das Agnihotram nicht geopfert.

6. Wie Ait. Ar. 2, 1-3 das Uktham (d. h. das beim Mahavrata gebrauchte Nishkevalya-sastram) mit dem Prâna, so wird es hier mit dem Brahman (d. h. mit dem aus Ric, Yajus, Saman bestehenden Prinzip der Dinge) identifiziert. - Um den Schlußabschnitt zu verstehen, muß man sich an die Vorstellung erinnern, daß der funktionierende Priester (Hotar, Udgatar, Adhvaryu) sein Selbst so weiht (atmanam samskaroti), daß es nur noch aus Ric, Sâman, Yajus besteht (vgl. die Stellen in meiner Allgemeinen Geschichte der Philosophie I, 328): Hier weiht zunächst der Adhvaryu sein Selbst so, daß es ganz opferhandlungsartig (aishtikam, oder backsteinartig, wenn man aishtakam liest), ganz werkartig wird, dem dann das übrige, aus Yajus bestehende Selbst des Adhvaryu, sowie das aus Ric bestehende Selbst des Hotar und das aus Sâman bestehende Selbst des Udgâtar angewoben werden.

Das Uktham ist Brahman, so sprach Sushkabhringara. Man soll es (das Uktham) als Ric verehren, denn ihm zu seiner Oberhoheit werden alle Wesen zujauchzen gemacht (abhyarcyante, Wortspiel mit ric), als Yajus verehren, denn ihm zu seiner Oberhoheit werden alle Wesen angeschlossen (yujyante), als Sâman verehren, denn ihm zu seiner Oberhoheit neigen sich alle Wesen zu (samnamante). Als Schönheit soll man es (das Uktham) verehren, als Ruhm, als Kraft. Und so wie dieses (Uktham) das schönste, ruhmvollste, kraftvollste unter den Sastras[17] ist, also ist auch der unter allen Wesen der schönste, ruhmvollste, kraftvollste, wer solches weiß.

Hierbei weiht der Adhvaryu sein Selbst so, daß es opferhandlungsartig, werkartig wird; an dieses webt er sein yajus-artiges (Selbst) an, an das yajus-artige der Hotar sein ric-artiges, an das ric-artige der Udgâtar sein sâman-artiges; dieses ist dann das Selbst der dreifachen Wissenschaft [d. h. das Brahman]. Und der wird so zu dem Selbst des Indra [vgl. Ait. Ar. 2,3,7,1],wer solches weiß! -

7. Zeremonie, um nach dem Vorgange des Kaushitaki durch täglich dreimalige Verehrung der Sonne sich von der Sünde zu reinigen.

Nunmehr daher folgen die drei Verehrungen des Allsiegers Kaushîtaki.

Also, der Allsieger Kaushîtaki pflegte die aufgehende Sonne zu verehren, mit der Opferschnur angetan und Wasser herbeibringend, und, indem er dreimal davon in ein Gefäß goß, zu ihr zu sprechen: "Du bist der Heber, hebe meine Sünde!" Und in derselben Weise zu der Mittagssonne: "Du bist der Aufheber, hebe meine Sünde auf!" Und in derselben Weise zu der untergehenden Sonne: "Du bist der Wegheber, hebe meine Sünde weg!" Dann hob die Sonne alle Sünde, die er bei Tage und bei Nacht begangen. Und ebenso, wer solches weiß und in dieser Weise die Sonne verehrt, dem hebt sie alle Sünde, die er bei Tage und bei Nacht begeht.

8. Nach Kaush. 1,2, oben S. 24, ist das Zunehmen des Mondes bedingt durch abscheidende und zu ihm gelangende Seelen. Daher hier am Neumondstage die Bitte an den Mond gerichtet wird, sein Anschwellen nicht durch die Kinder des Bittenden, sondern durch die seiner Feinde zu bewirken.

Nun weiter in jedem Monat, wenn die Neumondsnacht kommt, soll er den im Westen erscheinenden Mond verehren in der vorher (2,7) beschriebenen Weise, oder auch er mag ihm zwei grüne Grashalme entgegenwerfen und sprechen:

"Mein Herz, schönscheitlige [s][18], welches
"Im Himmel, in dem Mond ruht,
"Des glaub' ich kundig mich, möge
"Nicht Sohnesleid beweinen ich!"

Von ihm werden seine Kinder nicht [abscheiden], ehe er abscheidet. So, wenn ihm schon ein Sohn geboren ist.

Ist ihm aber noch kein Sohn geboren, so soll er folgende drei Verse murmeln:

"Anschwelle! In dich gehe ein ..." (Rigv. 1,91,16);
"Dir mögen Tränke, dir zugehen Kräfte" (Rigv. 1,91,18);
"Den Strahl, den die Adityas schwellen machen" (vgl. Atharvav.7,81,6);

und dazu sprechen: "Mögest du nicht durch mein Leben, meine Nachkommenschaft, mein Vieh anschwellen, sondern wer uns haßt, und den wir hassen, mit dessen Leben, Nachkommenschaft und Vieh mögest du anschwellen (vgl. Atharvav. 7,81,5)! Hiermit wende ich mich zur Rückkehr zu Indra, zur Rückkehr der Sonne wende ich mich herum." Damit wendet er sich nach seinem rechten Arm hin herum.[19]

9. Es folgt nun eine analoge Zeremonie für den Vollmondsabend, bei der jedoch die Verhältnisse mehrfach anders liegen als vorher. Das bevorstehende Abnehmen des Mondes wird nämlich nicht (wie man, nach 1,2 und 2,8 erwarten sollte) als ein Herabsteigen der Seele zum neuen Erdenleben aufgefaßt, sondern das Schwinden des Mondes bedeutet hier, im geraden Gegenteil, ein Schwinden des Erdenlebens, dessen Abwehr die Zeremonie bezweckt. Auch die zum Schluß ausgeführte Drehung nach rechts herum, also hier von Osten nach Westen,läßt sich nicht wie im vorigen Abschnitt erklären, es sei denn, daß man dort eine halbe, hier eine ganze Drehung annähme, wozu auch die daivi avrit als eine Rückkehr zu den beiden Göttern, Varuna im Westen und sodann Indra im Osten, passen würde. - Der Mond ist Prajapati, sofern auf ihm die Geburten beruhen; aber sofern auch das Sterben durch ihn bedingt ist, ist er pancamukkah Prajapatih und Prinzip alles Vertilgens, wie es vom Brahmanen, Kshatriya, Falken, Feuer und schließlich vom Mond selbst geübt wird, - eine Eigenschaft, welche der Betende auf sich übertragen sehen möchte.

Nunmehr in der Vollmondsnacht soll er den im Osten aufgehenden Mond verehren und, in der vorerwähnten Weise verfahrend, sprechen: "Du bist der König Soma, der weitschauende; du bist der fünfmundige Prajâpati;

der Brahmane ist ein Mund an dir, mit diesem Munde issest du die Könige: mit diesem Munde mache mich zum Nahrungsesser:

der König ist ein Mund an dir; mit diesem Munde issest du die Vaisyas; mit diesem Munde mache mich zum Nahrungsesser;

der Falke ist ein Mund an dir; mit diesem Munde issest du die Vögel; mit diesem Munde mache mich zum Nahrungsesser;

das Feuer ist ein Mund an dir: mit dem issest du diese Welt; mit diesem Munde mache mich zum Nahrungsesser;

in dir ist der fünfte Mund; mit diesem Munde issest du alle Wesen, mit diesem Munde mache mich zum Nahrungsesser!

Mögest du nicht durch mein Leben, meine Nachkommen, mein Vieh abnehmen, sondern wer uns haßt, und den wir hassen, mit dessen Leben, Nachkommenschaft und Vieh mögest du abnehmen! Hiermit wende ich mich zur Rückkehr zu den Göttern [Varuna im Westen und sodann Indra im Osten]; zur Rückkehr der Sonne wende ich mich herum." Damit wendet er sich nach seinem rechten Arm hin herum.

10. Daß die Kinder nicht vor dem Vater sterben, soll durch die beiden vorhergehenden Zeremonien, daß sie auch nicht vor der Mutter sterben, durch die nun folgende verhütet werden.

Nunmehr, wenn er seiner Gattin beiwohnen will (lies sam-vekshyan), so soll er ihr Herz berühren und dazu sprechen:

"Dein Herz (lies hridayam), Schönscheitlige, welches
"Innen ruht in Prajapati[20],
"Mit dem, Unsterblichkeitsherrin,
"Nicht Sohnesleid erfahre du!"

Von ihr werden ihre Kinder nicht [abscheiden], ehe sie abscheidet.

11. Zeremonie, mit welcher der von der Reise zurückkehrende Vater den Sohn begrüßt, um ihm die volle Dauer des Lebens zu sichern. Ferner, wenn er von einer Reise zurückkehrt, so soll er das Haupt seines Sohnes küssen und sprechen:

"Aus meinen Gliedern dein Werden,
"Aus meinem Herzen dein Entsteh'n,
"Mein Selbst bist du, o Sohn, wahrlich,
"So lebe hundert Herbste lang!"

wobei er dessen Namen hinzufügt.

"Sei fest wie Stein, wie Beil schneidig,
"Wie Goldeshort sei unzerstreut,
"Mein Glanz bist du, o Sohn, wahrlich,
"So lebe hundert Herbste lang!"

wobei er dessen Namen erwähnt.

Sodann umarmt er ihn und spricht: "Womit Prajâpati die Geschöpfe umarmte, damit sie unversehrt blieben, damit umarme ich dich, du da" [hier nennt er wieder seinen Namen].

Sodann flüstert er ihm ins rechte Ohr:

"Ihm reiche dar, o Gabenreicher, Dränger" (vgl. Rigv 3,36,10),

und ins linke:

"0 Indra, schenke was der Güter Bestes" (Rigv. 2,21,6),

und spricht: "Nicht breche und nicht wanke! Hundert Lebensherbste lebe! Oh Sohn, mit deinem Namen küsse ich dein Haupt!"

Hier küßt er dreimal sein Haupt. - "Mit dem Rufe Hin, wie die Kühe [ihre Kälber], rufe ich dich an!" Hierbei stößt er dreimal den Ruf Hin gegen sein Haupt aus.

12.-13. Nun folgt der daivah parimarah, das Sterben der Gottheiten (Agni, Aditya, Candramas, Vidyut, und analog Vac, Cakshus, Srotram, Manas) in dem Vayu Prana, aus dem sie wieder auferstehen. Eine ähnliche, nur viel einfachere Anschauung liegt dem brahmanah parimarah, Ait. Br. 8,28, zugrunde. Dort gehen Vidyut, Vrishti, Candramas, Âditya, Agni in Vâyu ein und wieder aus ihm hervor, in der Weise, daß der Blitz im Regen, dieser im Mond, dieser in der Sonne, diese im Feuer, dieses im Wind erlischt, worauf sodann wiederum aus dem Wind das Feuer, aus diesem die Sonne, aus dieser der Mond, aus diesem der Regen, aus diesem der Blitz hervorgehen. Das Hauptgewicht fällt dabei auf die an diese einfache Naturanschauung sich knüpfende Zauberformel zur Vernichtung der Feinde. - In unserer Stelle tritt dieser praktische Zweck in den Hintergrund, indem nur die Verheißung am Schluß an ihn erinnert, wohingegen die Naturanschauung in eigentümlicher Weise fortentwickelt erscheint, zunächst, sofern neben die kosmischen Götter (Agni, Âditya, Candramas, Vidyut) die entsprechenden psychischen "Götter" (Vâc, Cakshus, Srotram, Manas) treten, welche im Prâna aufgehen wie jene im Vâyu, - sodann, sofern mit diesem Vâyu-Prâna das kosmische und psychische Brahman identisch oder nahezu identisch ist. Das kosmische Brahman, d.h. das in der Welt verwirklichte Veda-Wort, manifestiert sich in Agni, Aditya, Candramas, Vidyut und scheint mit dem Aufhören dieser Manifestationen zu sterben. In Wahrheit aber sterben dieselben (und mit ihnen das Brahman) nicht; ihren Glanz (tejas) geben sie an andere Erscheinungen ab; ihr Leben (prâna) aber kehrt in den Vâyu zurück. In analoger Weise manifestiert sich das psychische Brahman, d.h, das im Menschen als Gebet erwachende Veda-Wort, in Vâc, Cakshus, Srotram, Manas; auch sie (und mit ihnen das Brahman) sterben nicht, sondern geben ihren Glanz (tejas) an andere psychische Kräfte ab, während sie selbst im Prâna, dem psychischen Äquivalent des Vâyu, fortbestehen. - Der Grundgedanke ist sonach: der Vayu-Prâna als Prinzip des kosmischen und psychischen Lebens, von welchem hier das Brahman noch abhängig ist, jedoch so, daß es in undeutlicher Weise als identisch mit ihm behandelt wird.

12. Nunmehr daher das [um den Prana] Herumsterben der Götter.

Fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn das Feuer flammt, und es stirbt, wenn es nicht flammt; alsdann geht dessen Glanz ein in die Sonne, sein Lebenshauch in den Wind;

fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn die Sonne scheint, und es stirbt, wenn sie nicht scheint; alsdann geht deren Glanz ein in den Mond, ihr Lebenshauch in den Wind;

fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn der Mond scheint, und es stirbt, wenn er nicht scheint; alsdann geht dessen Glanz ein in den Blitz, sein Lebenshauch in den Wind;

fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn der Blitz zuckt, und es stirbt, wenn er nicht zuckt; alsdann geht dessen Glanz ein in die Himmelsgegenden[21], sein Lebenshauch in den Wind.

Also gehen alle diese Gottheiten ein in den Wind, ersterben in dem Wind; aber sie gehen darum nicht verloren, sondern aus ihm erheben sie sich wieder.

Soweit in bezug auf die Götter.

Nun in bezug auf das Selbst.

13. Fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn man mit der Rede redet, und es stirbt, wenn man nicht redet; alsdann geht deren (lies tasyâs) Glanz ein in das Auge, ihr Lebenshauch in den Lebenshauch (prana);

fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn man mit dem Auge schaut, und es stirbt, wenn man nicht schaut; alsdann geht dessen Glanz ein in das Ohr, sein Lebenshauch in den Lebenshauch;

fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn man mit dem Ohr hört, und es stirbt, wenn man nicht hört; alsdann geht dessen Glanz ein in das Manas, sein Lebenshauch in den Lebenshauch;

fürwahr, dieses Brahman entbrennt, wenn man mit dem Manas denkt, und es stirbt, wenn man nicht denkt; alsdann geht dessen Glanz ein in den Lebenshauch, sein Lebenshauch in den Lebenshauch.

Also gehen alle diese Gottheiten ein in den Lebenshauch (prâna), ersterben in dem Lebenshauch; aber sie gehen darum nicht verloren, sondern aus ihm erheben sie sich wieder. Wahrlich, wenn auf den, der solches weiß, die beiden Gebirge, das südliche und das nördliche [der Vindhya und der Himalaya] sich zubewegten, um ihn zu verschütten, so würden sie ihn doch nicht verschütten können! - Aber die, welche ihn hassen, und die er haßt, die alle sterben rings um ihn im Kreise.

14. Der Rangstreit der Organe und der Sieg des Prâna oder Lebensodems, der mit dem kosmischen Vayu gleichgesetzt wird, über die übrigen, ist hier, wie so oft, das Thema der exoterischen, im Prâna-Vâyu das Prinzip der Dinge anschauenden Upanishad-Lehre.

Nunmehr daher die Aneignung der Oberhoheit.

Nämlich jene [vorher erwähnten] Gottheiten, da sie sich um den Vorrang stritten, wanderten aus diesem Leibe aus; da lag er ohne Odem, vertrocknet wie ein Stück Holz.

Da ging die Rede in ihn ein; aber obgleich er mit der Rede redete, blieb er doch liegen.

Da ging das Auge in ihn ein; aber obgleich er mit der Rede redete und mit dem Auge sah, blieb er doch liegen. Da ging das Ohr in ihn ein; aber obgleich er mit der Rede redete, mit dem Auge sah und mit dem Ohre hörte, blieb er doch liegen.

Da ging das Manas in ihn ein; aber obgleich er mit der Rede redete, mit dem Auge sah, mit dem Ohre hörte und mit dem Manas dachte, blieb er doch liegen.

Da ging der Prâna in ihn ein; da stand er alsobald auf. Da erkannten alle jene Gottheiten die Oberhoheit des Prâna an, und indem sie des Prâna, des Erkenntnis-Selbstes (prajnatman), teilhaftig wurden, zogen sie mit allen jenen [Verzweigungen des Prâna, prana, apana, vyana, samana, udana] aus diesem Körper aus, und indem sie in den Wind eingingen, gelangten sie, zum Äther geworden, in den Himmel.

Und ebenso auch, wer solches weiß, die Oberhoheit des Prâna anerkennt und, indem er des Prâna, des Erkenntnis-Selbstes teilhaftig wird, mit allen jenen aus diesem Körper auszieht und in den Wind eingeht, der gelangt, zum Äther geworden, in den Himmel. So gelangt er dorthin, wohin jene Götter gelangten, nachdem sie dies erkannt, und sofern jene Götter unsterblich sind, sofern wird auch der unsterblich, der solches weiß.

Fußnoten

  1. Wie nachher Brahman, so examiniert hier der Mond die aufsteigenden Seelen über ihr Wissen. Wer die Prüfung besteht, geht den Devayâna, wer nicht, den Pitriyâna. - Meine Auffassung hier und in der entspre-chenden Stelle nachher weicht vom Kommentar und allen Übersetzern (Anquetil, Weber, Cowell, M. Müller) ab. Ich darf aber hoffen, daß man mir zustimmen werde.
  2. Vom Mond.
  3. Vom Mond.
  4. Lies airayadhvam und vielleicht (mit B. C. E.) ma asishikta (vgl. z. B. amumuktam).
  5. Lies airayadhvam und vielleicht (mit B. C. E.) md asishikta (vgl. z. B. amumuktam).
  6. Die Seele kommt vom Mond, ist Mond und als solcher Jahr und Jahreszeit, die beide vom Mond abhängen.
  7. Die Seele kommt vom Mond, ist Mond und als solcher Jahr und Jahreszeit, die beide vom Mond abhängen.
  8. Die Seele kommt vom Mond, ist Mond und als solcher Jahr und Jahreszeit, die beide vom Mond abhängen.
  9. Die Seele kommt vom Mond, ist Mond und als solcher Jahr und Jahreszeit, die beide vom Mond abhängen.
  10. Den Devayana und Pitriyana.
  11. Den Devayana und Pitriyana.
  12. Die Seele kommt vom Mond, ist Mond und als solcher Jahr und Jahreszeit, die beide vom Mond abhängen.
  13. Lies airayadhvam und vielleicht (mit B. C. E.) ma asishikta (vgl. z. B. amumuktam).
  14. Zwischenfrage des Mondes.
  15. Yajus, Sâman, Ric sind der Inbegriff des Brahman (des Gebets in der Form des Veda). Der Rishi, indem er ganz in Yajus, Sâman, Ric auf-geht, wird zu Brahman. - Brahman ist das Weltall, mit welchem das im Individuum erscheinende Brahman durch die verschiedenen Organe desselben verbunden ist. Dies ist der Sinn der folgenden Prüfung.
  16. Der Mensch vor und nach Erlangung der Erkenntnis entspricht dem Bettler, der zuerst nicht durch Bitten erlangen konnte, was ihm, nachdem er resigniert hat, ungebeten zuteil wird.
  17. Unter den Anrufungen, die der Hotar und seine Gehilfen zu rezitieren haben. Cowell und M. Müller übersetzen nach Sankarananda: "unter den Waffen" (!).
  18. susimam hridayam, wahrscheinlich ist hier und anderweit susime "schönscheitlige" als Anrede an die Gattin zu lesen (vgl. Âsval. grihyas. 1, 13, 7).
  19. Der Beter schaut nach Westen und wendet sich sodann rechts herum, wie die Sonne in der Nacht, nach Osten, der Himmelsgegend des Indra, hin. Die in der Nacht von Westen nach Osten zurückkehrende Sonne scheint hier ein Symbol des in den Nachkommen sich wieder erneuernden Lebens des Vaters zu sein.
  20. Dem Mond, wie §9, oben S. 35.
  21. Besser mit dem Komm. "in den Wind", in welchem auch Ait. Br. 8,28 der Übergang der Erscheinungen ineinander sein Ende erreicht.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

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Klassische Schriften des Yoga: Veden, Upanishaden, Smritis, Puranas und Itihasas

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Jnana Yoga und Vedanta Einführung

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Vom Begrenzten zum Unendlichen - Geschichten aus den Upanishaden

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111 Geschichten aus den Upanishaden

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