Prakriti: Unterschied zwischen den Versionen
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Erkenne: Hinter allem ist das [[Göttliche]] – und erfahre dich selbst als eins mit der [[Weltenseele]]. | Erkenne: Hinter allem ist das [[Göttliche]] – und erfahre dich selbst als eins mit der [[Weltenseele]]. | ||
[[Shankaracharya]] spricht von der vollkommenen Einheit. [[Ramanuja]] dagegen vertritt einen anderen Standpunkt, und [[Nimbarka]] wiederum einen weiteren. So gibt es diese unterschiedlichen Sichtweisen – und ich finde das faszinierend: Krishna nimmt einen ganz [[pragmatisch]]en Standpunkt ein. Er vereint letztlich [[Bhakti Yoga]] und [[Jnana Yoga]]. Und im Jnana Yoga verbindet er ganz bewusst die beiden Grundströmungen [[Vedanta]] und [[Sankhya]]. | |||
Im Wesentlichen geht es darum: | |||
Höre auf, dich als Individuum zu [[identifizieren]]. Erkenne: Hinter allem ist das [[Göttliche]], und erfahre dich selbst als eins mit der [[Weltenseele]]. | |||
[[ | === Ohne Verhaftung gibt es kein Vergnügen und keinen Schmerz === | ||
[[Datei:Geschichte Traum Märchen Buch Erzählung.jpg|thumb|Prakriti ist wie ein Traum - eine Modifikation von Purusha]] | |||
Und so sagt Krishna hier: Die Natur – Prakriti – ist letztlich ohne Anfang. Wenn man sich fragt: Wann ist das [[Universum]] entstanden? – Krishna sagt: Es ist ohne Anfang. Er hatte zuvor erklärt, dass es das Unmanifeste, das [[Avyakta]], bereits vorher gab. Dieses Avyakta bringt später die [[Welt]] hervor. Und die Welt kehrt wieder in das Avyakta zurück. Aus dem Avyakta entsteht dann die nächste Welt. So folgt eine Welt auf die andere – sie wird erschaffen und löst sich wieder auf. Ein ständiges Kommen und Gehen. | |||
Daher: Die Prakriti ist ohne Anfang. Und natürlich – der [[Purusha]], das [[Bewusstsein]], ist ebenfalls ohne Anfang. Es hat immer schon Bewusstsein gegeben, und es wird immer Bewusstsein geben – ohne Anfang und ohne Ende. | |||
Purusha und Prakriti sind zwei verschiedene Prinzipien. Im Vedānta jedoch wird gesagt: Die Prakriti existiert nur scheinbar – sie ist wie ein [[Traum]], lediglich eine [[Modifikation]] von Purusha, von [[Brahman]]. Damit werden letztlich beide wieder zusammengeführt: Alles ist Brahman – auch das, was als Prakriti erscheint. | |||
Im Gegensatz dazu sagt das [[Samkhya]]-System: Es gibt eine von Purusha getrennte Natur, die Prakriti, und einen davon getrennten Purusha. Doch selbst das Sāṃkhya – in Verbindung mit dem [[Raja Yoga]] – erklärt: Die Prakriti existiert für den Purusha. Ohne Purusha gäbe es keine Prakriti. Ihre Funktion besteht darin, dass der Purusha – das höchste Bewusstsein – die Kräfte der Natur erfahren kann. Letztlich ist es sogar so, dass Purusha diese Kräfte nicht nur erfährt, sondern sie in gewissem Sinne auch selbst „mitmacht“. | |||
Man könnte sagen: Purusha tritt in diese Welt ein – ähnlich wie heute Menschen in virtuelle Welten wie Second Life oder andere Computerspiele mit künstlichen Welten eintauchen. Dort wird man zu einem [[Avatar]] – dieser Begriff ist übrigens wörtlich genommen sehr passend –, man „inkarniert“ sich in eine simulierte Umgebung. Und auch unsere Welt ist letztlich für diejenigen da, die sich in ihr [[manifestieren]]. | |||
Diese künstlichen, virtuellen Welten können also sehr gut dabei helfen, zu verstehen, wie diese Welt funktioniert. In virtuellen Welten gibt es einen ursprünglichen Programmierer, der die gesamte Struktur ermöglicht. Alles besteht dort aus Bits und Bytes – es ist letztlich reine [[Illusion]]. Und doch können sich die Einzelnen darin bewegen, handeln, sogar etwas verändern. | |||
Es gibt jedoch einen kleinen, aber wesentlichen Unterschied: In virtuellen Welten existieren verschiedene Individuen, die gemeinsam an der Erschaffung und Gestaltung beteiligt sind. In der [[spirituell]]en Sicht – vor allem im Vedānta – gibt es hingegen nur einen Purusha, nur ein Bewusstsein, das sich durch viele Formen ausdrückt. | |||
In dieser Gesamtwelt gibt es letztlich nur einen Purusha – nur einen Brahman. Und dieser eine Brahman erschafft zunächst die „virtuelle Welt“. In dieser virtuellen Welt identifiziert sich Brahman dann mit einzelnen Körpern und einzelnen [https://www.yoga-vidya.de/yoga-psychologie/psychologische-yogatherapie/ Psychen]. So scheint es, als ob Brahman in dieser virtuellen Welt viele unterschiedliche Dinge tut, als wäre er aufgespalten in viele Einzelwesen. | |||
Man könnte also sagen: Brahman ist einerseits der Programmierer, der die Welt erschafft und dafür sorgt, dass sie funktioniert. Gleichzeitig erhält er das Universum – er lässt es weiterlaufen. Und er spiegelt sich in den einzelnen Individuen, die wiederum Einfluss auf diese Welt nehmen. | |||
Wenn aber das große Ganze aus dem Gleichgewicht gerät, wenn es nicht mehr in der Weise verläuft, wie es dem höheren Sinn entspricht, dann manifestiert sich Brahman selbst als [https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/sivananda/goettliche-erkenntnis/avatara/ Avatar], als [[Inkarnation]] [[Gottes]], und sorgt dafür, dass es wieder in eine gute Richtung geht. | |||
Und so ist Prakriti scheinbar ohne Anfang – doch sie wird aufhören, in dem Moment, in dem Du aufwachst. Für Dich hört Prakriti auf, wenn Du aufhörst, in ihr sein zu wollen – wenn Du Dich von ihr zurückziehst und Brahman verwirklichst. | |||
Alle Erscheinungsformen, alle Eigenschaften, alles, was sich zeigt, gehört zur Prakriti. Solange Du Dich damit identifizierst, erscheint sie als wirklich. Doch sobald Du erkennst, wer Du wirklich bist – Purusha, reines Brahman –, verliert die Prakriti ihre [[Wirklichkeit]] für Dich. | |||
Es heißt nicht: Du bist der Körper. Und auch nicht: Du bist die [[Psyche]]. Du bist nicht derjenige, der [[introvertiert]] oder [[extravertiert]] ist, nicht der, der [[Vata]], [[Pitta]] oder [[Kapha]] ist. | |||
Nein – Du bist Brahman, Du bist Purusha. | |||
Du hast einen Körper. Du hast eine Psyche. Körper und Psyche sind Teil der Prakriti – der Natur, der äußeren Erscheinung. Sie sind nicht Dein [[wahres Selbst]]. | |||
Und genau das gilt es zu erkennen. | |||
Und so heißt es: Beim Hervorbringen von [[Ursache]] und [[Wirkung]] gilt die Natur, also Prakriti, als die Ursache. Beim Erfahren von [[Vergnügen]] und [[Schmerz]] hingegen gilt das Bewusstsein – Purusha – als Ursache. | |||
Das bedeutet: Wenn etwas hervorgebracht wird, ist Prakriti am Werk. In ihr entstehen die Abläufe, Handlungen, Bewegungen – alles, was geschieht. Innerhalb der Prakriti wirkt das Gesetz von Ursache und Wirkung: Aus einer Ursache folgt eine Wirkung, diese wird wiederum zur nächsten Ursache, und daraus entsteht die nächste Wirkung – ein endloser Kreislauf. | |||
Purusha dagegen ist nicht der Handelnde, sondern der Erfahrende. Er ist das bewusste Prinzip, das erlebt, was in der Prakriti geschieht – [[Freude]], [[Leid]], Bewegung, [[Veränderung]]. | |||
Innerhalb der Prakriti geschieht vieles – zum Beispiel gibt es Vorgänge im Rücken, in der Hüfte oder im Knie. Das sind körperliche Ursachen, das heißt: Sie gehören zur Prakriti. Doch dass Du zum Beispiel [[Schmerz]] empfindest, dafür braucht es etwas anderes – nämlich das [[Bewusstsein]]. | |||
Ohne Bewusstsein gibt es keinen Schmerz. | |||
Ein einfaches Beispiel: Angenommen, Du befindest Dich im [[Tiefschlaf]]. Deine Knie, Deine Hüfte, Dein Rücken – all das ist weiterhin da, vielleicht sogar in genau demselben Zustand wie im Wachsein. Aber: Solange das Bewusstsein nicht aktiv ist, erfährst Du keinen Schmerz. | |||
In diesem Sinne gilt: Um Vergnügen oder Schmerz zu erfahren, braucht es Bewusstsein. | |||
Und das bedeutet auch: Wenn Du Dein Bewusstsein aus der Prakriti herausziehst, bist Du nicht mehr begrenzt durch Vergnügen und Schmerz. | |||
=== | === Purusha und Prakriti – über Verhaftung und Befreiung === | ||
[[Datei:Meditation-Augen-geschlossen.jpg|thumb|Praktiziere und erreiche Vollkommenheit]] | [[Datei:Meditation-Augen-geschlossen.jpg|thumb|Praktiziere und erreiche Vollkommenheit]] | ||
'''21. Vers:''' | '''21. Vers:''' | ||
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''Da sich die Seele – Purusha innerhalb der Natur – Prakriti befindet erfährt sie die aus der Natur stammenden Eigenschaften. Verhaftungen an die Eigenschaften ist die Ursache für die Geburt in für Verwirklichung geeignete und weniger geeignete Mutterschöße.'' | ''Da sich die Seele – Purusha innerhalb der Natur – Prakriti befindet erfährt sie die aus der Natur stammenden Eigenschaften. Verhaftungen an die Eigenschaften ist die Ursache für die Geburt in für Verwirklichung geeignete und weniger geeignete Mutterschöße.'' | ||
Purusha ist jetzt da, aber | Purusha ist jetzt da, aber er manifestiert sich in der Prakriti. Wenn sich Purusha mit einem Körper-Psyche-Komplex [[Identifizieren|identifiziert]], entsteht daraus [[Verhaftung]]. So ist es: Es gibt den [[unendlich]]en Purusha, die unendliche [[Weltenseele]] – und Prakriti erschafft daraus diese ganze Welt. | ||
Innerhalb dieser Prakriti gibt es kleinere Teile, in denen sich Purusha widerspiegelt. Wenn sich Purusha mit diesen Teilen identifiziert, entsteht Verhaftung. Zum Beispiel: | |||
Du könntest sagen, während Du auf Deinen Körper zeigst: „Das bin ich. Ich bin 46 Jahre alt und ich bin Franzose.“ | |||
* Bist Du da, wo Du hinzeigst? – Nein, das ist der [[Körper]]. | |||
* Bist Du 46 Jahre alt? – Nein, das ist das Alter des Körpers. | |||
* Bist Du Franzose? – Nein, der Körper wurde in Frankreich geboren und hat daher die französische Staatsangehörigkeit. | |||
* Wenn Du sagst: „Ich bin [[Pitta]]-Temperament, feurig und enthusiastisch“ – bist Du das wirklich? Nein, Deine [[Psyche]] hat dieses Temperament. | |||
* Oder Du sagst: „Ich bin Mathematiker“ oder „Ich bin technisch begabt“. Doch nicht Du bist das – Deine Psyche verfügt über besondere mathematische Fähigkeiten. | |||
Du | Wenn Du Dich verhaftest, dann entsteht die Notwendigkeit zur [[Befreiung]]. Die Verhaftung von Purusha an einen Teil der Prakriti – etwa den Körper – führt zur [[Identifikation]], und daraus folgen [[Geburt]] und [[Tod]]. | ||
Es heißt: Solange Du verhaftet bist, wirst Du wiedergeboren. Sei Dir [[bewusst]]: Es gibt geeignetere und weniger geeignete Mutterschöße. | |||
Damit wird auch gesagt: Warte nicht zu lange, um die [[Verwirklichung]] zu erreichen. In diesem [[Leben]] hast Du alles, was Du brauchst: ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, sogar [[Zeit]], um Vorträge über Vedanta zu hören und das [[Ziel des Lebens]] zu erkennen. Jetzt ist die Zeit, [[spirituelle Praktiken]] zu üben. Jetzt ist der richtige Moment – verschiebe es nicht! | |||
Du könntest sagen: „Ja gut, das mache ich im nächsten Leben. Oder wenn ich pensioniert bin. Oder wenn meine Enkel groß genug sind… vielleicht sogar meine Urenkel.“ Der Mensch findet tausend Gründe, die [[Spiritualität]] aufzuschieben. Aber es gibt Umstände, unter denen es tatsächlich leichter ist. | |||
Du | Angenommen, Du wärst in einem Bürgerkriegsgebiet, wo Du täglich fürchten musst, dass bewaffnete Banden kommen, alles rauben – vielleicht ist das sogar schon geschehen – und Du ums nackte [[Überleben]] kämpfst, für Dich und Deine Familie: Dann ist es schwieriger, über den Sinn des Lebens nachzudenken, die [[Bhagavad Gita]] zu rezitieren, [[Asanas]] oder [[Pranayama]] zu üben. | ||
: '''Übe jetzt – praktiziere jetzt – verschiebe es nicht!''' | |||
=== | === Wer bin ich wirklich? === | ||
'''22. Vers:''' | '''22. Vers:''' | ||
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''Die höchste Seele in diesem Körper wird auch der Beobachtende genannt, das Gewährende, der Erhaltende, der Erfahrende, der große Herr und das höchste Selbst.'' | ''Die höchste Seele in diesem Körper wird auch der Beobachtende genannt, das Gewährende, der Erhaltende, der Erfahrende, der große Herr und das höchste Selbst.'' | ||
Und so kannst Du | Wer bist Du wirklich? | ||
Und so kannst Du Dir die Frage stellen: Wer bist Du [[wirklich]]? | |||
Du bist derjenige, der [[Beobachten|beobachtet]]. Du bist das bewusste Wahrnehmen – nicht das, was wahrgenommen wird. In letzter Tiefe bist Du eins mit [[Ishvara]]. | |||
Was ist Ishvara? Ishvara ist [[Gott]] – sei es in konkreter [[Gestalt]], als persönliches göttliches Wesen, oder als das Prinzip des [[Schöpfer]]s, [[Erhalter]]s und [[Zerstörer]]s des Universums. Aber auf einer tieferen Ebene bist auch Du dieser Ishvara. Du bist der Erfahrende, das [[Selbst]], das unveränderliche [[Bewusstsein]]. | |||
Du bist nicht Körper und Psyche. Sie sind Ausdrucksformen in der Prakriti – aber Du bist das, was in alldem gegenwärtig bleibt. Das unverhaftete Bewusstsein, das alles erfährt. | |||
Gleich werde ich noch einmal [[Om]] rezitieren und diesen Vers auf [[Sanskrit]] wiederholen. Danach bekommst Du eine kleine Aufgabe – etwas, das Du vielleicht im Alltag umsetzen kannst, um Dich selbst tiefer zu erkennen. | |||
'''22. Vers Bhagavad Gita auf Sanskrit:''' | '''22. Vers Bhagavad Gita auf Sanskrit:''' | ||
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=== Kleine Aufgabe für den Alltag === | === Kleine Aufgabe für den Alltag === | ||
Meditiere über folgende Wahrheit: | |||
Ich bin das [[unsterbliche Selbst]]. | |||
'''Und im Alltag, erinnere Dich immer wieder bewusst:''' | |||
* Ich bin nicht der Körper, | |||
* ich bin nicht die Psyche, | |||
* ich bin nicht [[Vergnügen]] oder [[Schmerz]], | |||
* ich bin nicht mein Temperament, | |||
* ich bin nicht meine [[Wünsche]]. | |||
Ich bin das unsterbliche Selbst – reines Atman, reines Bewusstsein, | |||
[[Satchidananda]]: Sein – Wissen – Glückseligkeit. | |||
Eins mit der Weltenseele, | |||
in der Tiefe [[eins]] mit allen Welten und mit allen Wesen. | |||
: OM – Shanti | : OM – Shanti – Shanti – Shanti | ||
: Om bolo | : Om bolo Satguru Sivananda Maharaj ki jai! | ||
: Om | : Om bolo Shri Vishnudevananda Maharaj ki jai! | ||
=== Video Prakriti und Purusha - Natur und Weltenseele === | === Video Prakriti und Purusha - Natur und Weltenseele === | ||
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=== Alles Äußerliche ist unwirklich === | === Alles Äußerliche ist unwirklich === | ||
Vom [[Ego]] bis zum [[Sthula Sharira|grobstofflichen Körper]] ist | Vom [[Ego]] bis hin zum [[Sthula Sharira|grobstofflichen Körper]] – all das ist Prakriti. | ||
Prakriti, die Natur, ist vergänglich und ständiger [[Veränderung]] unterworfen. Genau das gilt es zu erkennen – und auch anzunehmen. | |||
Das [[Leben]] verläuft in Wechselfällen: | |||
Der Körper ist einmal gesünder, einmal kränker. | |||
Selbst [[chronische Schmerzen]] bleiben nicht immer gleich – sie verändern sich in [[Intensität]], [[Wahrnehmung]] und Wirkung. | |||
Auch wenn du meist [[gesund]] bist, gibt es Tage, an denen du dich wohl in deiner Haut fühlst – und andere, an denen das nicht der Fall ist. | |||
Dein [[Geist]] ist mal klar, mal getrübt. | |||
Manchmal empfindest du [[Freude]], dann wieder [[Leid]]. | |||
Manchmal verspürst du [[Enthusiasmus]], ein andermal eher [[Trägheit]] oder Gleichgültigkeit. | |||
Alles, was sich wandelt, ist nicht dein [[wahres Selbst]]. Es gehört zur Prakriti – zur äußeren, sich ständig verändernden Welt. Erkenne dies – und richte Deinen Blick nach innen, zum Unveränderlichen, zum [[Selbst]]. | |||
=== Beobachte die Veränderung und löse dich davon === | === Beobachte die Veränderung und löse dich davon === | ||
Alles kommt und geht. Du kannst das [[beobachten]] und dann kannst du dich davon [[lösen]]. Auch die [[Sinnesobjekt]]e ändern sich | Alles kommt und geht. | ||
Du kannst das [[beobachten]] – und dann kannst du dich davon [[lösen]]. | |||
Auch die [[Sinnesobjekt]]e ändern sich ständig: | |||
* Mal sind Menschen freundlich zu dir, mal weniger freundlich. | |||
* Mal reagierst du auf diese [[Freundlichkeit]] so, mal ganz anders. | |||
* Mal gibt es etwas Schmackhaftes zu essen, mal etwas Einfacheres. | |||
Doch letztlich: Es spielt keine Rolle. | |||
Denn das Selbst, der [[Atman]], bleibt unverändert. Immer gleich – [[ewig]], [[still]] und frei. | |||
Alles andere – nimm es an, beobachte es, aber halte dich nicht daran fest. | |||
Erkenne: Es ändert sich. | |||
Fürchte dich nicht davor, dass das, was du nicht magst, dauerhaft bleibt – denn nichts in dieser Welt bleibt gleich. | |||
Die Welt ist ein Strom der Veränderung. | |||
Akzeptiere das. | |||
Nimm es an. | |||
Lebe in diesem Bewusstsein. | |||
== Ayurveda == | == Ayurveda == | ||
Im [https://www.yoga-vidya.de/ayurveda/ Ayurveda] bezeichnet Prakriti die individuelle [[Konstitution]] | Im [https://www.yoga-vidya.de/ayurveda/ Ayurveda] bezeichnet Prakriti die individuelle [[Konstitution]] eines Menschen – also seinen persönlichen Konstitutionstyp. | ||
Dieser ergibt sich aus einer einzigartigen Zusammensetzung der drei [[Dosha]]s (auch „Humore“ genannt). Ein Ungleichgewicht dieser Doshas gilt im [[Ayurveda]] als eine zentrale [[Ursache]] für [[Krankheit]]. | |||
Um ein gesundes und zufriedenes Leben zu führen, empfiehlt der Ayurveda, die eigene Lebensweise – insbesondere [[Ernährung]], [[Schlaf]] und tägliche [[Gewohnheit]]en – an die persönliche Konstitution anzupassen. | |||
{{#ev:youtube|SznyQJ9JNZA}} | {{#ev:youtube|SznyQJ9JNZA}} | ||
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'''Auszüge aus dem Buch ''"Lord Krishna, His Lilas and Teachings"'' von Swami Sivananda, [http://www.sivanandaonline.org The Divine Life Society Publication]. Nacherzählung der Geschichte "Prakriti und Purusha"''' | '''Auszüge aus dem Buch ''"Lord Krishna, His Lilas and Teachings"'' von Swami Sivananda, [http://www.sivanandaonline.org The Divine Life Society Publication]. Nacherzählung der Geschichte "Prakriti und Purusha"''' | ||
Uddhava sprach: „O Krishna! Obwohl Prakriti und Purusha ihrer Natur nach verschieden erscheinen, ist kein klarer Unterschied zwischen ihnen zu erkennen, denn sie durchdringen einander: Die [[Seele]] – der Atman – scheint in der Materie zu sein, und die Materie scheint in der Seele zu existieren. | |||
So entsteht in mir ein [[Zweifel]]: Wie kann man sie unterscheiden, wenn sie so innig miteinander verwoben sind? Bitte löse diesen Zweifel auf – Du allein kennst die wahren Zusammenhänge Deiner [[Maya]], Deiner geheimnisvollen [[Schöpfungskraft]].“ | |||
[https://www.yoga-vidya.de/goetter-und-meister/hinduistische-goetter/krishna/ Shri Krishna]sprach: | |||
„Prakriti und Purusha sind von Grund auf verschieden – zwei eigenständige Prinzipien: | |||
* Prakriti ist unbelebt, unbewusst und unterliegt der [[Parinama|ständigen Veränderung]]. | |||
* Purusha ist bewusst, wahrnehmend und in sich selbst [[unveränderlich]]. | |||
Das [[Universum]] mit all seinen Erscheinungen – Körper, Formen, Bewegungen – besteht aus den [[3 Gunas|drei Gunas]] und ihren zahllosen Modifikationen. | |||
Als das Gleichgewicht der drei Gunas – [[Sattva]], [[Rajas]] und [[Tamas]] – gestört wurde, entstand aus ihrer Wechselwirkung die Welt. Diese ist den Gesetzen des Wandels unterworfen. | |||
Meine Maya, die aus den drei Gunas gewoben ist, erschafft durch deren Zusammenwirken eine unendliche Vielfalt von Erscheinungen und Begriffen. | |||
Diese lassen sich in drei grundlegende Wirkebenen gliedern: | |||
* [[Adhyatma]] – das Subjektive, bezogen auf den [[Körper]] und das eigene Selbst, | |||
* [[Adhidaiva]] – das Göttliche, bezogen auf die Lenkenden Intelligenzen, [[Gottheit]]en oder [[Devas]] hinter allen Erscheinungen, | |||
* [[Adhibhuta]] – das Äußere, bezogen auf die Welt der [[Wesen]] und Dinge. | |||
Ein Beispiel: | |||
* Das Auge gehört zum Adhyatma, | |||
* Form und Farbe zum Adhibhuta, | |||
* Das Licht der Sonne – [[Surya]] – zum Adhidaiva. | |||
Diese drei bedingen einander: | |||
Ohne das sehende Auge, ohne [[Licht]], ohne ein sichtbares Objekt ist Wahrnehmung nicht möglich. | |||
So wirken Purusha, Prakriti, Gunas und Maya in einem Zusammenspiel, das durch [[Unterscheidungskraft]] ([[Viveka]]) durchschaut werden kann.“ | |||
Der Atman ist die Ursache all dessen – und doch ist er wesensverschieden von allem, was aus ihm hervorgeht. Er ist aus sich selbst leuchtend – das heißt: Er bedarf keiner anderen Quelle. Er ist das ursächliche Licht, das alles andere erhellt. | |||
So wie das Auge Licht braucht, um zu sehen,so benötigen auch alle anderen Sinnesorgane ein inneres Licht, um wahrzunehmen. Dieses Licht ist der Atman. | |||
Die Sinnesorgane stehen jeweils in Beziehung zu bestimmten Elementen und göttlichen Prinzipien: | |||
* Die Haut – zur Berührung und zum Element [[Luft]], | |||
* Das Ohr – zum Klang und zu den Himmelsrichtungen, | |||
* Die Zunge – zum Geschmack und dem Wassergott [[Varuna]], | |||
* Die Nase – zum Geruch und den [[Ashwin]]s (heilende Zwillingsgötter), | |||
* Der Geist ([[Manas]]) – zu Vorstellungen und dem Mond, | |||
* Der Intellekt ([[Buddhi]]) – zur Unterscheidungskraft und [[Brahma]], dem Schöpfer, | |||
* Das Unterbewusstsein ([[Chitta]]) – zur Erinnerung und zu [[Vasudeva]], | |||
* Das Ich-Bewusstsein ([[Ahamkara]]) – zur [[Identifikation]] und zu [[Rudra]], dem Transformator. | |||
Die erste Manifestation, wenn die Gunas in Bewegung geraten, ist [[Mahat]] – der kosmische Intellekt. Aus Mahat entsteht das universelle Ego – Ahamkara – mit seinen drei Aspekten: | |||
* Sattva – [[Reinheit]], Leichtigkeit, Licht, | |||
* Rajas – Aktivität, Bewegung, [[Leidenschaft]], | |||
* Tamas – [[Trägheit]], Dunkelheit, Schwere. | |||
Diese drei Qualitäten strukturieren das ganze Universum. Dabei steht: | |||
* Sattva für Adhidaiva (das [[Göttliche]]), | |||
* Rajas für Adhyatma (das [[Ich]]-bezogene, Subjektive), | |||
* Tamas für Adhibhuta (das Äußere, die [[Objekt]]e der Welt). | |||
Die zahllosen Dispute der Gelehrten darüber, ob diese Welt real ist oder unwirklich, sind letztlich Ausdruck einer tiefen [[Unwissenheit]] – nämlich des Nicht-Erkennens des Atman. | |||
Denn: Vom Standpunkt des Atman aus – dem ewig Unwandelbaren, dem reinen Bewusstsein – haben all diese Diskussionen keine feste Grundlage. Sie sind wie Wellen auf dem Ozean – beweglich, vielfältig, vergänglich – während das Meer selbst still und unbewegt in seiner Tiefe ruht. | |||
==Sukadev über Prakriti== | ==Sukadev über Prakriti== | ||
'''Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Prakriti''' | '''Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Prakriti''' | ||
Prakriti | === Was bedeutet Prakriti? === | ||
Prakriti bedeutet: | |||
* [[Natur]], | |||
* [[Ursprung]], | |||
* [[Materie]]. | |||
Der Begriff hat – je nach philosophischem Kontext – unterschiedliche Bedeutungen. So wie auch im Deutschen das Wort „Natur“ vieles bedeuten kann: die Außenwelt, das Wesen eines Menschen, das Unberührte oder auch die Gesamtheit aller Lebewesen. | |||
Im weiteren Sinne steht Prakriti für: | |||
* die gesamte [[Schöpfung]], | |||
* die materielle Welt, | |||
* das Wandelbare, | |||
* die Grundlage aller Erscheinungsformen im Universum. | |||
Alles, was du siehst, hörst, riechst, fühlst, denkst – alles, was Form annimmt – gehört zur Prakriti. | |||
Es gibt bestimmte philosophische Systeme, in denen Prakriti eine zentrale Rolle spielt – insbesondere: | |||
* im [[Sankhya]], wo sie die Urnatur ist, aus der alles Entstandene hervorgeht, | |||
* im [https://www.yoga-vidya.de/yoga/ Yoga], wo sie als Gegenpol zu Purusha, dem reinen Bewusstsein, betrachtet wird, | |||
* im [[Vedanta]], wo sie mit [[Maya]] in Verbindung gebracht wird – der schöpferischen Kraft Gottes. | |||
Prakriti ist damit nicht einfach „[[Materie]]“ im modernen physikalischen Sinn, sondern ein dynamisches, schöpferisches Prinzip, das ständig verändert, wandelt, gebiert und auflöst. | |||
=== Prakriti und Purusha im Sankhya-System === | |||
Ein zentrales System, in dem der Begriff Prakriti eine besondere Bedeutung hat, ist das [[Sankhya]]. Sankhya ist eines der sechs klassischen Philosophiesysteme Indiens – bekannt als die Shat Darshanas (die „sechs Sichtweisen“). Die [[Sankhya-Philosophie]] lehrt, dass allem Erleben zwei grundlegende Prinzipien zugrunde liegen: | |||
* Prakriti – die Natur, das Materielle, das Wandelbare, | |||
* Purusha – das Bewusstsein, das Unveränderliche, das reine, beobachtende Selbst. | |||
Alle Erfahrungen im Leben – körperlich, [[geistig]], [[emotional]] – entstehen durch das Zusammenspiel von Prakriti und Purusha. | |||
: Du bist in [[Wahrheit]] Purusha – das reine Bewusstsein. | |||
: Du hast einen Körper und eine Psyche – aber du bist sie nicht. | |||
Denn: Körper und Psyche sind Teil der Prakriti – der wandelbaren Natur. Die gesamte Welt ist Ausdruck dieser großen Prakriti. Und du – als [[Individuum]] – hast darin deinen eigenen Teil der Prakriti: | |||
* Deinen Körper, | |||
* Deine Psyche, | |||
* Deine Persönlichkeitsstruktur, | |||
* Deine [[Fähigkeiten]], Neigungen, [[Emotionen]]. | |||
All das ist deine individuelle Prakriti – aber du selbst, in deiner Essenz, bist Purusha – unveränderlich, ewig, rein. | |||
=== Prakriti in der Bhagavad Gita === | |||
Ein weiterer bedeutender Kontext, in dem Prakriti eine zentrale Rolle spielt, ist die [https://schriften.yoga-vidya.de/bhagavad-gita/ Bhagavad Gita]. | |||
In der Gita spricht Shri [[Krishna]] über Prakriti in zwei verschiedenen Bedeutungen: | |||
==== 1. Prakriti als kosmisches Prinzip ==== | |||
Krishna verwendet den Begriff Prakriti ähnlich wie im Sankhya-System: | |||
Als Gegenpol zu Purusha. | |||
* Purusha steht für das Bewusstsein, das Unwandelbare, das göttliche Selbst. | |||
* Prakriti ist die Natur, die Welt der Formen, der Wandel, die gesamte Schöpfung. | |||
In diesem Sinne ist Prakriti die Grundlage aller Erscheinungen – alles, was geboren wird, sich verändert und vergeht. | |||
==== 2. Prakriti als individuelle Natur des Menschen ==== | |||
Krishna spricht aber auch über Prakriti im Sinne der persönlichen Veranlagung: | |||
* Die individuelle Prakriti ist das, was einen Menschen in seiner inneren Tiefe ausmacht. | |||
* Es ist die Persönlichkeitsstruktur, die Herzensneigungen, die tief verankerten Antriebe und Tendenzen. | |||
Diese tiefere, innere Natur bestimmt maßgeblich, wie ein Mensch fühlt, denkt, handelt und spirituell strebt. Krishna betont: | |||
: ''"Jeder handelt gemäß seiner eigenen Prakriti – selbst der Weise wird ihr nicht entkommen."'' (vgl. Bhagavad Gita 3.33) | |||
Somit hat Prakriti in der Bhagavad Gita eine doppelte Bedeutung: | |||
* als kosmisches Prinzip, das der gesamten Schöpfung zugrunde liegt, | |||
* und als psychologische Realität – die individuelle Natur eines Menschen. | |||
Wenn Du möchtest, kann ich eine parallele Übersicht beider Bedeutungen erstellen – oder eine Tabelle mit Gita-Versen, in denen „Prakriti“ in verschiedenen Bedeutungen erscheint. | |||
Und er sagt: „Der Mensch muss seiner Prakriti folgen – er muss dem folgen, was er tief im Herzen ist. Er hat nur eine beschränkte Möglichkeit, sich selbst zu [[beherrschen]].“ Natürlich sollte man äußere [[Wünsche]] beherrschen. Man sollte kein Sklave von [[Raga]] und [[Dwesha]] werden, man sollte Emotionen wie [[Gier]], [[Ärger]], [[Eifersucht]] und so weiter nicht einfach folgen. Doch darüber hinaus hat der Mensch eine Wesensnatur – eine Prakriti –, und es gilt, diese Prakriti zu leben: auf eine sattvige, reine Weise, im [[Dienst]] an Gott, im Dienst an den Menschen. | |||
Jeder Mensch ist anders. Er muss für sich selbst herausfinden: „Wie kann ich den [[spirituellen Weg]] gehen? Wie kann ich meine [[Fähigkeit]]en und [[Talent]]e einbringen? Und wie kann ich lernen, auf meine Natur – meine Prakriti – zu hören?“ | |||
Die [[Bhagavad Gita]] beschreibt daher diesen zweifachen Aspekt der Prakriti: die kosmische Prakriti und die individuelle Prakriti. | |||
[[Ayurveda]] richtet ein besonderes Augenmerk auf die individuelle Prakriti. Diese individuelle Prakriti ist das Ergebnis eines bestimmten Zusammenspiels der drei [[Doshas]]: [[Vata]], [[Pitta]] und [[Kapha]]. | |||
Vata steht für das Luftprinzip, Pitta für das Feuerprinzip und Kapha für das Erd-Wasser-Prinzip. | |||
Manche Menschen besitzen eine Prakriti, die eher luftig ist: leicht, voller [[Energie]] und [[Freude]], ideenreich und [[Kreativität|kreativ]] – eben vom Vata-Typ. | |||
Andere wiederum haben eine feurige Prakriti: Sie strahlen Enthusiasmus, Begeisterung und [[Durchsetzungsvermögen]] aus. Sie können andere mitreißen, sind leistungsfähig und anspruchsvoll – neigen jedoch auch zu [[Ärger]] und [[Zorn]]. Das ist der Pitta-Typ. | |||
Dann gibt es Menschen mit einer ausgeprägten Kapha-Prakriti: eher gemütlich, freundlich, ruhig und manchmal etwas behäbig – aber mit großer Ausdauer und der Fähigkeit, langfristig viel zu [[bewirken]]. | |||
Andere wiederum tragen zwei oder sogar alle drei Doshas in sich. Es heißt, dass die grundlegende Prakriti bereits bei der Geburt festgelegt ist – zumindest in gewissem Maß. | |||
Im Laufe des [[Leben]]s kann sich jedoch das Gleichgewicht der Doshas verändern: Mal wird das eine Dosha stärker, mal ein anderer Anteil der Prakriti tritt mehr in den Vordergrund. | |||
Zusätzlich zur Prakriti im Ayurveda gibt es auch den Begriff [[Vikriti]]. Vikriti bezeichnet die gestörte Natur – das, was vom ursprünglichen Gleichgewicht abweicht. Das Präfix „Vi-“ steht dabei für das Gegenteil, also eine Abweichung oder Störung. | |||
Wenn zum Beispiel jemand von Natur aus ein Kapha-Typ ist – freundlich, [[mitfühlend]] und gemütlich – aber gezwungen ist, tausend Dinge gleichzeitig zu erledigen, kann es sein, dass er aus dem Gleichgewicht gerät und eine [[Vata#Vatastörung|Vata-Störung]] entwickelt. Man spricht dann von einer Vata Vikriti. | |||
Das bedeutet: Auch ein Kapha-Mensch kann eine Vata-Störung haben, wenn äußere Umstände seine natürliche Prakriti überfordern oder verdrängen. | |||
Es gilt also, zu lernen, seiner Prakriti zu folgen – seiner Natur gemäß zu leben, ohne darin zu übertreiben. Denn wer viel Vata in sich trägt, kann leicht in eine Vikriti geraten – ein übersteigertes, aus dem Gleichgewicht geratenes Vata. | |||
Der eigene Natur zu folgen, ohne daran zu haften; in Einklang mit sich selbst zu leben, und dabei innerlich rein zu bleiben – das ist die Kunst des spirituellen Lebens. | |||
So sagt es auch [[Krishna]]: | |||
: „Folge deiner Prakriti, deiner wahren Natur. | |||
: Werde jedoch nicht zum Sklaven von Mögen und Nicht-Mögen. | |||
: Bringe alles [[Gott]] dar – und handle auf sattvige, reine Weise.“ | |||
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:2. (1037.) [[Verzicht]] auf die Werke und Hingebung an sie, beides führt zum höchsten [[Heil]]; aber unter ihnen wird der Verzicht von der Hingebung an die Werke übertroffen. | :2. (1037.) [[Verzicht]] auf die Werke und Hingebung an sie, beides führt zum höchsten [[Heil]]; aber unter ihnen wird der Verzicht von der Hingebung an die Werke übertroffen. | ||
:3. (1038.) Der ist zu wissen als ein beständig Verzichtender, welcher nicht hasst und nicht begehrt; denn frei von den Gegensätzen [des Lebens], o Großarmiger, wird er leicht von der [[Bindung]] erlöst. | :3. (1038.) Der ist zu wissen als ein beständig Verzichtender, welcher nicht hasst und nicht begehrt; denn frei von den Gegensätzen [des Lebens], o Großarmiger, wird er leicht von der [[Bindung]] erlöst. | ||
:4. (1039.) Nur die Toren behaupten, dass [[Sankhyam]] ([[Weg]] der [[Reflexion]]) und [[Yoga]] (Weg der | :4. (1039.) Nur die Toren behaupten, dass [[Sankhyam]] ([[Weg]] der [[Reflexion]]) und [[Yoga]] (Weg der Verinnerlichung) verschieden seien, nicht aber die Weisen. Wer auch nur eines von ihnen richtig betreibt, der erlangt die Frucht aller beiden. | ||
:5. (1040.) Die Stätte, welche von den Reflektierenden (Sankhyaih) errungen wird, eben diese wird auch von den Yoga-Übenden erlangt. Eines sind das Sankhyam und der Yoga. Wer das sieht, der ist sehend. | :5. (1040.) Die Stätte, welche von den Reflektierenden (Sankhyaih) errungen wird, eben diese wird auch von den Yoga-Übenden erlangt. Eines sind das Sankhyam und der Yoga. Wer das sieht, der ist sehend. | ||
:6. (1041.) Aber das Verzichten, o Großarmiger, ist schwer zu erlangen, wenn es nicht vom Yoga ausgeht; während der dem Yoga sich hingebende Weise in kurzer [[Zeit]] das Brahman erreicht. | :6. (1041.) Aber das Verzichten, o Großarmiger, ist schwer zu erlangen, wenn es nicht vom Yoga ausgeht; während der dem Yoga sich hingebende Weise in kurzer [[Zeit]] das Brahman erreicht. | ||
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:22. (1057.) Alle [[Freude]]n, welche aus der Berührung mit der [[Welt]] entspringen, die sind eine Quelle der Leiden, sie haben einen Anfang und ein Ende, o Kuntisohn, nicht freut sich ihrer der Weise. | :22. (1057.) Alle [[Freude]]n, welche aus der Berührung mit der [[Welt]] entspringen, die sind eine Quelle der Leiden, sie haben einen Anfang und ein Ende, o Kuntisohn, nicht freut sich ihrer der Weise. | ||
:23. (1058.) Wer schon hienieden vor der Erlösung vom Leibe den Sturm zu bewältigen weiß, der aus [[Lust]] und [[Zorn]] entspringt, der ist ein Hingegebener, ist ein glückseliger [[Mann]]. | :23. (1058.) Wer schon hienieden vor der Erlösung vom Leibe den Sturm zu bewältigen weiß, der aus [[Lust]] und [[Zorn]] entspringt, der ist ein Hingegebener, ist ein glückseliger [[Mann]]. | ||
:24. (1059.) Wer in sich die Freude, in sich das Ergötzen findet und in sich das [[Licht]], der ist ein [[Yogi]], und, zu Brahman geworden, gelangt er zum Erlöschen in Brahman ([[Brahmanirvanam]]). | :24. (1059.) Wer in sich die Freude, in sich das Ergötzen findet und in sich das [[Licht]], der ist ein [[Yogi]], und, zu Brahman geworden, gelangt er zum Erlöschen in Brahman ([[Brahma Nirwana|Brahmanirvanam]]). | ||
:25. (1060.) Dieses Erlöschen in Brahman erlangen die [[Rishi]]s, wenn die Sünde vernichtet, die Zweiheit abgeworfen, das Selbst bezähmt ist, sie, welche sich am Wohle aller [[Wesen]] erfreuen. | :25. (1060.) Dieses Erlöschen in Brahman erlangen die [[Rishi]]s, wenn die Sünde vernichtet, die Zweiheit abgeworfen, das Selbst bezähmt ist, sie, welche sich am Wohle aller [[Wesen]] erfreuen. | ||
:26. (1061.) Für die von Lust und [[Zorn]] befreiten Selbstbezwinger, die ihre [[Gedanke]]n im Zaume halten und den Atman erkannt haben, tritt ganz und vollständig [[[Abhitas]], nach [[ | :26. (1061.) Für die von Lust und [[Zorn]] befreiten Selbstbezwinger, die ihre [[Gedanke]]n im Zaume halten und den Atman erkannt haben, tritt ganz und vollständig [[[Abhitas]], nach [[Shankara]]: im [[Leben]] und [[Tod]]e] das Erlöschen im Brahman ein. | ||
:27. (1062.) Wer die Berührungen der Außenwelt nach außen zurückdrängt und das Augenmerk auf den Punkt zwischen den Brauen richtet [wo nach [[Brahmasutra]] 1,2,32 der Sitz des [[Atman]] ist], wer Einhauch und Aushauch einander gleich macht und so durch das Innere der Nase streichen lässt, | :27. (1062.) Wer die Berührungen der Außenwelt nach außen zurückdrängt und das Augenmerk auf den Punkt zwischen den Brauen richtet [wo nach [[Brahmasutra]] 1,2,32 der Sitz des [[Atman]] ist], wer Einhauch und Aushauch einander gleich macht und so durch das Innere der Nase streichen lässt, | ||
:28. (1063.) wer als ein [[Muni]] [[Sinne]], [[Manas]] und [[Buddhi]] bezähmt, der Erlösung als höchstem [[Ziel]] zustrebt und Wünschen, Fürchten und Zürnen von sich abtut, der ist für immer erlöst. | :28. (1063.) wer als ein [[Muni]] [[Sinne]], [[Manas]] und [[Buddhi]] bezähmt, der Erlösung als höchstem [[Ziel]] zustrebt und Wünschen, Fürchten und Zürnen von sich abtut, der ist für immer erlöst. | ||
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:In diesem Workshop erlernen und praktizieren wir eine Serie von fünf energetisierenden Übungen, die mit Körper, Aufmerksamkeit und Atmung arbeiten … | |||
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:Dr phil Oliver Hahn | :Dr phil Oliver Hahn | ||
===[https://www.yoga-vidya.de/seminare/leiter/dr-phil-oliver-hahn/ Bewusstseinstechniken aus dem Vijnana Bhairava Tantra]=== | |||
'''<strong>[https://www.yoga-vidya.de/seminare/seminar/bewusstseinstechniken-aus-dem-vijnana-bhairava-tantra-w251001-1/ 01.10.25 - 03.10.25 - Bewusstseinstechniken aus dem Vijnana Bhairava Tantra]</strong>''' | |||
'''<strong>[https://www.yoga-vidya.de/seminare/seminar/ | :Tantra benutzt alle Sinne, um durch Achtsamkeits- und Meditationstechniken den Schleier der materiellen Welt zu lüften und hinter allen Erscheinungen reines Bewusstsein - unser wahres Selbst - zu entdecken … | ||
: | |||
:Dr phil Oliver Hahn | :Dr phil Oliver Hahn | ||
Aktuelle Version vom 27. September 2025, 13:57 Uhr
Prakriti (Sanskrit: प्रकृति pra-kṛti, f.) – (Ur-)Natur, Urmaterie, Materie; die sich aus der Urmaterie entfaltende Schöpfung; Konstitution, Zustand; Ursache, Ursprung, Voraussetzung; Wesen, Temperament; Grundform, Norm, Muster, Schema; Minister; Untertan, Bürger; Sache, Geschichte; auch das Urbild des weiblichen Geschlechts, das mit Maya, der Illusion, identifiziert wird; die Shakti oder weibliche Energie jeder Gottheit.
Prakriti ist in der vedischen Philosophie die ursprüngliche Natur eines jeden Menschen – sie beschreibt unsere individuelle Konstitution und spiegelt sich in den drei Doshas Vata, Pitta und Kapha wider. Wer seine Prakriti kennt, versteht besser, wie Körper, Geist und Emotionen im Gleichgewicht bleiben können. In Verbindung mit Karma Yoga wird Prakriti zur Grundlage für ein bewusstes, pflichtbewusstes und harmonisches Leben im Einklang mit dem eigenen Wesen.
Gemäß der Sankhya-Philosophie handelt es sich bei Prakriti um die Urmaterie, deren Struktur aus den drei Eigenschaften (Gunas: Tamas, Rajas, Sattva) hervorgeht. Prakriti ist ein ewiges Prinzip, aus dem – durch ihre Nähe zum Purusha – das gesamte Universum mit all seinen Schichten entsteht.
Das Philosophiesystem des Advaita Vedanta geht von einem allumfassenden Urprinzip, dem Brahman, aus. Deshalb hat die Prakriti in diesem System keine eigene, von Brahman getrennte Wirklichkeit.
Zudem kann unter Prakriti auch ihre eigene Manifestation verstanden werden, wie zum Beispiel die mit den Sinnen erfassbare Welt oder die Natur um uns herum (Namarupa) – der Bereich der Namen und Formen, durch den die Vielfalt der gesamten Schöpfung zum Ausdruck kommt. In ihr offenbart sich das Wunder Gottes. Gleichzeitig ist sie jedoch auch das Prinzip hinter dieser Erscheinungswelt und gehört somit allein dem höchsten Selbst, dem Paramatman, an.
Prakriti प्रकृति prakṛti Aussprache
Hier kannst du hören, wie das Sanskritwort Prakriti, प्रकृति, prakṛti ausgesprochen wird:
Prakriti und Purusha - Natur und Weltenseele
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -
Prakriti und Purusha – die Natur und das Bewusstsein.
Kommentar zur Bhagavad Gita 13. Kapitel ab Vers 19
- Was ist Purusha – Bewusstsein, Weltenseele.
- Was ist Prakriti? Die Natur!
- Wie kann man zwischen beidem unterscheiden?
- Und wie hängen Prakriti Purusha mit Brahman, Atman und Jagat – der Welt zusammen?
Das sind die Themen in diesen Versen. Ich will beginnen mit 3 x Om und dann die Verse 19 – 22 rezitieren, dann übersetzen und kommentieren.
- Om Om Om
- prakṛtiṃ puruṣaṃ caiva viddhyanādi ubhāvapi
- vikārāṃśca guṇāṃścaiva viddhi prakṛtisaṃbhavān
- kāryakāraṇakartṛtve hetuḥ prakṛtirucyate
- puruṣaḥ sukhaduḥkhānāṃ bhoktṛtve heturucyate
- puruṣaḥ prakṛtistho hi bhuṅkte prakṛtijānguṇān
- kāraṇaṃ guṇasaṅgo ’sya sadasadyonijanmasu
- upadraṣṭānumantā ca bhartā bhoktā maheśvaraḥ
- paramātmeti cāpyukto dehe ’sminpuruṣaḥ paraḥ
Identifiziere dich nicht und spüre Einheit
19. Vers:
Wisse, dass sowohl diese Natur (Prakriti) als auch das Bewusstsein (Purusha) ohne Anfang sind. Und wisse auch, dass alle Erscheinungsformen und Eigenschaften aus der Natur entstehen.
Krishna verbindet im 13. Kapitel der Bhagavad Gita Sankhya und Vedanta.
Vedanta ist das monistische System, also die Philosophie der absoluten Einheit. Vedanta sagt: Es gibt nur Brahman.
- Brahma Satyam – Brahman allein existiert.
- Jagan – die Welt ist Mithya, sie ist unwirklich. Es gibt keine von Brahman getrennte Welt.
- Jivo Brahmaiva Napara – auch das Individuum ist nichts anderes als Brahman.
Das ist jetzt Vedanta.
Krishna wechselt an dieser Stelle in die Sankhya-Überlegungen. Zuvor hatte er vom Standpunkt des Vedanta gesprochen, von Brahman – und das ist auch etwas, das wir im ganzheitlichen Yoga aufgreifen. Wir wollen uns nicht zu sehr mit philosophischen Spitzfindigkeiten aufhalten. Es gibt Pandits, die lange Diskussionen darüber führen, ob Prakriti und Purusha eins sind oder doch getrennt. Ob Ishvara, der Schöpfergott, vielleicht doch etwas Separates ist. Ob es viele ewige Individuen gibt oder nur ein einziges. Ob die Seelen am Ende – wenn sie Moksha erreichen – vollständig mit dem Absoluten verschmelzen, oder ob sie einfach in einem Zustand reiner Wonne existieren, ohne ganz zu verschmelzen.
Darüber lässt sich umfangreich streiten. Und das Interessante ist: Die Bhagavad Gita wird von späteren Meistern (Acharyas) für ganz unterschiedliche philosophische Positionen zitiert.
Shankaracharya etwa spricht von vollkommener Einheit. Ramanuja vertritt hingegen einen anderen Standpunkt. Und Nimbarka wiederum einen weiteren. So existieren verschiedene Sichtweisen – und ich finde das faszinierend: Krishna nimmt letztlich einen ganz pragmatischen Standpunkt ein. Er verbindet bewusst Bhakti Yoga und Jnana Yoga. Und im Jnana Yoga vereint er gezielt die beiden Grundströmungen Vedanta und Sankhya.
Im Wesentlichen geht es darum:
- Höre auf, dich als getrenntes Individuum zu identifizieren.
Erkenne: Hinter allem ist das Göttliche – und erfahre dich selbst als eins mit der Weltenseele.
Shankaracharya spricht von der vollkommenen Einheit. Ramanuja dagegen vertritt einen anderen Standpunkt, und Nimbarka wiederum einen weiteren. So gibt es diese unterschiedlichen Sichtweisen – und ich finde das faszinierend: Krishna nimmt einen ganz pragmatischen Standpunkt ein. Er vereint letztlich Bhakti Yoga und Jnana Yoga. Und im Jnana Yoga verbindet er ganz bewusst die beiden Grundströmungen Vedanta und Sankhya.
Im Wesentlichen geht es darum:
Höre auf, dich als Individuum zu identifizieren. Erkenne: Hinter allem ist das Göttliche, und erfahre dich selbst als eins mit der Weltenseele.
Ohne Verhaftung gibt es kein Vergnügen und keinen Schmerz
Und so sagt Krishna hier: Die Natur – Prakriti – ist letztlich ohne Anfang. Wenn man sich fragt: Wann ist das Universum entstanden? – Krishna sagt: Es ist ohne Anfang. Er hatte zuvor erklärt, dass es das Unmanifeste, das Avyakta, bereits vorher gab. Dieses Avyakta bringt später die Welt hervor. Und die Welt kehrt wieder in das Avyakta zurück. Aus dem Avyakta entsteht dann die nächste Welt. So folgt eine Welt auf die andere – sie wird erschaffen und löst sich wieder auf. Ein ständiges Kommen und Gehen.
Daher: Die Prakriti ist ohne Anfang. Und natürlich – der Purusha, das Bewusstsein, ist ebenfalls ohne Anfang. Es hat immer schon Bewusstsein gegeben, und es wird immer Bewusstsein geben – ohne Anfang und ohne Ende.
Purusha und Prakriti sind zwei verschiedene Prinzipien. Im Vedānta jedoch wird gesagt: Die Prakriti existiert nur scheinbar – sie ist wie ein Traum, lediglich eine Modifikation von Purusha, von Brahman. Damit werden letztlich beide wieder zusammengeführt: Alles ist Brahman – auch das, was als Prakriti erscheint.
Im Gegensatz dazu sagt das Samkhya-System: Es gibt eine von Purusha getrennte Natur, die Prakriti, und einen davon getrennten Purusha. Doch selbst das Sāṃkhya – in Verbindung mit dem Raja Yoga – erklärt: Die Prakriti existiert für den Purusha. Ohne Purusha gäbe es keine Prakriti. Ihre Funktion besteht darin, dass der Purusha – das höchste Bewusstsein – die Kräfte der Natur erfahren kann. Letztlich ist es sogar so, dass Purusha diese Kräfte nicht nur erfährt, sondern sie in gewissem Sinne auch selbst „mitmacht“.
Man könnte sagen: Purusha tritt in diese Welt ein – ähnlich wie heute Menschen in virtuelle Welten wie Second Life oder andere Computerspiele mit künstlichen Welten eintauchen. Dort wird man zu einem Avatar – dieser Begriff ist übrigens wörtlich genommen sehr passend –, man „inkarniert“ sich in eine simulierte Umgebung. Und auch unsere Welt ist letztlich für diejenigen da, die sich in ihr manifestieren.
Diese künstlichen, virtuellen Welten können also sehr gut dabei helfen, zu verstehen, wie diese Welt funktioniert. In virtuellen Welten gibt es einen ursprünglichen Programmierer, der die gesamte Struktur ermöglicht. Alles besteht dort aus Bits und Bytes – es ist letztlich reine Illusion. Und doch können sich die Einzelnen darin bewegen, handeln, sogar etwas verändern.
Es gibt jedoch einen kleinen, aber wesentlichen Unterschied: In virtuellen Welten existieren verschiedene Individuen, die gemeinsam an der Erschaffung und Gestaltung beteiligt sind. In der spirituellen Sicht – vor allem im Vedānta – gibt es hingegen nur einen Purusha, nur ein Bewusstsein, das sich durch viele Formen ausdrückt.
In dieser Gesamtwelt gibt es letztlich nur einen Purusha – nur einen Brahman. Und dieser eine Brahman erschafft zunächst die „virtuelle Welt“. In dieser virtuellen Welt identifiziert sich Brahman dann mit einzelnen Körpern und einzelnen Psychen. So scheint es, als ob Brahman in dieser virtuellen Welt viele unterschiedliche Dinge tut, als wäre er aufgespalten in viele Einzelwesen.
Man könnte also sagen: Brahman ist einerseits der Programmierer, der die Welt erschafft und dafür sorgt, dass sie funktioniert. Gleichzeitig erhält er das Universum – er lässt es weiterlaufen. Und er spiegelt sich in den einzelnen Individuen, die wiederum Einfluss auf diese Welt nehmen.
Wenn aber das große Ganze aus dem Gleichgewicht gerät, wenn es nicht mehr in der Weise verläuft, wie es dem höheren Sinn entspricht, dann manifestiert sich Brahman selbst als Avatar, als Inkarnation Gottes, und sorgt dafür, dass es wieder in eine gute Richtung geht.
Und so ist Prakriti scheinbar ohne Anfang – doch sie wird aufhören, in dem Moment, in dem Du aufwachst. Für Dich hört Prakriti auf, wenn Du aufhörst, in ihr sein zu wollen – wenn Du Dich von ihr zurückziehst und Brahman verwirklichst.
Alle Erscheinungsformen, alle Eigenschaften, alles, was sich zeigt, gehört zur Prakriti. Solange Du Dich damit identifizierst, erscheint sie als wirklich. Doch sobald Du erkennst, wer Du wirklich bist – Purusha, reines Brahman –, verliert die Prakriti ihre Wirklichkeit für Dich.
Es heißt nicht: Du bist der Körper. Und auch nicht: Du bist die Psyche. Du bist nicht derjenige, der introvertiert oder extravertiert ist, nicht der, der Vata, Pitta oder Kapha ist.
Nein – Du bist Brahman, Du bist Purusha.
Du hast einen Körper. Du hast eine Psyche. Körper und Psyche sind Teil der Prakriti – der Natur, der äußeren Erscheinung. Sie sind nicht Dein wahres Selbst.
Und genau das gilt es zu erkennen.
Und so heißt es: Beim Hervorbringen von Ursache und Wirkung gilt die Natur, also Prakriti, als die Ursache. Beim Erfahren von Vergnügen und Schmerz hingegen gilt das Bewusstsein – Purusha – als Ursache.
Das bedeutet: Wenn etwas hervorgebracht wird, ist Prakriti am Werk. In ihr entstehen die Abläufe, Handlungen, Bewegungen – alles, was geschieht. Innerhalb der Prakriti wirkt das Gesetz von Ursache und Wirkung: Aus einer Ursache folgt eine Wirkung, diese wird wiederum zur nächsten Ursache, und daraus entsteht die nächste Wirkung – ein endloser Kreislauf.
Purusha dagegen ist nicht der Handelnde, sondern der Erfahrende. Er ist das bewusste Prinzip, das erlebt, was in der Prakriti geschieht – Freude, Leid, Bewegung, Veränderung.
Innerhalb der Prakriti geschieht vieles – zum Beispiel gibt es Vorgänge im Rücken, in der Hüfte oder im Knie. Das sind körperliche Ursachen, das heißt: Sie gehören zur Prakriti. Doch dass Du zum Beispiel Schmerz empfindest, dafür braucht es etwas anderes – nämlich das Bewusstsein.
Ohne Bewusstsein gibt es keinen Schmerz.
Ein einfaches Beispiel: Angenommen, Du befindest Dich im Tiefschlaf. Deine Knie, Deine Hüfte, Dein Rücken – all das ist weiterhin da, vielleicht sogar in genau demselben Zustand wie im Wachsein. Aber: Solange das Bewusstsein nicht aktiv ist, erfährst Du keinen Schmerz.
In diesem Sinne gilt: Um Vergnügen oder Schmerz zu erfahren, braucht es Bewusstsein.
Und das bedeutet auch: Wenn Du Dein Bewusstsein aus der Prakriti herausziehst, bist Du nicht mehr begrenzt durch Vergnügen und Schmerz.
Purusha und Prakriti – über Verhaftung und Befreiung
21. Vers:
Da sich die Seele – Purusha innerhalb der Natur – Prakriti befindet erfährt sie die aus der Natur stammenden Eigenschaften. Verhaftungen an die Eigenschaften ist die Ursache für die Geburt in für Verwirklichung geeignete und weniger geeignete Mutterschöße.
Purusha ist jetzt da, aber er manifestiert sich in der Prakriti. Wenn sich Purusha mit einem Körper-Psyche-Komplex identifiziert, entsteht daraus Verhaftung. So ist es: Es gibt den unendlichen Purusha, die unendliche Weltenseele – und Prakriti erschafft daraus diese ganze Welt.
Innerhalb dieser Prakriti gibt es kleinere Teile, in denen sich Purusha widerspiegelt. Wenn sich Purusha mit diesen Teilen identifiziert, entsteht Verhaftung. Zum Beispiel:
Du könntest sagen, während Du auf Deinen Körper zeigst: „Das bin ich. Ich bin 46 Jahre alt und ich bin Franzose.“
- Bist Du da, wo Du hinzeigst? – Nein, das ist der Körper.
- Bist Du 46 Jahre alt? – Nein, das ist das Alter des Körpers.
- Bist Du Franzose? – Nein, der Körper wurde in Frankreich geboren und hat daher die französische Staatsangehörigkeit.
- Wenn Du sagst: „Ich bin Pitta-Temperament, feurig und enthusiastisch“ – bist Du das wirklich? Nein, Deine Psyche hat dieses Temperament.
- Oder Du sagst: „Ich bin Mathematiker“ oder „Ich bin technisch begabt“. Doch nicht Du bist das – Deine Psyche verfügt über besondere mathematische Fähigkeiten.
Wenn Du Dich verhaftest, dann entsteht die Notwendigkeit zur Befreiung. Die Verhaftung von Purusha an einen Teil der Prakriti – etwa den Körper – führt zur Identifikation, und daraus folgen Geburt und Tod.
Es heißt: Solange Du verhaftet bist, wirst Du wiedergeboren. Sei Dir bewusst: Es gibt geeignetere und weniger geeignete Mutterschöße.
Damit wird auch gesagt: Warte nicht zu lange, um die Verwirklichung zu erreichen. In diesem Leben hast Du alles, was Du brauchst: ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, sogar Zeit, um Vorträge über Vedanta zu hören und das Ziel des Lebens zu erkennen. Jetzt ist die Zeit, spirituelle Praktiken zu üben. Jetzt ist der richtige Moment – verschiebe es nicht!
Du könntest sagen: „Ja gut, das mache ich im nächsten Leben. Oder wenn ich pensioniert bin. Oder wenn meine Enkel groß genug sind… vielleicht sogar meine Urenkel.“ Der Mensch findet tausend Gründe, die Spiritualität aufzuschieben. Aber es gibt Umstände, unter denen es tatsächlich leichter ist.
Angenommen, Du wärst in einem Bürgerkriegsgebiet, wo Du täglich fürchten musst, dass bewaffnete Banden kommen, alles rauben – vielleicht ist das sogar schon geschehen – und Du ums nackte Überleben kämpfst, für Dich und Deine Familie: Dann ist es schwieriger, über den Sinn des Lebens nachzudenken, die Bhagavad Gita zu rezitieren, Asanas oder Pranayama zu üben.
- Übe jetzt – praktiziere jetzt – verschiebe es nicht!
Wer bin ich wirklich?
22. Vers:
Die höchste Seele in diesem Körper wird auch der Beobachtende genannt, das Gewährende, der Erhaltende, der Erfahrende, der große Herr und das höchste Selbst.
Wer bist Du wirklich?
Und so kannst Du Dir die Frage stellen: Wer bist Du wirklich?
Du bist derjenige, der beobachtet. Du bist das bewusste Wahrnehmen – nicht das, was wahrgenommen wird. In letzter Tiefe bist Du eins mit Ishvara.
Was ist Ishvara? Ishvara ist Gott – sei es in konkreter Gestalt, als persönliches göttliches Wesen, oder als das Prinzip des Schöpfers, Erhalters und Zerstörers des Universums. Aber auf einer tieferen Ebene bist auch Du dieser Ishvara. Du bist der Erfahrende, das Selbst, das unveränderliche Bewusstsein.
Du bist nicht Körper und Psyche. Sie sind Ausdrucksformen in der Prakriti – aber Du bist das, was in alldem gegenwärtig bleibt. Das unverhaftete Bewusstsein, das alles erfährt.
Gleich werde ich noch einmal Om rezitieren und diesen Vers auf Sanskrit wiederholen. Danach bekommst Du eine kleine Aufgabe – etwas, das Du vielleicht im Alltag umsetzen kannst, um Dich selbst tiefer zu erkennen.
22. Vers Bhagavad Gita auf Sanskrit:
- upadraṣṭānumantā ca bhartā bhoktā maheśvaraḥ
- paramātmeti cāpyukto dehe ’sminpuruṣaḥ paraḥ
Kleine Aufgabe für den Alltag
Meditiere über folgende Wahrheit: Ich bin das unsterbliche Selbst.
Und im Alltag, erinnere Dich immer wieder bewusst:
- Ich bin nicht der Körper,
- ich bin nicht die Psyche,
- ich bin nicht Vergnügen oder Schmerz,
- ich bin nicht mein Temperament,
- ich bin nicht meine Wünsche.
Ich bin das unsterbliche Selbst – reines Atman, reines Bewusstsein,
Satchidananda: Sein – Wissen – Glückseligkeit.
Eins mit der Weltenseele,
in der Tiefe eins mit allen Welten und mit allen Wesen.
- OM – Shanti – Shanti – Shanti
- Om bolo Satguru Sivananda Maharaj ki jai!
- Om bolo Shri Vishnudevananda Maharaj ki jai!
Video Prakriti und Purusha - Natur und Weltenseele
Viveka Chudamani - Die Prakriti verändert sich ständig
- Kommentar zum Viveka Chudamani Vers 351 von Sukadev Bretz -
Genauso unwahr (asattva) sind die Transformationen von Prakriti – vom Ego bis zum grobstofflichen Körper, mit all seinen Sinnesobjekten (vishaya). Sie sind unwirklich, weil sie sich ständig verändern. Aber das Selbst (atman) verändert sich nie.
Alles Äußerliche ist unwirklich
Vom Ego bis hin zum grobstofflichen Körper – all das ist Prakriti. Prakriti, die Natur, ist vergänglich und ständiger Veränderung unterworfen. Genau das gilt es zu erkennen – und auch anzunehmen.
Das Leben verläuft in Wechselfällen:
Der Körper ist einmal gesünder, einmal kränker. Selbst chronische Schmerzen bleiben nicht immer gleich – sie verändern sich in Intensität, Wahrnehmung und Wirkung.
Auch wenn du meist gesund bist, gibt es Tage, an denen du dich wohl in deiner Haut fühlst – und andere, an denen das nicht der Fall ist.
Dein Geist ist mal klar, mal getrübt. Manchmal empfindest du Freude, dann wieder Leid. Manchmal verspürst du Enthusiasmus, ein andermal eher Trägheit oder Gleichgültigkeit.
Alles, was sich wandelt, ist nicht dein wahres Selbst. Es gehört zur Prakriti – zur äußeren, sich ständig verändernden Welt. Erkenne dies – und richte Deinen Blick nach innen, zum Unveränderlichen, zum Selbst.
Beobachte die Veränderung und löse dich davon
Alles kommt und geht.
Du kannst das beobachten – und dann kannst du dich davon lösen.
Auch die Sinnesobjekte ändern sich ständig:
- Mal sind Menschen freundlich zu dir, mal weniger freundlich.
- Mal reagierst du auf diese Freundlichkeit so, mal ganz anders.
- Mal gibt es etwas Schmackhaftes zu essen, mal etwas Einfacheres.
Doch letztlich: Es spielt keine Rolle.
Denn das Selbst, der Atman, bleibt unverändert. Immer gleich – ewig, still und frei.
Alles andere – nimm es an, beobachte es, aber halte dich nicht daran fest.
Erkenne: Es ändert sich.
Fürchte dich nicht davor, dass das, was du nicht magst, dauerhaft bleibt – denn nichts in dieser Welt bleibt gleich.
Die Welt ist ein Strom der Veränderung.
Akzeptiere das.
Nimm es an.
Lebe in diesem Bewusstsein.
Ayurveda
Im Ayurveda bezeichnet Prakriti die individuelle Konstitution eines Menschen – also seinen persönlichen Konstitutionstyp.
Dieser ergibt sich aus einer einzigartigen Zusammensetzung der drei Doshas (auch „Humore“ genannt). Ein Ungleichgewicht dieser Doshas gilt im Ayurveda als eine zentrale Ursache für Krankheit.
Um ein gesundes und zufriedenes Leben zu führen, empfiehlt der Ayurveda, die eigene Lebensweise – insbesondere Ernährung, Schlaf und tägliche Gewohnheiten – an die persönliche Konstitution anzupassen.
Swami Sivananda über Prakriti
Auszüge aus dem Buch "Lord Krishna, His Lilas and Teachings" von Swami Sivananda, The Divine Life Society Publication. Nacherzählung der Geschichte "Prakriti und Purusha"
Uddhava sprach: „O Krishna! Obwohl Prakriti und Purusha ihrer Natur nach verschieden erscheinen, ist kein klarer Unterschied zwischen ihnen zu erkennen, denn sie durchdringen einander: Die Seele – der Atman – scheint in der Materie zu sein, und die Materie scheint in der Seele zu existieren.
So entsteht in mir ein Zweifel: Wie kann man sie unterscheiden, wenn sie so innig miteinander verwoben sind? Bitte löse diesen Zweifel auf – Du allein kennst die wahren Zusammenhänge Deiner Maya, Deiner geheimnisvollen Schöpfungskraft.“
Shri Krishnasprach:
„Prakriti und Purusha sind von Grund auf verschieden – zwei eigenständige Prinzipien:
- Prakriti ist unbelebt, unbewusst und unterliegt der ständigen Veränderung.
- Purusha ist bewusst, wahrnehmend und in sich selbst unveränderlich.
Das Universum mit all seinen Erscheinungen – Körper, Formen, Bewegungen – besteht aus den drei Gunas und ihren zahllosen Modifikationen.
Als das Gleichgewicht der drei Gunas – Sattva, Rajas und Tamas – gestört wurde, entstand aus ihrer Wechselwirkung die Welt. Diese ist den Gesetzen des Wandels unterworfen.
Meine Maya, die aus den drei Gunas gewoben ist, erschafft durch deren Zusammenwirken eine unendliche Vielfalt von Erscheinungen und Begriffen.
Diese lassen sich in drei grundlegende Wirkebenen gliedern:
- Adhyatma – das Subjektive, bezogen auf den Körper und das eigene Selbst,
- Adhidaiva – das Göttliche, bezogen auf die Lenkenden Intelligenzen, Gottheiten oder Devas hinter allen Erscheinungen,
- Adhibhuta – das Äußere, bezogen auf die Welt der Wesen und Dinge.
Ein Beispiel:
- Das Auge gehört zum Adhyatma,
- Form und Farbe zum Adhibhuta,
- Das Licht der Sonne – Surya – zum Adhidaiva.
Diese drei bedingen einander: Ohne das sehende Auge, ohne Licht, ohne ein sichtbares Objekt ist Wahrnehmung nicht möglich.
So wirken Purusha, Prakriti, Gunas und Maya in einem Zusammenspiel, das durch Unterscheidungskraft (Viveka) durchschaut werden kann.“
Der Atman ist die Ursache all dessen – und doch ist er wesensverschieden von allem, was aus ihm hervorgeht. Er ist aus sich selbst leuchtend – das heißt: Er bedarf keiner anderen Quelle. Er ist das ursächliche Licht, das alles andere erhellt.
So wie das Auge Licht braucht, um zu sehen,so benötigen auch alle anderen Sinnesorgane ein inneres Licht, um wahrzunehmen. Dieses Licht ist der Atman.
Die Sinnesorgane stehen jeweils in Beziehung zu bestimmten Elementen und göttlichen Prinzipien:
- Die Haut – zur Berührung und zum Element Luft,
- Das Ohr – zum Klang und zu den Himmelsrichtungen,
- Die Zunge – zum Geschmack und dem Wassergott Varuna,
- Die Nase – zum Geruch und den Ashwins (heilende Zwillingsgötter),
- Der Geist (Manas) – zu Vorstellungen und dem Mond,
- Der Intellekt (Buddhi) – zur Unterscheidungskraft und Brahma, dem Schöpfer,
- Das Unterbewusstsein (Chitta) – zur Erinnerung und zu Vasudeva,
- Das Ich-Bewusstsein (Ahamkara) – zur Identifikation und zu Rudra, dem Transformator.
Die erste Manifestation, wenn die Gunas in Bewegung geraten, ist Mahat – der kosmische Intellekt. Aus Mahat entsteht das universelle Ego – Ahamkara – mit seinen drei Aspekten:
- Sattva – Reinheit, Leichtigkeit, Licht,
- Rajas – Aktivität, Bewegung, Leidenschaft,
- Tamas – Trägheit, Dunkelheit, Schwere.
Diese drei Qualitäten strukturieren das ganze Universum. Dabei steht:
- Sattva für Adhidaiva (das Göttliche),
- Rajas für Adhyatma (das Ich-bezogene, Subjektive),
- Tamas für Adhibhuta (das Äußere, die Objekte der Welt).
Die zahllosen Dispute der Gelehrten darüber, ob diese Welt real ist oder unwirklich, sind letztlich Ausdruck einer tiefen Unwissenheit – nämlich des Nicht-Erkennens des Atman.
Denn: Vom Standpunkt des Atman aus – dem ewig Unwandelbaren, dem reinen Bewusstsein – haben all diese Diskussionen keine feste Grundlage. Sie sind wie Wellen auf dem Ozean – beweglich, vielfältig, vergänglich – während das Meer selbst still und unbewegt in seiner Tiefe ruht.
Sukadev über Prakriti
Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Prakriti
Was bedeutet Prakriti?
Prakriti bedeutet:
Der Begriff hat – je nach philosophischem Kontext – unterschiedliche Bedeutungen. So wie auch im Deutschen das Wort „Natur“ vieles bedeuten kann: die Außenwelt, das Wesen eines Menschen, das Unberührte oder auch die Gesamtheit aller Lebewesen.
Im weiteren Sinne steht Prakriti für:
- die gesamte Schöpfung,
- die materielle Welt,
- das Wandelbare,
- die Grundlage aller Erscheinungsformen im Universum.
Alles, was du siehst, hörst, riechst, fühlst, denkst – alles, was Form annimmt – gehört zur Prakriti.
Es gibt bestimmte philosophische Systeme, in denen Prakriti eine zentrale Rolle spielt – insbesondere:
- im Sankhya, wo sie die Urnatur ist, aus der alles Entstandene hervorgeht,
- im Yoga, wo sie als Gegenpol zu Purusha, dem reinen Bewusstsein, betrachtet wird,
- im Vedanta, wo sie mit Maya in Verbindung gebracht wird – der schöpferischen Kraft Gottes.
Prakriti ist damit nicht einfach „Materie“ im modernen physikalischen Sinn, sondern ein dynamisches, schöpferisches Prinzip, das ständig verändert, wandelt, gebiert und auflöst.
Prakriti und Purusha im Sankhya-System
Ein zentrales System, in dem der Begriff Prakriti eine besondere Bedeutung hat, ist das Sankhya. Sankhya ist eines der sechs klassischen Philosophiesysteme Indiens – bekannt als die Shat Darshanas (die „sechs Sichtweisen“). Die Sankhya-Philosophie lehrt, dass allem Erleben zwei grundlegende Prinzipien zugrunde liegen:
- Prakriti – die Natur, das Materielle, das Wandelbare,
- Purusha – das Bewusstsein, das Unveränderliche, das reine, beobachtende Selbst.
Alle Erfahrungen im Leben – körperlich, geistig, emotional – entstehen durch das Zusammenspiel von Prakriti und Purusha.
- Du bist in Wahrheit Purusha – das reine Bewusstsein.
- Du hast einen Körper und eine Psyche – aber du bist sie nicht.
Denn: Körper und Psyche sind Teil der Prakriti – der wandelbaren Natur. Die gesamte Welt ist Ausdruck dieser großen Prakriti. Und du – als Individuum – hast darin deinen eigenen Teil der Prakriti:
- Deinen Körper,
- Deine Psyche,
- Deine Persönlichkeitsstruktur,
- Deine Fähigkeiten, Neigungen, Emotionen.
All das ist deine individuelle Prakriti – aber du selbst, in deiner Essenz, bist Purusha – unveränderlich, ewig, rein.
Prakriti in der Bhagavad Gita
Ein weiterer bedeutender Kontext, in dem Prakriti eine zentrale Rolle spielt, ist die Bhagavad Gita.
In der Gita spricht Shri Krishna über Prakriti in zwei verschiedenen Bedeutungen:
1. Prakriti als kosmisches Prinzip
Krishna verwendet den Begriff Prakriti ähnlich wie im Sankhya-System: Als Gegenpol zu Purusha.
- Purusha steht für das Bewusstsein, das Unwandelbare, das göttliche Selbst.
- Prakriti ist die Natur, die Welt der Formen, der Wandel, die gesamte Schöpfung.
In diesem Sinne ist Prakriti die Grundlage aller Erscheinungen – alles, was geboren wird, sich verändert und vergeht.
2. Prakriti als individuelle Natur des Menschen
Krishna spricht aber auch über Prakriti im Sinne der persönlichen Veranlagung:
- Die individuelle Prakriti ist das, was einen Menschen in seiner inneren Tiefe ausmacht.
- Es ist die Persönlichkeitsstruktur, die Herzensneigungen, die tief verankerten Antriebe und Tendenzen.
Diese tiefere, innere Natur bestimmt maßgeblich, wie ein Mensch fühlt, denkt, handelt und spirituell strebt. Krishna betont:
- "Jeder handelt gemäß seiner eigenen Prakriti – selbst der Weise wird ihr nicht entkommen." (vgl. Bhagavad Gita 3.33)
Somit hat Prakriti in der Bhagavad Gita eine doppelte Bedeutung:
- als kosmisches Prinzip, das der gesamten Schöpfung zugrunde liegt,
- und als psychologische Realität – die individuelle Natur eines Menschen.
Wenn Du möchtest, kann ich eine parallele Übersicht beider Bedeutungen erstellen – oder eine Tabelle mit Gita-Versen, in denen „Prakriti“ in verschiedenen Bedeutungen erscheint.
Und er sagt: „Der Mensch muss seiner Prakriti folgen – er muss dem folgen, was er tief im Herzen ist. Er hat nur eine beschränkte Möglichkeit, sich selbst zu beherrschen.“ Natürlich sollte man äußere Wünsche beherrschen. Man sollte kein Sklave von Raga und Dwesha werden, man sollte Emotionen wie Gier, Ärger, Eifersucht und so weiter nicht einfach folgen. Doch darüber hinaus hat der Mensch eine Wesensnatur – eine Prakriti –, und es gilt, diese Prakriti zu leben: auf eine sattvige, reine Weise, im Dienst an Gott, im Dienst an den Menschen.
Jeder Mensch ist anders. Er muss für sich selbst herausfinden: „Wie kann ich den spirituellen Weg gehen? Wie kann ich meine Fähigkeiten und Talente einbringen? Und wie kann ich lernen, auf meine Natur – meine Prakriti – zu hören?“ Die Bhagavad Gita beschreibt daher diesen zweifachen Aspekt der Prakriti: die kosmische Prakriti und die individuelle Prakriti.
Ayurveda richtet ein besonderes Augenmerk auf die individuelle Prakriti. Diese individuelle Prakriti ist das Ergebnis eines bestimmten Zusammenspiels der drei Doshas: Vata, Pitta und Kapha.
Vata steht für das Luftprinzip, Pitta für das Feuerprinzip und Kapha für das Erd-Wasser-Prinzip.
Manche Menschen besitzen eine Prakriti, die eher luftig ist: leicht, voller Energie und Freude, ideenreich und kreativ – eben vom Vata-Typ.
Andere wiederum haben eine feurige Prakriti: Sie strahlen Enthusiasmus, Begeisterung und Durchsetzungsvermögen aus. Sie können andere mitreißen, sind leistungsfähig und anspruchsvoll – neigen jedoch auch zu Ärger und Zorn. Das ist der Pitta-Typ.
Dann gibt es Menschen mit einer ausgeprägten Kapha-Prakriti: eher gemütlich, freundlich, ruhig und manchmal etwas behäbig – aber mit großer Ausdauer und der Fähigkeit, langfristig viel zu bewirken.
Andere wiederum tragen zwei oder sogar alle drei Doshas in sich. Es heißt, dass die grundlegende Prakriti bereits bei der Geburt festgelegt ist – zumindest in gewissem Maß.
Im Laufe des Lebens kann sich jedoch das Gleichgewicht der Doshas verändern: Mal wird das eine Dosha stärker, mal ein anderer Anteil der Prakriti tritt mehr in den Vordergrund.
Zusätzlich zur Prakriti im Ayurveda gibt es auch den Begriff Vikriti. Vikriti bezeichnet die gestörte Natur – das, was vom ursprünglichen Gleichgewicht abweicht. Das Präfix „Vi-“ steht dabei für das Gegenteil, also eine Abweichung oder Störung.
Wenn zum Beispiel jemand von Natur aus ein Kapha-Typ ist – freundlich, mitfühlend und gemütlich – aber gezwungen ist, tausend Dinge gleichzeitig zu erledigen, kann es sein, dass er aus dem Gleichgewicht gerät und eine Vata-Störung entwickelt. Man spricht dann von einer Vata Vikriti.
Das bedeutet: Auch ein Kapha-Mensch kann eine Vata-Störung haben, wenn äußere Umstände seine natürliche Prakriti überfordern oder verdrängen.
Es gilt also, zu lernen, seiner Prakriti zu folgen – seiner Natur gemäß zu leben, ohne darin zu übertreiben. Denn wer viel Vata in sich trägt, kann leicht in eine Vikriti geraten – ein übersteigertes, aus dem Gleichgewicht geratenes Vata.
Der eigene Natur zu folgen, ohne daran zu haften; in Einklang mit sich selbst zu leben, und dabei innerlich rein zu bleiben – das ist die Kunst des spirituellen Lebens.
So sagt es auch Krishna:
- „Folge deiner Prakriti, deiner wahren Natur.
- Werde jedoch nicht zum Sklaven von Mögen und Nicht-Mögen.
- Bringe alles Gott dar – und handle auf sattvige, reine Weise.“
Der Entsagende weiß, dass nur die Prakriti wirkt
Ausschnitt aus dem Buch "Der Gesang des Heiligen. Eine philosophische Episode des Mahabharatam". Eine Übersetzung der Bhagavadgita von Paul Deussen. Leipzig. F.a. Brockhaus. 1911. S. 37-42. So lautet in der Bhagavadgita Werkverzicht und Werkhingebung (Karma - Sannyasa - Yoga).
Arjuna sprach:
- 1. (1036.) Du rühmst, o Krishna, den Verzicht auf die Werke und wiederum Hingebung an dieselben. Was ist von diesen beiden das Bessere? Das sage mir mit Bestimmtheit.
Der Heilige sprach:
- 2. (1037.) Verzicht auf die Werke und Hingebung an sie, beides führt zum höchsten Heil; aber unter ihnen wird der Verzicht von der Hingebung an die Werke übertroffen.
- 3. (1038.) Der ist zu wissen als ein beständig Verzichtender, welcher nicht hasst und nicht begehrt; denn frei von den Gegensätzen [des Lebens], o Großarmiger, wird er leicht von der Bindung erlöst.
- 4. (1039.) Nur die Toren behaupten, dass Sankhyam (Weg der Reflexion) und Yoga (Weg der Verinnerlichung) verschieden seien, nicht aber die Weisen. Wer auch nur eines von ihnen richtig betreibt, der erlangt die Frucht aller beiden.
- 5. (1040.) Die Stätte, welche von den Reflektierenden (Sankhyaih) errungen wird, eben diese wird auch von den Yoga-Übenden erlangt. Eines sind das Sankhyam und der Yoga. Wer das sieht, der ist sehend.
- 6. (1041.) Aber das Verzichten, o Großarmiger, ist schwer zu erlangen, wenn es nicht vom Yoga ausgeht; während der dem Yoga sich hingebende Weise in kurzer Zeit das Brahman erreicht.
- 7. (1042.) Wer dem Yoga sich hingegeben hat, reinen Wesens, besiegten Wesens, mit bezähmten Sinnen, und dessen Selbst zum Selbste aller Wesen geworden ist, der wird, auch wenn er Werke tut, nicht befleckt.
- 8. (1043.) Wer dem Yoga hingegeben die Wesenheit erkennt, der ist sich bewusst, dass nicht er es ist, welcher irgendein Werk tut, und wenn er sieht und hört und fühlt und riecht, wenn er isst und wandelt, schläft und atmet,
- 9. (1044.) wenn er redet, ausscheidet und greift, die Augen öffnet und schließt, so ist er sich dabei bewusst, dass es nur seine Sinnesorgane sind, welche sich mit den Sinnendingen befassen.
- 10. (1045.) Wer so handelt, dass er seine Werke dem Brahman weiht und sich von dem Hang [nach Lohn] freigemacht hat, der bleibt vom Bösen unbefleckt, wie das Lotosblatt vom Wasser.
- 11. (1046.) Nur mit dem Leibe, mit dem Manas und der Buddhi, nur mit den Sinnesorganen allein vollbringen die Yogis das Werk, indem sie die Anhänglichkeit [an den Lohn] fahren lassen, um ihre Seele (Atman) reinzuhalten.
- 12. (1047.) Der dem Yoga sich Hingebende verzichtet auf die Frucht der Werke und erlangt den unvergänglichen Frieden; der Nicht-Hingegebene handelt aus Begierde, ist anhänglich an den Lohn und bleibt gebunden.
- 13. (1048.) Alle Werke mit Bewusstsein von sich werfend sitzt er da, heiter und Herr [seiner Sinne], der Träger des Leibes in der Stadt mit den neun Toren [dem Leibe], indem er weder handelt noch handeln lässt.
- 14. (1049.) Nicht das Tätersein und nicht die Werke schafft der Herr der Welt [der Purusha], noch auch den Zusammenhang zwischen den Werken und ihrem Lohne, vielmehr ist es die eigene Natur (Svabhava: Prakriti), die sich darin betätigt.
- 15. (1050.) Nicht das Böse von irgendwem und nicht sein gutes Werk erkennt der Allmächtige an als sein, sondern es ist die Verdunkelung des Wissens durch das Nichtwissen, vermöge dessen die Geschöpfe in der Irre gehen.
- 16. (1051.) Aber diejenigen, bei denen dieses Nichtwissen vernichtet ist durch die Erkenntnis des Atman, deren Erkenntnis macht ihnen gleichwie eine Sonne jenes Höchste offenbar.
- 17. (1052.) Dieses erkennend, dieses als ihr Selbst erfassend, in diesem feststehend, dieses als höchstes Ziel habend, gehen sie ein dorthin, von wo es keine Wiederkehr gibt, sie, welche durch die Erkenntnis das Böse abgeschüttelt haben.
- 18. (1053.) In dem mit Wissenschaft und Zucht begabten Brahmanen, in dem Ochsen, in dem Elefanten, ja sogar in dem Hunde und in dem Hundefleischverzehrer sieht der Weise eines und dasselbe.
- 19. (1054.) Schon hienieden haben sie sich das All erobert, deren Geist darin fest geworden ist, in allem das Gleiche zu sehen. Denn sündlos ist das in allem gleichmäßig vorhandene Brahman, darum sind sie fest beharrend in dem Brahman.
- 20. (1055.) Er freut sich nicht, wenn ihm Angenehmes begegnet, er bleibt unerschüttert, wenn ihn Unangenehmes trifft; festen Sinnes und unbeirrt kennt er das Brahman, steht er im Brahman fest.
- 21. (1056.) An den Berührungen der Außenwelt hängt sein Atman nicht, in sich selbst findet er, was ihn beglückt; der Hingebung an Brahman mit ganzer Seele ergeben erlangt er unvergängliches Glück.
- 22. (1057.) Alle Freuden, welche aus der Berührung mit der Welt entspringen, die sind eine Quelle der Leiden, sie haben einen Anfang und ein Ende, o Kuntisohn, nicht freut sich ihrer der Weise.
- 23. (1058.) Wer schon hienieden vor der Erlösung vom Leibe den Sturm zu bewältigen weiß, der aus Lust und Zorn entspringt, der ist ein Hingegebener, ist ein glückseliger Mann.
- 24. (1059.) Wer in sich die Freude, in sich das Ergötzen findet und in sich das Licht, der ist ein Yogi, und, zu Brahman geworden, gelangt er zum Erlöschen in Brahman (Brahmanirvanam).
- 25. (1060.) Dieses Erlöschen in Brahman erlangen die Rishis, wenn die Sünde vernichtet, die Zweiheit abgeworfen, das Selbst bezähmt ist, sie, welche sich am Wohle aller Wesen erfreuen.
- 26. (1061.) Für die von Lust und Zorn befreiten Selbstbezwinger, die ihre Gedanken im Zaume halten und den Atman erkannt haben, tritt ganz und vollständig [[[Abhitas]], nach Shankara: im Leben und Tode] das Erlöschen im Brahman ein.
- 27. (1062.) Wer die Berührungen der Außenwelt nach außen zurückdrängt und das Augenmerk auf den Punkt zwischen den Brauen richtet [wo nach Brahmasutra 1,2,32 der Sitz des Atman ist], wer Einhauch und Aushauch einander gleich macht und so durch das Innere der Nase streichen lässt,
- 28. (1063.) wer als ein Muni Sinne, Manas und Buddhi bezähmt, der Erlösung als höchstem Ziel zustrebt und Wünschen, Fürchten und Zürnen von sich abtut, der ist für immer erlöst.
- 29. (1064.) Und indem er mich erkennt als den Empfänger aller Opfer und Kasteiungen, als den großen Herrn aller Welten und als den Freund aller Wesen, geht er ein zum Frieden.
Siehe auch
- Mulaprakriti
- Prakrita
- Vikriti
- Akriti
- Kriti
- Bhagavadgita
- Kshetra
- Purusha
- Amrita Siddhi Vers 9.1
- HYP Jahresgruppe
- Sanskrit Kurs Lektion 1
Literatur
- Sukadev Bretz: Die Bhagavad Gita für Menschen von heute
- Swami Sivananda: Bhagavad Gita
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- Swami Sivananda: Sadhana
- Swami Sivananda: Inspiration und Weisheit
- Swami Sivananda: Erfolgreich leben und Gott verwirklichen
- Sri Shankaracharya: Das Kronjuwel der Unterscheidung
- Paul Deussen: "Der Gesang des Heiligen. Eine philosophische Episode des Mahabharatam". Übersetzung der Bhagavadgita. Leipzig. F.a. Brockhaus. 1911.
- Dowson, John: A Classical Dictionary of Hindu Mythology and Religion – Geography, History and Religion; D.K.Printworld Ltd., New Delhi, India, 2005
Weblinks
- Vedanta Meditation und Jnana Yoga
- Bhagavad Gita
- Offizielle Homepage von Yoga Vidya, Möglichkeit zur Mantra-Weihe und spirituellen Namensgebung
- Offizielle Homepage von Yoga Vidya
- Divine Life Society - Sivananda Ashram
Seminare
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- 07.01.2026 - 16.12.2026 Jahresgruppe Sanskrit - Lektüre der AMRITA SIDDHI - Online
Termine: 16x Mittwoch 07.01.2026, 28.01., 18.02., 11.03., 01.04., 22.04., 13.05., 03.06., 24.06., 15.07., 09.09., 30.09., 21.10., 11.11., 02.12., 16…- Dr phil Oliver Hahn
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