Marma Therapie
Marma Therapie ist eine Disziplin im Ayurveda. Marmas sind Energiepunkte, Energiefelder im Körper bzw. im Feinstoffkörper, welche verantwortlich sind für den Fluss der Energien (Prana) und für die Funktion der Organe. Marma Therapie ist das bewusste Stimulieren dieser Marmas mittels verschiedener Techniken.
Ayurveda Marma Therapie
Artikel von Bhajan Noam
Grundlagen der Marma Therapie: Begriffserklärungen
Ayurveda ist die Wissenschaft vom Leben (auch: vom langen und gesunden Leben). Ayus = Leben, Veda = Wissen. In den Schriften wird betont, dass Freiheit von Krankheit die Basis für die Verwirklichung der Lebensziele ist, wobei das höchste Ziel in der indischen Tradition die spirituelle Vervollkommnung darstellt. Ayurveda und Yoga stehen seit alters her in einer engen Verbindung. Die Therapien des Ayurveda beinhalten Anwendungen wie verschiedene Massageformen, Ölgüsse, Bäder, Erwärmungen und pflanzliche Heilmittel. Gleichzeitig wird der Patient ermutigt, eine gesunde Ernährung, Körperübungen und Atemübungen und eine positive geistige Grundhaltung in Form von Gleichmut und Frohsinn zu kultivieren, da negative Gemütszustände die körperliche Gesundheit in Mitleidenschaft ziehen.
Marma: Das Wort kommt wie die übrigen Begriffe aus dem Sanskrit und bedeutet „Gelenk“, auch „empfindliches Körperteil“. Im Ayurveda kennt man 107 solcher Stellen am Körper, die während einer Massage mittels verschiedener Techniken manuell stimuliert werden.
Marma Yoga ist eine Übungsform im Yoga, bei der man visuell, mental und vom Atem begleitet die Marmapunkte fokussiert. Dadurch wird ein Lösen der Anspannung und damit einhergehend ein verbesserter Energiestrom (Pranastrom) bewirkt.
Prana bezeichnet einmal die physische Atemluft, steht jedoch in den indischen Texten primär für die kosmische Energie, die lebensspendende Essenz, die der Atem dem Körper zuführt und über die Energiebahnen (Nadis) verteilt.
Nadi bezeichnet einen feinstofflichen Nervenkanal, durch den die Lebensenergie fließt. In den alten Texten wird die Anzahl als 72 000 beziffert, womit eine unendliche Zahl an Verbindungen gemeint ist (ähnlich der Nervenverbindung).
Sushumna, Ida, Pingala sind die drei Hauptenergiekanäle im Verlauf der Wirbelsäule. Sushumna ist der zentreale Energiekanal, der durch das Rückenmark verläuft. Ida und Pingala verlaufen gegenläufig spiralförmig um die Wirbelsäule. Die Basis aller drei Kanäle ist der Kreuzbein/Steißbeinbereich. Sushumna bedeutet wörtlich „liebenswürdig, freundlich, gnädig“. Dieser Energiekanal steigt auf bis zur Krone des Schädels, die „Brahmarandhra“ genannt wird. Ida hat in den vedischen Schriften die Bedeutung „Erfrischung, Belebung, Erholung“. Dieser Kanal nimmt Prana durch das linke Nasenloch auf und wirkt kühlend. Pingala mündet in das rechte Nasenloch, durch diesen Kanal fließt wärmende Energie. Pingala bedeutet „rötlich“, er wird auch Surya Nadi genannt, der Sonnen-Kanal.
Chakra heißt wörtlich „Rad, Kreis, Wirbel“. Es ist in feinstoffliches Austauschorgan (Aufnahme und Abgabe) für Prana, die kosmischen Energien. Nach der indischen Lehre gibt es sieben Chakras, die mit dem zentralen Energiekanal (Sushumna) verbunden sind. Die Marmapunkte gelten als sogenannte Nebenchakras.
Bhuta bezeichnet die fünf Elemente der materiellen Welt: Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther. Ziel einer ayurvedischen Behandlung ist es, diese fünf Elemente ins Gleichgewicht zu bringen.
Dosha ist ein Begriff für die drei Körpertemperamente Vata, Pitta, Kapha, aus deren Zusammenwirken körperliche, emotionale und geistige Vorgänge erklärt werden. Vata, Luft, hat die Eigenschaften leicht, trocken, fein, kalt und flüchtig; Pitta, Galle, wirkt heiß, scharf und stechend; Kapha, Schleim, steht für Festigkeit, Schwere und Kühle. Gunas sind die Ursprungsqualitäten Sattva (Ausgeglichenheit, Ruhe), Rajas (Tatendrang, Aggression), Tamas (Trägheit, Starrheit).
Die Entstehungsgeschichte der Marma-Therapie
Die Wissenschaft der Marma-Therapie geht weit zurück in die indische Zivilisationsgeschichte, die eine der ältesten der Menschheit ist. Wahrscheinlich ist sie 3000 Jahre alt oder älter. Früh schon erkannte man die Heilkraft, die von bestimmten Punkten am Körper ausgeht und eine geheimnisvolle Fernwirkung auf Organe und andere Körperteile ausübt. Es gab aber parallel dazu auch eine Kampfkunst, Kalaripayak genannt, die sich die Verletzbarkeit dieser Punkte zunutze machte. Deswegen wurde das Wissen lange geheim gehalten und nur von Meister zu Schüler weitergegeben. In der Chirurgie, die im Ayurveda ebenfalls schon früh praktiziert wurde, wusste man um die Marmapunkte und vermied es, diese bei chirurgischen Eingriffen zu verletzen. In gleicher Weise, wie von den Marmapunkten bei gekonnter Massage eine heilsame Wirkung ausgeht, kann eine Verletzung der Punkte zu einem gefährlichen Energieverlust führen. In den heutigen westlichen Ayurveda-Behandlungen spielt die Marma-Massage zwar eine wesentliche Rolle, bleibt aber meistens im Wellnessreich und nutzt selten die enormen therapeutischen Möglichkeiten, die uns mit ihr zur Verfügung stehen.
Die Marmapunkte
Marmapunkte sind sowohl Nerven- wie auch Energiepunkte. Sie liegen einerseits an Stellen, wo Nerven besonders an die Oberfläche treten und sind deshalb bei zu festem Druck schmerzhaft und eben auch leicht verletzbar, andererseits sind es Punkte, die Energie empfangen und speichern und bei entsprechender Stimulierung durch eine Massage diese an die ihnen zugeordneten Bereiche abgeben.
Marmapunkte haben ein lokale Wirkung, eine Fernwirkung sowie eine allgemeine und ganzheitliche Wirkung.
Was die Namen der einzelnen Marmapunkte und deren Lage am Körper betrifft, gibt es unterschiedliche Schulen in Indien. Ich verwende die Namen, die ich gelernt habe und die sich größtenteils auch hier im Westen eingebürgert haben. Was deren Lage betrifft, orientieren wir uns an der Anatomie, denn jeder Punkt ist klar anatomisch zuordenbar. Die Marmapunkte stehen in energetischem Austausch mit den sieben Chakras, deren Funktionsweisen später im Skript ausführlich beschrieben werden.
Das Konzept der Marma-Therapie
Die anspruchsvolle Marma-Therapie wird als eine der hervorragenden Werkzeuge in der ayurvedischen Heilkunde bezeichnet. Die Vitalpunkte gelten als Sitz von Prana, der alles lenkenden und alles beeinflussenden Lebensenergie. Eine einfühlsam durchgeführte Therapie erhöht die Bioenergien (Doshas), in denen oft noch verschiedene Emotionen gehalten werden: Vata (Angst), Pitta (Wut) und Kapha (Starrsinn). In einem transformatorischen Prozess werden die subtilen Essenzen Ojas und Tejas freigesetzt. Ojas ist eine subtil-physische Kraft, die den ganzen Körper nährt und Gesundheit sowie spirituellen Fortschritt fördert. Tejas bedeutet „Glanz“, „Leuchten“, „Schönheit“ und ist das, was wir eine körperlich und spirituell gesunde, kraftvolle und würdevolle Ausstrahlung nennen. Durch meisterliches manipulieren der Marmapunkte wird eine auf Gesundheit, Wohlergehen und positiven Persönlichkeitswandel ausgerichtete Energie freigesetzt. Das gelingt, wenn der Therapeut sich während der Behandlung in den Zustand einer wachen Präsenz, einer meditativen Aufmerksamkeit versetzt. Dazu ist eine regelmäßige Meditationspraxis Voraussetzung.
Behandlungstechniken
Die Marmabehandlung ist eine therapeutische Berührung, bei der Massage und Druck auf die Marmapunkte ausgeübt wird. Es gibt unterschiedliche Techniken, um die Punkte zu stimulieren. Ayurveda nutzt häufig Kräuteröle, deren Rezepturen eine uralte Tradition haben. Ich benutze die praktikablere rein manuelle Variante, um Energie zu erhöhen, Flexibilität zu erzeugen, Toxine zu reduzieren und andere Veränderungen zu erzeugen, die eine Heilung herbeiführen. Dabei unterscheide ich vier Stufen der therapeutischen Beeinflussung:
1. Anfänger, die energetisch noch nicht viel spüren, werden zunächst mehr technisch arbeiten. Die übliche Vorgehensweise ist ein sanftes Druck geben auf dem jeweiligen Punkt, den Druck etwa fünf bis sieben Sekunden halten und wieder lösen; das kann einige Male wiederholt werden, bis man zum nächsten Punkt weitergeht. Hierbei bleiben wir im Wellnessbereich, es wirkt in gewisser Weise entspannend, hat aber keine besondere Tiefenwirkung. – Eine andere Technik ist ein langsames Kreisen mit dem Daumen, wobei ein an- und abschwellender Druck ausgeübt wird. Das Kreisen geschieht immer rechts herum (= Energie zuführend; links herum wäre Energie entziehend). Wichtig: jeden Punkt am Ende verschließen (ausstreichen).
2. Die zweite Stufe ist ein Begleiten des Atems, das bedeutet: beim Einatmen wird Druck gegeben und beim Ausatmen wird der Druck langsam und verzögert (wichtig!) gelöst. Über den Atemrhythmus dringen wir schon wesentlich tiefer in das energetische Geschehen ein. Da viele Menschen einen flachen und schnellen Atem haben, muss in dem Fall der Druck über zwei oder drei Atemzüge gehalten werden. Das übt man 10/12 mal an jedem Punkt aus. – Es können viel der Punkte auch mit Dehngriffen stimuliert und geöffnet werden.
3. Marmapunkte haben einen feinen energetischen Rhythmus, der sehr unterschiedlich sein kann. Sobald man beginnt diesen zu spüren, kann man sich sowohl mit dem „Druck geben und lösen“, wie auch mit dem „Kreisen“ in diesen Rhythmus mit hineinbegeben und ihn begleiten. Hierbei befinden wir uns schon auf einer tieferen Ebene, die einerseits unsere ganze Präsenz erfordert, andrerseits gezielter Heilprozesse anregen wird.
4. Prana-Heilung über die Marmapunkte. Dies ist die subtilste Stufe der Marma-Therapie. Der ayurvedische Heiler kann dabei ohne signifikante Berührung den physischen Zustand, wie auch besonders den Geist, die Gefühle und das tiefere Bewusstsein eines Menschen behandeln. Man nennt dies die subtile sattvische Form der Berührung. Sie setzt voraus, dass der Behandler gelernt hat, über den Atem Prana in sich anzureichern und über seine Hände in gezielter und wohl dosierter Weise abzugeben. Er wird zum Kanal für die Energie.
Eine besondere Form stellt die Behandlung der Marmapunkte mit Edelsteinen dar. Das kann mit unterschiedlichen Edelstein-Massagestäben geschehen oder durch ein Auflegen von Edelsteinen. In der Edelstein-Therapie gelten die Marmapunkte und ebenso die Chakras als günstigste Auflageflächen, weil beide besonders befähigt sind, die subtilen Energien aufzunehmen und weiterzuleiten. Die Beschäftigung mit diesem Thema in Bezug auf Patienten setzt allerdings eine hinlängliche eigene Erfahrung mit Edelsteinen voraus. – Statt einer manuellen Behandlung kann allerdings auch der Anfänger gängige Massagestäbe aus Rosenquarz oder Bergkristall einsetzen und die Massage in gleicher Weise wie unter 1. beschrieben durchführen. Die Steine müssen vor der Behandlung leicht erwärmt werden.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Behandlung mit Klang; das kann mittels Therapie-Stimmgabeln oder ausgewählter Klangschalen geschehen. Auch für Klangschwingungen haben sich die Marmapunkte wie auch die Chakras als besonders empfänglich erwiesen.
Ayurvedische Philosophie - Die Intention bei der Behandlung und die innere Einstellung des Patienten
Um eine Behandlung tiefgreifend wirksam zu gestalten, erzeugt der Therapeut ein gesammeltes (d.h. achtsames), empfindendes, handelndes Einswerden. Handelnder, Handlung und Empfangender sind in einem Energiekreislauf eingebunden, ohne dass der Therapeut sich selbst dabei aus dem Bewusstsein verliert. Er sieht den übergeordneten Prozess, an dem er, sein Tun und der Empfänger in gleicher Weise aber unterschiedlich beteiligt sind. Das nennt man im Ayurveda die sattvische (hohe, bewusste und reine) Kunst des Therapierens.
Dabei ist der Patient aufgefordert wach in seinem Körper zu sein und spürend mitzuempfinden, was er während des Behandlungsverlaufs wahrnimmt an Impulsen auf körperlicher, emotionaler oder gedanklicher Ebene und welche Veränderungen daraus erwachsen. Dem Patienten muss verständlich gemacht werden, dass Passivität keine anhaltende Veränderung bewirken kann.
Nur in der Begegnung "zweier Bewusstseins" (das des handelnden Therapeuten und das des aktiv empfangenden Patienten) leuchtet ein helles Licht der Heilung auf und breitet sich im Körper/Seele/Geist-System wirkgewaltig aus. Das Kranke und Schadhafte sowie alles bisher Unbewusste wird beseelt, von außen durch die Intention des Therapeuten und von innen durch die Intention des Patienten. Anstelle eines häufig nur funktionierenden Körpers und Geistes inkarniert sich nun eine ganzheitliche beseelte Wesenseinheit.
Atem (Prana) beseelt, wenn wir ihn beseelt annehmen; um ein Geschenk annehmen zu können, gehört die Eigenleistung dazu: das Öffnen der Hände und des Verstandes. Zum Annehmen des Neuen gehört das Loslassen alter Geschichten. Zum Annehmen der Freude – und das wahre Leben ist nichts anderes als ein Freudenspender – gehört das Loslassen der Schmerzen und des leidvollen Denkens. Dies zu unterstützen ist der Therapeut nach seinem ursprünglichen Selbstverständnis für eine Weile ein freundlicher Begleiter auf dem Weg.
Der Therapeut (eine kurze und prägnante Beschreibung)
Ein Therapeut lebt ein einfaches, sich selbst und der Natur zugewandtes Leben. Wenn er sich anderen zuwendet, geschieht dies stets als ein einmaliger Akt der Liebe - ohne Konsequenzen, und doch nicht ohne Folgen. Das meint, er vermeidet es, Erwartungshaltungen an ihn entstehen zu lassen. Das erst macht jede Begegnung so wertvoll und heilsam.
Er behandelt in einer gelassen und vertrauensvollen inneren Haltung. Deshalb meditiert er regelmäßig, um stets zentriert, geerdet und in seiner Kraft zu sein. Euphorie, Trauer, Wut und Begierde sind keine Freunde therapeutischer Tätigkeit, deshalb vermeidet oder transformiert es sie. Er spricht und arbeitet mit großem Einfühlungsvermögen, mit all seiner Kenntnis, mit Klarheit und aus tiefer Intuition.
Als Therapeut ist er sich seines Einflusses auf den Patienten bewusst. Er ist demütig gegenüber der Schöpfung und allen Wesen. Er ist stets wach und informiert und tritt mit der Autorität seiner Erfahrung, seines Wissens und Könnens auf, bleibt dabei aber ein bescheidener Diener des Lebens und ein beratender Freund.
Er trägt Verantwortung für seine Tätigkeit und deren Folgen. Er lässt sich keine Verantwortung aufbürden, die der Patient für sich selbst nicht tragen will oder auch scheinbar nicht zu tragen vermag. Deshalb wird er seinen Patienten zur rechten Zeit daran erinnern, die Verantwortung für sich selbst und seine Macht über sein Leben nicht auf- oder abzugeben. Er erklärt ihm in seinen Worten und nach dessen Verständnis, er möge Krankheit als eine vorüberziehende Wolke vor der Sonne seiner wahren Kraft und Lebendigkeit betrachten, er solle mit Geduld und Gelassenheit aber auch mit eigenem Einsatz und mit wachsender Selbsterkenntnis den Heilungsprozess begleiten.
Als Therapeut ist er zugleich auch ein weiser aber unaufdringlicher Lehrer, ein Aufklärer, der zu Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit ermutigt. Wirkliche Heilung bringt nur die Wahrheit, die jeden in der eigenen Tiefe beseelt. An diesem Kern rüttelt er mit seiner ganzen spirituellen Kraft. Das ist neben der vollkommenen Beherrschung seines Handwerks die eigentliche Arbeit. Sie ist die hohe Kunst wahren Menschseins und adelt den, der sie verinnerlicht hat.
- © 2019 Text: Bhajan Noam
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Marma Therapie
- Ein Beitrag aus dem Yoga Vidya Journal Nr. 43, Winter 2021 von Dr. Devendra Prasad Mishra -
- - Übersetzung aus dem Englischen von Raphael Mousa -
Ayurveda, eines der ältesten Heilsysteme der Welt, bietet unzählige Ansätze und Konzepte für die Behandlung aller Arten von gesundheitlichen Problemen. Eines davon sind die Marmas.
Das Konzept der Marmas im Ayurveda, der Chakras im Yoga und des Meridiansystems in der Akupunktur ähneln einander sehr. Ayurveda, wörtlich übersetzt die „Wissenschaft vom Leben“, glaubt an die ganzheitliche Behandlung von Körper, Geist und Seele, um einen vollkommenen Gesundheitszustand zu gewährleisten und diese uralte Weisheit spiegelt sich auch im einzigartigen Konzept und der Zusammensetzung der Marmas wider. Ein anderes, sich gleichzeitig entwickelndes Heilsystem, das Yoga, basiert auf der Annahme einer Hierarchie von sieben Hauptenergiezentren im Körper, den Chakras, die mit den inneren Organen über ein Netz von Tausenden von Kanälen (oder Meridianen), den Nadis, in Verbindung stehen, während das chinesische Medizinsystem und die Akupunktur, auf einem ähnlichen Konzept bioenergetischer Kanäle in Form von Meridianen beruht.
Die Zusammensetzung der Marmas:
Abgesehen von der groben anatomischen Beschreibung werden in der ayurvedischen Literatur 107 oberflächlich und tief gelegene Stellen am menschlichen Körper genannt, an denen sich die Pranakanäle Dhamani, Sira, Asthi, Kandara, Mamsa, Snayu oder Sandhi kreuzen oder verbinden und an denen zwölf Pranas (die Komponenten der Lebens- oder Vitalenergie) wohnen oder durch sie fließen. Diese Zusammensetzung und die Lage dieser lebenswichtigen Punkte machen sie zu hochgradig gefährdeten Bereichen, die als Marma (Marmapunkte) oder Jeevasthana oder Pranayatana bezeichnet werden.
Historische Verwendung der Marmas:
Siravedhan und die Beachtung der Marmapunkte bei chirurgischen oder parasitären Eingriffen (als Karnavedhana) waren in der fast 5000 Jahre alten vedischen und der folgenden Samhita-Periode verbreitet. Lord Dhanvantari hatte diese Methoden in einer sehr einfachen und praktischen Form ausgearbeitet, wie in der Sushruta Samhita beschrieben. Während dieser Periode war die Behandlung durch Dhamani, Sira und Marma in ihrem am höchsten entwickelten Zustand. Danach wurden jedoch keine weiteren Fortschritte in der MarmaTherapie beobachtet, stattdessen ging ihre Anwendung in Indien aufgrund der häufigen ausländischen Invasionen und der Kolonialherrschaft allmählich zurück.
Therapeutisches Potenzial der Marmas:
Durch die ihnen innewohnenden Pranakanäle stehen die Marmapunkte in Beziehung zu verschiedenen inneren Organen, Doshas und Srotas. Daher können diese Punkte verwendet werden, um die Funktion der inneren Organe zu beeinflussen (zu stimulieren oder zu hemmen). So kann einerseits jede Verletzung an diesen Punkten zu schweren Schmerzen, Behinderung, Funktionsverlust, Verlust von Empfindungen oder Tod führen (das heißt, Krankheiten an diesen Punkten haben eine schlechte Prognose); andererseits kann eine vernünftige Anwendung eines angemessenen therapeutischen Verfahrens an den spezifischen Marma-Punkten zur Behandlung verschiedener Krankheitszustände und zur Förderung der Gesundheit eingesetzt werden.
Therapeutisches Spektrum der Marma-Therapie:
Viele wissenschaftliche Forscher haben nachgewiesen, dass während verschiedener yogischer Haltungen (Asanas) und Atemtechniken (Pranayamas) Hormone im Körper ausgeschüttet werden, die bei der Heilung vieler Krankheiten hilfreich sind. Marma-Punkte sind ebenso nützliche bioenergetische Punkte, die sich auf der Körperoberfläche befinden und die, sobald sie gedrückt/punktiert werden, eine therapeutisch nützliche Kette von Sequenzen stimulieren können, indem sie das oberste Chakra-System über das Dhamani-, Sira- und Srotas-System des Ayurveda beeinflussen. Marma Chikitsa (Marma-Therapie) kann somit die Funktion der Körperorgane verbessern, indem es eine Homöostase erreicht, was es zu einem der vielseitigsten und praktischsten ayurvedischen und yogischen Werkzeuge zur Behandlung aller Arten von Gesundheitsproblemen macht. In der Tat können die Marma-Therapie, die yogischen Chakras und das chinesische Meridiansystem in einer sich gegenseitig ergänzenden Weise verwendet werden.
Methoden der Marma-Therapie:
Es gibt viele Behandlungsmethoden, die direkt oder indirekt durch die Beeinflussung der Marmas wirken, aber alle erfordern im Grunde die Anwendung einer Art von Druck oder / und geeigneter Medikamente auf die verschiedenen Marmapunkte. Im Allgemeinen kann eine Anwendung von Druck auf die entsprechenden Marmas die normale Funktion des Pranas (Lebenskraft) in kranken Körperteilen wiederherstellen. Daher hat Marma-Therapie weitreichende Indikationen, wie zum Beispiel zum Ausgleich der Tridoshas, zur Steigerung des Agnis (Verdauungs- und/oder Stoffwechselfeuer), zur Förderung der Heilung, zur Beseitigung von Ama (Schlacken), sowie zur Förderung von Gesundheit und Vitalität (Rasayana- und Vajikarana-Effekte). Bei richtiger Anwendung kann sie eine fast sofortige Schmerzlinderung bewirken, wohingegen ihre unsachgemäße Anwendung zu schweren Schmerzen, Behinderungen oder zum Tod führen kann - wie es in den Kampfkünsten wissentlich geschieht! Es sollte also immer daran gedacht werden, dass diese Therapien nicht wahllos auf alle Marmapunkte (insbesondere den Sadyahapranahara und die Trimarmas) angewendet werden sollten. Gegenwärtig verwenden viele Therapeuten die Marmapunkte während der Abhyanga (Massage), zusammen mit der Anwendung verschiedener ayurvedischer und aromatischer Öle, je nach den Symptomen der Patienten.
Die spirituellen Aspekte der Marmas:
Meiner Meinung nach (in erster Linie basierend auf dem Wissen der Sushruta Samhita) können Marma-Punkte verwendet werden, um die Tridoshas auf der körperlichen Ebene und die Trigunas auf der geistigen Ebene auszugleichen, da zwölf Pranas [nämlich Soma, Vayu, Agni, Sattva, Rajas, Tamas; fünf Sinnesorgane oder ihre Elemente (Panchamahabhutas); und besonders Atma (Seele)] in den Marmas residieren. Das wiederum bedeutet, dass körperliche und nicht-körperliche Symptome über verschiedene Marmapunkte gefühlt werden können, da alle inneren Organe mit einem oder mehreren Marmapunkten verbunden sind. So können Marmas sowohl zur Heilung als auch zu diagnostischen Zwecken verwendet werden. Die Trigunas sind die psychologische Manifestation des Tridosha-Aspekts des Menschen, daher kann Marma-Therapie sowohl zur Behandlung physischer als auch psychologischer Krankheiten eingesetzt werden. Da Ayurveda auch den spirituellen Aspekt von Marma bekräftigt, indem es Triguna und Atma in Betracht zieht, ist es sehr wahrscheinlich, dass Marmas auch Verbindungen zu den subtilen Nadis haben, was sie mit dem Chakra-System verbindet, der höheren Energiequelle (gemäß den yogischen Wissenschaften). Die Marmas stehen also direkt oder indirekt mit den Doshas, den Sapta-Chakras und den Nadis in Verbindung, und man kann davon ausgehen, dass sie wichtige Sitze der psycho-neuro-endokrino-immunologischen Bahnen sind, die beeinflusst werden können, um die physischen, mentalen und spirituellen Funktionen zu regulieren und so die Herstellung beziehungsweise Wiederherstellung eines vollständigen Zustands von Gesundheit und Vitalität zu ermöglichen. Die Marma-Therapie kann also helfen, die körperlichen, geistigen und spirituellen Energien zu steigern oder wieder aufzuladen.
Fazit:
An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass eine genaue theoretische und praktische Kenntnis der oben genannten Aspekte notwendig ist, ohne die therapeutische Effekte unmöglich sind und sogar Komplikationen auftreten können. Der Einsatz der Marmas kann bei extremen Altersgruppen (Kinder und ältere Menschen) und bei Krankheiten, bei denen die innere Verabreichung von Medikamenten mit höheren Risiken verbunden ist (zum Beispiel Nierenversagen), von großer Bedeutung sein. Somit stehen Marmas als nahezu instrumentenlose, aber wirksame Methode zur Behandlung aller Arten von Erkrankungen, ob akut oder chronisch, zur Verfügung. Sie können zumindest als Notfallbehandlung oder als ergänzende Therapie eingesetzt werden, um die Ergebnisse einer für eine bestimmte Krankheit empfohlenen Standardtherapie zu verstärken. Marmas können als das Meridianpunktsystem des Ayurveda betrachtet werden, das verschiedenen Organen, Nerven und Körpersystemen (inneren Organen) entspricht. Die Marma-Punkte befinden sich in der Regel in der Nähe der Hautoberfläche und werden von Prana, der Lebensenergie, durchströmt.
Ursprünglich wurden sie erwähnt, um die Chirurgen vorsichtig zu machen, wenn sie sich diesen Bereichen näherten, und so wurde dieses Wissen später in den Kampfkünsten genutzt. Heute wird sowohl in Indien als auch im Ausland zunehmend erkannt, dass eine vernünftige Anwendung von Druck und/oder geeigneten Medikamenten auf die Marmapunkte das normale Funktionieren von Prana (in den entsprechenden kranken Körperteilen) wiederherstellen und sogar eine fast sofortige Linderung von Schmerzen und Leiden bewirken kann.
Siehe auch
Literatur
- Janesh Vaidya: Immunpower mit Ayurveda
- Jean-Pierre Crittin: Ayurvedische Psychologie
- Swami Saradananda: Die reinigende Kraft des Yoga
- Lothar Pirc: Der Segen des Maharishi
- Hans H. Rhyner und Kerstin Rosenberg: Das grosse Ayurveda Ernährungsbuch
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