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Zum Schluss ein Appell aus eigener Erfahrung an alle und insbesondere diejenigen, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben und mit ihrer Yogalehrer-Tätigkeit beginnen: „Achtet auf eure eigene [[Yogapraxis]]!“ Wenn man unterrichtet, läuft man schnell Gefahr, die eigene Übungspraxis zu vernachlässigen, weil man glaubt, durch die Unterrichtsstunden schon genug getan zu haben. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht und darauf verzichtet, selbst zu üben, wird nach und nach die Leidenschaft für Yoga verlieren und sich nicht mehr [[persönlich]] weiter entwickeln. Yoga ist und bleibt für einen Yogalehrer ein ständiger Erfahrungs- und Entwicklungsprozess. | Zum Schluss ein Appell aus eigener Erfahrung an alle und insbesondere diejenigen, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben und mit ihrer Yogalehrer-Tätigkeit beginnen: „Achtet auf eure eigene [[Yogapraxis]]!“ Wenn man unterrichtet, läuft man schnell Gefahr, die eigene Übungspraxis zu vernachlässigen, weil man glaubt, durch die Unterrichtsstunden schon genug getan zu haben. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht und darauf verzichtet, selbst zu üben, wird nach und nach die Leidenschaft für Yoga verlieren und sich nicht mehr [[persönlich]] weiter entwickeln. Yoga ist und bleibt für einen Yogalehrer ein ständiger Erfahrungs- und Entwicklungsprozess. | ||
Version vom 31. Mai 2019, 09:24 Uhr
Ein Lehrer ist eine Person, die andere Menschen in einem oder mehreren Wissensgebieten unterrichtet. Der Unterricht kann als Einzelunterricht oder als Gruppenunterricht (Klasse) erfolgen. Ein Lehrer unterrichtet in der Regel nach einer festgelegten Terminologie z.B. Hatha Yoga. Damit eine Person Lehrer genannt werden kann, muss die Person das jeweilige Wissensgebiet studiert haben bzw. muss eine intensive Auseinandersetzung mit den zu vermittelnden Kenntnissen erfolgt sein. Im Yoga heißt es entsprechend: Teach what you practice - practice what you teach.
Der Lehrer sollte also selbst praktizieren, was er unterrichtet, was selbstverständlich auch für andere Fachgebiete maßgeblich ist. Der Lehrer oder Guru kommt, wenn der Schüler reif ist, unterrichtet zu werden. Im Zusammenhang mit Yoga gibt es, je nach Erfahrung, Zugehörigkeit und Funktion, verschiedene Namen für Lehrer, wie z.B. Guru, Yoga Meister, Yogalehrer. In Indien wohnten traditionell Lehrer und Schüler unter einem Dach zusammen (Gurukula).
Für Yogapraktizierende besonders interessant ist die Ableitung des Wortes vom Althochdeutschen "lêrâri" und dem Gotischen "laisareis" mit der Bedeutung: "Einer, der durch Nachspüren wissend macht" (Quelle Etymologie: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie). Das im Yoga sehr betonte Nachspüren verhilft also zur Vermittlung und zum Erlangen von Wissen.
Siehe auch die Bedeutung des Sanskrit-Wortes 'Guru' unter Guru.
Notwendigkeit eines Lehrers – aus den Upanishaden
In der Shvetashvatara Upanishad steht:
- Diese Wahrheiten werden nur dann leuchten und wirken, wenn sie einer edlen Seele verkündet werden, die Gott anbetet und gleichzeitig auch Verehrung für ihren Meister oder Guru empfindet.
- (SHVETASHVATARA UPANISHAD VI, 23)
Swami Sivananda über die Notwendigkeit des Lehrers
Swami Sivananda betonte in vielen seiner Schriften, dass ein spiritueller Lehrer notwendig und hilfreich ist auf dem spirituellen Weg. Hier ein paar Auszüge aus seinen Büchern:
Der geistige Weg ist dornig, rauh und steil, von dunklen Abgründen umgeben. Anleitung durch einen Lehrer, der den Pfad schon gegangen ist, bleibt unbedingt notwendig. Nur er ist imstande, Licht zu bringen und Hindernisse fortzuräumen. Die Erkenntnis des Selbst wurde von der Meister-Parampara offenbart und von Lehrer auf Schüler weitervermittelt.
Matsyendra Nath lehrte sie Brahma Vidya, der sein Wissen an Nivritti Nath weitergab. Nivritti Nath übermittelte sie Jnanadeva und so fort. Gaudapada führte Govindapada in die Geheimnisse der Einheit in Gott ein, Govindapada seinerseits weihte Sureshvaracharya ein.
Der geistige Pfad ist von besonderer Natur. Er kennt keine Abschlussprüfung; die Hilfe des Meisters bleibt zu jeder Zeit notwendig. Junge Schüler werden heutzutage leicht selbstzufrieden, arrogant und selbstsicher und wollen den Weisungen des Gurus nicht nachkommen. Sie wollen überhaupt keinen Lehrer haben, sondern von Anfang an unabhängig sein.
Auf absurde Weise und mit falschen Verstandesargumenten wenden sie die »Neti Neti«-Lehre (Nicht das - Nicht das) und die Lehre der Unabhängigkeit (Bhagatyaga Lakshana) auf den Lehrer an und sagen: »sarvam khalvidam Brahma. Na gourou na shishyah , chidananda, rupa shivo'ham shivo'ham« (Alles ist Brahman. Es gibt weder Meister noch Schüler. Ich bin die Gestalt der allseligen Erkenntnis. Ich bin Shiva, ich bin Shiva).
Sie bilden sich ein, die höchste Stufe (Turiya Avastha) erlangt zu haben, obwohl sie noch nicht einmal das ABC der Geistigkeit und Wahrheit kennen. Das ist Philosophie der Dämonen (Asuras). Sie verwechseln Freiheit mit Freizügigkeit ihres eigenen Weges und Willens, ein beklagenswerter Irrtum, der ihr Wachstum hindert und ihnen das Vertrauen in die Wirksamkeit des Sadhana und des Daseins Gottes nimmt. So wandern sie leichten Herzens ziellos von Kashmir nach Gangotri und von Gangotri nach Rameshvararri, zitieren unterwegs Vichara Sagar oder Panchadashi unter Hinzufügung einiger sinnloser Bemerkungen und geben sich als "im Leben Befreite«, Jivanmuktas, aus.
Wer aber zwölf Jahre den Weisungen eines Gurus gemäß lebt, treu seine Anweisungen ausführt, ihm mit Wahrhaftigkeit dient und als Höchsten Brahman anerkennt, wird auf dem geistigen Weg vorankommen. Einen anderen Weg gibt es nicht. Solange das Weltall besteht, werden Meister und geistige Bücher bestehen. Die Zahl der "im Leben Befreiten« mag in unserem Maschinen-Zeitalter (Kali Yuga) geringer sein als im Zeitalter der Wahrheit (Satya Yuga).
Findet man keinen idealen Lehrer, so kann man auch einen fortgeschrittenen Schüler zum Lehrer nehmen, der den Pfad der Selbstverwirklichung seit Jahren beschreitet, einen ehrlichen, geraden Menschen, ohne Egoismus und Stolz, von gutem Charakter und in den Schriften (Shastras) bewandert. Man kann bei ihm einige Zeit leben und ihn nach aufmerksamer Prüfung als Lehrer annehmen.
Hat man ihn als Lehrer gewählt, so muß man seine Anweisungen genau befolgen und ihm niemals misstrauen und keinen Fehler in ihm suchen. Es ist falsch, den Lehrer mehrmals zu wechseln. Es verwirrt und weckt sich widersprechende Gedanken. Jeder besitzt eine ihm eigene geistige Schulung (Sadhana), und man erreicht nichts mit einem Wechsel der Methode. Um voranzukommen, muss man sich an einen Lehrer und seine Lehren binden. Ungeteilte Hingabe an einen Lehrer, an ein Ideal, eine einzige Methode des Sadhana und eine von Herzen kommende Aufmerksamkeit sind unbedingte Voraussetzung zur Gotteserfahrung.
Vor den falschen Gurus, die es in unseren Tagen in Überfülle gibt, muss der Schüler sich in Acht nehmen. Sie stellen Kräfte oder Kunststücke zur Schau, um Menschen anzuziehen. Die Ehrgeizigen, die hier und dort herumschwirren, um Schüler zu gewinnen, die Geld und weltliche Güter sammeln, die lügen oder sich brüsten, die sich unter die Menschen mischen oder dem Luxus frönen, sind Betrüger, von deren süßen Reden und Worten man sich nicht betören lassen darf.
Als einst ein Mann nach langer Suche endlich einem angesehenen Lehrer (Sad Guru) begegnete, fragte er ihn: »Verehrungsvoller Meister, gib mir die Einweihung (Upadesha).« »Welche Einweihung willst du?« antwortete der Lehrer. Der Schüler antwortete: »Geliebter Meister, wer ist der größere, der Schüler oder der Meister?« »Der Meister«, war die Antwort. Der Schüler rief: »Geliebter Meister, dann mache mich zum Lehrer. Das ist mein Streben.« Schüler solcher Art gibt es viele heutzutage.
Copyright Divine Life Society
Der Wahre Lehrer
ein Dialog zwischen einem Schüler und seinem Meister Ramana Maharshi, aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer, aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich
- Der Schüler: Du hast einmal gesagt: Ohne die Gnade eines wahren Lehrers (Sadguru) gelangt man nicht zum Selbst, — was meinst du eigentlich damit? Wer ist dieser Guru?
- Der Meister: Von der Ebene des Pfades der Erkenntnis her gesehen, ist der höchste Stand des Selbst der wahre Lehrer. Dieser reine Stand des Selbst ist verschieden vom ichhaften Selbst, mit dem du dich selber bezeichnest.
- Der Schüler: Aber wenn es die reinste Gestalt meines eigenen Selbst ist, — in welchem Sinne meinst du es dann, daß ich nicht ohne die Gnade eines wahren Guru zu ihm gelangen kann?
- Der Meister: Das »Ich-Selbst« ist der »Jîva«, der »Lebensfunke«, der die Individuation wirkt. Er ist verschieden vom »Herrn des Alls« (Sarveshvara). Wenn der Jîva in selbstloser Hingabe sich dem Herrn naht, nimmt dieser gnädig Gestalt und Namen an und zieht den Jîva an sich, — davon heißt es: Der Guru ist niemand anders als der Höchste Herr, er ist die menschhafte Verleibung der gött¬lichen Gnade, Der wahre Guru ist Gott selbst.
- Der Schüler: Aber einige Menschen haben keinen menschlichen Guru gehabt.
- Der Meister: Wohl wahr, Einigen großen Seelen offenbart sich Gott als Licht ihres inneren Lichtes.
- Der Schüler: Und was ist wahre Hingabe (Bhakti)?
- Der Meister: Alles, was ich tue oder mich tun sehe, ist in Wahrheit Wirken des Herrn, nichts gehört eigentlich mir, Ich bin da, um dem Herrn zu dienen. Dieser Geist der Dienstwilligkeit ist höchste Hingabe (Parâ Bhakti), und der hingebend Gläubige sieht das Höchste Wesen als den Herrn allem und jedem inne. Ihn mit Gestalt und Namen verehren, führt über alle Gestalten und Namen hinaus, Gläubige Hingabe mündet in höchste Erkenntnis, Auch wenn sie anfangs von weltlichen Wünschen befeuert ist, vergeht sie nicht, wenn diese Wünsche in Erfüllung gehen, Sie wächst in stetem Glauben und reift zur letzten Erfahrung höchster Wirklichkeit.
- Der Schüler: Und was ist daneben der Pfad der Erkenntnis (Jnâna) ?
- Der Meister: Wer ihn wandelt, streift das Ich von sich und nimmt seinen Stand im letzten Gewahrsein des Selbst.
- Der Schüler: Wie kann man sagen, Hingabe (Bhakti) und Erkenntnis (Jnâna) führen beide zum gleichen Ziel?
- Der Meister: Wie kann man's nicht sagen? — Beide Pfade führen zum Stande höchster Stille (Mauna), der jenseits alles Begreifens ist.
Der Yoga des Lehrens
Yoga zu lehren, ist ein fester Teil des Yoga Wegs. Wenn du Yoga weitergibst, dann heißt das nicht, einfach nur jemandem etwas beizubringen. Das Lehren will auch gelernt sein. Das Wichtigste beim Yoga des Lehrens ist, dass du Yoga lehren willst, um anderen zu helfen. Du solltest nicht Yogalehrer, Yogalehrerin werden, um vordringlich Geld zu verdienen, weil Yoga gerade in ist.
Yoga zu lehren, sollte dir ein Herzensbedürfnis sein. Du solltest selbst Yoga praktizieren, Yoga selbst täglich leben und erfahren und vom Yoga überzeugt sein. Dann bist du bereit, Yoga weiterzugeben. Die Einstellung zu haben, dass du Yoga weitergeben willst, um [Mensch]en zu helfen, es als Karma Yoga, als uneigennütziges Dienen zu machen, ist ein Bestandteil des Lehrens von Yoga.
Sei ein Instrument
Wenn du lehrst, ist es wichtig, dass du dir vorstellst, dass eine Lichtenergie in dich hineinströmt. Du stellst dir vor, dass diese dich ganz erfüllt und du stellst dir vor, dass du sie weitergibst an deine Teilnehmer. Im Yoga des Lehrens gilt es als besonders wichtig, dass du dich zum Instrument machst, dass du anderen helfen willst, indem es durch dich hindurchfließt. Nicht du unterrichtest, sondern die Yoga Erfahrung entsteht in deinen Teilnehmern, Teilnehmerinnen. Der Yoga des Lehrens ist deshalb ein Yoga der doppelten Liebe. Liebe zu einer höheren Wirklichkeit, höheren Energie und Liebe zu deinen Teilnehmern, Teilnehmerinnen. Der Yoga des Lehrens ist also ein Karma Yoga des Nicht-Identifizierens.
Habe Geschick im Handeln, bilde dich und hol dir Feedback
Natürlich gehört zum Yoga des Lehrens auch dazu, dass du es geschickt machst. Krishna hat in der Bhagavad Gita ja auch gesagt, dass Yoga Geschick im Handeln ist und so solltest du beständig daran arbeiten, dass du mehr über Yoga lernst. Lies mehr über Yoga, praktiziere mehr Yoga, besuche Yogastunden, gehe zu Yogalehrer Weiterbildungen, gehe zu Yoga Kongressen und tausche dich mit anderen Yogalehrern und Yogalehrerinnen aus. So bekommst du mehr Anregungen. Hole dir ein Feedback von deinen Teilnehmern ein. Mache am Ende deines Kurses oder nach 5 Wochen eine Feedbackrunde. Wenn du regelmäßige offene Stunden gibst, mache vielleicht einmal in einem Vierteljahr eine Feedbackrunde. So lernst du mehr.
Gehe mit Lob und Kritik yogisch um
Der Yoga des Lehrens, ist auch immer ein Yoga des Lernens. Lerne, immer gut mit Lob und mit Kritik umzugehen. Menschen werden dich loben – lass es dir nicht zu Kopf steigen. Menschen werden dich kritisieren – lass dich nicht demotivieren. Krishna sagt in der Bhagavad Gita, dass ein Yogi gleichmütig ist in Lob und Tadel, in Ehre und Schmach, auch in Erfolg und Misserfolg.
Der Yoga des Lehrens beinhaltet auch, wenn du mal mehr oder mal weniger Teilnehmer/innen hast, dass du deine Motivation nicht verlierst. Wenn Teilnehmer/innen dich kritisieren kannst du überlegen, ob sie vielleicht Recht oder ob sie nicht Recht haben, ob sie ein wertzuschätzendes Anliegen haben und du dieses erfüllen oder nicht erfüllen kannst.
Du musst es nicht allen recht machen, aber beziehe die Anliegen deiner Teilnehmer/innen mit ein. Wenn du durch Lob von Teilnehmer/innen deine Stärken besonders erkennst, dann kannst du vielleicht auch überlegen, diese vermehrt einzusetzen und umzusetzen. In diesem Sinne heißt der Yoga des Lehrens zwar gleichmütig in Erfolg und Misserfolg zu sein, in Lob und Tadel, er heißt aber auch, aus Erfahrungen zu lernen. Das sind einige Aspekte aus dem Yoga des Lehrens.
Das Buch: Yoga des Lehrens
Es gibt auch ein Buch „Yoga des Lehrens“ – zumindest online – ich muss zugeben, dass ich es nur oberflächlich überflogen habe. Ich habe ein Vorwort dazu geschrieben und halte es für ein gutes Buch, um den Yogalehrer, die Yogalehrerin etwas tiefer in die Praxis gehen zu lassen, in den Yoga des Lehrens. Und am besten ist, wenn du eine gute Yogalehrerausbildung besucht, zum Beispiel bei Yoga Vidya. Besuche regelmäßig Yogalehrer Weiterbildungen. Wenn du mehr über eine Yogalehrerausbildung und Weiterbildungen wissen willst, dann gehe auf www.yoga-vidya.de und dort kannst du nach „Yogalehrer Ausbildung“ oder „Yogalehrer Weiterbildung“ suchen.
Yoga lehren ist Herzenssache
Ein Beitrag aus dem Yoga Vidya Journal Nr. 38, I/2019 von Gerrit Kirstein
Als ich vor einigen Jahren mit der Ausbildung zum Yogalehrer begann, war mir nicht bewusst, welch großen Veränderungsprozess ich damit in meinem Leben einleiten würde. Ich wollte einfach nur meine Leidenschaft für Yoga vertiefen, die Praxis intensivieren und einige der in meinem vorherigen Berufsleben erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse in eine sinnerfüllende, neue Tätigkeit übertragen.
Dass das ganzheitliche Denk- und Übungssystem Yoga ein Weg zu wahrer Lebenskunst ist und von einem angehenden Lehrer ganz viel Demut, Respekt, Disziplin, Hingabe, Verantwortung, Liebe und Selbstmotivation verlangt, war dann eine überraschende Erkenntnis und für mich wahrscheinlich die wertvollste Erfahrung in meiner Ausbildung.
Die Bedeutung dieser Aufgabe wurde mir so richtig bewusst, als ich an einem schönen Wintersonntag im Januar in einer feierlichen Zeremonie zum Yogalehrer geweiht wurde. Eigentlich hatte ich nur erwartet, dass man uns mit netten Worten unsere Zertifikate übergibt, und dass wir dann in unserer Ausbildungsgruppe dieses Ereignis feiern würden. Doch die im großen Sivananda-Ashram stattfindende Weihe-Zeremonie hat mich in ihrer festlichen Tradition und Würde beeindruckt und tief bewegt.
Im Laufe der verschiedenen erhabenen Rituale, Mantras und Botschaften, die unsere Ausbilder hingebungsvoll zelebrierten, wurde mir auf einmal klar, dass auch ich jetzt auserkoren war, mein weiteres Leben in einen spirituellen Dienst zu stellen. Und dass ich von nun an zu einer jahrtausendalten Kette von Menschen gehören würde, die dazu berufen sind, das breite Wissen und die Energie, die uns durch die Schriften von Patanjali, Bhagavad Gita, Hatha Yoga Pradipika und viele andere zur Verfügung stehen, an die folgenden Generationen von Schülern weiterzugeben. Und damit Menschen, die auf der Suche nach Wahrheit, Harmonie, Verständnis und Zuversicht sind, eine Orientierung zu geben und ihnen zu dienen. Die Inder haben diesem, seit den Ursprüngen des Yoga ungebrochenen Entwicklungsprozess der Lehrer-Schüler-Linie, den schönen Namen Guru Parampara gegeben.
Yoga lehren, eine Herzensangelegenheit
Yogalehrer zu sein und Yoga zu unterrichten, das sei hier noch einmal betont, ist kein Beruf im üblichen Sinne. Hier wird nicht nur Wissen vermittelt, wie es zum Beispiel in der Schule in den typischen Unterrichtsfächern erfolgt. Hauptaufgabe eines Yogalehrers ist es, Voraussetzungen zu schaffen, damit die Schüler in sich die Erfahrung von Einheit, Harmonie und Vollkommenheit machen können. Der Yoga-Weg soll sie dahin führen, dass sie sich so annehmen, wie sie sind und die Vorstellung davon, wie sie gern wären oder sein sollten, loslassen.
Natürlich wird durch den Unterricht auch eine Dienstleistung erbracht. Diese unterscheidet sich jedoch von anderen Dienstleistungen vor allem dadurch, dass es eine Tätigkeit des Herzens ist und nicht nur des Verstandes.
Das hört sich für manche vielleicht abgehoben und übertrieben selbstlos an, aber es soll daran erinnern, dass der Yogalehrer primär die Aufgabe hat, sich in den Dienst der Schüler zu stellen und sein eigenes Ego zurückzunehmen. Dies verlangt von ihm oder von ihr eine hohe persönliche Reife und Qualifikation. Denn der Yogalehrer ist derjenige, der gibt und zwar erwartungs- und absichtslos. Nur so wird es ihm im Unterricht gelingen, dass sich die Schüler angenommen fühlen und bereit sind, sich für eine tiefere Selbsterfahrung zu öffnen.
Was ist es nun, was einen guten Yogalehrer auszeichnet und woran man ihn erkennt? Nach meiner Auffassung müssen im Alphabet eines geeigneten Yogalehrers vor allem die Wesensmerkmale Authentizität, Bewusstsein, Charakter, Demut und Empathie vorhanden sein. Sie bilden das Fundament seiner Persönlichkeit und geben ihm damit die Chance, an seinen Aufgaben zu wachsen.
Das kleine Yogalehrer Alphabet
Authentizität
Authentizität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass er selbst keine Rollenerwartungen an seine Lehraufgabe stellt und auch keinen Rollenerwartungen nachgeht, die möglicherweise von den Schülern an ihn herangetragen werden. Authentisch sein, heißt „echt“ sein. Sich im Einklang mit dem eigenen, wahren Wesen zu befinden und sich auf natürliche Art und Weise in all seinen Gedanken, Gefühlen und Handlungen auszudrücken. So kann der Yogalehrer ein Bild von sich vermitteln, das seinen Schülern eine Orientierung gibt und von diesen als ehrlich, stimmig und glaubhaft wahrgenommen wird.
Wenn ein Yogalehrer wirklich authentisch ist, wird es ihm leicht fallen, in seiner genuinen Kraft zu bleiben und positive Energien fließen zu lassen. Sobald er ein vermeintliches Seins-Ideal anstrebt und versucht, sich zu inszenieren, oder wenn er sich selbst als großartig, auserwählt und besonders empfindet, läuft er Gefahr, an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu verlieren und seine spirituelle Kraft schnell zu verbrauchen.
Bewusstsein
Bewusstsein hat verschiedene Aspekte, die für die Lehrtätigkeit essentiell sind. Einer ist das Wissen und das Beherrschen der fachlichen Kenntnisse als Voraussetzung für einen guten Unterricht. Ein anderer ist das Wissen um die hohe Verantwortung gegenüber den Schülern, die vor ihm sitzen oder auf der Matte liegen und sich vertrauensvoll in seine Hände begeben haben. Der dritte Aspekt ist ebenso wichtig. Hier geht es nämlich darum, dass er aus dem bewussten Sein heraus handelt und lehrt, also selbst mit seinem einzigartigen Wesen gut verbunden sein muss. Dort hinzukommen und damit in die Tiefen der eigenen Seele hinabzusteigen, ist sicher eine der wichtigsten Herausforderungen für alle, die sich zum Yogalehrer berufen fühlen.
Charakterliche Eigenschaften
Charakterliche Eigenschaften, die aus meiner Sicht unerlässlich sind, betreffen die innere Einstellung zu den Schülern. Von Sharon Gannon, der bekannten Jivamukti-Lehrerin kommt die Aufforderung, dass der Yogalehrer seine Schüler als „heilige Wesen“ betrachten soll. Dies setzt eine grundsätzliche Wertschätzung voraus, die sich auch darin ausdrückt, dass der Yogalehrer sich nicht über seine Schüler stellt, sondern sich stets daran erinnert, dass er selbst immer Übender bleibt und an seiner Weiterentwicklung arbeiten sollte. Darüber hinaus ist es natürlich wichtig, dass er zuverlässig ist, das heißt im engeren Sinn des Wortes, dass man sich auf ihn verlassen und ihm vertrauen kann. Weitere Persönlichkeitsmerkmale, über die ein guter Yogalehrer verfügen sollte, sind Geduld, Freude, Humor, Optimismus und die Fähigkeit zur Selbstmotivation. Dies ist für Tage, an denen er selbst „nicht gut drauf“ ist, eine notwendige Tugend. Es ist auch seine Aufgabe, im Yoga-Raum eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Schüler wohl, sicher und geborgen fühlen. Denn nur so können sie richtig entspannen und alles loslassen, was sie während des Tages beschäftigt und beschwert hat. Ganz bedeutend ist ferner, dass er keine „Lieblinge“ hat, sondern alle Schüler mit gleicher Aufmerksamkeit behandelt. Dazu wird empfohlen, über den Unterrichtskontakt hinaus grundsätzlich keine privaten Kontakte zu Schülern zu pflegen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass er in persönliche Verstrickungen geraten könnte, die irgendwann seine Neutralität und Unabhängigkeit einschränken würden.
Demut
Demut ist eine innere Haltung, die auf ehrliche Selbsterkenntnis gründet und Ehrfurcht vor der Schöpfung und den gestellten Aufgaben ausdrückt. Dazu gehört, dass sich der Yogalehrer seiner eigenen Wahrheit stellt und auch die Schattenseiten seiner Person annimmt und in sein Denken und Handeln integriert. Nach C.G. Jung führt dieser Mut zur eigenen Wahrheit zu innerer Gelassenheit. Denn wenn man keine Angst vor seinen Defiziten haben muss und vor sich selbst zu seiner Begrenztheit stehen kann, dann braucht man keine Energien aufzuwenden, um sich hinter einer Fassade zu verstecken. Man kann sich so zeigen, wie man wirklich ist.
Empathie
Empathie ist die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in die Befindlichkeit der Schüler einzufühlen. Das heißt, ein Gespür dafür zu entwickeln, was sie aktuell brauchen. Daraus folgt, dass der Yogalehrer keinen Standardunterricht „von der Stange“ anbietet, sondern seinen Unterricht an den Bedürfnissen der Schüler ausrichtet. Auch wenn er das Ziel verfolgt, eine perfekte Stunde zu geben, so sollte er doch die Fähigkeit und Bereitschaft haben, spontan zu reagieren und auch mal zu improvisieren. Schüler haben meist gar nicht die Erwartung, einen perfekten Yogalehrer vor sich stehen oder sitzen zu haben. Für sie ist es wichtiger, von einer freundlichen, kompetenten, sympathischen Persönlichkeit angeleitet zu werden, an deren Stunden man mit Freude und Hingabe teilnimmt.
Ich bereite mich auf meine Kursstunden stets sorgfältig vor und gehe in jede Yogastunde mit einem klaren Konzept hinein. Und doch nimmt der Unterrichtsverlauf oft eine andere Entwicklung als geplant, weil ich spüre, dass den Schülern heute etwas anderes gut tun würde. An manchen Tagen kann ich bereits aus dem Gleichklang des Mantras OM zu Beginn der Unterrichtseinheit hören, in welcher Verfassung die Gruppe ist.
Ein hohes empathisches Empfinden ist sicher vorteilhaft für einen gelingenden Unterricht. Dennoch ist es auch wichtig, dass der Yogalehrer in der Lage ist, Distanz zu wahren, sich abzugrenzen und „bei sich“ bleiben kann. Diese Achtsamkeit und Fürsorge für sich selbst, hilft ihm dabei, seine Energiequellen immer wieder zu erneuern und sich mit Vorfreude auf die nächste Übungseinheit vorzubereiten.
Empfehlungen für die Praxis
Zum Schluss ein Appell aus eigener Erfahrung an alle und insbesondere diejenigen, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen haben und mit ihrer Yogalehrer-Tätigkeit beginnen: „Achtet auf eure eigene Yogapraxis!“ Wenn man unterrichtet, läuft man schnell Gefahr, die eigene Übungspraxis zu vernachlässigen, weil man glaubt, durch die Unterrichtsstunden schon genug getan zu haben. Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht und darauf verzichtet, selbst zu üben, wird nach und nach die Leidenschaft für Yoga verlieren und sich nicht mehr persönlich weiter entwickeln. Yoga ist und bleibt für einen Yogalehrer ein ständiger Erfahrungs- und Entwicklungsprozess.
Und wenn dieser erfolgreich verlaufen soll, muss der Yogalehrer das, was er lehrt, auch selbst vorleben. „Teach what you practise. Practise what you teach.“ Das sollte das Credo seiner Denk- und Handlungsweise sein. Es bedeutet jedoch nicht, dass er selbst alle Asanas (Körperübungen) in voller Perfektion beherrschen und besonders beweglich und athletisch sein muss. Entscheidend ist, dass er weiß, wie man bewusst in die richtige Haltung kommt und dass er in der Lage ist, seine Schülerinnen und Schüler entsprechend anzuleiten und Hilfestellung zu geben.
Für seine persönliche Entwicklung ist es darüber hinaus notwendig, sich weiterzubilden, Kurse zu besuchen, Erfahrungen bei anderen Yogalehrern zu sammeln. Auch das Internet kann hier wertvolle Beiträge leisten, denn es bietet eine Fülle von Anregungen für eine abwechslungsreiche Unterrichtsgestaltung.
Yoga ist ein unendlich vielseitiges Entdeckungsgebiet, in dem sich immer wieder neue Türen öffnen, durch die man gehen kann. Wer diesen Weg konsequent beschreitet, dem wird es gelingen, die Qualität des Unterrichts sukzessive zu verbessern und selbst an Kompetenz, Reife, Akzeptanz und damit an Persönlichkeit zu gewinnen.
Siehe auch
- Guru
- Meister
- Yoga Meister
- Swami Sivananda
- Acharya
- Schüler
- Gurukula
- Heinrich Zimmer
- Heilig
- Anfang
- Anubhava
- Begegnung
- Belehrung
- Bruder
- Einsiedler
- Ramana Maharshi
- Entsagung
- Erfahrung
- Erkenntnis
- Erlösung
- Frage
- Gemeinschaft
- Gottesverehrung
- Janaka
- Jenseits
- Kraft
- Last
- Ordnung
- Regung
- Sadhana
- Seher
- Selbst
- Selbsterkenntnis
- Torheit
- Untätigkeit
- Upadesha
- Versenkung
- Wer bin ich
- Wirklichkeit
- Wissende
- Zuflucht
Weblinks
Literatur
- Markus Stück, Yoga und Biodanza in der Stressreduktion für Lehrer
- Gerti Nausch, Kinder fördern mit Yoga, Kartenset
- Gopala Krishna, Der Yogi
- Swami Sivananda - Von einem der auszog, das Glück zu verschenken
- Der Weg Zum Selbst von Heinrich Zimmer, Rascher Verlag Zürich, 1944, 1. Auflage
Seminare
Yogalehrer Ausbildung
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Meditation
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