Aitareya Upanishad
Aitareya Upanishad (Sanskrit: ऐतरेय उपनिषद् aitareya upaniṣad f.) ist ein Teil der indischen Heiligen Schriften, die Veda genannt werden. Die Einheit des Atman mit dem Paramatman stellt die zentrale Aussage dieser Upanishad dar. Sie beschreibt die Schöpfung anhand von Symbolen. Diese sehr bildhafte Beschreibung macht dem Leser das Kapitel über die Schöpfung leicht zugänglich und verhilft uns dazu, ein klares und logisches Verständnis über unseren Ursprung zu entwickeln.
Diese Upanishad besteht aus 33 Versen. Sie ist in 5 Kapitel unterteilt. Sie ist ein Teil der Aitareya Aranyaka des Rigveda. Sie gehört zu den 10 wichtigsten Upanishaden, den Mukhya Upanishads. Sie ist eine der älteren Upanishaden, höchstwahrscheinlich vorbuddhistisch.
Die Aitareya Upanishad behandelt drei philosophische Themen:
- Die Welt und der Mensch ist die Schöpfung des Atman (Universelles Selbst)
- Atman erlebt eine dreifache Geburt
- Bewusstsein ist die Essenz des Atman
Aitareya Upanishad - Sanskrit Text, Übersetzung, Kommentar von Swami Sivananda
Einleitung
Hari om!
Die Philosophie, die in den Upanishaden gelehrt wird, ist eine Quelle des Trostes für Tausende von Menschen gewesen, sogar für Westler, wie z.B. Schopenhauer. Es ist sehr schwierig, die Upanishaden ins Englische bzw. ins Deutsche zu übersetzen. Der Charme, die Kraft und die Schönheit gehen in der Übersetzung zum Teil verloren.
Der Wunsch, brahman zu kennen, ist letztlich der Wunsch nach vollkommener Erfüllung. Wer brahman kennt, hat alles erreicht, was er sich wünschen kann. Die letztendliche Befreiung liegt darin, zentriert zu sein in brahman, das Glückseligkeit und Freude ist. Alle Unwissenheit, welche die Ursache von Wunsch und von Handeln ist, ist dann beseitigt. Unwissenheit wird zerstreut durch das Wissen um brahman.
Die Aitareya-Upaniṣad ist Teil des Aitareya-Āraṇyaka des Ṛg-Veda. Sie ist in fünf Abschnitte (khaṇḍas) aufgeteilt. Wenn der śāntiḥ-mantra (die Friedenshymne) dazugezählt wird, haben wir sechs Abschnitte, und so wird diese Upanishad manchmal Ātma-Śataka genannt – „Abhandlung aus sechs Abschnitten über den ātman“. Die Upanishad ist aufgeteilt in drei Kapitel: das erste enthält drei Abschnitte, die anderen beiden je einen.
Die Upanishad leitet ihren Namen her von ihrem Autor Mahidāsa Aitareya, dem Sohn Itaras. Sie beschreibt, in symbolischer Sprache, die Schöpfung des Universums. Sie handelt vom ātman als der einzigen Wirklichkeit. Sie spricht von der Evolution durch Hunger und Durst, von Nahrung, vom Eintritt des Selbst in den Körper, von der Empfängnis und den drei Geburten des Menschen. Sie lehrt, dass man durch das Wissen über brahman von Geburt und Tod befreit wird und Unsterblichkeit erlangt. Enthalten sind die Aussagen von dem Seher (ṛṣi) Vāmadeva, der Unsterblichkeit durch das Wissen um das Selbst erlangt hat. Sie lehrt, dass der ātman und nicht prāṇa die letzte Ursache von allem ist. Das ganze Universum ist die Manifestation von brahman; die individuelle Seele ist identisch mit der höchsten Seele; das Ziel des Lebens liegt darin, die Einheit des individuellen Selbst mit dem höchsten Selbst zu verwirklichen. Ātman und para-brahman sind eins.
In allen Upanishaden wird klar herausgestellt, dass das letzte Ziel, das durch die Verwirklichung der Einheit des Selbst erlangt wird, die Unsterblichkeit ist. Eins zu werden mit den devas – das kann keine endgültige Befreiung geben. Die devas, wie Agni u.a., unterliegen dem saṃsāra; sie haben Fehler, wie z.B. Hunger. Alles, was dem Hunger unterworfen ist, ist noch im saṃsāra. Die śrutis erklären, dass das höchste brahman jenseits von Hunger ist. Nur die Verwirklichung des höchsten brahman kann uns Freiheit vom saṃsāra, von Geburt und Tod, geben.
Die zentrale Lehre dieser Upanishad ist die Einheit des ātman mit dem ātman. Diese muss durch das Wissen um das Selbst erlangt werden und nicht durch Rituale etc. Nur ātma-jnāna kann den Samen des saṃsāra verbrennen und mokṣa geben.
Wer kann Brahman verwirklichen?
Das Wissen um brahman sollte denen gelehrt werden, die ihr Herz gereinigt haben. Das geschieht durch Handlungen, die in den Schriften vorgeschrieben sind. Die Schüler sollten wohlvertraut sein mit den śāstras; sie sollten Glauben haben, in brahman zentriert sein und das Gelübde befolgt haben, das śiro-vratam genannt wird. Dieses wohlbekannte Gelübde wird im Atharva-Veda erwähnt. Es bedeutet „Kopf-Gelübde“, womit gemeint ist, dass der Kopf geschoren wird – ein Zeichen für sannyāsa (Entsagung). Man sollte also in den vierten Stand (sannyāsa) eingetreten sein, denn es ist sehr schwierig, brahmā-vidyā ohne vollkommene Entsagung zu praktizieren. Shankara sagt, dass ein Haushälter nicht für das Studium und die Praxis des vedānta qualifiziert ist. Nach ihm ist sannyāsa erforderlich für das Erlangen von Selbstverwirklichung. Nur ein sannyāsī kann ein Vollzeitsucher sein. Nur er kann seine ganze Zeit dem Studium und der Meditation widmen. Nur er ist frei von Ablenkungen. Daher ist sannyāsa sogar für jene wünschenswert, die noch nicht jnāna erreicht haben. Aviduṣāmapi mumukṣuṇā parivrājyaṃ kartavyameva – „Sogar jemand, der nicht ein Wissender ist, der aber nach Befreiung strebt, sollte in den sannyāsī-Orden eintreten.“
Shankara betont, dass man nicht mit voller Kraft und Hingabe über das Selbst meditieren kann, wenn man nicht die Sorgen des Lebens hinter sich lässt. Er sagt: „Die Kontrolle der äußeren und inneren Aktivitäten der Sinne und alle weiteren Hilfsmittel zur Verwirklichung des ātman sind unvereinbar mit anderen Lebensweisen (als sannyāsa).“
In der Kaivalya-Upaniṣad finden wir: „Nicht durch Handlung, nicht durch Nachkommen, nicht durch Reichtum, sondern nur durch Entsagung kann der Mensch Unsterblichkeit erlangen.“ Und die smṛtis sagen: „Man sollte in dem Lebensstand leben, der ein Mittel zum Wissen um brahman ist.“ Nur in diesem (vierten) āśrama (Lebensstadium, d.h. sannyāsa) können brahma-carya (Zölibat) und die anderen Hilfsmittel, Wissen zu erlangen, zusammen existieren, und sie sind unmöglich im Leben eines Haushälters.
Die śrutis sagen: „Er soll das Heim verlassen, in den Wald gehen und dort als sannyāsī leben; oder aber er kann auch gleich vom brahma-cārī-Orden (des religiösen Studenten) aus vom Heim oder vom Wald-Leben zum sannyāsī-Orden übergehen.“ Der sannyāsī-Orden wird sogar jemandem empfohlen, der im Haushälter-Stadium lebt – als indirekte Hilfe für die Verwirklichung des ātman. Die freiwillige Entsagung schon in der brahma-cārī-Phase des Lebens qualifiziert den Sucher für das Studium des vedānta. Die śruti sagt auch: Yadahareva virajet tadahareva pravrajet – „Man sollte das Heim noch am selben Tag verlassen, an dem Leidenschaftslosigkeit und Abstand vom Leben aufdämmern.“
Der sannyāsī ist frei von allen Arten von weltlichen Ablenkungen und Anhaftungen. Die orangene Robe hindert den Sucher daran, auf Abwege zu geraten oder gar üble Handlungen zu begehen. Wenn er sich von innen her verändert hat, wenn er also bereit ist, in den vierten āśrama (sannyāsa) einzutreten, warum sollte er sich dann fürchten, die orangene Robe anzulegen? Wenn er jetzt sagen würde: „Ich habe mein Herz (orange) gefärbt“, aber nicht die Robe anlegt, dann wäre das nur Schüchternheit und eigentlich Heuchelei. Vāsanās (subtile Wünsche) lauern noch in seinem Herzen. Warum wählten Yājñavalkya, Shankara und Ramakrishna Paramahamsa ein Leben in Entsagung (sannyāsa)?
Sannyāsa hat seine eigene Herrlichkeit und seine Vorteile. Man kann das Freiheitsgefühl eines sannyāsī kaum beschreiben. Nur ein sannyāsī kann alle Bindungen durchtrennen. Selbst wenn du dein Herz „orange gefärbt“ hast, werden sich doch immer noch alle Familienmitglieder an dich klammern wie Blutegel, bis zum Ende deines Lebens. Sie können deinen veränderten Geisteszustand nicht verstehen. Und du kannst moha (Verliebtheit, Täuschung) und Anhaftung an die Familie nicht abschütteln. Wenn du einmal krank werden solltest, dann wirst du in Versuchung sein, sie um Hilfe zu bitten, und anders herum wird es dasselbe sein. Die alten saṃsāras werden neues Leben schöpfen und moha wird dich wieder mit starken Ketten festhalten. Nur durch dein sannyāsa werden sie dich freilassen. Sie werden alle Hoffnung auf dich fallen lassen. Erst dann bist du wirklich tot für sie. Sie werden sich nicht wieder an dich wenden.
Wenn du die Einsamkeit liebst, wenn du frei bist von Leidenschaft, weltlichem Ehrgeiz, karmischen Tendenzen und weltlicher Anhaftung, wenn du das Schweigen liebst und ein heiteres Gemüt hast, wenn du dich diszipliniert hast, während du noch in der Welt lebst, wenn du von einfacher Nahrung leben kannst, wenn du auch die Härten des Lebens gut aushältst, wenn du in einer guten körperlichen Verfassung bist, wenn du nicht gesprächig oder gar geschwätzig bist, wenn du gut allein leben kannst ohne Gesellschaft und ohne Gespräche, wenn du ein meditatives Temperament hast und eine nachdenkliche Natur, wenn du all die Härten des spirituellen Weges ertragen kannst, wenn du das Leben eines Asketen bis ans Ende deines Lebens durchhalten kannst –, dann kannst du den Weg der Entsagung, sannyāsa, einschlagen. Nur dann wirst du wirklich die Vorteile eines sannyāsa-Lebens genießen können. Tatsächlich solltest du erst einmal ein bis zwei Jahre ein sannyāsī-Leben führen, während du noch in der Welt lebst. Du solltest dich im Rahmen des normalen weltlichen Lebens auf sannyāsa vorbereiten. Sonst wirst du es vielleicht extrem schwierig finden, diesen Weg zu gehen. Für einen Menschen mit Leidenschaftslosigkeit, Unterscheidungsfähigkeit und einem starken Willen ist dieser Weg aber nur Freude und Glück.
Mögt ihr alle eine tiefe Sehnsucht nach Befreiung von den Fesseln des saṃsāra entwickeln! Mögen eure Herzen nur mit der Liebe des ātman erfüllt sein! Mögt ihr alle wahres vairāgya (Wunschlosigkeit) entfalten und in das grenzenlose
Königreich ewiger Glückseligkeit eintreten! Mögt ihr alle die uralte Weisheit der Upanishaden verwirklichen! Mögt ihr alle die Einheit des Selbst erkennen! Mögt ihr alle in einem erleuchteten Zustand leben, eingetaucht in den Ozean der Glückseligkeit!
Shanti Mantra
om, vāṅme manasi pratiṣṭhitā।
mano me vāci pratiṣṭhitam।
āvirāvīrma edhi। vedasya ma āṇīsthaḥ।
śrutaṃ me mā prahāsīranenādhītenāhorātrānsaṃdadhāmyṛtaṃ vadiṣyāmi।
satyaṃ vadiṣyāmi। tanmāmavatu। tadvaktāramavatu।
avatu mām। avatu vaktāram। avatu vaktāram।
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥
Om. Meine Sprache wurzelt in meinem Geist. Mein Geist wurzelt in meiner Sprache. Brahman, offenbare Dich mir! Ihr beide, Geist und Sprache, macht mich fähig, die Wahrheit zu ergreifen, die von den Schriften gelehrt wird. Möge das, was ich gelernt habe, mir nicht wieder entfallen! Ich verbinde Tag und Nacht im Studium. Ich denke die Wahrheit, ich spreche die Wahrheit. Möge Das mich beschützen! Möge Das den Lehrer beschützen! Beschütze mich! Beschütze den Lehrer! Beschütze den Lehrer! Oṃ, Frieden! Frieden! Frieden!
Prathamo 'dhyāyaḥ (Erstes Kapitel) Aitareya Upanishad
1.1.
ātmā vā idameka evāgra āsīnnānyatkiñcana miṣat।
sa īkṣata lokānnu sṛjā iti॥ 1॥
1. Am Anfang wahrlich war all dies allein ātman, das Selbst. Nichts anderes war in Bewegung. (Da war nichts anderes, das lebte. Da war nichts anderes, das blinzelte.) Es dachte: „Wahrlich, nun werde ich die Welten schaffen.“
ERLÄUTERUNG: Ātmā – der ātman; vai – wahrlich; idam – dies; ekaḥ – einer; eva – allein; agre – am Anfang; āsīt – existierte; na – nicht; anyat – anderes; kiñcana – irgendetwas; miṣat – blinzelnd; saḥ – er; īkṣata – dachte: lokān – die Welten; nu – sicherlich, wahrlich; sṛjai – werde erschaffen; iti – so (dachte Er).
Ātman – erstes Prinzip, Ursache, einzige Realität. Das Wort ātman leitet sich ab von einer Wurzel, die bedeutet: „erhalten“, „essen“, „genießen“, „alles durchdringen“. Der ātman, das Selbst, ist das Höchste, allweise, allmächtig, frei von allen Charakteristika des saṃsāra, wie etwa Hunger, Täuschung, Kummer etc. Es ist ewig, rein, intelligent und frei. Es ist ohne Geburt, unvergänglich, alterslos, unsterblich, furchtlos und ohne ein Zweites.
Idam – das Universum, das im Pūrva-Khaṇḍa beschrieben worden ist als durch Name, Form und karma charakterisiert, ist in Wahrheit der eine ātman – zunächst (also vor der Schöpfung) allein-existierend.
Agre – am Anfang, d.h., noch vor der Schöpfung/Erschaffung des Universums, war nichts außer dem ātman. In letzter Analyse aber gibt es so etwas wie Schöpfung nicht. Die Schöpfung ist nur eine Projektion dessen, was in potentieller Form, zu Beginn eines neuen Schöpfungszyklus, im avyakta (Unmanifesten) schlummert. Ist Es jetzt noch derselbe, die Eine Entität? Ja! Gibt es neben Ihm noch etwas anderes? Nein! Warum wird dann aber gesagt: „Es war“? Wieso wird die Vergangenheitsform „existierte“ benutzt? Obwohl sogar jetzt nur Es allein existiert, ist da doch ein Unterschied.
Vor der Schöpfung war das Universum eins mit dem ātman. Es gab in Ihm keinen manifesten Unterschied von Name und Form. Es wurde nur durch das eine Wort, ātman, gekennzeichnet, aber jetzt, nach Beginn der Schöpfung, wird er durch viele Worte bezeichnet (und zugleich auch durch das eine Wort ātman), da sich die Unterscheidung ihrer Namen und Formen manifestiert hat.
Wenn sich Schaum, Blase und Welle manifestieren, weil sich der Unterschied ihrer Namen und Formen von reinem Wasser manifestiert hat, wird jetzt dieselbe Substanz, Wasser, durch mehr als ein Wort bezeichnet. Vor der Differenzierung blieben die Ideen „Schaum“, „Blase“ und „Welle“ verschmolzen mit der Idee von Wasser und wurden durch das Wort „Wasser“ mit impliziert.
Nānyatkiñcana – nichts anderes; miṣat – aktiv, blinkend, lebend. Keine andere Entität außer dem ātman war aktiv, also etwa auch nicht das unabhängige und materielle pradhāna, das von den sāṅkhyas angenommen wird, und auch nicht die, von īśvara verschiedenen, Atome, wie sie von der Schule des Kaṇāda postuliert wurden. Vedānta lässt keine andere Entität zu, die vom ātman verschieden wäre. Es gab nur den ātman. Das ist die Aussage dieses Textes. Māyā (Täuschung, Illusion) kann nicht aus sich selbst heraus wirken. Sie hat keine unabhängige Existenz. Daher ist der ātman ohne ein Zweites und die Welt hat nur eine relative Existenz, da sie vor ihrer Erschaffung nur als der ātman existierte.
Der ātman, das Selbst, von seiner Natur her allwissend, dachte: „Ich werde Welten erschaffen.“ Wie kann Es aber vor der Schöpfung überhaupt gedacht haben, da Es doch keine Organe und keinen Körper hatte? Das ist kein Problem, da Es von Natur aus allwissend ist. Die śruti sagt: „Es geht ohne Füße und greift ohne Hände.“
Was war Sein Ziel? Warum erschuf Es die Welten? Die Antwort ist: „Ich werde die Welten namens ambhas, marīcī, maram und āpaḥ erschaffen, die verschiedenen Regionen, damit die Lebewesen die Früchte ihrer Handlungen (karma) genießen können.“
1.2.
sa imāmँllokānasṛjata।
ambho marīcīrmaramāpo'mbhaḥ pareṇa divaṃ dyauḥ pratiṣṭhā'ntarikṣaṃ marī- cayaḥ। pṛthivī maro yā adhastāttā āpaḥ॥ 2॥
2. Es (das Selbst) schuf folgende Welten: ambhas, marīcī, maram und āpaḥ. Ambhas, dieses Wasser, ist oberhalb des Himmels. Der Himmel ist seine Stütze. Die marīcayaḥ (Strahlen) formen den Himmel. Maram (die Region der Sterblichen) ist die Erde, und was unterhalb der Erde ist, sind die āpaḥ (die [niederen] Gewässer).
ERLÄUTERUNG: Saḥ – Es (der ātman); imān – diese; lokān – Welten; asṛjata – erschuf; ambhaḥ – wässrige Region [bzw. das ätherische Wasser; marīcīḥ – Licht]; marīcayaḥ – der Bereich der Strahlen; maram – die Welt/Region der Sterblichen; āpaḥ – [niederes] Gewässer; adaḥ – das; pareṇa – höher; dyauḥ – Himmel; pratiṣṭhā – Stütze; antarikṣam – der dazwischenliegende Raum; pṛthivī – Erde; yāḥ – welche; adhastāt – unterhalb.
Nachdem er so reflektiert hatte, schuf der ātman diese Welten. Ein intelligenter Architekt überlegt zunächst in sich selbst: „Ich werde den Palast so und so bauen.“ Es macht zunächst einen Plan; danach erst baut er. So hat auch īśvara (Gott) die Welten erschaffen.
Der Baumeister baut einen Palast mithilfe von passenden Materialien. Wie kann aber der ātman, das Selbst, ohne solche Materialien, die Welten schaffen? Das ist kein Einwand, denn Es ist allwissend und allmächtig.
So wie man von „Schaum“ spricht, also ein anderes Wort benutzt als „Wasser“, obwohl doch der Schaum eine Modifikation des Wassers ist, so kann auch ein und derselbe ātman die Ursache des manifesten Universums werden, entsprechend dem Schaum, der sich vom Wasser differenziert hat.
Brahman ist sowohl die materielle Ursache als auch die Wirkursache. Der allwissende ātman, das Selbst, ist das Substrat des Universums. Es wurde die materielle Ursache und schuf das Universum. Es gibt also keinen inneren Widerspruch. Brahman ist nur der vivartopādāna.
Oder: So wie ein Zauberkünstler sich selbst in einer anderen Form erschafft und sich dann in der Luft bewegt, ohne eine weitere materielle Ursache, so erschafft der allmächtige und allwissende Gott, dieser mächtige Zauberer, sich selbst als ein anderes Selbst, in der Form des Universums. Dies ist eine bessere Erklärung der Schöpfung. So werden die Positionen derjenigen unhaltbar, die glauben, dass entweder die Ursache oder die Wirkung unwirklich sind oder sogar beide. Diese Ansichten kann man leicht widerlegen.
Als nächstes wird dargelegt, welche Welten Es erschuf. Nachdem Es die Welt in angemessener Abfolge erschaffen hatte, angefangen mit dem Äther, schuf er die Welten ambhas, marīcī, maram und āpaḥ. Die śruti erklärt selbst, welche diese Welten sind. Die Welt ambhas ist oberhalb der himmlischen Welt. Sie wird ambhas genannt, weil sie Wasser enthält, das das Leben unterstützt. Der Himmel stützt die wässrige Welt ambhas. Der Himmel bzw. der Zwischenraum unterhalb dyu-loka ist bekannt als marīcayaḥ. Obwohl er nur einer ist, wird der Plural marīcayaḥ benutzt, weil er viele Regionen durchdringt oder aber weil die Myriaden von Sonnenstrahlen ihn durchleuchten. Die Erde wird maram genannt, weil hier alle Kreaturen sterben (mriyante). Die Welten unterhalb der Erde heißen āpaḥ; das kommt von der Wurzel āp (erlangen, erhalten, bekommen). Die Menschen, die dort wohnen, sind mit Freude erfüllt.
Obwohl alle Welten aus den fünf Elementen zusammengesetzt sind, so werden sie doch nach den jeweils vorherrschenden Elementen benannt, z.B. ambhas, weil dort das [ätherische] Wasser überwiegt.
Die Welten ambhas, mahar, jana, tapas und satya sind oberhalb der Himmel, dort, wo zu Beginn der Schöpfung die Wasser angesiedelt wurden.
Andere Übersetzungen:
Er schuf diese Welten. Wasser war sein Atem, aus dem Atem entstand Feuer, aus dem Feuer der Atem Wind, aus dem Wind der Atem Raum, aus dem Raum der Atem Wasser, aus dem Wasser die Erde.
Dann schuf er all diese Welten. Er schuf die Welt des Regens, die Welt der Sonnenstrahlen, die Welt des Todes und die Welt im Wasser. Oberhalb des Himmels ist die Welt des Regens Der Himmel ist ihre Stütze. Die Welt der Sonnenstrahlen ist die mittlere Region. Die Erde ist die Welt des Todes. Das, was unten ist, ist die Welt im Wasser
1.3.
sa īkṣateme nu lokā lokapālānnu sṛjā iti।
so'dbhya eva puruṣaṃ samuddhṛtyāmūrcchayat॥ 3॥
3. Es überlegte: „Dies sind also die Welten (die ich geschaffen habe). Ich werde jetzt die Beschützer und Lenker der Welten schaffen.“ Dann hob er den puruṣa aus dem Wasser und gab ihm Form.
ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; īkṣata – überlegte, dachte nach; ime – diese; lokapālān – Lenker der Welt; sṛjai – ich werde schaffen; iti – so; saḥ – Er; adbhyaḥ – aus dem Wasser; eva – nur, wahrlich; puruṣam – den puruṣa (Urseele/-wesen, Mensch); samuddhṛtya – erhoben habend; amūrcchayat – gab Form.
Adbhyaḥ – aus dem Wasser; aus der manifestierten Kausalmaterie; aus den fünf Elementen, von denen Wasser das wichtigste ist.
Puruṣa – virāṭ-puruṣa (das universelle Selbst).
Nachdem Es die vier Welten geschaffen hatte, in denen die lebenden Wesen die Früchte ihre Handlungen ernten, dachte Es erneut nach: „Diese Welten (ambhas etc.), die Ich geschaffen habe, werden eingehen ohne Herrscher und Lenker. Also werde ich für den Schutz dieser Welten ihre Herrscher erschaffen.“
Nachdem er derart überlegt hatte, hob er den puruṣa (Menschen) aus dem Wasser, d.h. aus den fünf Elementen, aus denen er die Welten (ambhas etc.) geschaffen hatte. Es gab ihm eine Gestalt, indem er die Gliedmaßen zusammenfügte, wie etwa ein Töpfer einen Klumpen Lehm aus der Erde nimmt und ihm eine Form gibt.
1.4.
tamabhyatapattasyābhitaptasya mukhaṃ nirabhidyata yathā'ṇḍaṃ
mukhādvāgvāco'gnirnāsike nirabhidyetāṃ nāsikābhyāṃ prāṇaḥ
prāṇādvāyurakṣiṇī nirabhidyetamakṣibhyāṃ cakṣuścakṣuṣa ādityaḥ
karṇau nirabhidyetāṃ karṇābhyāṃ śrotraṃ śrotrāddiśastvaṅ nirabhidyata
tvaco lomāni lomabhya oṣadhivanaspatayo hṛdayaṃ nirabhidyata
hṛdayānmano manasaścandramā nābhirnirabhidyata nābhyā
apāno'pānānmṛtyuḥ śiśnaṃ nirabhidyata śiśnādreto retasa āpaḥ॥ 4॥
4. Dann grübelte ātman, das Selbst, über den Klumpen nach. Es wollte ihm die Gestalt eines Menschen geben. Als Es so grübelte, manifestierte sich in dieser Masse ein Loch von der Form eines Mundes, so etwa, wie ein Vogelei aufbricht, wenn es bebrütet wird. Aus dem Mund kam Sprache und aus der Sprache Feuer (agni). Dann erschienen die Nasenlöcher und aus diesen der Geruch[sinn] (prāṇa); aus dem Geruch[sinn] (prāṇa) kam die Luft (vāyu). Dann kamen seine Augen hervor, daraus das Sehen, aus dem Sehen kam die Sonne. Seine Ohren erschienen, aus den Ohren das Hören und aus dem Hören die Himmelsrichtungen. Dann entstand die Haut, aus der Haut die Haare und aus den Haaren die Kräuter und die großen Bäume. Sein Herz kam hervor, aus dem Herzen der manas und aus dem manas der Mond. Der Nabel erschien, aus dem Nabel apāna und aus apāna kam der Tod. Sein Geschlechtsorgan entstand, daraus der Samen und aus dem Samen entstand das Wasser.
ERLÄUTERUNG: Tam-abhyatapat-tasya-abhitaptasya – nachdem Es darüber gebrütet hatte; mukham – aus dem Gesicht; nirabhidyata – kam hervor; yathā'ṇḍam – wie in einem Ei; mukhāt vāk – aus dem Mund kamen Worte; vācaḥ agniḥ – aus Worten entstand das Feuer; nāsike – Nasenlöcher; nirabhidyetām – kamen hervor; nāsikābhyām – aus den Nasenlöchern; prāṇaḥ – Geruch[sinn]; prāṇāt – aus dem prāṇa (Geruchsinn); vāyuḥ – Luft; akṣiṇī – Augen; nirabhidyetam – kamen heraus; akṣibhyām – aus den Augen; cakṣus – das Sehen; cakṣuṣaḥ – aus dem Sehen; ādityaḥ – die Sonne; karṇau nirabhidyetām – die Ohren kamen hervor; karṇabhyām – aus den Ohren; śrotram – das Hören; śrotrāt – vom Hören; diśaḥ – die Himmelsrichtungen; tvaṅ-nirabhidyata – die Haut kam hervor; tvacaḥ – von der Haut; lomāni – die Haare; lomabhyaḥ – von den Haaren; oṣadhi-vanaspatayaḥ – Kräuter und Bäume; hṛdayam nirābhedyata – das Herz kam hervor; hṛdayāt – aus dem Herzen; manaḥ – der manas (Denken, Verstand, Gefühl etc.); manasaḥ – aus dem manas; candramāḥ – der Mond; nābhiḥ nirabhidyata – der Nabel kam hervor; nābhyāḥ – vom Nabel; apānaḥ – apāna (der sich von oben nach unten bewegende Hauch [vāyu]; ist für die Ausscheidung zuständig); apānāt mṛtyuḥ – vom Nabel kam der Tod; śiśnam nirabhidyata – das Geschlechtsorgan kam hervor; śiśnāt – vom Geschlechtsorgan; retaḥ – Samen; retasaḥ – vom Samen; āpaḥ – Wasser.
Tapa – bedeutet hier nicht Askese, wie etwa cāndrāyaṇa-vrata oder kṛcchra-vrata. Es bedeutet vielmehr: nachdenken, reflektieren, denken, wollen, durch den Willen erschaffen.
In allen Fällen manifestierten sich der Sitz des Organs, das Organ und die zuständige Gottheit in dieser Reihenfolge. Aus den Nasenlöchern kam prāṇa hervor – hier ist der Geruchsinn gemeint. Das Ausscheidungsorgan wird apāna genannt, wegen seiner Verbindung mit der nach unten gehenden Luft.
Loma – Tastsinn, verbunden mit der Haut, auf der loma (das Körperhaar) wächst.
Hṛdayān manaḥ – aus dem Herzen kam der manas. Gefühle haben ihren Sitz im Herzen.
Die Hände sprangen hervor und aus ihnen kam Indra. Dann kamen die Füße und aus ihnen Upendra (jüngerer Bruder Indras, Name von Viṣṇu). Der Anus kam hervor und aus ihm Nirṛtī (Göttin der tödlichen Reiche und Leiden) und Yama (der Totengott). In gleicher Weise entstand die Zunge, und aus ihr kam der Geschmackssinn und aus diesem Varuṇa.
Andere Übersetzung:
Der Mund dessen, der durch Tapas (spirituelle Übungen) gereinigt wurde, öffnete sich wie ein Ei, das geöffnet wurde. Aus dem Mund entstanden die Sprache und das Feuer. Aus der Nasennebenhöhle entstand der Atem. Vom Atem aus breitete sich der Wind (Prana) aus. Aus den Augen entstand die Sonne. Die Ohren öffneten sich, und aus den Ohren entstanden die Himmelsrichtungen. Die Haut öffnete sich, und aus der Haut entstanden die Haare, die Pflanzen und Bäume. Das Herz öffnete sich, und aus dem Herzen breiteten sich die Gedanken aus. Vom Herzen aus entstand der Mond im Geist. Der Nabel öffnete sich, und aus dem Nabel entstand der Nabelmond. Der Unterleib öffnete sich, und aus dem Unterleib entstand Apana, der Ausatmungswind. Apana durchdrang den Unterleib und bildete die Ausscheidungen, die Essenz des Wassers.
HIER ENDET DAS ERSTE KAPITEL.
Dvitīyo 'dhyāyaḥ 'Zweites Kapitel)
2.1.
tā etā devatāḥ sṛṣṭā asminmahatyarṇave prāpataṃstamaśanāyāpipāsābhyāmanvavārjat।
tā enamabruvannāyatanaṃ naḥ prajānīhi yasmin pratiṣṭhitā annamadāmeti॥ 1॥
1. Diese Götter, die so geschaffen waren, fielen in diesen großen Ozean des saṃsāra (der Welt). Es setzte sie dem Hunger und dem Durst aus. Sie sagten zu Ihm (dem Schöpfer): Teile uns einen Ort (Körper) zu, in dem, wenn etabliert, wir Nahrung essen können.
ERLÄUTERUNG: Tāḥ – jene; etāḥ – diese; sṛṣṭāḥ – erschaffen; devatāḥ – devas (Gottheiten); asmin mahati arṇave – in diesem großen Ozean; prāpatan – fielen; tam – sie; aśanāyāpipāsābhyām – mit Hunger und Durst; anvavārjat – verband; tāḥ – sie; enam – Ihm; abruvan – sagten; āyatanam – ein Körper oder ein Ort; naḥ – uns; prajānīhi – teile zu; yasmin – in dem; pratiṣṭhitāḥ – etabliert; annam – Nahrung; adāma – wir werden essen; iti – so (sagten sie).
Diese Gottheiten (Agni etc.), die Gott geschaffen hatte als Beschützer der Welten, fielen in diesen großen Ozean des saṃsāra, gefüllt mit den Wassern des Elends, die wiederum aus der Unwissenheit resultierten, aus Wunsch und karma. Leiden und Elend werden durch die Handlungen der Menschen erzeugt, die durch Wünsche angetrieben sind. Wünsche und Handlungen sind geboren aus der Ur-Unwissenheit, avidyā. Der Ozean des saṃsāra ist verseucht durch Krankheiten, Alter und Tod. Dieser Ozean ist ohne Anfang, ohne Ende und somit ohne Ufer. Es gewährt keinen Ort der Zuflucht. Es gibt höchstens ein paar kleine Vergnügungen, durch das Zusammenkommen der Sinne mit ihren Objekten. Es ist aufgewühlt durch die mächtigen Wellen von tausend und einem Übel, die wiederum durch den Sturmwind der Wünsche in Gang gehalten werden, brüllend und lärmend: „Ha! Ha! Ha! ... “. Die Wellen kommen aus den verschiedenen Höllen (mahāraurava etc). Der Ozean kann überquert werden mit dem Floß des Wissens, beladen mit den guten Qualitäten des Herzens: Wahrhaftigkeit, Rechtschaffenheit, Einfachheit, Großzügigkeit, Freigiebigkeit, Nichtanhaftung, Mut, Entschlossenheit etc. Seine Route sind Gemeinschaft mit Heiligen und Entsagung, und Befreiung ist die andere Küste. In solch einen Ozean fielen die Götter.
Der Weg der Verbindung von guten Taten und Wissen, der den Menschen mit den Göttern eins werden lässt, ist nicht ausreichend, um alle Leiden des saṃsāra zu beenden. Das muss man hier verstehen!
Man kann sich selbst aus dem Elend von Geburt und Tod nur herausziehen durch das Wissen um brahman, der der Ursprung, der Erhalter und der Zerstörer des Universums ist und das innere Selbst aller Wesen. Die śrutis erklären: „Dies ist der Weg, dies ist die Sache, die man tun muss, dies ist brahman, dies ist die Wahrheit. Dies ist das Wissen um die Einheit von paramātman und jīvātman. Es gibt keinen anderen Weg zur Befreiung.“
Wissen um die Einheit von jīvātman und para-brahman ist das richtige Mittel, um letztendliches Glück zu erfahren. Gute Handlungen und Meditation sind vorbereitende Maßnahmen. Sie sind nicht der direkte Weg zu mokṣa.
Jener puruṣa (der Erstgeborene, die Quelle), aus dem der Sitz der Sinne, der Organe und die beherrschende Gottheit hervorkamen, war dem Manko von Hunger und Durst unterworfen. Da der virāṭ-puruṣa (Quelle, Ursache) diesem Fehler unterworfen war, waren auch die Götter, die ihm entsprungen waren, dem Hunger und dem Durst ausgesetzt.
Die Götter waren also durch Hunger und Durst gequält. Sie sagten zu ihrem Vater, dem Schöpfer: „Gib uns einen Wohnort, in dem wir unsere Nahrung genießen können.“ Sie beteten zu Īśvara, für sie individuelle Körper als Wohnsitz zu schaffen, da sie in dem Körper des virāṭ-puruṣa nicht richtig glücklich wurden. „Nahrung essen“ bedeutet: die Gegenstände wahrnehmen, die ihren Sinnen entsprachen.
Hunger und Durst stehen für die Begrenzungen des Lebens. Der ātman, das Selbst, hat weder Hunger noch Durst. Die Welt (saṃsāra) wird regelmäßig mit einem Ozean verglichen, der schwer zu überqueren ist. Saṃsāra ist der Kreislauf von Geburt und Tod.
2.2.
tābhyo gāmānayattā abruvanna vai no'yamalamiti।
tābhyo'śvamānayattā abruvanna vai no'yamalamiti॥ 2॥
2. Es brachte ihnen eine Kuh. Sie sagten: „Dies ist nicht ausreichend für uns.“ Es brachte ein Pferd. Sie sagten: „Dies ist nicht ausreichend für uns.“
ERLÄUTERUNG: Tābhyaḥ – ihnen; gām – Kuh; ānayat – brachte; tāḥ – sie; abruvan – sagten; ayam – dies; na vai naḥ – nicht für uns; alam – ausreichend; aśvam – Pferd; ānayat – brachte; na vai naḥ – nicht für uns; alam – ausreichend.
Gott hob aus dem Gewässer einen Klumpen Erde, formte ihn zu einer Kuh und zeigte sie den Halbgöttern. Sie sagten: „Dieser Körper reicht nicht aus für uns als Wohnsitz. Es passt (uns) nicht wirklich, um damit zu essen.“ Die Schöpfung erreicht mit den Tieren noch nicht ihre Vollkommenheit.
2.3.
tābhyaḥ puruṣamānayattā abruvan sukṛtaṃ bateti puruṣo vāva sukṛtam।
tā abravīdyathāyatanaṃ praviśateti॥ 3॥
3. Es brachte ihnen einen Menschen. Sie sagten: Gut gemacht! Nur der Mensch ist ein Meisterwerk. Der Mensch ist der Sitz aller guten Taten.“ Es sagte zu ihnen: „Tretet in die entsprechenden Plätze ein.“
ERLÄUTERUNG: Tābhyaḥ – ihnen; puruṣam – Mensch; ānayat – brachte; tāḥ – sie; abhruvan – sagten; sukṛtam – wohlgetan, gut gemacht; bata – in Freude; puruṣaḥ – der Mensch; vāva – wahrlich; sukṛtam – wohlgeschaffen; tāḥ abravīt – sagte zu ihnen; yathāyatanam – den passenden Ort; praviśata – betretet.
Die Götter waren hocherfreut, als sie die Form des Menschen sahen. Sie sagten: „Dies ist wirklich ein schöner Wohnort für uns.“ Der Mensch ist das Beste in der Schöpfung, denn alle guten Handlungen kommen aus ihm. Da der Mensch direkt von Īśvara, durch seine Schöpferkraft, geschaffen worden ist, sagt man, er ist wohl-geschaffen. Nur der Mensch ist mit höherer Intelligenz versehen und mit Unterscheidungskraft und Verstand. Deswegen waren die Götter glücklich, in ihm wohnen zu können. Tiere haben keine Unterscheidungskraft und höhere Intelligenz. Deswegen konnten die Götter in ihnen nicht voll zufrieden sein. Nur der menschliche Körper wird karmāyatana (Ort/Sitz der Handlung) genannt, denn karmas können nur durch diesen Körper vollbracht werden. Alle anderen Körper werden bhogāyatanas genannt, Körper, die nur für Sinnesvergnügen gemacht sind.
Gott wusste, dass der Mensch der angemessene Wohnort für die Götter ist. Es dachte, dass sie diesen Wohnort mochten, da jeder ja am liebsten in seinem Geburtsort lebt und jeder seinen eigenen Ursprungsort liebt. Es sagte zu ihnen: „Also gehe jeder von euch in den Körperteil ein, der für eure jeweilige Funktion am passendsten ist, also z.B. in den Mund etc.“
2.4.
agnirvāgbhūtvā mukhaṃ prāviśadvāyuḥ prāṇo bhūtvā
nāsike prāviśadādityaścakṣurbhūtvā'kṣiṇī prāviśāddiśaḥ śrotraṃ bhūtvā
karṇau prāviśannoṣadhivanaspatayo lomāni bhūtvā tvacaṃ
prāviśaṃścandra-mā mano bhūtvā hṛdayaṃ prāviśanmṛtyurapāno
bhūtvā nābhiṃ prāviśadāpo reto bhūtvā śiśnaṃ prāviśan॥ 4॥
4. Das Feuer ging in den Mund ein und wurde zu Sprache; die Luft betrat die Nasenlöcher und wurde zu prāṇa (Geruchssinn); die Sonne betrat die Augen und wurde zur Sehfähigkeit; die Gottheit der Richtungen betrat die Ohren und wurde zu Klang; die Kräuter und Bäume gingen in die Haut ein und wurden zu Haaren; der Mond betrat das Herz und wurde manas; der Tod betrat den Bauchnabel und wurde apāna; Wasser betrat das Geschlechtsorgan und wurde Samen.
ERLÄUTERUNG: Agniḥ – Feuer; vāk bhūtvā – zur Sprache werdend; mukham – Zunge; prāviśat – betrat, ging/drang ein; vāyuḥ – Luft; prāṇaḥ bhūtvā – zu prāṇa werdend; nāsike prāviśat – drang in die Nase ein; ādityaḥ – die Sonne; cakṣuḥ bhūtvā – wurde das Sehen; akṣiṇī prāviśat – drang in die Augen ein; diśaḥ – die Himmelsrichtungen; śrotram bhūtvā – wurde zu den Ohren; karṇau prāviśat – drang in die Ohren ein; oṣadhi-vanaspatayaḥ – Kräuter und große Bäume; lomāni bhūtvā – wurden Haare; tvacam prāviśan – drangen in die Haut ein; candramāḥ – der Mond; manaḥ bhūtvā – wurde zum manas; hṛdayam prāviśat – drang im Herzen ein; mṛtyuḥ – Tod; apānaḥ bhūtvā – wurde zum apāna; nābhim prāviśat – drang in den Nabel ein; āpaḥ – Wasser; retaḥ bhūtvā – wurde zum Samen; śiśnam prāviśan – drang in das Geschlechtsorgan ein.
So wie Generäle, die auf den Befehl ihres Oberbefehlshabers mit ihren Armeen in eine Stadt einmarschieren, so drang die Gottheit Agni in den Mund ein, nachdem er die Erlaubnis Gottes erhalten und zu Ihm gesagt hatte: „Es sei, wie du befiehlst.“ In gleicher Weise geschah es mit den anderen Gottheiten.
Die Sinnesorgane können ihre Funktion nicht ausführen ohne den Impuls eines bewussten Wesens, nämlich ihre zuständige Gottheit. So hat jedes Organ seine eigene Gottheit, eine Intelligenz, welche es lenkt und beherrscht.
2.5.
tamaśanāyāpipāse abrūtāmāvābhyāmabhiprajānīhīti।
te abravīdetāsveva vāṃ devatāsvābhajāmyetāsu bhāginyau karomīti।
tasmādyasyai kasyai ca devatāyai havir gṛhyate।
bhāginyāvevāsyāmaśanāyāpipāse bhavataḥ॥ 5॥
5. Hunger und Durst sprachen zu Ihm: „Teile uns einen Platz zu.“ Es sagte ihnen: „Ich gebe euch einen Platz in diesen Göttern und mache euch zu ihren Teilhabern.“ Deswegen, wann immer Gaben irgendeinem Gott dargebracht werden, nehmen Hunger und Durst daran teil.
ERLÄUTERUNG: Tam – zu Ihm; aśanāyāpipāse – Hunger und Durst; abrūtām – sagten; āvābhyām – für uns; abhiprajānīhi – teile zu; te – zu ihnen; abravīt – sagte; etāsu – in diesen; devatāsu – in den devas; eva – wahrlich; ābhajāmi – ich teile zu; bhāginau – Teilhaber; karomi – mache; tasmāt – daher; yasyai kasyai devatāyai – für welche Gottheit auch immer; haviḥ gṛhyate – die Opfergabe angeboten wird; bhāginyau – Teilhaber; eva – wahrlich; asyām – davon; aśanāyāpipāse – Hunger und Durst; bhavataḥ – werden.
Als die Gottheiten der Sinne ihren jeweiligen Wohnort sichergestellt hatten, blieben jene, die Hunger und Durst empfinden, ohne einen Ort zum Rasten. Sie sagten zu Gott: „Weise auch uns einen Ort zu.“ Gott antwortete: „Ihr seid doch bloß Sinne. Ohne ein intelligentes höheres Wesen könnt ihr keine Nahrung zu euch nehmen. Aus diesem Grunde weise ich euch nun einen Platz bei den Göttern (Agni etc.) zu, sowohl innerhalb als auch außerhalb des menschlichen Körpers. Ich werde euch zu ihren Partnern machen, damit ihr an den Opfergaben teilhaben könnt, die sie erhalten.“
Wie Gott zu Beginn der Schöpfung angeordnet hatte, tragen Hunger und Durst dazu bei, die Götter mit Opfergaben – in Form von Reis, Reismehl, Ghee etc. – gnädig zu stimmen. Die Götter mögen besonders gerne Nahrung und Getränke. Auf diese Weise werden jene Sinne, die Hunger und Durst empfinden, zu ihren Partnern.
HIER ENDET DAS ZWEITE KAPITEL.
Tṛtīyo 'dhyāyaḥ (Drittes Kapitel)
3.1.
sa īkṣateme nu lokāśca lokapālāścānnamebhyaḥ sṛjā iti॥ 1॥
1. Es (der Schöpfer) überlegte erneut: „Die Welten und die Beschützer der Welten habe ich jetzt erschaffen. Jetzt sollte ich auch Nahrung für sie hervorbringen.“
ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; īkṣata – dachte, dachte nach; ime – diese; lokāḥ – Welten; ca – und; lokapālāḥ – die Beschützer der Welten; ca – auch; annam – Nahrung; ebhyaḥ – für sie; sṛjai – ich werde erschaffen; iti – so (dachte Er).
Es dachte: „Jetzt habe ich also die Welten und ihre Lenker erschaffen, die Hunger und Durst unterworfen sind. Sie können nicht ohne Nahrung überleben. Daher werde ich jetzt Nahrung für die Beschützer der Welten hervorbringen.“
In dieser Welt haben die Machthaber die Möglichkeit, ihre Untergebenen zu belohnen oder zu bestrafen. So hat natürlich auch Gott vollkommene Freiheit, Lohn oder Strafe auszuteilen, denn Es ist ja der höchste Regent. Gott kann alles schaffen und auch zerstören. Es ist allmächtig. Seine übernatürlichen Fähigkeiten (vibhūtis) sind unbegrenzt.
3.2.
so'po'bhyatapat tābhyo'bhitaptābhyo mūrtirajāyata।
yā vai sā mūrtirajāyatānnaṃ vai tat॥ 2॥
2. Dann brütete Es über dem Wasser, und aus dem Wasser, mit derartiger Aufmerksamkeit bedacht, kam eine Form hervor. Diese so geschaffene Form war in der Tat Nahrung.
ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; apaḥ – über den Wassern; abhyatapat – brütete, blickte auf sie; tābhyaḥ – von diesen; abhitaptābhyaḥ – so betrachtet, bebrütet; mūrtiḥ – Form; ajāyata – wurde geboren; yā – welche; vai – wahrlich; sā – diese; mūrtiḥ – Form; annam – Nahrung; vai – wahrlich; tat – das.
Gott wollte Nahrung erschaffen und brütete über den Wassern. Aus den Wassern, die als materielle Ursache fungierten, kam dann etwas hervor, das eine Form hatte, fest, mit Bewusstsein und auch ohne, und in der Lage, das Unbewegliche und das Bewegliche zu unterstützen. Diese Form war die Nahrung.
Gott brütete über den Wassern, die hier die fünf Elemente repräsentiern.
Mūrtirajāyata – organische Materie kam hervor, pflanzlich und tierisch. Die groben Objekte sind hier „Nahrung“ genannt worden, weil sie durch die Organe und ihre zuständigen Gottheiten genossen werden.
3.3.
tadenadabhisṛṣṭaṃ parāṅ atyajighāṃsat।
tadvācā'jighṛkṣat tannāśaknodvācā grahītum।
sa yaddhainadvācā'grahaiṣyadabhivyāhṛtya haivānnamatrapsyat॥ 3॥
3. Dann versuchte die derart geschaffene Nahrung, wegzulaufen. Es versuchte, sie durch die Sprache einzufangen, aber Es konnte sie nicht durch die Sprache fangen. Wenn Es sie durch die Sprache gefangen hätte, wäre man allein durch Reden über Nahrung schon satt geworden.
3.4.
tat prāṇenājighṛkṣat tannāśaknot prāṇena grahītum।
sa yaddhainatprāṇenāgrahaiṣyadabhiprāṇya haivānnamatrapsyat॥ 4॥
4. Es versuchte, sie durch den Atem (prāṇa) einzufangen. Es konnte sie nicht durch prāṇa einfangen. Denn wenn Es sie durch prāṇa hätte einfangen können, wäre man allein schon durch das Riechen der Nahrung zufrieden.
3.5.
taccakṣuṣā'jighṛkṣat tannāśaknoccakṣuṣā grahītum।
sa yaddhainaccakṣuṣā'grahaiṣyad dṛṣṭvā haivānamatrapsyat॥ 5॥
5. Es versuchte, sie durch das Auge einzufangen. Es konnte sie nicht durch das Auge einfangen. Denn wenn Es sie durch das Auge hätte einfangen können, wäre man allein schon durch das Sehen der Nahrung zufrieden.
3.6.
tacchrotreṇājighṛkṣat tannāśaknocchrotreṇa grahītuṃ sa
yaddhainacchrotreṇāgrahaiṣyacchrutvā haivānnamatrapsyat॥ 6॥
6. Es versuchte, sie durch die Ohren einzufangen. Es konnte sie nicht durch die Ohren einfangen. Denn wenn Es sie durch die Ohren hätte einfangen können, wäre man allein schon durch das Hören über die Nahrung zufrieden.
3.7.
tattvacā'jighṛkṣat tannāśaknottvacā grahītum।
sa yaddhainattvacā'grahaiṣyatspṛṣṭvā haivānnamatrapsyat॥ 7॥
7. Es versuchte, sie durch Berührung einzufangen. Es konnte sie nicht durch Berührung einfangen. Denn wenn Es sie durch Berührung hätte einfangen können, wäre man allein schon durch das Berühren von Nahrung gesättigt.
3.8.
tanmanasā'jighṛkṣat tannāśaknonmanasā grahītum।
sa yaddhainanmanasā'grahaiṣyad dhyātvā haivānnamatrapsyat॥ 8॥
8. Es versuchte, sie durch den manas einzufangen. Es konnte sie nicht durch den manas einfangen. Denn wenn Es sie durch den manas hätte einfangen können, wäre man allein schon durch das Denken an Nahrung gesättigt.
3.9.
tacchiśnenājighṛkṣat tannāśaknocchiśnena grahītum।
sa yaddhainacchiśnenāgrahaiṣyadvisṛjya haivānnamatrapsyat॥ 9॥
9. Es versuchte, sie mit dem Geschlechtsorgan einzufangen, aber Es konnte sie damit nicht einfangen. Denn wenn Es sie damit hätte einfangen können, wäre man bereits durch den Samenerguss gesättigt.
3.10.
tadapānenājighṛkṣat tadāvayat।
saiṣo'nnasya graho yadvāyurannāyurvā
eṣa yadvāyuḥ॥ 10॥
10. Es versuchte, sie durch apāna einzufangen. Und Es fing sie tatsächlich. Es ist apāna, welcher die Nahrung einfängt. Dieser apāna ist der Lebensspender durch Nahrung.
ERLÄUTERUNG: [3] Tat – das; etat – dies; sṛṣṭam – erzeugt; parāṅ – weggewandt; atyajighāṁsat – versuchte, wegzulaufen; tat – das; vācā – durch Sprache; ajighṛk-ṣat – versuchte, zu ergreifen; tat – das; na – nicht; aśaknot – konnte; grahītum – halten, fangen; saḥ – Er; yat – wenn; enat – dies; vācā – durch Sprache; agra-haiṣyat – konnte halten; abhivyāhṛtya – durch Namen ausgesprochen; haiva – wahrlich; annam – Nahrung; atrapsyat – wäre zufriedengestellt worden; [4] Tat – das; prāṇena – durch prāṇa; ajighṛkṣat – versuchte, zu ergreifen; tat – das; na aśaknot – war nicht fähig; grahītum – zu halten, fangen; yat – falls; prāṇena – durch prāṇa; agrahaiṣyat – konnte halten; abhiprāṇya – gerochen oder geatmet habend; annam – Nahrung; atrapsyat – zufriedengestellt worden; [5] cakṣuṣā – durch Sehen; dṛṣṭvā – gesehen habend; [6] śrutvā – gehört habend; śrotreṇa – durch das Ohr; [7] tvacā – mit der Haut; spṛṣṭvā – berührt habend; [8] manasā – durch den manas (Verstand, Denkorgan); dhyātvā – gedacht habend; [9] śiśnena – mit dem Geschlechtsorgan; visṛjya – ergießend; [10] tat – das; apānena – durch apāna; ajighṛkṣat – versuchte, zu ergreifen; tat – das; āvayat – ergriff, konnte essen; saḥ – Er; vaḥ – wahrlich; annasya – durch Nahrung; grahaḥ – Ergreifer, Festhalter; yat vāyuḥ – mit Luft; annāyuḥ vai – Nahrungsluft; Luft, durch die der Mensch von Nahrung lebt; eṣaḥ – dies; yat vāyuḥ – was Luft (ist).
So wie Mäuse weglaufen, wenn sie Ratten sehen, so lief auch die Nahrung weg aus Angst, vom Verzehrer verschlungen zu werden. Gott konnte sie nicht mit Sprache, prāṇa, Auge, Ohr, Berührung, manas und Geschlechtsorgan fangen. Schließlich fing er sie durch apāna, durch die Öffnung des Mundes, und so konnte Es sie verzehren. Daher ist apāna der Fänger (bzw. Verwerter) der Nahrung (annagrāhaka). Apāna lebt durch Nahrung.
3.11.
sa īkṣata kathaṃ nvidaṃ madṛte syāditi sa īkṣata katareṇa prapadyā iti।
sa īkṣata yadi vācā'bhivyāhṛtaṃ yadi prāṇenābhiprāṇitaṃ yadi cakṣuṣā
dṛṣṭaṃ yadi śrotreṇa śrutaṃ yadi tvacā spṛṣṭaṃ yadi manasā dhyātaṃ
yadyapānenābhyapānitaṃ yadi śiśnena visṛṣṭamatha ko'hamiti॥ 11॥
11. Er (Gott) dachte: „Wie können all diese ohne Mich leben?“ So überlegte Er: „Auf welchem Weg sollte Ich in sie eintreten?“ Und weiter dachte Er: „Wenn Sprechen durch die Sprache geschieht, Riechen durch die Nase, Sehen durch die Augen, Hören durch die Ohren, Berühren durch die Haut, Denken durch den Verstand, Essen durch apāna, Ergießen durch das Geschlechtsorgan – wer bin Ich dann?“
ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; īkṣata – überlegte; katham – wie; nu – wahrlich; idam – dies; madṛte – ohne Mich; syāt – existieren; katareṇa – wie; prapadyai – soll Ich eintreten?; vācā – durch Sprache; abhivyāhṛtam – wird gesprochen; prāṇ-ena abhiprāṇitam – durch Geruch wird gerochen; cakṣuṣā – durch den Gesichtssinn; dṛṣṭam – gesehen; yadi – wenn; śrotreṇa śrutam – gehört durch die Ohren; tvacā spṛṣṭam – berührt durch die Haut; manasā dhyātam – gedacht durch den Verstand; apānena apānitam – verdaut durch āpana; śiśnena visṛṣṭam – ausgestoßen durch das Geschlechtsorgan; kaḥ aham iti – wer bin dann Ich?
Nachdem Er die Welten geschaffen hatte und auch die Lenker der Welten und die Einzelwesen, die von Nahrung abhängen, so wie eine Stadt mit ihren Bewohnern und Regierenden, dachte er nach, wie ein König nachdenken würde. „Wie kann diese Ansammlung und Verbindung von Ursachen und Wirkungen, die jeweils für etwas anderes da sind, ohne mich existieren? Wenn Sprache etc. ihre Aktivitäten nur für sich selbst ausführen würden, dann wären diese doch nutzlos, wie etwa das Opfern von Festessen und Lobpreisungen sinnlos wären, wenn da kein König wäre, der sie annehmen könnte. Daher, wie der König der Stadt, muss Ich, der Ich von dieser Schöpfung verschieden bin und doch deren Substrat und Zeuge, muss Ich doch zum Erfahrenden und Genießer der Früchte der Handlungen werden, die von den Menschen ausgeführt werden. Wenn diese Verbindung von Ursachen und Wirkungen ohne Mich ablaufen könnten, so wäre das ja wie die Aktivitäten der Bewohner ohne einen König.
Wer bin Ich denn also? Was ist meine Natur? Wessen Herrscher bin Ich? Wenn Ich nicht in den menschlichen Körper eintrete und die Früchte und Auswirkungen der menschlichen Handlungen genieße und betrachte – wie der König die Stadt betritt und die Aktivitäten und auch die Übertretungen der Untertanen und Beamten beobachtet und begutachtet –, wird niemand Mich kennen oder sich für Mich und Meine Natur interessieren. Wenn ich aber im Körper gegenwärtig bin, werde ich erkannt werden als Der, der die Natur der Sprache etc. versteht und für Den überhaupt die Ansammlung und Verbindung von Sprache etc. existieren, so wie die Kombination der Säulen, Wände etc. eines Hauses zum Nutzen des Hausherrn da ist, der selbst nicht mit diesen Teilen verbunden ist.“
Er dachte: „Wie soll ich in diesen Körper eintreten? Die beiden Eingangspunkte sind einerseits die Fußspitzen und andererseits der oberste Punkt des Kopfes. Welchen Weg soll ich nehmen?“
Die Existenz dieses Körpers verlangt nach einem Besitzer, für den er überhaupt existiert. Die Sinne vollziehen ihre Aufgabe mithilfe der intelligenten Seele, die im Körper wohnt. Es ist die Seele, die den Körper lenkt sowie auch den Verstand und die Sinne. So wie ein Haus seinen Sinn darin hat, dass es einem Menschen als Wohnsitz dient – wobei der Mensch völlig verschieden ist von den Materialien, aus denen das Haus besteht –, so muss auch der Körper als Wohnsitz gedacht sein für ein intelligentes Wesen (den ātman), das verschieden ist von den Elementen, aus denen dieser Körper zusammengesetzt ist.
Der ātman ist wie ein König, der in dem Palast dieses Körpers wohnt bzw. in der „Stadt mit neun Toren“. Die verschiedenen Organe erfüllen ihre Aufgaben, um ihrem König zu dienen und zu gefallen.
3.12.
sa etameva sīmānaṃ vidaryaitayā dvārā prāpadyata।
saiṣā vidṛtirnāma dvāstadetannāndanam।
tasya traya āvasathās trayaḥ svapnāḥ।
ayamāvasatho'yamāvasatho'yamāvasatha iti॥ 12॥
12. Dann öffnete Er die Naht oben auf dem Kopf und trat durch diese Tür ein. Diese Tür wird vidṛti genannt (Spalte, Naht). Sie ist in der Tat das nāndanam, der Ort der Glückseligkeit. Er hat drei Wohnplätze (in dem Körper) und drei Traumzustände. Dies ist Sein Wohnsitz, dies ist Sein Wohnsitz, dies ist Sein Wohnsitz.
ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; etam-eva – dies; sīmānam – die Naht der Schädeldecke; vidārya – geöffnet habend; etayā dvārā – durch diese Tür; prāpadyata – trat ein; sā eṣā – dies; vidṛtiḥ – das, was aufgerissen wurde; nāma – wird genannt; dvāḥ – Tor, Tür; tat – deshalb; etat – es; nāndanam – der Ort der Glückseligkeit; tasya – seine; trayaḥ – drei; āvasathāḥ – Wohnort; trayaḥ – drei; svapnāḥ – Traum; āvasathaḥ – dieser Wohnsitz.
Er (Gott) überlegte: „Ich werde nicht durch die Fußspitzen eintreten. Das kann mein Diener tun, der meine Befehle ausführt. Ich werde durch die Naht der Schädeldecke eintreten, durch die suṣumṇā*.“ Gott schnitt den Schädel entlang der Linie auf, wo die beiden Hälften zusammenkommen, und betrat den Körper. Diese Öffnung ist wohlbekannt, denn dort empfindet man ein kühles Gefühl, wenn die Krone des Kopfes mit Öl eingerieben wird. Da diese Passage dadurch entstanden ist, dass der Kopf aufgespalten wurde, nennt man sie vidṛti, die „Spalte“.
Die anderen Öffnungen (wie Ohr, Mund, Nase etc.) sind die gewöhnlichen Öffnungen, die für die Diener (Agni etc.) Gottes gedacht sind. Deswegen sind sie nicht perfekt und können keine volle Lust erzeugen. Die obere Öffnung ist nur für Gott da. Daher wird sie nāndana („Tor der Glückseligkeit“) genannt. Sie wird nāndana genannt, weil die Seele, wenn sie durch dieses Tor (brahma-randhra) austritt, das Glück von para-brahman erfährt.
Īśvara (Gott), trat in den Körper als jīvātman ein. Für Ihn gibt es drei Orte, so wie etwa ein König drei Städte als Residenz haben kann. Das rechte Auge ist der Ort für den Wachzustand, der Verstand (oder die Kehle) ist der Ort für den Traumzustand und das Herz ist für den Tiefschlaf. Eine andere Interpretation: Der Körper ist der Ort für den Vater, der Mutterleib für die Mutter und der eigene Körper für ihn selbst.
Die drei Traumzustände sind Wachen, Träumen und Schlafen. Einwand: Der Wachzustand kann doch nicht als Traum bezeichnet werden! – Doch. Er ist in der Tat ein Traum. Wieso? Man erkennt dort nicht seinen wahren ātman und die Erfahrungen und Dinge der Welt sind so unwirklich wie die im Traum, wenn man sie mit den Erfahrungen in der Selbstverwirklichung vergleicht. Nur Selbstverwirklichung ist absolutes Bewusstsein, welches real, unveränderlich und dauerhaft ist. Alle anderen Bewusstseinszustände sind relativ und unwirklich. Sie sind nur Träume, die durch māyā hervorgerufen werden.
Das rechte Auge ist der erste Wohnsitz, der Verstand der zweite und der Hohlraum im Herzen, der Herz-Äther, ist der dritte.
„Dies ist Sein Wohnsitz“ ist nur eine Wiederholung. Sie soll die Aussage betonen. Īśvara (Gott), der fälschlich glaubt, Er sei der jīva, lebt abwechselnd an drei Plätzen. Er schläft für lange Zeit mit seiner selbstgeborenen Partnerin der Unwissenheit und wacht nicht auf, obwohl das Leiden ständig auf ihn einhämmert, durch unzählige Katastrophen.
3.13
sa jāto bhūtānyabhivyaikhyat kimihānyaṃ vāvadiṣaditi।
sa etameva puruṣaṃ brahma tatamamapaśyadidamadarśanamitī3॥ 13॥
13. Als Es (das Selbst) sich inkarnierte (in Form des jīva, nachdem das höchste Selbst in den Körper eingetreten war), dachte Es über die Elemente nach. Es schaute um sich auf all die Geschöpfe. Wie sollte Es über irgendetwas anderes reden? „Was, außer dem ātman, ist da, das ich benennen könnte?“ Da ist nichts. Wie könnte Es wünschen, irgendetwas als verschieden von sich selbst zu erklären? Es fand nichts anderes als die Wirklichkeit der Seele. Es sah tatsächlich diesen puruṣa, brahman, alldurchdringend. Es sagte zu sich selbst: „Oh, ich hab Das gesehen.“
ERLÄUTERUNG: Saḥ – Er; jātaḥ – geboren (in der Form des jīva); bhūtāni – alle Wesen; abhivyaikhyat – Es blickte um sich mit aufmerksamem Auge, Es begriff; iha – hier; anyam – anderes; vāvadiṣat – könnte erklären; saḥ – Er; etam – dies; eva – wahrlich; puruṣam – den puruṣa; brahma – brahman; tatamam – alldurchdringend; apaśyat – sah; idam – dies; adarśam – habe gesehen; itī, iti – so (sagte Er).
Nachdem Es geboren war – das bedeutet: nachdem er in den Körper eingetreten war in Form des jīva, der Einzelseele –, sah Es die bhūtas (Lebewesen) und sprach über sie. Es teilte allen Dingen ihre Namen zu. Es erkannte, dass alle Dinge und alle Elemente identisch mit Ihm selbst waren. Dieser Vers verwirft die Existenz von allem außer dem ātman. Was gibt es da noch, außer dem ātman, das ich benennen könnte? Da ist nichts. Der jīvātman sitzt zu den Füßen des Lehrers, empfängt spirituelle Unterweisungen, diszipliniert sich selbst, hört die śrutis, denkt nach und meditiert. So gewinnt er das wahre Wissen über das Selbst. Es erkennt, dass alles nur brahman ist und dass diese Welt und dieser Körper nur darüber gelagerte Vorstellungen sind.
Wenn der Lehrer, der voller Mitgefühl ist, dem Strebenden die großen vedischen mahā-vākyas (Sprüche) ins Ohr tönt – wie etwa tat tvam asi („Das bist du“), dessen Klang das Wissen um brahman in ihm erweckt –, dann erkennt er sein Selbst als brahman, den Schöpfer, der in dem Körper wohnt und doch alldurchdringend ist wie der Äther. Es ruft aus: „Ich habe brahman gesehen, die wahre Essenz meines ātman; ich habe erkannt, dass brahman und mein eigenes Selbst dasselbe sind.“
Itī – das Ausdehnen/Betonen des zweiten „i“ soll das tiefe Nachdenken und das Auskosten des Gedankens andeuten. Jetzt hat der Suchende endlich erkannt, dass sein Selbst identisch ist mit dem unendlichen höchsten Selbst. Das Ausdehnen/Betonen des „i“ zeigt auch die Freude über den Erfolg, die Freude, die er nach dem langen und tiefen Nachdenken erfährt.
Das Substrat dieser Welt ist brahman. Diese Welt ist brahman aufgesetzt (überlagert), aufgrund von Unwissenheit. Wenn diese Überlagerung (adhyāsa) aufgehoben ist, durch Wissen von brahman, dann realisiert der Suchende: „All dies ist in der Tat brahman; es gibt nichts außer brahman; brahman ist alldurchdringendes reines Bewusstsein.“
Der jīva wollte sehen, welches andere Prinzip, außer seinem eigenen intelligenten Selbst, hinter den Phänomenen der Welt stehen könnte. Es sieht das alldurchdringende brahman und drückt sein großes Staunen aus: „Ich habe Es gesehen!“
3.14.
tasmādidandro nāmedandro ha vai nāma।
tamidandraṃ santamindra ityācakṣate parokṣeṇa।
parokṣapriyā iva hi devāḥ parokṣapriyā iva hi devāḥ॥ 14॥
14. Deswegen heißt Es Idandra. Idandra ist wahrlich Sein Name. Obwohl Es Idandra heißt, wird er indirekt „Indra“ genannt. Die Götter haben sozusagen eine Vorliebe für indirekte Namen.
ERLÄUTERUNG: Tasmāt – deshalb; idandraḥ nāma – mit Namen Idandra; idandraḥ ha vai nāma – der „Idandra“ genannt wird; idandram santam – Idandra seiend; tam – Ihn; parokṣeṇa – indirekt, nichtgeoffenbart, geheim; indraḥ – Indra; iti – so; ācakṣate – sie nennen; hi – weil; parokṣapriyāḥ eva hi devāḥ (2x) – die Götter haben gleichsam eine Vorliebe dafür, mit nichtgeoffenbarten Namen gerufen zu werden.
Idandra bedeutet wörtlich „Es sehend“. Da er das alldurchdringende brahman unmittelbar als idam („dies“) sah, wird der paramātman „Idandra“ genannt. Die Kenner des brahman haben eine Scheu, brahman, den Gott von allem, direkt anzusprechen, denn Es ist das am höchsten zu verehrende Wesen. Daher wird im Gebet und in der Anrufung brahman, das eigentlich Idandra ist, mit einem nichtgeoffenbarten Namen, nämlich „Indra“, angesprochen. Die śrutis beschreiben brahman als Idandra. Sogar in dieser Welt werden verehrungswürdige Personen, wie Vater, Mutter, Lehrer etc., nicht mit ihrem Eigennamen angesprochen, sondern z.B. mit Pitājī, Mātājī, Gurujī, Svāmījī. Sie freuen sich, so angeredet zu werden. Die Götter lassen sich ebenfalls gerne derart ansprechen. Was soll dann über Māheśvara, den Gott aller Gottheiten, gesagt werden?
Die Wiederholung des Satzes parokṣapriyāḥ eva hi devāḥ zeigt an, dass der Abschnitt hier zu Ende ist.
HIER ENDET DAS DRITTE KAPITEL.
Caturtho 'dhyāyaḥ (Viertes Kapitel)
4.1.
puruṣe ha vā ayamādito garbho bhavati। yadetadretas
tadetatsarvebhyo'ṅgebhyastejaḥ saṃbhūtamātmanyevātmānaṃ bibharti
tadyadā striyāṃ siñcatyathainajjanayati tadasya prathamaṃ janma॥ 1॥
1. Als erstes ist der Samen im Mann; dieser Same ist die Essenz der Stärke und Kraft, die aus allen Gliedern zusammengezogen wird. Er trägt sein Selbst in seinem Selbst. Wenn er ihn in die Frau ergießt, bewirkt er seine Geburt. Das ist die erste Geburt.
ERLÄUTERUNG: Puruṣe – im Mann; ha vai – in der Tat; āditaḥ – als erstes; ayam – dieser; garbhaḥ – Same (Embryo, Leibesfrucht); bhavati – wird; yat – welcher; etat – dieser; retaḥ – Same (des Mannes); tat – das; etat – dies; sarvebhyaḥ – alle; aṅgebhyaḥ – Glieder; tejaḥ – die Essenz von Stärke und Kraft; saṃbhūtam – wird; ātmānam – das Selbst; ātmani – im Selbst; bibharti – trägt, hält; tat – das; yadā – wenn; striyāṃ – in das Feuer der Frau; siñcati – ergießt; atha – dann; enam – dies; janayati – erzeugt; asya – seine; prathamam – erste; janma – Geburt.
Der jīva, angetrieben durch seine Wünsche, die wiederum auf Unwissenheit beruhen, vollzieht karmas (Rituale) und erreicht langsam, über den Pfad des Rauches, den Bereich des Mondes (candra-loka), um dort die Früchte seiner karmas zu ernten. Dann kommt er, zusammen mit dem Regen, zurück zu dieser Welt, nachdem sein karma erschöpft ist. Eingegangen in die Nahrung, wird er als Opfergabe in das Feuer des Mannes geopfert. Der jīva nimmt seinen Sitz im Getreide. Das Getreide wird die Nahrung für den Mann und wird in ihm in die Samenflüssigkeit verwandelt.
Der Reisende im saṃsāra (der jīva) wird zunächst zum Samen im Mann. Sein Same ist die Essenz, die aus allen Organen und Gliedern, den Produkten der Nahrung, herausgezogen wird. Die erste Empfängnis des jīva ist im Mann, im Körper des Vaters.
Der Samen ist sozusagen sein eigentliches Selbst. Die Zeugungskraft des Mannes hängt allein von ihm ab. Der Samen mit seiner Kraft wird der ātman, das Selbst, genannt, da er die eigentliche Essenz des Mannes ist. Die Essenz seines Körpers wird in den Samen transformiert und lagert in ihm. Wenn er den Samen in den Leib der Frau ergießt, sobald sie empfängnisbereit ist, ist das eine Art Opfer in das Feuer der Frau. Das wird dann die erste Geburt des jīva, der zuvor in der Form des Samens existierte. Das ist der erste manifestierte Zustand.
Die śrutis sagen: „Dieser ātman (puruṣa, Mann) opfert jenen ātman (den Samen) in jenen ātman (die Frau).“
4.2.
tatstriyā ātmabhūyaṃ gacchati yathā svamaṅgaṃ tathā।
tasmādenāṃ na hinasti।
sā'syaitamātmānamatra gataṃ bhāvayati॥ 2॥
2. Dieser Samen wird eins mit der Frau, als ein Teil ihres Körpers. Deshalb erzeugt er kein Leiden für sie. Sie nährt sein Selbst in sich.
ERLÄUTERUNG: Tat – das; striyāḥ – der Frau; ātmabhūyam – wird eins mit ihrem Selbst (Körper); tasmāt – daher; enām – ihr; svam aṅgam – eigene Gliedmaße, Teil des eigenen Körpers; na hinasti – erzeugt kein Leiden; sā – sie; atra gatam – was in ihr bleibt; ātmānam – Selbst; bhāvayati – nährt.
Sobald der Samen in die Frau gelangt, wird er Teil ihres Selbst, untrennbar von ihr, so wie er vorher Teil des Vaters war. Er ist für sie wie ein eigener Körperteil, wie Hand oder Fuß. Das ist der Grund, warum der Fötus in ihr keinen Schmerz erzeugt, wie es etwa ein Abszess tun würde. Die schwangere Frau weiß, dass das Selbst des Ehemannes in ihren Leib eingetreten ist, und sie nährt es sorgfältig, indem sie schädliche Nahrung vermeidet und gesunde Nahrung zu sich nimmt.
4.3.
sā bhāvayitrī bhāvayitavyā bhavati। taṃ strī garbha bibharti।
so'gra eva kumāraṃ janmano'gre'dhibhāvayati।
sa yatkumāraṃ janmano'gre'dhibhāvayatyātmānameva
tadbhāvayatyeṣaṃ lokānāṃ santatyā।
evaṃ santatā hīme lokāstadasya dvitīyaṃ janma॥ 3॥
3. So wie sie die Ernährende seines Selbst in ihr wird, so sollte sie auch genährt werden. Die Frau trägt das Kind in ihrem Leib. Er (der Vater) nährt das Kind unmittelbar vor wie auch nach der Geburt. Indem er das Kind vor und nach dessen Geburt nährt, nährt er sich selbst für die Fortsetzung dieser Welten. So werden diese Welten der Nachkommenschaft fortgeführt. Das ist seine zweite Geburt.
ERLÄUTERUNG: Sā – sie; bhāvayitrī – Ernährerin; bhāvayitavyā – (deshalb sollte auch) sie genährt werden; bhavati – wird; tam – ihn; strī – die Frau; garbham – im Leib; bibharti – hält, trägt; saḥ – er; agra eva – sogar vor (der Geburt des Kindes); kumāram – Kind; janmanaḥ – Geburt; agre adhi – vor und nach der Geburt; bhāvayati – nährt; saḥ – er; yat-kumāram – welches Kind; janmano-agre adhi-bhāvayati – nährt vor und nach der Geburt; ātmānameva bhāvayati – nährt sich selbst; eṣām – diese; lokānām – Welten; santatyā – Nachkommenschaft; evaṃ santatā – setzt sich so fort; hi ime – wahrlich diese; lokaḥ – Welten; tadasya – von ihm; dvitīyam – zweite; janma – Geburt.
Der Vater nährt das Kind vor und nach der Geburt, indem er die Geburtsriten, wie z.B. jātakarman, durchführt. Wenn er das Kind durch solche Riten nährt, nährt er sich selbst, denn es ist des Vaters Selbst, das in Gestalt des Kindes geboren wird. Die religiösen saṃskāras, die vor und nach der Geburt vollzogen werden, ermöglichen dem Kind, den rechten Pfad im Leben einzuschlagen.
Die śrutis sagen: „Der Mann tritt in die Frau ein […]“. Es geschieht um der ungebrochenen Fortsetzung dieses Weltzyklus willen, dass der Vater sich selbst erzeugt in der Gestalt des Kindes und es ernährt. Wenn niemand Kinder zeugen würde, würde dieser Weltzyklus unterbrochen. Die Welt besteht fort wie ein Strom – durch die Zeugung von Kindern. Deshalb sollten Kinder gezeugt werden für die Fortsetzung der Welt und nicht, um Befreiung zu erlangen.
Wenn der jīva (bzw. saṁsārī) den Mutterleib in Gestalt des Kindes verlässt, ist das seine zweite Geburt, seine zweite Manifestation, im Unterschied zu seiner Form als Samen.
4.4.
so'syāyamātmā puṇyebhyaḥ karmabhyaḥ pratidhīyate।
athāsyāyāmitara ātmā kṛtakṛtyo vayogataḥ praiti।
sa itaḥ prayanneva punarjāyate tadasya tṛtīyaṃ janma॥ 4॥
4. Der Sohn, der sein eigenes Selbst ist, vertritt ihn und setzt seine guten Taten fort. Nachdem das erste Selbst (das des Vaters) seine Pflichten erfüllt hat und alt wird, verlässt es diese Welt. Nachdem er die Welt verlassen hat, wird er wieder geboren. Das ist seine dritte Geburt.
ERLÄUTERUNG: Saḥ – er; ayam – dieses; ātmā – Selbst; puṇyebhyaḥ – tugendhaft; karmabhyaḥ – für die Taten; pratidhīyate – wird zum Ersatz, Vertreter; atha asyāyāmitaraḥ – als sein anderes; ātmā – Selbst; kṛtakṛtyaḥ – seine Pflichten erfüllt; praiti – verlässt; saḥ – er; itaḥ – von hier; prayanneva – verlassen habend; punaḥ – wiederum; jāyate – wird geboren; tadasya – sein; tṛtīyam janma – dritte Geburt.
Der Sohn wird gezeugt durch den Vater, um sozusagen sein Stellvertreter und Nachfolger zu werden, der die vorgeschriebenen Handlungen weiterführen kann. Er repräsentiert jetzt seinen Vater in all seinen Handlungen, Ritualen etc.
Im Vājasaneyaka heißt es: „Angewiesen durch meinen Vater, bin ich brahman, bin ich das Opfer.“ Die Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad sagt: „Wenn ein Mann im Sterben liegt, sollte er seinen Sohn rufen und ihm alles sagen, was er noch tun wollte.“ Der Vater spricht so zu seinem Sohn: „Du bist brahman, du bist ein yogī, du bist die Welt etc. Rezitiere die Veden, die ich zu rezitieren hatte, vollführe die Opferriten, die ich zu vollziehen hatte. Erringe die Welten, die ich hätte erringen können. Vollende die Werke, die ich nicht mehr tun konnte oder die nur halb vollendet sind.“ Der gute Sohn sagt: „Ja, ich bin brahman, ich bin das Opfer.“ Er verpflichtet sich also, die Werke des Vaters zu vollenden.
Dann stirbt der Vater, nachdem er die drei Arten von Verpflichtungen eingelöst und nachdem er all seine Verantwortlichkeiten dem Sohn übergeben hat.
Nachdem er diesen Körper verlassen hat, nimmt er einen neuen Körper an, wie eine Raupe einen neuen Grashalm sucht. Diese neue Geburt ist die dritte Geburt.
Die erste Geburt eines Menschen ist die von seinem Vater in der Form des Samens. Die zweite Geburt ist die des Kindes, das aus dem Mutterleib kommt. Wenn jetzt von der dritten Geburt gesprochen wird, wie kann dann gesagt werden, dass die Wiedergeburt des Vaters die dritte Geburt des Sohnes ist? Das ist völlig korrekt, denn die Identität des Vaters und des Sohnes wurde bereits erklärt. Es soll gesagt werden, dass Vater und Sohn eins sind. Der Sohn wird dann auch wieder, wie der Vater, sterben und alle seine Verantwortlichkeiten seinem Sohn übergeben.
Die śruti ist so zu verstehen, dass alles, was an einem Ort gesagt wurde, auch an anderen Stellen gültig ist; in diesem Fall, dass das Selbst des Vaters und das des Sohnes eins sind.
In der Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad wird gesagt, dass die Seele, bevor sie den gegenwärtigen Körper verlässt, aus den subtilen Elementen des Körpers einen fein-stofflichen Körper formt (ātivāhika-śarīra). Sie verlässt den Körper erst, wenn dieser subtile Körper geformt ist. Dies ist die dritte Geburt des Sohnes.
Es gibt drei Arten von Verpflichtungen:
- gegenüber den Göttern (deva-ṛṇa); diese werden eingelöst durch Opferhandlungen.
- gegenüber den Vorfahren (pitṛ-ṛṇa); diese werden eingelöst durch die Zeugung eines Kindeszur Fortsetzung der Nachkommenslinie.
- gegenüber den Sehern (ṛṣi-ṛṇa); diese werden eingelöst durch das Studium der Schriften und die Verbreitung des Wissens.
4.5.
taduktamṛṣiṇā garbhe nu sannanveṣāmavedamahaṃ devānāṃ janimāni viśvā
śataṃ mā pura āyasīrarakṣannadhaḥ śyeno javasā niradīyamiti।
garbha evaitacchayāno vāmadeva evamuvāca॥ 5॥
5. Der ṛṣi (Vāmadeva) erklärte: „Schon als ich im Mutterleib war, erfuhr ich von den Geburten aller Götter. Wie von hundert eisernen Wällen wurde ich niederdrückt und festgehalten. Ich durchbrach sie alle mit der Geschwindigkeit eines Falken.“ So sprach Vāmadeva, als er noch im Mutterleib weilte.
ERLÄUTERUNG: Taduktam – es wurde erklärt; ṛṣiṇā – durch den ṛṣi (Vāmadeva); garbhe – im Mutterleib; nu – wahrlich; san – seiend; eṣām – diese; avedamaham – ich wusste; devānām – der Götter; janimāni – Geburten; viśvā – alle; śatam – hundert; mā – mich; puraḥ – Wälle, Schutzwälle, Körper; āyasīḥ – aus Eisen; arakṣan – hielten; adhaḥ – nieder; śyenaḥ – (wie ein) Falke; javasā – schnell; niradīyam – ich habe durchbrochen, iti – so; garbhe – im Mutterleib; eva – sogar; śayānaḥ – liegend; vāmadevaḥ – (ein ṛṣi namens) Vāmadeva; evam – so; uvāca – sagte.
Der Mensch wandert im saṃsāra in Zyklen und geht immer wieder von einem der drei Zustände in den nächsten. Und er ist gefangen im Kreislauf von Geburt und Tod. Durch seine Unwissenheit wird er in den Ozean des saṃsāra geschleudert. An irgendeinem Punkt, durch äußerste Anstrengung, verwirklicht er den ātman, das Selbst,, wie er in den śrutis beschrieben wird, und erlangt Befreiung, so wie Vāmadeva. Er befreit sich aus dem Netz der māyā, durchschaut das Mysterium von Geburt und Tod und erkennt die Herrlichkeit seines eigenen Selbst. Er fühlt, dass alle menschlichen Bindungen durchtrennt sind und dass er das höchste Gut, das letzte Ziel des Lebens erreicht hat.
Während Vāmadeva noch im Mutterleib war, erfuhr er die Geburten aller Gott-heiten, wie z.B. Vāc (Göttin der Sprache), Agni (Gott des Feuers) etc. Das war die Belohnung für seine Meditationen in vielen vorangegangenen Leben.
Śatam – kann anstatt „hundert“ auch „viele“ bedeuten; puraḥ – Körper. „Viele Körper, ähnlich undurchdringlichen eisernen Wällen, die mich daran hinderten, mich selbst aus den Fesseln des saṃsāra herauszuziehen. So wie ein Falke sich aus dem Netz befreit, in dem er gefangen ist, so bin ich, durch meine eigene Kraft, nämlich das Wissen vom ātman, schnell entflohen.“ So sprach Vāmadeva, während er noch im Mutterleib lebte. Wirklich ein großes Wunder!
Die Körper werden verglichen mit starken Eisenkäfigen, die den jīva gefangen halten. Es ist äußerst schwierig, aus dem Körper-Gefängnis zu entkommen. Nur das Wissen um das Selbst kann dieses Gefängnis zerstören.
Vāmadeva wurde erleuchtet, während er noch im Mutterleib war. Das kam durch die Disziplin und die Meditation in früheren Leben. Da hatte er sich bereits gereinigt. Nur deswegen konnte das Wissen um ātman schon in ihm aufscheinen, als er noch gar nicht geboren war. Auch Aṣṭāvakra sprach zu seinem Vater, als er noch im Mutterleib war.
4.6.
sa evaṁ vidvānasmāccharīrabhedādūrdhva utkramyāmuṣmin svarge loke sarvān kāmānāptvā'mṛtaḥ samabhavat samabhavat॥ 6॥
6. Er (Vāmadeva) erkannte den ātman und wurde eins mit dem höchsten Selbst. Er begab sich auf den Aufwärtsweg, und nach der Zerstörung des Körpers wurden all seine Wünsche in der Himmelswelt erfüllt und er wurde unsterblich. Ja, er wurde unsterblich.
ERLÄUTERUNG: Saḥ – er; eva – so; vidvān – Kenner des ātman (Vāmadeva); asmāt – dies; śarīra-bhedāt – Zerstörung des Körpers; ūrdhvaḥ – aufwärts, nach oben; utkramya – nach dem Fortgehen; amuṣmin – in diesem; svarge loke – in den Himmelswelten; sarvān kāmān – alle Wünsche; āptvā – genossen habend; amṛtaḥ – unsterblich; samabhavat – wurde.
Der ṛṣi Vāmadeva erreichte Selbstverwirklichung durch Wissen um den ātman. Er befreite sich von diesem Körper, undurchdringlich wie ein Eisenkäfig und geschaffen durch Unwissenheit, indem er den Nektar des Wissens um das höchste Selbst trank. Er entkam dem Griff des saṃsāra, der mit Hunderten von Kalamitäten (Übeln) verseucht ist durch die wiederholten Geburten. Er erlangte Freiheit durch die Vernichtung der Unwissenheit, des Samens der Körperexistenz. Nach der Auflösung des Körpers stieg er auf aus dem saṃsāra, nachdem der Strom der Verkörperungen abgerissen war. Er wurde eins mit dem höchsten Selbst und erreichte Unsterblichkeit in seinem eigenen Selbst, das unvergänglich ist, ohne Tod, unsterblich, ohne Angst, allwissend, ohne Anfang, Eins-ohne-ein-Zweites, ohne Ende, alldurchdringend und süß vom Nektar des Wissens.
Dem Befreiten werden alle Wünsche erfüllt, während er noch lebt, durch das Wissen um den ātman. Die Wiederholung von samabhavat (erreichte, wurde) soll den Abschluss des Wissens um den ātman, seiner Frucht und seiner Verdeutlichung anzeigen.
Vāmadeva erreichte videha-mukti (Befreiung ohne den Körper) nach dem Abfallen des Körpers. Nach Shankara bedeutet svarga-loka „in seinem eigenen ātman“. Es bezeichnet die Glückseligkeit des brahman, also mokṣa. Hier ist also nicht der „Himmel“ gemeint.
HIER ENDET DAS VIERTE KAPITEL.
Pañcamo 'dhyāyaḥ (Fünftes Kapitel)
5.1.
ko'yamātmeti vayamupāsmahe kataraḥ sa ātmā।
yena vā paśyati yena vā śṛṇoti yena vā gandhānājighrati
yena vā vācaṁ vyākaroti yena vā svādu cāsvādu ca vijānāti॥ 1॥
1. Wer ist dieser ātman, das Selbst, das wir verehren? Wer von beiden ist er – der reale, absolute (nirupādhika) oder der unreale, begrenzte (sopādhika)? Ist er der, durch den man sieht, oder der, durch den man hört, oder der, durch den man Gerüche riecht, oder der, durch den man Sprache spricht, oder der, durch den man weiß, was gut schmeckt und was nicht gut schmeckt?
ERLÄUTERUNG: kaḥ ayam – wer ist dieser; ātmā iti – ātman; vayam – wir; upāsmahe – anbeten; kataraḥ – von welcher Art; saḥ – Er; ātmā – ātman; yena – von dem; vā – wahrlich; rūpam – Form, Gestalt; paśyati – sehen, erkennen; yena – von dem; vā – wahrlich; śṛṇoti – man hört; yena – von dem; vā – wahrlich; gandhān – Düfte, Gerüche; ājighrati – man riecht; yena – von dem; vā – wahrlich; vācam – Rede, Sprache; vyākaroti – äußert, bringt hervor, drückt aus; yena – von dem; vā – wahrlich; svādu – Neigung, Wohlgeschmack; ca – und; asvādu – Abneigung, Ekel; ca – und; vijānāti – weiß, erkennt.
Die brahman-Suchenden fragten untereinander: Wer ist dieser ātman? Diese Strebenden wünschten so sehr, die Unsterblichkeit zu erlangen und ihre begrenzte Individualität (jīva-bhāvatva) loszuwerden, die vergänglich ist und dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterworfen. Sie wollten sich aus der Gefangenschaft des saṃsāra befreien; sie wollten sarvātma-bhāva (universelle Selbstheit) mithilfe von brahma-vidyā (Wissenschaft des Selbst) erreichen, welche Seher wie Vāmadeva u.a. klar herausgearbeitet hatten. Sie fragten also: „Wer ist dieser ātman, den wir als unser eigenes Selbst verwirklichen möchten? Wie können wir den ātman verehren, den Vāmadeva verehrt hat und dadurch Unsterblichkeit erlangt hat?“ Als sie sich so fragten, kam ihnen der vorangehende Text (vgl. 3.11-12) in den Sinn, in dem von den zwei Öffnungen gesprochen wurde, durch die brahman in den Körper hatte eintreten können: „Brahman trat durch die Fußspitzen in den puruṣa ein“, „Er spaltete die Schädeldecke und trat durch diese Öffnung in den puruṣa ein.“
Hier sind die zwei brahmans, die individuelle Seele und die universelle Seele, aus zwei Richtungen in den Körper eingetreten. Sie sind beide der ātman dieses Körpers. Aber nur einer von beiden kann der ātman sein, den man verehren sollte und über den man meditieren sollte. Über welchen von beiden sollte man meditieren?
Da kam ein Gedanke, wie sich die beiden unterschieden: Zwei Entitäten existieren im Körper. Die eine dient als Instrument der Erkenntnis; durch sie wird etwas wahrgenommen mithilfe der verschiedenen Sinne. Die andere erinnert sich an die Eindrücke von Objekten, die durch die Sinne wahrgenommen waren. Die erstere, die als Instrument der Erkenntnis gedient hat, ist nicht berechtigt, der ātman zu werden, denn sie ist ja nur ein Instrument. Aber der Seher, der Wahrnehmende, der ātman, der hinter all den Sinnen und hinter dem manas steht, über den muss man meditieren.
Wer ist es, der erkennt? Durch wen oder was wird etwas erkannt? Die Antwort ist: durch den, der sieht, nachdem er das Sehen geworden ist; durch den, der hört, nachdem er das Hören geworden ist; durch den, der die Gerüche riecht, nachdem er das Riechen geworden ist; durch den, der spricht und Dinge benennt, nachdem er Sprache geworden ist; durch den, der weiß, was süß schmeckt oder sauer, nachdem er das Schmecken geworden ist.
5.2.
yadetaddhṛdayaṁ manaścaitat।
saṁjñānamājñānaṁ vijñānaṁ prajñānaṁ medhā dṛṣṭir dhṛtir
matirmanīṣā jūtiḥ smṛtiḥ saṁkalpaḥ kraturasuḥ kāmo vaśa iti।
sarvāṇyevaitāni prajñānasya nāmadheyāni bhavanti॥ 2॥
2. Das Herz, der manas, Bewusstsein, Meisterschaft, Wissen, Verständnis,
Erinnerungsvermögen, Wahrnehmung, Kraft, Überlegung, Denkvermögen, Aufregung, Erinnerung, Wollen, Entschlossenheit, Leben, Wunsch, Kontrolle – all dies sind in Wahrheit Namen des Bewusstseins.
ERLÄUTERUNG: Yat – welches; etat – dies; hṛdayam – Herz; manaḥ – manas; ca – und; etat – dies; saṁjñānam – Bewusstsein; ājñānam – Meisterschaft; vijñānam – Wissen; prajñānam – Verständnis; medhā – Erinnerungsvermögen; dṛṣṭiḥ – Wahrnehmung; dhṛtiḥ – Kraft; matiḥ – Überlegung; manīṣā – Denkvermögen; jūtiḥ – Aufregung; smṛtiḥ – Erinnerung; saṅkalpaḥ – Wollen; kratuḥ – Entschlossenheit; asuḥ – Leben; kāmaḥ – Wunsch; vaśaḥ – Kontrolle; iti – so; sarvāṇi – alle; eva – wahrlich; etāni – diese; prajñānasya – des Bewusstseins (der ewigen Weisheit); nāma-dheyāni – Namen; bhavanti – werden.
In der Kauṣītaki-Upaniṣad heißt es: „Das Herz ist die Essenz des Menschen. Der manas ist die Essenz des Herzens und vom manas wurden die Wasser und Varuna geschaffen. Vom Herzen der manas und vom manas der Mond.“ Das Herz und der manas sind ein und dasselbe, erscheinen aber als viele.
Durch diesen einen manas, der das Auge wird, sieht man Formen und Farben. Wenn er (manas) die Nase wird, riecht man; wenn er die Sprache wird, spricht man; wenn er die Zunge wird, schmeckt man. Er denkt durch den manas und entscheidet sich durch den Intellekt. Der Wissende weiß alles durch diesen einen Sinn (manas). Dieser eine Sinne führt all die Funktionen der Sinnesorgane aus und bring eine Vielfalt von Informationen zum Erkennenden.
In der Kauṣītaki-Upaniṣad wird gesagt: „Wenn man das Sprechorgan erreicht durch Weisheit, erhält man alle Namen durch Sprache. Wenn man das Auge erreicht durch Weisheit, sieht man alle Formen und Farben durch das Auge.“ Auch im Vājasaneyika[-Brāhmaṇa] heißt es: „Man sieht allein durch den manas und hört allein durch den manas. Man erkennt Formen mit dem Herzen.“ Deswegen ist es wohlbekannt, dass das Organ, das Herz oder Verstand genannt wird, das Instrument der Wahrnehmung aller Dinge ist. Durch dieses eine Instrument erkennt man die Funktionen aller Sinnesorgane.
Und prāṇa ist identisch mit ihm. Prāṇa ist nicht verschieden vom Herzen. Das [Vājasaneyika-]Brāhmaṇa sagt: „Was prāṇa genannt wird, ist wahrlich prajñā (Wissen) und was prajñā genannt wird, ist prāṇa.“ Im prāṇa-Dialog [zwischen Nārada und Sanatkumāra] wird gesagt, dass prāṇa nur eine Kombination oder ein Aggregat der Sinne ist. Daher ist (das niedere) brahman, das durch die Füße eingetreten ist, nicht geeignet, um darüber zu meditieren bzw. um Es zu verehren, denn das niedere brahman ist nur ein Attribut. Es spielt nur eine untergeordnete Rolle, ist nur ein Instrument der Wahrnehmung für die Instanz, die letztlich erkennt.
Der eigentliche Wissende, der ātman, für den Herz und manas die Instrumente der Wahrnehmung sind – nur Der sollte verehrt werden. So haben es die Seher entschieden. Die Funktionen des manas (die sich sowohl auf das Subjektive wie auch auf das Objektive beziehen) sind die Mittel der Wahrnehmung für brahman, das das eigentlich erkennende Bewusstsein ist. Sein Erkennen beruht darauf, dass Es durch das antaḥ-karaṇa (innere Sinnesorgan, manas) konditioniert ist.
Saṃjñāna, ājñāna etc., diese Funktionen des manas, sind die Mittel der Wahrnehmung für den Wissenden (ātman). Sie werden zu Konditionierungen für
brahman.
Prāṇa ist ein karaṇa, d.h. ein Sinnesorgan. Daher ist es kein passendes Objekt für die Meditation. Im Folgenden schließt die śruti (die Upanishad) von den vṛttis (Modifikationen, Bewegungen) des manas, wie etwa saṃjñāna, auf die Existenz des brahman, des Wissenden: Es muss etwas geben, das die Aktivitäten des manas bezeugt, d.h. sie wahrnimmt. Dieser stille Zeuge ist brahman. Die Sinne, der manas und die vṛttis bekommen ihre Kraft, Intelligenz und ihr Licht von dem stillen Zeugen, der selbstleuchtend, allmächtig und allweise ist. Brahman ist verschieden von den Sinnen, den Wahrnehmungen, dem manas und den verschiedenen vṛttis des manas. Brahman ist unveränderlich, aus sich selbst heraus leuchtend, aus sich selbst heraus existierend. Es ist der stetige Zeuge aller mentalen Modifikationen.
5.3.
eṣa brahmaiṣa indra eṣa prajāpatirete sarve devā imāni ca pañca mahābhūtāni
pṛthivī vāyurākāśa āpo jyotīṁṣītyetānīmāni ca kṣudramiśrāṇīva।
bījānītarāṇi cetarāṇi cāṇḍajāni ca jārujāni ca svedajāni
codbhijjāni cāśvā gāvaḥ puruṣā hastino yatkiñcedaṁ prāṇi jaṅgamaṁ ca
patatri ca yacca sthāvaraṁ sarvaṁ tatprajñānetraṁ prajñāne pratiṣṭhitaṁ prajñānetro lokaḥ prajñā pratiṣṭhā prajñānaṁ brahma॥ 3॥
3. Dieses brahman, dieser Indra, dieser Schöpfer, all diese Götter, diese fünf großen Elemente: Erde, Luft, Äther, Wasser, Feuer; all diese kleinen Geschöpfe, diese anderen Samen der Schöpfung: die aus dem Ei Geborenen, aus der Gebärmutter Geborenen, aus dem Sekret Geborenen, aus dem Keim Geborenen; die Pferde, Kühe, Menschen, Elefanten und was sonst noch atmet, sich bewegt, fliegt oder auch bewegungslos ist – all dies wird gelenkt durch Weisheit und wird unterstützt durch Weisheit. Das Universum hat Weisheit als seinen Lenker. Weisheit ist die Grundlage, die Basis von allem. Wahrlich: Weisheit (prajñānaṃ) ist brahman.
ERLÄUTERUNG: Eṣaḥ – dieser (dieses); brahma – brahman; eṣaḥ – dieser; indraḥ – Indra; eṣaḥ – dieser; prajāpatiḥ – Schöpfer (hiraṇya-garbha); ete – diese; sarve – alle; devāḥ – Götter; imāni ca pañca mahābhūtāni – diese fünf großen Elemente; pṛthivī – Erde; vāyuḥ – Luft; ākāśaḥ – Äther; āpaḥ – Wasser; jyotīṃṣi – Feuer; iti – so; etāni – diese; imāni ca kṣudramiśrāṇi – diese vielen kleinen Kreaturen; bījāni ca itarāṇi – und diese anderen Samen; aṇḍa-jāni ca – und aus dem Ei Geborene; jāru-jāni ca – und aus der Gebärmutter Geborene; sveda-jāni ca – und aus dem Schweiß Geborene; udbhij-jāni ca – und aus dem Samen Geborene; aśvāḥ – Pferde, gāvaḥ – Vieh/Kühe; puruṣāḥ – Menschen; hastinaḥ – Elefanten; yat kim ca idam prāṇi – was auch immer hier lebt (atmet); jaṅgamam – was sich bewegt; patatri ca – und was fliegt; yat ca sthāvaram – und was unbeweglich ist; sarvam – alles; tat – das; prajñānetram – durch Weisheit geleitet wird; prajñāne pratiṣṭhitam – was fest in brahman (Weisheit) verweilt; prajñānetraḥ – seine Basis in Wissen habend; lokaḥ – die Welt; prajñā – Wissen, Bewusstsein; pratiṣṭhā – Basis, Grundlage; prajñānam brahma – absolute Weisheit bzw. höchstes Bewusstsein ist immerwährendes brahman.
Dieser ātman, dessen Natur Bewusstsein ist, ist das niedere brahman (apara- brahman), auch hiraṇya-garbha bzw. „kosmischer prāṇa“ genannt. Er ist das Lebensprinzip (prāṇa, kriyā-śakti), das in allen Körpern wohnt. Er (hiraṇya-garbha) ist in das innere Sinnesorgan (antaḥ-karaṇa) eingetreten und erscheint wie unzählige Wasserspiegelungen in einem vom Wind gekräuselten Teich. Er wird als prāṇa oder prajñātmā bezeichnet. Wegen seiner Eigenschaften wird Er „Indra“ genannt, der König der devas (Halbgötter). Er ist Prajāpati (der Schöpfer, Erstgeborene), aus dessen Mund alle Hüter der Welt (Feuer etc.) geboren wurden, geformt aus dem „Klumpen“, der im ersten Kapitel (1.3-4) beschrieben wurde. Er ist auch Agni und alle anderen Götter sowie die fünf grobstofflichen Urelemente aller Körper. Er ist alles, was als Nahrung dient, sowie alle niederen Lebensformen (wie Schlangen, Insekten, Käfer etc.). Die verschiedenen Lebewesen werden in Klassen eingeteilt, z.B. aus dem Ei Geborene (z.B. Vögel), aus der Gebärmutter Geborene (Säugetiere inkl. Menschen), aus Samen Geborene (z.B. Pflanzen). Alles, was sich fortpflanzt, egal ob es sich bewegt (Tiere, Menschen) oder nicht bewegt (Pflanzen), steht unter der Herrschaft von prajñā (prajñānetram).
Prajñānetram – prajñā ist Bewusstsein, Wissen, brahman; netram kontrolliert bzw. leitet einen (biologischen) Vorgang. Das Wort prajñānetram bedeutet, dass diese Welt vom höheren Wissen geführt wird. Brahman ist die Ursache der Manifestation der Welt. Brahman ist das Licht der Welt. Das Universum hängt von brahman ab, während der Schöpfung, der Existenz und der Zerstörung.
Prajñānetro lokaḥ – bedeutet u.a., dass Weisheit die Grundlage und Hauptstütze des Universums ist.
Alle Lebewesen, angefangen von Brahmā bis hinunter zum kleinsten Organismus und Erdklumpen, sowie die gesamte subjektive und objektive Welt sind Manifestationen von brahman – sie hängen alle von brahman ab. Deswegen werden sie als prajñānetram bezeichnet – das, was durch prajñāna (Weisheit) manifestiert wurde. Daher ist Weisheit dasselbe wie brahman.
Jenes brahman, das frei von allen Bedingungen ist, unbefleckt, rein, ohne Handlung, nur Frieden, ohne ein Zweites, erkennbar durch das Verneinen aller unterscheidenden Attribute – „nicht dies, nicht dies“ – , jenseits aller Worte und Gedanken, wird der allwissende Īśvara, der antar-yāmī, der innere Lenker und universelle Aufseher sowie der gemeinsame Same der gesamten manifesten Welt – durch seine Verbindung mit māyā.
Dasselbe brahman wird hiraṇya-garbha, wenn Es sich mit dem Intellekt identifiziert, welcher der Same der ganzen manifesten Welt ist. Es wird auch virāṭ, bekannt als Prajāpati, der aus dem kosmischen Ei hervorkommt. Dies ist das erste verkörperte Wesen. Brahman wird weiterhin ein devatā, der aus demselben kosmischen Ei entspringt und den Namen Agni trägt. In gleicher Weise nimmt brahman verschiedene Namen an, entsprechend den jeweiligen körperlichen Begrenzungen. Angefangen von hiraṇya-garbha bis hinunter zum kleinsten Organismus erhält brahman verschiedene Namen und Formen, entsprechend den Einschränkungen aus den verschiedenen Körpern.
Nicht nur gewöhnliche Menschen, sondern sogar die Gebildeten und Gelehrten betrachten diese eine Entität, die jenseits aller Bedingtheiten ist, nur differenziert durch verschiedene upādhis (begrenzende Attribute), als verschieden und verschiedenartig. Die śrutis sagen: „Einige nennen Es Agni, andere Manu oder Prajāpati, einige nennen Es Indra, andere prāṇa und wieder andere das ewige brahman […]“.
Wenn man brahman erkennt, verschwinden die Erscheinungen und die ganze Vielheit alle miteinander. Es bleibt nur brahman ohne ein Zweites. Der Erleuchtete realisiert, dass der ihm innewohnende ātman derselbe ist wie der, der das ganze Universum durchdringt (sarvatmābhāva). Alle Begrenzungen, Unterscheidungen und Unterteilungen verschwinden vollständig und endgültig.
Prajñānam brahma – „Reines Bewusstsein ist brahman.“ Dies ist eins der mahā-vākyas der Upanishaden (vgl. S. 281f.). Es ist das lakṣaṇa-vākya, denn es beschreibt die Natur des brahman.
Die Aitareya-Upaniṣad beginnt im ersten Vers mit: ātmā vā idameka evāgra āsī ... – „Am Anfang war da nur ātman allein [...]“, und schließt im vorletzten Vers mit: ... prajñānaṁ brahma – „[...] reines Bewusstsein ist brahman.“
4.4.
sa etena prajñenātmanā'smāllokādutkramyāmuṣminsvarge loke
sarvān kāmānāptvā'mṛtaḥ samabhavat samabhavat॥ 4॥
4. Er wurde erhöht in den Zustand von brahman – durch sein Wissen um den ātman. Er verließ diese Welt und erlangte alles, was er wünschte, in jener Welt der höchsten Glückseligkeit. Er erreichte Unsterblichkeit.
ERLÄUTERUNG: Saḥ – er (Vāmadeva bzw. jeder Erleuchtete); etena – durch das; prajñena – (durch das) weise, wissende (Selbst); ātmanā – ātman; asmāt – aus dieser; lokāt – Welt; ut-kramya – verlassen habend; amuṣmin – in jenem; svarge – Himmel; loke – Welt; sarvān – alle; kāmān – Wünsche; āptvā – erreicht habend; amṛtaḥ – unsterblich; samabhavat – wurde.
Jeder Wahrheitssuchende, der das Selbst erkannt hat, so wie es besprochen wurde, kann Unsterblichkeit verwirklichen wie Vāmadeva. Ein befreiter Erleuchteter „wandert“ nicht zu irgendeiner Welt. Er wird absorbiert in dem alldurchdringenden brahman. Er realisiert, dass die individuelle Seele eins ist mit para-brahman.
Die Wiederholung samabhavat, samabhavat zeigt das Ende des Kapitels an.
HIER ENDET DAS Fünfte KAPITEL
UND SOMIT DIE AITAREYA-UPANIṢAD.
Abschluss-Mantra
om, vāṅme manasi pratiṣṭhitā। mano me vāci pratiṣṭhitam।
āvirāvīrma edhi। vedasya ma āṇīsthaḥ। śrutaṃ me mā
prahāsīranenādhītenāhorātrāsaṃdadhāmyṛtaṃ vadiṣyāmi।
satyaṃ vadiṣyāmi। tanmāmavatu। tadvaktāramavatu।
avatu mām। avatu vaktāram। avatu vaktāram।
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥
Om! Meine Sprache wurzelt in meinem Geist. Mein Geist wurzelt in meiner Sprache. Brahman, offenbare Dich mir! Ihr beide, Geist und Sprache, macht mich fähig, die Wahrheit zu ergreifen, die von den Schriften gelehrt wird. Möge das, was ich gelernt habe, mir nicht entschlüpfen! Ich verbinde Tag und Nacht im Studium. Ich denke die Wahrheit, ich spreche die Wahrheit. Möge Das mich beschützen! Möge Das den Lehrer beschützen! Beschütze mich! Beschütze den Lehrer! Beschütze den Lehrer! Oṃ, Frieden! Frieden! Frieden!
Aitareya Upanishad Sanskrit Text
Hier der volle Text der Aitareya Upanishad in der IAST wissenschaftlichen Transliteration:
aitareyopaniṣat
Shanti Mantra
om, vāṅme manasi pratiṣṭhitā।
mano me vāci pratiṣṭhitam।
āvirāvīrma edhi। vedasya ma āṇīsthaḥ।
śrutaṃ me mā prahāsīranenādhītenāhorātrānsaṃdadhāmyṛtaṃ vadiṣyāmi।
satyaṃ vadiṣyāmi। tanmāmavatu। tadvaktāramavatu।
avatu mām। avatu vaktāram। avatu vaktāram।
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥
Prathamo 'dhyāyaḥ - Erstes Kapitel
ātmā vā idameka evāgra āsīnnānyatkiñcana miṣat।
sa īkṣata lokānnu sṛjā iti॥ 1॥
sa imāmँllokānasṛjata।
ambho marīcīrmaramāpo'mbhaḥ pareṇa divaṃ dyauḥ pratiṣṭhā'ntarikṣaṃ marī- cayaḥ। pṛthivī maro yā adhastāttā āpaḥ॥ 2॥
sa īkṣateme nu lokā lokapālānnu sṛjā iti।
so'dbhya eva puruṣaṃ samuddhṛtyāmūrcchayat॥ 3॥
tamabhyatapattasyābhitaptasya mukhaṃ nirabhidyata yathā'ṇḍaṃ
mukhādvāgvāco'gnirnāsike nirabhidyetāṃ nāsikābhyāṃ prāṇaḥ
prāṇādvāyurakṣiṇī nirabhidyetamakṣibhyāṃ cakṣuścakṣuṣa ādityaḥ
karṇau nirabhidyetāṃ karṇābhyāṃ śrotraṃ śrotrāddiśastvaṅ nirabhidyata
tvaco lomāni lomabhya oṣadhivanaspatayo hṛdayaṃ nirabhidyata
hṛdayānmano manasaścandramā nābhirnirabhidyata nābhyā
apāno'pānānmṛtyuḥ śiśnaṃ nirabhidyata śiśnādreto retasa āpaḥ॥ 4॥
Dvitīyo 'dhyāyaḥ - 2. Kapitel
tā etā devatāḥ sṛṣṭā asminmahatyarṇave prāpataṃstamaśanāyāpipāsābhyāmanvavārjat।
tā enamabruvannāyatanaṃ naḥ prajānīhi yasmin pratiṣṭhitā annamadāmeti॥ 1॥
tābhyo gāmānayattā abruvanna vai no'yamalamiti।
tābhyo'śvamānayattā abruvanna vai no'yamalamiti॥ 2॥
tābhyaḥ puruṣamānayattā abruvan sukṛtaṃ bateti puruṣo vāva sukṛtam।
tā abravīdyathāyatanaṃ praviśateti॥ 3॥
agnirvāgbhūtvā mukhaṃ prāviśadvāyuḥ prāṇo bhūtvā
nāsike prāviśadādityaścakṣurbhūtvā'kṣiṇī prāviśāddiśaḥ śrotraṃ bhūtvā
karṇau prāviśannoṣadhivanaspatayo lomāni bhūtvā tvacaṃ
prāviśaṃścandra-mā mano bhūtvā hṛdayaṃ prāviśanmṛtyurapāno
bhūtvā nābhiṃ prāviśadāpo reto bhūtvā śiśnaṃ prāviśan॥ 4॥
tamaśanāyāpipāse abrūtāmāvābhyāmabhiprajānīhīti।
te abravīdetāsveva vāṃ devatāsvābhajāmyetāsu bhāginyau karomīti।
tasmādyasyai kasyai ca devatāyai havir gṛhyate।
bhāginyāvevāsyāmaśanāyāpipāse bhavataḥ॥ 5॥
Tṛtīyo 'dhyāyaḥ - 3. Kapitel
sa īkṣateme nu lokāśca lokapālāścānnamebhyaḥ sṛjā iti॥ 1॥
so'po'bhyatapat tābhyo'bhitaptābhyo mūrtirajāyata।
yā vai sā mūrtirajāyatānnaṃ vai tat॥ 2॥
tadenadabhisṛṣṭaṃ parāṅ atyajighāṃsat।
tadvācā'jighṛkṣat tannāśaknodvācā grahītum।
tat prāṇenājighṛkṣat tannāśaknot prāṇena grahītum।
sa yaddhainatprāṇenāgrahaiṣyadabhiprāṇya haivānnamatrapsyat॥ 4॥
taccakṣuṣā'jighṛkṣat tannāśaknoccakṣuṣā grahītum।
sa yaddhainaccakṣuṣā'grahaiṣyad dṛṣṭvā haivānamatrapsyat॥ 5॥
tacchrotreṇājighṛkṣat tannāśaknocchrotreṇa grahītuṃ sa
yaddhainacchrotreṇāgrahaiṣyacchrutvā haivānnamatrapsyat॥ 6॥
tattvacā'jighṛkṣat tannāśaknottvacā grahītum।
sa yaddhainattvacā'grahaiṣyatspṛṣṭvā haivānnamatrapsyat॥ 7॥
tanmanasā'jighṛkṣat tannāśaknonmanasā grahītum।
sa yaddhainanmanasā'grahaiṣyad dhyātvā haivānnamatrapsyat॥ 8॥
tacchiśnenājighṛkṣat tannāśaknocchiśnena grahītum।
sa yaddhainacchiśnenāgrahaiṣyadvisṛjya haivānnamatrapsyat॥ 9॥
tadapānenājighṛkṣat tadāvayat।
saiṣo'nnasya graho yadvāyurannāyurvā
eṣa yadvāyuḥ॥ 10॥
sa īkṣata kathaṃ nvidaṃ madṛte syāditi sa īkṣata katareṇa prapadyā iti।
sa īkṣata yadi vācā'bhivyāhṛtaṃ yadi prāṇenābhiprāṇitaṃ yadi cakṣuṣā
dṛṣṭaṃ yadi śrotreṇa śrutaṃ yadi tvacā spṛṣṭaṃ yadi manasā dhyātaṃ
yadyapānenābhyapānitaṃ yadi śiśnena visṛṣṭamatha ko'hamiti॥ 11॥
sa etameva sīmānaṃ vidaryaitayā dvārā prāpadyata।
saiṣā vidṛtirnāma dvāstadetannāndanam।
tasya traya āvasathās trayaḥ svapnāḥ।
ayamāvasatho'yamāvasatho'yamāvasatha iti॥ 12॥
sa jāto bhūtānyabhivyaikhyat kimihānyaṃ vāvadiṣaditi।
sa etameva puruṣaṃ brahma tatamamapaśyadidamadarśanamitī॥ 13॥
tasmādidandro nāmedandro ha vai nāma।
tamidandraṃ santamindra ityācakṣate parokṣeṇa।
parokṣapriyā iva hi devāḥ parokṣapriyā iva hi devāḥ॥ 14॥
Caturtho 'dhyāyaḥ
puruṣe ha vā ayamādito garbho bhavati। yadetadretas
tadetatsarvebhyo'ṅgebhyastejaḥ saṃbhūtamātmanyevātmānaṃ bibharti
tadyadā striyāṃ siñcatyathainajjanayati tadasya prathamaṃ janma॥ 1॥
tatstriyā ātmabhūyaṃ gacchati yathā svamaṅgaṃ tathā।
tasmādenāṃ na hinasti।
sā'syaitamātmānamatra gataṃ bhāvayati॥ 2॥
sā bhāvayitrī bhāvayitavyā bhavati। taṃ strī garbha bibharti।
so'gra eva kumāraṃ janmano'gre'dhibhāvayati।
sa yatkumāraṃ janmano'gre'dhibhāvayatyātmānameva
tadbhāvayatyeṣaṃ lokānāṃ santatyā।
evaṃ santatā hīme lokāstadasya dvitīyaṃ janma॥ 3॥
so'syāyamātmā puṇyebhyaḥ karmabhyaḥ pratidhīyate।
athāsyāyāmitara ātmā kṛtakṛtyo vayogataḥ praiti।
sa itaḥ prayanneva punarjāyate tadasya tṛtīyaṃ janma॥ 4॥
taduktamṛṣiṇā garbhe nu sannanveṣāmavedamahaṃ devānāṃ janimāni viśvā
śataṃ mā pura āyasīrarakṣannadhaḥ śyeno javasā niradīyamiti।
garbha evaitacchayāno vāmadeva evamuvāca॥ 5॥
sa evaṁ vidvānasmāccharīrabhedādūrdhva utkramyāmuṣmin svarge loke sarvān kāmānāptvā'mṛtaḥ samabhavat samabhavat॥ 6॥
Pañcamo 'dhyāyaḥ - 5. Kapitel
ko'yamātmeti vayamupāsmahe kataraḥ sa ātmā।
yena vā paśyati yena vā śṛṇoti yena vā gandhānājighrati
yena vā vācaṁ vyākaroti yena vā svādu cāsvādu ca vijānāti॥ 1॥
yadetaddhṛdayaṁ manaścaitat।
saṁjñānamājñānaṁ vijñānaṁ prajñānaṁ medhā dṛṣṭir dhṛtir
matirmanīṣā jūtiḥ smṛtiḥ saṁkalpaḥ kraturasuḥ kāmo vaśa iti।
sarvāṇyevaitāni prajñānasya nāmadheyāni bhavanti॥ 2॥
eṣa brahmaiṣa indra eṣa prajāpatirete sarve devā imāni ca pañca mahābhūtāni
pṛthivī vāyurākāśa āpo jyotīṁṣītyetānīmāni ca kṣudramiśrāṇīva।
bījānītarāṇi cetarāṇi cāṇḍajāni ca jārujāni ca svedajāni
codbhijjāni cāśvā gāvaḥ puruṣā hastino yatkiñcedaṁ prāṇi jaṅgamaṁ ca
patatri ca yacca sthāvaraṁ sarvaṁ tatprajñānetraṁ prajñāne pratiṣṭhitaṁ prajñānetro lokaḥ prajñā pratiṣṭhā prajñānaṁ brahma॥ 3॥
sa etena prajñenātmanā'smāllokādutkramyāmuṣminsvarge loke
sarvān kāmānāptvā'mṛtaḥ samabhavat samabhavat॥ 4॥
Shanti Mantra
om, vāṅme manasi pratiṣṭhitā। mano me vāci pratiṣṭhitam।
āvirāvīrma edhi। vedasya ma āṇīsthaḥ। śrutaṃ me mā
prahāsīranenādhītenāhorātrāsaṃdadhāmyṛtaṃ vadiṣyāmi।
satyaṃ vadiṣyāmi। tanmāmavatu। tadvaktāramavatu।
avatu mām। avatu vaktāram। avatu vaktāram।
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥
Die Essenz der Aitareya Upanishad von Swami Sivananda
Einführung in die Aitareya Upanishad
1. Die Aitareya Upanishad stellt einen Teil der Aitareya Aranyaka des Rigveda dar. Sie ist in fünf Kapitel unterteilt, den sog. “Khandas”. Diese Upanishad hat ihren Namen von ihrem Autor Mahidasa Aitareya, dem Sohn von Itara, erhalten.
2. Sie beschreibt anhand von Symbolen die Schöpfung der Welt. Sie handelt von Atman als der einzigen Realität. Sie enthält die Aussagen des Rishis Vamadeva, der die Unsterblichkeit durch die Erkenntnis des Selbst erreichte.
3. Die zentrale Aussage dieser Upanishad ist die Einheit des Atmans mit dem Paramatman.
4. “Hari Om. Meine Rede ist in meinem Geist verwurzelt. Mein Geist ist in meiner Rede verwurzelt. Brahman, offenbare Dich mir. Du, der Geist und die Rede sollen mich in die Lage versetzen, die Wahrheit zu verstehen, die diese Texte lehren. Laß‘ das, was ich gelernt habe, nicht verloren gehen. Möge ich Tag und Nacht bei den Studien bleiben. Ich spreche die Wahrheit und die Realität. Möge dies mich beschützen. Und möge dies den Lehrer beschützen. Möge dies den Lehrer beschützen!“
Om Frieden, Frieden, Frieden!
Die Geschichte der Schöpfung gemäß Aitareya Upanishad
5. An Anfang gab es wahrlich nur den Atman allein. Es gab nichts anderes Lebendiges. Nicht irgend etwas anderes Lebendiges existierte. Es gab nichts anderes, was auch nur blinzeln konnte.
6. Er dachte: “Nun, wahrlich, ich werde die Welten erschaffen.”
7. Das Wort Atman ist abgeleitet aus der Wurzel, sie bedeutet "erhalten", "essen", "genießen" oder "alles durchdringen".
8. Er erschuf die Welten, d.h. das Wasser, dieLichtstrahlen, den Tod und die Gewässer. Das Wasser ist über den Himmeln – es trägt diese. Die Lichtstrahlen sind der Luftraum. Und die Region der Erde ist der Tod und was unterhalb der Erde ist, sind die Gewässer.
9. Er dachte nach: „Dies sind in der Tat die Welten, die ich geschaffen habe. Ich werde auch noch die Beschützer oder die Beherrscher der Welt erschaffen. Und aus dem Wasser heraus erschuf er eine Purusha und gab ihr ihre Form.
10. Dann grübelte der Atman weiter über den Erdklumpen und wünschte ihm die Form des Menschen zu geben. Eine Öffnung in dem Gebilde manifestierte sich als Mund, so wie die Schale eines Vogeleies aufbricht. Aus dem Mund kam die Rede und mit der Rede kam Feuer. Dann kam die Nase und aus der Nase kam Atem und mit dem Atem der Wind.
11. Seine Augen brachen hervor, und mit den Augen kam das Sehen und mit dem Sehen die Sonne. Dann brachen die Ohren hervor und mit den Ohren kam das Hören und mit dem Hören kamen die vier Himmelsrichtungen. Seine Haut entstand, und mit der Haut kamen die Haare, und mit den Haaren kamen die Kräuter und die großen Bäume. Sein Herz entstand, und mit dem Herz kam der Geist und mit dem Geist kam der Mond. Sein Bauchnabel entstand und mit dem Nabel kam das Apana, und mit dem Apana kam der Tod. Seine Fortpflanzungsorgane entstanden und mit ihnen kam der Samen, und über den Samen kam das Wasser.
12. Diese Götter, nachdem sie erschaffen worden waren, fielen in den großen Ozean des Samsara (der Welt). Er setzte sie dem Hunger und dem Durst aus. Sie sagten zu ihm (dem Erschaffer): „Bestimme für uns einen Platz, an dem, wenn er fertig ist, wir essen können.“
13. Er brachte einen Bullen zu Ihnen. Und sie sagten: “Dies ist nicht ausreichend für uns”. Er brachte ein Pferd zu Ihnen. Und sie sagten: “Auch dies ist nicht genug für uns.”
14. Er brachte einen Menschen zu Ihnen. Und sie sagten:” Gut gemacht, wirklich! Der Mensch ist ein Meisterwerk. Der Mensch allein ist der Aufenthaltsort aller guten Werke.” Und er antwortete Ihnen: „Nehmt nun eure entsprechenden Körper an.“
15. Das Feuer wurde zur Sprache und setzte sich im Mund fest. Die Luft wurde zu Prana, und bezog die Nase. Die Sonne wurde zum Sehen und bezog die Augen. Die Göttlichkeit bezog die vier Himmelsrichtungen und wurde zum Klang, dieser bezog die Ohren. Die Kräuter und Bäume wurden zu Haaren und bezogen die Haut. Der Mond wurde zum Geist und bezog das Herz. Der Tod wurde zu Apana und bezog den Nabel. Das Wasser wurde zu Samen und bezog die Fortpflanzungsorgane.
16. Hunger und Durst sagten zu ihm: “Bestimme für uns einen Platz”. Und er sagte zu den beiden: “Ich gebe Euch einen Platz in diesen Göttern und lasse Euch damit an Ihnen teilhaben. Wenn den Göttern ein Opfer gebracht wird, werden Hunger und Durst an Ihnen damit teilhaben können“.
17. Und er (der Herrscher) dachte weiter: “Die Welten und die Bewahrer dieser Welten sind nun erschaffen. Laß‘ mich nun Nahrung für sie erschaffen“.
18. Dann brütete er (der Herrscher) das Wasser und das Wasser, welches so von ihm verwandelt wurde, nahm dann Formen an. Und die Formen wurden zu Nahrung.
19. Nachdem die Nahrung so erschaffen worden war, wollte die Nahrung weglaufen. Und der Herrscher versuchte, sie mit der Sprache einzufangen, aber er konnte sie nicht mit der Sprache einfangen. Denn wenn er sie mit der Sprache hätte einfangen können, würde der Hunger allein mit der Rede über die Nahrung gestillt werden können.
20. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Atem einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Atem einfangen. Denn wenn er sie mit dem Atem hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Duft der Nahrung gestillt werden können.
21. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Auge einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Auge einfangen. Denn wenn er sie mit dem Auge hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Anblick der Nahrung gestillt werden können.
22. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Ohr einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Ohr einfangen. Denn wenn er sie mit dem Ohr hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Hören über die Nahrung gestillt werden können.
23. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Tastsinn einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Tastsinn einfangen. Denn wenn er sie mit dem Tastsinn hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Anfühlen der Nahrung gestillt werden können.
24. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Geist einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Geist einfangen. Denn wenn er sie mit dem Geist hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Gedanken an die Nahrung gestillt werden können.
25. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Fortpflanzungsorgan einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Fortpflanzungsorgan einfangen. Denn wenn er sie mit dem Fortpflanzungsorgan hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Ausstoß gestillt werden können.
26. Dann versuchte er die Nahrung mit dem Apana einzufangen und es gelang. Und deshalb ist es das Apana, das die Nahrung einfängt. Dieses Apana ist der Erhalter des Lebens über die Nahrung.
27. Er, der Herrscher, dachte weiter: “Wie sollen alle diese Lebewesen ohne mich leben können?“ Und er überlegte weiter: „Auf welche Weise soll ich in ihnen weilen können?“ Und er dachte wieder weiter: „ Wenn das Sprechen über die Sprache getan wird, das Riechen über die Nase, das Sehen über die Augen, das Hören über das Ohr, das Berühren über die Haut, das Denken über den Geist; das Essen über das Apana, und das Weitergeben über das Fortpflanzungsorgan, wer bin ich dann eigentlich?“
28. Dann öffnete er die Schädelnaht und drang durch diese Öffnung ein. Diese Öffnung heißt „Vidriti“. Sie ist wahrlich das „Nandana“ (der Ort der Wonne). Dieser Ort der Wonne hat drei Wohnplätze im Körper und drei Schlafzustände. Und dieser ist sein Wohnplatz, und dieser auch und dieser eben auch.
29. Das rechte Auge ist sein erster Aufenthaltsort. Der Geist ist sein zweiter. Die Herzhöhle oder der Herzensäther ist der dritte Aufenthaltsort.
30. Sobald er geboren war, (in der Form des Jivas, d.h. das höchste Selbst hat einen physischen Körper bezogen), reflektierte er über sich selbst und den Bezug zu allen anderen Wesen. Er schaute sich alle Wesen an und dachte dann: “Wie sollte jemand über jemand anderen sprechen? Was neben mir gibt es zu benennen? Es gibt nichts?“ Wie könnte er wünschen, daß irgendetwas von ihm getrennt sein könnte? Und er fand nichts außerhalb seiner eigenen Realität, der Purusha oder auch des alldurchdringenden Brahmans. Und er sagte zu sich selbst: „Oh ich habe all dies gesehen“.
31. Deshalb nannte er es „Indandra“. „Idandram“ ist wahrlich sein Name. Auch wenn er es „Idandram“ nannte, so nannte er es auch mittelbar „Indra“. Die Götter mögen es gerne, wenn sie mit indirekten Namen angesprochen werden, und so war dies auch hier.
Aitareya Upanishad - Die Geschichte der Geburt
32. Zu Anfang ist in der Tat der Samen des Mannes. Das, was diesen Samen ausmacht, ist die Essenz der Stärke oder die Lebenskraft, die aus allen seinen Gliedmaßen gezogen wird. Er bringt sich selbst aus sich damit hervor. Wenn er seinen Samen in einen Frauenkörper ergießt, erzeugt er damit das Leben. Dies ist seine erste Geburt.
33. Diese Saat wird eins mit dem Frauenkörper und wird dann ein Teil von ihm. Deshalb verursacht es keine Schmerzen für die Frau. Sie nährt damit das Selbst ihres Ehemanns somit in ihrem Körper.
34. Sobald sie der Ernährer seines Selbst in ihrem eigenen Körper wird, sollte sie selbst auch umsorgt werden. Die Frau gebärt dann den Sohn in ihrem Schoß. Der Vater nährt damit das Kind schon vor und auch nach der Geburt. Durch das Nähren des Kindes sowohl vor als auch nach der Geburt, umsorgt er sich selbst für das Fortbestehen der Welten. Und so wird die Nachkommenschaft in den Welten gesichert. Dies ist seine zweite Geburt.
35. Dieser Sohn, der wahrlich sein Selbst geworden ist, wird zu seinem Ersatz für die Durchführung von tugendhaften Handlungen. Damit wird sein anderes Selbst (das Selbst des Vaters), nachdem es seine Pflichten erfüllt hat und ein hohes Alter erreicht hat, diese Welt verlassen. Und dieses Selbst wird dann wiedergeboren werden, dies ist dann seine dritte Geburt.
Rishi Vamadeva
36. Es wurde von Rishi Vamadeva so erklärt: “Während ich im Mutterschoß bin, weiß ich von allen Geburten der Götter. Einhundert Eisenfesseln hielten mich fest. Aber ich zerbrach sie rasch und befreite mich so schnell wie ein Falke.“ So sprach Vamadeva sogar während er noch im Mutterschoß weilte.
37. Körper sind undurchdringbare eiserne Festungen, die den Jiva daran hindern, die Fesseln der Samsara zu sprengen.
38. Er (der Rishi Vamadeva) wurde zum Kenner des Atman, und wurde eins mit ihm. Er kam in immer höhere Sphären und nach dem Zerfall seines Körpers und dem Erreichen aller Bedürfnisse in der Himmelswelt wurde er unsterblich.
Bewusstsein ist Brahman
39. Wer ist nun der Atman, den wir verehren? Welcher von beiden ist er, der Atman, der Reale oder Sagenhafte, der „Nirupadhika“ oder der „Sopadhika“? Ist es er, durch den er sieht? Ist es er, durch den er hört? Ist es er, durch den er schmeckt? Ist es er, durch den er die Sprache hervorbringt? Ist es er, durch den er weiß, was geschmackvoll ist und was nicht?
40. Dies, welches als das Herz bekannt ist, der Geist, das Bewußtsein, das Beherrschen der Künste, das Verstehen, die Wahrnehmung, die Tapferkeit, die Reflektion, das unabhängige Denken, die Drangsal des Geistes - wie sie durch Krankheiten entsteht- , usw. und auch der Wunsch nach weiblicher Gesellschaft, all dies sind Namen des Bewußtseins.
41. Dieser Brahman; dieser Indra; dieser Schöpfer, all diese Götter, die fünf Elemente, d.h. die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft und der Äther; alle kleinen Lebewesen und alle anderen; alle Saaten der Schöpfer, wie aus dem Ei geboren oder aus dem Mutterschoß geboren, durch Schweiß geboren oder aus Keimen geboren, Pferde, Kühe, Menschen, Elefanten, alles, was atmet und sich bewegt und fliegt oder alles, was unbeweglich ist, all dies wird geleitet durch das Bewußtsein und geführt durch das Bewußtsein. Das Universum wird durch das Bewußtsein geleitet. Das Bewußtsein ist die Grundlage oder Basis für alle. Wahrlich das Bewußtsein (Prajnanam) ist Brahman.
42. „Prajnanam Brahma“: Reines Bewußtsein ist Brahman. Dies ist eine der Mahavakyas oder großen Aussprüche der Upanishaden.
43. Dies wird als die “Lakshana Vakya” bezeichnet, denn sie gibt eine Beschreibung der Natur von Brahman.
44. Er (Vamadeva, oder jeder andere Weise) wurde in dem Zustand der Brahmanenschaft erhöht aufgrund seiner Erkenntnis des Atman. Er verließ diese Welt und erreichte alles, was er wünschte in dieser Welt der höchsten Wonne und erreichte so Unsterblichkeit.
45. Ein befreiter Weiser kommt nicht mehr in irgendwelche Welten. Er geht in dem alldurchdringenden Brahman auf und er erkennt, daß die individuelle Seele identisch ist mit Para Brahman.
Aus Swami Sivananda: Essence of Principle Upanishads, Divine Life Society Sivananda Ashram Rishikesh
Shankaracharya Yoga Vedanta Blog
Studiere den Shankaracharya Yoga Vedanta Blog und erfahre so mehr über Shankaracharya, Yoga und Vedanta. Kommentare zu den wichtigsten Ausarbeitungen von Shankaracharya werden hier als Podcasts und Videos zum Studium über Yoga und Vedanta angeboten, im Besonderen Atma Bodha (Die Erkenntnis des Selbst) und Viveka Chudamani (Das Kronjuwel der Unterscheidung).
Aitareya Upanishad - Einführung nach Deussen
Artikel aus „Upanishadn. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 39-40, 48-50
Die Aitareya Upanishad gehört der Schule der Aitareyins an, die das Aitareya Brahmanam und Aitareya Aranyakam besitzen, in welchem letzteren die Aitareya Upanishad enthalten ist. Über den Ursprung dieser Schule teilt Sayana im Eingang seines Kommentars zum Ait. Br. folgende Legende mit.
"Es war einmal ein großer Rishi, der hatte viele Gattinnen. Unter ihnen war eine mit Namen Itara; diese Itara hatte als Sohn einen Knaben, der hieß Mahidasa. Und so heißt es im Aranya-Teile: "Darum fürwahr [sprach] solches wissend Mahidasa Aitareya (d. h. Sohn der Itara)" (Ait. Ar. 2,1,8,2). Nun hätte aber der Vater desselben zu seinen Söhnen von den anderen Frauen größere Liebe als zu Mahidasa, so daß er einstmals bei einer Opferversammlung dem Mahidasa Verachtung bewies, indem er nur die anderen Söhne auf seinen Schoß nahm. Worauf dessen Mutter Itara, als sie Mahidasa mit betrübtem Angesicht sah, ihrer Familiengottheit, der Erde, gedachte. Da geschah es, daß die Gottheit Erde in göttlicher Gestalt vor der Opferversammlung erschien, dem Mahidasa einen himmlischen Thronsessel schenkte, ihn darauf setzte und, indem sie seine Überlegenheit an Weisheit über alle die anderen Knaben verkündigte, ihm als Gabe das geistige Schauen des vorliegenden Brahmanam verlieh. Durch ihre Gnade wurde durch den Geist des Mahidasa das aus vierzig Lektionen bestehende Brahmanam, welches anfängt: Agnir Vai Devanam Avama und aufhört mit Strinute Strinute (Ait. Br. 1,1,1 und 8,28,20), offenbart. Und ebenso wurde ihm weiter das mit Atha Mahavratam anfangende und mit Acarya Acaryah endigende (Ait. A. 1,1,1,1 und 3,2,6,9), für das Gelübde des Waldlebens bestimmte Brahmanam offenbart."
Aus dieser Erzählung ergibt sich zweierlei: 1) daß Aitareya Brahmanam und Aitareya Aranyakam als zwei Teile eines zusammengehörigen Ganzen betrachtet wurden, 2) daß dieses durch göttliche Inspiration offenbarte Ganze sich nur bis auf Ait. Ar. 3,2,6,9 erstreckte, mithin Ait. Ar. 4 und 5 nicht umfaßte. - In der Tat enthält Ait. Ar. 4 nur eine Liste der Mahanamni Verse und gilt für ein Werk des Asvalayana (Verfassers eines Sutram zum Rigveda), während Ait. Ar. 5 dem Saunaka, dem Lehrer des Asvalayana zugeschrieben wird und wiederum das Thema von Ait. Ar. 1 im Sutrastil aufnimmt. Beide Bücher, Ait. Ar. 4 und 5, gelten nicht für inspiriert und sind vielleicht nur zufällig dem Aranyakam angeschlossen worden statt den Sutras, zu denen sie gehören. Eine kurze Inhaltsangabe von Aitareya Brahmanam und Aitareya Aranyakam mag als Probe von Inhalt und Zusammenhang beider Arten von Schriften hier folgen. Ersteres zerfällt in 40 Adhyayas (die 40 Absätze unserer Übersicht), deren je 5 in eine Pancika (Fünfheit) vereinigt sind, letzteres in 18 Adhyayas, welche sich auf die 5 Aranyakas in ungleicher Weise verteilen.
Die Upanishad der Aitareyins im engeren Sinne (in drei Adhyayas, Ait. Ar. 2, 4-6) ist eine der kürzesten, und es scheint, daß diese Schule mehr Wohlgefallen an den Geheimnissen ihrer Ukthas (von denen freilich eine herrliche Sammlung in ihren Händen war) als an den Betrachtungen über den Weltgeist gefunden habe. Der Inhalt der drei Adhyayas ist kurz folgender:
I. Welt und Mensch als Schöpfung des Atman
Zu Anfang war nur der Atman allein vorhanden. Er beschloß, Welten zu schaffen und schuf als solche die vier Gebiete: Ambhah, "die Flut" des Himmelsozeans jenseits des Himmels; Maricir, "die Lichtatome" des Luftraums; Maram, die Erde als "das Tote", und Apas, die unterhalb der Erde dem Ganzen als Grundlage dienenden "Urwasser".
- Weiter schafft dann der Atman acht "Welthüter", indem er aus den Urwassern den Purusha (Urmenschen) hervorzieht und aus Mund, Nase, Augen, Ohren, Haut, Herz, Nabel und Zeugungsglied desselben zunächst die entsprechenden psychischen Organe (Rede, Einhauch, Gesicht, Gehör, Haare, Manas, Aushauch, Samen) und aus diesen dann Agni, Vayu, Aditya, Weltgegenden, Pflanzen, Mond, Tod und Wasser als Weltenhüter hervorbringt. Aber sofort stellt sich auch die Hinfälligkeit dieser welthütenden Götter heraus; sie fallen zurück in das Gewoge der Urwasser, welches der Schöpfer zwei bösen Mächten, dem Hunger und dem Durst, preisgibt. Von beiden gequält, bitten die Welthüter um einen festen Ort, in dem sie durch Essen von Speise sich derselben erwehren können. Als solchen bietet ihnen der Schöpfer eine Kuh, dann ein Roß und endlich, nachdem sie beide als ungenügend abgelehnt haben, einen Menschen an, in welchen die genannten Welthüter durch Mund, Nase, Auge, Ohr, Haut, Herz, Nabel und Zeugungsglied hineinfahren. Hier können sie Nahrung nehmen, doch nur indem sie dieselbe dem Hunger und Durst zugleich mit zukommen lassen, welche daher an jedem den Göttern dargebrachten Opfer ihren Anteil haben, - ein Zug, der die Bedürftigkeit der Götter veranschaulichen soll.
- Als Drittes schafft sodann der Atman die Nahrung, welche ihm, wie die Maus der Katze, zu entlaufen sucht, worauf er sie mit den übrigen Organen, Odem, Auge, Ohr usw., vergebens zu greifen strebt, bis er sie endlich mit dem Apana (hier wohl als Prinzip der Verdauung) wieder einfängt.
- Der Atman sieht ein, daß ohne ihn, ohne ein Selbst, das geschaffene Menschenwesen trotz aller seiner Organe nicht bestehen könne; ihnen und ihren Funktionen gegenüber wirft er die Frage auf: "aber wer bin denn ich?", die erst am Ende der Upanishad ihre Antwort finden wird. Er fährt sodann durch die Schädelnaht Vidriti in den Menschen ein, in welchem er drei Wohnstätten (Sinne, Manas und Herz) und ihnen entsprechend drei "Traumstände" (Wachen, Träumen, Tiefschlaf) hat. Er blickt um sich auf alle Wesen und findet, daß nichts darunter ist, was er als einen anderen bezeichnen könnte, daß aber doch der Mensch von allen am meisten Brahman ist.
Diese Darstellung knüpft (wie billig, bei einer Rigvedaschule) an das Purusha-Lied Rigv. 10,90 an. Wie dort, v. 13-14, so entstehen auch hier, nur mit einigen Variationen und Erweiterungen, aus den Körperteilen des Purusha die Götter, die dann im Menschen Wohnung nehmen. Aber der große Unterschied ist, daß in der Upanishad der Urmensch ein vom Atman abhängiges Wesen ist, welches der Atman aus den von ihm erschaffenen Urwassern herausholt, formt und bebrütet. Und so kann auch der Mensch, trotz aller in ihn eingegangenen Götter, nicht ohne den Atman bestehen ("Katham Nu Idam Mad Rite Syat?"), der daher in ihn hineinfährt und im Wachen in den Sinnen, im Traum im Manas, im Tiefschlaf im Herzen seinen Sitz hat. Die Welt als eine Schöpfung, der Mensch als höchste Erscheinung des Atman, der auch Brahman genannt wird, das ist der Grundgedanke dieses Abschnittes.
II. Die dreifache Geburt des Atman
Wie der Vergleich mit Satap. Br. 11,2,1,1 lehrt, war die Theorie von den drei Geburten ein Thema, welches öfter ventiliert wurde, ohne doch immer die gleiche Behandlung zu finden. Denn während dort die drei Geburten das Erzeugtwerden, das Opferbringen und die Neugeburt nach dem Tode sind, so zählt unsere Stelle als solche auf:
- 1) die Zeugung des Kindes,
- 2) die Pflege des Kindes vor und nach der Geburt, bis es imstande ist, den Vater in der Ausübung der heiligen Werke zu vertreten,
- 3) die Neugeburt des Vaters nach dem Tode.
Der Widerspruch, daß in den beiden ersten Fällen von der Seele des Kindes, im letzten von der des Vaters die Rede ist, ist auch dem Scholiasten nicht entgangen, und er löst ihn dadurch, daß er den Atman in beiden für identisch erklärt. Indes ist dieser Ausweg für den exoterischen Standpunkt, der hier maßgebend ist, streng genommen nicht statthaft, da die Seele des Kindes, wie im Mutterleibe so auch schon im väterlichen Sperma, nur als Gast weilt. Übrigens beruht die hier hervortretende Anschauung, daß im Kind nicht die Mutter, sondern der Vater steckt, auf richtiger Beobachtung und ist ein philosophisch wertvoller Gedanke. Zum Schluß wird auf die Erlösung als Ende des Geburtenkreislaufes hingewiesen, welche hier noch als ein unsterbliches Fortleben in der Himmelswelt für den, der (wie vermeintlich Vamadeva, Rigv. 4,27,1) diesen Kreislauf der Geburten durchschaut, in Aussicht gestellt wird.
III. Das Wesen des Atman
Alle Sinnesorgane und Tatorgane, alle intellektuellen und moralischen Kräfte, alle Götter, Elemente, Tiere und Pflanzen sind Prajna Netra, Prajnane Pratishthita "vom Bewußtsein geleitet, im Bewußtsein gegründet", das Bewußtsein ist Brahman.
— Diese unzählige Male in den Upanishaden wie in der abendländischen Philosophie zu Tage tretende Auffassung ist wahr, sofern sie den Schlüssel zum Welträtsel im eigenen Inneren sucht, und sie ist falsch, sofern sie bei der uns dort zunächst entgegentretenden Erscheinung, der organischen Funktion des Bewußtseins, stehen bleibt, statt von ihr zu der eigentlichen, auch sie tragenden Wurzel unseres Seins durchzudringen.
Siehe auch
Literatur
- Kostenloses Online-Buch Upanishadn von Swami Krishananda
- Klassische Upanishadn - Die Weisheit des Yoga von Paul Deussen, 1980
- Das Kronjuwel der Unterscheidung von Shri Shankaracharya, Kommentar von Emanuel Meyer, 2002
- Swami Vivekananda, Vedanta - Der Ozean der Weisheit
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
- Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
- Heinrich Zimmer: Philosophie und Religion Indiens, Suhrkamp, 2001
Weblinks
- Veden aus „Göttliche Erkenntnis“ von Swami Sivananda
- Upanishadn, Artikel aus "Göttliche Erkenntnis" von Swami Sivananda
- Shankara
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