Gemütsruhe
Gemütsruhe bedeutet Ruhe des Gemüts, also Ruhe des Geistes. Gemütsruhe ist ein heute seltener gebrauchtes Wort, das man heute mit Gleichmut, mit Gelassenheit übersetzen würde. Gemüt war das früher übliche Wort für Psyche. Zum Gemüt gehören Denken und Fühlen, Persönlichkeit, Talente und Fähigkeiten. Gemütsruhe ist eine Fähigkeit, die bis zu einem gewissen Grad angeboren und anerzogen ist, die man aber auch kultivieren kann. Gemütsruhe hilft, inmitten der Herausforderungen eines wechselhaften Lebens innerlich ruhig zu bleiben. Gemütsruhe hilft, auch in schwierigen Situationen Contenance zu bewahren.
Gemütsruhe - eine Tugend. Was ist Gemütsruhe? Woher stammt das Wort? Wozu ist Gemütsruhe gut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Gemütsruhe?
Gemütsruhe
Die sechsfachen Tugenden
Gemütsruhe bedeutet, den Geist durch Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zur Ruhe zu bringen. Wirkliche, dauerhafte Gemütsruhe heißt Samadhana und ist die Frucht der Praxis von Shama (Geisteskontrolle), Dama (Sinnesbeherrschung), Uparati (Meidung des Unguten), Titiksha (Duldungskraft) und Shraddha (Spirituelles Vertrauen). Wenn du diese fünf Tugenden praktizierst, dann wird die sechste der Shatsampat, die sechste der sechsfachen Tugenden Gemütsruhe, Samadhana, fast von selbst kommen.
Gottverwirklichung durch Eigenverantwortung
Mache dir bewusst, dass Gemütsruhe wichtig ist. Nimm dir vor, Gemütsruhe zu entwickeln. Sei dir bewusst, dass Gemütsruhe auch für die Gottverwirklichung und für die Erleuchtung wichtig ist. Sei dir bewusst, dass niemand anderes als du selbst verantwortlich dafür ist, dass du Gemütsruhe entwickelst. Mache nicht andere für deinen Geisteszustand verantwortlich. Mache nicht die äußere Situation für deinen Gemütszustand verantwortlich. Du hast die Verantwortung für den Zustand deines Geistes. Du selbst entscheidest, ob du Gemütsruhe entwickelst oder Sklave bzw., hilfslos Ausgelieferter bist von Worten, Dingen und Situationen anderer.
Gemütsruhe führt zur meditativen Versenkung
Gemütsruhe führt zur vollkommenen Konzentration. Nicht umsonst wird Samadhana auch als meditative Versenkung bezeichnet. Samadhana ist in der Übersetzung „Gemütsruhe“ auch meditative Versenkung und damit das Festhalten des Geistes an Atman, das höchste Selbst. Samadhana bedeutet, dass man dem Geist nicht erlaubt, sich Objekten zuzuwenden und seinen eigenen Weg zu gehen. Samadhana ist Festigkeit in sich selbst. Das heißt letztlich, dass Gemütsruhe einerseits bedeutet, den Geist von äußeren Dingen abzuwenden, andererseits die Fähigkeit zu nutzen, tief nach Innen zu gehen. Wenn du weißt, dass tief in dir alle Freude, alles Wissen ist, dass du tief in dir alle Inspiration hast, die du brauchst, dann fällt es leicht, im Alltag Gemütsruhe zu haben. So hat Samadhana diese beiden Aspekte: die tiefe Versenkung in das Wesen des Selbst, die tiefe Erfahrung von Brahman, dem Absoluten, und dann die Praxis der Gemütsruhe im Alltag.
Gemütsruhe beruhigt die Wellen im Geist
Der große Vedanta-Meister Shankaracharya hat im Atma Anatma Viveka, einer der wichtigen Vedanta-Werke, geschrieben: Wann auch immer der Geist zu einem weltlichen Objekt oder Wunsch wandert, wenn du eigentlich Sravana, Manana und Nididhyasana üben willst, diese wertlos findet und zurückkehrt zu den drei Übungen, wird dieses Zurückkehren Samadhana genannt. Wer Samadhana, Gemütsruhe, entwickelt hat, ist frei von Furcht und Schmerzen. Er ist in der Lage, Gemütsruhe, Gleichmut, Ausgeglichenheit, Gelassenheit zu haben – inmitten von Vergnügen und Schmerz, Kälte und Hitze, Lob und Tadel, Respekt und Respektlosigkeit. Wer Gemütsruhe entwickelt hat, kann nicht mehr gekränkt werden, wird nicht mehr ärgerlich werden. Wenn ein kurzer Ärger kommt, ist das nur eine kleine Welle im Geist, die schnell wieder verschwindet.
Finde Festigkeit im Geist
Gemütsruhe heißt Festigkeit des Geistes, geistige Ausgewogenheit. Wer Gemütsruhe praktiziert, wird die Anhaftungen verlieren. Um Gemütsruhe zu kennen, musst du über Zu- und Abneigungen hinauswachsen. Wer in der Lage ist, Gemütsruhe zu kultivieren, hat inneren Frieden und starke Geisteskraft. Ein Mensch von Gemütsruhe hat eine starke Ausstrahlung für andere. Kultiviere Gemütsruhe und werde so eine Quelle des Friedens auch für andere. Dein eigener höchster, unerschütterlicher Friede wird eine Quelle der Inspiration für andere sein.
Finde Gemütsruhe im Alltag
Gemütsruhe muss dauerhaft sein. Es gibt manchmal Aspiranten, die fühlen geistigen Frieden und Gemütsruhe, wenn sie in Abgeschiedenheit leben, zu Besuch in einem Ashram sind, wenn sie allein sind und keine ablenkenden Faktoren haben. Wenn sie dann zurückkehren in ihr Zuhause, in ihr Berufsleben und die Familie, haben sie wieder stark schwankendes Vikshepa, innere Unruhe. Sie sagen, sie können nicht meditieren an einem belebten Ort. Letztlich ist das geistige Schwäche. Wirklich Samadhana, eine starke Verankerung in Gemütsruhe, hast du nur, wenn du die Gemütsruhe inmitten einer Stadt, inmitten des Berufes, inmitten von Anfeindungen und Unruhe haben kannst. Natürlich ist es gut, mal eine Weile in den Ashram zu gehen. Natürlich ist es gut, ein paar Tage, Wochen oder Monate von deinen Ablenkungen wegzukommen. Aber danach, mache es dir zur Aufgabe, die Gemütsruhe ebenfalls im Alltag zu haben.
Krishna zur Gemütsruhe
Krishna gibt in der Bagavad Gita das ideale Rezept für Gemütsruhe. Er empfiehlt: Führe alle Handlungen aus. Mache das, was notwendig ist. Fühle die Einheit mit dem Göttlichen. Verzichte auf alle Anhaftungen. Sei gelassen in Erfolg und Misserfolg. Hänge nicht an den Früchten. Genau das ist das Rezept für Gemütsruhe. Tue, was zu tun ist, ohne Erwartungen. Tue das, was zu tun ist, so gut wie du kannst und lasse los. Krishna sagt in der Bagavad Gita auch: Das disziplinierte Selbst, das sich zwischen den Sinnesobjekten bewegt, ohne Zuneigung und ohne Abneigung, geht zum höchsten Frieden. Das ist die höchste Gemütsruhe: Samadhana.
Kultiviere Gemütsruhe
Nimm dir jetzt vor, Gemütsruhe zu entwickeln. Nimm dir jetzt vor, aufzuhören abhängig zu sein von Stimmungen anderer, von Lob und Tadel anderer, von Anerkennung oder Nicht-Anerkennung. Wahre Würde heißt, frei zu sein von all dem. Kultiviere Gemütsruhe – es ist schwierig, aber es ist möglich.
Nach einem Artikel von Swami Sivananda im Buch Inspiration und Weisheit. Aus dem Kapitel Samadhana.
Gemütsruhe als hilfreiche Tugend
Auszug aus einem Vortrag von Sukadev Bretz
Gemütsruhe ist eine Fähigkeit, die man kultivieren und entwickeln kann. Gemütsruhe ist eben die Ruhe des Gemütes. Und Gemüt, das ist die Psyche, das Denken und das Fühlen. Gemütsruhe ist etwas, was zum einen eine Grundeigenschaft des Menschen ist. Es gibt Menschen, die sind eher begeistert und haben Gefühlsüberschwang usw., und es gibt solche, die haben eine Gemütsruhe.
Es gibt die Choleriker, die regen sich über alles auf, sie können leicht Ärger und Zorn empfinden. Es gibt andere, die sind vielleicht so ein bisschen ängstlich, haben Angst, und Furcht, und Lampenfieber. Es gibt solche, die vielleicht eher zu Melancholie neigen, also irgendwo Schwermütigkeit. Dann gibt es die Menschen, die Gemütsruhe haben und auch eine Gemütsruhe ausstrahlen.
Gemütsruhe ist oft auch ein Ausdruck von Weisheit, man versteht vieles, man hat schon einiges erfahren. Oft sind es weise Menschen, die schon ein gewisses Alter erreicht haben, die solche Gemütsruhe haben und Gemütsruhe ausstrahlen. Man würde nicht von einem sieben-, achtjährigen Kind sagen, es hat Gemütsruhe, das passt zu Kindern nicht so ganz. Aber ein Vierzigjähriger, noch mehr ein Fünfzig- oder Sechzigjähriger, der kann schon eine Gemütsruhe ausstrahlen.
Gemütsruhe ist also nicht Trägheit, nicht Faulheit, nicht Niedergeschlagenheit, sondern so eine innere Ruhe, die aus einem Verstehen kommt, aus einem Verständnis, einem Vertrauen und auch einer langfristig wirkenden Kraft. Gemütsruhe ist insbesondere etwas, was sich bewährt, wenn Dinge schiefgehen. Z.B., man wird angegriffen von jemandem, in einer Besprechung, einer kleineren oder größeren Besprechung, und irgendjemand schimpft auf einen oder wirft einem etwas vor.
Wenn es einem dann gelingt, in aller Gemütsruhe zu reagieren, dann hat man seine Würde bewahrt. Wenn man Haltung wahrt, Contenance wahrt, mit Gemütsruhe dort reagiert, dann prallt das letztlich ab, man behält seine Würde. Oder auch wenn Dinge schiefgehen – gut, manchmal muss man auch schnell sein. Also z.B., wenn es brennt in deiner Wohnung, musst du schnell raus. Aber manchmal gilt auch dort, in aller Gemütsruhe zu reagieren, kurz überlegen, gibt es ein Haustier, das deine Hilfe braucht?
Oder noch wichtiger, ist dort ein Kind, oder ein alter Mensch, der im Haus ist, der Hilfe braucht? Oder gäbe es die Möglichkeit, das Feuer zu löschen oder die Feuerwehr zu rufen? Also, manchmal hilft es, in aller Gemütsruhe das zu tun, was nötig ist, anstatt zu früh in Panik zu geraten. Gemütsruhe hat als tiefe Basis ein Vertrauen, dass hinter allem eine göttliche Wirklichkeit ist. Gemütsruhe hat als tiefe Basis, dass deine wahre Natur eins mit dieser Weltenseele ist.
Gemütsruhe kommt aus dem tiefen Vertrauen, dass letztlich dir nichts passieren kann. Aus dieser tiefen Gemütsruhe heraus kannst du dann tun, was deine Aufgabe ist, du kannst deinen Pflichten gerecht werden, du kannst anderen helfen und dienen und du kannst lernen. Aber aus diesem tiefen inneren Vertrauen kommt Gemütsruhe und Gelassenheit.
Gemütsruhe Definition
Eine Definition für Gemütsruhe könnte heißen: Wer innere Ruhe bewahrt, frei ist von Hast und Aufregungen, bewahrt seine Gemütsruhe. Eine andere Definition für Gemütsruhe: Gemütsruhe ist die Fähigkeit, innerlich ruhig zu bleiben, was auch immer geschieht. Gemütsruhe ist eine innere Einstellung, die Fähigkeit, insbesondere in schwierigen Situationen die Fassung sowie eine unvoreingenommene Haltung zu bewahren. Gemütsruhe ist das Gegenteil von Unruhe, Aufgeregtheit, Nervosität und Stress.
http://angst.podspot.de/files/70-gemuetsruhe-als-gegenpol-zur-angst.MP3
Gemütsruhe Bedeutung
Die Bedeutung von Gemütsruhe ist, in aller Ruhe das zu tun was zu tun ist, ruhig und ohne Hast, auch wenn nicht mehr viel Zeit übrig ist. http://angst.podspot.de/files/71-gemuetsruhe-2-nicht-sofort-reagieren.MP3
Antonyme Gemütsruhe
Antonyme, also Worte für das Gegenteil von Gemütsruhe, sind Unruhe, Reizbarkeit, Nervosität, Hektik, Unbedachtheit, Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt.
Synonyme Gemütsruhe
Synonyme, also Worte mit ähnlicher Bedeutung, wie Gemütsruhe sind Gelassenheit, innere Ruhe, Coolness, Gleichmut, Ausgeglichenheit, Ausgewogenheit, Balance, Selbstbeherrschung, Besonnenheit, Gefasstheit, inneres Gleichgewicht, Würde, Zufriedenheit, Seelenruhe und Seelenfrieden. Weitere Synomyme für Gemütsruhe sind Sanftmut, Sanftmütigkeit, Stoische Ruhe, Ataraxie, Abgeklärtheit, Beherrschtheit, Beherrschung, Kaltblütigkeit, Kontenance, Contenance, Leidenschaftslosigkeit, Unerschütterlichkeit.
Verwendung des Wortes Gemütsruhe
Oft wird der Ausdruck Gemütsruhe zusammen mit "in aller" verwendet:
- Obwohl alles Kopf stand, trank er in aller Gemütsruhe seinen Tee zu Ende.
- In aller Gemütsruhe begann er sein Tagewerk.
- Fünf Minuten vor dem Abflug schlenderte er in aller Gemütsruhe zum Flugsteig.
Gemütsruhe kann andere aggressiv machen
Manche Menschen leben ostentativ Gemütsruhe. Auch wenn Eile angebracht ist, machen sie in aller Gemütsruhe weiter. Das kann hilfreich sein - sodass keine Fehler gemacht werden. Gemütsruhe kann vor stressbedingten Krankheiten schützen - aber wer seine Arbeitsgeschwindigkeit in stressigen Zeiten nicht anpassen kann, lädt seinen Kollegen die Zusatzarbeit auf, was diese dann aggressiv machen kann. Eine gewisse Gemütsruhe ist von Vorteil - stößt aber auch an ihre Grenzen.
http://angst.podspot.de/files/72-gemuetsruhe-kann-auch-aufregen.MP3
Quelle der Gemütsruhe
Eine tiefe Gemütsruhe kann verschiedene Quellen haben:
Stoiker und Gemütsruhe
Für die Stoiker war Gemütsruhe, Gelassenheit, auch ein Bewahren der eigenen Würde. Warum sollte man Situationen und anderen Menschen Macht über den eigenen Gemütszustand geben? Zur Selbstachtung kann gehören, Gemütsruhe zu kultivieren. Aus Würde und aus Freiheitswunsch kann man sich vornehmen, Gemütsruhe zu entwicklen.
http://angst.podspot.de/files/73-stoische-gemuetsruhe.MP3
Ayurveda und Gemütsruhe
Manche Menschen haben ein ruhigeres Temperament. Im Ayurveda würde man sagen, das Menschen mit Kapha Naturell eine Begabung für Gemütsruhe und Gemütlichkeit haben. Unabhängig von deinem natürlichen Temperament kannst du Kapha kultivieren - und so Gemütsruhe entwickeln. Du kannst dich zum Beispiel fragen: Was tut mir gut? Was genieße ich? Wie kann ich für mich selbst sorgen? Wie fühle ich mich geborgen? Wie fühle ich mich zuhause? Indem du dich um solche Fragen kümmerst, kannst du auch dein Kapha erhöhen, was wiederum zur Gemütlichkeit und dann auch zur Gemütsruhe führt. Manchmal sind Ängste nämlich einfach ein Zeichen dafür, dass das Vata, das Luftelement, zu groß geworden ist. Wenn du wieder Kapha erhöhst, verschwinden Ängste von selbst, Gemütsruhe stellt sich ein.
http://angst.podspot.de/files/74-Gemuetsruhe-Temperament-Ayurveda-Tipps.MP3
Gottvertrauen für Gemütsruhe
Gottvertrauen, Bhakti Yoga, kann eine Quelle für Gemütsruhe sein: Wer weiß, dass hinter allem das Wirken Gottes steckt, dem gelingt es, Gemütsruhe zu bewahren. Gottvertrauen ist eine sehr machtvolle Quelle für Gemütsruhe – und ein wunderbares Gegenmittel gegen Angst und Ängste. Nicht jedem ist es in die Kinderstube gelegt worden, ein Gottvertrauen aufzubauen. Du kannst aber selbst nachdenken: Habe ich ein Vertrauen in eine höhere Wirklichkeit? Habe ich eine Art Glauben an Gott, eine Kosmische Intelligenz, eine Kosmische Energie? Wenn du irgendeine Art Vertrauen, Glauben hast, kannst du auch überlegen: Wie kann ich meinen Glauben an eine höhere Wirklichkeit kultivieren? Du kannst öfter dich im Gebet an das Göttliche wenden. Du kannst dir immer bewusst machen: Ja, hinter allem steckt eine höhere Wirklichkeit. Zu dieser Wirklichkeit kann ich einen Kontakt aufbauen. Diese höhere Wirklichkeit kümmert sich um alles, ich kann darauf vertrauen. Aus dieser Art Gottvertrauen kommt Gemütsruhe und Gelassenheit – dann verschwinden Ängste von selbst. Der große indische Yogameister Swami Sivananda sagte mal: Wenn dich eine Eigenschaft stört, dann kultiviere die entgegengesetzte. Wenn du also weniger Angst haben willst, dann kultiviere Vertrauen – oder auch Mut.
http://angst.podspot.de/files/75-Gottvertrauen-fuer-Gemuetsruhe.MP3
Philosophische Überzeugung und Gemütsruhe: Vedanta und Jnana Yoga
Vedanta und Jnana Yoga, also die tiefe philosophische Überzeugung, dass hinter allem das Eine, das Absolute, steckt, und dass die Welt eine Art Schauspiel, eine Art kosmischer Traum ist, kann zur tiefen inneren Gemütsruhe beitragen.
Auch das, was dir geschieht, in einen höheren Zusammenhang zu stellen, kann dir helfen, Gemütsruhe zu erlangen. Du könntest dir sagen: Wenn ich in 20 Jahren auf heute zurückblicke, wie würde ich das betrachten? Angenommen, ein Bewohner eines anderen Planeten käme mich besuchen und ich würde ihm von meinen Problemen erzählen, wie würde das auf ihn wirken? Vom Standpunkt der Ewigkeit und der Unendlichkeit aus, vom Standpunkt von Milliarden von Sternen und einem Alter der Erde von mehreren Milliarden Jahren, wie wichtig sind da meine momentanen Probleme? Wenn du darüber nachdenkst, wirst du manchmal eine Bewusstseinsweite, eine Herzensöffnung, eine Ehrerbietung, ein Staunen spüren. Manchmal kann schon der Anblick des Sternenhimmels nachts zu einem tiefen Gefühl der Geborgenheit und der Gemütsruhe führen.
http://angst.podspot.de/files/76-Philosophische-Einstellung-fuer-Gemuetsruhe.MP3
Gemütsruhe durch Altersweisheit und Lebenserfahrung
Oft bringt Altersweisheit auch Gemütsruhe mit sich. Weisheit und Gemütsruhe gehören oft zusammen. Du kannst also zum einen darauf vertrauen, dass du im Lauf der Jahre ruhiger und gelassener werden wirst. Eine weitere Möglichkeit ist: Wenn ich in 10 Jahren auf die heutige Situation zurückblicken würde, wie würde ich sie sehen? Angenommen, ich hätte in 10 Jahren eine größere Gemütsruhe entwickelt, wie würde ich in dieser Situation denken, fühlen, reagieren? Oder denke an jemanden, den du als weisen Menschen ansiehst. Dann kannst du überlegen: Angenommen dieser weise Mensch wäre in der Situation, in der ich mich gerade befinde, wie würde dieser Mensch denken, fühlen, reagieren? Wie wäre die Atmung, die Körperhaltung, die Mimik, die Gestik eines weisen Menschen, der eine gewisse Gemütsruhe kultiviert hat? In dem Moment, in dem du überlegst, wie du als jemand mit Gemütsruhe reagieren würdest, hast du auch eine gewisse Gemütsruhe.
http://angst.podspot.de/files/77-Altersweisheit-und-Gemuetsruhe.MP3
Gemütsruhe trotz innerer Aufregung
Eine besonders machtvolle Technik für Gemütsruhe ist die Utilarisierung der inneren Aufregung. Angenommen, du spürst in dir eine Aufregung. Dann sage dir: Großartig, dass ich zur Aufregung fähig bin. Toll, dass ich so viel Energie habe. Großartig, dass in all meinen Fasern Kraft und Energie zirkuliert, pulsiert. Egal ob das jetzt Ärger ist, Unruhe, freudige Erwartung, Lampenfieber: Letztlich ist es nur Energie. Interpretiere einfach die Aufgeregtheit als positive Energie. Eventuell ignoriere die Etiketten "Angst, Lampenfieber, Aufgeregtheit, Nervosität, Ärger". Du kannst auch sagen: Man könnte meinen Gemütszustand als Lampenfieber bezeichnen. Ich bezeichne ihn als freudige Erwartung, als Energie, als Lebendigkeit, als starke Kraft. So bist du in tiefer innerer Gemütsruhe - und gleichzeitig voller Lebendigkeit.
http://angst.podspot.de/files/78-Gemuetsruhe-und-Aufgeregtheiten.MP3
Meditation als Quelle für Gemütsruhe
Meditation ist eine gute Quelle für Gemütsruhe: Mit Meditation kommt man zur Tiefe des eigenen Wesens, jenseits der sprudelnden Gedanken und dem Wechselspiel der Emotionen. Wer durch die Meditation die tiefe innere Ruhe findet, der kann daraus auch Gemütsruhe empfinden.
http://angst.podspot.de/files/79-Affirmationen-und-Selbsthypnose-fuer-Gemuetsruhe.MP3
Übungen der Gemütsruhe
Man kann es sich zur Aufgabe machen, Gemütsruhe zu entwickeln. Wenn man sagt: Eine Woche lang möchte ich mehr Gemütsruhe entwickeln, der kann die Fähigkeit zur Gemütsruhe sehr gut kultivieren. Viele Tipps und Übungen rund um Gemütsruhe findest du unter dem Hauptstichwort "Gelassenheit". Eine einfache Übung für Gemütsruhe kann sein, sich öfter zu sagen: "Gemütsruhe", "ruhig bleiben". Eine weitere einfache Technik ist, 10 Mal tief mit dem Bauch ein- und auszuatmen. Eine nächste Technik wäre, sich zu sagen: "Ja, es passiert viel. Es gibt gute Gründe sich aufzuregen. Aber dieses Mal will ich mit tiefer Gemütsruhe reagieren. Aus der Tiefe meines Wesens bekomme ich die Kraft der Gemütsruhe."
Hier zwei Videos für Gemütsruhe bei Lampenfieber und Alltagsärger:
Kreative Lesung aus dem Buch „Inspiration und Weisheit“ von Swami Sivananda. Aus dem Kapitel „Samadhana“
Gemütsruhe bedeutet, den Geist durch Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt zur Ruhe zu bringen. Wirkliche, dauerhafte Gemütsruhe heißt Samadhana und ist die Frucht der Praxis von Shama (Geisteskontrolle), Dama (Sinnesbeherrschung), Uparati (Meidung des Unguten), Titiksha (Duldungskraft) und Shraddha (Spirituelles Vertrauen). Wenn du diese fünf Tugenden praktizierst, dann wird die sechste der Shatsampat, die sechste der sechsfachen Tugenden Gemütsruhe, Samadhana, fast von selbst kommen.
Mache dir bewusst, dass Gemütsruhe wichtig ist. Nimm dir vor, Gemütsruhe zu entwickeln. Sei dir bewusst, dass Gemütsruhe auch für die Gottverwirklichung und für die Erleuchtung wichtig ist. Und sei dir bewusst, dass niemand anderes als du selbst verantwortlich dafür ist, dass du Gemütsruhe entwickelst. Mache nicht andere für deinen Geisteszustand verantwortlich. Mache nicht die äußere Situation für deinen Gemütszustand verantwortlich. Du hast die Verantwortung für den Zustand deines Geistes. Du selbst entscheidest, ob du Gemütsruhe entwickelst oder Sklave beziehungsweise hilfslos Ausgelieferter bist von Worten, Dingen und Situationen anderer.
Gemütsruhe führt zur vollkommenen Konzentration. Nicht umsonst wird Samadhana auch als meditative Versenkung bezeichnet. Samadhana ist in der Übersetzung „Gemütsruhe“ auch meditative Versenkung und damit das Festhalten des Geistes an Atman, das höchste Selbst. Samadhana bedeutet, dass man dem Geist nicht erlaubt, sich Objekten zuzuwenden und seinen eigenen Weg zu gehen. Samadhana ist Festigkeit in sich selbst. Das heißt letztlich, dass Gemütsruhe einerseits bedeutet, den Geist von äußeren Dingen abzuwenden, andererseits die Fähigkeit zu nutzen, tief nach Innen zu gehen. Wenn du weißt, dass tief in dir alle Freude, alles Wissen ist, dass du tief in dir alle Inspiration hast, die du brauchst, dann fällt es leicht, im Alltag Gemütsruhe zu haben. Und so hat Samadhana diese beiden Aspekte: die tiefe Versenkung in das Wesen des Selbst, die tiefe Erfahrung von Brahman, dem Absoluten, und dann die Praxis der Gemütsruhe im Alltag.
Der große Vedanta-Meister Shankaracharya hat im Atma Anatma Viveka, einer der wichtigen Vedanta-Werke, geschrieben: Wann auch immer der Geist zu einem weltlichen Objekt oder Wunsch wandert, wenn du eigentlich Sravana, Manana und Nididhyasana üben willst, diese wertlos findet und zurückkehrt zu den drei Übungen, wird dieses Zurückkehren Samadhana genannt. Wer Samadhana, Gemütsruhe, entwickelt hat, ist frei von Furcht und Schmerzen. Er ist in der Lage, Gemütsruhe, Gleichmut, Ausgeglichenheit, Gelassenheit zu haben – in mitten von Vergnügen und Schmerz, Kälte und Hitze, Lob und Tadel, Respekt und Respektlosigkeit. Wer Gemütsruhe entwickelt hat, kann nicht mehr gekränkt werden, wird nicht mehr ärgerlich werden. Und wenn ein kurzer Ärger kommt, ist das nur eine kleine Welle im Geist, die schnell wieder verschwindet.
Gemütsruhe heißt Festigkeit des Geistes, geistige Ausgewogenheit. Wer Gemütsruhe praktiziert, wird die Anhaftungen verlieren. Um Gemütsruhe zu kennen, musst du über Zu- und Abneigungen hinauswachsen. Wer in der Lage ist, Gemütsruhe zu kultivieren, hat inneren Frieden und starke Geisteskraft. Ein Mensch von Gemütsruhe hat eine starke Ausstrahlung für andere. Kultiviere Gemütsruhe und werde so eine Quelle des Friedens auch für andere. Dein eigener höchster, unerschütterlicher Friede wird eine Quelle der Inspiration für andere sein.
Gemütsruhe muss dauerhaft sein. Es gibt manchmal Aspiranten, die fühlen geistigen Frieden und Gemütsruhe, wenn sie in Abgeschiedenheit leben, zu Besuch in einem Ashram sind, wenn sie allein sind und keine ablenkenden Faktoren haben. Wenn sie dann zurückkehren in ihr Zuhause, in ihr Berufsleben und die Familie, haben sie wieder stark schwankendes Vikshepa, innere Unruhe. Sie sagen, sie können nicht meditieren an einem belebten Ort. Letztlich ist das geistige Schwäche. Wirklich Samadhana, eine starke Verankerung in Gemütsruhe, hast du nur, wenn du die Gemütsruhe inmitten einer Stadt, inmitten des Berufes, inmitten von Anfeindungen und Unruhe haben kannst. Natürlich ist es gut, mal eine Weile in den Ashram zu gehen. Natürlich ist es gut, ein paar Tage, Wochen oder Monate von deinen Ablenkungen wegzukommen. Aber danach, mache es dir zur Aufgabe, die Gemütsruhe ebenfalls im Alltag zu haben.
Krishna gibt in der Bagavad Gita das ideale Rezept für Gemütsruhe. Er empfiehlt: Führe alle Handlungen aus. Mache das, was notwendig ist. Fühle die Einheit mit dem Göttlichen. Verzichte auf alle Anhaftungen. Sei gelassen in Erfolg und Misserfolg. Hänge nicht an den Früchten. Genau das ist das Rezept für Gemütsruhe. Tue, was zu tun ist, ohne Erwartungen. Tue das, was zu tun ist, so gut wie du kannst und lasse los. Krishna sagt in der Bagavad Gita auch: Das disziplinierte Selbst, das sich zwischen den Sinnesobjekten bewegt, ohne Zuneigung und ohne Abneigung, geht zum höchsten Frieden. Das ist die höchste Gemütsruhe: Samadhana.
Nimm dir jetzt vor, Gemütsruhe zu entwickeln. Nimm dir jetzt vor, aufzuhören abhängig zu sein von Stimmungen anderer, von Lob und Tadel anderer, von Anerkennung oder Nicht-Anerkennung. Wahre Würde heißt, frei zu sein von all dem. Kultiviere Gemütsruhe – es ist schwierig, aber es ist möglich.
Siehe auch
- Gelassenheit
- Gemütsruhe
- Selbstbeherrschung
- Wer bin ich?
- Gleichmut
- Contenance wahren
- Contenance bewahren
- Contenance verlieren
Eigenschaften im Alphabet vor Gemütsruhe
Eigenschaften im Alphabet nach Gemütsruhe
Literatur
- Sukadev Bretz und Ulrike Schöber: Der Königsweg zur Gelassenheit
- Artikel: Shatsampat
- Swami Sivananda: Die göttliche Erkenntnis
- CD: Pranayama Anfänger
- Swami Satyananda Saraswati: Yoga Nidra I
- Swami Satyananda Saraswati: Yoga Nidra II
- Swami Satyananda Saraswati: Yoga Nidra III
- Swami Sivananda: Die Überwindung der Furcht
Weblinks
- Gelassenheits-Podcast vier Hörsendungen zur Gelassenheit
- Gelassenheits-Podcast: Über 250 Hörsendungen zum Thema Gelassenheit
- Seminare zum Thema Gelassenheit
- Gelassenheits-Podcast
- Vortragsreihe: Enthusiastisch und verhaftungslos leben
- Einführungsseminar: Yoga und Meditation
- Yogalehrer Ausbildung
- Psychologische Yoga-Therapie Ausbildung
- Gelassenheit entwickeln
Seminare
Yoga und Meditation Einführung
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Meditation
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Multimedia
Meditation über Gleichmut und Gelassenheit
<html5media>https://daricha.podspot.de/files/86_Gleichmut-Meditation.mp3</html5media>