Gefasstheit
Gefasstheit : Was ist Gefasstheit ? Woher stammt das Wort? Wozu ist Gefasstheit gut? Was sind ihre Grenzen? Wie kann man sie kultivieren? Was ist das Gegenteil von Gefasstheit ? Gefasstheit ist eine innere Stärke, die einem hilft, auch in schwierigen Situationen Haltung zu bewahren, Ruhe zu wahren, Contenance zu zeigen. Man kann schlechten Nachrichten und auch schwierigen Situationen mit Gefasstheit begegnen und so seine Würde bewahren.
Sukadev über Gefasstheit
Niederschrift eines Vortragsvideos (2015) von Sukadev über Gefasstheit
Gefasstheit ist ein Zustand, ist auch eine Fähigkeit. Wenn Dinge schiefgehen, wenn du kritisiert wirst, wenn du etwas verlierst, wenn du dabei Haltung bewahren kannst, wenn du damit Contenance wahren kannst, dann heißt das, du hast Gefasstheit. Man kann Katastrophen mit Gefasstheit angehen, man kann Verlusten mit Gefasstheit entgegensehen. Du kannst auch letztlich Verrat von einzelnen Menschen mit Gefasstheit besser ertragen. Gefasstheit, also eine wichtige Eigenschaft, die dann zählt, oder auch eine wichtige Fähigkeit, die dann zählt, wenn es hart auf hart geht, wenn es schwierig wird, wenn Herausforderungen kommen. Leben ist nicht immer nur schön, Dinge gehen nicht immer nur gut, Menschen sind nicht immer nur freundlich, alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Menschen folgen ihrem Herzen, folgen auch ihren Eingebungen, folgen manchmal auch alten Reiz-Reaktionsmechanismen, handeln aus Gekränktheiten, haben auch mal Gier, folgen Instinkten usw. All das kann dazu führen, dass du enttäuscht wirst.
Auch äußere Dinge verändern sich, Wirtschaftslage verändert sich, der Verkehr in deiner Stadt verändert sich, die Moden verändern sich, in deinem Beruf verändern sich Dinge usw. Das alles sich bewusst zu machen, alles, was einen Anfang hat, hat ein Ende. Und schon damit zu rechnen, dass das, was begonnen hat, auch irgendwann enden wird, das hilft dir zu einer gewissen Gefasstheit. Wenn du weißt, Dinge können schief gehen, alles ist in Veränderung, im Yoga würden wir sagen, alles ist in Parinama, in ständiger Veränderung, wenn du das weißt, das ist ein erster Grad von Gefasstheit.
Als zweites, wenn du dir bewusst machst, dass du von allem lernen kannst, dass letztlich ein Sinn auch in dem ist, was passiert, dass Schicksal eine Chance ist zur Entwicklung, dass auch im Umgang mit anderen Menschen du dich entwickeln kannst und dass du gerade dadurch wachsen kannst, dass auch schwierige Herausforderungen, auch Verluste kommen, dann kannst du auch eine größere Gefasstheit an den Tag legen. Du denkst nämlich nicht, dass dein Glück abhängig ist von irgendetwas, Leben ist nicht dazu da, dass andere deinen Erwartungen gerecht werden, Leben ist nicht dazu da, dass genau das geschieht, was du gerne hättest. Leben ist dazu da, dass du wächst, Leben ist auch dazu da, dass du anderen helfen und dienen kannst. Leben ist dazu da, dass du das tust, was zu tun ist, was deine Bestimmung ist. Leben ist dazu da, das Göttliche zu erfahren, die Tiefe deines Wesens zu erfahren.
Und wenn du das weißt, auch dann kannst du mit Gefasstheit auf verschiedene äußere Veränderungen reagieren. Du weißt, hinter allem ist ein Sinn, auch wenn du nicht den konkreten Sinn kennst. So hast du eine gewisse Gefasstheit. Ein nächster Aspekt ist, du kannst dir bewusst machen, nicht nur ist das, was geschieht, irgendwo dazu da, dass du daran wachsen kannst, sondern hinter allem steckt auch eine höhere Wirklichkeit und diese höhere Wirklichkeit ist hinter allem. Und das, was geschieht, ist zum einen Ausdruck der höheren Wirklichkeit, zum anderen ist es aber in Zeit und Raum. Und was in Zeit und Raum ist, ist nur relativ, ist eine relative Wirklichkeit. Was einen Anfang hat, hat auch ein Ende, aber es ist nicht wirklich. Wirklich ist das, was ewig ist, und dieses Ewige ist erfahrbar, dieses Ewige ist in deiner Seele, dieses Ewige ist in deinem Herzen, aber dieses Ewige ist auch hinter allem. Gefasstheit kommt auch aus der Überzeugung, dass die Welt so etwas wie ein Schauspiel ist, Maya, wird im Vedanta gesagt, wie eine Illusion, ein Schauspiel des Göttlichen. Wir sind Teil dieses Schauspiels und innerhalb dieses Schauspiels sollten wir die einzelnen Dinge nicht zu sehr überbewerten, Gefasstheit kann dort helfen.
Manchmal ist auch Emotionalität durchaus gut, manchmal kannst du auch mal wütend sein, manchmal kannst du traurig sein, manchmal kannst du auch nervös sein. Aber als tiefes Gefühl des Vertrauens, tiefes Gefühl der Hingabe, tiefe Bewusstheit der Verbindung, all das kann dir helfen, dann wieder zu einem Zustand der Gefasstheit und der Gelassenheit, der Gemütsruhe zu kommen. Und manchmal ist es auch ganz praktisch, Dingen mit Gefasstheit entgegensehen, denn das gibt dir Würde, das hilft dir, dein Gesicht zu wahren und das hilft dir auch, neu wieder aktiv zu sein. So ist manchmal gut, mit Gefasstheit all das in Empfang zu nehmen und all das hinzunehmen, was auch immer geschieht, und dann mit Mut, mit Engagement wieder weitermachen und deiner Bestimmung gerecht werden.
Gefasstheit und andere Tugenden
In diesem Yoga Wiki werden über 1000 Tugenden und geistigen Eigenschaften beschrieben. Hier einige Erläuterungen, wie man die Eigenschaft der Gefasstheit in Beziehung zu anderen Tugenden und geistigen Eigenschaften sowie in Bezug auf Laster sehen kann:
Ähnliche Eigenschaften wie Gefasstheit
Ähnliche Eigenschaften wie Gefasstheit, also Synonyme zu Gefasstheit sind z.B. Ausgeglichenheit, Contenance, Kaltblütigkeit.
Ausgleichende Eigenschaften
Jede Eigenschaft, jede Tugend, die übertrieben wird, wird zu einer Untugend, zu einem Laster, einer nicht hilfreichen Eigenschaft. Gefasstheit übertrieben kann ausarten z.B. in Gefühlskälte, Überheblichkeit, Arroganz. Daher braucht Gefasstheit als Gegenpol die Kultivierung von Herzlichkeit, Offenheit, Ehrlichkeit.
Gegenteil von Gefasstheit
Zu jeder Eigenschaft gibt es ein Gegenteil. Hier Möglichkeiten für Gegenteil von Gefasstheit, Antonym zu Gefasstheit :
- Positive Gegenteile von Gefasstheit, man könnte diese auch als Gegenpole bezeichnen: Herzlichkeit, Offenheit, Ehrlichkeit
- Negative Gegenteile von Gefasstheit, also Laster, negative Eigenschaften, sind z.B. Panik, Angst, Wut
Gefasstheit im Kontext von Tugendengruppen, Persönlichkeitsfaktoren und Temperamenten
- Gefasstheit gehört zur Tugendgruppe 6 Gelassenheit, Ruhe. Die wichtigsten Tugenden dieser Tugendgruppe sind Gelassenheit und Ausgeglichenheit
- Im Kontext des Persönlickeitsmodell der Big Five gehört Gefasstheit zum Persönlichkeitsfaktor E0 Extraversion niedrig: zurückhaltend, reserviert, introvertiert, auch N0 Neurotizismus/Labilität niedrig: selbstsicher, ruhig, stabil, entspannt, auch C1 Gewissenhaftigkeit hoch: effektiv, organisiert, verlässlich
- Im Persönlichkeitsmodell DISG gehört Gefasstheit zur Grundverhaltenstendenz G - Gewissenhaftigkeit
- Im Ayurveda zählt man Gefasstheit zum Kapha Temperament bzw. Dosha.
Vortragsmitschnitt zu Gefasstheit - Audio zum Anhören
Hier kannst du einen Vortrag von Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, anhören. Dieser Vortrag ist die Audio Version eines Videos zu Gefasstheit, Teil des Yoga Vidya Multimedia Lexikons der Tugenden.
Siehe auch
Eigenschaften im Alphabet vor Gefasstheit
Eigenschaften im Alphabet nach Gefasstheit
Literatur
- Sukadev Bretz, Ulrike Schöber: Der Königsweg zur Gelassenheit; 2014
- Sukadev Bretz: Karma und Reinkarnation
- Swami Sivananda: Die Überwindung der Furcht
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
Weblinks
- Meditation - Viele Infos und praktische Anleitungen
- Yoga Übungen
- Yogaschulen und Yoga Zentren
Seminare
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