Yoga bei Beschwerden
Yoga bei Beschwerden : Tipps, wie Yoga, insbesondere Hatha Yoga, bei verschiedenen Beschwerden hilfreich sein kann. Du erfährst auch, wie du deine eigene Yoga Praxis anpassen kannst an deine eigenen Bedürfnisse. Als Yogalehrerin bekommst du Tipps, wie du die Yogastunde an Beschwerden deiner Teilnehmer anpassen kannst. Viele Infos auch im Artikel Wissenschaftliche Studien, in dem du empirische Studien aufgelistet bekommst, die zeigen, wie Yoga bei verschiedenen Krankheitsbildern und auch präventiv helfen kann.
Video Yoga bei Beschwerden
Hier findest du ein Vortragsvideo mit dem Thema Yoga bei Beschwerden :
Autor/Sprecher: Sukadev Bretz, Seminarleiter zu Kundalini Yoga und Chakras.
Yoga bei Beschwerden Audio Vortrag
Hier die Audiospur des oberen Videos zu Yoga bei Beschwerden :
<html5media>https://naturheilkunde-podcast.podspot.de/files/Yoga_bei_Beschwerden.mp3</html5media>
Die sieben Prinzipien für Yoga bei Beschwerden
- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2020 -
Was gilt es zu beachten, wenn du Yoga unterrichtest für Menschen, die Beschwerden haben? Wie kannst du deinen Yogaunterricht anpassen? Die Ausbildung bei Yoga Vidya beinhaltet, viele verschiedene Aspekte zu integrieren. Anatomie und Physiologie sind Bestandteil der Ausbildung und sollen neben biologischem Grundwissen auch verdeutlichen, welche Beschwerden Menschen relativ häufig haben, die in den Yogaunterricht gehen. Was bedeutet dies für die Yogaübungen und den Yogaunterricht?
Ich habe ein allgemeines Modell mit Empfehlungen entwickelt, mit dessen Hilfe du deinen Yogaunterricht ausrichten kannst, so dass es dem Menschen hilfreich ist, egal welche Beschwerden er hat.
Diese sieben Prinzipien habe ich wie folgt benannt:
- 1. Mit offenem Geist recherchieren
- 2. Schwieriges und Schädliches Abwandeln
- 3. Hilfreiches ergänzen
- 4. Ganzheitlich unterrichten
- 5. Dem Übenden/der Übenden Verantwortung überlassen
- 6. Grenzen beachten
- 7. Psychische und spirituelle Aspekte einbeziehen
Mit offenem Geist recherchieren
Der Mensch kann verschiedenste Beschwerden haben. Diese so weit zu verstehen, dass es ausreicht was es für die Yogapraxis bedeutet, ist durch die heutige Möglichkeit der Internetrecherche gar nicht so schwer. Mit einer einfachen Suchanfrage in einer beliebigen Suchmaschine kann man über die meisten Erkrankungen und Beschwerden etwas herausfinden. Vom Standpunkt des Yoga aus ist es gut, dabei verschiedene Quellen zu nutzen.
- Zum ersten gibt es die eher populärwissenschaftlichen Ratgeberseiten wie „netdoktor.de“ oder „onmeda.de“.
- Als zweites gibt es die sog. schulmedizinischen Leitlinien, die man über den jeweiligen Suchbegriff „Erkrankung+Leitlinie“ findet und so erfährt, was vom schulmedizinischen Standpunkt aus der momentane Stand der Wissenschaft ist.
- Als drittes ist es gut, eine alternative Sichtweise hinzu zu ziehen (Erkrankung+Naturheilkunde ; Erkrankung+alternativ). * Als viertes kann man speziell Informationen über Yoga suchen (Erkrankung+Yoga).
Mit offenem Geist recherchieren bedeutet also:
- 1. Definition: herausbekommen, was sich hinter dem Beschwerdebild verbirgt
- 2. Anamnese bzw. Diagnose: Welche Untersuchungsmethoden sind notwendig, um diese Erkrankung festzustellen? Hierbei kommt auch die Differentialdiagnose zum Tragen, denn manchmal kann ein ähnliches Beschwerdebild verschiedene Ursachen haben.
- 3. Therapie: welche Art von Therapien gibt es für diese Beschwerde?
- 4. Prognose: Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Erkrankung geheilt werden kann? Wie lange dauert es oder wie wahrscheinlich ist es, dass der Betroffene mit dieser Beschwerde leben muss?
Wenn man diese Dinge also mit offenem Geist recherchiert, bekommt man wichtige Informationen für die Yogapraxis, zum Beispiel ob bestimmte Körperteile eine Zeit lang ruhig zu stellen sind. Bei einem Handknochenbruch muss die Hand ruhig gestellt werden, auf andere Yogaübungen muss man jedoch nicht verzichten. Manches geht, manches nicht, und manches muss abgewandelt werden.
Informationen zur Therapie könnten zum Beispiel lauten „kleine Bewegungen sind wichtig, umliegende Muskeln müssen gestärkt werden, aber ein Überdehnen des Gelenkes ist zu vermeiden“. Vom Yogastandpunkt aus weißt du also, dass viel Bewegung und die Stärkung der Muskeln wichtig sind, aber zum Beispiel die Krähe muss abgewandelt werden.
Diese Art von Recherche kannst du oft auf den Leitlinien-Seiten und den populärmedizinischen Ratgeber-Internetseiten betreiben. Manchmal findest du dazu auch etwas auf den Seiten der Naturheilkunde und auf den Yoga Vidya Seiten. Hier aber eher nur, was es vom Standpunkt des Yoga aus zu beachten gilt, da dies kein medizinisches Portal ist. Wir greifen eher zurück auf das, was in der Schulmedizin etabliert ist oder in der Naturheilkunde und im Ayurveda.
Wir gehen davon aus, dass eine Diagnose bereits besteht und dann schauen wir, wie wir auf Grund von Empfehlungen aus ärztlicher Sicht die empfohlenen Yogapraktiken anpassen. Für die Recherche kann es also genau so hilfreich sein, den Klienten zu fragen, was er über seine Erkrankung weiß.
Schwieriges und Schädliches abwandeln
Schädliches abwandeln könnte zum Beispiel bei einem Teilnehmer mit einer gebrochenen Hand, der ein paar Wochen kein Gewicht auf diese Hand geben darf, bedeuten, die Übungen, die mit Gewicht auf die Hand verbunden sind, abzuwandeln. Bei einem Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule wurde dem Betroffenen möglicherweise vom Arzt oder Physiotherapeuten gesagt, er möge sich der Vorwärtsbeugen enthalten. Dann bedeutet es für die Yogatherapie, die Vorwärtsbeuge so abzuwandeln, dass der Rücken gerade ist und die Knie gebeugt sind. Der Sonnengruß muss dann erheblich abgewandelt werden und statt dem Pflug muss eine andere Übung gemacht werden.
Schwieriges abwandeln könnte zum Beispiel notwendig sein, wenn jemand mit nur einem Bein zur Yogapraxis kommt. Dann sind natürlich manche Übungen nicht möglich und müssen abgewandelt werden. Manchmal kommen auch Menschen mit einer Prothese in den Yogaunterricht, die erstaunlich viel machen können. Aber auch hier müssen schwierige Übungen angepasst werden. Das Grundprinzip in der Medizin lautet „primum non nocere – erstens nicht schaden“. Ärztliches Handeln sollte also nie mehr schaden als es nutzt. Dies ist normalerweise die Richtschnur ärztlichen Handelns. Allerdings gilt eben auch das schulmedizinische Prinzip, einen gewissen Schaden in Kauf zu nehmen um mehr Nutzen zu erzielen, beispielsweise bei einer Krebstherapie. Im Yoga hingegen gilt das „non nocere“ extrem. Als Nicht-Heilpraktiker und Nicht-Arzt machen wir im Yoga nichts, was schädlich ist. Auch nicht, um etwas wertvolleres dadurch hervorzurufen. Wir nehmen das „non nocere“ ziemlich wörtlich.
Hilfreiches ergänzen
Angenommen jemand hat einen Bandscheibenvorfall in der unteren Wirbelsäule und die Vorwärtsbeugen sind kontraindiziert. Dann muss der Rücken gerade gehalten werden wenn man sich nach vorn beugt, und auch die Knie müssen gebeugt sein. Der Sonnengruß wird extrem abgewandelt, so dass hier keine Vorwärtsbeuge vorkommt. Stattdessen ergänzt man hilfreiche Übungen wie zum Beispiel Bauchmuskelübungen, Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur, Minibewegungen nach rechts, links, vorn, hinten, sanfte Drehungen. Die Dehnung des Psoas und Iliopsoas kann sehr hilfreich sein, denn manchmal sind stark verspannte Psoasmuskeln die eigentliche Ursache für Rückenbeschwerden. Die Lendenmuskeln halten dann dagegen, sind aber schwächer und beginnen zu schmerzen. In diesem Fall sollte man folglich die Psoasmuskeln dehnen, um Besserung zu erzielen.
Beispiel Nackenbeschwerden
Manche Nackenprobleme sind über Muskelketten verbunden mit verspannten Wadenmuskeln. Dann gilt im Sinne „Schwieriges und Schädliches abwandeln“, zum Beispiel den Kopfstand wegzulassen oder zu ersetzen durch den Hund. Statt dem Schulterstand gibt man Kissen unter das Kreuzbein, um den Nacken nicht zu überdehnen. Den klassischen Fisch wird man abwandeln und mit dem Hinterkopf am Boden praktizieren, in der schiefen Ebene den Kopf oben halten, in der Heuschrecke die Stirn am Boden lassen statt des Kinns, um Überdehnung und Überstreckung des Nackens zu vermeiden. Hilfreich ergänzen würde man in diesem Fall Übungen zur Wadendehnung, zum Beispiel den Ausfallschritt. Bei einigen Menschen entspannt sich nur durch die Dehnung der Waden bereits der Nackenbereich. Eine der besten Methoden, Nackenbeschwerden langfristig zu überwinden, ist die Stärkung der Hals- und Nackenmuskulatur. Eine gute Methode hierfür sind die isometrischen Hals-Nackenübungen. Dabei wird der Kopf mit langsamen Bewegungen gegen den Widerstand der Hand in insgesamt acht Richtungen gedrückt, in die der Kopf bewegt werden kann. So gibt es für nahezu jede Beschwerde etwas Hilfreiches, das man ergänzen kann.
Ganzheitlich unterrichten
Bevor es nun aber ein Rezept Yoga gibt, in dem es heißt: „Mache diese drei Übungen am Tag und deine Beschwerden verschwinden“, kommt das vierte Prinzip zum Tragen. Die Yogaheilwirkung ist vor allem nachgewiesen durch das ganzheitliche, gesamte Yogakonzept. Es heißt daher auch, Yoga wirkt grundsätzlich unspezifisch. Yoga als Ganzes stärkt die Muskeln, dehnt die Muskeln, stärkt die körperliche Leistungsfähigkeit, das Körperbewusstsein, fördert die Entspannung. Aus yogischer Sicht würde man sagen, es hilft das Prana zu aktivieren, die Nadis und Chakras zu öffnen. Aus ayurvedischer Sicht würde man sagen, die Doshas werden in ihren natürlichen Zustand gebracht (prakriti), es hilft Amas zu beseitigen und Agni zu erhöhen.
Yoga hilft dem Menschen, mehr in Kontakt zu sich selbst zu kommen und das Körper und Psyche durchlässig werden. Krankheit kann auf verschiedenen Ebenen anfangen und wo sie anfängt wissen wir nicht. Körperliche Beschwerden sind meistens Symptome für etwas Energetisches oder Geistiges, manchmal sogar für etwas Karmisches. Wo soll man also mit der Heilwirkung ansetzen? Yoga als Ganzes ist etwas, das auf allen Ebenen des Menschseins wirkt. Es gibt die drei Körper und fünf Hüllen und Hatha Yoga wirkt auf alle davon. Ob physischer Körper, Energiehülle, emotionale Hülle, intellektuelle Hülle, karmische Hülle… Yoga wirkt auf allen Ebenen. Bei der Yoga Vidya Grundreihe, die überliefert ist von Swami Sivananda durch Swami Vishnu Devananda und auf sehr viel älteren Quellen beruht, wissen wir, dass sie auf alles wirkt. Sie wirkt auf den physischen Körper, den Energiekörper, den emotionalen Körper, den mental-intellektuellen Körper und den Kausalkörper. Physische Spannungen werden beseitigt und Muskeln gestärkt, und zwar überall.
Es reicht also nicht aus, allein das Beschwerdebild anzugucken. Wichtig ist es, den ganzen Körper zu sehen. Bestimmte Muskelverspannungen können wiederum andere Verspannungen auslösen. Ein zu schwacher Muskel kann an einer anderen Stelle im Körper zu Schmerzen führen. Beschwerden auf der physischen Ebene können ihren Ursprung auf einer anderen Ebene haben. Halte dich daher an eine bekannte Grundreihe, zum Beispiel die Yoga Vidya Grundreihe mit:
- der Anfangsentspannung,
- dem Pranayama,
- dem Sonnengruß oder anderen Aufwärmübungen,
- Asanas in der bewährten Reihenfolge
- und zum Schluss die Tiefenentspannung.
So unterrichtest du ganzheitlich.
Beziehe auch Ernährung mit ein und gib eventuell Tipps für spezialisiertere Ernährung oder Kriyas (Reinigungstechniken).
Beispiel Grundreihe bei Bandscheibenvorfall
Ganzheitlich unterrichten heißt also, sich auch bei einem Klienten mit Bandscheibenvorfall, der Schmerzen im Lendenwirbelbereich und vielleicht ein Missempfinden in den Zehen hat, an der Grundreihe zu orientieren.
- Mit der Anfangsentspannung beginnen,
- sorgfältiger und ruhiger über die Seitenlage aufsetzen,
- die Atemübungen durchführen,
- den Sonnengruß erheblich abwandeln - siehe abgewandelter Sonnengruß für Menschen mit Bandscheibenvorfall oder Hexenschuss,
- Kopfstand durch den Hund ersetzen und hierbei die Knie gebeugt halten,
- Schulterstand eventuell mit zwei Kissen unter dem Kreuzbein,
- im Pflug dann nur die Knie etwas beugen und die Lendenwirbel relativ gerade halten,
- Vorwärtsbeuge mit geradem Rücken,
- die Kobra ist typischerweise besonders gut,
- die Heuschrecke,
- den Bogen ersetzen durch diagonales Boot oder diagonale Katze,
- Drehsitz eventuell sitzend auf den Fersen und nur ganz leicht die Brustwirbelsäule drehen,
- auf die stehende Vorwärtsbeuge verzichten oder mit geradem Rücken die Knie beugen und Hände auf die Knie geben,
- eine Gleichgewichtsübung geht auch mit Bandscheibenvorfall,
- die Seitbeuge des Dreiecks ist gut,
- ebenso wie die Tiefenentspannung.
Dem Übenden/der Übenden Verantwortung überlassen
Der nächste wichtige Punkt ist, dem Yogaübenden bzw. der Yogaübenden die Verantwortung zu geben bzw. zu lassen. Wir wollen im Yoga Vidya Unterricht den Teilnehmenden nicht sagen, was genau die richtige Stellung für sie ist, sondern sie befähigen, selbst heraus zu finden, was für sie besonders gut ist. Am Anfang sind wir eher etwas vorsichtiger und werden all das weglassen, was potentiell schwierig oder schädlich ist.
Aber gerade beim Unterrichten von Yoga mit Beschwerden gilt, dass wir verschiedenste Vorschläge machen für kleine Variationen bis hin zu radikaleren Abwandlungen. So kann der Teilnehmer oder die Teilnehmerin selbst heraus bekommen, was für ihn oder sie am besten ist.
Die Tipps weiter oben für Menschen mit Beschwerden im Lendenbereich/ Schmerzen im unteren Rücken beinhalten zum Beispiel, in die Vorwärtsbeuge mit geradem Rücken zu gehen. Für einige Betroffene ist dies jedoch nicht richtig, sondern im Gegenteil hat sie die Vorwärtsbeuge mit gebeugtem Rücken von ihren Schmerzen befreit. Manchmal ist also das Gegenteil vom Standardprogramm das Richtige und so überlassen wir dem Teilnehmenden die Verantwortung.
Zu Anfang wollen wir weglassen, was potenziell gefährlich ist. Dabei lehren wir dem Übenden, wie sich eine Stellung gut anfühlt und wie er oder sie spüren kann, was gut tut, und dann vertrauen wir der Intuition und dem Gespür des Teilnehmenden/der Teilnehmenden. Das gelingt natürlich besonders gut, wenn du eine Atmosphäre frei von Wettbewerb schaffst, so dass keiner Angst haben muss, nicht ausreichend gut zu sein, oder dir beweisen zu müssen, wie gut er/sie ist. Denn dann ist es mit der Eigenverantwortung vorbei. Die Menschen spüren nicht mehr in sich selbst hinein, was dazu führen kann, dass sie Schwieriges oder Schädliches üben, obgleich ihr Körper ihnen etwas anderes sagt. Sie hören nicht mehr darauf, was ihr Körper ihnen sagt was gut wäre.
Grenzen beachten
Wenn wir Yoga unterrichten für Menschen mit Beschwerden, gibt es drei Grenzen zu beachten:
- 1) juristische Grenzen
- 2) fachliche Grenzen
- 3) karmische Grenzen
Juristische Grenzen
In Deutschland gibt es zwei Gesetze, die relevant sind,
- a) das Heilpraktikergesetz und
- b) das Heilmittelwerbegesetz.
Das Heilpraktikergesetz
Das Heilpraktikergesetz besagt, dass die Ausübung der gewerblichen Heilkunde zugelassenen Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten ist. Wenn du also kein Arzt oder Heilpraktiker bist, darfst du nicht gegen Geld ärztliche Behandlung anbieten. Eine ärztliche Behandlung besteht aus Anamnese, Diagnose, Therapievorschlag und Heilversprechen, also Prognose. Du darfst den Menschen nicht als Patienten bezeichnen, ihn nicht untersuchen, keine Diagnose stellen, keine Therapie vorschlagen und kein Heilversprechen geben, geschweige denn dafür Geld verlangen. Sollte es allerdings einer Kollegin nicht so gut gehen und du wüsstest einiges und würdest dafür kein Geld verlangen, dürftest du dies alles. Es geht nur um die gewerbliche Heilkunde. Angenommen du bist Yogalehrender und du unterrichtest umsonst, dürftest du auch alles machen. Und auch wenn du Yogalehrender bist und nichts für deine medizinischen Ratschläge verlangst, also allgemein Yoga unterrichtest und was du sonst gibst ist kostenlos, dann ist es auch kein Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz, wobei es natürlich nicht ganz einfach ist, dies zu trennen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch fachliche Grenzen.
Wenn du dich im Allgemeinen an die sieben Prinzipien hältst, Schwieriges und Schädliches abwandelst, Hilfreiches ergänzt und nicht selbst die Erkrankung diagnostizierst, sondern nur sagst „bei dieser Art von Beschwerde solltest du Yoga so und so abwandeln, das könnte eventuell hilfreich sein, das andere ist eher schädlich“, dann darfst du das. Dies ist ähnlich, wie ein guter Trainer im Fitness-Studio die Übungen an deine besonderen körperlichen Beschwerden anpasst und jeder Trainer in einem Sportverein es machen würde.
Das Heilmittelwerbegesetz
Das Heilmittelwerbegesetz besagt, dass gesundheitliche Aussagen über ein Produkt oder eine Dienstleistung nur dann getroffen werden können, wenn es dazu eine wissenschaftliche Studie gibt. Deshalb sind heutzutage zum Beispiel bei vielen Kräutertees andere Beschreibungen auf der Verpackung zu lesen. Statt „hilft gegen Husten“ steht dort nun „wird gemäß traditioneller Überlieferung bei Husten angewandt“, oder „nach Ayurveda-Richtlinien für … verwandt“.
Sobald eine konkrete gesundheitliche Wirkung behauptet würde, müsste sie mit einer Studie nachweisbar sein. Es gibt bezüglich Yoga schon eine Menge wissenschaftlicher Studien, die auf unserer Homepage gesammelt werden. Dort kann man den deutschsprachigen Stand der wissenschaftlichen Forschung erkunden. Es gibt eine große Menge an Forschungsarbeiten, die zeigen, dass Yoga in vielfältiger Weise hilft. Im Zweifelsfall gilt hier aber: Schreib nicht zu viel von den Gesundheitswirkungen auf deine Internetseite! Es gibt sog. Abmahnvereine, die sich darauf spezialisiert haben, Internetseiten zu durchforsten, um auf diese Weise sich selbst und ihren Angestellten und Rechtsanwälten ein Einkommen zu ermöglichen. Sei also vorsichtig. Schreib nicht, Yoga heilt alle Rückenbeschwerden. Du könntest schreiben, dass Yoga hilfreich sein könnte bei bestimmten Rückenbeschwerden. Und dann könntest du verweisen auf die entsprechende Forschungsarbeit. Oder du könntest Bezug nehmen auf das, was durch Studienlage bekannt ist. Oder du könntest auch sagen, gemäß Swami Sivanandas Buch „Gesundheit und Hatha Yoga“ oder „Asanas“ ist Yoga hilfreich bei der und der Beschwerde. Nicht du selbst behauptest etwas, sondern du zitierst jemanden, der eine Aussage getroffen hat.
Beachte diese juristischen Grenzen!
Fachliche Grenzen
Sei dir bewusst, dass deine eigene Recherche fehlerhaft sein kann. Und dein Wissen über die Erkrankung ist typischerweise lückenhaft. Sei dir bewusst, dass du manches nicht weißt, und es manchmal wichtig ist, dem Betroffenen zu raten, zum Arzt oder Heilpraktiker oder Physiotherapeuten zu gehen. Diese Leute wissen mehr darüber, wie du Yogaübungen bei bestimmten Beschwerden anpassen kannst. Habe keine Hemmungen, die Menschen weiter zu verweisen, wenn du merkst, dass das, was du unterrichtest, ihnen allein nicht weiter hilft. Im Allgemeinen hilft Yoga relativ zügig dabei, dass Beschwerden besser werden. Wenn also eine bestimmte Yogaart nicht innerhalb von einer bis vier Wochen zu einer Besserung führt, muss das Yoga abgewandelt werden. Du könntest auch dann immer noch selbst schauen, ob du selbst eine andere Lösung weißt und andere Übungen vorschlagen, die der Übende probieren kann. Aber wenn du merkst, dass du mit deinem Latein am Ende bist, dann sage es auch offen und gib dem Teilnehmer die Chance, sich von jemand anderem vielleicht qualifiziertere Ratschläge zu holen. Beachte deine fachlichen Grenzen! Jemand der Arzt, Heilpraktiker und Yogalehrer ist und vielleicht noch eine Yogatherapieausbildung mitgemacht hat, vielleicht sogar bei Yoga Vidya, weiß mehr. Vielleicht kennst du ja einen Yogatherapeuten, der gleichzeitig Arzt oder Heilpraktiker ist oder Yogatherapeut oder Physiotherapeut plus Heilpraktiker, dann könnt ihr gut zusammen arbeiten und zusammen wirken.
Karmische Grenzen
Nicht jede Beschwerde ist heilbar. Karma läuft ab. Und Karma ermöglicht dem Menschen Erfahrungen, um spirituell zu wachsen. Und wir wachsen nicht durch die schönen Erfahrungen, die gesunden Erfahrungen, die großen Erfolge. Manchmal wachsen wir viel besser durch Niederlagen, Scheitern, Krankheiten, Unfälle und Schmerzen. Und so gibt es karmische Grenzen, die bedeuten, dass Mensch körperliche Einschränkungen, Beschwerden, Krankheiten und auch Schmerzen erfahren muss, um zu wachsen. Wie der Buddha gern gesagt hat: „Alles Leben ist Leiden.“ Auch Patanjali hat gesagt `Leben voller Leiden´. Und er hat auch gesagt: „heyaṁ duḥkham-anāgatam - zukünftiges Leiden ist zu vermeiden, oder noch nicht manifestes Leiden ist zu vermeiden“. Damit drückt er aus, dass, auch wenn der Mensch jetzt leidet, dieses Leiden vielleicht durch gute Yogapraxis überwunden werden kann. Aber nicht alles ist heilbar. Und auch wenn die Medizin weiter fortschreitet wird nicht alles heilbar sein. Es braucht letztlich karmische Lektionen. Und so gibt es etwas wie einen Respekt vor der Würde des Leidens.
Psychische und spirituelle Aspekte mit einbeziehen
Dies kann vieles heißen, unter anderem, dass du dir bewusst bist, dass ein Teil aller Heilwirkungen von jeglicher Heilmethode Placebo-Effekt ist plus Vertrauen des Patienten. Wenn du in deiner Yogastunde deine Positivität und deine positive Ausstrahlung nutzt, kann damit Heilung bewirkt werden.
Bei Affirmationen oder Suggestionen können die Grenzen zum Heilversprechen fließend und daher schwierig sein. Zum Beispiel „Mach die Kobra täglich dreimal hintereinander und dann wird innerhalb von ein paar Wochen dein Rücken stark und gut sein“. Oder „Bleib in der Vorwärtsbeuge jeden Tag drei Minuten und dein Verdauungssystem wird sich normalisieren“. Aber ich kenne viele, die durch eine solche Übung plus Suggestion zum Beispiel ihren Reizdarm entspannen konnten und Beschwerden wie Dauerdurchfall verschwanden.
Yoga wirkt bereits allein durch die Übungen, aber in vertrauensvoller Atmosphäre haben auch deine Worte eine große Kraft. Sie wirken als Placebo bzw. Positivität. Sage daher niemals negative Dinge, die zum Nocebo-Effekt werden. Sage also nicht: „Wenn du die Übung weiter so machst, ruinierst du dir den Hals“. Oder „wenn du weiter so machst, bekommst du noch einen Bandscheibenvorfall“. Oder „wie kann man nur den Kopfstand machen, damit ruinierst du dir die Halswirbelsäule“. Bei diesen Nocebo-Effekten sind die Aussagen des Yogalehrenden erheblich schädlicher als die Übungen, vor denen sie warnen. Sei dir bewusst, dass deine Worte eine große Kraft haben.
Aus der Placebo-Forschung weiß man, dass Placebos und damit Suggestion/Affirmation in bestimmten Umständen besonders stark wirken:
- Wenn der Patient Vertrauen zu dem Heilenden hat.
- Wenn die Atmosphäre entspannt ist.
- Wenn die Suggestion klar und gleichzeitig entspannend gegeben wird.
Auf dieser Grundlage kann man also sagen:
- Leite eine entspannte Yogastunde.
- Strahle Vertrauen aus.
- Mache positive Aussagen.
Dies wird automatisch positive Auswirkungen haben.
Es gibt auch ein paar Dinge zum Setting in Bezug auf den Placebo-Effekt. Wenn die Praxis des Arztes eine ganz andere Atmosphäre ausstrahlt im Gegensatz zur Alltagswelt, zum Beispiel eine exotische Mediziner-Atmosphäre, stärkt es den Placebo-Effekt. Auch eine besondere Kleidung des Arztes, eine Berührung des Patienten stärkt diesen Effekt. Aus diesem Grund geben Ärzte heutzutage Patienten die Hand. Obwohl es die Übertragung von Krankheitserregern erhöht, hat man festgestellt, dass die Patienten erheblich schneller gesund werden. Ein körperlicher Kontakt ist also wichtig.
Auch ein besonderer Geruch ist wichtig und die Entspannung des Patienten. Der größte rituelle Kontext in dieser Art ist zum Beispiel die Operation. Der Patient kommt hinein. Er wird entspannt und ruhig gestellt. Es sind lauter Leute in außergewöhnlicher Kleidung im Raum. Es herrscht eine besondere Atmosphäre. All das hebt den Menschen aus dem Alltagsbewusstsein heraus, und was die Ärzte dann sagen, hat große Wirkung.
Wenn der Arzt zum Beispiel vor der Operation sagt „oh, das sieht gar nicht gut aus, es wird gefährlich aber wir machen es trotzdem“, erhöht es die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen, zum Beispiel dass der Patient während oder nach der Operation stirbt, erheblich.
Wenn der Arzt dagegen Vertrauen ausstrahlt und positive Affirmationen gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel größer, dass die Operation gelingt und der Patient sich gut erholt. Man weiß zum Beispiel, dass die Mehrheit der Schulter- und Knieoperationen medizinisch gar nicht notwendig sind, aber einen unglaublichen Placebo-Effekt auslösen. Dies weiß man, weil man auch schon Scheinoperationen durchgeführt hat, die genauso gute Wirkungen erzielten wie die echten.
Für das Unterrichten des Yoga bedeutet dies:
- sorge für eine exotische/nicht alltägliche Atmosphäre, zum Beispiel durch andere Farben und Bilder
- sorge für einen anderen Geruch
- trage Yogalehrerkleidung - Yoga Vidya empfiehlt weiß-gelb
- sorge vielleicht für exotische Musik - zum Beispiel Mantramusik
- sorge insgesamt für eine entspannte Atmosphäre
Dann wirken deine Worte umso mehr. Auf diese Weise beziehst du psychische Aspekte mit ein.
Darüber hinaus gibt es noch andere psychische Wirkungen. Die Asanas wirken an sich schon auf die Psyche, da körperliche Beschwerden auch etwas mit der Psyche zu tun haben. Das bewusste Hineingehen in die Stellungen an sich ist bereits etwas Heilsames.
Und es gibt spirituelle Aspekte. Man weiß, dass Menschen, die einen spirituellen Glauben haben, länger leben als Menschen, die dies nicht haben. Ebenso werden Menschen mit spirituellem Glauben nach einem Unfall schneller gesund als solche ohne. Wenn du also in der Yogastunde eine spirituelle Atmosphäre schaffst, wird das Menschen helfen, schneller zu heilen.
Zitat eines Arztes: „Wer Arzt ist und nicht an Wunder glaubt, läuft entweder mit Scheuklappen herum oder ist kein Arzt.“ Es geschehen Wunder. Es geschieht Heilung von höherer Ebene. Und wenn du Yoga unterrichtest, öffnest du ein Kraftfeld. Über dieses Kraftfeld strömt Heilenergie, Lichtenergie, Segen hinein. Manchmal spürst du vielleicht selbst, wie Energie in dich hinein strömt und diese Energie bei der Berührung eines Teilnehmenden, zum Beispiel sanft am Rücken, um bei der Aufrichtung zu unterstützen, auf ihn übergeht und anschließend seine Rückenbeschwerden verschwunden sind. Solche Dinge werden geschehen, auch wenn du es nicht unbedingt merkst, wenn diese Heilenergie durch dich hindurch fließt. Du kannst diese Heilenergie noch erhöhen, indem du dich sattwig ernährst, Pranayama übst, indem du dich zum Instrument machst, am Anfang der Stunde Om wiederholst und selbst darum bittest, zum Instrument zu werden. Wenn du merkst, dass ein Teilnehmer besondere Probleme hat, kannst du um Führung bitten, zum Beispiel durch Swami Sivananda. Plötzlich hast du eine Intuition und weißt, was zu tun ist. Dies alles sind sehr wichtige Faktoren. Beziehe daher psychische und spirituelle Aspekte mit ein.
Das sind die sieben Prinzipien von Yoga Vidya bei Yoga mit Beschwerden in der Kurzfassung. Ausführliche Informationen dazu gibt es auf der Internetseite. Wenn du diese Grundprinzipien berücksichtigst, wird es dir gar nicht so schwer fallen, die Yogaübungen anzupassen an die besonderen Bedürfnisse deiner Teilnehmer.
Video - Sieben Yoga Vidya Prinzipien für Menschen mit Beschwerden
Hier ein Vortrag zum Thema Yoga Vidya Prinzipien für Menschen mit Beschwerden von und mit Sukadev Bretz aus der Reihe Yoga Vidya Schulung, Vorträge zum ganzheitlichen Yoga.
Hier erfährst du über:
- Mit offenem Geist recherchieren
- Schwieriges und Schädliches abwandeln
- Hilfreiches ergänzen
- Ganzheitlichkeit beachten
- Den Yoga Übenden entscheiden lassen
- Grenzen beachten
- Heilkraft wirken lassen
Siehe auch
- Yoga unterrichten als spirituelles Sadhana
- Rückenyoga
- Yoga für Senioren
- Yogatherapie
- Hatha Yoga Pradipika
- Hatha Yoga Pradipika 1. Kapitel
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