Yogasutra

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Darstellung Patanjalis als Mischwesen bestehend aus einem männlichen Oberkörper und einer Schlange als Unterkörper. Über seinem Kopf breitet sich eine Schlange mit mehreren Köpfen aus.

Das Yogasutra (Sanskrit: योगसूत्र yogasūtra n.) wörtl.: "Leitfaden" (Sutra) des Yoga, auch पातञ्जलयोगसूत्र pātañjalayogasūtra ("Yogasutra des Patanjali") genannt. Das Yogasutra ist das Standardwerk des Yoga. Es wurde von Patanjali verfasst, der vermutlich im 2. Jh. n. Chr. (oder irgendwann zwischen 200 v.Chr. und 400 n.Chr.) lebte und stellt den Yoga als eines der sechs indischen orthodoxen philosophischen Systeme (Shaddarshana) dar.

Sutras

Das Sutra ist eine literarische Form, die in Indien am meisten verbreitet ist bzw. war. Damit werden Inhalte kurz und prägnant vermittelt. Diese literarische Form wird nicht nur im yogischen Bereich eingesetzt, sondern geht auch in andere Bereiche. Für den traditionellen indischen Tanz, Bharata Natyam, gibt es zum Beispiel das Natya Sutra. Der Jnana Yoga wird im Brahma Sutra beschrieben.

Das Yogasutra von Patanjali ist kein Buch, das man einfach so runterliest und den Inhalt dann erfasst hat. Es soll vielmehr einem Lehrer als Leitfaden dienen, um seinem Schüler Raja Yoga zu vermitteln, indem er ihm Sutra um Sutra erklärt. Und gleichzeitig hilft das Yogasutra auch dem Schüler, sich an die Sutras zu erinnnern und sie in der richtigen Reihenfolge vorliegen zu haben. Früher unterrichteten die Lehrer ihre Schüler so, dass diese zunächst ein Yogasutra auswendig lernen mussten, bevor sie sich selbst überhaupt dazu geäußert hatten. Erst wenn ein Schüler sich die Mühe gemacht hat, das Sutra auswendig zu lernen, wurde er als würdig angesehen, darin ausführlicher belehrt zu werden. Es ist in der Tat ganz einfach, das Yogasutra auswendig zu lernen, denn die Verse bauen aufeinander auf. Am letzten Wort des vorhergehenden Verses kann man schon leicht den nächsten Vers erkennen.

Wenn man einen Text auswendig lernt ist er im eigenen Geist gegenwärtig. Früher gab es ja kaum Bücher, wichtiges Wissen wurde auf Palmblättern niedergeschrieben, die schnell verfallen sind, so dass der Inhalt neu abgeschrieben werden musste. Dies war kein leichtes Unterfangen und die Blätter hielten nur eine Generation lang. Da war es natürlich besser, einen Inhalt im Gedächtnis gespeichert zu haben, als sich auf Palmblätter zu verlassen. Ein Grund dafür, dass man die Entstehungszeit einer indischen Schrift nur sehr schwer datieren kann, ist, dass die Originalschrift wahrscheinlich nicht erhalten ist, und man es immer wieder nur mit Abschriften zu tun hat. Deswegen kann man auch nicht bestimmen, ob ein Inhalt seit hunderten oder schon seit tausenden von Jahren auf der Erde ist.

Das Yogasutra dient nicht der Rezitation. Es hat keinen Mantra-Charakter und wird eher selten öffentlich rezitiert. Dafür werden die Bhagavad Gita und die Upanishaden eingesetzt, die durch ihre Klangschwingung eine bestimmte Wirkung erzeugen. Das Yogasutra wirkt durch seinen Inhalt. Der Schüler kann durch das Auswendig-Lernen seinen Geist, sein Gedächtnis trainieren und gleichzeitig etwas über seinen Geist und dessen Funktionsweise lernen.

Patanjali Yoga Sutra: Suche dir Vorbilder

Die Yamas im Raja Yoga Sutra – Lesung als Mp3 mit Sukadev

Dwesha nach dem Raja Yoga Sutra -mp3-Lesung mit Sukadev Bretz

Aufbau des Raja Yogasutras

Das Yogasutra setzt sich aus vier Kapiteln zusammen und besteht aus 195 bzw. 196 Versen. Der kurze und prägnante Stil der Yogasutras eröffnet einen großen Interpretationsspielraum, was man auch an den zahlreichen Kommentaren dazu erkennen kann. Patanjali beschreibt im Yogasutra das zentrale Wissen des Raja Yoga. Dabei lehnt er sich an die Samkhya Philosophie an, trägt aber auch das Gedankengut unterschiedlicher Traditionen zusammmen. Patanjali ist deswegen nicht der "Vater" des Yoga, er hat einfach nur die Informationen über Raja Yoga in einem Buch zusammengetragen.

Die Kapitel des Yoga Sutra nennen sich "Pada", was wörtlich "Fuß" und im übertragenen Sinn "Kapitel" bedeutet. Jedes Kapitel besteht aus zahlreichen Sutras, die man für den westlichen Menschen auch als "Aphorismen" oder "Verse" übersetzen kann. "Sutra" ist Teil des Titels des gesamten Werkes, das Wort wird allerdings auch für jeden einzelnen Vers angewendet.

Die vier Kapitel heißen:

  1. Samadhi Pada,
  2. Sadhana Pada,
  3. Vibhuti Pada,
  4. Kaivalya Pada.

Samadhi Pada

Im ersten Kapitel erläutert Patanjali die unterschiedlichen Stufen des Bewusstseins und die Arten von Samadhi, die es gibt. Mit Samadhi ist ein Geisteszustand gemeint, der über das normale Bewusstsein hinausgeht und als überbewusster Zustand bezeichnet werden kann. Er erklärt, wie der Geist funktioniert und was er ist. Deswegen wird das erste Kapitel auch gerne als die "Theorie des Geistes" bezeichnet. Patanjali beantwortet zunächst, was Yoga ist, dann beschreibt er die Gedanken, die sich im Geist bewegen und wie man diese beherrschen kann. Schließlich erklärt er die Samadhi-Stufen, die Stufen des Überbewussten: Savitarka, Nirvitarka, Savicara, Nirvicara, Sananda und Sasmita, die Formen des Samprajnata Samadhi und des Asamprajnata Samadhi sind. Er zählt auch die Hindernisse auf, die es auf dem Weg gibt, und gibt Hinweise, wie man diese überwinden kann. Er beschreibt den Zustand des Samadhi und was er zu bedeuten hat.

Patanjali definiert Yoga:

अथ योगानुशासनम् || 1.1 ||

atha yogānuśāsanam || 1.1 ||

"atha": jetzt, nun; "Yoga": Einheit, Vereinigung; "anusasana": Erklärung, Auslegung

"Nun wird Yoga erklärt."

Yoga geschieht immer im Jetzt. Jetzt wollen wir üben. Jetzt ist der richtige Moment. Jetzt wird Yoga erklärt und praktiziert.

योगश्चित्तवृत्तिनिरोधः || 1.2 ||

yogaś citta-vṛtti-nirodhaḥ || 1.2 ||

"Yoga": Yoga; "Citta": Geist, Verstand, Denksubstanz; "Vrtti": Gedanken(welle), "Nirodha": Aufhören, zur Ruhe kommen, Beherrschung

"Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist."

Das ist der bekannteste Vers des Yogasutra. Der Geist ist wie das Wasser eines Sees. Wenn das Wassser bewegt ist, können wir nicht in die Tiefe des Sees blicken und den Schatz sehen, der auf dessen Grund zu finden ist. "Nirodha" ist das Zur-Ruhe-Kommen des Geistes, was als einer der fünf Grundzustände des Geistes gilt. Die 5 Grundzustände des Geistes sind:

  1. Nirodha: ganz ohne Gedanken,
  2. Ekagrata: vollkommen konzentriert,
  3. Vikshipta: sammelnd,
  4. Kshipta: zerstreut,
  5. Mudha: deprimiert/unklar.

Yoga-Sutra-1.33

Yoga Sutra 1.34 – mp3-Lesung mit Sukadev

Yoga Sutra 1.37

Yoga Sutra 1.38 – mp3-Vortrag mit Sukadev

Sadhana Pada

Das zweite Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit Sadhana, der spirituellen Praxis. Zunächst erklärt Patanjali Kriya Yoga. Danach erläutert er die Kleshas, die Ursachen des Leidens und was Karma bedeutet. Er bespricht Teile der Yoga-Philosophie des Samkhya-Systems und beantwortet die Fragen nach dieser Welt, nach dem Sinn des Daseins auf der Erde, was Gebunden-Sein bedeutet und im Gegenzug dazu Befreiung. Der wohl berühmteste Teil des Yogasutra, die acht Glieder des Raja Yoga, befindet sich ebenfalls in diesem Kapitel. Insbesondere die ersten fünf Stufen - Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara und ihre Wirkungen, wenn wir sie üben, werden hier beschrieben.

Vortrag über Kriya Yoga in der Tradition von Patanjali

Kriya Yoga im Yoga Sutra

Es ist nicht so, dass die Kapitel systematisch sortiert und aufgeteilt sind, im ersten Kapitel die Theorie und im zweiten die Praxis besprochen wird. Im ersten Kapitel ist auch Praxis und im zweiten auch Theorie zu finden. Dennoch beschäftigt sich das erste Kapitel mit der Theorie des Geistes und das zweite Kapitel mit der spirituellen Praxis. Im zweiten Kapitel werden auch die Lebenseinstellungen des Yogis beschrieben.

Yoga Sutra 2.5 – Unwissenheit -mp3-Lesung mit Sukadev

Yoga Sutra 2.34 – mp3-Lesung mit Yoga Meister Sukadev Bretz

Yoga Sutra 2-52 -mp3-Vortrag mit Sukadev

Vibhuti Pada

Im dritten Kapitel erläutert Patanjali die höheren Stufen des Raja Yoga: Ddharana, Dhyana und Samadhi, also Konzentration, Meditation und Überbewusstsein und ihre Auswirkungen. Das dritte Kapitel befasst sich vor allem mit den Auswirkungen, die eine hohe Konzentration mit sich bringen kann. Wenn ein Geist sehr konzentriert ist, erlangt der Mensch außergewöhnliche Fähigkeiten. Dieses Kapitel wird häufig nicht so intensiv in den Kommentaren bearbeitet, da man davon ausgeht, dass es nur für sehr hoch entwickelte Menschen ist, oder aber man sieht diese außergewöhnlichen Fähigkeiten (Siddhis) nur als Hindernisse auf dem spiritellen Weg, die den Aspiranten von Gott ablenken könnten. Swami Vishnu-devananda hat auch über dieses Kapitel in einem fortgeschritteneren Kurs gesprochen und dabei gezeigt, dass sie Aspiranten auf den unterschiedlichsten Entwicklungsstufen dienlich sein können. Die beschriebenen Übungen können bestimmte Probleme lösen und einem Menschen helfen, mit seinem Geist so umzugehen, dass eine Weiterentwicklung stattfinden kann.

Wenn wir lernen, uns zu konzentrieren, erhalten wir ganz unterschiedliche Fähigkeiten. Pantanjali sagt, dass Konzentration am wichtigsten ist. Und Konzentration kann man auf allen Entwicklungsstufen anstreben. Die Konzentrationstechniken sind für alle da, die sich ernsthaft darum bemühen, zu Gott zurück zu kehren. Swami Vishnu sagte immer: "Für einen Yogi mit Konzentration ist nichts unmöglich.", oder "Konzentration ist der erste Schritt der Meditation.", "Ein zerstreuter Geist ist unfähig zu meditieren." Er forderte seine Schüler immer wieder auf, auch bei ganz banalen Tätigkeiten im Alltag konzentriert zu sein. Dadurch ist man auch in der Lage die Probleme des täglichen Lebens mit Konzentration besser zu bewältigen.

Yoga Sutra von Patanjali 3.12

Patanjali Yoga Sutra: Wie Tiere helfen positive Eigenschaften zu entwickeln

Ein Schüler von Swami Sivananda, Swami Nityananda, schlägt seinen Schülern immer vor, sich zu konzentrieren, einfach nur zu konzentrieren - nicht auf etwas Spezielles, sondern einfach nur konzentrieren. Er meint, es wäre wichtig, immer ganz konzentriert zu sein, dann komme alles von selbst. Wenn man dazu fähig ist, sich sehr stark zu konzentrieren, dann entwickelt man auch sehr viel Kraft, und Kraft bedeutet auch Macht, und Macht kurrumpiert.

Patanjali beschreibt in diesem Kapitel, wie man den Geist anderer Menschen kennenlernen und einen Einfluss darauf nehmen kann, wie man die Vergangenheit und die Zukunft sehen kann, wie man mehr über die eigenen früheren Leben erfahren kann, wie man sich kleiner oder größer machen kann, wie man unsichtbar wird, schwer oder leicht usw. Dies kann man wörtlich verstehen, dies kann aber auch im übertragenen Sinn gesehen werden. Er beschreibt, wie bestimmte Techniken uns schwergewichtig machen können, damit wir wahrgenommen werden, wenn wir etwas sagen und dabei auch gehört werden möchten. Es gibt Techniken, die uns unsichtbar machen, so dass wir in bestimmten Situationen gar nicht wahrgenommen werden. Sukadev hat manachmal erlebt, wie Swami Vishnu-devananda in die Zukunft sehen konnte oder Ereignisse möglich gemacht hat, die eigentlich unmöglich erschienen.

Die größte Gefahr für einen erwachenden Aspiranten sind diese besonderen Fähigkeiten (Siddhis), sein Ego könnte sich dabei aufblasen, und er könnte vom rechten Weg abkommen. Deswegen betrachtet Patanjali die Sidddhis auch nur als Nebenwirkungen, denn es wäre gut, sie wirklich als solche zu sehen, und es nicht zuzulassen, dass sie das Ego wieder stärken. Je weiter man geistig und spirituell entwickelt ist, umso weniger wird man diese Fähigkeiten benutzen. Für jemanden, der geistig und spirituell noch nicht sehr weit entwickelt ist, kann es gut sein, diese Techniken zu üben, damit er fortschreitet und sich in den Dienst Gottes stellt. Es ist wichtig, dass man sich immer dessen bewusst ist, dass man, egal, was geschieht und welche Fähigkeiten man hat, sich immer in den Dienst Gottes stellt. Wir entwickeln Fähigkeiten, um sie in den Dienst Gottes zu stellen und nicht in den Dienst des Ego. Es ist unglaublich wichtig, dass wir uns immer dessen bewusst sind, dass nicht wir die Dinge tun, sondern Gott durch uns hindurch wirkt. Jede Fähigkeit, die man erreicht oder bekommt, sollte man als Gnade Gottes sehen.

Kaivalya Pada

Im vierten Kapitel geht es dem Titel nach um Befreiung, Kaivalya. Allerdings ist dieses Kapitel eher unzusammenhängend aufgebaut, und man hat den Eindruck, dass Patanjali hier alle Verse mit einfügt, die er bisher noch nicht unterbringen konnte. Er thematisiert erneut die übernatürlichen Kräfte, und woher sie kommen könnten. Er geht auf das Thema Karma ein, auf den Unterschied zwischen Citta und Purusa (Geist und Selbst), auf das Wesen des Gedankens, auf die Wahrnehmung, und er schließt mit dem Thema über Befreiung ab.

Santosha - Kurzvortrag über Santosha, Zufriedenheit

Yogena Chittasya Padena Vacha – Patanjali Mantra

Patanjali Mantra- Erlaeuterung von Sukadev als mp3

Kommentare

Das Yogasutra wurde im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder neu kommentiert und übersetzt. Der erste Kommentar stammt von Vyasa, der im 5.Jh. n.Chr. gewirkt hatte. Dieser Yogabhashya genannte Kommentar wurde von Shankara (788-820), einem der größten indischen Philosophen, in einem umfangreichen Werk namens Yogabhashyavivarana nochmals kommentiert. Andere wichtige Kommentare sind das Rajamartanda von König Bhoja (um 1040) und das Yogavarttika von Vijnana Bhikshu (16.Jh.). Bis zum 18. Jh. wurden nicht weniger als 15 verschiedene Kommentare zum Yogasutra verfasst. Diese Zahl erhöht sich bis heute fortlaufend.

Übersetzungen

Das Yogasutra wurde um 1000 vom muslimischen Universalgelehrten Al-Biruni ins Arabische übersetzt, dem "Kitab Batanjali". Ansonsten blieb das Yogasutra bis in die Neuzeit außerhalb Indiens unbeachtet. Mit dem Aufkommen des Interesses an Yoga in Europa und Nordamerika, wurde das Yogasutra immer wieder neu in westliche Sprachen übersetzt. Auf Deutsch gibt es mittlerweilen mehrere Übersetzungen, die sich zum Teil stark voneinander unterschieden. Auch die dazugehörigen Kommentare gehen je nach Ansicht des Autors weit auseinander.

Hindernisse gemäß dem Yoga Sutra des Patanjali

Patanjali Murti

- Auszug aus dem Buch "Konzentration und Meditation" von Swami Sivananda -

Hindernisse für die Verwirklichung sind Krankheit, geistige Trägheit, Zweifel, Gleichgültigkeit, Faulheit, Verlangen nach Vergnügen, Täuschung, die Unfähigkeit zur Konzentration und Ruhelosigkeit des Geistes durch Ablenkungen.“ (YS 1.30)

Vyadhi, Krankheit

Krankheiten entstehen durch Störung der drei Doshas Vata, Pitta und Kapha. Bei einem Übermaß an Kapha wird der Körper schwer. Man kann dann nicht lange in einem Asana sitzen. Tamas erhöht sich und man wird träge.

Ungleichgewichte beziehungsweise Krankheiten können zum Beispiel Folge sein von

  • unregelmäßigem Essen
  • nicht zuträglicher Nahrung, die der Konstitution nicht zusagt
  • durchwachten Nächten
  • Samenverlust
  • oder unregelmäßiger Ausscheidung.

Hilfreich für eine gute Gesundheit sind:

Zuerst muss man die Ursache diagnostizieren und dann ein geeignetes Heilmittel finden oder konsultiere einen Arzt.

Styana, geistige Trägheit

Styana bedeutet, dass man nicht in der Lage ist zu spiritueller Praxis aufgrund mangelnden Wissens darüber und fehlenden diesbezüglichen Samskaras. Es ist die Unfähigkeit zu geistiger Arbeit.

Trägheit, Faulheit und so weiter kann man überwinden durch

Samshaya, Zweifel

ist das Schwanken zwischen diesem und jenem. Zweifel führt zu Unentschlossenheit. Dann ist man nicht in der Lage, auf dem Yogaweg weiter voranzuschreiten. Der Aspirant/die Aspirantin fragt sich, ob die Aussagen der Yoga-Schriften (Yoga Shastras) tatsächlich stimmen oder nicht.

Praxistipps gegen Zweifel

Zweifel löst sich auf durch

Avirati, Verlangen nach Vergnügen

ist die Tendenz des Geistes, die aufgrund von Anhaftung nach Sinnesbefriedigung strebt.

Gegenmittel sind:

  • Vairagya, Anhaftungs-/Wunschlosigkeit
  • sich über der Unvollkommenheit weltlicher Objekte und des weltlichen Lebens im Klaren zu sein, wie etwa Vergänglichkeit, Krankheit, Tod, Alter, Elend und so weiter
  • Zusammensein mit leidenschaftslosen mahatmas
  • Studium von Schriften über Vairagya.

Bhranti-darshana, Täuschung

besteht in der falschen Vorstellung, die uns das für wünschenswert ansehen lässt, was in Wirklichkeit das Gegenteil ist.

Alabdha-bhumikatva, Unfähigkeit zur Konzentration

Alabdha-bhumikatva heißt wörtlich das Nichterreichen einer Stufe, die Unfähigkeit, einen Halt zu finden, im Zusammenhang des raja-yoga also die Unfähigkeit zur Konzentration.

Es bedeutet also, das Ziel zu verfehlen; vom rechten Weg abzukommen, der zu samadhi führt und übernatürlichen Kräften zu verfallen (siddhis).

Davon kann man sich freimachen durch

  • Vairagya
  • intensive spirituelle Praxis.

Anavasthitatva, Ruhelosigkeit durch Ablenkung

ist jene Unbeständigkeit des Geistes, die den Yogi daran hindert, in einem meditativen Zustand beziehungsweise samadhi zu bleiben, obwohl er nach großer Anstrengung dorthin gekommen ist.

Maya ist machtvoll – „There is a slip between the cup and the lip“ , sagt ein englisches Sprichwort – bevor man trinken kann, ist da noch ein kleiner Abstand zwischen dem Mund und der Tasse.

All diese Hindernisse kommen nicht oder abgeschwächt, wenn man über Om meditiert, wie im 28. Vers des 2. Kapitels des Yoga Sutra empfohlen wird.

Höre nicht bei jedem leichten Hindernis gleich mit der Praxis auf. Finde die geeigneten Mittel, ihnen zu begegnen. Schreite voran, bis du den höchsten Asamprajnata Samadhi erreichst. Erfolg muss kommen, wenn du ernsthaft und beständig in deiner Sadhana bist.

Dr. Jayadeva Yogendra und Hansaji über einige Yoga Sutras

(Die folgenden Kommentare entstammen dem von „The Yoga Institute“ herausgegebenen Buch „The Yoga Sutras of Patanjali – Stray Thoughts von Dr. Jayadeva Yogendra und Hansaji.)

„Es (Abhyasa) wird fest verwurzelt, nachdem man es sich über eine lange Zeit ohne Unterbrechung und mit aufrichtigem Glauben zur Gewohnheit gemacht hat.“ (Yoga Sutra I, 14)

Kommentar: Abhyasa bedeutet Ausdauer, Durchhaltevermögen, d.h. ein kontinuierliches Bemühen, ohne zurück zu blicken und ohne aufzuhören. Es ist nichts Halbherziges, d.h. anfangen, aufhören und wieder anfangen. Wenn jemand klar und entschlossen ist, entsteht ein anfänglicher Impuls. Als nächstes muss dann mit der Arbeit begonnen werden. Wenn man sich entsprechend bemüht, dann verliert man von selbst das Interesse an ablenkenden und zerstreuenden Dingen. Man kann nicht auf zwei Pferden zur selben Zeit reiten. Man entscheidet sich für eines und lebt dann danach.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen yogischem Abhyasa und gewöhnlicher Bemühung?

Antwort: Im Yoga geht es um mehr als um kleine Anstrengungen; diese machen wir ja ein Leben lang. Wer praktiziert nicht Abhyasa, um Geld zu verdienen? Wer praktiziert nicht Abhyasa, um dies oder das zu erlangen? Das ist eine gewöhnliche Art von Bemühung. Im Yoga ist das Ziel, das Chitta völlig zur Ruhe zu bringen. Im Yoga bemüht man sich, die mentalen Fluktuationen zu stoppen. Doch das Sutra sagt uns, dass die Anstrengungen nicht nur rein mechanisch sein sollten. Sie sollten begleitet sein von Gefühlen und Aufrichtigkeit.

„Zurückhaltung, Befolgungen, Körperhaltungen, Beherrschung der Bioenergie, Abstraktion, Konzentration, Meditation und Trance-Bewusstsein sind die acht Stufen des Yoga. (II, 29)

Kommentar: Yoga beruht auf einem definitiven System, nach dem man sich selbst entwickeln kann. Dieses System ist auch sozusagen die Grundlage aller Religionen. Ein gewisses Maß an vorbereitender Arbeit und an Willensstärkung findet sich in allen Aktivitäten, die Selbstentwicklung oder Reinigung bzw. Läuterung zum Ziel haben. Dabei ist Stetigkeit wesentlich. Ohne Disziplin gibt es keinen Erfolg. Als nächstes muss man sein Prana, d.h. biologische Energie bewahren und lenken, weil man für die spätere Arbeit an der Selbstentwicklung Energiereserven braucht. Schließlich kommt es zu einem Zustand tiefer Konzentration, in dem die wahre Transformation und Veränderung geschehen kann. Der achtfache Weg des Yoga nennt die Grundlagen.

Frage: Welches ist der Weg für die besten Lernenden, für die Mittelguten und für Anfänger?

Antwort: Für die Besten besteht der Weg aus Abhyasa (Ausdauer) und Vairagya (Nichtverhaftung, Uneigennützigkeit, Wunschlosigkeit). Für die Mittleren ist es Kriya Yoga (Tapas, d.h. Willensstärkung, ((sinnvolles)) Ertragen von Schwierigkeiten; Swadhyaya, d.h. Studium des Selbst, Selbsterforschung, Mantrasingen und Isvarapranidhana, d.h. Hingabe an das Absolute/Gott). Anfänger sollten erst einige spirituelle Bücher lesen und dann die ersten fünf Stufen des achtfachen Weges üben, d.h. Yama (ethischer Verhaltenskodex, Niyama (Befolgung eines förderlichen Verhaltens sich selbst gegenüber), Asana, Pranayama, Pratyahara („Abstraktion“, Sinnesbeherrschung).

„Yoga bedeutet, das Chitta („Persönlichkeitskomplex“, „Geist“) davon zurück zu halten, sich zu modifizieren.“ (I, 2)

Kommentar: Eine der bedeutsamsten Definitionen des Yoga lautet: Yoga ist die Beendigung der mentalen Modifizierens des Chitta. Chitta besteht aus allerfeinster Materie. Da es so fein und sensitiv ist, ist es formbar und imstande, gleichsam wie Purusha (Bewusstsein) zu werden. Deshalb erscheint uns das Chitta als das Letztendliche. Auf die Frage „Wer bin ich?“, antworten wir mit „Ich“. Wir sagen nie „Bewusstsein“.

Das Chitta ist ein Instrument mit vielen Eigenschaften. Es ist ständig aktiv und kann Vergnügen und Schmerz hervorbringen, so wie ein Fernseher ständig neue Bilder produziert. Viele Menschen bleiben ihr Leben lang ausschließlich damit identifiziert. Sie lassen sich zum Lachen und Weinen bringen. So funktionieren Chitta und Fernseher gleichermaßen. Das hält uns fern von der Realität.

„Dann ruht der Seher in sich selbst.“ (I, 3)

Kommentar: Die Frage ist, weshalb wir unseren Geist (Chitta) überhaupt beherrschen sollen, denn uns gefällt doch die Show, die er ununterbrochen ablaufen lässt. Doch angenommen, vor Ihrem Fenster führen Schauspieler ein unterhaltsames Stück auf, möchten Sie dann nicht manchmal wissen, wer diese Schauspieler sind und weshalb sie immerzu gerade vor Ihrem Fenster spielen? Manchmal erfahren Sie, dass ein Betrüger sich für den Besitzer Ihres Hauses ausgibt. Möchten Sie dann nicht erfahren, wer der wahre Besitzer ist? Wir lassen uns von den Spielen, die unser Geist aufführt, unterhalten. Aber wir wissen nicht, wie und warum das Ganze funktioniert. Und zu unserem Unglück produziert unser Geist auch höllische Schaustücke. Doch erst wenn das Leben uns immer und immer wieder Schwierigkeiten bereitet, wollen wir schließlich herausfinden, wie es zu all diesen Schmerzen kommt. Auf diese Weise schafft es die Natur, dass wir dem Zauber all der Schauspiele des materiellen Lebens irgendwann nicht mehr erliegen. Erst wenn man völlig desillusioniert ist, was den Geist angeht, kann das göttliche oder reine Bewusstsein verwirklicht werden.

Die Erfahrung des reinen Bewusstseins ist der Kern, die Essenz unserer Existenz. In einem solchen Zustand würde man alles verstehen, was der Geist produziert. In der Chandogya Upanischade wird das so ausgedrückt: Wenn man alles über einen Goldklumpen weiß, dann weiß man auch alles über die Quelle allen Goldschmucks, denn der Schmuck stellt nur Unterschiedlichkeiten von Namen und Formen dar. Es wird also gesagt, dass alle unsere Gedanken und sogar die äußeren Objekte nur Variationen sind, in denen sich das Bewusstsein ausdrückt. Wenn man das Bewusstsein wegnimmt, dann existiert gar nichts. Wir müssen daran arbeiten, uns im reinen Bewusstsein zu etablieren.

„Oder Samadhi wird erreicht, indem man sich Ishvara völlig hingibt.“ (I, 23)

Kommentar: Es gibt viele Wege, Methoden und Techniken, um spirituell erweckt zu werden. Die Essenz aller spirituellen Erfahrung besteht darin, sich dem höchsten Bewusstsein völlig zu überlassen und hinzugeben. Ein Weg dahin ist es, Asanas zu üben, die Demut erzeugen können; ein anderer ist die Übung von Niyamas. In den hinduistischen Tempeln ist die Decke des innersten Heiligtums immer sehr niedrig, so dass man sich beim Eintreten bücken muss. Das kann die Demut fördern.

„Ishvara (der HERR) ist ein besonderer Purusha, unberührt von Kleshas, Karma, der Frucht des Karma und den Trägern der Kleshas.“ (I, 24)

Kommentar: In diesem Sutra fügt Patanjali ein sehr wichtiges und neues Konzept hinzu, denn die Samkhya-Philosophie glaubt nicht an Gott (Bhakti). Im Yoga existiert Ishvara, doch er greift nicht ein. Er ist weder Schöpfer, noch Erhalter, noch Zerstörer. Er ist einzigartig. Sein Zweck ist, als Vorbild zu dienen und dadurch einem aufrichtigen Lernenden zu helfen, sich spirituell zu entwickeln. Seine Funktion ist es, dafür zu sorgen, dass der spirituelle Fortschritt der Menschheit fortbesteht. Er entfernt Hindernisse beim spirituellen Fortschritt dadurch, dass er als Vorbild existiert.

„In Ihm ist die äußerste Saat der Allwissenheit.“ (I, 25)

Kommentar: Es gibt nichts, was Gott nicht weiß. Es gibt eine Macht, die für alles und jeden von uns verantwortlich ist. Die Wissenschaft kann uns nicht sagen, wie Leben aus Nicht-Leben entstand. Wir wissen nicht, weshalb der Neokortex des menschlichen Gehirns ständig an Falten zunimmt. Doch etwas steht fest: Wir kommen dem Glauben an eine allerhöchste Realität immer näher. Die Wissenschaft weiß, wie unvorhersehbar die Bewegungen eines Teilchens in einem Atom sind. Für manche Wissenschaftler ist Gott Mathematiker, weil sich diese Bewegungen auf sehr mathematische Weise vollziehen. Das berühmte Gesetz von Heisenberg beinhaltet, dass wir nichts auf vollkommene Weise wissen können.

„Da er unbegrenzt durch Zeit ist, war Er auch der Lehrer der Alten. Gott ist der höchste unserer Lehrer.“ (I, 26)

Kommentar: Ishvara ist der allererste Lehrer und in diesem Sinne ist er ein Erschaffer. Doch obwohl er die Quelle allen spirituellen Wissens ist und dieses vermittelt, ist er nicht der Schöpfer dieser ganzen Welt. Die Welt wird durch Pakriti geschaffen. Gemäß den materiellen Gesetzen ist Karma für den Schöpfungsprozess verantwortlich.

„Er wird bedeutet durch das heilige Mantra Om.“ (I, 27)

Kommentar: Man verwendet die Silbe Aum, um sich an Ishvara zu erinnern.

„Durch Wiederholung und Meditation über die Bedeutung von Om wird Chitta einpunktig.“ (I, 28)

(Aus der Vierteljahresschrift „Yoga und ganzheitliche Gesundheit“, Jahresabo 20,- Euro. Mehr unter www.yoga-zeitschrift.de)

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare