Unsterblichkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Unsterblichkeit''' (der [[Seele]], der Person) Unvernichtbarkeit des [[Leben]]s oder Überwindung des [[Tod]]es als Übergang in eine neue (höhere oder niedere) Existenz. Der Unsterblichkeitsgedanke findet sich in den meisten [[Religion]]en, oft verbunden mit der Vorstellung von [[Reinkarnation]] und Seelenwanderung und der Annahme einer Belohnung, Bestrafung oder Läuterung nach dem Tode.
'''Unsterblichkeit''' (der [[Seele]], der Person) Unvernichtbarkeit des [[Leben]]s oder Überwindung des [[Tod]]es als Übergang in eine neue (höhere oder niedere) Existenz. Der Unsterblichkeitsgedanke findet sich in den meisten [[Religion]]en, oft verbunden mit der Vorstellung von [[Reinkarnation]] und Seelenwanderung und der Annahme einer Belohnung, Bestrafung oder Läuterung nach dem Tode.


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Wir sind [http://www.yoga-vidya.de/Yoga--Artikel/Yoga-Lesung/21112001.html Atman], das wahre Selbst. Und Atman ist eigentlich nichts anderes als Brahman, das Absolute, Höchste, Eine.
Wir sind [http://www.yoga-vidya.de/Yoga--Artikel/Yoga-Lesung/21112001.html Atman], das wahre Selbst. Und Atman ist eigentlich nichts anderes als Brahman, das Absolute, Höchste, Eine.
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[[Krishna]] erklärt [[Arjuna]] in der [[Bhagavad Gita]], dass „Es“ (Brahman bzw. Atman) in der [[Welt]] und im Körper verweilt und sagt dann:
[[Krishna]] erklärt [[Arjuna]] in der [[Bhagavad Gita]], dass „Es“ (Brahman bzw. Atman) in der [[Welt]] und im Körper verweilt und sagt dann:
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====Vairagya, der Weg zur unsterblichen Wohnstatt====
====Vairagya, der Weg zur unsterblichen Wohnstatt====
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Wir können Mayas Spiel ([[Lila]]) durchschauen, Abstand gewinnen und uns davon lösen. Schließlich gelangen wir zur [[Selbstverwirklichung]].
Wir können Mayas Spiel ([[Lila]]) durchschauen, Abstand gewinnen und uns davon lösen. Schließlich gelangen wir zur [[Selbstverwirklichung]].
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:Wie gleichst du dem Wind!
:Wie gleichst du dem Wind!
''Johann Wolfgang Goethe 1749-1832''
''Johann Wolfgang Goethe 1749-1832''


*  „Leben um zu sterben“ ist das Motto der weltlichen Leute. „Sterben um zu leben“ ist das Motto der nach Verwirklichung strebenden. (Sivananda)
*  „Leben um zu sterben“ ist das Motto der weltlichen Leute. „Sterben um zu leben“ ist das Motto der nach Verwirklichung strebenden. (Sivananda)


* "Jede Seele ist unsterblich; denn das Stetsbewegte ist unsterblich." - Platon, "Phädros 245c"
* "Jede Seele ist unsterblich; denn das Stetsbewegte ist unsterblich." - Platon, "Phädros 245c"
== Furchtlosigkeit, Unsterblichkeit, Sicherheit ==
[[Datei:Mut Sprung von der Klippe Sonnenuntergang.jpg|thumb|Der [[Unsterblich]]e hat keine Furcht]]
'''- Abschnitt aus dem Buch: Yoga der drei Energien von [[James Swartz]] -'''
[[Angst]] kommt auf, wenn man allein ist und glaubt, dass es ein zweites Wesen gibt. Angst entsteht nicht, wenn du alles bist. Angst kommt auch deshalb auf, weil das [[Leben]] unsicher ist, uns nicht immer das gibt, was wir wollen, und uns das wegnimmt, was wir schätzen, insbesondere unser Leben, unseren wertvollsten [[Besitz]]. Ein freier Mensch ist frei von Angst, weil er keinen Unterschied zum [[Unsterbliche Selbst|unsterblichen Selbst]] erfährt. Er oder sie ist absolut [[sicher]].
== Suche das Unsterbliche ==
[[Datei:Meditation Licht Herz Anahata Chakra strahlen.jpg|thumb|Suche das Unvergängliche Selbst in deinem Herzen]]
'''- Abschnitt aus dem Buch: Was wird aus der Seele nach dem Tode - von [[Swami Sivananda]] -'''
O [[Mensch]]! Wozu dienen dir [[Reichtum]], Häuser und Gärten? Wozu brauchst du [[Freunde]] und Verwandte, Frau und Kinder? Was brauchst du [[Macht]], Namen, [[Berühmtheit]], Position und Ansehen? Du musst zweifellos [[sterben]]. Alles außer dem [[Tod]] ist unsicher. Suche den unsterblichen Atman oder das Unvergängliche Selbst, das in deinem [[Herzen]] wohnt.
[[Geistig]]er [[Reichtum]] ist wahrhaft unerschöpflich und [[göttliche]]s [[Wissen]] ist wahres Wissen. Finde den Weg, den Tod zu besiegen. Verwirkliche den Ewigen Atman und erlange [[Freiheit]] und [[Vollkommenheit]], [[Ewigkeit]] und Unsterblichkeit.
Der unbekümmerte Weltmensch macht sich keine [[Gedanken]] um [[Religion]] und höhere transzendentale Dinge und denkt weder über [[Gott]] noch über die Lehre von [[Wiedergeburt]], die [[unsterbliche Seele]] und die [[Sadhana Chatushtaya|vier Mittel]] nach. Er erkennt nur zwei Dinge wirklich, nämlich seine Tasche und seinen Magen zu füllen. Er isst, trinkt, scherzt, zeugt Kinder und kleidet sich nach der Mode.
Einige überqueren Meere, um Universitätsgrade zu erlangen, andere üben sich in der [[Alchemie]], um Kupfer in Gold zu verwandeln, andere üben [[Pranayama]], um hundert Jahre alt zu werden und wieder andere eröffnen Banken und Geschäfte, in denen sie große Reichtümer anhäufen. Wenn du einen Augenblick tief nachdenkst, wirst du herausfinden, dass alle diese Leute im Grunde nur zwei Dinge tun, nämlich im Übermaß essen und schlafen und sonst nichts.
Aber ihre Augen werden ein wenig geöffnet, wenn ihre liebsten Angehörigen [[sterben]], wenn sie von einer unheilbaren [[Krankheit]] befallen werden oder ihren [[Reichtum]] verlieren. Dann stößt das weltliche Leben sie vorübergehend ab und sie fragen: "Was ist Leben und was ist Tod? Gibt es ein Leben jenseits des Todes und wohin gehen wir? Die [[Leidenschaftslosigkeit]] entschwindet aber bald, weil sie keine [[Unterscheidungskraft]] besitzen.
Der Mensch versucht, [[Glück]] in den [[Sinnesobjekt]]en zu finden, aber ein Übermaß der [[Sinnesfreude]]n stumpf die Sinne ab und führt zu [[Ekel]], Überdruss und Krankheiten aller Art. Je größer die Sinnesvergnügungen sind, desto tiefer verstrickt man sich in seine [[Leidenschaft]] und macht die bittere [[Erfahrung]], dass die [[Befriedigung]] der [[Begierde]]n des Körpers und der Sinne kein dauerndes Glück bringt. Am Ende versucht man, [[Glückseligkeit]] im [[Atman]], in seinem Innersten zu finden.
Wenn du einen Menschen unterdrückst, wirst du in deinem nächsten Leben selbst unterdrückt werden und so das ernten, was du in diesem Leben gesät hast. Wenn du einem [[Menschen]] eine [[Verletzung]] zufügst, wirst du im nächsten Leben selbst verletzt werden, und wenn du jemandem ein Bein brichst, wird in einem anderen Leben dein Bein gebrochen werden. Wenn du den [[Arme]]n [[Nahrung]] gibst, wirst du in einem späteren Leben reichlich zu [[essen]] haben und wenn du Rasthäuser baust, wirst du im nächsten Leben viele Häuser besitzen. Aktion und Reaktion sind gleichwertig und bedingen einander. Das ist das Gesetz des [https://www.yoga-vidya.de/karma/ Karma], das [[Kreislauf von Geburt und Tod|Gesetz von Geburt und Tod]], das ist der Kreislauf, den du auf deinem Weg zu [[überwinden]] hast.
Es gibt Menschen, die [[reich]] sind, aber sich trotzdem nicht ihres Lebens entsprechend [[freuen]] können. Trotz ihres großen [[Vermögen]]s und ihrer vielen Häuser sind sie unglücklich und ihr Leben ist [[trostlos]]. Sie leiden vielleicht an schweren [[chronisch]]en Krankheiten und ihre Söhne sind Taugenichtse oder sie werden von ihren Freunden und Angehörigen gemieden. Wie erklärst du dir das? In ihrem Vorleben verlangten sie nach Geld, das sie nun in diesem Leben erhalten haben, aber nicht richtig anwenden konnten. Sie hatten in ihrem Vorleben einen schlechten [[Charakter]] und müssen jetzt leiden.
Tue gute Taten, entwickele erhabene, göttliche [https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/sivananda/die-kraft-der-gedanken/ Gedanken] und forme deinen Charakter. Nur ein reiner, [[heiliger]] [[Wunsch]] soll dich erfüllen, der Wunsch nach Befreiung aus den [[Samsara|Kreislauf von Geburt und Tod]]. Dein Charakter formt sich durch deine [https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/sivananda/goettliche-erkenntnis/gedanke/ Gedanken]. Du wirst so, wie deine Gedanken sind. Sind sie edel, wirst du mit einem guten Charakter wiedergeboren, sind sie niedrig, erhältst du im nächsten Leben einen schlechten Charakter. Das ist das unwandelbare Gesetz der Natur.
Deine [[Wünsche]] entscheiden darüber, welche Umgebung du in deinem nächsten Leben vorfinden wirst. Wenn du Reichtum begehrst, wirst du ihn in deinem nächsten Leben bekommen. Wenn du nach [[Macht]] verlangst, wird sie dir in deinem nächsten Leben zuteil. Aber Geld und Macht können dir nicht ewige [[Glückseligkeit]] und Unsterblichkeit verleihen. Darum musst du deine Wünsche sehr sorgfältig [[beobachten]] und darfst nur den einen starken Wunsch nach [[Moksha]] oder endgültiger Befreiung haben. Töte alle weltlichen Begierden und du wirst bald vom Kreislauf der Geburten und Tode befreit sein.


==Die Beweise der Unsterblichkeit der Seele==
==Die Beweise der Unsterblichkeit der Seele==
'''Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 307-315.'''
'''Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 307-315.'''


1. Vorbemerkungen zur Psychologie.
===Vorbemerkungen zur Psychologie===


Mit der [[Theologie]] oder der Lehre vom Seienden und der [[Kosmologie]] oder der Lehre von seinem Erscheinen als Welt ist der [[Natur]] der Sache nach der Grundbau des Systemes vollendet, und es ist nur eine weitere Ausführung des schon Dargestellten, wenn wir in der [[Psychologie]] und den ihr folgenden Teilen einer bestimmten Seite des [[Welt]]ganzen unsere nähere [[Aufmerksamkeit]] zuwenden, um das wichtigste und jedem unmittelbar innerlich gegenwärtige Weltphänomen, die [[Seele]], nach ihrer Natur und ihren beiden Ständen der Wanderung und der [[Erlösung]] genauer zu betrachten.
Mit der [[Theologie]] oder der Lehre vom Seienden und der [[Kosmologie]] oder der Lehre von seinem Erscheinen als Welt ist der [[Natur]] der Sache nach der Grundbau des Systemes vollendet, und es ist nur eine weitere Ausführung des schon Dargestellten, wenn wir in der [[Psychologie]] und den ihr folgenden Teilen einer bestimmten Seite des [[Welt]]ganzen unsere nähere [[Aufmerksamkeit]] zuwenden, um das wichtigste und jedem unmittelbar innerlich gegenwärtige Weltphänomen, die [[Seele]], nach ihrer Natur und ihren beiden Ständen der Wanderung und der [[Erlösung]] genauer zu betrachten.


Zwei Faktoren sind es, welche das Weltganze konstituieren und von denen der eine in diesem Schauspiel der Weltentwicklung füglich als die Schaubühne, der andere als die auftretenden [[Schauspieler]] bezeichnet werden kann; der eine Faktor ist die unorganische Natur, bestehend aus [[Raum]], [[Wind]], [[Feuer]], [[Wasser]] und [[Erde]], der andere die organische Natur, bestehend aus den in die Elemente eingegangenen und als [[Pflanzen]], [[Tiere]], [[Menschen]] und [[Götter]] umwandernden Seelen. Beide Faktoren gehen im letzten Grunde auf das [[Brahman]] zurück, auf das „Eine ohne Zweites", welches nach der exoterischen Anschauung zu Anfang jeder Weltperiode die [[Element]]e neu schafft und dann „mit dem lebenden Selbste", d. h. der individuellen Seele in sie eingeht (S. '249); beide aber, die Elemente wie die Seelen, sind, von dein höhern, esoterischen Standpunkte der Identitätslehre aus betrachtet, das eine ungeteilte Brahman selbst, indem weder die Ausbreitung (Prapanca) der Elemente zu [[Name]]n und [[Gestalt]]en, wie sie „als Vergeltung der Tat am Täter" (Kriya-Karaka Phalam, S. 273,12. 291,6. 447,3. 987,6) der Seele „aufgebürdet" wird, noch auch das von den Upadhis verhüllte und dadurch als umwandernde, geniefsende und handelnde Seele sich darstellende Brahman eine im höchsten Sinne (Paramarthatah) reale, über das eine, zweitlose, unteilbare Brahman hinausreichende [[Existenz]] haben.
Zwei Faktoren sind es, welche das Weltganze konstituieren und von denen der eine in diesem Schauspiel der Weltentwicklung füglich als die Schaubühne, der andere als die auftretenden [[Schauspieler]] bezeichnet werden kann; der eine Faktor ist die unorganische Natur, bestehend aus [[Raum]], [[Wind]], [[Feuer]], [[Wasser]] und [[Erde]], der andere die organische Natur, bestehend aus den in die Elemente eingegangenen und als [[Pflanzen]], [[Tiere]], [[Menschen]] und [[Götter Namen Liste von A-Z|Götter]] umwandernden Seelen. Beide Faktoren gehen im letzten Grunde auf das [[Brahman]] zurück, auf das „Eine ohne Zweites", welches nach der exoterischen Anschauung zu Anfang jeder Weltperiode die [[Element]]e neu schafft und dann „mit dem lebenden Selbste", d. h. der individuellen Seele in sie eingeht (S. '249); beide aber, die Elemente wie die Seelen, sind, von dein höhern, esoterischen Standpunkte der Identitätslehre aus betrachtet, das eine ungeteilte Brahman selbst, indem weder die Ausbreitung (Prapanca) der Elemente zu [[Name]]n und [[Gestalt]]en, wie sie „als Vergeltung der Tat am Täter" (Kriya-Karaka Phalam, S. 273,12. 291,6. 447,3. 987,6) der Seele „aufgebürdet" wird, noch auch das von den Upadhis verhüllte und dadurch als umwandernde, genießende und handelnde Seele sich darstellende Brahman eine im höchsten Sinne (Paramarthatah) reale, über das eine, zweitlose, unteilbare Brahman hinausreichende [[Existenz]] haben.
 
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Diese doppelte Grundanschauung des Vedanta: der esoterischen Lehre, wonach jede Seele das ganze, unteilbare, nichts anderes neben sich zulassende Brahman selbst ist, und der exoterischen Lehre, nach der es eine Vielheit von Ewigkeit her wandernder aber nichtsdestoweniger (inkonsequent) als aus dem Brahman emanierend vorgestellter Seelen gibt, — ist durchaus im folgenden festzuhalten, wenn wir auch (in der Voraussetzung, dass der Leser mit der leitenden Grundanschauung nunmehr hinreichend vertraut ist) darauf verzichten, die esoterische und exoterische [[Psychologie]] in zwei streng getrennten Abteilungen zu behandeln, indem zu diesem Zwecke die Gedankenordnung des Originals allzusehr zersplittert werden müsste. Im allgemeinen nämlich stellt sich [[Shankara]] in der Psychologie auf den esoterischen Standpunkt und überlässt es dem Gegner, dessen Meinung auf Schritt und Tritt ausführlich entwickelt und sodann widerlegt wird, den exoterischen Standpunkt zu vertreten; daneben aber kann er es, im Hinblick auf die von ihm für die „niedere [[Wissenschaft]]" festgehaltene [[Seelenwanderung]]slehre, nicht vermeiden, selbst auf den exoterisehen Standpunkt herabzusteigen, wobei er die von ihm selbst bekämpften Argumente, wenigstens zum Teil und bedingterweise, sich aneignet, um dadurch eine Grundlage für die demnächst abzuhandelnde Lehre von dem Santsara, d. h. der „Umwanderung" der Seele zu gewinnen.  
Diese doppelte Grundanschauung des Vedanta: der esoterischen Lehre, wonach jede Seele das ganze, unteilbare, nichts anderes neben sich zulassende Brahman selbst ist, und der exoterischen Lehre, nach der es eine Vielheit von Ewigkeit her wandernder aber nichtsdestoweniger (inkonsequent) als aus dem Brahman emanierend vorgestellter Seelen gibt, — ist durchaus im folgenden festzuhalten, wenn wir auch (in der Voraussetzung, dass der Leser mit der leitenden Grundanschauung nunmehr hinreichend vertraut ist) darauf verzichten, die esoterische und exoterische [[Psychologie]] in zwei streng getrennten Abteilungen zu behandeln, indem zu diesem Zwecke die Gedankenordnung des Originals allzusehr zersplittert werden müsste. Im allgemeinen nämlich stellt sich [[Shankara]] in der Psychologie auf den esoterischen Standpunkt und überlässt es dem Gegner, dessen Meinung auf Schritt und Tritt ausführlich entwickelt und sodann widerlegt wird, den exoterischen Standpunkt zu vertreten; daneben aber kann er es, im Hinblick auf die von ihm für die „niedere [[Wissenschaft]]" festgehaltene [[Seelenwanderung]]slehre, nicht vermeiden, selbst auf den exoterisehen Standpunkt herabzusteigen, wobei er die von ihm selbst bekämpften Argumente, wenigstens zum Teil und bedingterweise, sich aneignet, um dadurch eine Grundlage für die demnächst abzuhandelnde Lehre von dem Santsara, d. h. der „Umwanderung" der Seele zu gewinnen.  
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Bevor wir jedoch in diese [[Erörterung]]en eintreten, müssen wir einleitungsweise die Beweise für die Unsterblichkeit der Seele vorführen, welche sich nicht in dem psychologischen Teil des Werks (2,3,15-2,4,19 und 3,2,1-10), sondern unter dem Gemenge, aus dem die Teile 3,3 und 3,4 bestehen, vorfinden, nämlich 3,3,53-54. Wiewohl Shankara die Einschiebung dieser Episode an der betreffenden Stelle künstlich zu motivieren weiß, so gehört sie doch, der Natur der Sache nach, nicht dorthin, sondern zur Psychologie, und zwar als Einleitung derselben, indem der Lehre von der Seele der Nachweis, dass es eine solche, dass es einen über den Leib hinaus reichenden und von dessen Untergang nicht betroffenen Teil am [[Mensch]]en gibt, als conditio sine qua non vorauszugehen hat.
Bevor wir jedoch in diese [[Erörterung]]en eintreten, müssen wir einleitungsweise die Beweise für die Unsterblichkeit der Seele vorführen, welche sich nicht in dem psychologischen Teil des Werks (2,3,15-2,4,19 und 3,2,1-10), sondern unter dem Gemenge, aus dem die Teile 3,3 und 3,4 bestehen, vorfinden, nämlich 3,3,53-54. Wiewohl Shankara die Einschiebung dieser Episode an der betreffenden Stelle künstlich zu motivieren weiß, so gehört sie doch, der Natur der Sache nach, nicht dorthin, sondern zur Psychologie, und zwar als Einleitung derselben, indem der Lehre von der Seele der Nachweis, dass es eine solche, dass es einen über den Leib hinaus reichenden und von dessen Untergang nicht betroffenen Teil am [[Mensch]]en gibt, als conditio sine qua non vorauszugehen hat.
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Das Wort „Unsterblichkeit" ist hierbei in dem okzidentalischen, bei uns üblichen Sinne einer „Unzerstörbarkeit durch den Tod" zu nehmen. Der Inder versteht unter dem entsprechenden Amritatvam in der Regel, wie wir schon hervorhoben (S. 160), etwas anderes, nämlich „das nicht mehr sterben Können" der erlösten Seele. Was wir Unsterblichkeit nennen, heißt bei ihm gewöhnlich Vyatireka, „das Hinausreichen (über den Leib)", und um dieses handelt es sich bei der folgenden Kontroverse zwischen Materialisten und Vedantisten, die wir, bei dem hohen Interesse der behandelten Frage, in unverkürzter Übersetzung folgen lassen.
Das Wort „Unsterblichkeit" ist hierbei in dem okzidentalischen, bei uns üblichen Sinne einer „Unzerstörbarkeit durch den Tod" zu nehmen. Der Inder versteht unter dem entsprechenden Amritatvam in der Regel, wie wir schon hervorhoben (S. 160), etwas anderes, nämlich „das nicht mehr sterben Können" der erlösten Seele. Was wir Unsterblichkeit nennen, heißt bei ihm gewöhnlich Vyatireka, „das Hinausreichen (über den Leib)", und um dieses handelt es sich bei der folgenden Kontroverse zwischen Materialisten und Vedantisten, die wir, bei dem hohen Interesse der behandelten Frage, in unverkürzter Übersetzung folgen lassen.


2. Gründe der Materialisten gegen die Unsterblichkeit der Seele.
===Gründe der Materialisten gegen die Unsterblichkeit der Seele===


„Einige, nämlich die nur in dem Leibe das Selbst sehenden [[Materialist]]en (Lokayatika) glauben, dass ein über den Leib hinaus fortbestehendes [[Selbst]] nicht existiere, und indem sie annehmen, dass das Geistige, wiewohl unsichtbar, in den gesamten und einzelnen äußern Elementen, Erde usw. wie sie sich zur Gestalt des [[Leib]]es umformen, enthalten sei, behaupten sie, dass aus diesen das Geistige als Erkenntnis hervorgehe so wie die Kraft des Rausches [aus den Gärstoffen], und dass der [[Mensch]] [nur] ein durch dieses Geistige „sich auszeichnender Leib sei. Hingegen leugnen sie ein „über den Leib hinaus fortbestehendes Selbst, vermöge dessen „das Geistige im Leibe sei, und welches imstande wäre, in „den Himmel oder in die Erlösung einzugehen; vielmehr nehmen sie an, dass der Leib allein das Geistige und das Selbst sei, und führen als Grund an, dass das Geistige nur so lange bestehe, wie der Leib besteht. Denn was so lange besteht, wie ein anderes besteht, und nicht mehr besteht, wenn jenes nicht mehr besteht, das ist damit, dass es eine Qualität desselben ist, vollständig begriffen, wie [[Hitze]] und [[Licht]] damit, dass sie [[Qualität]]en des [[Feuer]]s sind. Ebenso stehe es mit Odem, [[Bewegung]], [[Geist]], [[Erinnerung]] usw., welche von den Anhängern der Seele für Qualitäten der Seele gehalten würden: da auch sie nur innerhalb des Leibes wahrgenommen würden und außerhalb desselben nicht wahrgenommen würden, und da ein über den Leib hinausreichender Träger dieser Qualitäten nicht erweisbar sei, so könnten sie nichts anderes sein, als Qualitäten des Leibes. Somit bestehe das „Selbst über den Leib hinaus nicht fort" (S. 954,5-955,2).
„Einige, nämlich die nur in dem Leibe das Selbst sehenden [[Materialist]]en (Lokayatika) glauben, dass ein über den Leib hinaus fortbestehendes [[Selbst]] nicht existiere, und indem sie annehmen, dass das Geistige, wiewohl unsichtbar, in den gesamten und einzelnen äußern Elementen, Erde usw. wie sie sich zur Gestalt des [[Leib]]es umformen, enthalten sei, behaupten sie, dass aus diesen das Geistige als Erkenntnis hervorgehe so wie die Kraft des Rausches [aus den Gärstoffen], und dass der [[Mensch]] [nur] ein durch dieses Geistige „sich auszeichnender Leib sei. Hingegen leugnen sie ein „über den Leib hinaus fortbestehendes Selbst, vermöge dessen „das Geistige im Leibe sei, und welches imstande wäre, in „den Himmel oder in die Erlösung einzugehen; vielmehr nehmen sie an, dass der Leib allein das Geistige und das Selbst sei, und führen als Grund an, dass das Geistige nur so lange bestehe, wie der Leib besteht. Denn was so lange besteht, wie ein anderes besteht, und nicht mehr besteht, wenn jenes nicht mehr besteht, das ist damit, dass es eine Qualität desselben ist, vollständig begriffen, wie [[Hitze]] und [[Licht]] damit, dass sie [[Qualität]]en des [[Feuer]]s sind. Ebenso stehe es mit Odem, [[Bewegung]], [[Geist]], [[Erinnerung]] usw., welche von den Anhängern der Seele für Qualitäten der Seele gehalten würden: da auch sie nur innerhalb des Leibes wahrgenommen würden und außerhalb desselben nicht wahrgenommen würden, und da ein über den Leib hinausreichender Träger dieser Qualitäten nicht erweisbar sei, so könnten sie nichts anderes sein, als Qualitäten des Leibes. Somit bestehe das „Selbst über den Leib hinaus nicht fort" (S. 954,5-955,2).


3. Beweise der Unsterblichkeit der Seele.
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===Beweise der Unsterblichkeit der Seele===


„Hierauf erwidern wir: es ist nicht wahr, dass das Selbst nicht über den Leib hinaus fortbestehe, vielmehr muss ein Fortbestehen desselben über den Leib hinaus angenommen werden, weil es in seinem (des Leibes) [[Sein]] nicht das Sein hat. Denn wenn daraus, dass die Qualitäten des Selbstes bestehen, solange der Leib besteht, gefolgert wird, dass sie Qualitäten des Leibes seien, so muss doch auch daraus, dass jene nicht mehr bestehen, während der Leib noch besteht, geschlossen werden, dass sie nicht Qualitäten des Leibes sind, indem sie von den Qualitäten des Leibes wesensverschieden sind. Denn was Qualität des Leibes ist, wie die Gestalt usw., das muss so lange bestehen, wie der Leib. Hingegen bestehen Odem, Bewegung usw. nicht mehr, wiewohl noch der Leib besteht, nämlich im [[Zustand]] des [[Tod]es. Dazu kommt, dass die Qualitäten des Leibes, wie Gestalt usw., auch von andern wahrgenommen werden, nicht aber ist es so mit den Qualitäten des Selbstes, [[Geist]], [[Erinnerung]] usw.
„Hierauf erwidern wir: es ist nicht wahr, dass das Selbst nicht über den Leib hinaus fortbestehe, vielmehr muss ein Fortbestehen desselben über den Leib hinaus angenommen werden, weil es in seinem (des Leibes) [[Sein]] nicht das Sein hat. Denn wenn daraus, dass die Qualitäten des Selbstes bestehen, solange der Leib besteht, gefolgert wird, dass sie Qualitäten des Leibes seien, so muss doch auch daraus, dass jene nicht mehr bestehen, während der Leib noch besteht, geschlossen werden, dass sie nicht Qualitäten des Leibes sind, indem sie von den Qualitäten des Leibes wesensverschieden sind. Denn was Qualität des Leibes ist, wie die Gestalt usw., das muss so lange bestehen, wie der Leib. Hingegen bestehen Odem, Bewegung usw. nicht mehr, wiewohl noch der Leib besteht, nämlich im [[Zustand]] des [[Tod]es. Dazu kommt, dass die Qualitäten des Leibes, wie Gestalt usw., auch von andern wahrgenommen werden, nicht aber ist es so mit den Qualitäten des Selbstes, [[Geist]], [[Erinnerung]] usw.
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Weiter muss man den Gegner fragen, wie er sich denn das Geistige denkt, wenn er seine Entstehung aus den [[Element]]en annimmt; denn außer den vier Elementen nehmen ja die Materialisten keine Wesenheit an. Wenn er sagt: „das Geistige ist das Wahrnehmen der Elemente und ihrer Produkte, so sind also jene seine [[Objekt]]e, und folglich kann es nicht eine Qualität derselben sein, indem eine Betätigung gegen das eigene Selbst ein [[Widerspruch]] ist: denn das Feuer, obgleich es heiß ist, brennt doch nicht sich selbst, und der [[Tänzer]], so geschickt er auch ist, kann doch nicht auf seine eigene Schulter steigen; soll das Geistige eine [[Qualität]] der [[Element]]e und ihrer [[Produkt]]e sein, so können die Elemente und ihre Produkte nicht Objekt desselben werden; denn z. B. die Gestalten können nicht die eigene Gestalt oder eine andere Gestalt zum Objekte haben, während hingegen das Geistige die Elemente und ihre Produkte, die außerhalb sowohl, als die an dem eigenen Selbst befindlichen, zu Objekten hat. Wie man daher auf das Dasein der Elemente und ihrer Produkte daraus schließt, dass man sie wahrnimmt, so muss man auch schließen, dass diese Wahrnehmung über dieselben hinausreicht [die [[Wahrnehmung]] ist die Trägerin der Körperwelt, nicht umgekehrt], die Eigennatur der Wahrnehmung aber ist eben das, was wir die Seele nennen. So folgt die [[Unabhängigkeit]] der Seele vom Leibe und ihre Ewigkeit aus der einheitlichen Natur der Wahrnehmung, und die [[Erinnerung]] usw. wird dadurch möglich, dass, nachdem man eine Sache wahrgenommen hat, man sie auch in einem andern Zustande wiedererkennt, weil man der mit „sich identische Wahrnehmer ist".
Weiter muss man den Gegner fragen, wie er sich denn das Geistige denkt, wenn er seine Entstehung aus den [[Element]]en annimmt; denn außer den vier Elementen nehmen ja die Materialisten keine Wesenheit an. Wenn er sagt: „das Geistige ist das Wahrnehmen der Elemente und ihrer Produkte, so sind also jene seine [[Objekt]]e, und folglich kann es nicht eine Qualität derselben sein, indem eine Betätigung gegen das eigene Selbst ein [[Widerspruch]] ist: denn das Feuer, obgleich es heiß ist, brennt doch nicht sich selbst, und der [[Tänzer]], so geschickt er auch ist, kann doch nicht auf seine eigene Schulter steigen; soll das Geistige eine [[Qualität]] der [[Element]]e und ihrer [[Produkt]]e sein, so können die Elemente und ihre Produkte nicht Objekt desselben werden; denn z. B. die Gestalten können nicht die eigene Gestalt oder eine andere Gestalt zum Objekte haben, während hingegen das Geistige die Elemente und ihre Produkte, die außerhalb sowohl, als die an dem eigenen Selbst befindlichen, zu Objekten hat. Wie man daher auf das Dasein der Elemente und ihrer Produkte daraus schließt, dass man sie wahrnimmt, so muss man auch schließen, dass diese Wahrnehmung über dieselben hinausreicht [die [[Wahrnehmung]] ist die Trägerin der Körperwelt, nicht umgekehrt], die Eigennatur der Wahrnehmung aber ist eben das, was wir die Seele nennen. So folgt die [[Unabhängigkeit]] der Seele vom Leibe und ihre Ewigkeit aus der einheitlichen Natur der Wahrnehmung, und die [[Erinnerung]] usw. wird dadurch möglich, dass, nachdem man eine Sache wahrgenommen hat, man sie auch in einem andern Zustande wiedererkennt, weil man der mit „sich identische Wahrnehmer ist".
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„Wenn aber gesagt wurde, dass die Wahrnehmung eine Qualität des Leibes sei, weil sie so lange bestehe wie der Leib besteht, so ist darauf in der schon angezeigten Weise zu antworten: die Wahrnehmung besteht, solange die Hilfsmittel derselben, z. B. die Lampe, bestehen, und sie besteht nicht mehr, wenn jene nicht mehr bestehen; aber daraus darf man nicht schließen, dass die Wahrnehmung eine bloße Qualität der Lampe sei; und ebenso braucht nicht darum, weil die Wahrnehmung besteht, solange der Leib besteht, und nicht mehr besteht, wenn er nicht mehr besteht, die Wahrnehmung eine Qualität des Leibes zu sein; denn der Leib dient dabei, ebenso wie die Lampe, als ein bloßes [[Hilfsmittel]]. Auch ist die Mithilfe des Leibes bei der Wahrnehmung nicht unbedingt erforderlich, denn auch während der Leib unbeweglich im [[Schlaf]]e liegt, haben wir mancherlei Wahrnehmungen. — Folglich ist die [[Existenz]] der über den Leib hinaus fortbestehenden Seele unbestreitbar." (S. 955-957).
„Wenn aber gesagt wurde, dass die Wahrnehmung eine Qualität des Leibes sei, weil sie so lange bestehe wie der Leib besteht, so ist darauf in der schon angezeigten Weise zu antworten: die Wahrnehmung besteht, solange die Hilfsmittel derselben, z. B. die Lampe, bestehen, und sie besteht nicht mehr, wenn jene nicht mehr bestehen; aber daraus darf man nicht schließen, dass die Wahrnehmung eine bloße Qualität der Lampe sei; und ebenso braucht nicht darum, weil die Wahrnehmung besteht, solange der Leib besteht, und nicht mehr besteht, wenn er nicht mehr besteht, die Wahrnehmung eine Qualität des Leibes zu sein; denn der Leib dient dabei, ebenso wie die Lampe, als ein bloßes [[Hilfsmittel]]. Auch ist die Mithilfe des Leibes bei der Wahrnehmung nicht unbedingt erforderlich, denn auch während der Leib unbeweglich im [[Schlaf]]e liegt, haben wir mancherlei Wahrnehmungen. — Folglich ist die [[Existenz]] der über den Leib hinaus fortbestehenden Seele unbestreitbar." (S. 955-957).


4. Über die Unsterblichkeitslehre im allgemeinen
===Über die Unsterblichkeitslehre im allgemeinen===


Wäre das menschliche Denken was es nicht ist und viel¬leicht nie werden wird, wäre dasselbe völlig konsequent, so würde es wahrscheinlich nur zwei philosophische Standpunkte geben: den Idealismus, welcher die uns umgebende Welt für nicht real im strengen Sinne hält, und der Realismus, welcher sie für real hält. Auf beiden Standpunkten ist, falls sie konsequent gewahrt werden, für die Lehre von der Un¬sterblichkeit der Seele, wie uns scheint, kein Platz. Denn dem Idealismus ist es wesentlich, auf dem einen oder andern der von uns Kap. II, 1, S. 48 fg. angedeuteten Wege zu der Überzeugung von der Nichtigkeit aller Vielheit sowie alles Entstehens und Vergehens, verbunden mit der alleinigen Ge-wifsheit des eigenen Ich zu gelangen: die richtige Konsequenz dieses Standpunktes ist das Bewufstsein der Identität des eigenen Ich mit dem Ansichseienden und der Identifikation mit ihm, nachdem der Traum dieser Existenz vorüber ist, — einer Identifikation, welche nicht sowohl zu denken ist als ein Sich-verlieren des Ichs in das All, als vielmehr (wenn man einmal räumlich vom Raumlosen reden will) als ein Ein¬gehen des Alls in das Ich, als eine Verwirklichung dessen im ganzen, was im einzelnen sich in jeder Handlung der Mo¬ralität verwirklicht. Auf diesem Standpunkte ist die Lehre von der Unsterblichkeit überflüssig, sofern was damit ge¬sagt werden soll sioh von selbst versteht. Auf dem Stand¬punkte des Realismus hingegen ist sie konsequentermafsen unmöglioh. Ist die Natur real, so sind ihre Aussagen wahr; und diese besagen unmifsverständlich, dafs wir durch die Zeu¬gung aus Nichts entstehen und mit dem Tode wieder in Nichts zurückgehen. — Nach diesen Betrachtungen erscheint die Un¬sterblichkeitslehre als ein Kompromifs zwischen Idealismus und Realismus: als ein Versuch, die im Selbstbewufstsein wur¬zelnde idealistische Gewifsheit der Unwandelbarkeit des eigenen Ich auf dem realistischen Standpunkte, der dem Intellekte von Haus aus wesentlich ist, zu verfechten, — ein vergebliches Bemühen, wie die Geschichte der Unsterblichkeitsbeweise zur Genüge zeigt.
Wäre das menschliche [[Denken]] was es nicht ist und vielleicht nie werden wird, wäre dasselbe völlig konsequent, so würde es wahrscheinlich nur zwei [[Philosophie|philosophische]] Standpunkte geben: den [[Idealismus]], welcher die uns umgebende Welt für nicht real im strengen [[Sinn]]e hält, und der [[Realismus]], welcher sie für real hält. Auf beiden Standpunkten ist, falls sie konsequent gewahrt werden, für die Lehre von der Unsterblichkeit der [[Seele]], wie uns scheint, kein Platz. Denn dem Idealismus ist es wesentlich, auf dem einen oder andern der von uns Kap. II, 1, S. 48 fg. angedeuteten Wege zu der Überzeugung von der Nichtigkeit aller Vielheit sowie alles Entstehens und Vergehens, verbunden mit der alleinigen Gewissheit des eigenen [[Ich]] zu gelangen: die richtige [[Konsequenz]] dieses Standpunktes ist das Bewusstsein der [[Identität]] des eigenen Ich mit dem Ansichseienden und der [[Identifikation]] mit ihm, nachdem der [[Traum]] dieser [[Existenz]] vorüber ist, — einer Identifikation, welche nicht sowohl zu denken ist als ein Sich-verlieren des Ichs in das [[All]], als vielmehr (wenn man einmal räumlich vom Raumlosen reden will) als ein Eingehen des Alls in das Ich, als eine [[Verwirklichung]] dessen im Ganzen, was im einzelnen sich in jeder [[Handlung]] der [[Moral]]ität verwirklicht.  


Im Vedäntasysteme wird der Idealismus durch den eso-terischen Standpunkt der Identitätslehre, der Realismus durch die exoterische Lehre von der Weltschöpfung repräsentiert. Für den esoterischen Standpunkt ist die Seele mit Brahman identisch, und um dessen inne zu werden bedarf es nur der richtigen Selbsterkenntnis, aber keiner Beweise der Unsterb¬lichkeit. Der exoterische Standpunkt läfet alles aus Brahman hervor- und in Brahman zurückgehen: mit dieser Auffassung ist keine Lehre von der Unsterblichkeit, sondern nur die An¬schauung der Upanishad's vereinbar, welche sich in den Wor¬ten (Mund. 2,1,1) ausspricht:
Auf diesem Standpunkte ist die Lehre von der Unsterblichkeit überflüssig, sofern was damit gesagt werden soll sioh von selbst versteht. Auf dem Standpunkte des Realismus hingegen ist sie konsequentermaßen unmöglich. Ist die [[Natur]] real, so sind ihre Aussagen wahr; und diese besagen unmissverständlich, dass wir durch die Zeugung aus [[Nichts]] entstehen und mit dem [[Tod]]e wieder in Nichts zurückgehen.  


„Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken
Nach diesen Betrachtungen erscheint die Unsterblichkeitslehre als ein [[Kompromiss]] zwischen Idealismus und Realismus: als ein Versuch, die im Selbstbewusstsein wurzelnde idealistische Gewissheit der Unwandelbarkeit des eigenen Ich auf dem realistischen Standpunkte, der dem [[Intellekt]] von Haus aus wesentlich ist, zu verfechten, — ein vergebliches Bemühen, wie die [[Geschichte]] der Unsterblichkeitsbeweise zur Genüge zeigt.
„Ihm gleichen Wesens tausendfach entspringen,
„So gehn, o Teurer, aus dem Unvergänglichen die mannigfachen Wesen
„Hervor und wieder in dasselbe ein."


Nach dieser gewifs ursprünglichen Anschauung ist die Seele entstanden und, als notwendige Folge davon, auch vergäng¬lich. Denn was so beschaffen ist, dais es entstehen kann, das ist auch so beschaffen, dais es vergehen kann. Ta maiv etc oûSèv S€ttei.. —
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Aber die Seele ist der Punkt im Universum, wo der das Ansichseiende verhüllende (aus Raum, Zeit und Kausalität gewobene) Schleier so dünne wird, dais wir durch denselben hindurch Verhältnisse gewahren, welche gegen die Weltord¬nung des Realismus Protest einlegen und einer konsequenten Durchführung desselben sich widersetzen. Ein solches Ver¬hältnis ist vor allem die metaphysische, über das Grab hinaus¬reichende Bedeutsamkeit des menschlichen Handelns. Wenn der Mensch stirbt, und sein Wesen in die Elemente zerflattert, dann gibt es etwas an ihm, was ihn nicht verläfst: es sind seine Werke, wie der Veda (Brih. 3,2,13) sagt; und diese Überzeugung von der Unzerstörbarkeit des moralischen Teiles des Menschen durch den Tod nötigt den Vedanta inkonse-quenterweise statt der auf dem exoterischen Standpunkte ge¬forderten Absorption in das Brahman ein Fortbestehen der Seele in ihrer individuellen Bestimmtheit, durch das Brahman hindurch, in welches sie sterbend eingeht, aufrecht zu halten.
Im [[Vedanta]]system wird der Idealismus durch den esoterischen [[Standpunkt]] der Identitätslehre, der Realismus durch die exoterische Lehre von der Weltschöpfung repräsentiert. Für den esoterischen Standpunkt ist die Seele mit [[Brahman]] identisch, und um dessen inne zu werden bedarf es nur der richtigen Selbsterkenntnis, aber keiner Beweise der Unsterblichkeit. Der exoterische Standpunkt lässt alles aus Brahman hervor- und in Brahman zurückgehen: mit dieser Auffassung ist keine [[Lehre]] von der Unsterblichkeit, sondern nur die Anschauung der Upanishaden vereinbar, welche sich in den Worten (Mund. 2,1,1) ausspricht:


Wir werden auf diese Fragen der exoterischen Psychologie später zurückkommen. Zunächst aber handelt es sich nicht um die empirische, mit den Upâdhi's behaftete und dadurch wandernde, tätige und leidende Seele, sondern um die Be¬stimmung der metaphysischen, von allem diesem freien Natur der Seele, wenn dabei auch oft genug vorausgreifend auf die Verhüllung der Seele durch die Upddhi's Bezug zu nehmen sein wird.
:„Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken
Ihm gleichen Wesens tausendfach entspringen,
So gehn, o Teurer, aus dem Unvergänglichen die mannigfachen Wesen
Hervor und wieder in dasselbe ein."
 
Nach dieser gewiss ursprünglichen Anschauung ist die Seele entstanden und, als notwendige Folge davon, auch vergänglich. Denn was so beschaffen ist, dass es entstehen kann, das ist auch so beschaffen, dass es vergehen kann.
 
Aber die [[Seele]] ist der Punkt im [[Universum]], wo der das Ansichseiende verhüllende (aus Raum, Zeit und [[Kausalität]] gewobene) [[Schleier]] so dünn wird, dass wir durch denselben hindurch Verhältnisse gewahren, welche gegen die Weltordnung des Realismus [[Protest]] einlegen und einer konsequenten Durchführung desselben sich widersetzen. Ein solches Verhältnis ist vor allem die metaphysische, über das Grab hinausreichende [[Bedeutsamkeit]] des menschlichen Handelns. Wenn der Mensch stirbt, und sein [[Wesen]] in die [[Element]]e zerflattert, dann gibt es etwas an ihm, was ihn nicht verlässt: es sind seine Werke, wie der Veda (Brih. 3,2,13) sagt; und diese Überzeugung von der Unzerstörbarkeit des moralischen Teiles des [[Mensch]]en durch den [[Tod]] nötigt den Vedanta inkonsequenterweise statt der auf dem exoterischen Standpunkte geforderten Absorption in das Brahman ein Fortbestehen der Seele in ihrer individuellen Bestimmtheit, durch das Brahman hindurch, in welches sie sterbend eingeht, aufrecht zu halten.
 
Wir werden auf diese Fragen der exoterischen Psychologie später zurückkommen. Zunächst aber handelt es sich nicht um die empirische, mit den Upadhis behaftete und dadurch wandernde, tätige und leidende Seele, sondern um die Bestimmung der metaphysischen, von allem diesem freien Natur der Seele, wenn dabei auch oft genug vorausgreifend auf die Verhüllung der Seele durch die Upadhis Bezug zu nehmen sein wird.
 
==Die Unsterblichkeit der Seele laut Bhagavad Gita==
 
Die [[Bhagavadgita]] erklärt immer wieder, dass die [[Seele]] [[unsterblich]] ist. Hier zwei Vorträge mit Kommentaren zur Bhagavad Gita, 2. Kapitels - in dem [[Krishna]] den [[Arjuna]] sehr eindrücklich auf die Unsterblichkeit der Seele hinweist:
 
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==Siehe auch==
==Siehe auch==
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*[[Maya]]
*[[Maya]]
*[[Lila]]
*[[Lila]]
* [[Jnana Yoga]]
* [[Vedanta Schulen]]
*[[Vedanta]]
*[[Vedanta]]
*[[Shankara]]
*[[Shankara]]
*[[Upanishaden]]
*[[Upanishaden]]
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==Literatur==
==Literatur==
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p902_Karma-und-Reinkarnation/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Sukadev Bretz, Karma und Reinkarnation]
* Sukadev Bretz: [https://shop.yoga-vidya.de/de/buecher/philosophie/karma-reinkarnation Karma und Reinkarnation]auch als [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/ebooks/karma-reinkarnation-e-book ebook] oder [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/cds/vortraege-sukadev/karma-reinkarnation-cd Hörbuch]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p31_Karma-und-Reinkarnation---Audio-CD/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f  Audio CD Sukadev Bretz, Karma und Reinkarnation]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p109_Reinkarnation---Ronald-Zuerrer/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Ronald Zürrer, Reinkarnation]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p109_Reinkarnation---Ronald-Zuerrer/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Ronald Zürrer, Reinkarnation]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/advanced_search_result.php?XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f&keywords=Atman Yoga Vidya, Klassische Upanishaden]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/advanced_search_result.php?XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f&keywords=Atman Yoga Vidya, Klassische Upanishaden]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p484_Vedanta-----Der-Ozean-der-Weisheit/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Swami Vivekananda, Vedanta - Der Ozean der Weisheit]
* Swami Vivekananda: [https://shop.yoga-vidya.de/de/buecher/philosophie/vedanta-der-ozean-weisheit Vedanta - Der Ozean der Weisheit]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p597_Das-Kronjuwel-der-Unterscheidung-von-Shri-Shankaracharya/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Sri Shankaracharya, Das Kronjuwel der Unterscheidung]
* Sri Shankaracharya: [https://shop.yoga-vidya.de/de/buecher/philosophie/das-kronjuwel-unterscheidung-shri-shankaracharya Das Kronjuwel der Unterscheidung]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p899_Atma-Bodha-und-Aparoksha-Anubhuti/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Sri Shankaracharya, Atma Bodha und Aparoksha Anubhuti]
* Sri Shankaracharya: [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/buecher/atma-bodha-aparoksha-anubhuti Atma Bodha und Aparoksha Anubhuti] auch als [https://shop.yoga-vidya.de/de/e-books/e-book-atma-bodha-aparoksha-anubhuti-shankaracharya eBook]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/advanced_search_result.php?XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f&keywords=Bhagavad+Gita Sukadev Bretz, die Weisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute]
* Sri Sankaracharya: [https://shop.yoga-vidya.de/de/buecher/philosophie/das-herz-vedanta-sri-shankaracharya Das Herz des Vedanta]
* Sukadev Bretz: [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/buecher/bhagavad-gita-deutsch Die Bhagavad Gita für Menschen von heute]
* Swami Sivananda: [https://shop.yoga-vidya.de/de/yoga-vidya-verlag/buecher/vedanta-anfaenger Vedanta für Anfänger]
*Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
*Soami Divyanand: ''Vedamrit - Die Botschaft der Veden''. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
*Wilfried Huchzermeyer: ''Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.''(edition-sawitri.de)  ISBN 3-931172-22-8
* Moritz Winternitz: ''Geschichte der Indischen Literatur'', Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: ''History of Indian Literatur'', Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985.
*[[ Aurobindo]]: ''Das Geheimnis des Veda'', 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
*Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: ''Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas'', Milan, Éditions Archè, 1989


==Weblinks==
==Weblinks==
*[http://www.yoga-vidya.de/Yoga--Buch/bhagavad-gita/category/02-kapitel/page/2/ Bhagavad-Gita, Kap. 2:]
*[http://www.yoga-vidya.de/Yoga--Buch/bhagavad-gita/category/02-kapitel/page/2/ Bhagavad-Gita, Kap. 2:]
*[https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/shankara/atma-bodha-aparoksha-anubhuti/erkenntnis-des-selbst/ Atma Bodha]
*[https://www.yoga-vidya.de/yoga-buch/shankara/atma-bodha-aparoksha-anubhuti/erkenntnis-des-selbst/ Atma Bodha]
* [https://blog.yoga-vidya.de/category/podcast/meditationsanleitung/ Meditation Anleitungen, darunter einige abstrakte Techniken aus dem Vedanta]
* [http://www.yoga-vidya.de/Yoga--Artikel/Art-Artikel/art_vedanta.html Artikel von Swami Sivananda: Vedanta]
* [http://www.sivananda.org/ Divine Life Society - Sivananda Ashram]


==Seminare==
==Seminare==
*[https://www.yoga-vidya.de/seminare/stichwortsuche/le/0/ti/0/lo/0/to/0/dfu/0/dtu/0/ex/0/fu/Karma%2Bund%2BReinkarnation/df/vd/dt/bd/ro/s/ Seminare über Karma und Reinkarnation]
===Jnana Yoga, Philosophie===
 
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===Seminare zum Thema indische Schriften===
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[[Kategorie:Indische Philosophie]]
[[Kategorie:Indische Philosophie]]
[[Kategorie:Reinkarnation]]
[[Kategorie:Reinkarnation]]
[[Kategorie:Glossar]]
[[Kategorie:Glossar]]
[[Kategorie:Deutsch]]
[[Kategorie:Deutsch]]
[[Kategorie:Hinduismus]]
[[Kategorie:Sanskrit]]
[[Kategorie:Deussen Vedantasystem]]
[[Kategorie:Vedanta]]
[[Kategorie:Was wird aus der Seele nach dem Tode]]
[[Kategorie:Yoga der drei Energien]]

Aktuelle Version vom 29. Juli 2023, 16:23 Uhr

Wir sind nicht dieser Körper, unser wahres Selbst ist unsterblich.

Unsterblichkeit (der Seele, der Person) Unvernichtbarkeit des Lebens oder Überwindung des Todes als Übergang in eine neue (höhere oder niedere) Existenz. Der Unsterblichkeitsgedanke findet sich in den meisten Religionen, oft verbunden mit der Vorstellung von Reinkarnation und Seelenwanderung und der Annahme einer Belohnung, Bestrafung oder Läuterung nach dem Tode.

Seit Menschengedenken beschäftigen den Menschen Fragen wie:

Woher bin ich gekommen?
Wohin gehe ich, wenn ich sterbe?
Wer bin ich wirklich?

Spätestens, wenn ein Mensch mit Leid in Form von Krankheit, Alter und Tod konfrontiert wird, erwachen diese Fragen in ihm.

Gibt es so etwas wie Unsterblichkeit?

Der physische Körper

Der grobstoffliche, physische Körper (Sthula Sharira, bestehend aus der Annamaya Kosha, der Nahrungshülle) unterliegt Alter und Krankheit und stirbt, wenn sein Karma abgelaufen ist. Aber Yoga sagt, dass wir mehr sind als unser physischer Körper. Wir haben einen materiellen Körper, aber wir sind nicht dieser Körper.

Die weiteren Körper

Im Yoga wird gesagt, dass wir – neben dem physischen - noch zwei weitere Körper haben.

Der feinstoffliche Astralkörper (Sukshma Sharira oder Linga Sharira) enthält unser Prana (unsere Lebensenergie), die fünf Wahrnehmungsorgane und die fünf Handlungsorgane, unser Unterbewusstsein (Chitta), unseren niederen und höheren Geist (Manas und Buddhi) einschließlich der Emotionen und unser Ego (Ahamkara, der "Ichmacher", das Ich-Bewusstsein). Er besteht aus drei Hüllen: der Energiehülle (Pranamaya Kosha), der Hülle des niederen Geistes und der Emotionen (Manomaya Kosha) und der intellektuellen Hülle (Vijnanamaya Kosha).

Der Kausalkörper, Karana Sharira (Ursachenkörper), heißt so, weil er die Ursache des grobstofflichen Körpers und des feinstofflichen Astralkörpers ist. Er besteht aus der Wonnehülle (Anandamaya Kosha). Er speichert unter anderem die Samen unseres Karma und ist dem Absoluten (Atman, Brahman) am nächsten.

Tod und Reinkarnation (Wiedergeburt)

Wenn ein Mensch stirbt, so stirbt nach Ansicht der Yogis nur sein physischer Körper. Astral- und Kausalkörper bestehen weiter und verkörpern sich im Reinkarnationszyklus irgendwann in einem neuen physischen Körper. Das ist das, was manchmal unter dem Begriff Seele verstanden wird.

Die Bhagavad Gita schreibt zum Thema Reinkarnation z.B.:

„So wie abgetragene Kleider abgelegt und neue angelegt werden, so wirft auch das verkörperte Selbst abgetragene Körper ab und betritt andere, neue (Vers II.22).

Das wahre Selbst

Im Yoga gibt es noch eine andere Bedeutung von Seele. Yoga sagt, wir sind weder unser physischer Körper, noch sind wir unser Astral- oder Kausalkörper.

Wir sind Atman, das wahre Selbst. Und Atman ist eigentlich nichts anderes als Brahman, das Absolute, Höchste, Eine.

Mädchen mit Pusteblume.jpg

Krishna erklärt Arjuna in der Bhagavad Gita, dass „Es“ (Brahman bzw. Atman) in der Welt und im Körper verweilt und sagt dann:

„Es wurde nicht geboren und stirbt auch niemals. Nachdem Es gewesen ist, hört Es wiederum nicht auf zu sein; da Es ungeboren, ewig, unveränderlich und uralt ist, wird Es nicht getötet, wenn der Körper getötet wird.“ (Vers II, 20)

Maya

Aufgrund der starken „Anziehungskraft“ von Maya vergessen wir unsere wahre Natur und verstricken uns in der Welt. Unsere Sichtweise wird immer subjektiver und gefärbter (Maya bedeutet eigentlich soviel wie „Illusion“) und wir identifizieren uns mit unseren 3 Körpern, glauben, wir seien diese Körper.

Shankaracharya schreibt in seiner Schrift Atma Bodha:

„So wie der Mensch, der das Seil für eine Schlange hält, von Furcht überwältigt wird, so wird auch der, der sich für ein Ego hält, von Furcht überwältigt.“ (Vers 26)

Durch diese Identifikation mit dem Vergänglichen rückt Unsterblichkeit in weite Ferne.

Unsterblichkeit

Krishna sagt in der Bhagavad Gita:

„Der unerschütterliche Mensch, den all dies [Vergnügen und Schmerz] nicht berührt, …, und für den Vergnügen und Schmerz gleichbedeutend sind, ist geeignet, Unsterblichkeit zu verwirklichen.“ (Vers II.15)

Wenn wir einen spirituellen Weg gehen, uns mit Hilfe von Yogapraktiken (z.B. Meditation, Pranayama, Asana, Mantra) reinigen, unsere Sichtweise klären und unseren Geist zur Ruhe bringen, erkennen wir irgendwann wieder, wer wir wirklich sind.

Wir erkennen: Ich bin Atman, das (wahre) Selbst und ich bin eins mit Brahman, dem Absoluten. Dieser „mein“ Atman ist ungeschaffen und daher unvergänglich. Er kann nicht verletzt werden und auch nicht sterben.

Vairagya, der Weg zur unsterblichen Wohnstatt

Wir können Mayas Spiel (Lila) durchschauen, Abstand gewinnen und uns davon lösen. Schließlich gelangen wir zur Selbstverwirklichung.

Wenn wir das erkannt und erreicht haben, haben wir unsere Unsterblichkeit „zurück“ erlangt (die wir in Wirklichkeit niemals verloren hatten).

So schreibt Shankaracharya:

„…Wenn die Unwissenheit zerstört ist, offenbart sich das Selbst, das aus keinerlei Vielfalt besteht, wahrlich durch sich selbst – wie die Sonne, wenn die Wolken sich verziehen.“ (Atma Bodha, Vers 4)

Gedichte und Zitate

„Gestorben bin ich als Stein und bin zur Pflanze geworden;
Gestorben bin ich als Pflanze und wiedererschienen als Tier;
Gestorben bin ich als Tier und bin zum Menschen geworden;
Was sollte ich denn also fürchten?
Wen verlor ich je durch den Tod?
Nächstes Mal sterbe ich als Mensch,
Aufdass ihm wachsen die Schwingen der Engel.
Doch selbst vom Engel noch muss ich weitergehen;
Alle Dinge werden vergehen, doch nicht Sein Angesicht,
Noch einmal erhebe ich mich über die Engel;
Ich werde das was unvorstellbar ist.
Dann lass mich werden nichts, nichts, denn
Harfenklänge riefen mir zu:
Wahrlich zu Ihm gehen wir zurück …“

Jalal Al-Din Rumi (Sufi Mystiker und Dichter)


Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser:
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es.
Ewig wechselnd.
Strömt von der hohen,
Steilen Felsenwand
Der reine Strahl,
Dann stäubt er lieblich
In Wolkenwellen
Zum glatten Fels,
Und, leicht empfangen,
Wallt er verschleiernd,
Leisrauschend
Zur Tiefe nieder.
Ragen Klippen
Dem Sturz entgegen,
Schäumt er unmutig
Stufenweise
Zum Abgrund.
Im flachen Bette
Schleicht er das Wiesental hin,
Und in dem glatten See
Weiden ihr Antlitz
Alle Gestirne.
Wind ist der Welle
Lieblicher Buhler;
Wind rauscht von Grund aus
Schäumende Wogen.
Seele des Menschen
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!

Johann Wolfgang Goethe 1749-1832

  • „Leben um zu sterben“ ist das Motto der weltlichen Leute. „Sterben um zu leben“ ist das Motto der nach Verwirklichung strebenden. (Sivananda)
  • "Jede Seele ist unsterblich; denn das Stetsbewegte ist unsterblich." - Platon, "Phädros 245c"

Furchtlosigkeit, Unsterblichkeit, Sicherheit

Der Unsterbliche hat keine Furcht

- Abschnitt aus dem Buch: Yoga der drei Energien von James Swartz -

Angst kommt auf, wenn man allein ist und glaubt, dass es ein zweites Wesen gibt. Angst entsteht nicht, wenn du alles bist. Angst kommt auch deshalb auf, weil das Leben unsicher ist, uns nicht immer das gibt, was wir wollen, und uns das wegnimmt, was wir schätzen, insbesondere unser Leben, unseren wertvollsten Besitz. Ein freier Mensch ist frei von Angst, weil er keinen Unterschied zum unsterblichen Selbst erfährt. Er oder sie ist absolut sicher.

Suche das Unsterbliche

Suche das Unvergängliche Selbst in deinem Herzen

- Abschnitt aus dem Buch: Was wird aus der Seele nach dem Tode - von Swami Sivananda -

O Mensch! Wozu dienen dir Reichtum, Häuser und Gärten? Wozu brauchst du Freunde und Verwandte, Frau und Kinder? Was brauchst du Macht, Namen, Berühmtheit, Position und Ansehen? Du musst zweifellos sterben. Alles außer dem Tod ist unsicher. Suche den unsterblichen Atman oder das Unvergängliche Selbst, das in deinem Herzen wohnt.

Geistiger Reichtum ist wahrhaft unerschöpflich und göttliches Wissen ist wahres Wissen. Finde den Weg, den Tod zu besiegen. Verwirkliche den Ewigen Atman und erlange Freiheit und Vollkommenheit, Ewigkeit und Unsterblichkeit.

Der unbekümmerte Weltmensch macht sich keine Gedanken um Religion und höhere transzendentale Dinge und denkt weder über Gott noch über die Lehre von Wiedergeburt, die unsterbliche Seele und die vier Mittel nach. Er erkennt nur zwei Dinge wirklich, nämlich seine Tasche und seinen Magen zu füllen. Er isst, trinkt, scherzt, zeugt Kinder und kleidet sich nach der Mode.

Einige überqueren Meere, um Universitätsgrade zu erlangen, andere üben sich in der Alchemie, um Kupfer in Gold zu verwandeln, andere üben Pranayama, um hundert Jahre alt zu werden und wieder andere eröffnen Banken und Geschäfte, in denen sie große Reichtümer anhäufen. Wenn du einen Augenblick tief nachdenkst, wirst du herausfinden, dass alle diese Leute im Grunde nur zwei Dinge tun, nämlich im Übermaß essen und schlafen und sonst nichts.

Aber ihre Augen werden ein wenig geöffnet, wenn ihre liebsten Angehörigen sterben, wenn sie von einer unheilbaren Krankheit befallen werden oder ihren Reichtum verlieren. Dann stößt das weltliche Leben sie vorübergehend ab und sie fragen: "Was ist Leben und was ist Tod? Gibt es ein Leben jenseits des Todes und wohin gehen wir? Die Leidenschaftslosigkeit entschwindet aber bald, weil sie keine Unterscheidungskraft besitzen.

Der Mensch versucht, Glück in den Sinnesobjekten zu finden, aber ein Übermaß der Sinnesfreuden stumpf die Sinne ab und führt zu Ekel, Überdruss und Krankheiten aller Art. Je größer die Sinnesvergnügungen sind, desto tiefer verstrickt man sich in seine Leidenschaft und macht die bittere Erfahrung, dass die Befriedigung der Begierden des Körpers und der Sinne kein dauerndes Glück bringt. Am Ende versucht man, Glückseligkeit im Atman, in seinem Innersten zu finden.

Wenn du einen Menschen unterdrückst, wirst du in deinem nächsten Leben selbst unterdrückt werden und so das ernten, was du in diesem Leben gesät hast. Wenn du einem Menschen eine Verletzung zufügst, wirst du im nächsten Leben selbst verletzt werden, und wenn du jemandem ein Bein brichst, wird in einem anderen Leben dein Bein gebrochen werden. Wenn du den Armen Nahrung gibst, wirst du in einem späteren Leben reichlich zu essen haben und wenn du Rasthäuser baust, wirst du im nächsten Leben viele Häuser besitzen. Aktion und Reaktion sind gleichwertig und bedingen einander. Das ist das Gesetz des Karma, das Gesetz von Geburt und Tod, das ist der Kreislauf, den du auf deinem Weg zu überwinden hast.

Es gibt Menschen, die reich sind, aber sich trotzdem nicht ihres Lebens entsprechend freuen können. Trotz ihres großen Vermögens und ihrer vielen Häuser sind sie unglücklich und ihr Leben ist trostlos. Sie leiden vielleicht an schweren chronischen Krankheiten und ihre Söhne sind Taugenichtse oder sie werden von ihren Freunden und Angehörigen gemieden. Wie erklärst du dir das? In ihrem Vorleben verlangten sie nach Geld, das sie nun in diesem Leben erhalten haben, aber nicht richtig anwenden konnten. Sie hatten in ihrem Vorleben einen schlechten Charakter und müssen jetzt leiden.

Tue gute Taten, entwickele erhabene, göttliche Gedanken und forme deinen Charakter. Nur ein reiner, heiliger Wunsch soll dich erfüllen, der Wunsch nach Befreiung aus den Kreislauf von Geburt und Tod. Dein Charakter formt sich durch deine Gedanken. Du wirst so, wie deine Gedanken sind. Sind sie edel, wirst du mit einem guten Charakter wiedergeboren, sind sie niedrig, erhältst du im nächsten Leben einen schlechten Charakter. Das ist das unwandelbare Gesetz der Natur.

Deine Wünsche entscheiden darüber, welche Umgebung du in deinem nächsten Leben vorfinden wirst. Wenn du Reichtum begehrst, wirst du ihn in deinem nächsten Leben bekommen. Wenn du nach Macht verlangst, wird sie dir in deinem nächsten Leben zuteil. Aber Geld und Macht können dir nicht ewige Glückseligkeit und Unsterblichkeit verleihen. Darum musst du deine Wünsche sehr sorgfältig beobachten und darfst nur den einen starken Wunsch nach Moksha oder endgültiger Befreiung haben. Töte alle weltlichen Begierden und du wirst bald vom Kreislauf der Geburten und Tode befreit sein.

Die Beweise der Unsterblichkeit der Seele

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 307-315.

Vorbemerkungen zur Psychologie

Mit der Theologie oder der Lehre vom Seienden und der Kosmologie oder der Lehre von seinem Erscheinen als Welt ist der Natur der Sache nach der Grundbau des Systemes vollendet, und es ist nur eine weitere Ausführung des schon Dargestellten, wenn wir in der Psychologie und den ihr folgenden Teilen einer bestimmten Seite des Weltganzen unsere nähere Aufmerksamkeit zuwenden, um das wichtigste und jedem unmittelbar innerlich gegenwärtige Weltphänomen, die Seele, nach ihrer Natur und ihren beiden Ständen der Wanderung und der Erlösung genauer zu betrachten.

Zwei Faktoren sind es, welche das Weltganze konstituieren und von denen der eine in diesem Schauspiel der Weltentwicklung füglich als die Schaubühne, der andere als die auftretenden Schauspieler bezeichnet werden kann; der eine Faktor ist die unorganische Natur, bestehend aus Raum, Wind, Feuer, Wasser und Erde, der andere die organische Natur, bestehend aus den in die Elemente eingegangenen und als Pflanzen, Tiere, Menschen und Götter umwandernden Seelen. Beide Faktoren gehen im letzten Grunde auf das Brahman zurück, auf das „Eine ohne Zweites", welches nach der exoterischen Anschauung zu Anfang jeder Weltperiode die Elemente neu schafft und dann „mit dem lebenden Selbste", d. h. der individuellen Seele in sie eingeht (S. '249); beide aber, die Elemente wie die Seelen, sind, von dein höhern, esoterischen Standpunkte der Identitätslehre aus betrachtet, das eine ungeteilte Brahman selbst, indem weder die Ausbreitung (Prapanca) der Elemente zu Namen und Gestalten, wie sie „als Vergeltung der Tat am Täter" (Kriya-Karaka Phalam, S. 273,12. 291,6. 447,3. 987,6) der Seele „aufgebürdet" wird, noch auch das von den Upadhis verhüllte und dadurch als umwandernde, genießende und handelnde Seele sich darstellende Brahman eine im höchsten Sinne (Paramarthatah) reale, über das eine, zweitlose, unteilbare Brahman hinausreichende Existenz haben.

Diese doppelte Grundanschauung des Vedanta: der esoterischen Lehre, wonach jede Seele das ganze, unteilbare, nichts anderes neben sich zulassende Brahman selbst ist, und der exoterischen Lehre, nach der es eine Vielheit von Ewigkeit her wandernder aber nichtsdestoweniger (inkonsequent) als aus dem Brahman emanierend vorgestellter Seelen gibt, — ist durchaus im folgenden festzuhalten, wenn wir auch (in der Voraussetzung, dass der Leser mit der leitenden Grundanschauung nunmehr hinreichend vertraut ist) darauf verzichten, die esoterische und exoterische Psychologie in zwei streng getrennten Abteilungen zu behandeln, indem zu diesem Zwecke die Gedankenordnung des Originals allzusehr zersplittert werden müsste. Im allgemeinen nämlich stellt sich Shankara in der Psychologie auf den esoterischen Standpunkt und überlässt es dem Gegner, dessen Meinung auf Schritt und Tritt ausführlich entwickelt und sodann widerlegt wird, den exoterischen Standpunkt zu vertreten; daneben aber kann er es, im Hinblick auf die von ihm für die „niedere Wissenschaft" festgehaltene Seelenwanderungslehre, nicht vermeiden, selbst auf den exoterisehen Standpunkt herabzusteigen, wobei er die von ihm selbst bekämpften Argumente, wenigstens zum Teil und bedingterweise, sich aneignet, um dadurch eine Grundlage für die demnächst abzuhandelnde Lehre von dem Santsara, d. h. der „Umwanderung" der Seele zu gewinnen.

Indem wir die einzelnen Komplexe der Untersuchungen, wie sie das Grundwerk darbietet, soweit wie möglich unangetastet lassen und nur in der Anordnung derselben einige durch die Sache geforderten Abänderungen vornehmen, werden wir zuerst die Fragen nach Ursprung und Wesen der Seele (Kap. XXIII), nach ihrem Verhältnis zu Gott (Kap. XXIV), zum Leibe (Kap. XXV) und zu den eigenen Werken (Kap. XXVI) abhandeln , alles dies von esoterischem Standpunkt, wobei jedoch, durch die fortwährende Beziehung auf den entgegengesetzten, exoterischen Standpunkt schon manche für diesen gültige Anschauungen gewonnen werden; ihre weitere Ausführung erhalten dieselben, indem wir sodann, zum exoterischen Standpunkt übergehend, die Seele nach ihren empirischen Organen (Kap. XXVII) und Zuständen (Kap. XXVIII) im einzelnen betrachten, woran sich, im folgenden Hauptteile, die Lehre von der Seelenwanderung als an ihre Voraussetzung ungezwungen anschließen wird.

Bevor wir jedoch in diese Erörterungen eintreten, müssen wir einleitungsweise die Beweise für die Unsterblichkeit der Seele vorführen, welche sich nicht in dem psychologischen Teil des Werks (2,3,15-2,4,19 und 3,2,1-10), sondern unter dem Gemenge, aus dem die Teile 3,3 und 3,4 bestehen, vorfinden, nämlich 3,3,53-54. Wiewohl Shankara die Einschiebung dieser Episode an der betreffenden Stelle künstlich zu motivieren weiß, so gehört sie doch, der Natur der Sache nach, nicht dorthin, sondern zur Psychologie, und zwar als Einleitung derselben, indem der Lehre von der Seele der Nachweis, dass es eine solche, dass es einen über den Leib hinaus reichenden und von dessen Untergang nicht betroffenen Teil am Menschen gibt, als conditio sine qua non vorauszugehen hat.

Das Wort „Unsterblichkeit" ist hierbei in dem okzidentalischen, bei uns üblichen Sinne einer „Unzerstörbarkeit durch den Tod" zu nehmen. Der Inder versteht unter dem entsprechenden Amritatvam in der Regel, wie wir schon hervorhoben (S. 160), etwas anderes, nämlich „das nicht mehr sterben Können" der erlösten Seele. Was wir Unsterblichkeit nennen, heißt bei ihm gewöhnlich Vyatireka, „das Hinausreichen (über den Leib)", und um dieses handelt es sich bei der folgenden Kontroverse zwischen Materialisten und Vedantisten, die wir, bei dem hohen Interesse der behandelten Frage, in unverkürzter Übersetzung folgen lassen.

Gründe der Materialisten gegen die Unsterblichkeit der Seele

„Einige, nämlich die nur in dem Leibe das Selbst sehenden Materialisten (Lokayatika) glauben, dass ein über den Leib hinaus fortbestehendes Selbst nicht existiere, und indem sie annehmen, dass das Geistige, wiewohl unsichtbar, in den gesamten und einzelnen äußern Elementen, Erde usw. wie sie sich zur Gestalt des Leibes umformen, enthalten sei, behaupten sie, dass aus diesen das Geistige als Erkenntnis hervorgehe so wie die Kraft des Rausches [aus den Gärstoffen], und dass der Mensch [nur] ein durch dieses Geistige „sich auszeichnender Leib sei. Hingegen leugnen sie ein „über den Leib hinaus fortbestehendes Selbst, vermöge dessen „das Geistige im Leibe sei, und welches imstande wäre, in „den Himmel oder in die Erlösung einzugehen; vielmehr nehmen sie an, dass der Leib allein das Geistige und das Selbst sei, und führen als Grund an, dass das Geistige nur so lange bestehe, wie der Leib besteht. Denn was so lange besteht, wie ein anderes besteht, und nicht mehr besteht, wenn jenes nicht mehr besteht, das ist damit, dass es eine Qualität desselben ist, vollständig begriffen, wie Hitze und Licht damit, dass sie Qualitäten des Feuers sind. Ebenso stehe es mit Odem, Bewegung, Geist, Erinnerung usw., welche von den Anhängern der Seele für Qualitäten der Seele gehalten würden: da auch sie nur innerhalb des Leibes wahrgenommen würden und außerhalb desselben nicht wahrgenommen würden, und da ein über den Leib hinausreichender Träger dieser Qualitäten nicht erweisbar sei, so könnten sie nichts anderes sein, als Qualitäten des Leibes. Somit bestehe das „Selbst über den Leib hinaus nicht fort" (S. 954,5-955,2).

Beweise der Unsterblichkeit der Seele

„Hierauf erwidern wir: es ist nicht wahr, dass das Selbst nicht über den Leib hinaus fortbestehe, vielmehr muss ein Fortbestehen desselben über den Leib hinaus angenommen werden, weil es in seinem (des Leibes) Sein nicht das Sein hat. Denn wenn daraus, dass die Qualitäten des Selbstes bestehen, solange der Leib besteht, gefolgert wird, dass sie Qualitäten des Leibes seien, so muss doch auch daraus, dass jene nicht mehr bestehen, während der Leib noch besteht, geschlossen werden, dass sie nicht Qualitäten des Leibes sind, indem sie von den Qualitäten des Leibes wesensverschieden sind. Denn was Qualität des Leibes ist, wie die Gestalt usw., das muss so lange bestehen, wie der Leib. Hingegen bestehen Odem, Bewegung usw. nicht mehr, wiewohl noch der Leib besteht, nämlich im Zustand des [[Tod]es. Dazu kommt, dass die Qualitäten des Leibes, wie Gestalt usw., auch von andern wahrgenommen werden, nicht aber ist es so mit den Qualitäten des Selbstes, Geist, Erinnerung usw.

Ferner: daraus, dass der Leib im lebenden Zustande besteht, kann man allerdings beweisen, dass jene [die Qualitäten des Selbstes] bestehen, nicht aber daraus, dass er nicht besteht, dass jene nicht bestehen; denn es bleibt die Möglichkeit offen, dass, wenn auch dieser Leib einmal dahinfällt, die Qualitäten des Seibstes durch Eingehen in einen andern Leib fortbestehen; die Meinung der Gegner verbietet sich somit auch dadurch, dass sie eine bloße Mutmaßung (Samshaya) ist.

Weiter muss man den Gegner fragen, wie er sich denn das Geistige denkt, wenn er seine Entstehung aus den Elementen annimmt; denn außer den vier Elementen nehmen ja die Materialisten keine Wesenheit an. Wenn er sagt: „das Geistige ist das Wahrnehmen der Elemente und ihrer Produkte, so sind also jene seine Objekte, und folglich kann es nicht eine Qualität derselben sein, indem eine Betätigung gegen das eigene Selbst ein Widerspruch ist: denn das Feuer, obgleich es heiß ist, brennt doch nicht sich selbst, und der Tänzer, so geschickt er auch ist, kann doch nicht auf seine eigene Schulter steigen; soll das Geistige eine Qualität der Elemente und ihrer Produkte sein, so können die Elemente und ihre Produkte nicht Objekt desselben werden; denn z. B. die Gestalten können nicht die eigene Gestalt oder eine andere Gestalt zum Objekte haben, während hingegen das Geistige die Elemente und ihre Produkte, die außerhalb sowohl, als die an dem eigenen Selbst befindlichen, zu Objekten hat. Wie man daher auf das Dasein der Elemente und ihrer Produkte daraus schließt, dass man sie wahrnimmt, so muss man auch schließen, dass diese Wahrnehmung über dieselben hinausreicht [die Wahrnehmung ist die Trägerin der Körperwelt, nicht umgekehrt], die Eigennatur der Wahrnehmung aber ist eben das, was wir die Seele nennen. So folgt die Unabhängigkeit der Seele vom Leibe und ihre Ewigkeit aus der einheitlichen Natur der Wahrnehmung, und die Erinnerung usw. wird dadurch möglich, dass, nachdem man eine Sache wahrgenommen hat, man sie auch in einem andern Zustande wiedererkennt, weil man der mit „sich identische Wahrnehmer ist".

„Wenn aber gesagt wurde, dass die Wahrnehmung eine Qualität des Leibes sei, weil sie so lange bestehe wie der Leib besteht, so ist darauf in der schon angezeigten Weise zu antworten: die Wahrnehmung besteht, solange die Hilfsmittel derselben, z. B. die Lampe, bestehen, und sie besteht nicht mehr, wenn jene nicht mehr bestehen; aber daraus darf man nicht schließen, dass die Wahrnehmung eine bloße Qualität der Lampe sei; und ebenso braucht nicht darum, weil die Wahrnehmung besteht, solange der Leib besteht, und nicht mehr besteht, wenn er nicht mehr besteht, die Wahrnehmung eine Qualität des Leibes zu sein; denn der Leib dient dabei, ebenso wie die Lampe, als ein bloßes Hilfsmittel. Auch ist die Mithilfe des Leibes bei der Wahrnehmung nicht unbedingt erforderlich, denn auch während der Leib unbeweglich im Schlafe liegt, haben wir mancherlei Wahrnehmungen. — Folglich ist die Existenz der über den Leib hinaus fortbestehenden Seele unbestreitbar." (S. 955-957).

Über die Unsterblichkeitslehre im allgemeinen

Wäre das menschliche Denken was es nicht ist und vielleicht nie werden wird, wäre dasselbe völlig konsequent, so würde es wahrscheinlich nur zwei philosophische Standpunkte geben: den Idealismus, welcher die uns umgebende Welt für nicht real im strengen Sinne hält, und der Realismus, welcher sie für real hält. Auf beiden Standpunkten ist, falls sie konsequent gewahrt werden, für die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, wie uns scheint, kein Platz. Denn dem Idealismus ist es wesentlich, auf dem einen oder andern der von uns Kap. II, 1, S. 48 fg. angedeuteten Wege zu der Überzeugung von der Nichtigkeit aller Vielheit sowie alles Entstehens und Vergehens, verbunden mit der alleinigen Gewissheit des eigenen Ich zu gelangen: die richtige Konsequenz dieses Standpunktes ist das Bewusstsein der Identität des eigenen Ich mit dem Ansichseienden und der Identifikation mit ihm, nachdem der Traum dieser Existenz vorüber ist, — einer Identifikation, welche nicht sowohl zu denken ist als ein Sich-verlieren des Ichs in das All, als vielmehr (wenn man einmal räumlich vom Raumlosen reden will) als ein Eingehen des Alls in das Ich, als eine Verwirklichung dessen im Ganzen, was im einzelnen sich in jeder Handlung der Moralität verwirklicht.

Auf diesem Standpunkte ist die Lehre von der Unsterblichkeit überflüssig, sofern was damit gesagt werden soll sioh von selbst versteht. Auf dem Standpunkte des Realismus hingegen ist sie konsequentermaßen unmöglich. Ist die Natur real, so sind ihre Aussagen wahr; und diese besagen unmissverständlich, dass wir durch die Zeugung aus Nichts entstehen und mit dem Tode wieder in Nichts zurückgehen.

Nach diesen Betrachtungen erscheint die Unsterblichkeitslehre als ein Kompromiss zwischen Idealismus und Realismus: als ein Versuch, die im Selbstbewusstsein wurzelnde idealistische Gewissheit der Unwandelbarkeit des eigenen Ich auf dem realistischen Standpunkte, der dem Intellekt von Haus aus wesentlich ist, zu verfechten, — ein vergebliches Bemühen, wie die Geschichte der Unsterblichkeitsbeweise zur Genüge zeigt.

Im Vedantasystem wird der Idealismus durch den esoterischen Standpunkt der Identitätslehre, der Realismus durch die exoterische Lehre von der Weltschöpfung repräsentiert. Für den esoterischen Standpunkt ist die Seele mit Brahman identisch, und um dessen inne zu werden bedarf es nur der richtigen Selbsterkenntnis, aber keiner Beweise der Unsterblichkeit. Der exoterische Standpunkt lässt alles aus Brahman hervor- und in Brahman zurückgehen: mit dieser Auffassung ist keine Lehre von der Unsterblichkeit, sondern nur die Anschauung der Upanishaden vereinbar, welche sich in den Worten (Mund. 2,1,1) ausspricht:

„Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken

Ihm gleichen Wesens tausendfach entspringen, So gehn, o Teurer, aus dem Unvergänglichen die mannigfachen Wesen Hervor und wieder in dasselbe ein."

Nach dieser gewiss ursprünglichen Anschauung ist die Seele entstanden und, als notwendige Folge davon, auch vergänglich. Denn was so beschaffen ist, dass es entstehen kann, das ist auch so beschaffen, dass es vergehen kann.

Aber die Seele ist der Punkt im Universum, wo der das Ansichseiende verhüllende (aus Raum, Zeit und Kausalität gewobene) Schleier so dünn wird, dass wir durch denselben hindurch Verhältnisse gewahren, welche gegen die Weltordnung des Realismus Protest einlegen und einer konsequenten Durchführung desselben sich widersetzen. Ein solches Verhältnis ist vor allem die metaphysische, über das Grab hinausreichende Bedeutsamkeit des menschlichen Handelns. Wenn der Mensch stirbt, und sein Wesen in die Elemente zerflattert, dann gibt es etwas an ihm, was ihn nicht verlässt: es sind seine Werke, wie der Veda (Brih. 3,2,13) sagt; und diese Überzeugung von der Unzerstörbarkeit des moralischen Teiles des Menschen durch den Tod nötigt den Vedanta inkonsequenterweise statt der auf dem exoterischen Standpunkte geforderten Absorption in das Brahman ein Fortbestehen der Seele in ihrer individuellen Bestimmtheit, durch das Brahman hindurch, in welches sie sterbend eingeht, aufrecht zu halten.

Wir werden auf diese Fragen der exoterischen Psychologie später zurückkommen. Zunächst aber handelt es sich nicht um die empirische, mit den Upadhis behaftete und dadurch wandernde, tätige und leidende Seele, sondern um die Bestimmung der metaphysischen, von allem diesem freien Natur der Seele, wenn dabei auch oft genug vorausgreifend auf die Verhüllung der Seele durch die Upadhis Bezug zu nehmen sein wird.

Die Unsterblichkeit der Seele laut Bhagavad Gita

Die Bhagavadgita erklärt immer wieder, dass die Seele unsterblich ist. Hier zwei Vorträge mit Kommentaren zur Bhagavad Gita, 2. Kapitels - in dem Krishna den Arjuna sehr eindrücklich auf die Unsterblichkeit der Seele hinweist:

Siehe auch

Literatur

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