Yoga der Konzentration
Der Yoga der Konzentration ist ein Übungsweg, um Konzentration zu entwickeln. Konzentration ist eine Vorstufe zur Meditation. Über Konzentration im Alltag kommt Freude, Inspiration, Zugang zur Intuition. Konzentration im Alltag ist die Grundlage für mystische Erfahrungen. Der Yoga der Konzentration entwickelt die Konzentration in großem Maße. Konzentration hilft auch im Alltag Erfolg zu haben.
Die Quintessenz des Yoga der Konzentration
- Auszug aus dem Buch "Konzentration und Meditation" von Swami Sivananda -
Es ist schwer zu sagen, wo Konzentration aufhört und Meditation beginnt, denn Meditation folgt auf Konzentration. Reinige zunächst deinen Geist, Denken und Gemüt, durch die Praxis von Yama und Niyama, dann beginne mit der Übung von Dharana (Konzentration). Das Abziehen des Geistes von den Sinnesobjekten (Pratyahara) ist ein wichtiger Schritt zur Konzentration.
Gehe den spirituellen Weg Schritt für Schritt
Lege erst die Grundlage von
- Yama (ethisches Verhalten),
- Niyama (eigene Disziplin),
- Asana (Körperübungen und -haltung),
- Pranayama (Atemübung)
- und Pratyahara (nach innen zentrieren).
Auf diesem Fundament kann man dann
- Dharana (Konzentration)
- Dhyana (Meditation)
- und Samadhi (Überbewusstsein)
aufbauen.
Bahiranga und Antaranga Sadhana
Asanas als Körperübungen und als Sitzhaltung für die Meditation ist äußere Praxis (bahiranga sadhana); Dhyana ist innere Praxis (antaranga sadhana). Im Vergleich zu Dhyana und samadhi ist selbst Dharana nur bahiranga sadhana. Wer eine feste Sitzhaltung hat und die Energiebahnen (nadis) und die energetische Hülle (Pranamaya Kosha) durch Pranayama gereinigt hat, kann sich leicht konzentrieren.
Konzentrationstechniken
Du kannst dich zum Beispiel konzentrieren
- nach innen auf eines der Energiezentren wie muladhara, svadhishthana, manipura, anahata, vishuddha, ajna und sahasrara chakra
- auf das Dritte Auge (Trikuti, Punkt zwischen den Augenbrauen)
- auf innere mystische Klänge (Anahata Dhvani)
- oder nach außen auf das Bild eines göttlichen Aspektes wie Vishnu, Shiva, Krishna oder Devi
- auf ein Symbol von Om
- auf das Bild deines Gurus oder irgendeines/r Heiligen
- auf eine Kerzenflamme
- auf einen Punkt an der Wand
- auf einen Bleistift
- auf eine Rose
- oder auf irgendein dir angenehmes Objekt.
Das ist konkrete Konzentration.
Vedantins konzentrieren sich auf atman, das innere Selbst. Das ist abstrakte Meditation.
Der Geist lässt sich leicht auf einen angenehmen Gegenstand lenken, zum Beispiel auf eine Jasminblüte, eine Mango oder Orange oder einen lieben Freund; schwieriger auf etwas Unangenehmes wie eine Kobra, ein Exkrement, einen Feind oder ein hässliches Gesicht. Verbinde Gedanken von Erhabenheit und Reinheit mit dem Konzentrationsgegenstand. Übe so lange, bis die Gedanken fest im Konzentrationsobjekt gesammelt sind und hole sie immer wieder dorthin zurück. Krishna sagt in der Bhagavad Gita: „Sooft der unstete ruhelose Geist abschweift, bringe ihn immer wieder zurück, bis du den Geist der alleinigen Kontrolle des Selbst unterstellt hast.“ (BhG 6.26).
Konzentration (dharana) ist die sechste Stufe der Ashtanga, der acht Glieder der Meditation von Patanjali. Wenn der Geist konzentriert ist, ist nur eine einzige Gedankenwelle im Geist und er nimmt die Form nur dieses einen Konzentrationsobjektes an. Alles andere Denken ist angehalten. Wer eine halbe oder ganze Stunde lang wirkliche Konzentration üben kann, erlangt große Geistes- und Willenskraft.
Konzentration im Hatha-/Kundalini Yoga
Wenn ein Hatha Yogi sich auf die „sechs Stützpunkte“ (shad adhara), die sechs unteren Energiezentren, konzentriert, konzentriert er sich zugleich auf die entsprechenden Gottheiten: Ganesha, Brahma, Vishnu, Rudra, Ishvara und Sadashiva. Auf diesem Übungsweg arbeitet man mit Pranayama, der Atembeherrschung und -lenkung und dem Zurückziehen der Sinne. Danach richte den Geist ausschließlich auf saguna oder nirguna brahman.
Konzentrationsanleitung
Vom Apfel zum Bahnhof…
- Ziehe dich in ein ruhiges Zimmer zurück. Setze dich im Lotus (padmasana) oder einer anderen Sitzhaltung hin. Schließe die Augen.
- Beobachte, was geschieht, wenn du dich auf einen Apfel konzentrierst.
- Du kannst an seine Farbe, seine Form, an seine Größe und seine verschiedenen Teile wie Schale, Fruchtfleisch und Samen denken.
- Du kannst an die Orte denken, wo er wächst, zum Beispiel in Kashmir oder Australien,
- an seinen süßen oder sauren Geschmack,
- an seine Wirkung auf Blut und Verdauung.
- Durch das Gesetz der Assoziation mögen sich auch Gedanken an andere Früchte einstellen.
- Und ganz andere Gedanken mögen auftauchen und der Geist beginnt zu wandern.
- Vielleicht wandern die Gedanken zu einer Verabredung am Bahnhof mit einem Freund, zu einem Einkauf eines Handtuchs oder von Tee und Keksen. Und dann grübelt er vielleicht über ein unerfreuliches Ereignis vom Vortag.
Versuche, bei einem bestimmten Bereich des Denkens zu bleiben und nichts hereinzulassen, was nicht damit in Bezug steht.
Du wirst schwer kämpfen müssen, um dahin zu kommen. Der Geist wird alles versuchen, um in den gewohnten Bahnen zu bleiben. Es ist wie ein steiler Aufstieg im Gebirge. Schon ein wenig Erfolg wird dir viel Freude bereiten.
Geistige Gesetzmäßigkeiten
Wie auf der physischen Ebene die Gesetze von Gravitation und Kohäsion und so weiter wirksam sind, so wirken auf der geistigen Ebene bestimmte Gesetze des Denkens wie das Gesetz der Assoziation, der Kontinuität, Gesetz von Ursache und Wirkung. Wenn der Geist an ein Objekt denkt, denkt er gleichzeitig auch an dessen Eigenschaften und Teile. Und wenn er an eine Ursache denkt, denkt er automatisch auch deren Wirkungen. Daher ist es gut, diese Gesetze der Gedankenkraft zu kennen.
Wenn du die Bhagavad Gita, das Ramayana oder bestimmte Kapitel des Bhagavata Purana mehrmals aufmerksam liest, wirst du jedes Mal neue Ideen entdecken und tiefere Einsichten bekommen. Subtile esoterisch-spirituelle und philosophische Bedeutungen werden dir bewusst.
Kämpfe nicht gegen den Geist
Vermeide Anspannung. Denke sanft und kontinuierlich an dein Konzentrationsobjekt. Erlaube dem Geist nicht, abzuwandern, sondern bringe ihn sanft immer wieder zurück.
Wenn währenddessen Emotionen auftauchen, kümmere dich einfach nicht um sie. Sie werden von selbst wieder aufhören. Wenn du versuchst, sie zu verscheuchen, musst du deine Willenskraft strapazieren. Deshalb bleibe einfach neutral und indifferent.
In vedantischen Meditation setzt man die Methode des neutralen Beobachtens (sakshi-bhava) ein. Man sagt sich zum Beispiel bei allem, was an Geistesinhalten auftaucht: „Berührt mich nicht, sondern entschwindet. Ich bin Zeuge aller mentalen Veränderungen.“ In der bhakti betet man einfach und bittet Gott um Hilfe.
Tipps für systematisches Konzentrationstraining
Übe, dich auf verschiedene Gegenstände zu konzentrieren:
- physisch-grobstoffliche
- subtile, feinstoffliche
- verschiedener Größe, von klein über mittel bis groß.
Auf diese Weise wird im Lauf der Zeit eine wirksame Konzentration zur Gewohnheit. Sobald du dich dann zur Konzentration hinsetzt, wird der entsprechende konzentrative Geisteszustand von selbst kommen.
Lies ein Buch aufmerksam. Es ist sinnlos, die Seiten schnell zu überfliegen. Lies eine Seite in der Bhagavad Gita, schließe das Buch und konzentriere dich auf das Gelesene. Suche Parallelen im Mahabharata, in den Upanishaden und Bhagavata-Puraṇa. Vergleiche sie und stelle sie einander gegenüber.
Anfangs ist die Übung der Konzentration schwierig und ermüdend, denn man muss neue Bahnen im Geist und Gehirn schaffen. Nach ein paar Monaten aber steigt das Interesse und man erfährt eine neue Art von Freude durch die Konzentration. Dann fühlt man sich unruhig, wenn man die Übung einen Tag auslässt und einem dieses Glück auch nur einen Tag fehlt. Konzentration befreit vom Leid und den Sorgen dieser Welt. Aufgabe des Lebens in einem physischen Körper ist es, durch Konzentration das Selbst zu verwirklichen. Im Vergleich dazu sind Wohltätigkeit oder große Opferrituale (rajasuya yajna) unwesentlich.
Wunschlosigkeit (vairagya), Beherrschung der Sinne (pratyahara) und Konzentrationsübungen werden die zerstreuten Gedanken allmählich sammeln. So wird der Denkapparat fähig, sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Wenn man nur ab und zu einmal Konzentration übt, wird man den Geist nur selten zur Ruhe bringen können, da die Gedanken immer wieder zu wandern beginnen. Die beste Methode, den Geist zu trainieren, jederzeit deine Befehle auszuführen, ist eine stetige und systematische Übung des Raja Yoga.
Gründe für langsamen Fortschritt
- Wenn der Aspirant/die Aspirantin ungeeigneten Dingen nachläuft, wird er/sie nur mühsam und stockend Fortschritte machen, während er auf dem rechten Pfad leichter Erfolg haben und bald seine Intuition erwecken wird.
- Ebenso anstrengend ist der Weg für Menschen, die aus früheren Leben keine entsprechenden Vorbedingungen und spirituellen Samskaras haben. Wer schon spirituelle Samskaras aus vorherigen Leben mitbringt, macht leicht Fortschritte.
- Auch jemand, dessen Charakter momentan eher verdorben ist und der über wenig Selbstbeherrschung verfügt, wird sich schwer tun und seine Intuition nur langsam wecken, während bei einem Menschen mit starker Selbstbeherrschung der Erfolg bald eintritt und die Intuition schnell erwacht.
- Dasselbe gilt, wenn jemand in vollkommener Unwissenheit ist – dann dauert es länger.
Siehe auch
- Meditation
- Dharana
- Samyama
- Konzentration
- Ashtanga
- Raja Yoga
- Konzentrationsübung
- Schulung der Gedanken
Literatur
- Swami Sivananda: Konzentration und Meditation
- Swami Sivananda: Die Kraft der Gedanken
- Swami Sivananda: Japa Yoga
- Sukadev Bretz: Meditieren lernen in 10 Wochen - Übungsbuch mit MP3-CD
- Sukadev Bretz: Die Yoga Weisheit des Patanjali für Menschen von heute
- Sukadev Bretz, Ulrike Schöber: Der Pfad zur Gelassenheit
- Swami Vishnudevananda:Meditation und Mantras
Seminare
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