Schüler

Aus Yogawiki

Schüler

Swami Venkatesananda über Schülerschaft

Sri Swami Venkatesananda, *29.12.1921 in Tanjore, Südindien, †2.12.1982 in Johannesburg, Südafrika, war ein Schüler von Swami Sivananda. Einige Jahrzehnte lebte er mit dem Meister - und beobachtete, wie Swami Sivananda seine Schüler ausbildete. In einem Divine Life Magazine der Divine Life Society schrieb er unteren Artikel:

Meister und Schüler

In seinen Büchern hat Swamiji das Wesentliche des traditionellen Lehrens vermittelt, und in diesen Unterweisungen hat er die geheime Botschaft preisgegeben, wie man mit der Wahrheit in Verbindung bleiben kann und wie man sie zu einem ganzheitlichen Aspekt seines Lebens machen kann. Er verkörperte dieses Lehren. Zum Beispiel, obwohl sein ganzes Leben im wahrsten Sinne des Wortes aus Karma Yoga bestand, waren seine Schriften zu Karma Yoga sehr spärlich. Obwohl er nicht viel unterrichtete, waren die wenigen Worte der Unterweisung, die seine Schüler von ihm hörten, unvergesslich. Er selbst war meistens die lebendige Wahrheit. Durch seine Taten sprach er lauter als durch einen Lautsprecher.

Der erleuchtete Guru kann seine wesentlichen Erfahrungen nicht in Worte fassen. Was niedergeschrieben wurde oder was in Worten ausgedrückt wurde, ist nur ein Bruchstück der Erfahrung des Weisen. Da ist etwas, das er erfahren hat, das unaussprechlich ist. Sogar der kleine Teil, den er ausdrücken kann, geht bei der Übermittlung verloren, da der Schüler nicht achtsam ist. Daher hat Swamiji nur selten die Zuhörer aufgefordert, eigene Notizen zu machen, sondern sie sollten den Dialog oder die Unterhaltung hinterher aufschreiben.

Kommunikation ist fast immer non-verbal. Oft hat man gemerkt, dass ein hoch inspirierender Dialog, wenn er schnell niedergeschrieben wurde, nicht mehr so inspirierend war, weil Swamijis „hm“, ein Lächeln und ein Ausdruck von Gesicht und Augen eine gewaltige Wirkung und Bedeutung hatten. In diesem Bereich fand die Kommunikation statt! Kommunikation kann nur stattfinden, wenn Meister und Schüler miteinander verschmelzen, wenn sie auf der gleichen Ebene und Wellenlänge sind. Dann wird die Lehre aufgenommen, ohne dass ein Wort nötig wäre. In den Katha Upanishad heißt es:

Uttishtata jagrata prapya varan nibodhata. (Arise, awake, be vigilant; then approach a great master and attain enlightment = erhebe Dich, erwache, sei achtsam; dann trete an einen großen Meister heran und erlange Erleuchtung).

Das Erheben und Erwachen sind Sache des Schülers und nicht des Meisters; aber Swamiji wich von dieser Regel ab und gewährte auch Menschen Zugang zum Ashram, die nicht all diese Qualifikationen aufwiesen. Er verbarg die spirituelle Weisheit nicht – sie war da, öffentlich – und er stellte sie nicht zur Schau. Das war ein außergewöhnlicher Wesenszug an ihm. Viele Swamis und Yogis würden auf eine einfache Frage wie „Kann man im Winter im Ganges baden?“ eine lange Rede über Vedanta halten: „Du bist nicht der Körper, Du bist nicht der Geist. Du bist das unsterbliche Selbst. Es ist nicht das unsterbliche Selbst, das die Kälte spürt, es sind Körper und Geist, die die Kälte fühlen!“ Swamiji sprach nie so. If at all, he erred on the other side. Er war mehr an dem körperlichen und intellektuellen Wohlergehen der Aspiranten interessiert, anstatt bei jedem Husten oder Niesen jedesmal irgendwelche religiösen Anweisungen auszusprechen. Er wartete darauf, dass der Aspirant eine spirituelle Frage stellt, und wenn der Fragende eifrig und begeistert war, kommunizierte er Wissen auf unerklärliche Weise.

Damals war es für Heilige Tradition, sich in einer Höhle zu verbergen und zu warten, bis ein qualifizierter Aspirant sich nähern würde. Ein Aspirant, der schon ein inneres Erwachen erfahren hatte, der aufmerksam und begeistert war und der unter Einsatz von viel Kraft und Zeit sich die Mühe gemacht hat, zu ihm zu gelangen, um den Heiligen um Unterweisung zu bitten. Im Großen und Ganzen übernahm Swami Sivananda diese Tradition, indem er „seine Weisheit unter einem großen Mantel verbarg“. Die Menschen, die zu ihm kamen, erinnerten sich an seine Zuneigung und Liebe und seine großen Sorge um ihr körperliches und materielles Wohlergehen. Dies waren seine Hauptsorgen – Weisheit oder atma jnana kamen zu ihrer Zeit. Wenn aber ein Schüler in vollkommener Hingabe und Liebe mit ihm verschmolz, konnte non-verbale Kommunikation sehr leicht geschehen. Dies war sein Geheimnis. Denn er hatte erkannt, dass keine mündlichen Unterweisungen irgendwie fruchten würden, solange der Aspirant nicht Weisheit, Leidenschaftslosigkeit, edle und tugendhafte Eigenschaften und ein beständiges Streben nach Befreiung hat – und somit die non-verbale Kommunikation unmöglich ist.

Schülerschaft

Wenn die Leute in der Anfangszeit nach Rishikesh kamen, fanden sie Swami Sivananda, wie er Glückseligkeit, Frieden und Freude verströmte, obwohl all die Dinge fehlten, von denen man denkt, dass sie für Frieden, Freude und Wohlstand nötig sind. Es gab absolut nichts. Unter solchen Umständen lebend verströmte er trotzdem Freude. Wie konnte er so leben? Der Blick in seinen Augen verriet, das er die Wahrheit gefunden hatte. Wenn man in seine Augen schaute erkannte man, dass er die Wahrheit gefunden hatte und man selber nicht. Das allein machte demütig und man warf sich nieder zu seinen Füßen.

Anfang 1947 saß Swami Sivananda in seinem Büro. Ein junger Mann aus Südafrika, der im Ashram für 2 oder 3 Monate gelebt hatte, musste an diesem Tag abreisen. Er trat ein, fiel vor Swami Sivananda auf die Knie und begann zu weinen. Mit höchster Liebe und Zuneigung schaute Swamiji ihn an. Der junge Mann sagte: „Swamiji, ich muss heute abreisen. Aber wo in Afrika werde ich einen Meister wie Dich finden?“

Plötzlich veränderte sich Swamijis Gesichtsausdruck, und mit einem unheimlich schönen, vielsagenden und verschmitztem Lächeln sagte er: „Hm, Du findest keinen Meister in Afrika?“ In diesem Moment verschwand der Kummer des jungen Mannes und seine Tränen trockneten. Swamiji lachte, blickte ihn fest an und sagte: „Es ist sehr leicht, einen Meister zu finden, aber es ist schwer, einen Schüler zu finden. Sei ein Schüler! Vom Scheitel bis zur Sohle sei ein Schüler! Dann wirst Du einen Meister finden.“

Swamiji sagte niemals „Ich bin Dein Meister“. Manchmal pflegte er zu sagen „Du bist mein Schüler“ oder „er ist mein Schüler“. Seinen ersten Schülern schrieb er: „Ich habe Dich als meinen geliebten Schüler angenommen, ich werde Dir dienen und Dich leiten.“ Wenn er sagte „Ich habe Dich als meinen geliebten Schüler angenommen“, dachten die Schüler, sie dürften Swamiji in Anspruch nehmen und könnten ihm freizügig schreiben. Genau das wollte er auch. Der nächste Satz war „ich werde Dir dienen“. Der Schüler sollte eigentlich dem Meister dienen! In dieser Formulierung hob er die Vorstellung von ihm als Guru auf. Er betrachtete sich selbst nie als Guru.

Dem Meister zu dienen ist besonders wichtig. Indem man dem Meister dient, entdeckt man seine Wellenlänge und wie man sich zu ihr erheben kann. Der Schüler macht etwas auf bestimmte Weise, in einer bestimmten Geisteshaltung – aber der Meister macht es anders, es mag sogar seine Eigenart sein. Aber wenn es der Schüler nicht lernt, Dinge in der Art und Weise des Meisters zu tun, wird er sich nicht auf die Wellenlänge des Meisters einstellen können. Trotzdem ist sein Dienst wertvoll. Auch wenn Swamiji den Schülern das Gefühl gab, dass ihre Arbeit ein wichtiger Beitrag für die Mission war, wollte er ihnen tatsächlich nur Möglichkeiten bieten, sich auf ihn einzustimmen und an ihm auszurichten, - und nicht, weil er ihren Dienst benötigt hätte. Er arbeitete hart daran, Arbeitsbereiche zu erstellen, in denen sie ihre Talente ausüben konnten, um ihnen so zu helfen, innerlich zu wachsen, damit die Kommunikation stattfinden könnte. Zum Beispiel kamen einige Musiker in den Ashram. Zu ihrem Segen organisierte Swamiji Musikunterricht, kaufte die nötigen Instrumente, stellte einen Raum bereit usw. Auf diese Weise verwandelte sich der Sender in einen Empfänger.

Swamiji betonte immer wieder, dass sich der Schüler dem Meister unterwerfen sollte, aber er wusste auch, dass dies weder von Seiten des Schülers noch von Seiten des Meisters erzwungen werden konnte. Es musste geschehen; aber auch dies begünstigte er, indem er die notwendigem Umstände schuf für das Üben der Unterwerfung. Er könnte zum Beispiel ein Anliegen vorbringen, das er gerne erledigt hätte und dann eine ganze Reihe von Alternativen aufzählen. Selbstverständlich würde der Schüler sich für etwas entscheiden, und daran konnte Swamiji genau erkennen, wo der Schüler stand – war er arrogant oder nur eitel, gleichgültig oder heuchlerisch demütig oder war er wahrhaftig demütig im Geiste der Unterwerfung. Gleichzeitig ermöglichte er es dem Schüler wahrzunehmen, wo er wirklich stand und gab ihm die Gelegenheit, sich selbst in der Situation zu studieren. Somit war der Schüler in die Lage versetzt, sein Ego und dessen Spiel zu erkennen. Wenn ihm dann das hässliche Treiben des Egos bewusst wurde, erwachte Unterwerfung in ihm.

In den ersten Jahren, war Swamiji sehr streng in der Zulasssung von Aspiranten im Ashram; denn sie mussten ein sehr hartes Leben leben. Er erläuterte Anwärtern in ganz klaren Worten, was die Bedingungen für ein Leben dort waren. Aber nachdem er den Ashram aufgebaut hatte und das leibliche Wohl der Sadhakas sichergestellt war, bemühte er sich eifrig darum, mehr und mehr Menschen im Ashram zuzulassen, damit alle eine Möglichkeit zu spirituellem Wachstum haben könnten.

Swamiji arbeitete ohne Unterlass, damit die Aspiranten, die zu seinen Füßen Zuflucht gesucht hatten, vor den Schwierigkeiten bewahrt würden, denen er in der ersten Zeit in Rishikesh ausgesetzt war. Mit aller Macht wollte er verhindern, dass sie kostbare, mentale Energie vergeuden in Gedanken an das leibliche Wohl - Essen, Kleidung, Unterkunft und medizinische Versorgung. Sie sollten frei sein, den Weg zu verfolgen, den sie eingeschlagen hatten.

Da er selbst die Gefahr von Extremen erfahren hatte, sagte er: „Es ist gut, wenn ihr Luxus ablehnt, aber zögert nicht, einfachen Komfort anzunehmen, der die Mindestnotwendigkeit der physischen, menschlichen Existenz abdeckt. Wenn Du für eine gewisse Zeit tüchtig arbeiten musst, dann versage Dir nicht die notwendige, nahrhafte Nahrung. Während Du geistig arbeitest, halte etwas kühlendes Öl wie brahmi amla oil für Deinen Kopf parat . Lehne nicht das Obst ab, wenn ich es Dir anbiete.“ Daher drängte Swamiji die Sadhakas, die mit Studier- und Schreibarbeiten beschäftigt waren, eine kleine Extraportion Milch und Ghee zu nehmen und bot ihnen auch Mandeln und Nüsse an. Wenn sie es ablehnten, war Swamijis Rat: „Das ist keine Weisheit. Wollt Ihr Diabetes und Nervenkrankheit herausfordern? Schaut her, was meine Entsagung bewirkt hat. Trockenes Brot und einfaches Dhal sind nicht der einzige Test für „sadhuism“.“

Niemand im Ashram hatte größere Gebrechen als Swamiji selbst, und trotzdem war da niemand, der härter gearbeitet hätte als er. Wenn er einen Aspiranten traf, dem es gerade nicht gut ging, und wenn es auch nur ein wenig Kopfweh war, sagte er: „Bitte geh‘ und ruhe dich aus!“ und er würde einen Arzt schicken und noch ein halbes Dutzend andere, die ihm beistehen sollten. Wenn aber er jedoch krank war, fegte er streng des Doktors Bitte beiseite, er solle doch dem Körper ein wenig Ruhe gönnen. In diesem einen Aspekt war ein riesiger Unterschied zwischen Swamijis Grundsatz und seiner eigenen Praxis. Er lebte selbst aufopfernden Dienst vor und predigte anderen: „Bitte kümmert Euch um Eure Gesundheit!“ Seine Liebezu aufrichtigen sprirituellen Aspiranten war unvergleichlich.

Im Jahre 1946 war der Ashram ziemlich arm und es gab nur wenige Zimmer und keine Annehmlichkeiten und keinen Komfort. Es gab noch nicht einmal einen Schutz vor den Affen, die regelmäßig den Ashram überfielen. Ein sehr kleiner Raum mit klapprigen Türen wurde „das Büro“ genannt, daran schloss sich ein kleiner Raum an mit niedriger Decke und niedrigem Eingang (Swamiji nannte diesem Raum Demuts-Eingang). Wenn man sich nicht niederbeugen würde, verlöre man den Kopf. An einem Mittag im Hochsommer war es so heiß, dass drei oder vier der Büroarbeiter sowohl die Bürotüre als auch die Verbindungstüren geschlossen hatten, und sich im hinteren Teil aufhielten. Wenn Swamiji zu Mittag aß, fragte er immer nach einem extra Teller. Darauf legte er dann einen Teil seines Essens. Nachdem er seine Mahlzeit gegessen hatte, bedeckte er seinen kahlen Schädel mit einem dünnen Stück Stoff und ging unverzüglich mit dem Teller los, von Raum zu Raum und gab jedem seiner Schüler etwas von seiner Speise (In diesen Tagen war dies eine außergewöhnliche Sache, denn viele Swamis würden weder ihren Schülern noch sonst jemanden wissen lassen, was sie gegessen hatten). Er riet ihnen mit mütterlicher Zuneigung: „Kommt bitte nicht raus, es ist zu heiß.“ An diesem besonderen Tag so gegen 1 Uhr mittags ging er in der sengenden Sonne zum Büro, den Teller in der Hand. Als er sah, dass alle Türen geschlossen waren, nahm er an, die Schüler würden schlafen. So ging er in die Küche, die nebenan war, und fand dort einen Swami. Er gab ihm Essen und sagte: „Die drei Jungs ruhen sich im Büro aus. Bitte störe sie nicht, aber wenn sie aufwachen, gib ihnen dies hier.“


Sein ganzes Leben lang war Swamiji mehr um andere besorgt als um sich selbst. Vielleicht bekam sein Körper dadurch so viele Krankheiten. Wie er nach seinen Schülern schaute, die mütterliche Liebe, die seine Einstellung zu ihnen prägte, darin könnten sich sogar die warmherzigsten Eltern von ihm unterweisen lassen.

Einmal, als Swamiji aus seiner Hütte heraustrat, kam ein Ashram-Arbeiter auf seinem Fahrrad vorbei. Sobald er Swamiji bemerkte, stieg er vom Fahrrad ab und ging zu Fuß weiter. Swamiji sagte: „All diese Formalitäten sind nicht nötig für mich. Liebe und Respekt haben ihren Sitz ihm Herzen; und Du solltest immer Liebe und Respekt für Ältere in Deinem Herzen haben. Dies werde ich wissen! Diese äußeren Formalitäten haben keine große Bedeutung für mich. Du gehst in der heißen Sonne umher, machst Einkäufe in Rishikesh und überwachst die Bauarbeiten. Zögere nicht, an Dich zu denken. Du musst jetzt etwas Kaltes trinken, und in einer halben Stunde solltest Du etwas Heißes trinken. Und wenn Du gerne etwas Obst vom Bazar hättest, so nimm gerne! Du hast die absolute Freiheit alles zu tun, um Deinen Körper in bester Gesundheit zu erhalten.“

Swamiji betrachtete das Leben an den Ufern des heiligen Flusses Ganges zu Füßen des Himalya als einen Segen – mit ein wenig Mantra-Wiederholung (japa), Meditaiton und selbstlosem Dienst, und er war eifrig bemüht, die Tore dazu allen zu öffnen. Unzählige junge Männer suchten Schutz zu Swamijis Füßen als Zuflucht in ihrer Not und Verzweiflung. Swamiji hat niemanden nach seiner Vorgeschichte ausgefragt. In dem Moment, wenn Swamiji auch nur den Hauch von Verzweiflung in den Augen eines Neuankömmlings sah, bekam dieser das Gefühl, dass Swamiji genau auf ihn gewartet hat und dass er ihm einen großen Gefallen tun könnte, dem Ashram beizutreten. Welche psychologische Kraft dies gab ist nicht vorstellbar. Der notleidenden Person wurde das Gefühl von Größe gegeben und unmittelbar fühlte dieser Mensch, dass seine Vergangenheit ein schlechter Traum gewesen war und dass eine wunderbare Zukunft vor ihm läge.

1945 ersuchte eine Frau Zuflucht im Ashram, die von ihrem Mann misshandelt worden war und die Familie verlassen hatte. Selbst die leitenden Personen des Ashrams, die von Swamiji geschult waren, zögerten, der Frau Asyl zu gewähren. Aber Swamiji blieb fest entschlossen, dass sie bleiben durfte. Allein der Gedanke daran, dass diese Frau ansonsten ihr Leben verlieren könnte reichte ihm aus, die ganze Welt zu ignorieren und nur diesem einen Menschen zu dienen. Ganze Bücher könnten damit gefüllt werden, auf welch wunderbare Weise Swamiji sie lehrte, ihre Leiden zu vergessen, ihren Geist zu beherrschen und letztendlich auf ihren eigenen Füßen zu stehen als eine unabhängige Stimme unter den Frauen Indiens. Von einer Belastung verwandelte Swamiji sie zu einer Bereicherung der Gesellschaft: ein wahrhaftiges Beispiel der Rehabilitation.

1955 begrüßte Swamiji einen Koch im Ashram. Der Koch hatte gar nicht vor, da zu bleiben und war überrascht, dass Swamiji bei der ersten Begegnung sagte: „Bitte bleibe hier. Du kannst ein Hotel in der Nachbarschaft eröffnen. Ich werde alles tun, Dich zu unterstützen.“ Er verfolgte die Sache weiterhin und bat den Sekretär, dem Koch einen Raum und die nötigen Utensilien für das Kochen zu besorgen, damit dieser seine Unternehmung starten könnte. Und er bot ihm sogar an: „Du kannst Lebensmittel vom Ashram nehmen und zu Deinem eigenen Gewinn verwenden.“ Etwas später verdeutlichte er seine Einstellung: „Es ist ein Segen, hier an den Ufern des Ganges, in Rishikesh, zu leben. Eines Tages könnte er die Sehnsucht verspüren, zu entsagen. Bis dahin ist es gut, ihn zu ermutigen, auch in seinem Streben nach Geld. Als erstes sorgen wir dafür, dass er hier bleibt, und dann bringen wir ihn langsam zu sadhana.“

Eine andere Frau hatte ihren Mann verloren und war rastlos. Daher kam sie nach Rishikesh und blieb in der Nähe des Ashrams. Sie sagte zu Swamiji: „Ich habe Juwelen im Wert von vier- bis fünftausend Rupien und dazu noch ein Haus. Ich möchte für immer hier bleiben. Wenn Du mir das erlaubst, werde ich das Haus und die Juwelen verkaufen.“ Swamiji antwortete: „Behalte das Haus und die Juwelen. Du kannst in Brindavan bleiben.“ Er gab ihr ein Empfehlungsschreiben mit für einen guten Sadhu in Brindavan und schickte sie dorthin. Und er wies sie an: „Bereise die umliegenden Ortschaften. Verbreite den Ruhm von Gottes Namen. Leite Kirtans an in jedem Haus. Unterrichte die kleinen Kinder.“

Für einige Zeit folgte sie Swamijis Anweisungen. Dann wurde sie psychisch krank. Sie kam zurück nach Rishikesh und machte verliebte Annäherungsversuche an Swamiji. Durch das Fenster warf sie Parfüm auf Swamijis Bett. Und wenn Swamiji die Tür zu seiner Hütte öffnete, kam sie herein um bei ihm zu sitzen. Er fuhr einfach fort mit seiner Arbeit, ohne auch nur daran zu denken, dass sie da war. Nach einer Weile ging sie dann aus eigenen Stücken wieder weg. Swamiji hätte sie auch auffordern können zu gehen; aber nein, er würde nie jemanden auch nur die kleinste Verletzung zufügen. Er war erfüllt von Liebe zu allen.

Nachdem die Belästigungen heftiger wurden, bat uns Swamiji, einen Stacheldrahtzaun um seine Hütte zu errichten. Wenn sie den Zaun um Swamijis Hütte sah, verfiel sie oft in Raserei. Dann warf sie Steine auf Swamijis Hütte. Auch da bewahrte er seine Ruhe. Nach einiger Zeit verschwand sie.

Nach einigen Jahren kehrte sie im Mönchsgewand nach Rishikesh zurück. Sie war alt geworden. Swamiji wurde nie von einem Vorurteil beeinflusst. „Sie könnte sich geändert haben. Jede Sekunde entwickelt man sich. Wir sollten niemanden nach seiner Vergangenheit beurteilen.“, sagte er. Das war sein Leitprinzip. Er erlaubte ihr, in der Nähe des Ashrams zu bleiben. Normalerweise ging sie täglich in den Bazar von Rishikesh, und eine zeitlang sang sie irgendwelchen Unsinn über Swami Sivananda vor jedem Geschäft. Sie beschimpfte und beleidigte ihn sogar in der Öffentlichkeit. Abends kam sie dann in den Ashram. Swamiji sandte ihr Früchte und Mandeln.

Die Saat säen

Viele Menschen, die sich inmitten von Zwietracht, Streit und Angst nach Frieden und Glück sehnten, fanden in „Sivananda Swami of Ananda Kutir“ (wie er von den Leuten in und um Rishikesh normalerweise genannt wurde) eine Vater-Figur, lieber als der eigene. Diejenigen von religiösem und spirituellem Temperament , die sadhana zu ihrem einzigen Lebensziel gemacht hatten, fanden in ihm eine immerwährende Quelle der Weisheit und des Lichtes.

Mit unterschiedlichen Menschen hatte Swamiji auch unterschiedliche Beziehungen. Einige weit entwickelte Aspiranten kamen zu ihm und in ihnen loderte das Feuer der Entsagung, der Verhaftungslosigkeit und der Unterscheidung. Sie zu lehren geschah auf anderen Kanälen. Swamiji wurde nur sehr selten mit ihnen gesehen, auch zogen sie nicht sehr nah zu ihm. Ihre Beziehung zu Swamiji war auf einer völlig anderen Ebene – der spirituellen Ebene. Es gab nur wenige solche Schüler.

Die große Mehrheit der anderen, mit denen Swamiji arbeitete und dichtauf lebte, waren unreife Aspiranten. (Einige hatten nicht die geringste spirituelle Sehnsucht. Sie hatten bei Swamiji Unterschlupf gefunden, weil materielles Versagen sie von zu Hause vertrieben hatte und sie sonst umgekommen wären.) Swamiji musste oft ihn ihnen den Samen von vairagya (Wunschlosigkeit, Verhaftungslosigkeit,Leidenschaftslosigkeit) säen! „Ihn abzuweisen, das kann ich nicht. Gebt ihm wenigstens die Möglichkeit, sich in einen besseren und glücklicheren Menschen zu verwandeln. Falls er versagt – macht nichts. Ein Versuch muss in jedem Fall gemacht werden.“ Solcher Art waren Swamijis Bemerkungen, wenn ein verstörter junger Mann dem Ashram beitreten durfte. So wurde von keinem Aspiranten eine Qualifikation gefordert. Es war eine Art Witz: wenn ein junger Mann sein Examen nicht bestanden hat oder sein Geschäft ruiniert hat – sucht nach ihm im Sivananda Ashram! Swamiji nahm sie großzügig auf und versuchte, sie zum Erwachen zu bringen.

Nicht alle Menschen, die bei Swamiji Zuflucht suchten, waren gute Menschen; aber er sah nur das Gute in ihnen; gegenüber dem Bösen war er blind. Wenn jemand einen schlechten Charakterzug hatte, würde er ihn nie verurteilen oder hart zu ihm sein. Normalerweise sagte er: „Macht Euch nichts daraus, wenn dieser Mann sogar bösartig ist; indem ich ihn herkommen lasse und ihm Obdach gewähre stelle ich sicher, dass es einen Schurken weniger gibt in Delhi!“ Das war seine Philosophie! „Allein die Tatsache, dass derjenige hergekommen ist, zeigt, dass da eine kleine Öffnung ist, egal wie klein, durch die ein wenig Kommunikation stattfinden kann. Lasst ihn hier bleiben, ich werde einen Samen säen. Während dieser Geburt, der nächsten Geburt, kümmert Euch nicht; diese Saat wird jetzt oder viele Jahre später aufgehen.“

Swamiji sagte, dass es wohl zu viel verlangt ist von einer Person, die in der modernen Welt lebt und von allen Seiten mit Ablenkungen und Versuchungen überflutet wird, Leidenschaftslosigkeit und Unterscheidungsvermögen zu entwickeln. Er meinte, dass es möglich sein muss bei einem Menschen, der vor seinem eigenen Scheitern davonläuft, einen Funken zu finden den man anfachen kann zu einer großen Flamme. Sogar wenn gar kein Funken vorhanden war, konnte er eine Flamme entfachen. Das war das Einmalige an Swami Sivananda. Er pflanzte die Samen der Güte, er nährte sie, goss sie und ließ sie wachsen und gedeihen; auch wenn dies ihm selbst ungeheure Schwierigkeiten bereitete, ihm machte das alles gar nichts aus.

Es ist nicht leicht nachzuvollziehen, was die Suchenden in den frühen 1940-er Jahren empfanden, wenn sie in den Ashram kamen. Einige hatten wohl Swami Sivanandas leidenschaftliche Worte in seinen Originalschriften gelesen, die so inspirierend waren, dass man auf der Stelle seine Kleider ablegen wollte, um zum Himalaya zu eilen und dort Enthaltsamkeit zu praktizieren und sofort Selbstverwirklichung zu erreichen! Das war das Besondere an seinem Stil. Viele auf diese Weise inspirierte Menschen kamen in den Ashram. Oft liefen sie los, ohne sich umzuziehen, denn in Swami Sivanandas „How to Get Vairagya“ hatten sie gelesen „renounce everything“ (entsage allem) – und so entsagten sie allem. „seek solitude“ (suche die Einsamkeit, Abgeschiedenheit) – und so suchten sie Abgeschiedenheit im Ashram. Einige von ihnen könnten beim Betreten des Ashrams entdeckt haben, dass andere, die schon vor ihnen angekommen sind, einen schönen Mantel trugen. Und dann dachten sie manchmal: „Aha, sie sind vom Wege abgekommen, sie sind gescheitert. Seht her, wie leidenschaftslos ich bin. Meine Sehnsucht ist viel größer als die Sehnsucht von diesen Leuten, die schon seit so langem mit Swami Sivananda zusammen sind. Sie wissen nicht, was tapas (Askese), vairagya (Wunschlosigkeit) und brennendes Verlangen ist. Jeden Morgen sitze ich hier um 4 Uhr und meditiere. Schau all die alten Ashrambewohner an!“ Swamiji beobachtete sie und schätzte sie.

Egal, was der Aspirant machte, zuerst kam die Ermutigung. Danach würde er ein wenig antreiben. „Enthusiasmus ist sehr gut. Du hat eine wunderbare Sehnsucht. Du bist großartig, Du bist wie Sukadeva. Aber jugendlicher Enthusiasmus ist nicht gut.“ Zuerst eine große Menge Lob, danach eine kleine bittere Pille, das war seine Methode. Niemand sollte entmutigt werden oder das Gefühl bekommen dass das, was er tat, völlig falsch sei. Seine Einstellung war: „Nein, mach das, es ist wunderbar, aber stelle sicher, dass es nicht nur jugendlicher Enthusiasmus ist, etwas, das später ein Rückschlag sein könnte.“

Da die Aspiraten nicht nur noch ganz roh waren, sondern auch noch in keiner Weise erwacht, musste auch das Erwachen vom Meister beeinflusst werden. Bei einer Gelegenheit gingen sehr erfahrene Schüler mit allerhand Beschwerden zu Swamiji. Er musste auch sie zufriedenstellen, also gab er vor, wirkllch ärgerlich zu sein. Sehr zufrieden gingen die erfahrenen Schüler davon und dachten, dass Swamiji sich nun den jungen Aspiranten vornehmen würde. Genau das Gegenteil geschah: der Mann, über den sie sich beschwert hatten, bekam als erstes einige Bananen. Damals gab es im Ashram einen kleinen Jungen, der Swami Sivananda diente, und der kam dann angelaufen und sagte: „Swamiji gibt dir Früchte“. Eine halbe Stunde später würde jemand anderes kommen: „Swamiji lässt Dir Kaffee bringen.“ Und eine Stunde später würde er persönlich erscheinen und sagen: „Du bist hervorragend und glänzend. Meditierst Du gut? Machst Du Japa (Mantrawiederholung)? Gut. Studierst Du vedanta? Sehr gut“ Was wurde nun aus all den Beschwerden? Swamiji würde beobachten, ob all die Ermunterungen wirken würden. Anstatt zu sagen: „Du bist ein schlechter Kerl.“ Bestand Swamiji darauf, sich auf die guten Eigenschaften in Dir zu konzentrieren, Dir zu sagen, dass Du ein guter Arbeiter bist, auch wenn Du kein spirituelles Verlangen und keine Hingabe hattest. Er würde sagen: „Du bist ein großartiger Arbeiter. Da ist niemand, der so hart arbeitet wie Du.“ Dann würde er freundlich hinzufügen: „Immer, wenn Du arbeitest, sehe Gott in allem. Warum hilfst Du nicht in der Küche und gibst Essen aus? Du bist ein großartiger Mann, Du hast einen hübschen Körper und eine schöne Stimme. Wenn Du roti servierst, sage Bhagavan roti, roti Narayan, roti Maharaj.“ In diesem Moment wurde die Saat der spirituellen Sehnsucht gesät.

Swamiji tat für Aspiranten, was sogar die liebevollsten Eltern nicht immer tun würden. In dem Moment, in dem sich auch nur die leiseste Spur eines Talentes bei einem Aspiranten zeigen würde, widmete er sich persönlich dem Erwecken und vollen Entfaltung dieses Talentes des Aspiranten. Tag und Nacht würde er über Mittel und Wege nachsinnen, wie der sadhaka sich entfalten könnte; letztendlich zum Segen der ganzen Menschheit. Auf diese Weise wurden einige Abteilungen im Ananda Kutir gegründet und fortgeführt. 1948 trat ein junger Mann dem Ashram bei; er sagte, dass er sich mit Papierherstellung auskennen würde. Am folgenden Morgen ließ Swamiji eine Grube ausheben und ließ Rohmaterialien anliefern, damit dieser junge Mann, der keinerlei Qualifikationen (Swamiji fragte auch niemals danach) nachweisen konnte, seine Ideen verwirklichen konnte.

Swamiji nahm so ein aufrichtiges Interesse in all diese Unternehmungen, dass man denken könnte, er hätte gerade darauf gewartet, dass eine Person kommt und ihm genau bei dieser Arbeit hilft. So umfassend und gründlich war seine Begeisterung, dass er in kurzer Zeit Vorschläge machen konnte, wie man diese Arbeit, in der der Aspirant ja eigentlich der Experte war, besser erledigen könnte. So war es auch mit dem Fotostudio im Ashram.

Läuterung/Reinigung

Swamiji hat manchmal betont, dass atma jnana (Selbstverwirklichung) denkbar einfach ist. Es ist ganz einfach, ABER die vorbereitende Reinigung, die eine Voraussetzung ist, ist extrem schwierig. Wenn die Reinigungsübungen anstanden, wendete er sehr einfache Methoden an, die aber sehr tiefgreifend in ihrer Wirkung waren. Die Übungen mussten kontinuierlich gemacht werden (im Sinne von Wiederholung). Swamiji musste sie wieder und wieder und wieder machen. Er hatte eine solche Geduld, dass er niemals jemanden als hoffnungslosen Fall betrachtete. Wenn ein Schüler den Sinn auf die eine Weise nicht einsehen konnte, würde Swamiji es so oder so abwandeln. Swamiji drehte und wendete es, bis eines Tages, so hoffte er, der Schüler einsehen würde, was er ihm versuchte beizubringen.

Wenn jemand eine Schwäche hatte, war Swamiji demgegenüber blind und sagte: „Er hat einige Schwächen, aber er hat auch einige großartigen Fähigkeiten.“ Er wählte die Methode, niemals die Fehler einer Person hervorzuheben, es sei denn, dass es nötig wäre. – Zum Beispiel im Falle einer Konfrontation mit einem anderen Schüler, wenn man Swamiji die Angelegenheit vorgetragen hatte und beide vor ihm erscheinen mussten. Und wenn er einen Tadel aussprechen musste, tat er es ganz liebenswürdig. Als erstes würde er den Aspiranten loben. „Du hast diese und jene gute Eigenschaft. Als erstes ist es Dein größtes Glück, dass Du der Welt entsagt hast, hierher gekommen bist und im Ganges gebadet hast. Du musst in hunderten von vergangenen Leben spirituell praktiziert haben, um so spirituell veranlagt zu sein. Und Du musst Dir die Gnade von Tausenden von Heiligen verdient haben, um hierher in den Ashram geführt zu werden, damit Du ein spirituelles Leben leben kannst.“ Dann würde er hinzufügen: „Warum möchtest Du streiten? Es ist nur ein kleiner Fehler. Werde nicht gereizt. Wenn Du gereizt bist, könntest es all Deine Bemühungen vereiteln. Hast Du schon gefrühstückt? Was hattest Du? Kaffee oder Tee? Soll ich Dir noch etwas besorgen?“ Ein Bündel Bananen kamen zuerst, dann ein klein wenig Prick gefolgt von Butter und Honig. Nachdem die Bananen verdaut waren und auch die Butter und der Honig gegessen, dämmerte Erkenntnis: „DIES wollte mir Swamiji sagen!“

Swamiji hielt seine Schüler nie in einem Zustand der Anspannung. Er machte Druck, sein Training voranzutreiben, aber sobald er merkte, dass ein Schüler zusammenbrach, lockerte er alle Regeln.

Das grundlegende Prinzip in all dem war, dass niemand jemals von Swamiji kritisiert wurde. Kritik hätte alles ineffektiv gemacht.

Das Wohlergehen der Schüler

Tag und Nacht hatte Swamiji nur einen Gedanken: Wohlergehen, Wachstum und Fortschritt (weltlich und spirituell) seiner Schüler. Oftmals erhob er sich zu einem leidenschaftlichen Appell an seine geliebten Schüler, er drängte sie mit feurigen Worten, alle Spuren von persönlicher Wichtigkeit auszurotten und sich der edlen Idee des Dienstes an der Welt hinzugeben. Er schilderte ihnen auf packende und mitreißende Weise die Herrlichkeit des selbstlosen Dienens und der Verehrung Gottes als das Größte und Großartigste von allem Yoga. Wie alle Aspiranten fühlten sie sich manches mal bestürzt über die Endlosigkeit und Weite der menschlichen Probleme und des Leidens. Dann munterte Swamiji sie auf mit der ausdrücklichen Versicherung, dass ein Leben des selbstlosen Dienens nie ein Misserfolg sei. Er rüttelte sie auf mit Worten wie diesen:

Kümmert Euch nicht darum, ob Selbstverwirklichung kommt oder nicht. Strengt Euch größtmöglich an, Euch ethisch zu verbessern und macht Euch perfekt für den Dienst an der Menschheit. Seht Gott in jedem Menschen. Betrachtet jeden Menschen als Gott. Wenn Eure Vorstellung von Gott beinhaltet, dass ER alldurchdringend ist, warum könnt Ihr IHN dann nicht in allen Wesen erkennen? Was hindert Euch daran, Euren Glauben in die Tat umzusetzen? Ihr müsst die Vorstellung aufgeben, dass ER nur hinter geschlossenen Augen und Türen vorhanden ist. Fühle SEINE Gegenwart in jedem und allem während Du dienst; und schaue dann, ob ER nicht im Grunde Deines Herzens strahlt in SEINEM eigenen Klang. Wenn das Herz noch nicht frei ist von allen Unreinheiten und die niedere Natur nicht befreit ist von Schmutz, wie kann dann spirituelle Erfahrung zu Dir kommen? Bevor Du nicht Deine eigene Natur perfekt gemacht hast, kannst Du unmöglich die Wahrheit eines Wesens erkennen, das die reine Essenz der Vollendung ist. Rotte zuerst Egoismus, Ärger, Hass, Gier und Doppelzüngigkeit aus und sei aufrichtig und von ganzem Herzen bei Deinem selbstlosen Dienst. Wenn Du es schaffst, zehn Menschen ein klein wenig Gutes zu tun, wenn Du erfolgreich einen schlechten Charakterzug völlig ausrotten kannst und dafür eine einzige edle Tugend vollständig entwickeln kannst, sei sicher, dass Dein Leben nicht umsonst gelebt wurde. Und sogar nur zehn Menschen von einer Million erreichen kaum jemals dies. Was soll’s, wenn Du nicht samadhi und Selbstverwirkllichung erreichst?

Kopf hoch, sei guten Mutes! Sei mit Leib und Seele bei der Arbeit. Ich garantiere Dir, dass Du Dich gesegnet und glücklich fühlen wirst. Sei nicht unzufrieden mit Deinem Los oder niedergeschlagen wegen Deinem Fortschritt. Handle nach meinem Wort. Habe ich nicht über Dein spirituelles Wohl nachgedacht? Dann, wenn Du nur könntest, würdest Du sehen, dass Tag und Nacht, in jedem Augenblick, mein Herz in Sorge über Dein Wohlergehen schlägt.

Außer dem „direkten Familienkreis“ von Aspiranten, Studenten und Arbeitern gab es viele Suchende in anderen Ländern, die große Zuneigung zu Swami Sivananda hatten und ihn verehrten. Ihnen war er ein spiritueller Führer und Meister. Swamiji beantwortete ihre Briefe prompt, ging auf alle ihre Fragen ein und leitete sie.

Erfahrungsbericht eines Schülers

Dazu schrieb Swami Sahajanandaji aus Durban, Südafrika

Jeder Anhänger und Verehrer von Swamiji muss erfahren haben, dass man die grenzenlose Gnade und Barmherzigkeit nur stillen Herzens und nicht mit Worten ausdrücken kann. Irgendwo habe ich gelesen, dass Swamijis Wohltätigkeit als „unbesonnen“ bezeichnet wurde. Aber ich denke, dass seine Gnade und Liebe sogar noch reichlicher vorhanden waren als die Wohltätigkeit. Es ist nicht bemerkenswert, wenn ein Erster-Klasse-Aspirant die Gnade eines Meisters erhält. Aber wenn jemand sich qualvoll abmüht auf dem Weg zur Gottverwirklichung und erfährt dann ganz direkt die liebevolle Beachtung eines großen Heiligen, wird dieser Mensch sicherlich vor Ehrfurcht erzittern und eine unausprechliche Dankbarkeit wird ihn erfüllen. Leider war ich auch jemand, der nicht „rein“ geboren wurde oder mit einer großen Portion spiritueller samskaras (= geistige Eindrücke aus dem jetzigen und den früheren Leben, die im Unterbewussten liegen) ausgestattet war. Aber durch Swamijis Gnade erreicht man langsam aber sicher das Ziel. Die Liebe und Fürsorge, die Swamiji einem fünftklassigen Aspiranten wie mir hat angedeihen lassen, weist ihn als gottverwirklichten Heiligen aus.

Obwohl wir tausende von Meilen entfernt von seiner physischen Gegenwart lebten, kümmerte sich Swamiji um uns auf die gleiche Weise, wenn nicht noch besser, als um diejenigen, die in seiner Umgebung im Ashram lebten. Hier einige Beispiele:

Vor einiger Zeit schrieb ich ihm einen dringenden Brief wegen physischer Beschwerden. Das war gerade zu der Zeit, als Swamiji von seiner „All-India“-Reise zurückgekehrt war. Obwohl er sicherlich hunderte von Briefen zu beantworten hatte, war er so gütig, mir noch am selben Tag zu antworten. Neulich schrieb ich ihm von einer Veränderung meiner sadhana Praxis. Zurück kam eine zweiseitige Antwort in seiner eigenen Handschrift. Und noch bemerkenswerter war, dass Swamiji selbst den Brief adressiert und zur Post gebracht hatte; und das rührte mein Herz und ließ es zutiefst erbeben. Stellt Euch einen bedeutungslosen Menschen vor wie mich, der mit so viel von seiner Liebe überschüttet wird! Und was für aufmunternde und tröstende Worte sein Brief erhielt! Jedes Wort ist durchtränkt mit der Wärme seiner grenzenlosen Liebe. Es ist diese Liebe, die dazu führt, das wir uns unwürdig fühlen, seinen kostbaren Segen zu empfangen.

Swamijis Buchgeschenke erreichten uns dutzendweise. Wenn ich ihn um ein Buch bat, schickte er sechs. Auch wenn beantragt war, dass die Bücher erst nach der Bezahlung geschickt werden sollten, kamen sie mit unverzagter Beharrlichkeit an. Nicht nur die Geschenk-Bücher erreichten die Gestade meines Landes, sondern auch herrlich frisches, süßes Prasad kam, in Dosen verpackt, hier an. Es ist sicherlich nicht fehl am Platze, hier eine Erfahrung widerzugeben, die mein Freund, Sri G.V. Naidoo, bei einem Ashram-Besuch gemacht hat. Sobald er Swamiji traf, wurde er buchstäblich mit Liebe überschüttet. Swamiji widmete sich ihm persönlich, und mein Freund ging dann mit einem Stapel Bücher in den Händen. Dann erzählte er noch, wie er ein Bild von Swamiji bewunderte, das an der Wand hing – eine Ansicht von Swamijis tapas (Askese-Übungen) - und Swamiji hatte es von der Wand abgenommen und ihm geschenkt. Welch eine außerordentlich seltene Großzügigkeit strahlt aus Swamijis Herz!

Swamijis Heilkräfte wurden auch im entfernten Südafrika bewiesen. Zwei Fälle habe ich persönlich erlebt. Einer meiner Freunde, der ein Patient im T.B. Settlement war, litt an einer schweren Schlafstörung. Ich schrieb deswegen an Swamiji. Seine sofortige Antwort enthielt Anweisungen, wie man das Problem beseitigen könnte. Obwohl der Patient nicht den Anweisungen folgte, schlief er daraufhin gut. Nach einigen Wochen, wurde er wieder von Schlaflosigkeit geplagt. Es ist ein Jammer, dass die Anweisungen nicht befolgt wurden. Das andere Beispiel betraf einen persönlichen Freund von mir, der an schlimmen und schmerzhaften Leberflecken auf den Händen litt. Wieder schrieb ich an Swamiji. Das von ihm empfohlene einfache Mittel wurde angewendet und die Leberflecken meines Freundes gingen vollkommen zurück. Das ist nun Monate her und die Probleme sind nicht wieder aufgetaucht.

Wie löst Swamiji die Alltagsprobleme der Aspiranten, die nicht in der glücklichen Lage sind, seine mündlichen Anweisungen zu hören? Das geschieht auf eigentümliche Weise. Wenn ich manchmal mit einem schwerwiegenden Problem konfrontiert bin, nehme ich einfach eins von Swamijis Büchern in die Hand und schlage irgend eine Seite auf – und schon springt mir die genaue Lösung für meine Probleme in die Augen! Manchmal vielleicht erreicht mich Swamijis innere Führung während der Meditation; oder es kann passieren, dass ein Ereignis oder eine Person mir die richtige Antwort gibt. Man muss allerdings wachsam sein, die richtige Führung zu empfangen. Aber in den meisten Fällen würden Swamijis Bücher uns helfen. Dies war auch die Erfahrung der anderen Anhänger hier. Es passiert so oft, dass wir keinen Zweifel daran haben, dass Swamiji all unsere Schwierigkeiten kennt und dass seine Führung immer bei uns ist, egal wie viele Meilen uns von ihm trennen. Swamiji hat auch vollkommene Einsicht in unsere Herzen und unseren Geist, und niemand kann ihm etwas vormachen. Einmal schrieb ich ihm einen Brief und suchte Antworten auf einige Fragen spiritueller Natur. Swamiji fand die Wahrheit heraus, dass nämlich die Antworten dafür benötigt wurden, jemand anderes herabzuwürdigen – und er gab keine direkte Antwort. Von da an traute ich mich nicht mehr, irgendwas vor ihm zu verheimlichen. Wir haben auch festgestellt, dass alles, was er sagte, früher oder später auch eintreffen würde. Seine Worte waren unfehlbar.

Das Geheimnis, wie man Swamijis Gnade erreichen kann, ist ihm von ganzem Herzen zu dienen. Ein kleiner Dienst an Kranken hier oder das Verteilen von einigen Schriften dort – und schon hast Du einen Platz in seinem großen Herzen eingenommen. Jeder einzelne von den Tausenden von Schülern und Anhängern kennt diese Wahrheit. Dienst an Swamiji (ich nenne das Sivayoga) ist der großartigste Yoga dieser Zeit. Lass all diejenigen, die den vielen Wegen zu Gott folgen wollen, dies tun. Aber meine größte Freude ist es, Swamiji zu dienen, egal, ob es zur Gottesverwirklichung führt oder nicht.