Kunst und Wissenschaft: Unterschied zwischen den Versionen

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===Kosmologische Vorstellungen===
===Kosmologische Vorstellungen===
Nach dem kosmologischen Wissen der Sänger unterschied man drei grosse Lebensgebiete: Himmel (div), Erde (prthivl, bhumi, ksham, ksha, gma) und den zwischen beiden liegenden Luftraum (antariksha). Erstere beide werden häufig auch persön¬lich gedacht, der Luftraum nie; sodann finden sich beide als obere und untere Welt unter dem Namen rodasi zusammengefasst: dyavaprthivi rodasi ubhe Rv. 2, 1, 15 u. ô.
Nach dem kosmologischen Wissen der Sänger unterschied man drei grosse Lebensgebiete: Himmel ([[div]]), Erde ([[prthivi]], [[bhumi]], [[ksham]], [[ksha]], [[gma]]) und den zwischen beiden liegenden Luftraum ([[antariksha]]). Erstere beide werden häufig auch persönlich gedacht, der Luftraum nie; sodann finden sich beide als obere und untere Welt unter dem Namen [[rodasi]] zusammengefasst: dyavaprthivi rodasi ubhe Rv. 2, 1, 15 u. ö.


Die Erde dachte man sich aus drei übereinander liegenden Schichten bestehend, unterschied demgemäss drei Erden (tisro bhamth, tisrah prthivih), eine obere (panama), mittlere (madhyama) und untere (avama): »Wenn ihr, Indra und Agni, auf der ober¬sten, mittlere, untern Erde seid, von dort, o Stiere, eilt herbei, trinkt den gepressten Soma« Rv. I, 108, 9. Von diesen drei Erdschichten ist die, auf der wir wohnen die beste (? höchste ? uttama) Av. 6, 21, 1. — Ueber sich hat die Erde den Luftraum, das antariksha; er heisst auch rajas Dunstkreis, insofern darin Nebel, Wolken und dergleichen sich bewegen : »Die Lüfte hat mit Wolken er durchwoben« Rv. 5', 85, 2 ; speciell ist er der himmlische (rajo divyam, rajo divah), obere (uttamani Rv. 9, 22 5, paramarm Rv. 3, 30, 2) Luftraum, da es auch einen unteren (uparam) oder irdischen (parthivam) Luftraum unter der Erde gibt: »Der Erde Oberfläche, o Indra, breitetest du aus, du stütztest des Himmels Luftraum und den untern« Rv. 1, 62, 5. »Du, o Savitar, erfülltest den himmlischen und den irdischen Luftrahm (rajamsti divyani parthiva) Rv. 4, 53, 3. Letzterer, der untere Luftraum , befindet sich unter der Erde und wird von Sûrya während der Nacht durchwandert, während er am Tage den über der Erde befindlichen durchzieht: »Es durchrollen
Die Erde dachte man sich aus drei übereinander liegenden Schichten bestehend, unterschied demgemäß drei Erden (tisro bhumih, tisrah prthivih), eine obere (parama), mittlere (madhyama) und untere (avama): »Wenn ihr, [[Indra]] und [[Agni]], auf der obersten, mittleren, unteren Erde seid, von dort, o Stiere, eilt herbei, trinkt den gepressten [[Soma]]« Rv. I, 108, 9. Von diesen drei Erdschichten ist die, auf der wir wohnen, die beste (? höchste ? uttama) Av. 6, 21, 1.  


die lichte und schwarze Tageshälfte offenkundig die beiden Luft¬kreise« Rv. 6, 9, I ; die Nacht umwandelt Sûrya von beiden Seiten nach Rv. 5. 81, 4. Beide Gebiete stossen aneinander Rv. 7, 80, 1.
Über sich hat die Erde den Luftraum, das antariksha; er heisst auch [[rajas]] Dunstkreis, insofern darin Nebel, Wolken und dergleichen sich bewegen: »Die Lüfte hat mit Wolken er durchwoben« Rv. 5, 85, 2; speciell ist er der himmlische (rajo divyam, rajo divah), obere (uttamam Rv. 9, 22 5, paramam Rv. 3, 30, 2) Luftraum, da es auch einen unteren (uparam) oder irdischen (parthivam) Luftraum unter der Erde gibt: »Der Erde Oberfläche, o Indra, breitetest du aus, du stütztest des Himmels Luftraum und den unteren« Rv. 1, 62, 5. »Du, o [[Savitar]], erfülltest den himmlischen und den irdischen Luftrahm (rajamsi divyani parthiva) Rv. 4, 53, 3.
Gleicherweise wie die Erde dachte man sich den Himmel. der Götter und Seligen Wohnsitz eingetheilt: »Wenn, o Marut. ihr am obersten (uttame), oder am mittleren, oder im untern Himmel, ihr glückseligen, weilt« Rv. 5, 60, 6. »An Wasser reich (t danvati) ist der unterste Himmel, pilumati ist der mittelste. der dritte ist die Pradyaus, in welcher die Väter sitzen« Av. 18, 2, 48. Nach Av. 4, 14, 3 (= V. S. 17, 67) steigt man von der Erde Rücken in den Liftraum, von dort in den Himmel (div), sodann zu des Himmels Decke (divo naka) und von hier endlich in die Lichtwelt (svarjyotis). Gleichbedeutend mit dem uttamo dyaus ist auch der uttaro und pdryo dyaus Rv. 4, 26, 6; 6, 40, 5. Diesen jenseits des durchsichtigen Luftkreises liegenden unend¬lichen Himmelsraum dachte man sich als lauteres Licht, sagte daher auch statt divi (im Himmel) vielfach rocane diva/i (in des Himmels Glanz Rv. 1, 105, 5; 1, 155, 3 u. ö.); rocana ward als Lichtraum oft geradezu für div gesetzt, und so unterschied man auch drei Lichträume (trini, tri rocana Rv. 1, 149, 4. 1, 102, 8 neben tisro bkûmih u. ö.).* In diesem Lichtäther thronen die Aditya, die Lichtgötter; sehr häufig wird ihr Sitz parame rocane, parame vyoman erwähnt.
 
Letzterer, der untere Luftraum, befindet sich unter der Erde und wird von [[Surya]] während der Nacht durchwandert, während er am Tage den über der Erde befindlichen durchzieht: »Es durchrollen die lichte und schwarze Tageshälfte offenkundig die beiden Luftkreise« Rv. 6, 9, 1; die Nacht umwandelt Surya von beiden Seiten nach Rv. 5, 81, 4. Beide Gebiete stoßen aneinander Rv. 7, 80, 1.
 
Gleicherweise wie die Erde dachte man sich den Himmel, der Götter und Seligen Wohnsitz eingetheilt: »Wenn, o Marut, ihr am obersten (uttame), oder am mittleren, oder im untern Himmel, ihr Glückseligen, weilt« Rv. 5, 60, 6. »An [[Wasser]] reich (udanvati) ist der unterste Himmel, pilumati ist der mittelste, der dritte ist die Pradyaus, in welcher die Väter sitzen« Av. 18, 2, 48.  
 
Nach Av. 4, 14, 3 (= V. S. 17, 67) steigt man von der Erde Rücken in den Liftraum, von dort in den Himmel (div), sodann zu des Himmels Decke (divo naka) und von hier endlich in die Lichtwelt (svarjyotis). Gleichbedeutend mit dem uttamo dyaus ist auch der uttaro und pdryo dyaus Rv. 4, 26, 6; 6, 40, 5. Diesen jenseits des durchsichtigen Luftkreises liegenden unend¬lichen Himmelsraum dachte man sich als lauteres Licht, sagte daher auch statt divi (im Himmel) vielfach rocane diva/i (in des Himmels Glanz Rv. 1, 105, 5; 1, 155, 3 u. ö.); rocana ward als Lichtraum oft geradezu für div gesetzt, und so unterschied man auch drei Lichträume (trini, tri rocana Rv. 1, 149, 4. 1, 102, 8 neben tisro bkûmih u. ö.).* In diesem Lichtäther thronen die Aditya, die Lichtgötter; sehr häufig wird ihr Sitz parame rocane, parame vyoman erwähnt.


Wie weit man sich Erde und Himmel von einander entfernt dachte, erfahren wir aus Liedern des Rigveda nicht. »Tausend Tagereisen sind die beiden Fittiche (pakslia) des zum Himmel (svarga) fliegenden gelben Harihsa von einander entfernt« nach Av. 10, 8, 18 = 13, 2. 38 ; 3, 14. Es liegt hier, worauf schon Weber Ind. Stud. 9, 360 hinwies, Idieselbe Anschauung vor wie
Wie weit man sich Erde und Himmel von einander entfernt dachte, erfahren wir aus Liedern des Rigveda nicht. »Tausend Tagereisen sind die beiden Fittiche (pakslia) des zum Himmel (svarga) fliegenden gelben Harihsa von einander entfernt« nach Av. 10, 8, 18 = 13, 2. 38 ; 3, 14. Es liegt hier, worauf schon Weber Ind. Stud. 9, 360 hinwies, Idieselbe Anschauung vor wie

Version vom 27. Oktober 2013, 14:51 Uhr

Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879

Kapitel 13: Kunst und Wissenschaft

Dichtkunst

In Künsten finden wir die vedischen Arier noch im Kindesalter stehen; nur eine Kunst ist bei ihnen in voller Blüthe, die Dichtkunst. Das lyrische Lied ist schon so vollendet wie später nie mehr; Kraft vereinigt sich mit Gedrungenheit des Ausdrucks und schöner Form. Die gebundene Rede (vac chandasya) stand von Anfang im Dienst der Religion : in ihr pries man bei Opfern und Festen die Götter.

Den Sängern der vedischen Lieder muss schon ein festes Bewusstsein metrischer Gesetze inne gewohnt haben; die Anwendung derselben war zu einem wohlgeordnen (sudhita), den Göttern gefälligen Liede nothwendig, ein Verstoß gegen sie machte den Preisgesang zu einem ungeordneten (durdhita, vrjina). Es wird daher vielfach von der Dichtkunst geredet wie von gewissen Arbeiten der Hand, in denen man einige Fertigkeit erlangt hatte; vor allem gebraucht man für »dichten« den Ausdruck taksh »zimmern.« So heisst es: »Dies Lied zimmerten dir (atakshishuh) die nach Gütern verlangenden Menschen, wie einen Wagen ein kunstsinniger (dhira), geschickter Zimmermann« Rv. 1, 130, 6. »Ich, der Sänger habe diesen Preisgesang gezimmert dir, o Starker, wie ein kunstsinniger, geschickter (Mann) einen Streitwagen« Rv. 5, 2, 11. »0 Indra, finde Gefallen an unseren dargebrachten Gebeten, die wir dir, o kräftigster, darbrachten (akarma); wie prächtige, gut gearbeitete Gewänder, wie einen Wagen ein kunstsinniger, geschickter habe ich sie dir aus Verlangen nach Gut gezimmert (ataksham)« Rv. 5, 29, 15; weitere Stellen sind Rv. 1, 62, 13 ; 5, 73, 10 ; 10, 39, 14.

Daneben finden sich noch zwei Ausdrücke öfters, die nur die allgemeine Thätigkeit des Hervorbringens ausdrücken, kar »machen« und jan »hervorbringen, erzeugen« : »Diese stärkenden Gebete haben euch, o Açvin, die Grtsamada als Preislied gemacht (akran)« Rv. 2, 39, B. »Komm herbei, o Indra, wir wollen stärkende Gebete für dich machen (krnavamu)« Rv. 8, 51, 4. »Ein neues Preislied habe ich nun dem Agni, dem Falken des Himmels erzeugt (jijanam); ob er uns wohl Gut verschafft?« Rv. 7, 15, 4. »Dich soll herwenden zur Hülfe dieser Hymnus, den die Gotama erzeugten« Rv. 8, 88, 4: weitere Belege siehe bei Muir ST. 3, 133 ff.

Das Zimmern, das Machen bezieht sich nur auf die äussere Form, auf die Worte, in die das Gebet sich kleidet: »Dieser Preisgesang, der Schätze spendende, wurde dem Göttergeschlecht von den Sängern mit dem Munde (asaya) gemacht« heisst es Rv. 1, 20, 1. Das Material, wenn ich so sagen darf, ans dem die Hymnen gezimmert und verfertigt wurden, das lieferte der Geist (manas) in andächtiger Stimmung (dhi); es bekommt daher dhi geradezu die Bedeutung »Lied, Preislied« : »Euch sollen die Lieder (dhiyah) herwenden zu den Opfern« Rv. 1, 135, 5 u. o. Hierher gehört ferner ein anderer Ausdruck für »Gebet« brahman, welches »die als Drang und Fülle des Gemüths auftretende und den Göttern zustrebende Andacht« in concreter, für die Sinne fassbarer Gestalt ist. Einzelne Sänger gingen soweit, in dieser Erhebung des Gemüthes jede eigne Thätigkeit von sich abzuweisen und das Lied der in ihnen thätigen Macht der Götter zuzuschreiben : das der Marutschaar, Indra gesungene Lied (bráhman) heisst von den Göttern eingegeben (devatta) Rv. 1, 37, 4; 8, 32, 27; Vasishtha nennt seinen Gesang (manisha, dhi) göttlich (devi) Rv. 7, 37, 1. 9.

Spätere Dichter, Epigonen, die obwohl mit Augen und Ohren begabt, die himmlische Göttin weder sahen noch hörten und denen sie sich noch viel weniger hingab, wie die willige, schön gekleidete Gattin dem Gatten (Rv. 10, 71, 4), diese fabelten, um eigene Unfähigkeit zu verdecken, von einem wirklichen Verkehr der sangesreichen Vorfahren mit den Göttern. Die Stellen aus dem Rigveda hat Muir ST. 3, 141 ff. gesammelt und besprochen. Die noch spätere, nachvedische Zeit endlich führt die ihr heilig gewordenen Texte ganz auf Intuition zurück, so dass sogar der Name für die Sänger der vedischen Zeit rshi von einem der ältesten Grammatiker (Aupamanyava) von der Wurzel drç »sehen« abgeleitet wird. Yaska Nirukta 2, 11.

Ein Eingehen auf die einzelnen, zum Theil kunstvollen Metra, die in den vedischen Liedern uns begegnen, ist die Aufgabe einer vedischen Metrik. Der rythmische Bau der Verse ist im Allgemeinen ein viel freierer als in der späteren Poesie. Einzelne Unregelmässigkeiten sind nur scheinbar; sie schwinden, wenn wir zuweilen noch an anderen Stellen bezeugte, ältere Sprachformen an Stelle der überlieferten lesen. Diese Erkenntnis berechtigt uns jedoch keineswegs, nun auch überall strenge Regelmässigkeit im Sinne der mehr als 1000 Jahre jüngeren metrischen Gesetze zu verlangen und, wo solche nicht vorhanden ist, sie durch Annahme von möglichen und unmöglichen Formen herzustellen. Anderswo, beispielsweise auf dem Gebiete der altlateinischen oder altdeutschen Metrik, würden solche Experimente, wie sie nach Grassmanns Vorgange mit den vedischen Versen besonders von sprachvergleichender Seite immer kühner unternommen werden, derbe Zurückweisung erfahren. Adalb. Kuhns Untersuchungen sind viel mehr anregend als abschliessend.

In den jüngeren Liedern des Rigveda finden sich schon die technischen Namen der häufigst gebrauchten Metra, unter ihnen auch die der beiden in altéranischer und altgermanischer Poesie ebenfalls vorkommenden: Anushtubh und Gayatri. Es werden auch, worauf Roth in der Vorrede zu »Siebenzig Lieder des Rigveda übersetzt von Geldher und Kaegi« Seite VIII aufmerksam macht, häufig mehrere Verse zu einer Strophe verbunden; dies ist neuerdings auch für altéranische Poesie umfassender von K. Geldher in seiner Arbeit »Über die Metrik des jüngern Avesta« Tübingen 1877 gezeigt worden.

Besonders wohlgelungene Hymnen oder solche, an deren Darbringung eine sichtliche Erhörung der Götter sich geknüpft hatte, erbten in den Familien von Geschlecht zu Geschlecht fort. Die Nachkommen wendeten die Lieder mit einigen für den speciellen Fall nöthigen Veränderungen wieder an, dichteten wohl auch neue Verse hinzu »Mit einem alten Gebet putze ich meine Lieder heraus nach Kanvas Art, wodurch Indra Kraft empfängt« gesteht ein Sänger Rv. 8, 6,. 11 und zum Schluss desselben Hymnus heisst es: »Dies alte Andachtslied, das strotzt von Segensfülle, haben die Kanva um einen Spruch vermehrt« Rv. 8, 6, 43. »Indra, den von den Marut begleiteten, rufen wir mit altem Liede herbei zum Trunke dieses Soma« Rv. 8, 76, 6. Gegenüber diesem Geständnis finden wir, wie andere Sänger mit besonderem Stolz hervorheben, dass ihr Lied ein neues ist: »Das tadellose, heute neu gemachte (navajata adya) Loblied nehmt, o Indra und Agni, Vrtratöter, gnädig an« fleht Vasishtha Rv. 7, 93, 1. »Fürs allerneueste Lied (navyase naviyase suktaya) bereite nun (o Soma) die Pfade, nach alter Weise lass den Glanz aufleuchten« Rv. 9. 9, B. Die Stellen, in denen so das neue Lied angepriesen wird, sind zahlreich: Rv. 1, 109, 2; 2, 18, 3: 24, 1; 6, 50, 6; 7, 14, 4; 8, 23, 14 u. a.; siehe Muir ST. 3. 121-128.

Ein Versuch, die vedischen Lieder nach Gattungen zu classificieren, ist gemacht schon von Yaska im Eingang zum zweiten Theil des Nirukta (7, 1). Äusserlich unterscheidet er in ihnen drei Classen, je nachdem sie mittelbare, unmittelbare oder Selbstanrufungen enthalten. Die erste Classe umfasst also solche, in denen die Götter in dritter Person als abwesend (paroksha) angeredet werden: »Indra herrscht über Himmel und Erde« Rv. 10, 89, 10 ; die zweite Classe diejenigen, in denen Götter in zweiter Person als gegenwärtig (pratyaksha) angerufen sind: »0 Indra, schlage unsere Feinde« Rv. 10, 153, 4; die dritte Classe endlich bietet die Lieder, in denen der Verfasser in der ersten Person und in Bezug auf sich selbst spricht wie Rv. 10, 119.

Die beiden ersten Classen sind die zahlreichsten, am schwächsten vertreten ist die dritte Classe. Einzelne Lieder können Lobpreis enthalten ohne Bitte: »Indras Mannesthaten will ich nun verkünden« Rv. 1, 32, 1, andere Bitte ohne Lobpreis : »Möge ich klar sehend sein mit meinen Augen, glänzend von Antlitz und wohlhörend mit den Ohren«. Ferner kommen vor Fluch und Verwünschung: »Heute will ich sterben, wenn ich ein Yatudhana bin« Rv. 7, 104, 15 ; weiterhin findet sich Schilderung eines Zustandes : »Nicht gab es Tod, auch nicht Unsterblichkeit damals« Rv. 10, 129, 2; auch Besorgnis über einen Zustand: »Dein Freudengenosse könnte wohl heute wegeilen ohne zurück zu kehren« Rv. 10, 95, 14. Endlich findet sich Tadel und Lob: »Wer allein isst, trägt allein die Schuld« Rv. 10, 117, 6, »des Freigiebigen Haus ist wie ein Lotusteich« Rv. 10, 107, 10; so wird in dem Spielerhymnus das Spiel getadelt und der Ackerbau gelobt. In dieser Weise bewegen sich die erschauten Dichtungen der Rishi auf verschiedenen Gebieten.

Soweit Yaska. Seine Bemerkungen werden gegen Ende sehr wichtig; sie zeigen, dass auch dem orthodoxen Hindu, der den Veda fleissig studiert, die Beobachtung nicht entgehen kann, dass der Rigveda doch viele Stücke enthält, die zu der schon zu Yaskas Zeit als Glaubenssatz geltenden Lehre über den Ursprung der vedischen Poesie verzweifelt schlecht stimmen.

Den Kern und auch die grosse Masse der erhaltenen vedischen Poesie bilden lyrische Lieder; ihr Charakter ist, wie schon öfters hervorgehoben, ein religiöser. Brünstige Gebete steigen in Zeiten der Gefahr, sei es allgemeiner oder ein Individuum betreffender, aus der Seele zu den Göttern empor; laut und kräftig schallender Jubel erhebt sich zu des Himmels Kuppel und tritt in Preis - und Dankliedern vor die Götter, wenn die gewünschte Hülfe zu Theil wurde. Eine erotische Färbung bekommt diese religiöse Lyrik in den Hymnen an die Morgenröthe (Ushas), die Tochter des Himmelsvaters (duhitar Divas = gr. digátir diós), die vielfach als prächtige Jungfrau auftritt, der die männlich gedachte Sonne (surya) nachfolgt wie ein liebender Jüngling der geliebten Jungfrau (Rv. 1, 115, 2); vergleiche Rv. 1, 123, 10. 11: »Wie eine Jungfrau, herrlich von Gestalt nahst du, o Göttin, dem Gotte, der nach dir sich sehnet; lächelnd enthüllst du, Jugendliche, vor ihm deinen Busen, in Reiz erstrahlend. Herrlich von Aussehen wie eine von der Mutter geschmückte Jungfrau enthüllst du dich (deinen Körper tanvam) dem Anblick; lieblich leuchte weiterhin, o Morgenröthe, nicht haben diese Pracht andere Morgenröthen erreicht«.

Ein charakteristischer Zug ist den verschiedenen Schattierungen der ältesten indischen Poesie gemein: sie ist höchst realistisch. Nahezu jede Seite unserer Darstellung hat mehr oder minder belehrende Belege hierfür geliefert, so dass eine Ausführung dieses Punktes unnöthig ist.

In engster Verbindung mit der lyrischen Poesie steht die didaktische, die Spruchdichtung. Öfteres Eintreten ähnlicher Vorgänge bringt die Menschen leicht dahin, allgemeine Erfahrungssätze daraus zu ziehen. Diese Sprüche der Weisheit, geflossen aus der Gesamterfahrung eines Volkes, erben von Geschlecht zu Geschlecht fort. Ein Zusammenfassen solcher Erfahrungssätze in poetischer Form ist die Spruchdichtung. Dass bei dem vedischen Volke diese Richtung der Poesie Pflege genoss, dafür bieten die Lieder des Rigveda Zeugnis. Schon oben habe ich darauf hingewiesen, dass das Indra in den Mund gelegte Urtheil über das weibliche Geschlecht (Rv. 8, 33, 17) sehr ähnlich dem Odins ist in Hávamál 84. Rv. 10, 117, 1-6 finden wir eine Reihe solcher Sprüche vereinigt, die von Milde und Geiz handeln.

1. Die Götter wollen nicht, dass Hunger Strafe sei,
die Tode treten auch den satten Menschen an.
Wer Armen gerne gibt, der mindert nicht sein Gut,
des kargen Knausers nimmt indeß kein Mensch sich an.
2. Und wer dem Bettler, dem herabgekommnen Mann,
mit dem er früher gern verkehrte, sein Gesuch
Um Brot, woran es ihm nicht fehlt, mit hartem Herz
versagt, auch eines solchen nimmt kein Mensch sich an.
3. Der ist der rechte Geber, der den Bitter
beschenkt, der ausgehungert Essen heischt;
Dem Hilferufe kommt er gern entgegen
und macht zum Freund sich jenen für die Zukunft.
4. Das ist kein Freund, der nicht sein Brot mag theilen
mit einem treuen, ihm ergebnen Freunde;
Der kehrt den Rücken ihm — hier ist kein Bleiben —
und sucht sich lieber einen fremden Geber.
5. Wer's kann, der soll dem Hilfsbedürftigen spenden,
den fernern Weg des Lebens wohl bedenken.
Das Glück rollt hin und her wie Wagenruder,
bald kehrt es ein bei diesem, bald bei jenem.
6. Der Thor hat von dem Essen keinen Nutzen,
fürwahr ich sag: es wird ihm nur zur Strafe;
Er zieht sich keinen Lieben noch Genossen;
er isst allein - die Schuld ist ihm alleine.

Hieran schliessen sich in loserem Zusammenhang noch einige andere Sentenzen.

7. Die Pflugschar schafft das Brot, wenn man sie zieht;
wer seine Füsse regt, der kommt zum Ziele.
Dem Brahman bringt das Reden mehr als Schweigen;
ein Freund, der gibt, ist besser als ein Karger.
8. Der Einfuß schreitet schneller als der Zweifuß,
der Zweifuss überholt im Lauf den Dreifuß,
Der Vierfuß läuft dem Zweifuß auf der Ferse,
er schaut und steht, wo fünfe sich versammeln.
9. Zwei gleiche Hände schaffen nicht das Gleiche,
und Schwesterkühe milchen nicht das Gleiche.
Ein Zwilling gleicht dem andern nicht an Stärke,
und zwei Geschwister schenken nicht das Gleiche.«

(Siebenzig Lieder Seite 155 R.)

Auf diese Gattungen beschränkte sich jedoch die vedische Poesie nicht. Die tapfere That fand ihr Lied wie im germanischen Alterthum; die Thaten eines Volkes, eines Fürsten, in dessen Umgebung immer Sänger lebten, wurden laut durch Gesänge gepriesen. Solche historischen Siegeslieder, die in die Sammlung des Rigveda Aufnahme erlangten, sind, wie Roth zuerst zeigte, z. B. Rv. 7, 18. 33; 83; sie finden ihre beste Parallele in dem auf den westfränkischen König Ludwig den Dritten nach seinem Sieg über die Normannen (881) gedichteten Hymnus. Es waren die Fürsten auf diese Loblieder gewiss nicht minder eifersüchtig als die altn. Jarle auf die ihrer Skalden; ist es doch den Gottheiten der Flüsse Vipaç und Çutudri nicht gleichgültig, ob Viçvamitra unter den Menschen gut oder schlecht von ihnen rede: 'Dies Wort (vacas), o Sänger, vergiss nicht, das von dir künftige Geschlechter laut verkünden sollen; in Liedern preise uns (eigentlich habe an uns Gefallen), o Sänger, setze uns nicht herab unter den Menschen; Ehre sei dir« Rv. 3, 33, B.

Das Gegenstück zu dem Lobgedicht bildet das Spottlied. Sein Vorkommen ist uns durch Rv. 7, 103 bezeugt, worin das Aufwachen der Frösche zu Beginn der Regenzeit, ihr Gequake und ihre Lustigkeit mit dem Gesang somatrunkener Priester verglichen wird. Rv. 9, 112 haben wir eine Satire auf die Sucht der Menschen nach Geld und Gut.

Als eine Entwicklung didaktischer Poesie sind auch die Zauber- und Beschwörungsformeln aufzufassen, vermittelst welcher dem Menschen drohendes Unheil abgewendet, geheime Naturkräfte zu seinem Dienst gezwungen werden sollen. Das Feld dieser Poesie ist hauptsächlich Av. 1-7; 19, wenn auch im Rigveda, in den übrigen Theilen der Atharva-Samhita, sowie in den Yajustexten dieselbe ihre Vertreter hat. Für alle Vorfälle des Lebens eines Erdenpilgers von seiner Erzeugung bis zu seinem Tode finden wir hier Sprüche: Hervorrufung der Schwangerschaft in einer unfruchtbaren Frau (vehat) bezwecken Av. 3, 23; 5, 25; 6, 11. 81 ; Impotenz des Mannes suchen abzuhelfen Av. 4, 4: 6, 72. 101; für Schwangere und Wöchnerinnen dienen Av. 1, 11: 6, 17; mit den Segensprüchen Av. 2, 28. 29; 6, 110 wird der junge Erdenbürger empfangen; wichtigere Momente in der Jugend des vedischen Ariers behandeln Av. 6, 140. 68; 2, 13: mit Av. 6, 89. 102. 130. 131: 7, 36. 37. 38 will das Mädchen Gegenliebe in dem Herzen des heißgeliebten Jünglings erwecken; mit Av. 2, 30; 3, 25; 6, B. 9. 82 versucht der unglücklich liebende Jüngling Kamas sehnsuchtbefiederten Pfeil in das Herz der Spröden zu schleudern; im Herzen des geliebten Gegenstandes entstandene Eifersucht beseitigt Av. 6, 18; 7, 45, und die Versöhnung kommt durch Av. 6, 42. 43. 94. 139 zu Stande; Segenswünsche jeder Art über ein neuvermähltes Paar bieten Av. 14 und Rv. 10, 85: Eintracht in Familie stellen Av. 3, 30; 6, 64. 74; 7, 52. 94 wieder her; vermögen Av. 8, 1; 3, 11 und viele andere Sprüche den Sterblichen nicht von Krankheit und des Todes Banden zu befreien, dann bestattet man die irdische Hülle feierlichst und wünscht dem entflohenen Geist glückliche Fahrt und freundliche Aufnahme in Yamas Reich Rv. 10, 14. 16. 18: Av. 18.

Ins Ende der vedischen Zeit fallen schon die Anfänge der in späterer brahmanischer Periode so sehr gepflegten Speculation über den Ursprung der ersten Wesen, den Schöpfer des Weltalls, über das Verhältnis der sterblichen Menschen zur unsterblichen Gottheit. Auch dieses Wissen wurde in der Form des Liedes überliefert; hierher gehören Hymnen wie Rv. 10, 121. 129, die schon mehrfach Übersetzung fanden. Rv. 10, 90 behandelt, wie wir sahen, den Ursprung des Weltalls aus dem Urwesen Purusha und die Entstehung der Kasten; es stammt jedoch schon aus nachvedischer Zeit. Reicher ist der Atharvaveda; es gehören hierher 2, 1 ; 4, 1; 5, 1 u. a.

Mit der letzteren Art der didaktischen Dichtung steht eine andere Richtung der Poesie in engster Beziehung, die Räthseldichtung. Fasste man das Wissen über die Verhältnisse der Götter, die Entstehung des »Seins aus dem Nichtsein«, über das im Weltenraum Vorhandene und Vorgehende nicht erzählend, sondern in Fragen zusammen, so war das Räthsellied gegeben. Eine Reihe von Räthselsprüchen ist in dem dem Dirghatamas zugeschriebenen Hymnus Rv. 1, 164 erhalten. Man erkennt sehr leicht (vgl. Haug Sitzungsb. der Münchener Akad. der Wissenschaften 1875. 2, 457 ff.), dass hier nicht die poetische Arbeit eines Einzigen vorliegt. Verschiedene Räthselgruppen heben sich ohne Schwierigkeit ab; so beziehen sich die Fragen in den Versen 4 — 7 auf den Ursprung des ersten Geschöpfs, den Urheber des Alls, in 11-15 auf den Sonnenlauf, Jahreseintheilung in Jahreszeiten, Monate, Tage, Nächte; andere haben wiederum das Opfer und dessen Symbolik zum Vorwurf. Noch an manchen Stellen des Rigveda treffen wir solche Räthselfragen, meistens jedoch nur eingestreut; so z. B. Rv. 10, 88, 17 ff. 1, 105, 4 ff. Grössere Stücke dieser Art bietet der Atharvaveda wie 10, 2; 10, 7.

Fragen wir, bei welchen Gelegenheiten solche Räthsel gstellt und gelöst wurden, so ist kein Zweifel, dass es bei grösseren Festen, Opferversammlungen geschah, wo öfters mehrere berühmte Sänger zusammentreffen mussten. Dass Wettkämpfe in der Poesie vorkamen, ersehen wir aus Rv. 10, 71, 8. 11 deutlich; in Rv. 6, 9 liegt nach Kaegi (70 Lieder Seite 103) der Wettgesang eines jüngern Sängers gegen einen Älteren vor. Wenn wir uns erinnern, dass bei den Trtsu und ihren freigiebigen Herrschern nicht nur Vasishtha und Viçvamitra (d. h. Sänger aus dem Geschlechte beider) um den Vorrang stritten, sondern auch das Sängergeschlecht der Bharadvâja unter jenen thätig war (Rv. 6. 47, 22 ff.), so liegt es sehr nahe, in die Umgebung von Fürsten wie Divodasa oder Sudas solche Sängerkriege zu verlegen. Das feierlichste Opfer des indischen Alterthums, das noch in Gebrauch, war das Pferdeopfer (açvamedha); gegen Schluss desselben kam, wie aus V. B. 23 (T.S. 7, 4, 18) erhellt, solcher Wettstreit in der Kenntnis heiliger Dinge (brakmodya) vor.

Es fragt z. B. der Brahman den Hotar: »Wer wandelt wohl einsam und wer wird wieder geboren! Was ist Heilmittel gegen Kälte und welches ist das grosse Gefäß?«

Hierauf erwidert der Hotar:

»Die Sonne wandelt einsam, der Mond wird wieder geboren. Feuer ist Heilmittel gegen Kälte, die Erde ist das grosse Gefäss« und fragt seinerseits nun aus dem Brahman:

»Welches war der erste Begriff? Was war hochkräftig? Was war wohl schlüpfrig und was war bunt?«

Es antwortet der Brahman:

»Der Himmel war der erste Begriff, das Ross war was hochkräftiges. Die Somaseihe war schlüpfrig, die Nacht war bunt.«

Spätere Schriften berichten ausführlich über solche Wettkämpfe. So wünschte einst der König Janaka von Videha bei einem Opferfest, an dem die Weisen der Videha und der Kuru-Pancala versammelt waren, zu wissen, wer unter ihnen der gelehrteste sei in der Kenntnis des Brahman. Er liess 1000 Kühe festbinden und an die Hörner einer jeden zehn Mal zehn Pada Goldes. »Wer unter euch das Brahman am besten kennt, der nehme diese Kühe«, sprach er zu den versammelten Weisen. Ale keiner der andern dieser Aufforderung Folge leistete, befahl Yajnavalkya seinem Schüler, für ihn die Kühe fort zu treiben. Nun wurden die übrigen wegen seiner Anmaßung erzürnt, und es entspann sich eine Disputation zwischen Yâjnavalkya und Açvala, dem Opferpriester des Janaka, nebst sieben anderen Weisen; ja selbst eine Brahmanin Gargi legte dem Yajnavalkya Fragen vor. Er aber beantwortete alle Fragen und errang so den Preis (Çat. Br. 14, 6, 1 ff.). Ebenso behandelt die von Weber Ind. Stud. 9, 49ff. besprochene Ârsheya-Upanishad einen Wettstreit zwischen Viçvamitra, Jamadagni, Bharadvaja, Gautama, Vasishtha über das Wesen des Brahman; Vasishtha bleibt Sieger.

Ale Gattungen der Poesie werden Av. 15, 6, 3. 4 (cf. 11, 7, 24) aufgezählt: Rc, Saman, Yajus, Brahman; Itihasa, Purana, Gatha, Naraçamsi. Die Unterschiede der vier ersten - Lieder, Gesänge, Opferformeln, Segen- und Zaubersprüche - sind hinlänglich klar; unter Gatha, Naracamsi, Itihâsa versteht M. Müller Hist. of Anc. Sanskr. Litt. p. 40 »songs, legends, epic poems«. Nach Say. zu T.S. 7, 5, 11, 2 sind Gâtha »Götterlieder« (devatavishayakhyanapara mantrah), Naraçamsi »Heldenlieder« (manushyavishayakhyanapara rcah, manushyapraçamsapadaka naraçamsyah zu Çatap. Br. 11, 5, 6, 8). Yaska Nirukta 9, 9 sagt yena narah praçasyante sa navaçamso mantrah und citiert als einen Beleg Rv. 1, 126, 1 (s. Seite 170).

Die berühmtesten Sänger des indischen Alterthums werden Av. 4, 29 (vgl. 18, 3, 15. 16) aufgeführt: Angiras, Agasti, Jamadagni, Atri, Kaçyapa, Vasishtha, Bharadvaja, Gavishthira, Kutsa, Viçvamitra, Kakshivant, Kanva, Medhâtithi, Triçoka, Uçana kâvya, Gotama, Mudgala; vgl. Roth Zur Litt. p. 44 f. Sieben gelten als die Rishi der Vorzeit Rv. 10, 130, 7; 4, 42, B. Av. 11, 1, 1. 24; 12, 1, 39. V. S. 14, 28 ; 17, 26. 79 etc.; nach Çatap. Br. 14, 5, 2, 6 sind es Gotama, Bharadvaja, Viçvamitra, Jamadagni, Vasishtha, Kaçyapa, Atri.

Schreiben und Rechenkunst

Goldstücker, Panini pag. 15 ff., sucht die Kenntnis der Schrift schon ins höchste indische Alterthum zu verlegen; er ist geradezu geneigt, die Rishi ihre Lieder niederschreiben zu lassen. Dass die vedischen Texte zu dieser Annahme nicht den geringsten Anlass geben, hat Weber Ind. Stud. 5, 29 ff. genügend hervorgehoben. Dem vedischen Volke war die Kunst des Schreibens noch unbekannt.

Die Frage nach dem Ursprung der indischen Schrift ist zuletzt von Lassen eingehender besprochen worden Ind. Alterthumsk. 12, 1009 ff.; daselbst findet man auch eine Zusammenstellung der hierher gehörigen Literatur.

Eine bestimmte Art der Darstellung von Zahlbegriffen muss Grassmann dem vedischen Volke zuerkennen, wie aus seiner Seite 234 besprochenen Auffassung von ashtakarni hervorgeht. Nach Roths Deutung des Wortes ashtakarna fällt dieses Zeugnis weg.

Schliessen wir hier an das Wenige, das über Rechenkunst aus unseren Texten sich ergibt.

Die höchste Zahl, die der Rigveda kennt, ist ayuta; dass es den bestimmten Sinn 10 000 habe, lässt sich aus keiner Stelle erweisen, es bezeichnet immer die unbegränzte Vielheit. Die höchste bestimmte Zahl ist 100 000 (çata sahasra) Rv. 4, 32, 18: 8, 32, 18 u. ö. Beliebte Multiplicationszahlen sind 3 und 7: vgl. Weber Ind. Stud. 2, 88 Note, Elliot Memoirs 2, 48-78; Von Bruchzahlen kennt der Rigveda nur ardha halb - sami halb T.S. 1, 7, 1, 4 -, pada ein Viertel, tripod drei Viertel, çapha ein Achtel, kala ein Sechzehntel ; pada und çapha sind von dem Rindvieh entlehnt: ein Fuß, ein Huf, vgl. ashtaçapha paçu T.S. 5, 4, 11, 4. Als eine gemeinsame und grosse That Indras und Vishnus gilt Rv. 6, 69, 8 = Av. 7, 44, 1 = T.S. 3, 2, 11, 2 die Theilung von 1000 durch 3 (tredha).

Hoch hinauf reichen die Zahlenangaben in den Yajustexten. T.S. 4, 4, 11, 2 ff. = V. S. 17, 2 findet sich folgende Steigerung 1 (eka), 100 (çata), 1000 (sahasra), 10 000 (ayuta), 100 000 (niyuta), 1 000 000 (prayuta), 10 000 000 (arbuda), 100 000 000 (nyarbuda), 1 000 000 000 (samudra), 10 000 000 000 (madhya), 100 000 000 000 (anta), 1 000000 000 000 (parardha); ebenso V. S. 22, 34 = T.S. 7, 2. 20, 1. In einem Spruch Kath. 39, 6 ist hinter nyarbuda noch badra eingefügt, wodurch die Zahlen von samudra an um das Zehnfache grösser werden ; vgl. Weber ZDMG 15, 134.

Von Masseintheilung kommt nur vor angula Finger in (daçangulam Rv. 10, 90, 1, vyama Klafter, Mass der ausgespannten Arme Av. 6, 137, 2. T.S. 5, 1, 1, 4; 5, 2, 5, 1. Tausend aufeinander stehende Kühe ist nach der naiven Anschauung des Pancav. Br. 21, 1, 9; 16, 8, 6 der Himmel (asau lokah) von der Erde (asmallokat) entfernt.

Himmelskunde

Eine gute Pflege genoss bei den vedischen Ariern die Astronomie. Abgesehen von dem Reiz, der darin liegt, in sternenhellen Nächten die herniederfunkelnden Gestirne wieder und immer wieder zu betrachten, die auffallenderen und regelmässige Erscheinungen darbietenden zu benennen und zu beobachten, es trieben doch noch wesentlich praktische Zwecke dazu, sich am Himmel zurecht finden zu lernen. Hierdurch wurde man erst in Stand gesetzt, die feierlichen Opfer zu regeln und die irdischen Verhältnisse zu ordnen. Diejenigen Gestirne, nach denen beim vedischen Volke die bürgerlichen Zeiten sich richteten und die auch als Bestimmer der Festzeiten galten, waren Mond (mas, candramas) und Sonne.

Rv. 10, 85, 18. 19 heisst es von dem vereinigten Paar Soma (Mond) und Surya (Sonne): »Nacheinander wandeln sie beide in ihrer Wunderkraft, wie zwei spielende Kinder durchlaufen sie das Luftmeer (arnava v. I. des Av.); alle Wesen überschaut der eine, die Zeiten ordnend wird der andere immer neu geboren. Fort und fort entsteht er aufs Neue, als Vorläufer der Tage geht er den Morgenröthen voran; durch sein Kommen theilt er den Göttern ihren Theil zu und verleiht langes Leben, er der Mond.« Der ewige Wechsel des Mondes wird als besondere göttliche Weisheit und Grösse gepriesen: »Ihn, den einsam dahin wandelnden in der Versammlung vieler, den Jugendlichen verschlingt der altersgraue (d. h. das dunkle und alternde Stück rückt bei abnehmendem Monde immer weiter vor); schau an die Weisheit und Grösse (mahitvadya in mahitvamadya aufzulösen) der Gottheit, heute stirbt er, der gestern aufathmete (d. h. heute ist er tot, gestern lebte er und morgen wird er wieder leben) Rv. 10, 55, 5; vgl. Av. 10, 8, 32.

Gleich unabänderlich ist der regelmässige Wechsel von Sonne und Mond: »Wie durch Frost ihres Gefieders beraubte Wälder trauerte Vala um die durch Brhaspati geraubten Kühe. Eine unnachahmliche, im Laufe der Zeiten nicht wiederkehrende That, so lange Sonne und Mond abwechselnd aufgehen, vollbrachte er« Rv. 10, 68, 10. Vergleiche Rv. 1, 62, 8: »Von Alters her wandeln um Himmel und Erde die verschiedenfarbigen, sich ewig verjüngenden in eigenen Bahnen, die Nacht mit ihren schwarzen Wundern (d. h. die schwarze Nacht mit ihren Wundern), die Morgenröthe mit ihren flimmernden, beide abwechselnd.« Sonne und Mond sind des Himmels beide Augen: »Hehre Schönheit verliehen sie ihm, als sie, die Unsterblichen, des Himmels beide Augen schufen« Rv. 1, 72, 10.

Weit im Vordergrund vor dem Mond und den sonstigen Himmelslichtern steht dem vedischen Arier das glänzende Gestirn des Tages, die Sonne, bald männlich gedacht (Sura, surya), bald weiblich; in letzterem Falle gilt sie als des Savitar Tochter Rv. 10, 85, 9. Sie ist der an den Himmel versetzte Agni(dass Agni in der Welt überall derselbe ist, trete er am Himmel als das Licht der Sonne, in der Luft als Blitzstrahl, auf der Erde als Herdfeuer uns entgegen, findet sich deutlich Hr. 10, 88 ausgesprochen: Die indische Theologie hat dasselbe bekanntlich vielfach wissenschaftlich zu erweisen gesucht; vergl. Yaska Nir. 7, 23): »Als die heiligen Götter ihn an den Himmel setzten als Sonne, den Aditisohn , als das wandelnde Paar (Sonne und Mond) da war, da konnten alle Wesen sehen« Rv. 10. 88, 11. Die völlige Abhängigkeit alles menschlichen Lebens und Gedeihens von der Sonne war tief in des Volkes Bewusstsein eingedrungen; Savitar heisst daher »des Reichthums Grundlage, die Vereinigung der Reichthümer« Rv. 10, 139, 3.

Mit Dank blickte man an jedem neuen Tage zu dem flammenden Auge Mitra-Varunas empor, der Seele der belebten und unbelebten Natur: »Das lichte Antlitz der Götter steigt empor, des Mitra-Varuna und Agnis Auge: Himmel, Erde und Luftreich erfüllt Surya, er, die Seele des Lebenden und Unbelebten. Die glückbringenden Falben, die lichten, schimmernden Rosse Suryas steigen jubelnd begrüsst zu des Himmels Höhe, sie umeilen in einem Tage Himmel und Erde« Rv. 1, 115, 1. 3. Bald galt die Sonne als ein Wagen, auf dem Savitar am Himmel dahin fährt, bald war sie ein feuriges, muthiges Ross oder ein bunter Stier. Rv. 1, 164, 11 heisst sie das Rad der ewigen Ordnung (cakramrtasya), das unaufhaltsam rollende (anarva Rv. 1, 164, 2), nicht morsch werdende (ajara): seine Achse, die doch grosse Lasten trägt - in ihm bestehen nämlich alle Wesen Rv. 1, 164, 13 — erhitzt sich nicht, brennt in alle Ewigkeit nicht entzwei (Rv. 1, 164, 13).

Erregte schon der Wandel der Himmelskörper überhaupt gerechtes Staunen und wurde auf naivste Weise ausgedrückt, so war ein besonderes Räthsel für vedische Weisheit, dass die Sonne, nicht festgebunden und ungestützt, vom Himmelsgewölbe nicht herabfiel, sondern nach freien, eigenen Gesetzen dahin wandelte: »Ungestützt und nicht festgebunden, warum fällt sie (die Sonne), doch abwärts gewendet, nicht herab? Nach welchen ihr eigenen Gesetzen wandelt sie, wer sah es? Als des Himmels Stütze gemacht, erhält sie des Himmels Kuppel in ihrem Bestehen« Rv. 4, 13, 5. Neben und mit dem Monde war sie Ordnerin der Zeiten Rv. 5, 81, 1, worüber das Nähere später.

Die Sonnenfinsternis (suro markah Rv. 10, 27, 20) wird nur selten erwähnt; der Dämon, der sich der Sonne bemächtigt, heisst Svarbhanu:

»Als dich, o Sonne, der asurische Svarbhanu mit Finsternis überzog, da schauten alle Wesen wie ein Verirrter, der der Gegend unkundig ist.
Als du, o Indra, herabschlugest Svarbhanus vom Himmel her sich erstreckende Zauber (maya), da fand Atri die durch böse Finsternis verhüllte Sonne kraft des vierten Gebetes.«
Surya spricht:
»Nicht soll mich, der ich dein bin, der Schädiger aus Wuth mit Furcht verschlingen; du bist ein Freund, der wahrhaft Güter spendet, helft ihr beide mir, du und Varuna der König.«
»Der Beter die Presssteine anschirrend, dienend den Göttern mit Preis, demuthsvoll ihnen beistehend, Atri setzte des Surya Auge an den Himmel und beseitigte des Svarbhanu Zauber.
Die Sonne , die der asurische Svarbhanu mit Finsternis überzogen hatte, fanden die Atri wieder, denn nicht vermochten es die andern.«

Rv. 5, 40, 5-9. T.S. 2, 1, 2, 2 ff. ist hiernach eine Fabel gebildet. Rahu, der im Epos besonders als Verschlinger von Sonne (und Mond) gilt, kommt in vedischen Texten nur Av. 19, 9. 10 vor. Auf Verfinsterung der Sonne geht noch Av. 2, 10, 8.

Der Mond spielt in den Liedern der Rigveda keine bedeutende Rolle; die bemerkenewerthen Stellen sind schon im Vorhergehenden gegeben. Anders war dies in vorvedischer, in indogermanischer Periode; der Mond ist bei sämtlichen indogermanischen Völkern Zeitenmesser und Zeitenordner gewesen. Die einzelnen Mondphasen führen im Veda eigene Namen und erscheinen schon im Rigveda als Göttinnen personificiert. Ihnen wird ein besonderer Einfluss auf die Zeugung zugeschrieben. Raka kommt Rv. 2, 32, 4 ff. und 5, 42, 12 vor; neben ihr an ersterer Stelle Sinivali, »der Götter Schwester«, die leicht und viel gebärende (sushuma, bahusuvari) und Gungu. Die sonst nirgend mehr erwähnte Gungu identificiert Sayana zu Rv. 2, 32, 8 mit Kuhu.

Vereint werden die vier Mondphasen öfter in den Yajustexten erwähnt: Anumati, Raka, Sinivali, Kuhu T.S. 1, B. 8, 1: sie sind vier Gemahlinnen des Mondes T.S. 3, 4, 9, 1. Sinivali und Anumati werden Av. 6, 11. 3 in einem Epithalamium, Av. 2, 26, 2 in einem Viehsegen angerufen, Kuhu Av. 7, 47. An die Neumondsnacht (amavasya) ist Av. 7, 79, an die Vollmondsnacht (paurnamasi) Av. 7, 8O gerichtet. Aus unseren Texten lässt sich über das gegenwärtige Verhältnis der vier Göttinnen und der ihnen zu Grunde liegenden Mondphasen durch T.S. 3, 4, 9, 6 ins Klare kommen. Hiernach ist Raka die erste Hälfte des Monats, die Zeit des zunehmenden Mondes, Kuhu die des abnehmenden Mondes, Sinivali die Neumondsnacht, Anumati die Vollmondsnacht. Vergleiche Yaska Nir. 11, 31 ; Weber Ind. Stud. 5, 228 ff. Die den Mond verfinsternden Dämonen (grahaccandramasah)werden Av. 19. 9, 10 angerufen.

Unter den zahlreichen Sternen, in deren Mitte der Mond einsam dahin wandelte, beobachtete man einzelne und gab ihnen Namen; denn sind sie, die Beschützer der Ansiedelungen, der zwei- und vierfüßigen Wesen, auch alle Agnis Sprösslinge (jantavah Rv. 1, 94. 5), so zeichnen sich doch verschiedene aus. So kennt man im Rigveda aus indogermanischer Vorzeit her das Sternbild des grossen Bären, das Siebengestirn (rksha im Plur) : »Jene Sterne des Bären, die hoch oben stehen, sind nachts sichtbar: wohin doch gingen sie am Tage? Varunas unzerstörbare Werke beleuchtend wandelt der Mond in der Nacht dahin« Rv. 1, 24, 10.

Die sieben Sterne des grossen Bären heissen die 7 Rishi (sapta rshayah): »Jenseits jener 7 Sterne (d. h. jenseits der Sternenwelt) sind selig der Menschen Wünsche durch die Vollendung des Wunsches, dort wo man ihn den einen nennt« Rv. 10, 82, 2. Bei weiterem Vordringen ins eigentliche Hindostan trat das Sternbild immer mehr zurück; es ist nach Berichten der Griechen im südlichen Indien gar nicht sichtbar Ind. Stud. 2, 162. 165. 408. 409; 10, 271 ; vgl. A. Kuhn in Höfers Zeitschrift für die Wissenschaft der Spr. 1, 155 ff.

Mehrere Namen von Sternen und Sternbildern, die im Atharvaveda erwähnt werden, können wegen ihres vereinzelten Vorkommens nicht näher bestimmt werden. »Die drei kalakanja, die am Himmel wie Götter stehen, diese rufe ich insgesamt zur Hülfe, zur Unversehrtheit für diesen« Av. 6, 80, 2; ist der ebendaselbst genannte çvan divya der Hundsstern? Als ein Sternbild, das gutes Wetter verleiht, gilt der çakadhuma Av. 6, 128:

»Als die Sterne den Çakadhuma zum König machten, gutes Wetter brachten sie ihm dar: ,dies soll sein Herrschergebiet sein', sprachen sie.
Gutes Wetter sei uns am Mittag, gutes Wetter am Abend, gutes Wetter in der Frühe der Tage, gutes Wetter sei uns in der Nacht.
Tag und Nacht, den Gestirnen, Sonne und Mond, uns verleihe gutes Wetter, o König Çakadhuma.
Der du uns gutes Wetter verliehest am Abend, in der Nacht, am Tag; dir Çakadhuma, Sternenbeherrscher, sei immerdar Verneigung.« Vergleiche Weber Om. u. Port. p. 363.

In Rv. 1, 105, 10: »Die fünf Bullen dort, die in die Mitte des weiten Himmels traten - den Göttern ist dieses jetzt zu verkünden — kehren vereint zurück« hat man eine Hindeutung auf die 5 Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn gesucht; s. Benfey Or. und Occ. 3, 138, Ludwig Nachrichten pag. 4. Wegen des folgenden Verses: »Die schön geflügelten sitzen mitten im innern Heiligthum des Himmels, sie scheuchen den Wolf, der über rasche Wasser setzt, vom Pfad« denkt Benfey an 5 Aditya. Nach Weber, der in Betreff der astronomischen Verhältnisse die vedischen Schriften am eingehendsten durchforscht hat, sind die Planeten der vedischen Literatur völlig unbekannt: s. Ind. Stud. 9, 363, Ind. Litter. 2 267, Anm. 272; Whitney Journ. Amer. Or. Soc. 8, 67. Ihr frühestes Vorkommen ist nach Weber in der Maitray. Upan. 6, 16; vgl. Ind. Stud. 10, 240 Note. Dies ist nicht richtig. Auch unter den »am Himmel wandelnden (divicara) graha«, die Av. 19, 9, 7 neben den mondverschlingenden Dämonen (grahaçcandramasah), neben Râhu, den Kometen (dhumaketu) genannt werden, sind gewiss die Planeten gemeint. Freilich gehört dieser Spruch wie die beiden vorhergehenden zu den jüngsten Stücken des 19. Kanda, der selbst nur ein Nachtrag zur Atharva-Samhita ist, so dass für die Kenntnis der Planeten in älterer vedischer Zeit aus ihm nichts gefolgert werden kann. Aber auch anderen Theilen der Rk-Samhita ausser obiger Stelle sind dieselben nicht mehr fremd, wie wir gleich sehen werden.

Ehe wir uns der Zeiteintheilung zuwenden, ist noch ein schwieriger Punkt zu besprechen, die Frage, in wie weit den vedischen Samhita die Kenntnis der Nakshatra (Mondstationen) zuzuerkennen ist. Halten wir uns zuerst am Rigveda. M. Müller Hist. of Anc. Sanskrit Litt. pag. 212 sieht eine Anspielung auf dieselben in Rv. 10, 85, 2: »Durch Soma (d. h. durch den vergöttlichten und zur allgemeinen Naturessenz umgestempelten Somasaft) sind die Aditya stark, durch Soma ist die Erde groß, aber auch in jener nakshatranamupasthe (Sterne? Schoß) weilt der Soma (Mond) eingehegt.« Der Vers wird als sehr jung erwiesen wegen der Bezeichnung des Mondes durch soma; als Frucht priesterlicher Speculation lernen wir sie Rv. 10, 85, 3 kennen.

Ludwig, der Nachr. S. 4 M. Müller zustimmt, zieht als Stütze noch Rv. 10, 55, 3 an, wo es von Indra (?) heisst, »er leuchte allenthalben mit 34fachem Lichte, das gleichgestaltig ist, aber verschiedene Bahnen hat«; nach ihm sind gemeint Sonne, Mond, 5 Planeten und die 27 Nakshatra: der Himmel mit allen seinen Lichtern. Diese Deutung der sonst räthselhaften Zahl 34 ist im höchsten Grade ansprechend und darf wohl als vollkommen sicher gelten.

Ludwig weist ferner darauf hin, dass nach Rv. 1, 162, 18 dem Indra geopferten Rosse 34 Rippen vom Beile getroffen werden; da ein Pferd aber 36 Rippen hat, so muss die seltene Zahl 34 absichtlich gewählt sein. Zur weitern Stütze will ich noch T.S. 2, 3, 5, 1 anführen: »Prajapati hatte 33 Töchter, die gab er dem König Soma (Mond). Von ihnen wohnte derselbe (nur) der Rohini bei; die übrigen gingen deshalb voll Eifersucht weg. Er ging ihnen nach, suchte sie auf und verlangte sie wieder. Aber er (Prajapati) gab sie ihm nicht (sogleich) wieder, (sondern) er sprach: Stelle eine Ordnung fest, dass du ihnen gleichmässig beiwohnen willst, dann werde ich sie dir wiedergeben. Jener stellte eine Ordnung fest und er gab sie ihm wieder; da er aber von denselben nur der Rohini beiwohnte, befiel ihn der Yakshma«. Die 27 Nakshatra, Surya, bei welcher der Mond in der amavasya (Neumondsnacht) wohnt, und die 5 Planeten gelten hier ala Töchter Prajapatis.

Von den in den andern Samhita und sonstigen Schriften genannten Nakshatra finden wir die Namen mehrer im Rigveda erwähnt: Rv. 10, 85, 13 Agha und die beiden Arjuni (cf. Weber Ind. Stud. 5, 182), wofür Av. 14, 1. 13 die später üblicheren Namen Magha und Phalguni geboten werden. Ein weiteres Nakshatra hiess Tishya : »Mögen wir von euch gewährten Reichthum, o einsichtsvolle Marut, herbeifahren, der nicht ferne bleibt wie der Tishya am Himmel« Rv. 5, 54, 13; cf. 10, 64, B. Weber Abhandl. der Berl. Akad. 1861 Seite 290 will hier wohl mit Recht nicht an das Nakshatra dieses Namens als solches denken, sondern an einen besonders markierten Stern: der Name hängt offenbar aufs engste zusammen mit dem altb. tistrya, der in den Texten des Avesta öfters wiederkehrenden Bezeichnung des Sirius.

Ob die Stationen Revati und Punarvasu Rv. 10, 19, 1 in einem Spruch beim Austreiben des Viehes auf die Trift gemeint sind, ist höchst zweifelhaft; beide Wörter lassen sich an betreffender Stelle sehr wohl als Appellativa fassen: 'Kehret zurück, setzt euren Weg nicht fort, bei uns bleibet (an uns hängt euch), o Reiche ; Agni und Soma, ihr immer aufs neue Güter verleihende (punarvasu), verleiht uns Reichthum«. Vgl. Lassen Alterth. 12, 980.

Es ergibt sich also, dass die Kenntnis der 27 Nakshatra sowie der 5 Planeten dem ältesten Theile des Rigveda (Mandala 2-8) unbekannt ist; erst die als Ganzes jüngeren Sammlungen Mandala 1 und 10 kennen dieselben, nennen aber ihre Namen noch nicht. Diese finden wir in der Taittiriya-Samhita und im Atharvaveda. Die Taitt. S. 4, 4, 10, 1-3 nennt entsprechend den Stellen des Rigveda deren nur 27; Av. 19, 7 jedoch finden wir schon die spätere Zahl 28, die Reihe beginnt noch mit Krttika. Neu hinzugetreten ist Abhijit, wie auch T. Br. 3, 1, 2, 6 gegenüber der Stelle der Samhita.

Einzelne Mondstationen werden im Atharvaveda und in der Vaj. Samhita mehrfach erwähnt: »Aufgegangen ist das beglückende Sternenpaar mit Namen Vicrt: des Kshetriya unterste und oberste Schlinge löse es« Av. 2, 8, 1 : vgl. Av. 3, 7, 4; 6, 121, 3. »Unter der Jyeshthaghni, unter den beiden Vicrt, Yarnas Doppelgestirn ist er geboren; vor dem Mulabarhana schütze jenen« Av. 6, 110, 2; vgl. 112, 1. Jyeshthaghni ist die 16. Mondstation, die Av. 19, 7, 3 einfach Jyeshtha, T.S. 1. c. Rohini heisst. Mulabarhana (Mula Av. 19, 7, 3) ist synonym mit Vicrt. In der Stelle V. S. 9. 7 werden die 27 Gandharva, die im Anfang das Ross anschirrten, von Mahidhara auf die Nakshatra gedeutet. Soviel ich sehe, treten die Gandharva in dieser Anzahl sonst nicht mehr auf. Als Lieblingsgattin König Somas, d. i. des Mondes, gilt Rohini T.S. 2, 3, 5, 1 ff.

Auf die Frage nach dem Ursprung der Nakshatra ist hier nicht näher einzugehen. Ich schliesse mich vollkommen Webers Ansicht an, dass die einfachen Hirten und Ansiedler des Fünfstromlandes, wie wir sie kennen lernten, ebensowenig wie die phantastischen Denker der späteren Periode zu solchen Himmebeobachtungen und solcher Abtsraction fähig waren; man vergleiche besonders die Ind. Stud. 9, 358-364 gesammelten Angaben über die naiven komisch-astronomischen Vorstellungen, die in den Brahmana noch herrschen, also in einer Zeit, die schon längst die Mondstationen kannte.

An ein Mitbringen nach Indien aus früheren, den Semiten benachbarten Sitzen ist gar nicht zu denken. Einestheils ist das, was man aus skandinavischer Mythologie für Kenntnis der Nakshatra in indogermanischer Periode beibringt, völlig haltlos, wie Weber selbst ausführt Ind. Stud. 9, 243; sodann spricht dagegen, dass dieselben den ältesten Ganzen des Rigveda fremd sind. Sie stammen ohne Zweifel aus Babylon und sind mit der Kenntnis der Planeten auf demselben Wege zu den Indern gelangt, wie das älteste Gewicht (mana), wie die Fluthsage und die älteste genaue Tageseintheilung; siehe Seite 50 ff., 101.

Zur Zeit der Entstehung der Vajas. Samhita steht astronomische respect. astrologische Wissenschaft in Blüthe; es werden unter den Opfermenschen V. S. 30, 10. 20 erwähnt der Sternenschauer (nakshatradarça) und der Berechner, Astrolog (ganaka).

Kosmologische Vorstellungen

Nach dem kosmologischen Wissen der Sänger unterschied man drei grosse Lebensgebiete: Himmel (div), Erde (prthivi, bhumi, ksham, ksha, gma) und den zwischen beiden liegenden Luftraum (antariksha). Erstere beide werden häufig auch persönlich gedacht, der Luftraum nie; sodann finden sich beide als obere und untere Welt unter dem Namen rodasi zusammengefasst: dyavaprthivi rodasi ubhe Rv. 2, 1, 15 u. ö.

Die Erde dachte man sich aus drei übereinander liegenden Schichten bestehend, unterschied demgemäß drei Erden (tisro bhumih, tisrah prthivih), eine obere (parama), mittlere (madhyama) und untere (avama): »Wenn ihr, Indra und Agni, auf der obersten, mittleren, unteren Erde seid, von dort, o Stiere, eilt herbei, trinkt den gepressten Soma« Rv. I, 108, 9. Von diesen drei Erdschichten ist die, auf der wir wohnen, die beste (? höchste ? uttama) Av. 6, 21, 1.

Über sich hat die Erde den Luftraum, das antariksha; er heisst auch rajas Dunstkreis, insofern darin Nebel, Wolken und dergleichen sich bewegen: »Die Lüfte hat mit Wolken er durchwoben« Rv. 5, 85, 2; speciell ist er der himmlische (rajo divyam, rajo divah), obere (uttamam Rv. 9, 22 5, paramam Rv. 3, 30, 2) Luftraum, da es auch einen unteren (uparam) oder irdischen (parthivam) Luftraum unter der Erde gibt: »Der Erde Oberfläche, o Indra, breitetest du aus, du stütztest des Himmels Luftraum und den unteren« Rv. 1, 62, 5. »Du, o Savitar, erfülltest den himmlischen und den irdischen Luftrahm (rajamsi divyani parthiva) Rv. 4, 53, 3.

Letzterer, der untere Luftraum, befindet sich unter der Erde und wird von Surya während der Nacht durchwandert, während er am Tage den über der Erde befindlichen durchzieht: »Es durchrollen die lichte und schwarze Tageshälfte offenkundig die beiden Luftkreise« Rv. 6, 9, 1; die Nacht umwandelt Surya von beiden Seiten nach Rv. 5, 81, 4. Beide Gebiete stoßen aneinander Rv. 7, 80, 1.

Gleicherweise wie die Erde dachte man sich den Himmel, der Götter und Seligen Wohnsitz eingetheilt: »Wenn, o Marut, ihr am obersten (uttame), oder am mittleren, oder im untern Himmel, ihr Glückseligen, weilt« Rv. 5, 60, 6. »An Wasser reich (udanvati) ist der unterste Himmel, pilumati ist der mittelste, der dritte ist die Pradyaus, in welcher die Väter sitzen« Av. 18, 2, 48.

Nach Av. 4, 14, 3 (= V. S. 17, 67) steigt man von der Erde Rücken in den Liftraum, von dort in den Himmel (div), sodann zu des Himmels Decke (divo naka) und von hier endlich in die Lichtwelt (svarjyotis). Gleichbedeutend mit dem uttamo dyaus ist auch der uttaro und pdryo dyaus Rv. 4, 26, 6; 6, 40, 5. Diesen jenseits des durchsichtigen Luftkreises liegenden unend¬lichen Himmelsraum dachte man sich als lauteres Licht, sagte daher auch statt divi (im Himmel) vielfach rocane diva/i (in des Himmels Glanz Rv. 1, 105, 5; 1, 155, 3 u. ö.); rocana ward als Lichtraum oft geradezu für div gesetzt, und so unterschied man auch drei Lichträume (trini, tri rocana Rv. 1, 149, 4. 1, 102, 8 neben tisro bkûmih u. ö.).* In diesem Lichtäther thronen die Aditya, die Lichtgötter; sehr häufig wird ihr Sitz parame rocane, parame vyoman erwähnt.

Wie weit man sich Erde und Himmel von einander entfernt dachte, erfahren wir aus Liedern des Rigveda nicht. »Tausend Tagereisen sind die beiden Fittiche (pakslia) des zum Himmel (svarga) fliegenden gelben Harihsa von einander entfernt« nach Av. 10, 8, 18 = 13, 2. 38 ; 3, 14. Es liegt hier, worauf schon Weber Ind. Stud. 9, 360 hinwies, Idieselbe Anschauung vor wie


Ait. Br. 2, 17; »1000 Tagereisen für ein Pferd (açvina) liegt die Himmelswelt von hier«. Nach der Vorstellung des Paiicav. Br. 16, 8, 6; 21, 1, 9 ist die Himmelswelt (svargo lokal, asau tokah) von der Erde (asmallokat) soweit entfernt, wie tausend auf einander stehende Kühe. Zur besseren Orientirung auf der Erde nahm man vier Rich¬tungen an: Von hinten (paçcat Westen), von vornen (purastat Osten), von oben (uttarat Norden), von unten (adharat Süden) (Rv. 7, 72, 5; 10, 36, 14 ; 10, 42, 11). eine östliche (praci), südliche (dakshitaa), westliche (pratici), nördliche (udacl) Av. 15, 2, I ff. Nach diesen vier Himmelsrichtungen unterschied man vier Räume der Erde: »Vier Weltgegenden (pradiçah) hat die Erde« Rv. 10, 19, B. »Ihr (der Wolke) entströmen Fluthon, durch dieselben leben die 4 Erdenräume« Rv. 1, 164, 42; hier bezeichnet catasrah pradiçah deutlich die ganze Welt, bhuvanani viçva. Ganz dem entsprechend denkt sich der Besprecher in Rv. 10, 58, 3 die Erde (bhami) als viereckig (caturbhrshti). Werden fünf Rich tungen gezählt (Rv. 9, 86, 29. Av. 3, 24, 3; 8, 9, 15; 13, 3, 6), so gilt als fünfte die nach der Mitte, wo man sich selbst befindet, die d)sruva diç Av. 15, 14, 1-5; bei sechs kam ardhva hinzu, die Richtung von oben nach unten (uparish(at) Av. 3, 27, 6; 4, 14, 8; 12, 3, 55; 15, 4, 1; 18, 3, 34; bei sieben endlich kam zu den vorigen noch vyadhva, die zwischen Fusspunkt und Zenith (antarikshat) Av. 4, 40, vgl. 4, 14, B. »Sieben von verschiedenen Sonnen beschienene Himmelsrichtungen« nimmt der Sänger von Rv. 9, 114, 3 an ; vgl. Rv. 1, 22, 16. Etwas anders gestaltet sich die Erdkarte des Hiranyastûpa Aingirasa Rv. 1, 35, 8: »Die acht Gipfel (Spitzen) der Erde überschaute er, die drei Festländer dhanva yojana drei wüste Flächen ?), die sieben Ströme ; der goldaugige Gott Savitar kam heran, auserwählte Schätze dem Frommen spendend". Die Anschauung, die sich bei Griechen und Nordgermanen findet, dass die Erde eine Scheibe sei, um die sich das Meer schlingt, begegnet in den vedischen Sarhhita nirgends ; Çatap. Br. 7, 1, 1, 37 wird diese Erde (ayatis lokah) kreisrund (pari-mandala) genannt. Die kosmischen Anschauungen der Brah¬mana hat Weber Ind. Stud. 9, 358-364 zusammengestellt.


(Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879)

Siehe auch

Literatur

Seminare

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