Sehnsüchte
Sehnsüchte, Plural von Sehnsucht. Verschiedene Sehnsüchte zu haben, kann den Menschen motivieren, kann ihn aber auch zerreißen. Letztlich muss der Mensch seinen Geist auf ein Ziel ausrichten - und die Sehnsüchte etwas entspannter angehen.
Sehnsüchte – Die Ursache für das Gebundensein
Auszüge aus dem Buch „Samadhi Yoga“ von Swami Sivananda [1]
Was ist Vergnügen für einfache Lebewesen? Worin liegt es? Es gründet in der Befriedigung von Sehnsüchten, in der Nähe oder im Besitz von Dingen, die man sich wünscht. Doch ist das immer möglich? Wir wissen, dass es das nicht ist. Wie kann denn dann ewige Freude durch eine Sache erlangt werden, die endlich ist oder die konditioniert ist in Zeit, Raum und durch Ursachen, die allesamt von Vergänglichkeit gezeichnet sind?
„Was ist Mukti?“ Da, wo es weder Gewinn noch Verlust gibt, ist wahrhaft Mukti. Wo es weder Harsha (überschwängliche Freude) noch Soka (Depression) gibt, da ist wirklich Mukti.
Alle Aktivitäten im Leben dienen dazu, Freude zu erfahren. Das Leben hasst Schmerz, vermeidet ihn und will das Vergnügen ewig währen lassen.
Der Grund für Leiden liegt in den Sehnsüchten, die sinnlichen Dinge dieser Welt zu erleben und zu genießen. Maharshi Patanjali benutzt den Begriff ‚Abhinivesha‘ für dieses starke Verlangen nach Leben und Vergnügen. Der Grund für Verlangen ist Unwissenheit. Wenn man den Urgrund ‚Unwissenheit‘ zur Gänze beseitigt, indem man das Wissen um das Selbst erlangt, hört alles Sehnen und Festhalten am Leben, alles Leiden, für immer auf. Schopenhauer benutzte den Ausdruck „Lebenswille“ anstatt Abhinivesa.
Der Geist strebt auf ganz natürliche Weise den Dingen der Welt entgegen. Der normale Fluss des mentalen Stromes ist auf weltliche Dinge gerichtet. Man muss den Geist durch Vairagya und Abhyasa (Leidenschaftslosigkeit und Übung) nach Innen lenken. Am Anfang wird der Geist immer und immer wieder voller Sehnsüchte den weltlichen Dingen entgegen streben, selbst, wenn er auf den Atman gerichtet wird. Damit der Geist für immer im Atman weilt, ist beständiges Üben notwendig.
Wenn der Blick nach außen gerichtet ist (Bahirmukha Vritti), fesselt der Strom der vorbeiziehenden Ereignisse den Geist. Die nach außen gerichteten Energien des Geistes beginnen dann zu spielen.
Sehnsüchte sind ein brennendes Feuer. Lösche dieses Feuer, indem Du alle Sankalpas zerstörst. Dann erfährst Du den höchsten Frieden des Ewigen. Das Auslöschen der Sankalpas führt zu Moksha.
Der Geist dehnt sich aus, wenn man in den Genuss ersehnter Dinge kommt. So erlangt er Freude. Er wird eins mit den erfreulichen Dingen. Er zieht sich zusammen, wenn er mit unangenehmen Dingen in Kontakt kommt. So erfährt er Schmerz. Er trennt sich ab von Dingen, die Schmerz erzeugen. Ein Mann aus Darjeeling denkt, dass Mussoorie ein besserer Ort sei; einer der in Mussoorie lebt glaubt unsinnigerweise, dass Nainital ein besserer Ort sei. Das ist alles ein Trick des Geistes. Entfernung verzaubert die Sicht. Wandert nicht umher. Wo immer man hinkommt, hat man den selben Himmel, die selbe Erde, die selben fünf Elemente und die gleiche Leidenschaft. Weilt in Frieden an einem Ort und denkt an Gott. Löst euch von diesen unglücklich machenden Sehnsüchten.
Geh wohin auch immer es Dich zieht, nach Gulmarg oder Pahalgaon in Kashmir, nach Darjeeling oder Simla im Himalaya, nach Wien oder in die Alpen auf dem europäischen Kontinent, doch echten Frieden wirst Du nicht finden. Die bezaubernde Landschaft mag das Auge für einen Moment besänftigen. Raga, Dvesha, Eifersucht, Leidenschaft und Habsucht, Sehnsüchte sind überall. Du findest überall nur dieselbe Erde, denselben Himmel, dieselbe Luft und dasselbe Wasser. Du trägst denselben Geist mit dir. Fantasie und ein Ortswechsel haben schon viele getäuscht. Sei zufrieden. Lebe, wo immer Du möchtest. Bring Disziplin in deinen Geist und die Indriyas. Meditiere ohne Unterlass über das innere Selbst (Antar Atma). Hierin wirst Du den ewigen Frieden finden und der Geist wird aufhören, Dich zu täuschen.
Gib Deine Sehnsüchte über dies und jenes auf. Überwinde Vikshepa, das Hin-und-Her-Gewälze des Geistes. Fange den flatternden Geistesvogel in Deinem Herzen ein durch stetige Hingabe, Disziplin und regelmäßiges Meditieren. Weile friedvoll in deinem Selbst. Die illusorische samsarische Vasana, die durch eine viele Hunderte von Leben währende Praxis entstanden ist, stirbt nie ab, außer durch lange Yogapraxis, bzw. spirituelles Sadhana.
Durst nach Vergnügen (Trishna) ist die Ursache für Sehnsüchte, für Schmerz und Fesseln. Man muss diesen Durst durch die Zerstörung aller Sehnsüchte vernichten. Dann kommt schnell ewiger Frieden.
Die Saat des Begehrens, Sehnsucht, ist der Urgrund für Geburt und Tod. Verwurzele Dich im Göttlichen, durch Japa, Kirtan und Meditieren über Gott (Bhakti Yoga) oder über die Frage „Wer bin ich?“ und meditiere über Atman (Jnana Yoga). Alle Saat des Begehrens wird dadurch in toto verbrannt werden. Du wirst höchsten Frieden und ewige Freude erfahren.
Vasanas sind stärkere Rauschmittel als Alkohol, Bhang oder Opium. Diese Drogen wirken nur einige Stunden, während die Wirkung von Vasanas zahllose Jahre anhält. Die Wirkungen trägt man von Geburt zu Geburt weiter. Die Wirkung hält an, bis man Wissen über das Selbst erlangt. Vasanas haben eine ungeheure Wirkung auf den Geist von Menschen. Sie manifestieren sich als Sehnsüchte. Sie überwältigen sie und lassen sie zu hoffnungslosen Opfern oder Sklaven werden.
Das Wasser eines Sees wird auf zweierlei Arten bewegt. Winde wehen und lassen die Wellen ansteigen. Das ist die eine Art. Blasen steigen vom Seegrund auf und platzen an der Oberfläche. Das ist die andere Art. Genauso wird der See des Geistes auf zwei Arten bewegt, von innen und von außen. Der Geist verbindet sich mit den Sinnen, kommt mit den äußeren Dingen in Kontakt und wird aufgewühlt. Die versteckten Vasanas und verborgenen Samskaras bewegen den Geist von innen her.
Der Geist wird aus Sattva (Reinheit) geboren. Somit ist er rein. Doch er wird durch die Vasanas unrein und durch Sehnsüchte getrieben; er wird unrein durch sein Herumwandern in den Sinnesgefilden dieser Welt.
Wer unter dem Antrieb von Vasanas und Sehnsüchten steht, geht wie ein Betrunkener durch diese Welt. Er kann zwischen Wirklichkeit und Unwirklichem nicht unterscheiden. Sein Verständnis ist umnebelt. Er folgt unüberlegtem Verlangen nach sinnlichen Dingen. Unter dem überwältigenden Einfluss der Vasanas vergisst er die Konsequenzen völlig. Er hat kein Gedächtnis. Sein aufgeblasener Intellekt hört unter der starken Hand der Vasanas auf, zu funktionieren.
Vasanas werden durch wiederholte sinnliche Vergnügungen dick bzw. verdichtet. Sie werden durch das Frönen in sinnlichen Dingen immer stärker. Je stärker die Vasanas sind, umso stärker werden die Sehnsüchte, ist der Wahn und der Irrsinn.
Vasanas sind subtile Wünsche. Transformiere unreine Vasanas mit Einsatz und Eifer in reine. Und noch im gleichen Augenblick wirst Du Jnana erlangen. Das ganze Spiel des Samskara wird durch Vasanas aufrecht erhalten. Die Ausrottung aller Vasanas ist Moksha.
Wenn Vasanas den Geist einnehmen, liegt man in Fesseln. Wenn der Geist völlig frei von allen Arten von Vasanas, von Sehnsüchten, ist, entsteht Befreiung/Emanzipation.
So wie dunkle Wolken die Sonne verstecken, verdecken auch Egoismus und Vasanas (Wünsche, Sehnsüchte) den Jnana Surya (Atman).
Wenn eine Vasana ausgerissen wurde, erhöht das die Willenskraft. Hast Du erst einmal fünf Vasanas unter Kontrolle, ist es Dir ein Leichtes, die sechste zu kontrollieren. Mit der Vernichtung jeder Vasana bekommst Du zusätzliche Stärke (Macht). Das kannst Du richtig fühlen.
Es ist leicht, an Universitäten Abschlüsse zu bekommen, indem man sich ein paar Bücher einverleibt, doch es ist außerordentlich schwer, Vasanas, Sehnsüchte, auszurotten. Aber ein Suchender, der eiserne Entschlossenheit, Geduld, Ausdauer und tugendhafte Eigenschaften besitzt, kann ohne Zweifel alle Vasanas beseitigen.
Vasanas lassen sich nur schwer überwinden. Vasanas zu transzendieren ist schwerer, als den Berg Sumeru zu versetzen. Doch ein Mensch mit brennender Entschlossenheit und eisernem Willen kann sie in kurzer Zeit beseitigen.
Beruhige den Geist, indem Du die Vasanas, die Wünsche, die Sehnsüchte, loslässt, Mauna praktizierst und tief und beständig meditierst. Beherrsche die Sinne, indem Du Dama (Selbstbeherrschung) und Pratyahara (Zurücknehmen von Sinneswahrnehmungen) übst. Richte deinen Blick auf Lakshya, das Zentrum. Lege Zölibat ein. Iss einfache Speisen. Meditiere regelmäßig. Bald schon wirst Du Freiheit und Unsterblichkeit erreichen.
Wenn Du stark in der Überzeugung bist, dass diese Welt nicht wirklich ist, tauchen keine Vasanas im Geist auf. Ohne Vasanas, ohne Sehnsüchte, wird es auch keine Sankalpas geben. Wenn der Geist überhaupt nicht denkt – da er gänzlich frei von Vasana ist – geht der höchste Zustand von „Geistlosigkeit“ (Amana) auf, der höchste Freude und höchstes Wissen hält.
Der Wunsch, ins Kino zu gehen, ist eine unreine Vasana, Sehnsucht. Der Wunsch, die Gita zu lesen, die Gebetskette zur Hand zu nehmen, die Hütte eines Heiligen zu besuchen, sind reine Vasanas, reine Sehnsüchte. Mehre die reinen Vasanas, die reinen Sehnsüchte. Alle unreinen Vasanas verschwinden dann von allein. Der starke Wunsch nach Selbst-Erkenntnis zerstört alle Arten von Vasanas. Es ist nichts falsch dabei, die reinen Vasanas zu vermehren. Sie sind auf deinem Weg zur Selbst-Erkenntnis Gold wert.
Ein steter Strom an unreinen Vasanas fließt vom Geist zu den Dingen. Dieser Strom sollte durch Üben auf den reinen Pfad von Japa, Dhyana, Vichara, Satsanga und das Studium religiöser Bücher umgeleitet werden.
Die Dinge in der Außenwelt bewegen die Sinne und dadurch entsteht ein Verlangen danach, in ihren Genuss zu kommen. Erst strebt der Mensch nur danach, die Dinge zu besitzen, um sie genießen zu können. Dann besitzt er sie und genießt sie. Dann wird er abhängig von diesen Sehnsüchten und von den Dingen. Er krallt sich am irdischen Leben fest und verheddert sich darin wie eine Seidenraupe in ihrem Kokon.
Hoffnung treibt alle törichten Menschen an. Die Hoffnung, die ein Vater hegt, seinen einzigen Sohn noch einmal zu sehen, der verloren ging, ist sehr, sehr klein. Die Hoffnung kinderloser Frauen, einen Sohn zu gebären, ist sehr gering. Die Hoffnung älterer erwachsener Frauen auf Heirat, wenn sie jemanden in ihrem Umfeld davon sprechen hören, ist sehr, sehr mager.
Der Ursprung allen Tuns ist ein Verlangen. Ein Wunsch keimt im Geist. Dann bemühst Du dich darum, das Objekt deines Verlangens zu bekommen. Verlangen ist die Kraft, die das Fortbestehen des Lebens gewährleistet. Verlangen, Sehnsucht ist ein Kind von Avidya (Unwissenheit). Die Zerstörung der Unwissenheit, die mit dem Erlangen von Selbst-Erkenntnis einhergeht, kann jegliche Art von Verlangen ausrotten.
Verlangen ist die wahre Fessel, die den Menschen an diese Welt bindet. Wenn alles Verlangen mit dem anbrechenden Wissen um das Selbst in Stücke zerfällt, ist man befreit von Samsara.
Wo Rama ist, gibt es kein Kama. Wo Kama ist, gibt es keinen Rama. Wo Verlangen, weltliche Sehnsucht, ist, ist die Welt. Wo Frieden ist, gibt es keine Leidenschaften. Wo es Leidenschaften gibt, ist kein Frieden. Wo Verhaftetsein herrscht, gibt es keine Freiheit. Wo Freiheit herrscht, gibt es kein Verhaften. Wo Vasanas sind, gibt es keine Vollkommenheit. Darum geh über das Verlangen hinaus, indem Du deine Unterscheidungskraft (Viveka) und deine Leidenschaftslosigkeit (Vairagya) schulst und über Brahman (das höchste Selbst) meditierst und glücklich bist.
Fühle, dass Gott Shiva stets an deiner Seite ist. Fühle, dass Du in seinem Schoß schläfst. Hab nicht die geringste Angst, wenn Du von Krankheit, Schwierigkeiten oder Sorgen heimgesucht wirst. Sei unbeugsam. Sieh ihnen mit einem Lächeln entgegen. Es sind Tests oder Prüfungen, die dich auf deinem spirituellen Pfad stärker machen sollen und dich mit Mut, Stärke und Geduld erfüllen sollen. Es ist Sein Segen, nur in Verkleidung. Heiße sie mit heiterer Fassung willkommen und überwinde sie eine nach der anderen. Gott wird Dir immense Stärke geben, um sie zu überwinden. Spüre seine Gnade in deinem Alltag, in allem, was auch geschieht. Dann wirst Du mit jedem Tag stärker werden, Oh Ram. Grummele nicht, wenn etwas Unangenehmes passiert.
Der wahre Satsanga ist im Innern. Sich mit unreinen Vasanas, Sehnsüchten, und Raga-Dvesha abzugeben ist schlechter Sanga. Wenn Du Vasanas und ihre Strömungen von Anziehung und Abstoßung zerstörst, kannst Du die gute Gesellschaft, Sanga, von Brahman, dem unsterblichen Selbst, genießen.
Wünsche und Sehnsüchte bringen den Geist in Aufruhr und regen die Sinne an, aktiv zu sein. Dann fliegen die Sinne zu den Dingen im Außen. Werde den Sinnesdingen gegenüber gleichgültig, indem Du die Unvollkommenheiten des sinnlichen Lebens durchschaust und immer mehr zwischen wahr und unwirklich unterscheidest. Beherrsche zuerst die Sinne und merze dann das Verlangen aus.
Wenn ein Verlangen während des Wachzustands nicht befriedigt wird, manifestiert es sich im Traum. Der Mensch tut im Traum, was er im Wachsein gerne täte – und was er im Wachzustand aufgrund von Vorsicht, Sorgen oder irgendwelchen Schwierigkeiten oder Hindernissen nicht tun konnte. Während des Träumens kann der Geist sich auf ungehinderte Weise richtig austoben, da der physische Körper dann ruht.
Man vergleicht den Geist auch mit Quecksilber. Wenn man eine winzige Menge Quecksilber auf den Boden gießt, verfliegt es in alle Richtungen. Es ist dann schwer, all die zerstreuten Partikel wieder einzusammeln. Genauso sind die Strahlen des Geistes in verschiedenen sinnlichen Dingen verstreut. Und es wird schwierig, all die zerstobenen Geistesstrahlen wieder einzusammeln. Man kann Quecksilber jedoch durch einen bestimmten Prozess unter Zuhilfenahme von Kräutern auf Pillenform bringen (Gagana Gutika). Man kann in der Luft fliegen, wenn man diese Pille im Mund hat. In ähnlicher Weise kann das Herumwandern des Geistes durch Leidenschaftslosigkeit und Übung eingefangen werden. Ein Yogi, der den Geist gebunden hat, kann aufsteigen zu Brahman.
Der Arzt mag meinen, der Anwalt ist sehr glücklich. Der Anwalt glaubt, dass der Geschäftsmann glücklicher ist. Der Geschäftsmann hält den Richter für glücklicher. Der Richter denkt, dass der Professor glücklicher ist. Die Arbeit der Anderen scheint gut und einträglich. All diese Sehnsüchte sind eine Täuschung. Das ist ein Trick des Geistes. Sei vorsichtig. Erlange Viveka. Niemand ist glücklich in dieser Welt. Wahres Glück findet man nur in seinem eigenen Atman. Nur ein Jivanmukta, der sich aus der Knechtschaft von Avidya befreit hat, der das Selbst erkannt hat, ist je glücklich. Darum erlange Selbst-Erkenntnis und lebe für immer glücklich.
Wenn Du in den Besitz von etwas gekommen bist, das Objekt deines Verlangens war, zieht der Geist seine Aufmerksamkeit von dem Ding ab und geht nach Innen, bevor ein neues Verlangen nach einer anderen Sache aufkommt, und genießt das freudvolle innere Selbst. Diese Wahrheit kennen nur die, welche Unterscheidungskraft besitzen.
Was angenehm und reizend erschien hört auf, es zu sein, wenn man es besitzt und in seinen Genuss gekommen ist. Der Geist täuscht die Menschen und führt sie in die Irre.
Manchmal gibt es zwischen unterschiedlichen Wünschen und Sehnsüchten Streit. Nur eins von zwei gegensätzlichen Verlangen kann erfüllt werden, und folglich wird das andere unterdrückt. Das unterdrückte Verlangen mag nach geraumer Zeit wieder an die Oberfläche des Geistes treten und dann auch befriedigt werden.
Wenn Du zwanzig Rupien in deiner Tasche hast und auf den Bazar zum Einkaufen gehst, kommen verschiedene widersprüchliche Wünsche und Sehnsüchte in deinem Geist auf und Du findest dich in dem großen Dilemma wieder, ob Du nun ein Flanellhemd für den Winter, einen guten Parker Füllfederhalter oder ein solides Paar Schuhe kaufen sollst. Derjenige Wunsch, der sehr intensiv in deinem Geist wirkt, wird in diesem Moment Früchte tragen. Die anderen Verlangen werden vorübergehend unterdrückt.
Ein Verlangen, eine Sehnsucht, wird nie durch den Genuss des Ersehnten gelöscht. Es nimmt nur zu, wie ein Feuer, das mit Ghee, geklärter Butter, genährt wird. Man kann Verlangen durch Viveka, Vairagya, Vichara, Tyaga und Meditieren über den Atman kontrollieren.
Die subjektiven Gefühle von Harmonie und Streit sind die unmittelbaren Vorläufer von Freude und Schmerz. Die äußeren Dinge induzieren zuerst subjektive Veränderungen, wie z.B. Hitze oder Kälte oder das Gefühl von Harmonie oder Zwietracht, und dann bewirken sie Freude und Schmerz. Ein Stoiker, ein Schüler des Philosophen Zenon, und ein hinduistischer Vairagi, werden durch Disziplin, durch das Trainieren von Körper, Indriyas und Geist, Schmerz und Freude gegenüber gleichgültig. Schmerz und Freude sind relativ. Sie sind schließlich Gebilde des Geistes. Sie sind Dharmas (Eigenschaften) des Geistes. Im Atman gibt es weder Schmerz noch Freude. Er ist die Verkörperung der Wonne. Man muss den Geist transzendieren, um atmische Wonne zu erfahren.
Begehre nichts. Hoffe nichts. Erwarte nichts. Fürchte nichts. Du bist unbezwingbar. Du bist das Licht der Lichter. Du bist die Sonne der Sonnen. Wenn die Sonne so viel Licht und Leben in die Welt strahlen kann, was kann dann erst die Quelle der Sonne, die Sonne der Sonnen? Fühle dies und werde zu einem Zentrum des Lebens, der Freude, des Friedens, des Segens und erstrahle als die Sonne der Sonnen. Ein Geist mit halbentwickeltem Jnana fühlt starken Schmerz, wenn er alles Verlangen aufgibt. Er bedarf der Hilfe durch die Gebete höherer Seelen.
Nur unwissende Menschen beschweren sich dauernd über ihre Umwelt und die Umstände. Habe einen starken Willen und überkomme Umwelt und Umstände. Du kannst deinen Willen nur rein, stark und unwiderstehlich machen, wenn Du über das Verlangen hinauswächst.
Wenn Du frei von Tod sein willst, werde frei von Verlangen und rajasigen Sehnsüchten. Wenn Du keinen Schmerz wünschst, gib das Vergnügen auf. Wenn Du keinen Tod wünschst, gib die Geburt auf, indem Du Trishna zerstörst.
Wenn Du den größeren Frieden Gottes erlangen willst, müssen alle weltlichen Sehnsüchte sterben, alle Sinne unter absolute Kontrolle sein und der Geist zur Ruhe gebracht werden.
Ein Beschränken der eigenen Wünsche, sattvische Nahrung, frohen Mut, Satsanga, Brahmacharya, eine brennende Sehnsucht nach Befreiung und regelmäßiges Meditieren tragen dich zur Schwelle von Moksha, zum Ort ewiger Wonne.
Wer keinerlei Verlangen, keinerlei rajasige Sehnsüchte hat, sieht die Welt als bloße Spreu. Er kann über die ganze Welt bestimmen.
Oh Du rastloser Geist, Du Schwätzernatur, Du vergrämtes Chitta! Warum streunst Du vergebens sinnlichen Dingen hinterher? Bist Du ihrer nicht müde? Denke daran: Diese Welt, dieser Körper und dieses Leben sind so vergänglich und unstabil wie Seifenblasen. Die Welt ist voll von Elend, Unwahrheiten, Betrug, Hass und Krankheit. Es gibt hier keinen Funken Glück zu finden. Dessen kannst Du dir sicher sein. Öffne deine Augen jetzt. Finde Zuflucht zu Füßen Haris und sei im Frieden. Erfreue dich der Reichtümer der drei Welten. Trinke den Nektar der Hingabe und werde unsterblich.
Oh Geist, warum wanderst Du ziellos herum wie ein verstoßener Hund. Was hast Du dadurch gewonnen? Gib das Verlangen auf. Kehre zurück in deine ursprüngliche, liebliche Heimat – die unsterblichen Gefilde ewiger Wonne – und sei glücklich.
Der Wunsch nach Kindern ist das Verlangen nach Besitz und das Begehren von Besitz ist ein Verlangen nach der Welt.
Das Verlangen hat dich zum Bettler gemacht. Ein echter Sklave ist ein Mensch, der Verlangen hegt und daran hängt. Darum zerstöre das Verlangen durch Viveka, Vichara und Hingabe.
Bis auf Weise und Yogis, die unerschöpflichen, unvergänglichen spirituellen Reichtum besitzen, sind alle Menschen in irgendeiner Form Bettler höchsten Grades. Einige betteln um Geld, einige um eine gute Position, einen Titel oder Ehren, einige um Landbesitz und Immobilien. Das Verlangen macht einen zum schlimmsten aller Bettler. Wenn man alles Verlangen dank Selbst-Erkenntnis ausmerzt, hört diese Bettelei gänzlich auf.
Obwohl Jnanins erste Natur sehr weit erneuert wurde, bleiben doch ein paar Überreste der alten Natur in geringem Maße aktiv. Darum sagt die Gita (III-33): „Sadrisam Cheshate Svasya Prakriter Jnanavanapi – Auch ein weiser Mensch verhält sich seiner Natur entsprechend.“
Zerschlage die Fesseln des Verlangens, der selbstüchtigen Sehnsüchte. Behalte in Erfolg wie Niederlage ein ausgeglichenes Gemüt. Zeige keine Zuneigung für das Leben und Abneigung gegenüber dem Tod. Verfluche einen Menschen, der dir Leid zufügt nicht und wünsche dem Menschen, der dich mit Sandelholzcreme einreibt, nicht alles Gute. Nimm nur so viel Nahrung zu dir, wie der Körper gerade braucht, um am Leben zu bleiben. Reinige den Geist. Befreie dich aus allem Verhaftetsein an deine Sehnsüchte, deinen Besitz, deine Vorstellungen. Reiße alle geistigen Bindungen und Knoten auf und lebe frei wie der Wind. Du wirst ohne Zweifel ewiges Glück erlangen.
Samskaras sind Eindrücke von Taten, Wünschen, Vergnügen und Erfahrungen. Sie sind die übrigbleibenden Wirksamkeiten, die operativen Reste von Handlungen. Die Summe all dieser Samskaras, die im unterbewussten Geist, im Chitta, sitzen, wird Kamasaya (Sammelbehälter für Getanes, bzw. Fortbewegungsmittel für Taten) genannt.
Samskaras sind latente Eindrücke unserer Taten. Sie sind in den unterbewussten Geist (Chitta) gebettet. Sie bilden das, was man Parabdha nennt. So wie Materie und Energie unzerstörbar sind, so sind auch Samskaras. Doch durch das Feuer von Jnana und Asamprajnata oder Nirvikalpa Samadhi werden sie vernichtet.
Alle Novizen auf dem spirituellen Pfad verspüren eine Art Tauziehen zwischen den alten sinnlichen Samskaras, den sinnlichen Sehnsüchten und den neu geschaffenen spirituellen Samskaras, den spirituellen Sehnsüchten, die ‚aufsteigen‘ und wieder ‚absteigen‘. In dem Maß, in dem sie immer reiner werden, werden sie von den weltlichen Samskaras nicht mehr heruntergezogen.
Ein Zeichenblock ist nichts weiter als Papier und ein paar Bilder. Wenn man die Bilder mit einem Radiergummi entfernt, bleiben in dem Block nur leere Blätter. Genauso verhält es sich, wenn die Samskaras durch Meditation und Samadhi aus dem Geist gelöscht werden: dann ist der Geist bloßer Brahman. Der Geist eines weltlich eingestellten Menschen ist ein Bündel Samskaras. Der Geist eines Weisen ist reiner Brahman.
Ein unwissender Mensch ist ein Werkzeug in den Händen seiner Samskaras und Karmas. Er gewinnt langsam an Kraft, wenn er seine wahre, wesentliche Natur versteht, indem er spirituelles Sadhana durchführt und dem Verlangen und dem Egoismus entsagt.
Wenn Hühner und anderes Federvieh hier und da herumrennen, um allerlei Müll zu fressen, was tut da der Besitzer des Stalles? Er schlägt sie leicht auf den Kopf und wirft ihnen Getreidekörner vor. Stück für Stück lassen sie dann von ihrer schmutzigen Angewohnheit, Dreck zu fressen, ab. In gleicher Weise fleucht der Geist hin und her, um schmutziges Zeug zu essen und die fünf Arten an sinnlichen Dingen zu kosten. Gib ihm einen leichten Schlag auf den Kopf und lass ihn schrittweise, durch das Praktizieren von Japa und durch Meditieren, auf den Geschmack spiritueller Freude kommen.
Alkohol, Fleisch, rajasische Nahrung, die Lektüre von billigen Romanen, obszöne Lieder, obszöne Anblicke, obszöne Worte und schlechte Gesellschaft treiben das Rad des Geistes mit großer Geschwindigkeit an. Früchte, sattvige Nahrung, Gesellschaft weiser Menschen, die Lektüre von religiösen Schriften, Alleinsein, Japa, Kirtan, Konzentration, Meditation und die Suche nach „Wer bin ich?“ lassen das Rad langsamer werden und bringen es schließlich zum Stillstand.
Lass dem Geist gegenüber keine Nachsicht walten. Halte all deine Sinne und Sehnsüchte unter strenger Kontrolle. Sage dich von unnötiger Furcht und von Besorgtsein los. Zerschneide im Geist alle Bindungen und Verflechtungen. Lass ab von den Vasanas, von allen eigensinnigen Sehnsüchten. Das ist echter Sannyasa, echte Entsagung.
Copyright Divine Life Society
Siehe auch
Literatur
- Eckhart Tolle, Eine neue Erde
- Sukadev Bretz, die Yoga Weisheit der Bhagavad Gita für Menschen von heute, Band 1
- Sukadev Bretz, Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute
- Swami Sivananda, Göttliches Elixier
- Sybille Dapp, Der junge Sadhaka
Seminare
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- Dr phil Oliver Hahn
- 17.01.2025 - 19.01.2025 Raja Yoga 1
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- Vincent Pippich