Gedankenkraft

Aus Yogawiki
Swami Sivananda

Gedankenkraft ist die Kraft der Gedanken. Gedanken können schöpfen, erhalten und zerstören. Laut Yoga Philosophie gibt es keine größere Kraft in diesem Universum als Gedankenkraft. Indem du lernst, deine Gedanken zu steuern, kannst du deine Gedankenkraft voll nutzen. Gedankenkraft veranlasst dich zum Handeln. Gedankenkraft hält deinen Körper gesund. Gedankenkraft manifestiert sich als deine Ausstrahlung. Mit Gedankenkraft kannst du auch andere Menschen begeistern. Und die Gedankenkraft lässt Dinge geschehen.

Swami Sivananda über Gedankenkraft

Der indische Yoga Meister Swami Sivananda schreibt über die Kraft der Gedanken:

Karma ist Handeln und ebenso das Gesetz von Ursache und Wirkung. Alle Reiche, die unterhalb des Menschenreiches liegen, sind „geistlos“. Darum können sie keine Gedanken erzeugen. Darüber hinaus haben sie keine Vorstellung von Gut und Böse, was man tun sollte und was nicht, und darum können sie kein Karma erschaffen.

Nun wahrlich ist der Mensch Gedanken-geformt; wie ein Mensch in dieser Welt denkt, so wird er, wenn er einst aus ihr gegangen sein wird, sein. (Chhandogya Up. III-14-1). Gerade der Mensch kann Gedankenkraft zum Guten wie auch zum weniger Guten verwenden.

Gedanken sind solide, solider als ein Steinbrocken. Sie haben gewaltige Kraft oder Macht. Benutze diese Gedankenkraft achtsam. Sie kann dir in verschiedener Weise sehr angenehm zu Diensten sein. Doch missbrauche diese Gedankenkraft nicht willkürlich. Wenn du diese Gedankenkraft falsch benutzt, wirst du schnell zu Fall kommen und schreckliche Wirkung wird folgen. Nutze sie dazu, anderen zu helfen.

Sanaka, Sanananda, Sanathsujata und Sanatkumara waren mentale Werke von Brahma. Auf Brahmas einfachen Willen hin wurden diese vier Söhne geboren. Sie schlugen sofort den Weg der Entsagung ein (Nivritti Marga).

Der Mensch dankt an sinnliche Dinge und haftet ihnen an. Er glaubt, dass Früchte sehr gut für den Körper sind. Er strengt sich an, sie zu besitzen. Dann hat er sie wirklich und kann sie genießen. Jetzt hängt er am Obst. Er entwickelt die Gewohnheit, Früchte zu essen, und wenn er mal einen Tag keine bekommt, geht es ihm nicht gut. Durch das Denken kommt die Verhaftung, aus dem Verhaftetsein entsteht Verlangen, Verlangen entwickelt Ärger – Ärger entsteht dann, wenn ein Verlangen aus irgendeinem Grund nicht befriedigt wurde; aus Ärger wird Wahn; im Wahn verliert man das Gedächtnis; Gedächtnisverlust führt zum Verlust des Intellektes; und mit dem Verlust des Intellektes ist der Mensch völlig ruiniert. Wenn du ewigen Frieden erlangen möchtest, denke nicht an Dinge, sondern denke stets nur an den unsterblichen, glückseligen Atman.

Verlangen an sich sind harmlos. Sie werden durch die Vorstellungskraft oder die Gedankenkraft aktiviert (Sankalpa Shakti). Nur dann richten sie Verwüstung an. Der Mensch schwelgt in Gedanken über Sinnesobjekte. Er stellt sich vor, ganz viel Vergnügen durch sie zu erfahren. Dieses Fantasieren regt Sehnsüchte an. Die Vorstellungskraft kooperiert mit den Sehnsüchten. So werden die Sehnsüchte gekräftigt und aktiviert. Heftig attackieren sie dann den getäuschten Jiva.

Wenn der Geist an weltliche Dinge denkt, herrscht Ordnung. Der Verstand denkt vielleicht an eine Rose und dann denkt er vielleicht an einen Bungalow, Geld, eine Seereise, ein Flugzeug, ein Auto, Restaurants und Filme. Man kann glauben, dass der Geist ziellos umherschweift. Doch es herrscht Ordnung in seinen Bewegungen. Der Gedanke an einen Bungalow kommt, wenn er an eine Rose denkt, denn Rosen werden um Bungalows herum angepflanzt. Sobald er an einen Bungalow denkt, schleicht sich der Gedanke an Geld ein, denn nur ein reicher Mensch mit Geld lebt in einem Bungalow. Dann will der Geist angenehme Dinge mit Geld erleben. Er möchte eine Vergnügungsreise nach Europa machen und da mit dem Flugzeug oder Auto von A nach B fliegen bzw. fahren, in Hotels Leckerbissen essen und in Kinos Filme anschauen.

Zuerst lässt man einen schlechten Gedanken herein. Dann lässt man die Fantasie schweifen. Es macht Freude, diesem schlechten Gedanken nachzugehen. Man erlaubt ihm, im Geist zu bleiben. Schrittweise krallt sich der schlechte Gedanke im Geist fest, wenn man ihm nicht widersteht. Dann wird es sehr schwierig, ihn wieder loszuwerden. Ein Sprichwort besagt: „Reich einem Schurken die Hand und er nimmt den ganzen Arm.“ Das Gleiche gilt für Gedanken.

Gleiches zieht Gleiches an. Wenn du einen schlechten Gedanken zulässt, zieht dieser Gedanke alle möglichen schlechten Gedanken von Anderen an. Und du gibst diesen Gedanken ebenso an Andere weiter. Gedanken sind in Bewegung. Gedanken sind eine lebendige Gedankenkraft. Ein Gedanke ist ein Ding. Wenn du deinem Geist erlaubst, einem erhabenen Gedanken nachzugehen, wird dieser Gedanke gute Gedanken von Anderen anziehen. Und du gibst den guten Gedanken an Andere weiter. Du verpestest die Welt mit deinen schlechten Gedanken. Mit deinen guten Gedanken verbesserst du die Welt.

Geschmolzenes Gold, das in einen Schmelztiegel gegossen wird, nimmt die Form des Schmelztiegels an. Genauso nimmt der Geist die Form dessen an, was er durchdringt.

Der Geist nimmt die Form jeglichen Gegenstandes an, an den er intensiv denkt. Wenn er an eine Orange denkt, nimmt er die Gestalt einer Orange an. Wenn er an Gott Krishna denkt, nimmt er die Gestalt von Gott Krishna an. Trainiere den Geist gut und gib ihm passende sattvische Nahrung zum Integrieren. Halte einen sattvischen Hintergrund, Gedanken oder mentales Bild.

Der Geist ist wie ein Rad, das sich endlos mit extremer Geschwindigkeit dreht. Mit jeder Umdrehung erzeugt es neue Gedanken. Dieses Rad wird durch die Vibration von feinstofflichem Prana in Bewegung gebracht.

Das Üben von Pranayama verringert die Geschwindigkeit des Geistes und lässt das Rad immer langsamer werden. Absolute Kontrolle von Prana bringt das Rad zum Stillstand.

Dieselben Gedanken, die einen Menschen während des Tages beschäftigen, gehen ihm auch im Traum durch den Kopf.

Wenn du voll Reinheit und Konzentration bist, kannst du den Geist jeden Bhava, den du möchtest, annehmen lassen. Wenn du an Barmherzigkeit denkst, ist dein gesamtes Wesen mit Barmherzigkeit erfüllt. Wenn du an Frieden denkst, ist dein Wesen von Frieden durchdrungen.

Versteht ihr, Freunde, dass eure Gedanken euren Charakter schleifen und euer Schicksal formen? Gedanken sind äußerst mächtig. Mächtiger als Elektrizität. Gedanken kontrollieren euer Leben. Erobert eure Gedanken. Merzt schonungslos Angst-Gedanken aus, egoistische Gedanken, Hass-Gedanken, Gedanken der Begierde und jegliche Art von krankhaften, negativen Gedanken. Diese schlechten Gedanken verursachen Schwäche, Krankheit, Unfrieden, Depression und Verzweiflung. Pflegt positive Gedanken, wie Barmherzigkeit, Mut, Liebe und Reinheit. Die negativen Gedanken sterben von selbst. Probiert es aus und fühlt eure Gedankenkraft. Reine Gedanken erfüllen dich mit neuem, freudvollem Leben.

Erhabene göttliche Gedanken haben einen ungemeinen Einfluss auf den Geist und vertreiben schlechte Gedanken und verändern die Mentalsubstanz. Der Geist wird komplett zu Licht verwandelt, wenn man göttliche Gedanken pflegt.

Der mentale Bhava, die Einstellung, legt die Natur einer Handlung fest und bringt ihre Früchte hervor. Du magst deine Mutter oder deine Schwester oder deine Frau umarmen. Die Geste ist die gleiche, aber der mentale Bhava ist ein anderer.

Beobachte allezeit dein Bhavana (Ideen und Gefühle). Dein Bhava sollte immer sattvisch sein. Pflege stets Brahma-Bhavana. Beobachte den Bhavana während der Meditation. Den Atem brauchst du nicht zu beobachten.

Die Gedanken, die man im Geist schafft, und die Bilder, die man im täglichen Leben formt, helfen einem dabei, zu erschaffen, wer man ist, oder wer man sein möchte. Wenn man ununterbrochen an den reinen, unsterblichen Atman denkt und mit der Formel „Ich bin Brahman“ meditiert, wird man identisch mit Atman. Wenn man stets an Gott Krishna denkt, wird man identisch mit Krishna. Man wird auf ewig in ihm weilen.

Gedanken gewinnen durch Wiederholung an Stärke. Wenn man einen schlechten Gedanken oder einen guten Gedanken einmal denkt, hat dieser gute oder schlechte Gedanke die Tendenz, erneut aufzutauchen. Gedanken ballen sich zusammen, denn Gleich und Gleich gesellt sich gern. So werden, wenn du einen schlechten Gedanken pflegst, alle möglichen schlechten Gedanken zusammenkommen und dich runterziehen. Wenn du einem guten Gedanken nachgehst, werden sich alle guten Gedanken verbinden und dir Auftrieb geben.

Der Geist ist ein Schlingel, ein hampelnder Affe. Täglich muss man ihn disziplinieren. Dann wird er langsam unter Kontrolle gebracht. Nur wenn man den Geist mit praktischer Übung trainiert, kann man die Entstehung schlechter Gedanken und Taten verhindern. Man kann daraus resultierende schlechte Ereignisse abwehren, die durch Wiederholung entstanden sind. Nur durch praktisches Üben kann man das Aufkommen guter Gedanken und Taten durch den Geist fördern und kann gute Gedanken und Taten aufrechterhalten, wenn sie zustanden gekommen sind.

Sei dir auch bewusst, wie sich ein Sankalpa in kurzer Zeit in viele Sankalpas (Vistara) ausweitet. Sagen wir mal, du bekommst ein Sankalpa, deine Freunde zum Tee einzuladen. Ein Gedanke „Tee“ ruft sofort Gedanken an Zucker, Milch, Teetassen, Tische, Stühle, Tischdecken, Servietten, Löffel, Kuchen, Kekse etc. herauf. So ist diese Welt eine einzige Ausweitung von Sankalpas. Die Ausdehnung der Gedanken auf die Objekte ist Bindung (Bandha). Entsagung von Sankalpa ist Befreiung (Moksha). Man muss immer aufpassen und die Sankalpas im Keim ersticken. Nur dann wird man wirklich glücklich. Der Geist spielt mit Tricks und Kniffen. Verstehe seine Natur, seine Art, seine Gewohnheiten. Nur dann kannst du ihn leicht kontrollieren.

Je weniger Sehnsüchte man hegt, umso weniger Gedanken gibt es. Werde völlig frei vom Verlangen. Dann hält das Rad des Geistes ganz an. Wenn man seine Wünsche beschränkt, wenn man nicht danach strebt, sein Verlangen zu stillen, wenn man versucht, seine Sehnsüchte eine nach der anderen auszureißen, dann werden Gedanken wenig häufig auftauchen und weniger lange. Die Zahl der Gedanken pro Minute vermindert sich auch. Je weniger Gedanken man hat, umso größeren Frieden hat man. Denkt stets daran. Ein reicher Mann, der in einer Großstadt mit Spekulationen beschäftig ist hat einen ruhelosen Geist, trotz all seinem Komfort, während ein Sadhu, der in einer Höhle im Himalaya lebt und sich in der Kontrolle der Gedanken übt, sehr glücklich ist, trotz seiner Armut.

Je geringer die Zahl der Gedanken, umso größer ist die Gedankenkraft des Geistes und die Konzentration. Sagen wir einmal, dass die durchschnittliche Zahl von Gedanken, die einem pro Stunde durch den Kopf gehen, einhundert beträgt. Wenn es einem gelingt, sie durch Konzentrations- und Meditationsübungen auf neunzig zu reduzieren, hat man zehn Prozent an geistiger Konzentrationskraft gewonnen. Jeder Gedanke weniger führt dem Geist Kraft und Frieden zu. Schon ein einziger Gedanke weniger gibt einem mentale Stärke und dem Geist Frieden. Das fühlst du vielleicht am Anfang nicht, weil du noch keinen feingestimmten Intellekt besitzt, doch in uns ist ein spirituelles Thermometer, das auch schon die Verminderung der Gedanken um einen einzigen registriert. Wenn man die Gedanken um nur einen verringert, hilft einem die Stärke, die man durch das Unterlassen dieses einen Gedankens gewonnen hat, dabei, den nächsten Gedanken noch einfacher wegzulassen.

Genauso wie man eine Tür schließt, wenn ein Hund oder ein Esel hereinzukommen versucht, so verschließt auch euren Geist bevor ein schlechter Gedanke eindringen und in eurem physischen Gehirn seinen Abdruck hinterlassen kann. Bald schon wirst du weise sein und ewigen, grenzenlosen Frieden und Glück erfahren.

Rottet Begierde, Habsucht und Egoismus aus. Pflegt nur reine heilige Gedanken. Auch wenn dies eine schwierige Aufgabe ist, muss man das üben. Nach geraumer Zeit wirst du mit deinem Versuch erfolgreich sein. Die Zerstörung eines schlechten Gedankens gibt dir Gedankenkraft, um weitere schlechte Gedanken auszumerzen und wird eure Seelenkraft, eure Willenskraft, entwickeln.

Verzweifle nicht, auch wenn du es nicht schaffst, einen schlechten Gedanken auszulöschen. Ohne Fleiß kein Preis. Innere spirituelle Stärke entwickelt sich nach und nach in Einem. Das kann man fühlen.

Leidenschaft, Egoismus, Neid, Stolz und Hass sind sehr, sehr tief verwurzelt. Wenn man die Äste eines Baumes beschneidet, wachsen sie nach einiger Zeit wieder nach. Genauso ist es mit diesen Vrittis, wenn sie für eine Weile unterdrückt oder abgeschwächt werden; mit etwas Zeit kommen sie erneut zum Vorschein. Man muss sie unter energischem Einsatz, mit Vichara, Meditation etc., vollständig an der Wurzel ausreißen.

Auf den Gummibaum-Plantagen wenden die Pflanzer eine Methode an, bei der sie die kleinen, überschüssigen Bäumchen, die zwischen den großen Bäumen stehen, wegschneiden. Dadurch können sie von den großen Bäumen mehr Milch (Gummisaft) zapfen. In gleicher Weise müssen die Gedanken pikiert werden, indem man sie einen nach dem anderen auslöscht, um den Ambrosia Nektar der Unsterblichkeit zu kosten.

Kontrolliere deine Gedanken. So, wie du nur die guten Früchte in deinem Korb behältst und die faulen wegwirfst, so halte auch nur gute Gedanken im Geist fest, und wirf die schlechten raus.

Wie ein Krieger die Köpfe seiner Feinde abschlägt,wenn sie aus einer Falltüre in der Festung heraufkommen, einen nach dem anderen, genauso zerschlage die Gedanken einen nach dem anderen, wenn sie durch die Luke zur Oberfläche des Geistes aufsteigen.

So, wie Früchte aus einem Samen geboren werden, so keimen Taten aus Gedanken. Gute Gedanken erzeugen gute Taten. Schlechte Gedanken erzeugen schlechte Taten. Wehre schlechte Gedanken ab. Wenn du durch Satsanga, durch das Lesen religiöser Bücher, durch Gebet etc. gute Gedanken pflegst, sterben die schlechten Gedanken von alleine ab.

Du entfernst auch sofort ein störendes Steinchen aus deinen Schuhen; genauso muss jeglicher quälende Gedanke aus dem Geist entfernt werden. Nur dann hast du genügend Gedankenkraft entwickelt, den Geist zu kontrollieren. Nur dann hast du wahrhaft Fortschritte auf deinem geistigen Weg gemacht.

Wenn du einer Schlange mit einem Stockschlag den Kopf zertrümmerst, bleibt sie für eine Weile absolut bewegungslos. Du glaubst sie ist tot. Dann richtet sie plötzlich ihren Kopf wieder auf und flieht. Genauso sammeln die Gedanken, die du einmal zerschlagen und unterdrückt hast wieder Gedankenkraft und heben den Kopf. Man muss sie völlig zerstören, ohne Chance auf Auferstehung.

Wenn man einer Eidechse den Schwanz abschneidet, zappelt der eine Zeit lang herum, weil noch etwas Prana in dem abgetrennten Ende ist. Nach ein oder zwei Minuten hören die Bewegungen auf. Genauso werden einige Gedanken noch zappeln wie der abgeschnittene Eidechsenschwanz, auch nachdem du sie ausgesäubert und reduziert hast. Ernste Schäden können sie nicht anrichten. Sie besitzen keine Gedankenkraft mehr. Und wie ein Ertrinkender nach allem greift, womit er sich retten könnte, genauso versuchen diese leblosen Gedanken ihr Bestes, um in ihren alten Zustand und ihre alte Gedankenkraft zurückzukommen. Wenn du regelmäßig deine täglichen Konzentrationsübungen und Meditation weitermachst, sterben sie von alleine ab, wie eine Lampe ohne Öl.

Yoga Vasishta ist ein in dieser Welt außergewöhnliches Buch. „Allein der nicht-dualistische Brahman bzw. die Unsterbliche Seele existiert. Das Universum als solches gibt es nicht. Nur das Erkennen des Selbst wird einen aus dem Kanon von Geburten und Toden befreien. Die Ausrottung der Vasanas ist Moksha. Die Ausdehnung dieses Geistes allein ist Sankalpa. Durch seine Gedankenkraft, Unterschiede hervorzubringen, erschafft Sankalpa dieses Universum. Diese Welt ist ein Spiel des Geistes. Diese Welt existiert in den drei Zeitperioden nicht. Das Erlöschen von Sankalpa ist Moksha. Zerstöre dieses kleine ‚ich‘, die Vasanas und Sankalpas. Meditiere über das Selbst und werde zum Jivanmukta.“ Das ist der Kern von ‚Yoga Vashishta‘.

Identifiziere dich mit dem Unsterblichen Selbst. Frage dich ‚Wer bin ich?‘, wann immer Gedanken in deinem Geist aufsteigen. Alle Gedanken werden mit der Zeit absterben.

Der Geist ist die Wurzel des Samsara-Baumes mit seinen tausend Auswüchsen, Ästen, zarten Blättern und Früchten. Wenn du die Sankalpas, die Gedanken, ausrottest, zerstörst du den Samsara-Baum mit einem Schlag. Zerstöre ein Sankalpa, sobald es auftaucht. Die Baumwurzel wird durch die Ausmerzung der Sankalpas austrocknen, und der Samsara-Baum schon bald eingehen. Das verlangt erhebliche Geduld und Ausdauer. Wenn alle Sankalpas ausgemerzt sind, schwimmst du in einem Ozean der Wonne. Diesen Zustand kann man nicht beschreiben, den musst du selber fühlen.

So wie Feuer in seiner Quelle verlischt, wenn der Brennstoff aufgebraucht ist, genauso verschwindet der Geist in seine Quelle – den Atman – wenn alle Sankalpas, alle Gedanken vernichtet sind.

Man kann nicht alle Gedanken auf einmal an ein oder zwei Tagen ausmerzen. Der Prozess, das geistige Hineinwirken zu vernichten, ist schwierig und langwierig. Gib den Gedankenzerstörungsprozess nicht in der Mitte auf, wenn du auf Schwierigkeiten und Hindernisse stößt. Versuche in erster Linie, die Gedanken zu reduzieren. Vermindere deine Wünsche und Sehnsüchte. Die Gedanken werden weniger werden. Mit der Zeit werden alle Gedanken ausgemerzt sein. Gedanken sind wie die Wellen des Ozeans. Sie sind unzählbar. Am Anfang scheint es dir vielleicht hoffnungslos. Einige Gedanken werden abebben, während sich andere wie ein Schwall ergießen. Dieselben alten Gedanken, die einmal unterdrückt worden waren, werden nach geraumer Zeit vielleicht wieder an der Oberfläche auftauchen. Gib in keiner Phase des Prozesses die Hoffnung auf. Innere spirituelle Stärke erlangst du mit größter Sicherheit. Du kannst am Ende nur gewinnen. Alle Yogis hatten einst die gleichen Schwierigkeiten, die du jetzt erlebst.

Behalte ein junges Herz. Denk nicht ‚ich bin alt geworden‘. Zu denken ‚ich bin alt geworden‘ ist eine schlechte Angewohnheit. Pflege diesen Gedanken nicht. Denke mit 60 ‚ich bin 16‘. Was du denkst, dazu wirst du. Das ist ein großes psychologisches Gesetz.

Sitze in Ruhe und Frieden. Unterscheide. Trenne dich von den Gedanken und dem Geist, der das denkende Prinzip bzw. die denkende Instanz ist. Identifiziere dich mit dem innersten Selbst und sei ein stiller Beobachter, ein Sakshi. Alle Gedanken werden mit der Zeit von alleine absterben. du wirst eins werden mit dem Höchsten Selbst, mit Para Brahman.

Setze die Praxis mentaler Stille weiter fort. Das verlangt ohne Zweifel den direkten Einsatz, den Geist auszuschalten. Zuerst vernichte die Vasanas. Nur dann kannst du das Sadhana der Geistesstille eifrig praktizieren. Ohne Vasana Kshaya ist keine geistige Stille, keine Auflösung des Geistes, Mano Nasa, möglich.

Wie wirken Gedankenwellen im Alltag - Ein Beitrag von Sukadev Bretz

Die Gedankenwelt und ihre Auswirkungen

Laut Yoga nimmst du Dinge nicht nur über die physischen Sinne wahr, sondern auch über deine Gedanken. Man könnte sagen, dass du von der Gedankenwelt beeinflusst wirst. Es gibt Gedankenfelder, die eine besondere Kraft haben. Wenn du zum Beispiel in einen Ashram gehst, wirst du feststellen, dass du dort eine besondere spirituelle Kraft erfahren kannst und dir erhabene Gedanken kommen. Wenn du jedoch mit sehr aggressiven Menschen zusammen bist, dann merkst du, dass du auch davon beeinflusst wirst. Wenn du in einen Raum kommst, wo lauter depressive Menschen sind, sein wachsam, dass du davon nicht stark beeinflusst wirst. Umgekehrt haben deine Gedanken auch eine Auswirkung. Wenn du einen positiven Gedanken hast, einen Gedanken des Friedens, strahlt ein Friedensgedanke in die Welt aus. Im Yoga wird angenommen, dass es eine starke Lichtkraft in der Gedankenwelt gibt. Wenn viele Menschen friedvolle, lichtvolle, mitfühlende Gedanken haben, so hoffen wir, dass diese Gedanken sich in Ereignissen der physischen Welt sammeln für eine friedvollere Welt.

Ein Tropfen wird zum Ozean

Befreie uns von Selbstsucht, Gier, Zorn und Hass

Leider scheint es so, dass Gedanken des Hasses mehr werden. Mir erscheint es, als wären es noch sehr viel mehr als noch vor zehn Jahren. Vor einigen Jahren haben wir bei Yoga Vidya überlegt, ob wir in dem "Allumfassenden Gebet" wo steht, "Befreie uns von Selbstsucht, Gier, Zorn und Hass", vielleicht nicht einfach "Hass" weglassen sollen, weil wir gedacht haben, dass kaum ein Mensch heutzutage noch Hass kennt. Leider muss ich sagen, dass es diese Diskussion über die Veränderung des Gebets nicht mehr gibt, denn in der Welt als Ganzes gibt es viel Hass. Die Hoffnung ist natürlich, dass diejenigen, die Yoga üben dieses Gefühl nicht oder nicht mehr kennen, aber wir als Menschheit, als Ganzes, haben leider solche Gedanken. Wenn viele Menschen Hassgedanken haben und Gedanken der Intoleranz, schafft das ein negatives Energiefeld und dieses kann manche Menschheitsverführer mit Energie versorgen und diese können dann Schlimmes tun. Oder diese negative Gedankenwolke kann sich in der physischen Welt manifestieren als Katastrophe, Krieg, Naturkatastrophe.

In diesem Bewusstsein wollen wir keine Angst kultivieren, denn Angst erzeugt auch keine guten Gedanken, sondern Gedanken von Licht, Liebe, Frieden, Verständnis, Einfühlungsvermögen verbreiten. Unsere Gedanken sind nicht nur wichtig, weil sie unseren physischen Körper positiv beeinflussen, oder unsere Stimmung, sondern auch, weil wir damit etwas Positives bewirken. Ereignisse werden auch von einer höheren Warte aus geschickt. Man könnte sagen, von Atman oder vielleicht eher noch von der Karana Sharira, der Kausalwelt. Es kommen Dinge in diese Welt, an denen wir wachsen können. Es kommen Dinge, die uns die Erfahrungen geben, die wichtig sind, damit wir lernen können. Was auch immer kommt, hat man vielleicht selbst beeinflusst, es sind Ereignisse, die von einer höheren Warte, erziehungsmäßig für uns gut sind oder sie sind von der Gedankenwelt, den Gedanken von uns und anderen, beeinflusst worden.

Öffne dich daher für Atman mit Hilfe von spirituellen Praktiken. Atman ist unser wahres Selbst, unser höheres Bewusstsein. Wir wollen uns öffnen für Atman, wir wollen durchlässig werden, also müssen wir unser Ego zur Seite stellen. Wir müssen auch vorübergehend unserer Vernunft, unserem Buddhi eine Pause geben und dann erfahren wir Inspiration und Intuition, beispielsweise in der Meditation oder in den spirituellen Praktiken von Asanas, Körperübungen, und Pranayama, Atemübungen, in der Tiefenentspannung oder auch zwischendurch. Vielleicht sogar, wenn wir ein Gebet sprechen, uns an eine höhere Wirklichkeit wenden, uns ganz offen und ruhig machen und schauen, ob wir eine Inspiration bekommen. In Verbindung mit Ishvara, Gott, könnte man sagen, dass Inspirationen nicht nur von Atman, vom Selbst, kommen sondern von Ishvara, von Gott. Man könnte es auch so sehen, dass Ishvara, Guru und Atman alle Ausdruck der einen höchsten Wirklichkeit – Brahman – sind.

Die Rolle von Buddhi

Der Mensch ist besonders gekennzeichnet durch Buddhi, die Vernunft und den freien Willen. Der Mensch hat das Potenzial nicht einfach eine Reiz-Reaktions-Maschine zu sein oder eine Gewohnheitsmaschine. Es gibt so viele Menschen, die, wenn man die richtigen Knöpfe drückt, vorhersehbar reagieren. Der Mensch hat aber die Fähigkeit, das eben nicht zu machen. Du musst nicht sofort reagieren, wenn dich jemand schief anschaut. Du musst nicht sofort etwas kaufen, nur weil du diesen Wunsch hast, du musst nicht sofort wegrennen, nur weil du vor etwas Angst hast. Du musst auch nicht das weiter machen, was du bisher gemacht hast. Du kannst überlegen warum du es machst und was du machen könntest um dich spirituell zu entwickeln, um Gutes zu bewirken. Buddhi ist also ein Schlüsselbegriff.

Der zweite Schlüsselbegriff ist Atman, das höchste Selbst und auch die Inspiration. Manchmal gilt es sich loszumachen, zu öffnen und um Führung zu bitten, Inspiration zu bekommen. Dann brauchst du aber wieder die Buddhi, die das interpretiert und schaut, wie du damit umgehst. Die Buddhi kann Einfluss haben auf Manas, dein Denken und Fühlen.

Swami Sivananda hat zwar schon 1963 seinen physischen Körper verlassen - Aspiranten und Aspirantinnen fühlen aber weiterhin von ihm geführt auf ihrem spirituellen Weg
• Mit der Buddhi kannst du Einfluss nehmen auf dein Chitta, dein Unterbewusstsein.

• Du kannst deine Vasanas, unbewusste geistige Eindrücke, verändern. • Du kannst deine Samskaras, Prägungen und Eindrücke, verändern. • Mit der Buddhi kannst du auch dir dein Ahamkara, also dein Ich-Gefühl, deine Identifikation bewusst machen und dich dann davon lösen. • Mit der Buddhi kannst du entscheiden, was du tun willst und wie du das interpretierst, was kommt. • Mit der Buddhi kannst du sagen, dass du bewusst positive Gedanken haben willst. Du kannst auch sagen, dass du dich von den Gedanken, die aus der Gedankenwelt kommen, nicht beeinflussen lassen willst.

Ein Beispiel

Buddhi analysiert etwas und greift auf das Wissen von Chitta, Unterbewusstsein, zurück und entscheidet entweder: dass es nicht herauszufinden ist, was etwas ist, oder dass zu wenige Informationen da sind oder vielleicht kommst du zu dem Schluss, dass etwas dieses oder jenes sein könnte, beilspielsweise ein Teppichfusel mit einem Stück grünem Blatt. Dann sagt Ahamkara, welches nun ins Spiel kommt: „Ich weiß, dass es ein Teppichfusel mit einem grünen Blatt ist“. Dann sage ich, dass der Teil vom Teppichfusel korrekt ist, dass es jedoch kein grünes Blatt von einer Pflanze ist, sondern ein Stück von einem grünen Papier. Wenn du dies selbst vielleicht zuvor gewusst hast, zuvor gedacht hast, dann würdest du dich großartig fühlen, obgleich es keiner weiß und niemand dich dafür lobt.

Das Ego, Ahamkara, will nämlich Bestätigung finden. Angenommen, du hast etwas anderes gedacht, vielleicht weißt du, es ist März und es könnte ein Stück von einer Tulpe oder Ähnliches sein, dann bist du vielleicht leicht enttäuscht. Natürlich nur leicht, denn es kommt ja hier auf nichts an. Das Ego identifiziert sich mit dem, was denkt und fühlt und noch mehr mit dem, was man sagt und tut. Das Ego will Bestätigung haben.

Vielleicht kommt, während du all dies liest, etwas in dein Chitta, so dass du an Blumen denkst, vielleicht weil dir durch den aktuellen Monat oder die aktuelle Jahreszeit diese Idee aus dem Unterbewusstsein kommt. Diese Ideen gehen ins Manas und Buddhi kommt ins Spiel und sagt: „Ja, es wäre gut Blumen zu kaufen“. Ahamkara sagt: „Ich will Blumen haben“. Danach kommt noch Buddhi ins Spiel und sagt „Wie bekommt man sie am besten?“ Du wirst überlegen, wo es den nächsten Blumenladen gibt, wie du dorthin gelangst und so weiter ... Buddhi ist dann auch die praktische Vernunft und die praktische Weise, wie man etwas umsetzt. Aber dann könnte Buddhi auch sagen, dass Blumen eher in der Natur schön sind, und sich für einen Spaziergang entscheiden und die Blumen genießen, ohne etwas kaufen zu müssen.

Anregungen für den Alltag

Das Modell des Geistes hat also viele verschiedene Aspekte. Es ist ratsam, sich damit etwas zu beschäftigen: Nimm wahr, dass du etwas wahrnimmst. Nimm wahr, dass dabei unterbewusste Eindrücke und damit Identifikationen kommen. Und dann nimm wahr, dass es einen Moment gibt, in dem du entscheiden kannst, wie du auf deine Wahrnehmungen reagierst und welche Gefühle sie auslösen. Das ist Buddhi und in ihr liegt die Freiheit.

Eine weitere Empfehlung ist

Nutze deine Gedanken positiv. Nimm dir vor ,Gedanken des Friedens zu schicken, vielleicht sogar jeden Morgen, wenn du aufwachst, bevor du einschläfst, in jedem Fall vor und nach deiner Meditation und Yoga Praxis. Schick positive Gedanken in die Welt hinein. Umgekehrt kannst du überlegen, wenn Gedanken in dir auftauchen, ob das wirklich deine eigenen Gedanken sind, oder ob du Gedanken von anderen aufgreifst und ob du dich davon beeinflussen lassen mchtest.

Wenn dein Geist irgendwann sagt: „Das will ich haben!“, dann sage nicht „Ich will es haben“, sondern du kannst sagen: „Da ist ein Wunsch in meinem Geist“. Unterbrich die Identifikation von Ahamkara mit den Wünschen, die in Manas auftauchen, indem du mit deiner Buddhi sagst: „Da ist ein Wunsch in meinem Geist“ und nicht „Ich will…“, denn nicht du willst, sondern es ist ein Wunsch aus dem Unterbewusstsein, vielleicht angeregt durch Erfahrung, manifestiert in Manas. Ahamkara identifiziert sich damit. Nicht du hast den Wunsch, sondern da ist ein Wunsch. Noch weniger wünschst du das, sondern da ist ein Wunsch da. Du kannst auch bewusst entscheiden, welche Inhalte du in Manas haben willst. Du kannst entscheiden, was du anschaust um dich diesen Jnana Indriya Eindrücken auszusetzen. Wenn du merkst, da sind Gedanken in deinem Geist, die nicht so schön sind, dann ersetze sie durch andere, bessere. Wenn du feststellst, dass bestimmte Dinge, die du tust oder wahrnimmst, einen Einfluss auf deinen Geist haben, welcher nicht so schön ist, dann überlege was du stattdessen tun könntest, welchen Eindrücken du dich stattdessen aussetzen könntest.

Öffne dich öfters zu Atman, zur Inspiration. Nimm das Spiel deines Geistes wahr, die Gedanken und Gefühle in Manas und das Unterbewusstsein, das dort hinein spielt, die Identifikationen, die Reiz-Reaktions-Ketten. Sei dir über den Einfluss der Gedankenwelten bewusst. Nutze die Einflussnahme auf die Gedankenwelt und nutze deine Buddhi um Geist, Psyche, deine Gedanken und das, was du tust, zu gestalten.

Drei Bücher, wo noch mehr darüber erfahren werden kann, wie der Geist funktioniert und wie du mit der Kraft deines Geistes arbeiten kannst: • „Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute“ – Sukadev Bretz • „Der Königsweg zur Gelassenheit“ - Sukadev Bretz • „Gedankenkraft und positives Denken“ – Swami Sivananda.

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Siehe auch

Literatur

Seminare