Nichtidentifikation

Aus Yogawiki
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Nichtidentifikation bedeutet Verhaftungslosigkeit in Bezug auf jegliche Erscheinungsform, mit der man sich identifizieren oder sein eigen nennen kann: Körper, Gedanken, Gefühle, Objekte. Die Nichtidentifikation sollte soweit gehen, dass man sich noch nicht einmal mit seinem eigenen Prana, seiner "eigenen" Lebensenergie identifiziert - mit keinem einzigen Puzzleteil, das man sein eigen nennen könnte.

Nichtidentifikation mit Persönlichkeit, Emotionen, Prana

Niederschrift eines Podcasts (2014) von Sukadev

Yoga ist eine Übungspraxis für mehr Energie, für mehr Gelassenheit, für mehr Entspannung und auch für mehr Selbsterkenntnis. Und ein wichtiger Aspekt ist die Frage "Wer bin ich?" Diese Frage gehört insbesondere zu den wichtigsten Fragestellungen des Jnana Yoga, des Yoga der Erkenntnis. "Wer bin ich?" kannst du beantworten anhand der Subjekt - Objekt - Beziehung. Derjenige, der wahrnimmt ist das Subjekt, das, was wahrgenommen wird ist das Objekt. Du bist Bewusstsein, derjenige, der wahrnimmt, und das, was du wahrnehmen kannst, ist das Objekt.

Du könntest dich aber auch fragen: "Bin ich meine Lebensenergien?" Im Yoga, wie auch in vielen anderen fernöstlichen Techniken, machst du viel, um Prana, die Lebensenergien zu erhöhen, auch als "Chi" oder "Ki" bezeichnet. Bist du die Lebensenergien? Was sind überhaupt Lebensenergien? Auf Sanskrit heißen sie Prana, Lebensenergien kannst du spüren. Du kannst mal mehr Energie spüren, du kannst mal weniger Energie spüren. Du kannst auch manchmal ein sanftes Kribbeln in deinen Händen fühlen.

Angenommen, du hebst deine Hände etwas hoch, du konzentrierst dich auf deine Hände, du stellst dir vor, du atmest ein, von oben in deinen Bauch und aus, du atmest Energien in deine Hände, Einatmen von oben Energie in deinen Bauch, ausatmen Energie in deine Hände. Wenn du das ein paar Mal so machst, dann wirst du vielleicht feststellen, deine Hände kribbeln. Vielleicht spürst du auch, dass deine Hände warm werden. Yogis würden sagen, das ist Prana.

Manchmal spürst du auch Energien in anderen Teilen deines Körpers. Du kannst manchmal Unruhe spüren, das ist ein unruhiges Prana, du kannst manchmal spüren, wie dein Herz irgendwo weit wird. So wird dein Herzchakra geöffnet. Manchmal, wenn du die Augen schließt, und dich auf die Stirngegend konzentrierst, das könntest du z. B. auch jetzt machen, und dir dabei vorstellst, dass du weit weg schaust und während du mit geschlossenen Augen weit weg schaust, spürst du ein Licht in der Stirngegend oder spürst ein sanftes pulsieren. Auch das wäre zum Beispiel Prana.

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Im Yoga können wir viele Techniken anwenden, um das Prana zu erhöhen, die Lebensenergien zu steigern und mehr Prana zu haben. Dennoch ist die Frage: Bin ich das Prana? Menschen identifizieren sich sehr mit ihrem Energiezustand. Wenn sie viel Prana haben, fühlen sie sich gut, wenn sie wenig Prana haben, fühlen sie sich schlecht. Dabei fühlen sie sich nicht schlecht, weil sie wenig Prana haben, sondern weil sie denken, sie müssten mehr Prana haben, sie müssten mehr Energie haben. Sie machen sich Sorgen bezüglich der Energien. Du bist nicht das Prana. Du bist nicht die Energien. Du bist das unsterbliche Selbst, du bist der Beobachter, du bist das Bewusstsein.

Und du hast mal mehr Prana, du hast mal weniger Prana, du hast mal ruhigeres Prana, du hast mal unruhigeres Prana. Du hast mal erhabeneres Prana, du hast mal grobstofflicheres Prana. All das kannst du dir bewusst machen. Du kannst dir zum Beispiel jetzt bewusst machen, ob du gerade viel oder wenig Prana hast. Hast du also viel oder wenig Energie? Hast du eine ruhigere Energie, hast du eine unruhigere Energie? Hast du leichteres, erhabeneres Prana oder eher grobstofflicheres Prana? Wenn du das erkannt hast, kannst du dir bewusst machen, dass du nicht das Prana bist, denn du kannst das Prana wahrnehmen, du kannst den Energiezustand wahrnehmen.

Du kann auch das Prana wahrnehmen, wie es jetzt vielleicht im Bauch ist. Du kannst den Energiezustand im Herzen wahrnehmen, vielleicht in der Stirn, vielleicht in den Handflächen, vielleicht in den Augen, wenn du die Augen schließt und bei geschlossenen Augen weit weg schaust, kannst du auch manchmal spüren, dass die Augen weit ausstrahlen. Du kannst auch bewusst bei geöffneten Augen Energie durch deine Augen ausstrahlen, du kannst auch anderen helfen, anderen Menschen Prana übertragen. Vielleicht hast du das schon mit deinem Partner oder deinem Kind gemacht. Du kannst auch in deinen Füßen Prana spüren. Du kannst auch über deine Hände Prana empfangen. Du kannst dir auch vorstellen dass du von anderen Menschen Energie aufnimmst, du kannst dir auch vorstellen, dass von oben Energie in dich hineinströmt.

So kannst du einiges tun, um ein Bewusstsein für Prana zu schaffen. Nur sei dir dessen bewusst, dass du nicht das Prana bist. Jetzt gehen wir nochmal die Kleshas durch in Bezug auf das Prana. Nehmen wir an, du würdest dich mit dem Prana identifizieren. Du fühlst dich vielleicht nach einer Yogastunde, nach einer Meditation sehr gut, du hast einen hohen Energiezustand. Du freust dich und denkst, ja ich bin das Prana, mir geht’s so gut, und dann hast du natürlich Wünsche, dass das Prana immer so sein wird. Du magst nicht, dass das Prana weniger wird. Du magst natürlich die Dinge tun, die dir mehr Prana geben, und du magst nicht die Dinge tun, die dir Prana wegnehmen. Du magst mit Menschen zusammen sein, die viel Prana haben, magst nicht mit Menschen zusammen sein, die dir vielleicht das Prana wegnehmen.

Das schafft schon viele Komplikationen. Denn du wirst so auch egoistisch, du willst mehr Prana haben. Und dann hast du auch Ängste, dass dir das Prana weggenommen wird. Und du spürst vielleicht, dass etwas weniger Prana da ist, dann hast du Angst, dass bald sehr viel weniger Prana da ist, und du spürst, dass du beim Umgang mit einem anderen Menschen weniger Prana hast. Dann hast du natürlich große Angst, dass dieser ein Energieräuber sein wird. Und schon die Tatsache, dass du Angst davor hast, dass andere dir das Prana wegnehmen, nimmt dir das Prana, mehr als die anderen es tatsächlich wegnehmen. Die Angst davor, dass andere dir das Prana wegnehmen, nimmt das Prana.

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Sei dir dessen bewusst, wie sehr du dich mit den Energien identifizierst und dann lerne, du kannst glücklich sein mit mehr oder mit weniger Prana. Sei dir dessen bewusst, du bist Bewusstsein jenseits von Prana. Und deine Aufgabe ist nicht nur, einfach mehr Prana zu haben. Deine Aufgabe ist, Prana aufzunehmen, deine Aufgabe ist, Prana zu geben. Wenn du mit jemandem zusammen bist, der dir Prana anscheinend wegnimmt, dann sieh es nicht so sehr als wegnehmen, sondern sieh es als schenken. Du schenkst anderen Prana. Was du schenkst, kann dir nicht genommen werden. Was du freiwillig gibst, kannst du nicht verlieren, daher sei nicht geizig mit deinem Prana im Umgang mit anderen Menschen.

Stelle dir vor, Licht und Energie strömt in dich hinein, im Umgang mit anderen Menschen stelle dir vor, wie du beim Ausatmen, diese Energie diesen Menschen schickst. So wie du merkst, jemand anders scheint dir Energie zu nehmen, verbinde dich bewusst mit dem kosmischen Energiespender. Geh beim Einatmen zu diesem kosmischen Energiespender, stell dir vor, von oben strömt Energie ein oder von hinten, oder von links, oder von rechts, oder von unten. Und beim Ausatmen schickst du Energie dem Menschen, mit dem du jetzt zu tun hast oder gleich zu tun haben wirst.

Und wenn du im Umgang mit anderen merkst, dass du nachher doch weniger Energie hast, ist es nicht weiter tragisch. Übe anschließend wieder deine Meditation, deine Yogapraktiken oder was auch immer es sein mag, oder regeneriere dich über Entspannung, über Musik, über einen Spaziergang im Wald. Und es mag Phasen geben, wo du mehr tun kannst für deine Energien, und es mag Phasen geben, wo du weniger tun kannst für deine Energien. So wirst du mal mit mehr Energie leben können und mal mit weniger Energie.

Ich will noch auf eine Besonderheit eingehen. Es gibt nämlich Menschen, die haben Phasen mit sehr hoher Energie und sehr niedriger Energie. Sie haben ein sogenanntes zyklothymisches Temperament. Und da ist es wichtig, dass du lernst, so ist eben dein Temperament. Du hast Phasen mit mehr Energie, Phasen mit weniger Energie, und es ist gut, dass du weißt, egal ob du viel Energie oder wenig Energie hast, du bist immer noch du selbst. Lerne mit diesen Hochenergiephasen geschickt umzugehen, und lerne mit Niedrigenergiephasen umzugehen. Niedrigenergiephasen muss nicht heißen Depression und Hochenergiephase muss nicht heißen manische Übersteigerung, sondern du kannst dir sagen: "Ist doch großartig, ich kann viele Erfahrungen machen, ich kann Hochenergie-Erfahrung machen, ich kann Niedrigenergie-Erfahrung machen. Ich hab ein reichhaltiges Erfahrungspektrum."

Wenn du das so annimmst, dann kannst du sehr viel spielerischer mit dir selbst umgehen. Sei dir also jetzt bewusst, wie ist deine Energie in diesem Moment? Du kannst die Energie erhöhen durch tiefe Bauchatmung, durch Visualisierung, durch Affirmationen, wie z. B.: "Ich bin voller Kraft und Energie, mir geht es gut, ich freue mich auf den weiteren Tag." Sei dir auch bewusst, ob du dich besonders stark mit deinem Prana identifizierst, und ob du verschiedene Ängste hast, das Prana zu verlieren. In diesen Fällen, lerne es zu erkennen und lerne dich zu lösen von der Identifikation, erkenne dich als Seele, erkenne dich als Bewusstsein und sei dir dessen bewusst, auch Prana ist nur ein Mittel zur Erfahrung. Prana ist ein Mittel, dass du zur Verfügung hast. Es steuert zwar auch dein Empfinden, den Gemütszustand und die Körpergesundheit, aber du bist nicht das Prana.

Nichtidentifikation mit den Gedanken

Niederschrift eines Podcasts (2014) von Sukadev

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Jetzt möchte ich dir ein paar Anregungen geben zum Umgang mit deinen Gedanken vom Standpunkt des Jnana Yoga aus, des Yoga der Erkenntnis. Die Grundlage des Jnana Yoga der Erkenntnis ist, wie du vermutlich inzwischen weißt: frage "wer bin ich", erkenne dein Selbst und sei frei. Löse dich von Verhaftungen, löse dich insbesondere von Identifikationen. Löse dich auch von Gedanken. Du bist nicht die Gedanken. Du bist Bewusstsein. Du kannst z.B. jetzt einen Moment lang ruhig sein, einen Moment lang schauen, was passiert, wenn du in die Ruhe gehst. In dem Moment, wo du versuchst, in die Ruhe zu gehen, merkst du, da sind alle möglichen Gedanken.

Gedanken kommen, Gedanken gehen. Gedanken, Bilder, Worte, Gefühle, all das kommt. Es kommt und es geht. Du kannst nicht verhindern, dass Gedanken kommen, du kannst nicht verhindern, dass Gedanken auch wieder gehen. Du hast aber einen gewissen Einfluss auf die Gedanken. Vielleicht kannst du doch verhindern, dass Gedanken bleiben. Es heißt, du kannst nicht beeinflussen, ob die Vögel der Gedanken vorbeizwitschern und vorbeifliegen, aber du kannst verhindern, dass die Vögel ein Nest bauen und sich niederlassen. In diesem Sinne kannst du schauen, welche Gedanken hast du, und du kannst dir bewusst machen, dass du nicht die Gedanken bist.

So schnell kommen alle möglichen Gedanken in deinen Kopf, und es gibt keine Notwendigkeit, den Gedanken zu folgen. Es ist gut, dass du Gedanken hast. Es ist gut, dass Gedanken kreativ sind. Es ist gut, dass Gedanken dir alle möglichen Vorschläge machen. Aber du bist nicht die Gedanken, und du musst den Gedanken nicht folgen, du brauchst noch nicht einmal die Gedanken wirklich zu beherrschen. Du kannst sie beobachten. Wenn du also mal merkst, da kommt irgendein Gedanke zu dir, dann kannst du überlegen: Ist der Gedanke hilfreich? Ist er störend? Du kannst dann feststellen, "ja, das ist jetzt kein Gedanke, dem ich folgen will", wirst dann den Gedanken aber wahrscheinlich trotzdem nicht gleich loswerden.

Du brauchst ihn auch nicht los zu werden, du kannst einfach beobachten: "Aha, da ist der Gedanke. Der Gedanke hat die und die Inhalte, ich spüre ihn da und da, aber ich bin nicht der Gedanke." Es gibt sogar bestimmte Möglichkeiten, wie du dich von Gedanken lösen kannst. Du kannst dir z.B. vorstellen, dass deine Augenlider wie die Leinwand eines Kinofilms sind. Und du schaust auf diese Leinwand, und dann bist du neugierig, welche Bilder dort kommen. Und so bist du Zuschauer der Bildgedanken. Genauso kannst du dann auch schauen, ob du die Bildgedanken mal vorübergehend abschaltest.

Du könntest dir vorstellen, dass du deinen Projektor, deinen innerlichen Projektor, abschaltest. Ein paar Momente ist dann Ruhe. Danach kommen wieder neue Bildgedanken. Das ist ganz amüsant. Das ist ein schönes Spiel, das du ab und zu mal ausprobieren kannst. Die Bildgedanken beobachten, als ob sie auf die Leinwand deiner Augenlider projiziert werden, und dann ab und zu mal abschalten. Genauso kannst du umgehen mit deinen Wortgedanken. Du kannst dir vorstellen, deine Ohren sind wie die Lautsprecher eines Radios. Und du kannst dir vorstellen, dein innerer Dialog, deine inneren Wortgedanken, sind wie Radiosendungen. Du hörst eine Weile zu, vielleicht ein bisschen fasziniert, amüsiert, hörst du den Wortgedanken zu, die in deinem inneren Geist ablaufen. Du hörst ihnen zu, und dann kannst du mal schauen, ob du das Radio abschaltest.

Normalerweise geht das. Ein paar Sekunden, vielleicht sogar länger, sind die Wortgedanken weg. Das ist wie ein defektes Radio, die Wortgedanken fangen wieder von selbst an. Du kannst das ein paar Mal ausprobieren und wirst dann feststellen: "Ja, es stimmt. Ich bin nicht meine Gedanken." Gedanken sind meistens Zusammensetzungen aus Worten, aus Bildern und aus Gefühlen. Indem du eine dieser drei Komponenten herauslöst und dich davon löst, kannst du dich insgesamt von der Identifikation mit den Gedanken lösen.

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Angenommen, du bist mehr Gefühlsmensch, dann ist es besonders effektiv, du löst dich von den Gefühlen, wie ich es im letzten Abschnitt beschrieben habe, indem du die Gefühle lokalisierst, indem du sie beobachtest. Die Gefühle von oben, von unten, von links, von rechts, von hinten und vorne. So merkst du: "Ich bin nicht die Gefühle, ich bin der Beobachter." Bist du jemand, der gerne bildlich denkt, gut, dann schaue dir die Bilder an und schalte sie ab und zu mal ab. So weißt du: "Ich bin auch nicht die Bilder."

Bist du jemand, der mehr in Worten denkt, der ständig innere Worte spricht und dem die Worte, die eigenen, besonders wichtig sind, gut, dann stelle dir vor, die Worte sind wie eine Radiosendung. Höre diesen Worten zu und stelle sie ab. Und selbst wenn du sie nicht abstellen kannst, so wie eine Radiosendung dir alles Mögliche erzählt, und du musst damit nichts anstellen, so ähnlich mag auch dein Geist dir alles Mögliche erzählen, und du musst nichts damit anstellen. Gedanken mögen kommen. Es heißt nicht, dass du das tun musst, was deine Gedanken dir so sagen. Du kannst lernen, gelassener mit deinen Gedanken umzugehen, indem du dich nicht damit identifizierst.

Werde dir öfters bewusst, was für Gedanken du hast, werde dir öfters bewusst, wie die Gedanken ablaufen, und schaue den Bildgedanken zu, höre den Wortgedanken zu, spüre die Gefühlsgedanken, und ab und zu löse dich davon oder stelle sie ab. Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Gelassenheit. Wenn du eben erkennst, du bist nicht wirklich die Gedanken, fällt es dir leichter, dich von den Gedanken zu lösen und vielleicht sogar die Gedanken zu ersetzen und vorübergehend zum Stillstand zu bringen. Im Raja Yoga sagt man ja: "Yogas chitta vritti nirodah." Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist.

Indem du deinen Geist zur Ruhe bringst, ruhst du in deinem wahren Wesen. "Tada drastuh svarupe vasthanam." Wenn du deine Gedanken zur Ruhe gebracht hast, dann ruhst du in deinem wahren Wesen. Und dein wahres Wesen ist Bewusstsein. Dein wahres Wesen ist unbegrenztes Sein. In deinem wahren Wesen ist Liebe, in deinem wahren Wesen ist Freude. Und so ist ein guter Schritt, Gedanken und Gefühle zu beobachten, dich nicht zu identifizieren. Dann fällt es leichter, diese zur Ruhe zu bringen, dann fällt es leichter, zu dir selbst zu kommen.

Es wird dir nicht gelingen, jederzeit die Gedanken zu beherrschen. Es ist auch nicht notwendig. Es ist noch nicht einmal notwendig, dass du jederzeit die Gedanken beobachtest. Schon allein, dass du das ab und zu mal machst, gibt dir eine gute Grundlage für Gelassenheit. Wenn du ein paar Mal deine Gedanken beobachtet hast, kannst du das als Erinnerung behalten, und du weißt auch künftig, dass du nicht deine Gedanken bist, du bist nicht deinen Gedanken ausgeliefert, und du kannst deine Gedanken auch bis zu einem gewissen Grad ändern. Denke darüber nach, praktiziere einiges und probiere es aus.

Eine weitere Möglichkeit ist die Meditation, denn gerade in der Meditation lernst du ja, deine Gedanken zu beobachten, du lernst es, dich von deinen Gedanken zu lösen, du lernst es, bewusst Gedanken des Friedens und der Positivität zu erzeugen, und du lernst auch, jenseits der Gedanken zu gehen, um das zu erfahren, was du wirklich bist.

Nichtidentifikation in der Bhagavad Gita

Krishna hebt den Berg Govardhan, um Menschen Schutz vor einem Unwetter zu geben

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -

Identifiziere dich nicht - Löse dich vom Ego

Ein Kommentar zur Bhagavad Gita zum 18. Kapitel ab Vers 13

Überwinde das Ego und vermeide die Identifikation

Kapitel 18 Vers 13:

pancaitani maha-baho karanani nibodha me sankhye kritante proktani siddhaye sarva-karmanam

Erfahre von Mir, Oh mächtig bewaffneter Arjuna, diese fünf Ursachen für das Ausführen von Handlungen, wie sie im System der Sankhyas dargestellt werden.

Kapitel 18 Vers 14:

adhisthanam tatha karta karanam ca prithag-vidham vividhas ca prithak cesta daivam caivatra pancamam

Der Sitz (der Körper), der Handelnde, die einzelnen Sinne, die verschiedenen Funktionen und auch die herrschende Gottheit, als fünfte.

Jede Handlung, die ein Mensch mit seinem Körper, seiner Sprache, oder seinem Geist ausführt, sei sie recht oder unrecht, ist die Ursache dafür. Da dies nun so ist, sieht wahrlich der Mensch nicht, weil sein Verstehen nicht ausgebildet ist, das isolierte Selbst, als Handelnden. So ist sein Verstand irregeführt. Wer frei vom Ich-Gedanken ist, wessen Verstehen nicht von der Vorstellung von Gut und Böse gefärbt ist, tötet nicht und ist nicht durch Karma gebunden, auch wenn er tötet.

Fünf Ursachen von Handlungen

Es gibt fünf Ursachen von Handlungen. Es gibt den Körper, welcher das Instrument zum Handeln ist. Wenn du handeln willst, dann brauchst du einen Körper. Es gibt den Handelnden, was der „karta“ ist, was letztlich die Psyche ist, den Körper letztendlich irgendwo bewegt. Es gibt auch noch die verschiedenen Funktionen, wie „karana“. Die verschiedenen Sinne spielen auch eine Rolle. Und zusätzlich kommt die Göttliche Fügung, also „daiva“.

Du bist nicht der Handelnde

Das heißt, dass nicht du handelst! Der Körper ist da. Du hast die einzelnen Sinne, es gibt deine Psyche und verschiedene weitere Funktionen. Du bist aufgehoben in einem größeren Ganzen. Und was letztlich heraus kommt ist „daiva“, die Göttliche Fügung.

Egal, durch was du etwas tust, du kannst es mit deinem Körper, mit der Sprache und durch die Gedanken. Die Gedanken sind auch geistige Kräfte, denn jeder Gedanke hat eine Power. Aber auch hier gibt es diese fünf als Ursache. So bist nicht du, derjenige, der alles macht, sondern was auch immer du tust, ist irgendwo mit allem verbunden.

Dein Körper braucht Nahrung, dein Körper braucht Essen, Atem, Flüssigkeit, du hast ein Zusammenwirken mit anderen, dein Körper braucht Nahrung, hat verschiedene Fähigkeiten und Funktionen, deine Psyche steht im Austausch mit anderen. Du selbst machst eigentlich gar nichts. Du selbst bist das Selbst an sich, jenseits von Körper und Psyche. Und Körper und Psyche sind letztlich in einem größeren Ganzen aufgehoben.

Freiheit vom Ich-Gedanken

Löse dich vom Ego

Im siebzehnten Vers geht es darum, wer frei vom „Ich“-Gedanken ist. Denke nicht dass du der Handelnde bist, sondern sei dir bewusst dass ehe es geschieht, du es geschehen lässt. Ich hatte ein Gespräch mit einem indischen Yoga Meister, Swami Yogaswarupananda, er hat gerne gesagt: „happening, not doing“. Das soll heißen: Glaube nicht, dass du etwas tust, sondern lasse es geschehen.

Es geschehen zu lassen

Mein Name ist Sukadev, ich bin Gründer und Leiter von Yoga Vidya. Und manche sind erstaunt darüber, wie viel Yoga Vidya bewirkt und macht und dass das mein Verdienst ist. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich etwas tue. Es ist etwas passiert und es hat sich manifestiert. Ich habe natürlich auch Energie durch meinen Körper und meine Psyche fließen lassen, aber mein Streben ist nie irgendwelche Ziele zu erreichen. Mein Streben ist es, geschehen zu lassen, was geschehen will. Was Swami Sivananda, das Göttliche bewirken will.

Meine Woche besteht etwa aus 80 Stunden Seva und ich denke mir dabei nicht, dass ich besonders viel mache, sondern es geht darum es geschehen zu lassen. Solange Körper und Psyche machen können und dabei helfen können, dass sich viele zusammen engagieren, dann ist es geschehen.

Handle ohne Verhaftung und Identifikation

Man soll sich frei von „Ich“-Gedanken machen und auch nicht die Vorstellung von Gut und Böse haben. Es gibt natürlich ethische und nicht ethische Handlungen, was ganz klar ist. Aber wenn du immer denkst, wie schlimm etwas gewesen ist und was für furchtbare Sachen mir ein Mensch angetan hat. Wenn du ständig ärgerlich bist, was ein Anderer dir angetan hat, oder du dich jahrelang schuldig fühlst, egal ob das andere ganz anders sehen, dann bist du verhaftet.

Entscheide dich für das ethische. Wenn du mal etwas Unethisches gemacht hast, dann gebe es offen zu, bitte um Entschuldigung und mache den Schaden soweit es möglich ist gut. Gegenüber dem Menschen, dem du das angetan hast, gegenüber anderen Menschen, oder gegenüber einer Gemeinnützigen Organisation. So kannst du negatives Karma wieder beruhigen, aber ansonsten solltest du loslassen und aufhören zu denken, wie schlimm oder gut etwas ist. Höre auch auf nachträglich Handlungen zu bedauern, wenn du sie nach bestem Wissen und Gewissen getan hast.

So sagt Krishna, dass wenn du dich nicht identifizierst, du kein Karma schaffst. Handle ohne Verhaftung und Identifikation!

Video - Nichtidentifikation in der Bhagavad Gita

In der Bhagavad Gita ist Nichtidentifikation ein Schlüssel zu Glück, Erkenntnis, Gotteserfahrung, Erleuchtung. Im Grunde genommen kann der Mensch alles Ethische tun: wenn er sich dabei identifiziert, bleibt er im Leid. Nur wenn Mensch das Prinzip der Nichtidentifikation umsetzt, erreicht er den Zustand des reinen Seins.

Hier ein Video dazu, Kommentar zu den Versen 13-17 des 18. Kapitels der Bhagavad Gita:

Neti-Neti Meditation - für Nicht-Identifikation und reine Bewusstheit

Eine Meditation der Nicht-Identifikation, Meditation der Erwartungslosigkeit, Meditation der reinen Bewusstheit, der Eliminierung von allem Begrenzten. Im Bewusstsein, du bist eins mit der Weltenseele und auch als Individuum bist du nicht die Upādhis. Körper und Psyche sind nur begrenzende Attribute.

Setze dich gerade hin und singe dreimal oṃ

oṃ oṃ oṃ

Schritt 1: Sitzhaltung

Sitze ruhig und gerade für die Meditation.

Schritt 2: Atmung und Einstimmung

Atme ein paar Mal tief ein und aus.
Atme drei - vier Sekunden lang ein, atme drei - vier Sekunden lang aus.
Einatmen - Bauch hinaus, ausatmen - Bauch hinein.
Ein paar Mal
Sei dir während der Meditation immer wieder bewusst, was du wahrnimmst.
Dann sagst du im GeistNeti, neti – nicht dies, nicht dies“.
Und dann löst du dich davon und nimmst dich wahr als Unendlichkeit, Freude und reine Bewusstheit.

Schritt 3: Neti-Neti

Körper

Vielleicht merkst du während der Meditation den Körper.
Vielleicht spürst du irgendwo ein Jucken, eine Wärme, eine Kälte oder ein angenehmes oder unangenehmes Gefühl.
Mache es dir bewusst und sage dann innerlich: „Neti Neti – nicht dies, nicht dies“.
Und dann dehne deine Bewusstheit aus und erfahre dich als reine Bewusstheit.

Gedanken, Emotionen

Vielleicht merkst du zwischendurch, wie du Gedanken hast, wie zum Beispiel „Dies und das bräuchte ich noch, dies und das müsste ich noch machen, wenn doch Peter dies oder das machen würde …“
Nimm dies lächelnd zur Kenntnis und sage dir: „Neti Neti – nicht dies, nicht dies“.
Mein Glück hängt von nichts Äußerem ab, mein Glück hängt von keinem Menschen ab.
Jetzt bin ich reine Bewusstheit.
Und zwischendurch kommen wieder neue Gedanken, neue Wahrnehmungen, neue Überlegungen. Nimm dies humorvoll zur Kenntnis mit „Neti Neti – nicht dies, nicht dies“.
Und dann genieße wieder wortlose Bewusstheit.
Du kannst das auch kombinieren mit Mantra oder einer anderen Meditationstechnik.
  • Wann immer du eine Wahrnehmung hast, insbesondere etwas, was mit Identifikation oder Emotionalität verknüpft ist,
  • wann immer innere Gedanken kommen, die Erwartungen äußern,
  • wann immer du irgendetwas geistig Bedingtes wahrnimmst,

sage „Neti Neti – nicht dies, nicht dies“,

Ich bin nicht abhängig von diesem oder diesem.
Ich brauche nicht dies, nicht dies, um glücklich zu sein.
Und dann erfahre dich als Sein, Wissen und Glückseligkeit.

Schritt 4: Reine Bewusstheit und Stille

Immer wieder reine Bewusstheit, Ausdehnung, Unendlichkeit.
Bei jedem Gedanken, jeder Vorstellung, jeder Überlegung sage im Geist „Neti Neti – nicht dies, nicht dies“.
Ausdehnung, Bewusstheit, Ewigkeit, Unendlichkeit.
10-15 Minuten stille Meditation (oder kürzer oder länger)
oṃ oṃ oṃ
om pūrṇam adaḥ pūrṇam idaṃ ' pūrṇāt pūrṇam udacyate /
pūrṇasya pūrṇam ādāya ' pūrṇam evāvaśiṣyate
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ
oṃ Frieden Frieden Frieden

Video - Neti-Neti Meditation - Für Nicht-Identifikation und reine Bewusstheit

Eine Meditation der Nicht-Identifikation, Meditation der Erwartungslosigkeit, Meditation der reinen Bewusstheit, der Eliminierung von allem Begrenzten. Im Bewusstsein, du bist eins mit der Weltenseele und auch als Individuum bist du nicht die Upādhis. Körper und Psyche sind nur begrenzende Attribute.

Ausführliche Anleitung - 20 Minuten

Übungsaufgabe für die Meditation

  • Übe diese Meditation mindestens eine Woche lang täglich.

Übungsaufgaben für den Alltag

  • Wann immer du merkst, dass du denkst „Ich brauche das unbedingt“, halte kurz inne, lächle. „Neti Neti - ich brauche nicht dies, ich brauche nicht das“.
  • Wann immer du denkst, jemand sollte sich auf eine gewisse Weise verhalten, lächle darüber und sage dir: „Neti Neti – ich bin nicht von dieser Vorstellung oder von diesem oder jenem abhängig“.
  • Wenn du dir Sorgen um deinen Körper machst: „Neti Neti – ich bin nicht der Körper“.
  • Wenn du in einer Situation denkst „Ich bin nicht so. Das ist nicht meins“, lächle und sage dir „Neti Neti - nicht dies, nicht dies (in Bezug auf das Selbstbild)“.
  • Wenn du dich vergleichst, zum Beispiel „Ich bin nicht gut genug“, dann sage dir: „Ich als Bewusstsein bin genauso im anderen wie in diesem Körper – Neti Neti.“
  • Reflektiere immer wieder: Wir sind nicht so getrennt voneinander, wie wir annehmen. Selbst auf der relativen Ebene sind Körper und Psyche verbunden mit der ganzen Erde, mit einem von Ῑshvara gelenkten Universum.

Und natürlich machst du auf allen Ebenen mit deinem gesunden Menschenverstand dann das, was angemessen ist, aber eben ohne Verbissenheit und mit innerlichem Loslassen.

Auf diese Weise sollte es dir gelingen, aus der Begrenztheit und der Identifikation mit dem Begrenzten herauszukommen. Du kannst die Relativität überwinden und Einheit erfahren, und sei es nur für einen kurzen Moment und nur andeutungsweise, oder natürlich auch tiefer. Mache all das, was wir in dieser Kurseinheit behandelt haben, während der nächsten Woche und in Zukunft zur lebendigen Erfahrung.

Siehe auch

Literatur

Seminare

Kundalini Yoga

24.01.2025 - 26.01.2025 Kundalini Yoga Einführung
Gründliche Einführung in die Theorie und Praxis des Kundalini Yoga, Yoga der Energie. Die praktischen Übungen des Kundalini Yoga umfassen Pranayama (Yoga Atemübungen), einfache Variationen von Bandha…
Leony Ricarda Bäckmann, Vincent Pippich
07.02.2025 - 09.02.2025 Kundalini Yoga Einführung
Gründliche Einführung in die Theorie und Praxis des Kundalini Yoga, Yoga der Energie. Die praktischen Übungen des Kundalini Yoga umfassen Pranayama (Yoga Atemübungen), einfache Variationen von Bandha…
Nitya Devi Skarabis

Meditation

26.01.2025 - 31.01.2025 Achtsamkeitstrainer/in Ausbildung inkl. Yoga & Meditation
Achtsam sein heißt nichts anderes, als die Dinge so zu sehen wie sie sind. Diese Fähigkeit hat jeder von uns, doch im Alltag verfangen wir uns in vorschnelle Urteile, driften ab in Vergangenheit oder…
Kirsten Noltenius
31.01.2025 - 02.02.2025 Meditation - Schweigend eins-Sein im Innern
Zieh dich mit hoher liebevoller Achtsamkeit zurück in dein Innerstes in tief eintauchenden Meditationen. Erfahre wie du dich dort voller Vertrauen ganz hingibst. Frei von Erwartungen, von Bewertungen…
Shankari Winkelbauer