Chandogya Upanishad Fünfter Prapathaka erster Khanda

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Chandogya Upanishad Fünfter Prapathaka erster Khanda: Interpretation von Shivapriya G.L., welche diesen Text für einen Philosophie Arbeitskreis, Schwerpunkt Upanishaden, für eine Studienreihe "Chandogya Upanishad in der Nähe von Frankfurt konzipiert hat.

Verse 1-5 Chandogya Upanishad Fünfter Prapathaka erster Khanda

Auf was sollen wir uns konzentrieren, wenn wir auf dem spirituellen Weg voranschreiten wollen? Auf welches Instrument können wir setzen, wenn wir unsere Persönlichkeit weiter entwickeln wollen? Welche Hilfsmittel stehen uns zur Verfügung, wenn wir unsere Aufgabe in der Welt wirklich erfüllen wollen?

Diese oder ähnliche Fragen stellen sich unausweichlich, wenn wir ernsthaft auf der Suche nach unserem wahren inneren Selbst sind. In den ersten Versen des fünften Prapathaka erhalten wir hierzu eine interessante Antwort. Der Lebenshauche ist der edelste und beste, und wer den Lebenshauche kennt wird selbst zum edelsten und besten Menschen.

Aber in der Regel genügt es uns leider nicht edel und der Beste, d.h. der am weitesten Entwickelte, zu sein. Im Grunde genommen wären wir lieber der Reichste, oder der, der einen anerkannten Standort in der Welt gefunden hat, d.h. wir wären sehr gerne berühmt, geehrt und anerkannt von allen Menschen. Wir würden auch gerne alle unsere Wünsche verwirklichen, wir würden gerne alles erlangen! Natürlich hätten wir gerne auch immer Recht, wir würden gerne im Zentrum der von allen anerkannten Wahrheit stehen, wie gerne würden wir als derjenige erkannt, der immer das Richtige tut, eben die Stütze der Wahrheit und aller lieben, d.h. uns anerkennenden Menschen, sein!

Auf den ersten Blick sind das ja auch gar nicht so verwerfliche Sehnsüchte. Sie beschreiben unser aller Streben nach umfassenden Glück. In den Versen wird deutlich, wodurch diese Sehnsüchte wachgerufen werden: Die Rede, unsere Fähigkeit zu kommunizieren, zu handeln, in eine Beziehung zu anderen und zur Welt zu treten ist gleichzeitig auch die Ursache dafür, dass wir uns in der Welt etwas aufbauen können. Dank der Rede und der damit verbundenen Fähigkeiten können wir einer Arbeit nachgehen, Güter ansammeln und reich werden.

Dank unserer Sehkraft können wir uns Bilder von uns selbst als Person in dieser Welt machen, wir können andere wahrnehmen. Die mit dem Auge verbundene Vorstellungskraft lässt uns letztlich auch erkennen, wo wir in der Gesellschaft stehen, in der wir leben. Wir messen uns einen Standort bei, wir weisen uns eine Rolle zu, die wir dann spielen. Oder wir erträumen uns eine andere, berühmtere, mehr anerkannte Rolle. Auch um uns spirituell weiter zu entwickeln benötigen wir unsere Vorstellungskraft. Wir müssen uns vorstellen können, wie wir Selbstverwirklichung erreichen können. Wir müssen uns ein Bild von dem machen können, was uns erwartet, wenn wir dem Weg folgen. Ohne die Fähigkeit der Imagination sind wir im wahrsten Sinne des Wortes blind und haben es sehr viel schwerer, unseren Weg zu finden.

Wünsche entstehen immer dann, wenn wir uns in Gedankenmuster verstricken und mit Objekten identifizieren, die im Außen verankert sind. Gedanken, sind etwas, die wir in unserem Inneren hören, oder die in Abhängigkeit von etwas entstehen, das wir im Außen gehört haben. Das erscheint in unserer auf optische Reize ausgerichteten Welt zunächst sehr unwahrscheinlich, aber wenn wir uns mal vorstellen, dass wir nie einen Ton wahrnehmen würden, wenn uns die schönen Bilder der Werbung gezeigt werden, dann können wir erahnen, welche Bedeutung das Ohr an der Entstehung von Gedanken und damit von Wünschen hat.

Schließlich hilft uns unser Denken, eine bestimmte Meinung zu etwas zu entwickeln und eine Vorstellung von Recht und Unrecht zu erlangen. Das Denken ist unsere innere Stütze, um im Außen einen Standpunkt einnehmen zu können, an dem wir uns orientieren können, der uns zur Stütze unseres Handelns wird.

Alle die genannten „Stützen“ (s. 4. Prapathaka, 7. Khanda) sind die „Hilfsmittel“, die wir automatisch nutzen, um die Person zu werden, als die wir im Außen agieren. Wir benutzen diese Mittel für unser persönliches Streben nach Glück. Erst wenn wir, durch welchen Anlass auch immer, beginnen nach mehr zu streben als Äußerlichkeiten, machen wir uns auf die Suche nach unserem wahren inneren selbst und versuchen heraus zu finden, welche unserer uns bekannten Hilfsmittel benutzt werden können, um unser Ziel zu erreichen.

Verse 6-11 Chandogya Upanishad 5. Prapathaka 1. Khanda

Hier die Interpretation der Verse 6-11 Chandogya Upanishad 5. Prapathaka 1. Khanda:

So wie wir im Laufe unseres Weges verschiedene Aspekte, und damit verschiedene der „Hilfsmittel“ , ausprobieren so streiten in den Versen alle Hilfsmittel um die Position des wahren Segensbringers. Interessant ist aber, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt alle unsere Fähigkeiten uns in der Welt zu behaupten, als Lebenshauche bezeichnet werden. Eigentlich ist damit bereits alles gesagt. Eigentlich wissen wir schon alles, wir bräuchten gar nicht mehr lange zu suchen. Wir wissen bereits am Beginn unseres Weges: unsere ganzen Fähigkeiten – Kommunikation, Handeln und Erwerb von Gütern, Sehen und das Einnehmen unserer Stellung in der Gesellschaft, das Hören und unser Drang nach Wunscherfüllung, unser Denken und unser Beharren auf unserer Version des Rechtes und der Wahrheit – alles funktioniert nur so lange, wie wir genügend Energie, Prana Lebensenergie, den Lebenshauche eben, zur Verfügung haben. Aber nein, wir probieren alles erst mal aus, in der irrwitzigen Hoffnung, dass wir unsere Selbstverwirklichung auch mit Reichtum, Ruhm, Wunscherfüllung und dem Verteidigen der Wahrheit erreichen. Eine tugendhafte Lebensführung ist natürlich für einen Menschen ein besserer Weg wie das Verfolgen schädlicher Sehnsüchte, die ins Unglück führen. Trotzdem ist bereits am Anfang unseres Weges klar: Letztlich werden wir nicht vor der Erkenntnis davon laufen können, dass es nur die Lebensenergie ist, die uns hilft, unser wahres inneres Selbst zu erkennen. Bis es so weit ist führen uns die Verse sehr anschaulich vor Augen, was passieren wird:

Prajapati, der Herr des Universums selbst, schlägt den miteinander streitenden Hilfsmitteln vor, einfach auszuprobieren, wer derjenige ist, ohne den kein Leben des Körpers in der Welt möglich ist. Die Darstellung, dass unsere Fähigkeiten unabhängig vom Körper existieren und so zusagen mit uns machen können, was sie wollen, ist höchst aufschlussreich. Sie zeigt uns, dass wir im Grunde diesen „Hilfsmitteln für die Erlangung des Selbst“ erst einmal mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sind. Insofern ist es auch Teil des Weges, zu erkennen, welche Aufgabe diesen „Hilfsmitteln“ in Wahrheit zukommt.

Als erstes verlässt darauf hin die Rede den Körper und weilt ein Jahr in der Fremde. Als die Rede zurück kommt, fragt sie sofort, wie es den anderen und dem Mensch ergangen ist. Die Antwort ist eher ernüchternd: wie es eben den Stummen geht. Sie leben und haben alle anderen Hilfsmittel zur Verfügung. Sie sind zwar eingeschränkt, aber dem Leib geht es im Grunde nicht übel, was ja der Maßstab von Prajapati für den Bedeutensten unter den Hilfsmitteln war. Wir können daraus lernen, dass es zwar das Leben erleichtert, wenn wir reden können, d.h. in der Welt angemessen handeln können und Güter erwerben können, aber wir sind nicht auf diesen Aspekt unserer Existenz angewiesen, wenn wir unser wahres inneres Selbst verwirklichen wollen. Die Rede kann nach dieser Erkenntnis an ihren ursprünglichen Platz zurück kehren. Sie wird von demjenigen, der ihre Rolle verstanden hat, zweifellos anders eingesetzt wie vorher. Im Außen zu handeln und Güter zu erwerben ist weder verwerflich noch das alleinige Ziel des Lebens. Es ist nur ein Hilfsmittel, um frei von materiellen Sorgen sich der eigentlichen Aufgabe des Lebens widmen zu können, der Selbstverwirklichung.

Als nächstes versucht das Auge sein Glück und zieht für ein Jahr in die Fremde. Aber das Auge erhält die gleiche Auskunft wie die Rede nach seiner Rückkehr: alles beim Alten, lediglich ein paar Einschränkungen, wie sie eben Blinde haben. Für uns heißt das: wir können auch ohne Ruhm und Status leben und er ist auch keine Voraussetzung für Selbsterkenntnis. Auch hier gilt: es ist nicht verwerflich, wenn wir nicht blind sind, also unsere Stellung in der Gesellschaft einnehmen, aber sie ist gibt uns nur äußere Sicherheit, um uns die Freiräume zu schaffen, die wir für ein intensives Selbststudium benötigen. Im Grunde geht es aber auch ohne diese Sicherheit einer angemessenen gesellschaftlichen Stellung.

Den nächsten Versuch unternimmt das Ohr und verlässt für ein Jahr die Runde. Nach seiner Rückkehr erfährt er aber die gleiche Wahrheit wie alle vor ihm: Es geht auch ohne Ohr, zwar ist der Mensch dann taub und ihm fehlen die mit dem Ohr assoziierten Fähigkeiten, aber auch ohne den ständigen Antrieb nach Wunscherfüllung können wir leben. Was wir daraus lernen ist, dass Wunschlosigkeit alleine nicht ausreicht, um Selbstverwirklichung zu erlangen. Ohne den letzten aller Wünsche, den Wunsch nach Selbstverwirklichung, machen wir uns nicht auf den Weg, können wir nicht bis zum letzten Ziel vordringen. Zwar müssen wir zum Schluss auch diesen Wunsch wieder loslassen. Aber die Tatsache, dass wir Wünsche entwickeln können, ist nicht das Problem. Wir müssen das Streben nach Wunscherfüllung nur als das erkennen, was es auf unserem Weg ist, ein Mittel um zu erfahren, über welche Stufen wir den letzten und wahren Wunsch erreichen können: welche Wünsche wollen erfüllt werden, bevor wir bereit sind uns auf den entscheidenden Wunsch zu konzentrieren? Wenn wir in diesem Sinne unsere Wünsche beobachten, lernen wir sehr genau, wo wir stehen und wer wir sind.

Zum Schluss versucht Manas, das Denken, sein Glück und verlässt den Menschen für ein Jahr. Auch das Denken erhält eine ernüchternde Auskunft nach seiner Rückkehr: Das Verhalten ist zwar das eines Narren, aber ansonsten alles im grünen Bereich. Wenn wir keine inneren Werte entwickeln können, weil uns das angemessene und erforderliche Denken fehlt, sind wir wie an keine Regeln gebundene Narren, die orientierungslos durch das Leben segeln und jeder Handlungsmöglichkeit gleichermaßen folgen ohne zu lernen und ohne Unterscheidungskraft zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, d.h. dem, was wirklich wichtig ist und dem was unwichtig ist.

Verse 12-15 Chandogya Upanishad 5. Prapathaka 1. Khanda

Hier die Interpretation der Verse 12-15 Chandogya Upanishad 5. Prapathaka 1. Khanda:

Schließlich will sich der Atem sich aufmachen und den Körper für ein Jahr verlassen, aber da geschieht etwas Dramatisches: der Atem reißt alle anderen Lebenshauche mit sich, d.h. der Körper bleibt ohne alle seine Fähigkeiten leblos zurück und es ist klar, dass er leidet, bzw. sterben wird. Damit ist für alle Fähigkeiten klar: ohne den Atem geht es nicht und damit ist der Atem der edelste und der beste unter ihnen und sie bedrängen den Atem, nicht auszuziehen.

Nacheinander unterwerfen sich alle Fähigkeiten dem Atem, beginnend mit der Rede. Die Rede macht deutlich: das, was mich zu dem macht, was ich bin, verdanke ich dem Atem. Der Reichtum der Rede basiert auf dem Reichtum des Atems. Fließt der Atem ungehindert und reich, dann kann auch der Mensch (das betreffende Wesen) im Außen so agieren, dass äußerer Reichtum mit Hilfe der entsprechenden Kommunikations- und Handlungsfähigkeiten aufgebaut werden kann. Erst wenn das Prana frei fließt werden auch unsere spirituellen Handlungen machtvoll und entwickeln die Kraft, die uns weiter bringt.

Ähnlich argumentiert das Auge: Das, was das Auge zum Standort macht, das was uns die Fähigkeit gibt, eine gesellschaftliche Stellung einzunehmen, unsere Wahrnehmung, unsere Vorstellungskraft ist dann am erfolgreichsten, wenn wir voll Prana sind, wenn unsere Energie frei in unsere Projekte fließt und ihre ganze Kraft in der Welt ungehindert durch unsere Ängste und Sorgen, Bedenken und Unsicherheiten entfalten kann. Gleiches gilt natürlich auch für unseren spirituellen Fortschriftt. Ohne einerseits die Kontrolle von Prana und andererseits der freie Fluss des Prana erlangen wir keine spirituelle Kraft.

Auch das Ohr erkennt: „Womit ich die Erlangung bin, damit bist du die Erlangung.“ All die Sehnsucht, die in allen unseren Wünschen steckt und die der Motor für unsere Handlungen ist, beruht letztlich auf der Sehnsucht nach Befreiung. Das entscheidende dabei ist, dass das Herz der Sehnsucht die Quelle von Prana ist. Sprudelt Prana frei und kann ungehindert von allen Hindernissen wie Selbstzweifel, Perfektionismus und Selbstverleugnung fließen, entstehen die Wünsche, die uns den Weg zeigen und zum letzten wahren Wunsch nach Selbstbefreiung führen.

Zu dem gleichen Bekenntnis kommt Manas das Denken. Das was in mir die Wahrheit ist, das was Orientierung gibt, das was das Denken zur Stütze für den Menschen macht ist die Kraft, die das Prana im Denken entfalten kann. Ohne Prana ist unser Denken leer. Das erkennen wir an der simplen Tatsache, dass wir mit einem müden Geist und bei Sauerstoffmangel auch nicht richtig denken können. Ohne ausreichendes Prana nimmt das Denken auch merkwürdige Formen an und kann uns Luftschlösser bauen lassen, die uns von unserem eigentlichen Weg wegführen.

Vor diesem Hintergrund wird auch der letzte Vers verständlich: unsere Fähigkeiten werden nicht als solche genannt, als Rede, Auge, Ohr und Denken, sondern wenn wir auf ein echtes Hilfsmittel zurück greifen wollen, wenn wir unseren spirituellen Weg gehen wollen, ist das einzige wirklich zielführende Hilfsmittel die Konzentration auf den Atem. Alle unsere Fähigkeiten, und damit Hilfsmittel auf dem Weg, sind von Prana abhängig und sind bei näherer Betrachtung Prana! So verführerisch es ist, den Umweg über das Glück zu nehmen, Reichtum, gesellschaftliche Stellung und Ruhm, Wunscherfüllung und leben der Wahrheit, das entscheidende Instrument auf dem Weg zur Selbstverwirklichung ist Prana.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Feststellung, dass die Konzentration auf die Kontrolle unseres Atems uns auch Herrschaft über alle anderen Fähigkeiten gibt. Wie schön, dass dazu auch die Kontrolle unserer Verstande zählt. Der Plural macht deutlich, dass es eine Illusion ist zu glauben, dass wir nur einem Denkmuster folgen. In Wirklichkeit ist die Entstehung eines Gedankens das Ergebnis verschiedener Einflüsse. Wir reagieren auf unsere Wünsche, auf Reize im Außen und auf Muster, die an uns herangetragen werden. Unsere Reaktion ist dabei nicht immer eindeutig. Bevor wir in einer konkreten Situation reagieren, laufen in unserem Geist mehr oder weniger bewusst ganz viele verschiedene Szenarien mit allen möglichen Reaktionsmöglichkeiten und deren Konsequenzen ab. Unsere tatsächliche Reaktion basiert dann entweder auf einer klaren Entscheidung für ein Szenario oder aber es ist das Resultat eines Kompromisses zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Manchmal reagieren wir auch völlig indifferent, wenn sich in unserem Geist vor lauter Bewegung und Chaos kein Muster herauslesen lässt. Wir verfügen mit einem Wort über verschiedene Verstande. Konzentrieren wir uns auf die Kontrolle unseres Prana, wird unser Geist klarer und wir können die Fähigkeit unseres Denkens gezielt einsetzen und sind der Entstehung und dem Vergehen verschiedener Gedankenmuster nicht mehr hilflos ausgeliefert.

Was für eine Motivation, sich intensiv mit Pranayama zu beschäftigen!

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