Lung
Lung (tibetisch: rlung) bedeutet Wind oder Atem. Es ist ein Schlüsselkonzept in der Vajrayana-Tradition des Tibetischen Buddhismus und hat eine Vielzahl von Bedeutungen. Lung ist eine Begrifflichkeit, welche besonders wichtig ist, um Themen wie den subtilen (feinstofflichen) Körper und die drei Vajras (Körper, Sprache und Verstand) zu verstehen.
Lung (Tibetischer Buddhismus)
Dr. Tamdin Sither Bradley, Arzt der Tibetischen Medizin, gibt einen kurzen Überblick: "Lung wird im Allgemeinen als subtiler Energiefluss beschrieben. Von den fünf Elementen Luft, Raum, Feuer, Wasser, Erde ist Lung am nächsten mit der Luft verbunden. Damit ist jedoch nicht nur die Luft gemeint, die wir atmen, oder die Winde, die in unserem Bauch entstehen. Der Begriff geht viel tiefer. Lung ist wie ein Pferd, und unser Verstand ist der Reiter. Wenn irgendetwas mit dem Pferd nicht in Ordnung ist, dann ist der Reiter nicht in der Lage, das Pferd richtig zu reiten. Als Beschreibung gilt hier: rau, leicht, kühl, dünn, hart, beweglich. Die generelle Aufgabe von Lung besteht darin, als Hilfe für Wachstum, Körperbewegung und Ein- und Ausatmung zu dienen und die Funktionen des Verstandes, der Sprache und des Körpers zu unterstützen. Lung hilft auch dabei, Nährstoffe und Abfallprodukte aus der Nahrung, die wir zu uns nehmen, in unserem Magen aufzuspalten und zu trennen. Die wichtigste Aufgabe aber besteht darin, die Bewegungen des Verstandes, der Sprache und des Körpers zu tragen. Der Charakter von Lung ist beides, heiß und kalt."
Anwendung
Lung wird auf verschiedene Weisen gebraucht:
- Bei Lung geht es um ein Konzept der übernatürlichen Winde (Sanskrit, Prana), die sich in den inneren Kanälen bewegen. In Sanskrit werden diese Kanäle auch Nadis genannt, die Teil des subtilen Körpers sind. Diese werden mit bestimmten Vajrayana Yoga Übungen beeinflusst. Besonders zu erwähnen sind hier die fünf übernatürlichen Winde, die Manifestationen von Mahabhuta sind. Diese fünf sind die Lebenskraft, die das Körperbewusstsein (Sanskrit: Namarupa) aller fühlenden Wesen belebt. Zugleich sind sie der Schlüssel zu bestimmten tantrischen Sadhanas im Buddhismus und Bon und zur traditionellen tibetischen Medizin.
- In der ayurvedischen Medizin findet Lung als Vayu und Prana Anwendung.
- Als Bestandteil des Begriffes "Lung Ta" wird es für eine der Gebetsflaggen verwendet, welche nach dem Sinnbild des Wind-Pferdes benannt ist.
- Lung wird als Begriff für eine Art der tantrischen buddhistischen Kraftübertragung gebraucht, welche die Übertragung der spirituellen Kraft vom Meister auf den Schüler bezeichnet, um die Kraft des Schülers zu bereichern oder zu verfeinern. Erreicht wird das durch Rezitation von Schriften oder Liedern. Diese orakelhafte Übertragung, die auditiv empfangen wird, definiert Mantrayana und Ngagpa Traditionen und unterstützt sie ferner mit ihren Namensgebungen.
- Verwendung findet Lung auch bei Lese-Übertragungen der Sutrayana-Texte, wobei der Lehrer den Text als Gesamtheit dem Schüler laut vorliest.
Tibetische Medizin
Überall in der Himalaya Region wird eine Heilkunst praktiziert, die "Traditionelle Tibetische Medizin" genannt wird. In ihr wird genaustens ein System dargelegt, welches hilft, den menschlichen Körper zu steuern und zu regulieren. Es wird die "Fünf Lung" genannt.
Der "Lebensergreifende Lung" (tibet.: Srog Dzin rLung) befindet sich im Gehirn. Dieser Lung reguliert das Schlucken, die Atmung, das Spucken, Aufstoßen und das Niesen. Er hilft allgemein dabei, die Sinne zu klären, den Verstand zu beruhigen und sich zu konzentrieren.
Der "Aufsteigende Lung" (tibet.: Gyen-rGyu rLung) befindet sich im Brustkorb und in der Brust. Dieser Lung steuert die Sprache, die Arbeitsenergie, das Körpergewicht, das Erinnerungsvermögen, den Anstieg der körperlichen Vitalität und Gesundheit, Charakter und Schimmer der Hautfarbe, geistiges Bestreben wie Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt.
Der "Alles-durchdringende Lung" (tibet.: Khyab-Byed rLung) ist im Herzen zu finden. Dieser Lung reguliert das Gehen, Heben, Strecken und die Kontraktion der Muskeln, das Öffnen und Schließen des Mundes, der Augenlider, des Anus etc.
Der Feurig-begleitende Lung (tibet.: Me-Mnayam rLung) befindet sich im Magen- und Bauchbereich. Dieser Lung steuert die Verdauung und den Stoffwechsel und bringt auch die "Sieben Körpererhalter" zur Reife (tibet.: Lus-Zung Dhun).
Der "Absteigend-reinigende Lung" (tibet.: Thur-Sel rLung) befindet sich im Rektum (Enddarm), Darm- und Dammbereich. Seine Funktion ist es, Abfallstoffe auszuscheiden, Urin zu lassen, Samen auszustoßen, Menstruation und/oder Wehen herbeizuführen und den Fötus auszuleiten.
Der subtile oder feinstoffliche Körper
Im tibetischen Buddhismus wird der menschliche Körper so betrachtet, als dass er aus einem grobstofflichen und einem feinstofflichen Körper zusammengesetzt ist. Der grobstoffliche besteht aus sechs einzelnen Elementen wie Erde, Wasser, Feuer, Wind, Raum und Bewusstsein und der feinstoffliche oder Vajra-Körper aus Energie-Winden, Energie-Kanälen und Energie-Tropfen. Es gibt viele Arten von Wind oder "subtilem Atem", welche durch die unsichtbaren Kanäle des subtilen Körpers fließen. Der "Lebensatem" (tibet.: Sog rLung) wird als der wichtigste betrachtet. Er ist die Essenz des Lebens selbst, der alle Lebewesen belebt, beseelt und am Leben hält.
Die Anuttarayoga Tantra Übungen der Mahamudra Meditationstechnik, wie Guhyasamaja, Chakrasamvara und Hevajra, bieten verschiedene Methoden, in die Vitalpunkte des subtilen Körpers einzudringen. Der 14. Dalai Lama fasst die Übung zusammen: "In diese Punkte einzudringen, heißt, dort die Energie-Winde und den subtilen Verstand, die auf ihnen reiten, zu sammeln. Das passiert grundsätzlich durch verschiedene Arten von tiefster Konzentration, die auf diese Punkte ausgerichtet sind".
Übungen, welche mit den subtilen Energie-Winden arbeiten, schließen Tummo oder das "Innere Feuer" ein, einen der sechs Yogas von Naropa. In dieser Übung benutzt der Yogi oder die Yogini Atem- und Meditationstechniken, um den Lung oder subtilen Wind in den zentralen Kanal zu ziehen und dort zu halten, sodass er vertikal den Körper durchzieht.
Tsa Lung
Tsa Lung (Skt.: Nadi-Vayu; tibet.: rTsa rLung; wobei "rTsa" einen energetischen Kanal bezeichnet) sind spezielle yogische Übungen. Sie werden hauptsächlich in der tibetischen Bon Tradition und in den vier wichtigsten Schulen des tibetischen Buddhismus angewendet. Tsa Lung Trul Khor, eine Vajrayana Disziplin, welche Pranayama und Asanas einschließt, benutzt Tsa Lung und konstituiert so das interne Yantra oder die heilige Architektur, welche diesem Yoga stellvertretend seinen Namen gibt: Yantra Yoga. Tsa Lung wird auch in Kye-Rim angewendet.
Die Übungen werden angewandt, um die Hauptchakras zu öffnen und um den Lung von den Seitenkanälen in die Hauptkanäle zu leiten. Das steht im Einklang mit dem Auflösen von Gedanken, hervorgerufen durch dualistische Sinnestäuschungen, und dem Verweilen in nondualem [[Bewusstsein]. In detaillierten Anweisungen für diese Übungen wird gesagt, dass es drei Stufen von rTsa rLung gibt: die externe Ebene, die interne Ebene und die geheime Ebene. Jede Ebene enthält 5 Übungen, welche mit den fünf Elementen übereinstimmen und ihnen entsprechen.
Tsa
Dr. Arya gab 2006 folgende Definition für "Tsa" in Verbindung mit Shunyata, Null, Körperbewusstsein und Bindu: "Mit Tsa (Kanal) wird eine Hohlröhre benannt, durch welche unbehindert Blut, Wind und Bewusstsein geführt werden kann, z. B. Hohlräume wie Blutadern, der Mundraum oder Hohlorgane. Tsa symbolisiert den "Raum" und gibt dem Bewusstsein und anderen Bestandteilen des Körperbewusstseins den Platz, um sich dort mit transzendentalen und dualistischen Formen und Farben zu manifestieren. Es ist wie ein Haus für das Bewusstsein. Der Raum ist grenzenlos und endlos, und deshalb hat er als symbolische Bezeichnung eine Null.
Alles manifestiert sich aus diesem Raum, dieser Null, und alles löst sich auch wieder darin auf. In der Mathematik z. B. hält die 0 den ersten Platz, vor der Ziffer 1, dann wird hoch gezählt bis 9, und dann kommt wieder die 0. Das zeigt ganz klar, dass die Existenz aller Phänomene in ein und demselben Ursprungs-Raum beginnen und enden. Es gibt tatsächlich nichts, was diesem Zustand hinzugefügt oder weggenommen werden kann. Deshalb nennt der Buddhismus als symbolische Sprache das, was die Null umrahmt, Shunyata (Nichtigkeit). Im Tibetischen ist der "Raum" ein "Thikle" (Rund) und im Sanskrit wird er "Bindu" genannt. Der Raum ist die Ursache der Natur sowohl jedes kleinen Partikels als auch der des grenzenlosen Weltraumes. Der Raum ist die Grundlage für alles und die ureigene Natur der Leere. Der Raum wird Symbol der Körperkanäle und auch Raum-Partikel genannt.
Siehe auch
- Tibetische Weisheiten
- Buddhismus
- Dalai Lama
- Dalai Lama Zitate
- Dalai Lama Weisheiten
- Buddhisten denken anders
- Das große Lexikon des Buddhismus
- Von Tod und Wiedergeburt
- Mönche in der Magnetröhre
- Yoga
- Meditation
- Spiritualität
- Mandala
- Orakel
- Zen
- Vipassana
- Pranayama
- Ayurveda
- Medizin
- Heilkräuter
Literatur
- Lung Tripa Bäkän. Grundzüge der tibetischen Medizin
- Den feinstofflichen Körper aktivieren: Tibetische Yoga-Übungen für innere Weisheit und Klarheit
- Tibetische Hausapotheke: Die Geheimnisse lebenslanger Gesundheit
- Das tibetische Heilbuch: Eine umfassende und grundlegende Einführung. Praktische Anleitungen zu Diagnose, Behandlung und Heilung mit der tibetischen Naturheilkunde
Weblinks
- Karma - Das Gesetz von Tat und Wirkung
- Grundlagen der Tibetischen Medizin
- Tibetische Medizin von Paracelsus Naturheilpraxis
- Das geheime Heilwissen ist in Gefahr
Seminare
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