Karmakanda

Aus Yogawiki
Krishna und Arjuna, Szene aus der Bhagavad Gita

Karmakanda (Sanskrit: कर्मकाण्ड karmakāṇḍa m. und n.) der sogenannte Werkteil der Veden, der sich mit Ritualen, Opferhandlungen und Zeremonien befasst. Seine philosophische Ausdeutung erfolgt im Mimamsasutra, einem Grundtext der sechs orthodoxen philosophischen Systeme (Darshana).

Karma Kanda, Karmakanda, ist ein wichtiger Begriff, um indische Spiritualität zu verstehen. In der Bhagavad Gita spricht Krishna immer wieder von den Veden und darüber, dass manche Teile der Veden für den spirituellen Fortschritt hinderlich sind - so z.B. der Karma Kanda der Veden. Erfahre im folgenden Vortragsvideo von und mit Sukadev Bretz, Gründer von Yoga Vidya, was es mit Karma Kanda auf sich hat und warum die Beschäftigung mit dem Karma Kanda zu Bindung führt und Moksha, der Befreiung, entgegensteht.

Karmakanda कर्मकाण्ड karma-kāṇḍa Aussprache

Hier kannst du hören, wie das Sanskritwort Karmakanda, कर्मकाण्ड, karma-kāṇḍa ausgesprochen wird:

Sukadev über Karmakanda

Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Karmakanda

Karmakanda – der Teil der Veden, der sich mit Karma und Ritualen befasst. Kanda heißt Teil, Abschnitt. Karma ist zum einen das Gesetz von Ursache und Wirkung, heißt zum anderen aber auch Rituale. Die Veden bestehen aus zwei Teilen: Der längere Teil, eben die Samhitas, Aranyakas und Brahmanas, beschäftigen sich mit Karma.

Karma heißt Schicksal, Karma heißt die spirituelle Entwicklung, Karma heißt aber auch „die Rituale“. Dort geht es darum, welche Handlungen soll man tun, um gutes Karma zu bekommen. Welche Rituale soll man ausführen, um gutes Karma zu bekommen. Wie kann man schlechte Handlungen wieder aussühnen? All das ist Thema des Karmakanda. Also, der Teil der Veden, der sich um diese Art von Karma kümmert, ist Karmakanda. Es gibt dann auch noch Jnanakanda. Das sind insbesondere die Upanishaden, aber zum Teil auch andere Teile der Veden, bei denen es um die höchste Erkenntnis geht. Karma Kanda – der Teil der Veden, der sich mit Karma und Ritualen befasst.

Shraddha und Totengebete - Die Bedeutung der Shraddha-Zeremonie

Die Karma Kanda der Vedas (die heiligen Schriften der Hindus) tragen dem Menschen entsprechend seiner Lebensstadien und der Ordnung, der er angehört, verschiedene Pflichten auf. Das Buch "Manusmriti", das als Verhaltenskodex für die Hindus gilt, enthält sämtliche dieser Vorschriften. Früher wurden Könige und Herrscher von diesen Regeln zur Wahrung des Friedens und der Ordnung im Land angeleitet.

"Manusmriti" unterteilt die menschliche Gesellschaft in folgende vier Hauptbereiche: Brahmana, Kshatriya, Vaisya und Sudra. Desweiteren gliedert es die verschiedenen Lebensstadien (Ashramas) eines Menschen in die vier Bereiche: Brahmacharya, Garhasthya, Vanaprastha und Sannyasa. Brahmacharya ist das Leben des Schülers, Garhasthya das Familienleben, Vanaprastha das Leben im Wald, welches religiösen Bestrebungen gewidmet ist, und schließlich Sannyasa, das Leben eines Bettlers, der allen weltlichen Dingen abgeschworen hat.

Aufgrund des Eintritts in die moderne Zivilisation und der Entartung des menschlichen Seelenlebens, fand diese Gesellschaftsordnung nach und nach ein Ende. Materialistische, dunkle Kräfte der Rajas und Tamas bezwangen das sattvige Leben und ließen die Religion zweitrangig werden. Selbst Glaubensgenossen werden heutzutage mit Verachtung gestraft. Anhänger der spirituellen Praktiken (Sadhaka) werden von modernen Gelehrten nicht mehr wertgeschätzt.

Das Studieren der heiligen Schriften, die Einhaltung religiöser Riten, ein spirituelles, gemäßigtes Leben und wahre ethische Kulturen werden als nutzlos oder altmodisch abgestempelt und gleiten demzufolge in die Bedeutungslosigkeit ab. Das Leben ist mittlerweile ernster geworden, und es herrscht ein harter Existenzkampf. Der Bedarf nach Nahrung und anderen Luxusgütern hat die Religion von ihrem Platz verdrängt.

Die heiligen Schriften legen einem Familienvorstand die Pancha Maha Yajna - die fünf großen Opfer auf, zu denen man im Leben verpflichtet ist. Die Vernachlässigung dieser Pflichten zieht Strafen nach sich. Die hohen Opfer sind: 1. Deva Yajna (Opfer an die Götter), 2. Rishi Yajna (Opfer an die Rishis), 3. Pitri Yajna (Opfer an Verwandte), 4. Bhuta Yajna (Opfer an Tiere) und 5. Atithi Yajna (Opfer an Gäste).

Die Shraddha-Zeremonie fällt unter Pitri Yajna und gilt als die heilige Pflicht des Familienvorstandes. Jeder Familienvorstand hat die Shraddha-Zeremonie für seine Vorfahren durchzuführen. Pitris sind die Seelen der Vorfahren, die im Jenseits (Pitriloka) verweilen. Sie besitzen die Fähigkeit der Hellseherei und Hellhörigkeit. Werden Mantras rezitiert, üben deren Schwingungen einen großen Einfluss auf sie aus. Die Pitris nehmen die Laute aufgrund ihrer hellhörigen Fähigkeiten wahr und sind so zufriedengestellt. Sie segnen all jene, die ihnen Opfer darbringen. Während der Shraddha-Zeremonie wird die Essenz der Opfergabe von Nahrungsmitteln über die Sonnenstrahlen bis hin zur Sonne (Suryaloka) aufgenommen und die Seelen der Verstorbenen werden zufriedengestellt.

Auch in Deutschland und in anderen Ländern, wo die positiven Auswirkungen dieser Opfergaben wissenschaftlich erforscht wurden, zelebrieren viele Menschen die Tarpan- und Shraddha-Zeremonie. Alle Familienvorstände sind strengstens dazu verpflichtet, die Shraddha- und Tarpan-Zeremonie durchzuführen, um die Rishis und Pitris zufriedenzustellen. Die Gita und Upanishaden bezeugen mit aller Deutlichkeit die Tatsache, dass die Durchführung der Shraddha-Zeremonie äußerst wichtig ist. Nur verblendete Seelen mit verdrehtem Intellekt werden durch falsches Denken und falsche Logik fehlgeleitet. Sie missdeuten Dinge, missachten die Durchführung der heiligen Zeremonien und leiden infolgedessen. Schlechte Einflüsse wirken sehr leicht auf sie ein, und ihre Situation basiert auf Ignoranz.

Da ein Tag der Pitris einem Jahr der menschlichen Zeitrechnung entspricht, ist auch die Shraddha-Zeremonie einmal im Jahr durchzuführen. In der Zeitrechnung der Pitris leben wir, ihre Söhne, nur ein paar Tage, denn die längste Zeitspanne der menschlichen Existenz von 100 Jahren entspricht bei ihnen lediglich 100 Tagen.

Manch einer hegt Zweifel: "Ist es überhaupt notwendig, die Shraddha-Zeremonie für den Verstorbenen durchzuführen, wenn seine Seele eine Seelenwanderung durchmacht und nach dem Verlassen des physischen Körpers wiedergeboren wird? Wer wird die Opfergabe empfangen, wenn sich der Verstorbene längst nicht mehr im Himmel befindet?" Im neunten Kapitel der Gita verdeutlicht Krishna, dass rechtschaffene Menschen, die zum Erreichen des Himmels Opfergaben darbringen, in die Welten des Genusses gelangen werden: "Sie haben diese weiträumige Welt Svargas genossen, aber ihr Verdienst (Punya) erschöpfte sich, und sie traten in die Welt der Sterblichen ein.

Als sie dem Dharma der Triade folgten, verlangten sie nach Sinnesgegenständen, deswegen erreichten sie einen Zustand des Kommens und Gehens." Dies begründet die Theorie des Eintritts in den Himmel nach dem Tod und der Wiedergeburt in die sterbliche Welt nach Ausschöpfung aller tugendhaften Taten. Die Himmelsfreuden und der Seelenfriede werden durch die Shraddha-Zeremonie verstärkt. Sowohl die Durchführung der Shraddha-Zeremonie durch die Söhne des Verstorbenen als auch die Verdienste des eigenen Handelns lindern das Leiden auf Welten jenseits des Himmels. Die Shraddha-Zeremonie ist also in beiden Fällen sehr hilfreich. Die Pitris bleiben für sehr lange Zeit im Himmel (Pitriloka, Chandraloka).

Selbst wenn der Mensch unmittelbar nach seinem Tod wiedergeboren wird, bringt ihm die Shraddha-Zeremonie gemäß der Theorie der Seelenwanderung Glück für seine Wiedergeburt. Daher ist es die unerlässliche Pflicht jedes einzelnen, die Shraddha-Zeremonie für seine Eltern und Großeltern durchzuführen. Zeit seines Lebens solle man die Shraddha-Zeremonie in tiefem Glauben (Sraddha) durchführen. Der Glaube ist der wichtigste Rückhalt für eine Religion.

Früher stellte man sich überhaupt nicht die Frage, ob die Shraddha-Zeremonie durchzuführen sei oder nicht. Die Menschen waren streng gläubig und verehrten die heiligen Schriften. Heutzutage, wo der Glaube immer mehr schwindet und die Anzahl derer, die keine Shraddha-Zeremonie mehr durchführen, gestiegen ist, zweifeln Menschen mit schwankendem Glauben immer mehr daran, ob die Durchführung der Shraddha-Zeremonie überhaupt noch notwendig ist und ob diese Zeremonie Gutes bewirken kann. Der fehlende Glaube an die heiligen Schriften hat uns in diesen bedauernswerten Zustand gebracht.

Mancher argumentiert wie folgt: Hat ein Mann die Shraddha-Zeremonie einmal für seine Vorfahren in Gaya und an anderen religiös bedeutsamen Orten durchgeführt, muss er die Zeremonie nicht jedes Jahr aufs Neue wiederholen. Diese Regel ist jedoch nicht allgemeingültig, sondern für bestimmte Ausnahmefälle gedacht. Wenn sich die Menschen hinter dieser Ausnahme verstecken und die Shraddha-Zeremonie einstellen, nachdem sie einmal Pinda etc. in Gaya Opfergaben dargeboten haben, dann tun sie dies aus reiner Ignoranz. Sie betrachten die Shraddha-Zeremonie lediglich als Bürde und meiden sie, statt ihren Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen.

Die unzähligen religiösen Bräuche, die den Menschen auferlegt wurden, zielen darauf ab, den ignoranten Menschen zu läutern. Ziel des Karma Yoga ist die Reinigung des Geistes. Die Shraddha-Zeremonie, die eine der in den heiligen Schriften aufgeführten Pflichten darstellt, zielt ebenfalls darauf ab, den Geist zu reinigen. Darüber hinaus werden die Vorfahren zufriedengestellt und ihre guten Wünsche und Segen sind auf unser materielles und spirituelles Wachstum ausgerichtet.

Verstorbene, die keinen Sohn hatten, werden in den anderen Welten leiden. (Dies gilt natürlich nicht für Nitya Brahmacharins und für spirituelle Aspiranten, die den spirituellen Weg allein beschreiten, nachdem sie allen egoistischen Begierden und weltlichen Vorhaben abgeschworen haben). Aus diesem Grund adoptieren manche vor ihrem Tod einen Sohn, der nach ihrem Ableben ordnungsgemäß die Shraddha-Zeremonien durchführt. Die Gita unterstützt diese Anschauung: Ohne Opfergaben in Form von Reisbällen (Pinda) und Wasser fahren die Vorfahren zur Hölle ("Patanti pitaro hyesham luptapindodakakriyah").

Wenn ein Mensch jedoch religiös ist und Urteilsfähigkeit und Sachlichkeit besitzt, an die Sastras und Vedas glaubt, wenn er bis zum Ende ein rechtschaffenes Leben geführt hat, wenn er sich an seinen letzten Tagen frommen Praktiken, Japa, Meditation, Studien, etc. gewidmet hat, wird er nicht abstürzen, selbst wenn er keinen Sohn hat. Er wird gewiss vollkommenen Frieden erfahren und nicht von den dunklen Mächten der Ignoranz beeinträchtigt werden. Er ist frei von den niederen Anziehungskräften der Welt. Gott wacht über seine Fortentwicklung. Er besitzt Selbsthingabe und geistige Reinheit und ist frei von der Angst vor dem Niedergang. Alle religiösen Betrachtungen haben die Reinigung des Geistes (Chitta Suddhi) zum Ziel. Dies erreicht der Mensch durch die Tugendhaftigkeit seiner früheren Samskaras sowie durch ein rechtschaffenes Leben in vorherigen Inkarnationen.

Manche Menschen in Indien geben – lediglich zur Show – wahllos viel Geld für die Shraddha-Zeremonie aus. Dies ist reine Verschwendung und Geld sollte nicht für Luxus ausgegeben werden. Es ist eine Täuschung, anzunehmen, dass die Seelen der Verstorbenen mehr Frieden finden werden, je mehr Geld man ausgibt. Geld führt nicht zur Zufriedenstellung der Pitris. Stattdessen zählt die Intensität (Bhava), mit der die Shraddha-Zeremonie durchgeführt wird.

Zu diesen Anlässen sind die Armen und Bedürftigen opulent zu verköstigen. Deren Lebensbedürfnissen ist Beachtung zu schenken. An diesen Tagen sind die Heiligen Schriften zu studieren. Der Durchführende der Shraddha-Zeremonie hat die spirituellen Disziplinen wie Japa, Meditation, Mouna, Brahmacharya etc. einzuhalten. Er soll seine Zeit nicht mit sinnlosen Tätigkeiten vergeuden. Er soll den ganzen Tag über zu Gott beten. Die entsprechenden vedischen Hymnen sind zu rezitieren. Die Geschichte der Nachiketas der Upanishaden ist zu studieren. Der Durchführende erlangt Unsterblichkeit.

Belebe die vedische Religion neu. Wandle auf dem Pfad der Wahrheit. Führe die Shraddha-Zeremonie durch. Schüttle die Faulheit und Gleichgültigkeit auf dem Weg zur Rechtschaffenheit ab. Wache auf, erhebe dich! Wähle die richtige Quelle. Verhafte dich deinem Varnashrama Dharma. Es gibt kein größeres Opfer als die Ausübung der eigenen Pflichten. Studiere täglich die Gita. Lebe in der Welt, aber nicht von ihr. Nimm die Lehren der Gita in dich auf. Dies ist der sicherste Weg zum Erfolg im Leben und zur Gotteserkenntnis.

Mögest du das Glück der Ewigkeit genießen. Mögest du das unsterbliche und unvergängliche Brahman erreichen durch das regelmäßige Erfüllen deiner Svadharma-Pflicht, durch das Singen des Namen Haris, indem du dich um die Kranken und Armen kümmerst, dem Pfad der Rechtschaffenheit folgst, regelmäßig die Vedas studierst und meditierst. Möge Gott dich bei all deinen Taten leiten!

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Siehe auch

Literatur

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