Nrisimha Uttara Tapaniya Upanishad
Nrisimha Uttara Tapaniya Upanishad und Nrisimhottara Tapaniyopanishad (Sanskrit: नृसिंहोत्तरतापनीयोपनिषद् nṛsiṃhottaratāpanīyopaniṣad f.) ein Teil der indischen Heiligen Schriften, die Veda bzw. Shruti genannt werden. Die Nrisinha Uttara Tapaniya Upanishad gehört zum Atharvaveda und wird außerdem den Vishnu Upanishaden zugeordnet. Sie zeigt eine stark philosophische Prägung, die sich vor allem am Ende der Upanishad im Dialog zwischen Prajapati und den Göttern wiederspiegelt und kann als Vertiefung zur Thematik der Nrisinha Purva Tapaniya Upanishad verstanden werden.
Nrisinha Uttara Tapaniya Upanishad mit Erläuterungen nach Paul Deussen
Artikel aus "Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden, S. 931 - 957.
Einleitung
Die Nrisinhapurvatapaniya verfolgt, wie wir sahen, in allen fünf Upanishaden, aus denen sie besteht, als Zweck den Kultus der Nrisinhaformel; die Formel ist das Idol, dessen Verehrung in ihr gefordert wird, und alles, was an philosophischen Elementen vorkommt, tritt in den Dienst dieses Zweckes. In dieser Form mochte das Werk den religiösen Bedürfnissen der Menge, unter deren Händen schließlich alles zum Idol wird, genügen; allenfalls mochte durch die eingestreuten philosophischen Andeutungen auch im Volk die unbestimmte Ahnung eines tieferen, ihm unfaßbar bleibenden Gehaltes erweckt und lebendig gehalten werden.
Diesen tieferen Gehalt für die wenigen, die dafür empfänglich waren, und welchen die Purvatapaniya nur als Vorstufe diente, zu entwickeln, ist der Zweck der Nrisinha Uttara Tapaniya Upanishad. In ihr spielt die Nrisinhaformel, so hoch sie auch, bei der Identifikation des Nrisinha mit dem höchsten Atman, in Ehren bleibt, doch nur eine nebengeordnete Rolle; das ganze Schwergewicht fällt auf eine komplizierte philosophische Entwicklung, die sich zwar wesentlich auf älteren Stellen, namentlich der Mandukya Upanishad, aufbaut, aber auch nicht arm an neuen und mitunter, namentlich gegen den Schluß hin, recht sehr in die Tiefe gehenden Momenten ist.
Die Grundanschauung ist die einer vierfachen Identität, die wir in der Gleichung festhalten können:
wobei Atman als psychisches Prinzip vermittelst des Om-Lautes dem Brahman als kosmischem Prinzip gleichgesetzt wird und wiederum alle drei im Nrisinha symbolisch angeschaut werden. An diese Grundanschauung schließt sich als durchlaufender Grundgedanke an, daß der (mit Om, Brahman, Nrisinha identische) Atman nur in seinem höchsten, sechzehnten Aspekt als vollkommen indifferentes Subjekt des Erkennens (Avikalpa) in voller Reinheit fortbesteht, während er mittels fünfzehn untergeordneter Formen in die Welt hineinragt und deren Realität bedingt, daß aber diese ganze Realität der Welt und jener fünfzehn untergeordneten Formen, vom höchsten Standpunkt betrachtet, eine nichtige ist. Die innere Einheit des Atman in allem Seienden wird dabei durch die kunstvoll durchgeführte Verflechtung aller Formen untereinander zur Anschauung gebracht.
Zunächst werden, im Anschluß an die Mandukya Upanishad, die vier Zustände des Atman unterschieden:
- I. Das Wachen und die (grobe) Welt des Wachens.
- II. Der Traum und die (feine) Traumwelt.
- III. Der Tiefschlaf und die Samenwelt, Ursachenwelt (vgl. Gaudap. 1,13: Vijanidrayutah Prajnah, oben S. 580).
- IV. Der Turiya (sc. Atma, oder das Turiyam, sc. Sthanam), der vierte Stand, das Zuschauersein, in welchem die Einswerdung von Subjekt und Objekt unter Fortbestehen des Bewußtseins, wie im dritten unter Erlöschen desselben, eintritt (vgl. Gaudap. 1,12: Turyam Tat Sarvadrik Sada, oben S. 580).
Jeder der drei ersten Zustände ist versetzt mit allen vier Zuständen, ist also
- 1. grob (Wachen),
- 2. fein (Traum),
- 3. Same (Tiefschlaf),
- 4. Turiya (Zuschauer).
Hingegen besteht im Turiya (und, sofern die drei anderen Stände an ihm teil haben, auch in ihnen) eine andere Vierteilung. Er ist:
1. Ota "eingewoben" (Brih. 3,8) als das die ganze Welt durchziehende intellektuelle Element;
2. Anujnatri "Bejaher" (wechselnd mit Anumantri[1] "Einwilliger") nicht im Sinne der Schopenhauer'schen "Bejahung des Willens zum Leben", sondern als das Geistige, welches erst den Dingen eine positive Wesenheit verleiht ("das Denken macht diese ganze wesenlose Welt wesenhaft" Nrisinhott. 8 b, unten S. 796).
3. Anujna "Bejahung", ebendasselbe nach Abstreifung der Persönlichkeit (sich zu Anujnatri verhaltend wie das überpersönliche Brahman zum persönlichen Isvara).
4. Avikalpa "Indifferenz", die völlige Auslöschung aller Unterschiede, so daß nur noch das reine, objektlose Subjekt des Erkennens bestehen bleibt. (Hauptstellen für die Erklärung dieser vier Grundbegriffe sind unten S. 783 und 796.)
Sofern Wachen, Traum, Tiefschlaf am Turiya teilhaben, enthalten sie auch Ota, Anujnatri, Anujna, Avikalpa und sind eben dadurch in den Turiya "einmündend" (Turiya Avasita). Aber alle drei Zustände (Wachen, Traum und Tiefschlaf) und auch vom Turiya die drei ersten Bestimmungen (Ota, Anujnatri, Anujna) sind sämtlich "nur Tiefschlaf, Traum und bloße Täuschung" (S. 780); vollkommen real ist nur Avikalpa, "denn der Atman hat als einzigen Geschmack das Denken" (S. 781).
Dieser höchste, durch Abtrennung alles Weltgeschmackes gefundene Zustand ist "der vierte des vierten" (Turiya Turiya), ist der Atman selbst in seiner reinsten Gestalt, und die Darstellung im letzten Kapitel, wie derselbe nicht durch intellektuelle Tätigkeit, sondern durch Innewerdung (Anubhava) als das Selbst in uns zu fühlen und zu finden ist, gehört mit zu dem Schönsten und Wertvollsten, was altindische Vertiefung in die Geheimnisse des eigenen Inneren zutagegefördert hat.
- Om!
- Heilvolles laßt mit Ohren hören, Götter,
- Heilvolles uns mit Augen sehn, ihr Heil'gen;
- Mit festen Gliedern, preisend, laßt uns leibhaft
- Das gottgesetzte Lebensziel erreichen! (Rigv. 1,89,8.)
- Heil schenke Indra uns, der hochberühmte,
- Heil Pushan uns, der alles Reichtums Herr ist,
- Heil Tarkshya uns, des Radkranz unversehrt bleibt,
- Heil möge auch Brihaspati uns schenken! (Rigv. 1,89,6.)
- Om, Friede! Om, Friede! Om, Friede!
Erster Khanda
Zunächst wird, im Anschluß an eine Stelle aus Mandukya, der Om-Laut als die Einheit hingestellt, in welcher Brahman (Objektives) und Atman (Subjektives) zusammenfließen. Beide, Brahman und Atman, sind (wie wiederum in Fortbildung der Theorie der Mand. Up. von den vier Zuständen des Atman entwickelt wird):
- 1) grob (Welt des Wachens, — Wachen),
- 2) fein (Traumwelt, — Träumen),
- 3) einheitlich (Samenwelt, — Tiefschlaf),
- 4) Turiya, Zuschauer, das reine Subjekt des Erkennens.
Jeder der drei ersten Zustände ist Caturatman, "vierwesentlich", d. h. versetzt mit den drei anderen Zuständen, so daß jeder derselben
- a) Grobes,
- b) Feines,
- c) den Samen,
- d) den Zuschauer enthält.
Eine andere Vierteilung findet im Turiya statt, indem derselbe
auch die drei ersten Zustände haben teil an diesen vier Bestimmungen, durch die sie in den Turiya einmünden. Nur die letzte dieser Bestimmungen (Avikalpa) ist vollkommen frei von der Illusion des Weltlebens.
Om!
Es begab sich, daß die Götter zu Prajapati sprachen: Als jenen feiner als das Feine seienden Atman erkläre uns den Om-Laut. - So sei es, sprach er.[2]
"Om! diese Silbe ist die ganze Welt. Ihre Erläuterung ist wie folgt. Das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige, dieses alles ist der Laut Om. Und was außer dem noch über die drei Zeiten hinausliegend ist, auch das ist der Laut Om. Denn dies alles ist Brahman, Brahman aber ist dieser Atman." Indem man diesen Atman durch das Wort Om mit Brahman eins macht, und das Brahman mit dem Atman durch das Wort Om eins macht, genieße man jenes Eine, Alterslose, Unsterbliche, Furchtlose in dem Wort Om, versenke in dasselbe diese ganze dreikörperliche Welt, - denn aus ihm, so wisse man, besteht dieselbe, - und fasse sie zusammen in dem Wort Om. Dabei soll man den dreikörperlichen Altman und das dreikörperliche höchste Brahman miteinander verknüpfen, sofern dieses grob ist und jener Grobes genießt, dieses fein ist und jener Feines genießt, dieses einheitlich ist und jener die Wonne genießt.
"Dieser Atman ist vierfach. Der im Stande des Wachens befindliche", Grobes erkennende, 'siebengliederige, neunzehnmündige, das Grobe genießende', vierwesentliche Visva, Vaisvanara ist sein erstes Viertel. - Der im Stande des 'Träumens befindliche', Feines erkennende, 'siebengliederige, neunzehnmündige', das Feine genießende, vierwesentliche 'Taijasa', Hiranyagarbha 'ist sein zweites Viertel. - Der Zustand, wo er eingeschlafen keine Begierde mehr empfindet und kein Traumbild schaut, ist der Tiefschlaf. Der im Stand des Tiefschlafes befindliche, einsgewordene, durch und durch ganz aus Erkenntnis bestehende, aus Wonne bestehende, die Wonne genießende, das Bewußtsein als Mund habende', vierwesentliche 'Prajna', Isvara ist sein drittes Viertel. Er ist der Herr des Alls, er ist der Allwissende, er ist der innere Lenker, er ist die Wiege des Weltalls, denn er ist Schöpfung und Vergang der Wesen."
Alle diese drei sind in Wahrheit nur Tiefschlaf, Traum und bloße Täuschung; denn der Atman hat als einzigen Geschmack das Denken. Was aber weiter den Vierten betrifft, so ist auch er vierwesentlich, sofern in dem Turiya (Vierten) jeder der drei anderen einmündet vermöge [der ihnen allen einwohnenden Eigenschaften] Eingewoben, Bejaher, Bejahung und Indifferenz. Und auch von diesen sind die drei [ersten] nur Tiefschlaf, Traum und bloße Täuschung; denn er [der Altman] hat als einzigen Geschmack das Denken. Über ihn ist diese Unterweisung:
Nicht Grobes erkennend und nicht Feines erkennend, "noch nach beiden Seiten erkennend, weder bewußt noch unbewußt, auch nicht durch und durch aus Erkenntnis bestehend, unsichtbar, unbetastbar, ungreifbar, uncharakterisierbar, undenkbar, unbezeichenbar, nur in der Gewißheit des eigenen Selbstes gegründet, die ganze Weltausbreitung auslöschend, selig, beruhigt, zweitlos; - das ist [das vierte Viertel], das" eben "ist der Atman, den" eben "soll man erkennen", -
und auch der Isvara (der persönliche Gott) wird verschlungen von dem Turiya (dem Vierten), - von dem Turiya![3]
Zweiter Khanda
Der Om-Laut, wie er vorher das Bindeglied zwischen Atman und Brahman war, ist auch das Bindeglied zwischen dem Atman und der materiellen Welt, einerseits durch seine drei Moren (A, U, M), anderseits als Ganzes (Om). Jeder der drei Zustände des Atman (Wachen, Traum, Tiefschlaf) ist Grobes, Feines, Einheit und Zuschauer; ebenso enthält jede der drei Moren (A, U, M) Grobes, Feines, Einheit und Zuschauer, so daß A dem Wachen, U dem Traum, M dem Tiefschlafe entspricht. Ebenso entspricht der Om-Laut als Ganzes dem Turiya, sofern er dessen vier Bestimmungen (Ota, Anujnatri, Anujna, Avikalpa) an sich trägt. Durch diese vier Bestimmungen aber wird die Welt zu einem Realen (Namarupa Atmakam); durch sie ragt der Turiya, mittels des Om-Lautes, in die Dinge hinein. - Zum Schluß wird die Nrisinhaformel als das Mittel bezeichnet, sich zum Turiya zu erheben, womit das weiter Folgende vorbereitet wird.
Von diesem Atman soll man wissen, daß er in dem Wachenden traumlos und tiefschlaflos, im Traum wachend und tiefschlaflos, im Tiefschlaf wachend und traumlos, im Turiyam wachend, traumlos und tiefschlaflos ist, daß er unveränderlich, ewige Wonne, allezeit den einzigen Geschmack [des Denkens] habend ist, so soll man ihn wissen.
Er ist der das Auge Sehende, das Ohr Sehende, die Rede Sehende, das Manas Sehende, die Buddhi Sehende, den Prana Sehende, die Finsternis Sehende, das All Sehende. Darum ist er diesem Weltenall gegenüber ein anderer, wesensverschiedener.
Er ist des Auges Zuschauer (Sakshin), des Ohres Zuschauer, der Rede Zuschauer, des Manas Zuschauer, der Buddhi Zuschauer, des Prana Zuschauer, der Finsternis Zuschauer, des Alls Zuschauer. Darum ist er das unwandelbare große Geistige, ist von dieser ganzen Welt das Teuerste, denn als durch und durch ganz aus Wonne bestehend soll man ihn wissen. Vor dieser ganzen Welt herrlich aufleuchtend[4], nur den einen Geschmack [des Denkens] habend, nicht alternd und nicht welkend, unsterblich und furchtlos, ist er [der Atman] das Brahman.
Und auch mit der Ungeborenen [[[Prakriti]], Maya, Avidya] soll man ihn, sofern er aus vier Vierteln besteht, mittels der Moren und ferner mittels des [ganzen] Om-Lautes zu eins verbinden.
"Der im Stande des Wachens befindliche"[5] vierwesentliche Visva "Vaisvanara ist der" vierförmige "A-Laut".; denn vierförmig ist der A-Laut vermöge der Formen des A-Lautes: Grobes, Feines, Same und Zuschauer, "von dem Erlangen oder von dem Erstersein" und von dem Grobessein, Feinessein, Samesein und Zuschauersein; "der, fürwahr, erlangt" diese ganze Welt "und wird zum Ersten, der solches weiß".
"Der im Stande des Träumens befindliche" vierwesentliche "Taijasa", Hiranyagarbha "ist der" vierförmige "U-Laut"; denn vierförmig ist der U-Laut vermöge der Formen des U-Lautes: Grobes, Feines, Same und Zuschauer, "von dem Hochhalten oder von dem Beiderseitssein" und von dem Grobessein, Feinessein, Samesein und Zuschauersein; "der, fürwahr, hält hoch die Tradition des Wissens und wird von beiden Seiten gleichgeachtet, der solches weiß."
"Der im Stande des Tiefschlafes befindliche" vierwesentliche "Prajna", Isvara "ist der" vierförmige "M-Laut"; denn vierförmig ist der M-Laut vermöge der Formen des M-Lautes: Grobes, Feines, Same und Zuschauer, "von dem Aufbauen oder auch von dem Vernichtetwerden" und von dem Grobessein, Feinessein, Samesein und Zuschauersein; "der, fürwahr, baut diese ganze Welt auf und ist ihre Vernichtung, der solches weiß."
So soll man alle Matras in jeder einzelnen Matra wiederfinden.[6]
Weiter der Turiya, welcher auch den Isvara (den persönlichen Gott) verschlingt als Selbstherr, selbst Isvara, selbstleuchtend, ist vierwesentlich als Ota, Anujnatri, Anujna und Avikalpa.
Denn Ota ["eingewoben" der Welt] ist der Atman ähnlich wie die ganze Welt zur Endzeit den Gluten des Zeitfeuers und der Sonne (lies Kalagni Surya Usraih).
Und Anujnatri (Bejaher) dieser Welt ist der Atman, weil er ihr sein Selbst hingibt und [dadurch] diese Welt sichtbar macht - nämlich zu seinem Selbst [welches lichtartig ist] macht - wie die Sonne das Dunkle.
Und Anujna (Bejahung) als einzigen Geschmack hat der Atman, weil er seiner Natur nach reines Denken ist, vergleichbar dem Feuer, nachdem es den Brennstoff verzehrt hat.
Und Avikalpa (Indifferenz) ist der Atman, sofern er von Worten und Gedanken nicht erreichbar ist.
Denkförmig, vierförmig ist auch der Om-Laut; und dieser vierförmige Om-Laut ist vermöge Eingewoben, Bejaher, Bejahung und Indifferenz als Om-Laut-Formen der Atman selbst. Namen und Formen als Wesen habend aber ist diese Welt nur vermöge des [im Om-Laut einbegriffenen] Turiya-Seins oder Denkförmigseins sowie auch vermöge des Eingewobenseins, Bejaherseins, Bejahungseins und Indifferenzseins, - denn auch das ganze Weltall ist [seinem Wesen nach] indifferenzförmig, und da ist keine Verschiedenheit [zwischen Atman, Om-Laut, Weltall]. Und darüber ist diese Unterweisung.
"Moralos ist der Vierte, unbetastbare, die ganze Weltausbreitung auslöschende, selige, zweitlose, - die Silbe Om, der Atman selbst. Der geht mit seinem Selbst in das Selbst ein, wer solches weiß" (Mand. 12). Ein solcher Mann möge durch die auf Nrisinha bezügliche Anushtubh, den Spruchkönig, den Turiya erkennen. Denn dieser [Spruchkönig] offenbart den Atman, ist aller [Zweiheit-] Zusammenraffung fähig, Überhebung nicht duldend, Herr, durchdringend, stets aufflammend, vom Nichtwissen und seinen Wirkungen frei, die Bindung des eigenen Selbstes aufhebend, allezeit zweitlos, wonnegestaltig, Allgrundlage, reines Sein, er ist das von Nichtwissen, Finsternis und Verblendung völlig befreite eigene Ich.
Darum soll man in dieser Weise jenen Atman und das höchste Brahman einsmachen; wer das vollbringt, ist ein Mann, ist Nrisinha selbst!
Dritter Khanda
Die vier Zeilen der Nrisinhaformel entsprechen den vier Moren des Om-Lautes (A, U, M, Halbmora), enthalten daher, ebenso wie diese, den Turiya in sich und werden dadurch zum Mittel, sich von der Welt zum Turiya zu erheben, die ganze Welt in dem Turiya zu absorbieren.
Fürwahr, was an diesem Om-Laut die erste Mora ist, das ist die erste Zeile [der Nrisinhaformel]; die zweite entspricht der zweiten; die dritte der dritten; die vierte Mora ist ihrem Wesen nach Eingewobenes, Bejaher, Bejahung, Indifferenz; indem man mit ihr den vierwesentlichen Turiya aufsucht und mit der vierten Zeile, soll man mittels derselben in den Turiya meditierend [die Welt] hineinschlingen.
Fürwahr, von diesem Om-Laut[7] "die erste Mora, die Erde, ist der A-Laut. Er ist, aus Versen bestehend, der Rigveda, ist Brahma, die Vasus, die Gayatri, das Garhapatyafeuer."
Dieses ist die erste Zeile [des Spruchkönigs]. Derselbe ist aber in allen Zeilen vierwesentlich vermöge des Groben, Feinen, Samens und Zuschauers. "Die zweite Mora, der Luftraum, ist der U-Laut. Er ist, aus Opfersprüchen bestehend, der Yajurveda, ist Visnu, die Rudras, die Trishtubh, das Daksinafeuer."
Dieses ist die zweite Zeile [des Spruchkönigs]. Derselbe ist aber in allen Zeilen vierwesentlich vermöge des Groben, Feinen, Samens und Zuschauers.
"Die dritte Mora, der Himmel, ist der M-Laut. Er ist, aus Liedern bestehend, der Samaveda, ist Rudra, die Adityas, die Jagati, das Ahavaniyafeuer."
Dieses ist die dritte Zeile [des Spruchkönigs]. Derselbe ist aber in allen Zeilen vierwesentlich vermöge des Groben, Feinen, Samens und Zuschauers.
"Die vierte, die Halbmora, die am Ende der Silbe ist, ist die Somawelt, der Om-Laut. Er ist, aus Atharvanliedern bestehend, der Atharvaveda, ist das Weltuntergangsfeuer, die Maruts, die Viraj, der Höchstweise, die glänzende" genannt.
Dieses ist die vierte Zeile [des Spruchkönigs]. Derselbe ist aber in allen Zeilen vierwesentlich vermöge des Groben, Feinen, Samens und Zuschauers.
Alle Matras in jeder einzelnen Matra wiederfindend, soll man, den als Eingewobenes, Bejaher, Bejahung und Indifferenz Gestalteten meditierend, [die Welt in ihn] hineinschlingen; — so wird man weise, unsterblich, bewußtseinsopfernd, rein, eingekehrt und frei von Hemmungen.
Indem man desselben [des Atman] durch Hemmung des Atems inne wird, die ganze Welt hienieden aufgibt und sich völlig frei von der Vielheitsausbreitung, macht, so wird man zu dem ganzen, fundamenthaften Vierwesentlichen, der aus Amritam besteht, zu dem Vierwesentlichen, der aus dem Weltall besteht.
Dann soll man auf dem großen Thron [des eigenen Inneren] diesen viermalsiebengestaltigen, vierwesentlichen Atman mitsamt seinem Gefolge auf dem Grundfeuer (Brih. 5,9) als den feuerartigen Om-Laut aufsetzen, nämlich
den [als Erde, A-Laut, Rigveda, Brahma, Vasus, Gayatri, Garhapatya] siebenfachen, vierwesentlichen A-Laut als Brahman in dem Nabel,
den [als Luftraum, U-Laut, Yajurveda, Visnu, Rudra, Trishtubh, Daksina] siebenfachen, vierwesentlichen U-Laut als Visnu in dem Herzen,
den [als Himmel, M-Laut, Samaveda, Rudra, Adityas, Jagati, Ahavaniya] siebenfachen, vierwesentlichen M-Laut als Rudra zwischen den Brauen,
den [als Somawelt, Om-Laut, Atharvaveda, Weltuntergangsfeuer, Maruts, Viraj, Höchstweisen] siebenfachen, vierwesentlichen, [als Inbegriff aller vorherigen] viermalsiebenfachen, vierwesentlichen Om-Laut als Sarvesvara am Ende dieser zwölf [der je vierwesentlichen Laute A, U, M], und
den [wie vorher] siebenfachen, vierwesentlichen, [wie vorher] viermalsiebenfachen, vierwesentlichen, aus Wonne und Amritam bestehenden Pranava [den Om-Laut mitsamt seinen Bestandteilen] am Ende dieser sechzehn [der je vierwesentlichen Laute A, U, M, Om].
Darauf soll man mit dem aus Wonne und Amritam bestehenden [Pranava] jene [Brahma, Visnu, Rudra, Mahesvara] in vierfacher Weise verehren, sowie auch speziell den Brahma, den Visnu und den Rudra, alle drei als gesondert und wiederum alle drei als nichtgesondert, nachdem man sie in Form ihrer Attribute in vierfacher Weise mit Darbringungen verehrt, als attributlose [[[Caturdha]], Lingan, Telugu-Druck] zusammenfassen, sodann mit der Glut [des erwähnten Grundfeuers] den dreifachen [groben, feinen und samenartigen] Leib durchdringen, den in ihnen seinen Standort habenden Atman entflammen, und, auf jene Glut, welche aus der Geistigkeit des Atman stammt, als eine Kraft sich stützend, mittels der Qualitäten [grob, fein, ursächlich] die Einheit [zunächst] in dem [kosmischen] Großgroben herstellen, dann das Großgrobe im Großfeinen, das Großfeine im Großursächlichen zusammenfassen und, indem man mittels der Moren das als Eingewoben, Bejaher, Bejahung und Indifferenz Gestaltete meditiert, [die Welt in dasselbe] hineinschlingen.
Vierter Khanda
Der Atman, "der als Turiya an des Om-Lauts Spitze erglänzt" (Turiya Omkara Agra Vidyota), ist identisch mit dem Nrisinha, wie durch Betrachtung der Worte der Nrisinhaformel gezeigt wird.
Diesen Atman, das höchste Brahman, den Om-Laut, der als Turiya an des Om-Lauts Spitze erglänzt, soll man durch die Anushtubh verehren, günstig stimmen in dem Worte Om befassen und als das [eigene] Ich überdenken.
Dann soll man diesen Atman, das höchste Brahman, den Om-Laut, der als Turiya, an des Om-Lauts Spitze erglänzt, als den [durch die elf Worte des Mantraraja] elfwesenhaften Atman Nrisinha verehren, in dem Worte Om befassen und überdenken.
Dann soll man diesen Atman, das höchste Brahman, den Om-Laut, der als Turiya an des Om-Lauts Spitze erglänzt, durch den Pranava überdenken, durch die Anushtubh als den - in den mit Sein, Denken, Wonne erfüllten Selbsten [der neun ersten Worte des Mantraraja] neunfachen, - mit Sein, Denken, Wonne erfüllten Atman, als den höchsten Atman, das höchste Brahman sich vergegenwärtigen, diesen dann durch das Wort Ich als sich selbst erfassen und im Geist oder auch durch die Anushtubh mit dem Brahman einsmachen.[8]
Er, fürwahr, ist Nri (Mann, Held), denn dieser Nrisinha ist allerwärts und allezeit allbeseelend; und Sinha (Löwe) ist dieser höchste Gott, denn er, der allerwärts und allezeit allbeseelende ist es, der alles verschlingt. So ist er ganz und gar Nri Sinha; und dieser ist der Turiya.
Er ist Ugra, er ist Vira, er ist Mahan, er ist Visnu, er ist Jvalan, er ist Sarvatomukha, er ist Nrisinha, er ist Bhishana, er ist Bhadra, er ist Mrityumrityu, er ist Namami, er ist Aham.
So soll man, zum Yoga sich wendend, in bezug auf das Brahman die Anushtubh meditieren und in bezug auf den Om-Laut.
Darüber sind diese Verse:
- Setz' auf den Thron den Löwen; deine Kinder[9],
- Sinnweltentsproßne, pack' und triff mit Hörnern
- Des Om-Laut-Stiers; die Unreale[10], zuckend,
- Wirf vor zum Fraß dem Leu'n, so bist ein Mann du!
- Wer horndurchbohrt, mit Fußtritten
- Traf und verschlang die Sinnenwelt,
- Doch ihm sich neigte, ihn schaute,
- Der erglänzt als Nrisinha selbst.
Fünfter Khanda
Das Wort Om bedeutet in seinen drei Lauten den Nrisinha: dieser ist A als Aptatama (der erlangendste), U als Utkrishtatama (der erhabenste), M als Mahavibhuti (der allmächtige), was dann weiter an den Worten des Nrisinhaspruches durchgeführt wird. Die beiden ersten der genannten drei Prädikate sind nach Mandukya Up. 9-10 (oben S. 581) gebildet.
Was nun den A-Laut betrifft, so bedeutet er den erlangendsten; denn auf den Atman, den Nrisinha, das Brahman bezieht er sich; dieser aber ist der erlangendste; denn er ist der Zeuge, ist der Herr; darum ist er allgegenwärtig; denn er (lies Sa Hi Idam Sarvam) ist dieses Weltall, ist der erlangendste. Denn dieses Weltall ist nur der Atman, ein bloßes Trugbild. - Er ist Ugra als der erlangendste, ist Vira als der erlangendste, ist Mahan als der erlangendste, ist Visnu als der erlangendste, ist Jvalan als der erlangendste, ist Sarvatomukha als der erlangendste, ist Nrisinha als der erlangendste, ist Bhishana als der erlangendste, ist Bhadra als der erlangendste, ist Mrityumrityu als der erlangendste, ist Namami als der erlangendste, ist Aham als der erlangendste. - Ja, der Gott Nrisinha ist der Atman, ist das Brahman. Wer solches weiß, der ist "ohne Verlangen, frei von Verlangen, gestillten Verlangens, selbst sein Verlangen; dessen Lebensgeister ziehen nicht aus, sondern eben daselbst bleiben sie versammelt, denn Brahman ist er und in Brahman löst er sich auf" (Brih. 4,4,6 und 3,2,11, oben S. 477. 433).
Was aber den U-Laut betrifft, so bedeutet er den erhabensten; denn auf den Atman, den Nrisinha, das Brahman bezieht er sich; darum ist er die Realität als Wesen habend; denn nicht gibt es außer ihm ein anderes, [das da wäre] ohne erkennbar zu sein, das nicht vom Atman sein Licht empfinge. Denn nur er ist Selbstlicht, nicht anhaftend, und nichts anderes [als sich selbst] erblickt der Atman. Darum ist sie nicht anderweitig zu finden, sondern nur dem Atman eigen ist jene Erhabenheit. - Er ist Ugra als der erhabene, ist Vira als der erhabene, ist Mahan als der erhabene, ist visnu als der erhabene, ist jvalan als der erhabene, ist sarvatomukha als der erhabene, ist nrisinha als der erhabene, ist bhishana als der erhabene, ist Bhadra als der erhabene, ist Mrityumrityu als der erhabene, ist Namami als der erhabene, ist Aham als der erhabene. - Darum soll man den Atman also erkennen; ja, der Gott Nrisinha ist der Atman. Wer solches weiß, der ist "ohne Verlangen, frei von Verlangen, gestillten Verlangens, selbst sein Verlangen; dessen Lebensgeister ziehen nicht aus, sondern eben daselbst bleiben sie versammelt, denn Brahman ist er, und in Brahman löst er sich auf" (Brih. 4,4,6 und 3,2,11).
Was aber den M-Laut betrifft, so bedeutet er den allmächtigen; denn auf den Atman, den Nrisinha, das Brahman bezieht er sich; darum ist er der unbeschränkte (Analpa, Chand. 7,24,1), unteilbare, selbstleuchtende; ja, Brahman ist der erlangendste, erhabenste, und dieses Brahman ist auch das allwissende, große Zauberkunst übende, allmächtige. - Es ist Ugram als das allmächtige, ist Viram als das allmächtige, ist Mahad als das allmächtige, ist Visnu als das allmächtige, ist Jvalan als das allmächtige, ist Sarvatomukham als das allmächtige, ist Nrisinham als das allmächtige, ist Bhishanam als das allmächtige, ist Bhadram als das allmächtige, ist Mrityumrityu als das allmächtige, ist Namami als das allmächtige, ist Aham als das allmächtige.
Darum soll man mit dem A-Laut und U-Laut diesen Atman als den erlangendesten, erhabensten, reingeistigen, allschauenden, allzuschauerseienden, allverschlingenden, aller Liebe Ort seienden, aus Sein, Denken und Wonne bestehenden, nur einen Geschmack habenden, vor dieser ganzen Welt herrlich aufleuchtenden (oben S. 782) erforschen und ihn dann als das erlangendste, erhabenste, reingeistige, allmächtige, aus Sein, Denken und Wonne bestehende, nur einen Geschmack habende höchste Brahman durch den M-Laut erkennen. - Ja, der Gott - Nrisinha ist der Atman, ist das höchste Brahman. Wer solches weiß, der ist "ohne Verlangen, frei von Verlangen, gestillten Verlangens, selbst sein Verlangen; dessen Lebensgeister ziehen nicht aus, sondern eben daselbst bleiben sie versammelt, denn Brahman ist er, und in Brahman löst er sich auf" (Brih. 4,4,6 und 3,2,11). - Also sprach Prajapati.
Sechster Khanda
Es gibt zwei Stufen, eine niedere, auf der die Zweiheit — das Böse — noch nicht völlig überwunden ist, sondern innerhalb des Atman bestehen bleibt, und eine höhere, auf welcher der Atman, nach Auslöschung aller Zweiheit, rein negativ, als die Leere (Sunyam) besteht. Letztere Stufe betätigt sich praktisch in der Loslösung von der Welt und allen ihren Interessen. — Der ganze Abschnitt unterbricht die Belehrung der Götter durch Prajapati und nimmt auch dem Gedanken nach eine isolierte Stellung ein.
Die Götter begehrten, den Atman zu erkennen. Da wollte das dämonische Böse dieselben verschlingen. Da erwogen sie: Wohlan! wir wollen jenes dämonische Böse verschlingen! - Da geschah es, daß sie jenen an des Om-Lauts Spitze erglänzenden Atman, der [eigentlich nur] das Vierte des Vierten ist[11], als Ugra und Nicht-Ugra, Vira und Nicht-Vira , Mahan und Nicht-Mahan , Visnu und Nicht-Visnu , Jvalan und Nicht-Jvalan, Sarvatomukha und Nicht-Sarvatomukha, Nrisinha und Nicht-Nrisinha , Bhishana und Nicht-Bhishana, Bhadra und Nicht-Bhadra , Mrityumrityu und Nicht-Mrityumrityu, Namami und Nicht-Namami , Aham und Nicht-Aham durch die Nrisinha-Anushtubh erkannten. Da wandelte sich ihnen jenes dämonische Böse in das aus Sein, Wonne und Denken bestehende Licht. Darum mag derjenige[12], dessen Sünde noch nicht ausgetilgt ist, jenen an des Om-Lauts Spitze erglänzenden Atman, der das Vierte des Vierten ist, durch die Nrisinha-Anushtubh in solcher Weise erkennen. Ihm wandelt sich dann jenes dämonische Böse in das aus Sein, Wonne und Denken bestehende Licht.
Die Götter aber, über dieses Licht hinausstrebend und bei der Zweiheit Bedenken habend[13], indem sie weiter nach jenem an des Om-Lauts Spitze erglänzenden Atman, der das Vierte des Vierten ist, durch die Nrisinha-Anushtubh suchten, gelangten mittels des Pranava in ihm zum Ziel. Da wurde ihnen jenes vor dieser ganzen Welt herrlich aufleuchtende Licht zum lichtlosen, zweitlosen, undenkbaren, attributlosen, selbstleuchtenden, ganz aus Wonne bestehenden Leeren (Sunyam). - Wer solches weiß, der wird zu dem selbstleuchtenden höchsten Brahman.
Die Götter aber "standen ab von dem Verlangen nach Kindern, von dem Verlangen nach Besitz, von dem Verlangen nach Welt" (Brih. 3,5,1. 4,4,22) und den Hilfsmitteln dazu, und indem sie ohne Selbstgefühl, ohne Wohnung, ohne Familie, ohne Haarlocke, ohne Opferschnur gleichwie Blinde, Taube, Toren, Verschnittene, Stumme, Unsinnige umherwanderten, wurden sie "beruhigt, bezähmt, entsagend, geduldig und gesammelt" (Brih. 4,4,23), "an dem Atman sich freuend, mit ihm spielend, mit ihm sich paarend und ergötzend" (Chand. 7,25,2), und indem sie den Pranava als das höchste Brahman, als das durch sich selbst leuchtende Leere erkannten, wurden sie in ihm vollendet.
Darum, wer dem Wandel der Götter nachfolgt, der kommt zur Vollendung in dem Om-Laute, dem höchsten Brahman. Er sieht in seinem Selbst das (höchste) Selbst, das höchste Brahman. Darüber ist dieser Vers:
- In drei Hörner (A, U, M) den Hornlosen (Turiya),
- In drei Hörner den Löwen faßt! -
- Zu zwei Hörnern (A, U) das Horn (M) fügend,
- Sitzen müßig der Götter drei (Brahman, Visnu, Rudra).
Siebenter Khanda
Drei Abschnitte, welche die Identität des Atman und Brahman in spielender Weise durch das Wort Om und den Nrisinha beweisen sollen.
- 1) A ist Atman, M ist wieder der Atman, U ist der Löwe, der beide verbindet. -
- 2) A ist Atman, M ist Brahman, welche beide der Laut U zusammenbindet. -
- 3) A ist Brahman, M der Atman, beide durch U verbunden. -
Dazwischen sind verschiedene Gedanken eingeschoben, welche, an sich sehr bedeutend, doch in diesem Zusammenhang einen fremdartigen Eindruck machen und vielleicht anderswoher herübergenommen sind.
1) A - U - M = Atman - Löwe - Atman.
Es begab sich, daß die Götter zu Prajapati sprachen: Belehre uns weiter, o Erhabener. - So sei es, sprach er.
Man soll den Atman, weil er ungeboren, nichtalternd, nichtwelkend, nichtsterbend, furchtlos, kummerlos, verblendungslos, hungerlos, durstlos und zweitlos ist [und alle diese zehn Prädikate im Sanskrit mit A beginnen], mittels des A-Lautes aufsuchen, - sodann den höchsten Löwen, weil er erhaben, erzeugend, von oben her eingegangen, aufrichtend, hochschauend, hochwirkend, hochfahrend, hocherleuchtend, hochschwärmend und wandlungserhaben ist [und alle diese zehn Prädikate im Sanskrit mit U beginnen], mittels des U-Lautes aufsuchen, - hierauf den Atman als A-Laut, indem man das Vorderteil des U-Lautes heranholt, zum Löwen machen, - weiter, indem man mit dem Hinterteil [des U-Lautes] jenen Löwen heranholt, ihn wiederum mit jenem Atman, weil er groß, machtvoll, maßvoll, erlöst, hochgöttlich, hochherrlich, hochwesentlich, hochgeistig, hochwonnig und hochgebietend ist [und alle diese zehn Prädikate im Sanskrit mit M beginnen], mittels des halben M-Lautes einsmachen.
Körperlos, organlos, odemlos, finsternislos, nur aus Sein, Denken und Wonne bestehend, wird der zum Selbstherrn, wer solches weiß!
2) A - U - M = Atman - Bejahungslaut - Brahman.
Fragt man jemanden: wer bist du? so antwortet er: Aham (Ich). Ebenso alles, was vorhanden ist. Darum ist Aham (Ich) ein Name für alles (Brih. 1,4,1). Sein Anfangsbuchstabe und der A-Laut [in Om] ist derselbige, denn der [durch den A-Laut von Om bezeichnete] Atman ist alles, denn er ist allem innerlich, denn alles dieses kann nicht sein, ohne einen Atman (ein Selbst, ein Wesen) zu haben, alles dieses ist also Atman. Darum soll man mittels des das Selbst von allem ausdrückenden A-Lautes den das Selbst von allem seienden Atman erforschen.
Ferner ist alles dieses (diese ganze Welt) das aus Sein, Denken und Wonne bestehende Brahman. Denn alles dieses ist aus Sein, Denken und Wonne bestehend. Nämlich erstlich ist alles dieses seiend; denn man sagt [von allem Vorhandenen]: dieses ist ein Seiendes. Weiter ist auch alles dieses Denken (Geist, Cit), denn es scheint und erscheint [ist Vorstellung]. Fragt ihr: was heißt "seiend", so lautet die Antwort: es ist die Innewerdung, daß dieses ist und dieses nicht ist. Aber was ist die Innewerdung? Sie ist dieses und ist dieses nicht, so kann man, nicht mit Worten sondern nur durch die Innewerdung selbst, antworten.[14] Ebenso kann man das Denken und die Wonne nicht durch Worte erklären, sondern nur verstehen, indem man sie inne wird. So muß auch alles andere in der Welt [das Denken und die Wonne, aus dem es besteht, selbst inne werden]. Dies ist die höchste Wonne. - Jenes Brahman also [dessen Wesenheit man so innerlich erleben muß] heißt [im Nominativ] Brahma. Seine Endsilbe und [in Om] der M-Laut [der Ma-Laut, wie er im Sanskrit heißt] ist derselbige. Darum soll man mittels des M-Lautes [Ma-Lautes] das höchste Brahman erforschen. Wird gefragt: ist dieses also [ist das Brahman der Atman]? so antwortet man ohne zu zweifeln: U [was hier "ja" bedeuten soll[15]]. Darum soll man mit dem A-Laut den Atman aufsuchen und ihn mit dem M-Laut als Brahman durch den U-Laut, ohne zu zweifeln, verbinden.
Körperlos, organlos, odemlos, finsternislos, nur aus Sein, Denken und Wonne bestehend, wird der zum Selbstherrn, wer solches weiß!
3) A - U - M = Brahman - Bejahungslaut - Atman.
Diese ganze Welt ist Brahman, weil sie ewig ist, [und dieses] weil sie Ugra, Vira, Mahat, Visnu, Jvalat, Sarvatomukha, Nrisinha, Bhishana, Bhadra, Mrityumrityu, Namami und Aham ist; das Brahman aber ist dieses Ewige, weil es [gleichfalls] Ugra, Vira, Mahat, Visnu, Jvalat, Sarvatomukha, Nrisinha, Bhishana, Bhadra, Mrityumrityu, Namami und Aham ist. Darum soll man, nachdem man mit dem A-Laut das höchste Brahman gesucht hat, mit dem M-Laut den [Atman als] Förderer des Manas und der Organe und [als] Zuschauer des Manas und der Organe suchen. - [Zwischenbemerkung über den Atman:] Wenn derselbe [einschlafend] das Weltall nicht beaufsichtigt, dann geht das Weltall in ihn ein; und wenn er wieder erwacht, dann erhebt sich aus ihm das Weltall. Nachdem er so das Weltall aus sich herausgesetzt und es [wieder] an sich gezogen, zermalmt, verbrannt, verzehrt hat, so gibt er [abermals] sein Selbst dahin [als das Selbst] der Dinge und beharrt dabei trotzdem[16] als Überugra, Übervira, Übermahan, Übervisnu, Überjvalan, Übersarvatomukha, Übernrisinha, Überbhishana, Überbhadra, Übermrityumrityu, Übernamami, Überaham "in seiner eigenen Majestät" (Chand. 7,24,1). - Darum soll man diesen [Atman als M-Laut] mit dem höchsten Brahman, als Inhalt des A-Lautes durch den U-Laut, ohne zu zweifeln, verbinden.
Körperlos, organlos, finsternislos, nur aus Sein, Denken und Wonne bestehend, wird der zum Selbstherrn, der solches weiß!
Darüber ist dieser Vers:
- Zum Horn (A) das Halbhorn (U) herholend,
- Verbinde man es (U) mit dem Horn (A);
- Und ebenso durch dies (U) binde
- Im letzten Horn (M) man jenes Horn (A).
Achter Khanda
Die Identität des Nrisinha-Atman und des Om-Lautes wird dadurch erwiesen; daß beide Ota, Anujnatri, Anujna, Avikalpa sind. Im strengsten Sinne ist der Atman allerdings nur Avikalpa, und wenn er daneben auch als Nicht-Avikalpa bezeichnet wird, so liegt darin doch kein Widerspruch, weil (wie der folgende, letzte Abschnitt näher ausführen wird) das, was ihn zum Nicht-Avikalpa macht, keine Realität besitzt.
Weiter wird durch den Turiya [und seine vier Bestimmungen, Ota, Anujnatri, Anujna, Avikalpa, die Einheit von Atman und Om erwiesen].
a. Eingewoben und verwoben [der Welt] ist jener Atman, der Löwe. Denn in ihm ist diese ganze Welt; denn er ist das Selbst von allem, er ist alles. Und doch ist er [in Wahrheit] nicht eingewoben, denn dieser Atman ist zweitlos, einzig und ohne Unterschiede. Denn das Ding ist kein Seiendes, sondern er, der gleichsam eingewobene, ist ganz Sein, ganz Denken, ganz Wonne, nur einen Geschmack habend, unfaßbar, ohne irgendeinen Zweiten.
Eingewoben und verwoben ist auch der Om-Laut; denn wenn man gefragt wird: ist es so? ist es nicht so? so antwortet man mit "Om" (Ja). Der Om-Laut ist ja die Rede; Rede aber ist diese ganze Welt; denn es gibt nichts hier, was nicht seine Benennung hätte. Auch ist der Om-Laut aus Denken bestehend; aus Denken bestehend aber ist die ganze Welt.
Darum ist in dem höchsten Gott dies beides [Atman und Om] eins. Das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das Brahman. Denn Brahman ist das Furchtlose; zu dem furchtlosen Brahman wird, wer solches weiß. So die Geheimlehre.
b. Bejaher ist jener Atman; denn er bejaht sein Selbst als [das Selbst] der ganzen Welt. Denn an sich ist diese Welt nicht selbsthaft. Und doch ist er [in Wahrheit] nicht eingewoben und nicht Bejaher; denn es haftet ihm nichts an, und er ist unwandelbar, da außer ihm kein Seiendes ist.
Bejaher ist auch der Om-Laut, denn man bejaht mit dem Worte "Om" (Ja). Der Om-Laut ist ja die Rede; die Rede aber bejaht diese ganze Welt. Auch ist der Om-Laut aus Denken bestehend; das Denken (Geist, Cit) aber macht diese ganze wesenlose Welt wesenhaft.
Darum ist in dem höchsten Gott dies beides [Atman und Om] eins. Das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das Brahman. Denn Brahman ist das Furchtlose; zu dem furchtlosen Brahman wird, wer solches weiß. So die Geheimlehre.
c. Bejahung als einzigen Geschmack habend ist jener Atman. Denn er ist ganz aus Erkenntnis bestehend. Denn er ist vor dieser ganzen Welt herrlich aufleuchtend; darum ist er ganz aus Denken (Geist) bestehend. Und doch ist er [in Wahrheit] nicht eingewoben und nicht Bejaher (also auch nicht Bejahung); denn nur sofern sie Atman ist, ist diese Welt ein Seiendes.
Bejahung als einzigen Geschmack habend ist auch der Om-Laut, denn man bejaht mit dem Worte "Om" (Ja). Der Om-Laut ist ja die Rede, denn die Rede ist es, welche bejaht. Auch ist der Om-Laut aus Denken bestehend, denn das Denken ist es, welches bejaht.
Darum ist in dem höchsten Gott dies beides [Atman und Om] eins. Das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das Brahman. Denn Brahman ist das Furchtlose; zu dem furchtlosen Brahman wird, wer solches weiß. So die Geheimlehre.
d. Indifferenz ist jener Atman, weil er ohne Zweiten ist. Indifferenz ist auch der Om-Laut, weil er ohne Zweiten ist; denn ganz aus Denken bestehend ist der Om-Laut.
Darum ist in dem höchsten Gott dies beides [Atman und Om] eins. Unterschiedslos ist er und doch nicht unterschiedslos; und darin ist keine Spaltung (kein Widerspruch); denn in ihm ist keine Spaltung. Wer in ihm gleichsam eine Spaltung annimmt, der wird, hundertfach und tausendfach gespalten, "von Tod zu Tode verstrickt" (Brih. 4,4,19).
Darum ist dieses zweitlose, selbstleuchtende Hochwonnige der Atman. Das ist das Unsterbliche, das Furchtlose, das Brahman. Denn Brahman ist das Furchtlose; zu dem furchtlosen Brahman wird, wer solches weiß. So die Geheimlehre.
Neunter Khanda
Der Atman allein ist real, alles andere, auch der Jiva (die individuelle Seele) und der Isvara (der persönliche Gott) beruhen nur auf der Maya. Nach dem Wesen der Maya aber ist nicht zu fragen, da sie keine Realität hat. Der Atman hingegen kann zwar nicht auf dem Weg der Erkenntnis erfaßt werden, die sich ihr Objekt als ein anderes gegenüberstellt, wohl aber durch unmittelbare Innewerdung (Anubhava), sofern er unser eigenes Selbst ist. Dieses innere Schauen findet seinen Ausdruck in der Silbe Om, welche der Atman selbst ist.
Es begab sich, daß die Götter zu Prajapati sprachen: unterweise uns, o Erhabener, über jenen Atman als den Om-Laut. - So sei es, sprach er.
Zuschauer und Einwilliger ist jener Atman, der Löwe; aus Denken bestehend und unwandelbar ist er der Wahrnehmer allerwärts. Denn es ist kein Beweis möglich für das Vorhandensein einer Zweiheit, und nur der zweitlose Atman ist beweisbar. Nur durch die Maya ist gleichsam ein anderes; aber der Atman allein ist das Höchste, und er ist auch alles Vorhandene; denn dies ergibt sich aus den Zuständen des Tiefschlafes (Prajnaih). Die ganze Welt aber ist Nichtwissen, ist jene Maya. Der Atman aber ist das höchste Selbst und durch sich selbst leuchtend. Er erkennt und erkennt doch nicht; denn sein Erkennen ist objektlos, ist Innewerdung (Anubhuti).
Aber auch die dunkelgestaltige Maya wird erkannt durch Innewerdung [des Atman als des allein Realen] als jenes Starre, Wahnartige, unendlich Leere; dies ist ihre Gestalt. Aber obgleich sie bald dies, bald das zur Erscheinung bringt und beständig vergehend ist, so wird sie doch von den Toren angesehen als der Atman. Aber sie läßt ihn nur erscheinen als seiend und wieder nichtseiend [vergehend], indem sie ihn aufzeigt und wieder nicht aufzeigt und zwar im Stande der Freiheit [als Gott] und der Unfreiheit [als Seele]. Nämlich wie der in sich gleiche Kern des Feigenbaumes das Vermögen zu vielen Feigenbäumen, so trägt auch sie, obwohl sie eine ist, [das Vermögen der Vielheit in sich]. Denn gleichwie der in sich gleiche Feigenbaumkern, obwohl er einer ist, viele über ihn hinausreichende Feigenbäume, welche alle ihn als Kern haben, hervorbringt und in jedem von ihnen voll und ganz besieht, so bringt auch die Maya viele, über sie hinausreichende, voll und ganz bestehende Standorte [der Seele] zur Erscheinung und schafft so scheinbar den Jiva und den Isvara (die individuelle und die göttliche Seele), und bleibt doch dabei nur Täuschung und Nichtwissen. Sie ist vielfältig, aber fest gefügt und reich an Sprossen; und wie sie selbst von ihren Gunas [[[Sattva]]m, Rajas, Tamas] nicht verschieden ist, so ist sie auch in ihren Sprossen von den Gunas nicht verschieden, sondern allenthalben als Brahma, Visnu und Siva von Geist durchleuchtet. Nur aus jenem Atman stammt ihre Dreifachheit und ihr Ursprungsein allerwärts. Ferner ist er als der ichbewußte Jiva, als der regierende Isvara und als der all-ichbewußte Hiranyagarbha dreigestaltig. Denn dieser letztere, wie der Isvara offenbarer Geistigkeit und allgegenwärtig, ist der Isvara als Beseeler des Tuns und Erkennens, alles und aus allem bestehend. Aber auch die Jivas sind alle aus allem bestehend, nur daß sie in allen ihren Zuständen beschränkt sind.
Jener Atman also, nachdem er die Elemente, die Organe, die Viraj, die Naturgötter und die Hüllen (Taitt. 2) erschaffen und in dieselben eingegangen, bleibt unverwirrt und in Ruhe und erscheint verwirrt gleichsam und in Tätigkeit nur durch die Maya.
Darum wird dieser zweitlose Atman als nur aus Sein bestehend, ewig, rein, weise, real, erlöst, lauter, alldurchdringend, zweitlos, Selbstwonne, höchster, durch und durch Inneres erkannt durch diese Beweise: nur aus Seiendheit bestehend ist die ganze Welt, das Seiende aber ist das von jeher vorhandene Brahman; denn nichts anderes wird hienieden durch Innewerdung (Anubhava) erkannt; aber kein Nichtwissen ist möglich in dem durch Innewerdung erkannten Atman, dem selbstleuchtenden, Allzuschauer seienden, unwandelbaren, zweitlosen. Schaut schon hienieden das reine Sein, und daß alles andere nichtseiend ist, denn es ist die Wahrheit! Also ist das von jeher, als Ursprungloser, in sich selbst Ruhende, ganz aus Wonne und Denken Bestehende bewiesen [durch Innewerdung], da es doch unbeweisbar ist [durch Reflexion].
Dieses ist Visnu, Isana, Brahma, ist auch alles andere und allgegenwärtig. Darum ist alles der reine, nicht äußerlich geartete, weise, lustgeartete Atman. Denn diese Welt, ist nicht atmanlos und doch auch nicht der Atman; denn der war schon vor ihr vorhanden. Aber dieses Weltall ist überhaupt niemals, sondern nur der in seiner eigenen Majestät ruhende, unbedingte, einzige, Zuschauer seiende, selbstleuchtende Atman.
- Aber entspringt dieses beharrende [Weltganze] aus dem Atman?
Ohne Zweifel! Denn er ist es, der dieses alles, wie es ist, hervorbringt, der im Sehenden Sehende, der Zuschauer, wandellos, vollkommen, nichtwissenlos, für die nicht äußere, sondern innere Betrachtung sehr deutlich, erhaben über die Finsternis. So sprecht, seht Ihr ihn wohl jetzt?
- Wir sehen ihn, obwohl er unfaßbar klein ist.
Er ist nicht klein, aber er ist der Zuschauer [das Subjekt des Erkennens]; ohne Unterschiede, der nichtandere; ohne Lust und Schmerz und ohne Zweiheit ist er der höchste Atman, allwissend, unendlich, unteilbar, zweitlos, allerwärts Bewußtsein [der Dinge] vermöge der Maya, aber doch nicht Unbewußtsein, weil selbstleuchtend. - Ihr selbst seid er! Wird er, nun wohl gesehen von [sich selbst als] dem zweitlosen? Gewiß nicht! Denn er wäre ein zweites, wäre nicht Ihr selbst!
- Erkläre uns das, o Erhabener! so sprachen die Götter. Ihr selbst seid er, sage ich. Würde er von Euch geschaut, so würdet Ihr nicht den Atman [da er das Selbst, nicht ein anderes ist] erkennen. Denn der Atman ist ohne Weltanhaftung. Darum seid Ihr selbst er, und das Licht, mit dem Ihr leuchtet, ist Euer eigenes. Ja, diese Welt, da sie ganz aus Sein und Bewußtsein besteht, ist nur Ihr selbst.
- Doch nicht! sprachen sie; denn dann wären wir ja ohne Weltanhaftung, so sprachen sie.
Wie könnte man ihn sonst schauen? sprach er.
- Wir wissen es nicht, sprachen sie.
Darum also seid Ihr selbst er, und das Licht, mit dem Ihr leuchtet, ist Euer eigenes. Als solche seid Ihr nicht einmal aus Sein und Bewußtsein bestehend. Denn diese zwei sind nur [das Brahman], wie es vor Zeiten herrlich aufleuchtete, [in Wahrheit aber] ist es unfaßbar, zweitlos. - So sagt nun: kennt Ihr ihn [den Atman]?
- Wir erkennen, daß er höher als das Gewußte und Ungewußte ist, sprachen sie.
Und er sprach: fürwahr, dieses Zweitlose, von dem Großsein (Brihat) Brahman Benannte, ist ewig, rein, weise, erlöst, wahrhaft, fein, vollständig, zweitlos, nur aus Sein, Wonne und Denken bestehend, ist der Atman selbst und unfaßbar für jeden.
Darum sollt ihr den Atman, obwohl ihr ihn nicht schaut, durch das Wort Om schauen. Dieses ist die Wahrheit, ist der Atman, ist das Brahman, denn das Brahman ist der Atman. Ja, daran ist nicht zu zweifeln: Om ist die Realität; das ist es, was die Weisen schauen. Ja, dieses tonlose, gefühllose, gestaltlose, geschmacklose, geruchlose, unsprechbare, unnehmbare, ungehbare, unentleerbare, unzeugbare, ohne Manas, ohne Buddhi, ohne Ahamkara, ohne Cittam (oben S. 623, Anm.), ohne Prana, Apana, Vyana, Udana, Samba, ohne Sinnesorgane, Objekte und Werkzeuge, ohne Merkmal, ohne Anhaftung, ohne Eigenschaften, ohne Veränderung, ohne Bezeichnung, ohne Sattvam, Rajas und Tamas, das ungeborene, Mayalose, das ist es, was die Upanishaden lehren als das herrlich leuchtende, mit eins erglänzende, vor dieser ganzen Welt herrlich aufleuchtende, zweitlose, - seht, ich bin er, und er ist ich!
Und weiter sprach er: seht Ihr ihn jetzt oder seht Ihr ihn nicht?
- Wir sehen, sprachen sie, daß er höher als das Gewußte und Ungewußte ist. - Aber wo bleibt jene [Maya], und wie steht es mit ihr? fragten sie weiter.
Wozu diese Frage?
- Zu gar nichts, sprachen sie. [Wir sehen jetzt ein, daß die Maya nichts ist.]
Ihr seid ein Wunder [da Ihr den Atman erkennt, Kath. 2,7], und doch auch wieder nicht [denn jeder ist, wie Ihr, der Atman], so sprach er. So bejaht ihn denn mit Om und sprecht ihn aus!
- Wir erkennen ihn und erkennen ihn doch nicht, so sprachen sie. Aber auch so ist es nicht [auch über diese Gegensätze des Erkanntseins und Unerkanntseins ist der Atman erhaben], fügten sie hinzu.
So, sprecht ihn doch nur aus, denn von selbst [auch ohne ihn zu erkennen] ist er bekannt, sprach er.
- Wir schauen ihn, o Erhabener, und schauen ihn doch nicht. Wir können nicht aussprechen, wie es damit ist. Verehrung sei Dir! sei uns gnädig! so sprachen sie.
Fürchtet Euch nicht, sprach er, fragt was Ihr wollt.
- Wie steht es mit jener Bejahung [durch den Laut Om]?
Sie ist der Atman selbst, sprach er.
- Da sprachen sie: Verehrung bringen wir Dir alle, wie wir da sind!
So geschah es, daß Prajapati die Götter belehrte, - belehrte.
Darüber ist dieser Vers:
- Einwob'nes durch den Einwob'nen,
- Zuzweit dann den Bejaher wißt,
- Bejahung dann und Zweitloses,
- Fassend, geht zum Beschauer ein!
Fußnoten
- ↑ Vielleicht geht der Ausdruck zurück auf Bhag. G. 13,22: Upadrashta Anumanta Ca.
- ↑ Prajapati knüpft seine Erörterungen zunächst an die Mandukya Upanishad an, aus der alles in Anführungszeichen Eingeschlossene entlehnt ist.
- ↑ Der Turiya ist der Abgrund, welcher auch die Personifikation des Göttlichen als Isvara verschlingt. Welche herrliche Lehre für den Okzidentalen, "wäre der Herrscher der Welt nicht auch der Lehre zu groß". - Weber versteht die Worte Isvara Grasas Turiyah dahin, daß, umgekehrt, der Turiya vom Isvara verschlungen werde (Ind. Stud. IX, 128. 131). - Auf dieser Stufe des Verständnisses dürfte das (ebenda S. 137 gefällte und von den Kleinen wohlgefällig nachgesprochene) Urteil: "der mystische Tiefsinn wird zum wuchernden Unsinn", - doch wohl etwas verfrüht sein.
- ↑ Vgl. Taitt. Br. 2,8,8,8: Brahma Jajnanam Prathamam Purastad (Gesch. d. Phil. I, 251).
- ↑ Alles im folgenden zwischen Anführungszeichen Stehende ist aus Mandukya Upanishad entlehnt.
- ↑ Die vom Schol. nicht unterstützte Lesart: Amatramatrayam Pratimatrah Kuryad "in der moralosen Mora soll man jede einzelne Mora wiederfinden", welcher Weber folgt, ist, wie dieser mit Recht bemerkt, auch sprachlich bedenklich, würde aber in erwünschter Weise auf das nun Folgende hinweisen.
- ↑ Das Folgende ist ans Nrisinhapurvat. 2,1, oben S. 760, wie dieses wiederum aus Atharvasikha 1, oben S. 727, entlehnt.
- ↑ Der erste dieser drei Abschnitte scheint sich auf die Meditation des Ich, der zweite auf die des Nrisinha, der dritte auf die der Einheit beider in Brahman zu beziehen.
- ↑ Die materiellen Dinge.
- ↑ Die Maya.
- ↑ Von den vier Eigenschaften des Turiyam, Eingewoben, Bejaher, Bejahung, Indifferenz, kommt im strengsten Sinne dem Atman nur die letzte zu; die drei ersten sind nur "Tiefschlaf, Traum und bloße Täuschung" (oben S. 781).
- ↑ Meine Vermutung, daß statt Apakvakashayam (Bibl. Ind., Weber) der Nominativ zu lesen sei, fand sich hinterher durch den Telugudruck bestätigt.
- ↑ Bhayam Pasyantas, vgl. Chand. 8,9,1 Bhayam Dadarsa. Dem dort erzählten Mythos ist der unsere nachgebildet.
- ↑ Vgl. Brih. 3,4,2, oben S. 436. Ähnlich wie dort Ushasta, meint Weber (Ind. Stud. IX, 157): "nun, das nennt man wenigstens sich billig abfinden!" - Yajnavalkya mag auch ihm antworten.
- ↑ U Karasya Avadharana Arthatvam Loka Prasiddham, Schol.
- ↑ Vgl. zu diesem Gedanken Brih. 5,1, oben S. 488.
Siehe auch
- Narasimha
- Nrisinha Purva Tapaniya Upanishad
- Vishnu
- Vishnu Upanishaden
- Upanishad
- Veden
- Mahavakya
- Hinduismus
- Yoga
- Vedanta
- Vedanta Schulen
- Erkenntnis
- Meditation
- Verehrung
Literatur
- Kostenloses Online-Buch Upanishaden von Swami Krishananda
- Klassische Upanishaden - Die Weisheit des Yoga von Paul Deussen, 1980
- Das Kronjuwel der Unterscheidung von Shri Shankaracharya, Kommentar von Emanuel Meyer, 2002
- Swami Vivekananda, Vedanta - Der Ozean der Weisheit
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur. (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
- Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
- Heinrich Zimmer: Philosophie und Religion Indiens, Suhrkamp, 2001
Weblinks
- Veden aus „Göttliche Erkenntnis“ von Swami Sivananda
- Upanishaden, Artikel aus "Göttliche Erkenntnis" von Swami Sivananda
- Buch: Klassische Upanishaden - die 11 wichtigsten Upanishaden in der Übersetzung von Paul Deussen
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Klassische Schriften des Yoga: Veden, Upanishaden, Smritis, Puranas und Itihasas Jnana Yoga und Vedanta Einführung Vom Begrenzten zum Unendlichen - Geschichten aus den Upanishaden 111 Geschichten aus den Upanishaden