Sanskrit Kurs Lektion 58: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 1. Oktober 2024, 12:30 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Der Partizip Präsens Passiv (1)

Das Sanskrit besitzt eine häufig verwendete Ausdrucksweise, mit der man eine Handlung (Kriya), die in der Gegenwart (Präsens) stattfindet, ausdrücken kann, ohne dabei ein konjugiertes Verb (Akhyata) zu benutzen. Dazu gebraucht man ein sogenanntes Verbaladjektiv bzw. Partizip mit der Bedeutung des Passivs in der passiven Konstruktion (Karmani Prayoga). Dieses Verbaladjektiv heißt Partizip Präsens Passiv.

Bildung

Das Partizip Präsens Passiv bezeichnet einen Vorgang in der Gegenwart, der häufig parallel zu einer anderen Handlung verläuft. Ein solches Partizip erkennt man daran, dass es auf das Suffix (Pratyaya) -māna endet, welches an den Passivstamm der jeweiligen Verbalwurzel (Dhatu) tritt, der seinerseits auf -ya endet:

  • pac (Wurzel der Bhu Klasse) "kochen", Passivstamm pacya- + -māna wird zu pacyamāna "(gerade) gekocht werdend"
  • śru (Wurzel der Su Klasse) "hören", Passivstamm śrūya- + -māna wird zu śrūyamāṇa "(gerade) gehört werdend"
  • kṛ (Wurzel der Tan Klasse) "machen, tun", Passivstamm kriya- + -māna wird zu kriyamāṇa "(gerade) gemacht werdend, getan werdend"

Deklination und Syntax

Das so entstandene Partizip Präsens Passiv folgt bei männlichen und sächlichen Substantiven der Deklination der Nominalstämme auf -a (wie Ashva bzw. Sattva). Die weiblichen Formen folgen der Deklination auf ā (wie Kanya).

Das Partizip Präsens Passiv nimmt wie ein Adjektiv (Visheshana) Fall (Kasus), Zahl (Numerus) und Geschlecht (Genus) des Substantivs an, auf das es sich bezieht.

In der deutschen Übersetzung gibt man eine solche passivische Ausdrucksweise des Sanskrit häufig in aktiver Konstruktion (Kartari Prayoga) wieder, da diese für das Deutsche typisch bzw. "idiomatisch" ist.


Übung 1

  • Devanagari: भिक्षुः पच्यमानस्य सूपस्य गन्धं जिघ्रति |
  • wissenschaftliche Transliteration: bhikṣuḥ pacyamānasya sūpasya gandhaṃ jighrati |
  • vereinfachte Transkription: bhikshuh pachyamanasya supasya gandham jighrati |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Der Bettelmönch (Bhikshu, Nom. Sg. m.) der gekocht werdenden (pacyamāna, Gen. Sg. m.) Suppe (Supa, Gen. Sg. m.) den Duft (Gandha, Akk. Sg. m.) riecht (ghrā, Verb), d.h. "Der Bettelmönch riecht den Duft der Suppe, die gerade gekocht wird."

Erläuterungen

  • Der Nominativ (Prathama) bhikṣuḥ ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung jighrati.
  • Der Genitiv (Shashthi) pacyamānasya ist das von der Wurzel pac "kochen" abgeleitete Partizip Präsens Passiv. Es bezieht sich auf das Substantiv sūpasya und steht daher ebenfalls im Genitiv Singular Maskulinum.
  • Der Genitiv sūpasya bezieht sich auf den Akkusativ gandham.
  • Der Akkusativ (Dvitiya) gandham ist das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung jighrati.


Übung 2

  • Devanagari: स श्रूयमाणे महति शब्दे सूपं तत्क्षणं विस्मरति |
  • wissenschaftliche Transliteration: sa śrūyamāṇe mahati śabde sūpaṃ tatkṣaṇaṃ vismarati |
  • vereinfachte Transkription: sa shruyamane mahati shabde supam tatkshanam vismarati |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Er (Tad, Nom. Sg. m.) bei einem gehört werdenden (śrūyamāṇa, Lok. Sg. m.) lauten (Mahat, Lok. Sg. m.) Geräusch (Shabda, Lok. Sg. m.) die Suppe (Supa, Akk. Sg. m.) im selben Augenblick (Tatkshana, Akk. Sg. n.) vergisst (vi + smṛ, Verb), d.h. "Als er ein lautes Geräusch hört, vergisst er die Suppe augenblicklich."

Erläuterungen

  • Syntax: Die drei Lokative (Saptami) (śrūyamāṇe mahati śabde) bilden zusammen einen absoluten Lokativ, der die Voraussetzung für die nachfolgende Aussage beschreibt. Dieser besteht aus einem Substantiv (śabde, das hier noch durch ein Adjektiv erweitert wurde) und einem Partizip Präsens Passiv (śrūyamāṇe). In der deutschen Übersetzung wird ein solcher absoluter Lokativ häufig mit "als" eingeleitet.
  • Der Nominativ saḥ "er" des Demonstrativpronomens Tad bezieht sich auf den Nominativ bhikṣu aus dem vorangehenden Satz (Übung 1) und ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung vismarati.
  • Das Partizip Präsens Passiv śrūyamāṇe ist von der Wurzel śru "hören" abgeleitet und bezieht sich auf das Substantiv śabde, weshalb es gleichfalls im Lokativ Singular Maskulinum steht.
  • Das Adjektiv (Visheshana) mahati ist eine nähere Bestimmung zu śabde und steht daher ebenfalls im Lokativ Singular Maskulinum.
  • Der Lokativ śabde ist innerhalb des absoluten Lokativs das logische Objekt (Karman) der als Partizip Präsens Passiv ausgedrückten Verbalhandlung śrūyamāṇe ("gehört werdend").
  • Der Akkusativ sūpam ist das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung vismarati.
  • Das Adverb tat-kṣaṇam (tad Tad + kṣaṇa Kshana) "im selben Augenblick" ist ein Kompositum (Samasa) und als Umstandsbestimmung der Zeit eine nähere Bestimmung zum Verb vismarati. Adverbiell verwendete Komposita werden als Avyayibhava bezeichnet.
  • Die Verbform vismarati ("er vergisst") ist die 3. Person Singular Aktiv (Parasmaipada) der Gegenwart der Verbalwurzel smṛ "erinnern" (1. bzw. Bhu Klasse), die in Verbindung mit dem Verbalpräfix (Upasarga) vi "vergessen" bedeutet.
  • Sandhi: Der Visarga () in saḥ ("dieser, der, er") fällt vor allen Konsonanten (Vyanjana) aus (Ausnahmeregel). Das r in śrūyamāṇe bewirkt, dass das dentale n der Partizipialendung -māna zu zerebralem , d.h. zerebralisiert wird. Die Endung -m von sūpam und tatkṣaṇam geht vor folgendem Konsonanten in Anusvara () über, welcher vereinfachend wie m ausgesprochen wird.


Übung 3

  • Devanagari: तस्योपरि महावृक्षे द्वाभ्यां क्रुद्धाभ्यां वानराभ्यां क्रियमाणं युद्धं पश्यति |
  • wissenschaftliche Transliteration: tasyopari mahāvṛkṣe dvābhyāṃ kruddhābhyāṃ vānarābhyāṃ kriyamāṇaṃ yuddhaṃ paśyati |
  • vereinfachte Transkription: tasyopari mahavrikshe dvabhyam kruddhabhyam vanarabhyam kriyamanam yuddham pashyati |
  • Wort-für-Wort-Übersetzung: Ihm (Tad, Gen. Sg. m.) über (Upari, indekl.) in einem großen Baum (Mahavriksha, Lok. Sg. m.) von zwei (Dvi, Instr. Du. m.) wütenden (Kruddha, Instr. Du. m.) Affen (Vanara, Instr. Du. m.) gemacht werdenden (kriyamāṇa, Akk. Sg. n.) einen Kampf (Yuddha, Akk. Sg. n.) er sieht (paś, Verb), d.h. "In einem großen Baum über sich sieht er einen Kampf, der von zwei wütenden Affen ausgetragen wird."

Erläuterungen

  • Der Genitiv tasya "ihm" des Demonstrativpronomens Tad bezieht sich auf den Nominativ sa aus dem vorangehenden Satz (Übung 2) und steht in syntaktischem Zusammenhang mit der darauf folgenden Präposition upari.
  • Die Präposition (Upasarga) upari "über" wird mit dem Genitiv konstruiert und steht hinter dem Wort, auf das sie sich bezieht (tasya): tasyopari "über ihm".
  • Der Zahlwort dvābhyām "von zwei" bezieht sich auf das Substantiv vānarābhyām und steht daher ebenfalls im Instrumental Dual Maskulinum. Die Zahl zwei (Dvi) wird im Sanskrit wie ein Adjektiv nach Fall, Zahl und Geschlecht des Substantivs, auf das es sich bezieht, dekliniert.
  • Das Adjektiv kruddhābhyām bezieht sich ebenfalls auf das Substantiv vānarābhyām und steht daher gleichfalls im Instrumental Dual Maskulinum. Das Partizip Präteritum Passiv kruddha ist von der Wurzel krudh "zornig sein" abgeleitet.
  • Das Partizip Präsens Passiv kriyamāṇe ist von der Wurzel kṛ "machen, tun" abgeleitet und bezieht sich auf das Substantiv yuddham, weshalb es gleichfalls im Akkusativ Singular Neutrum steht.
  • Der Akkusativ yuddham ist das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung paśyati.
  • Die Verbform paśyati ("er sieht") ist die 3. Person Singular Aktiv (Parasmaipada) der Gegenwart der Verbalwurzel paś "sehen" (4. bzw. Div Klasse), die im Präsens anstelle der Wurzel [[[drish|dṛś]] "sehen" gebraucht wird.
  • Sandhi: Das auslautende -a von tasya verschmilzt mit dem anlautenden u- von upari zu o. Die Endung -m von dvābhyām bis yuddham geht vor folgendem Konsonanten in Anusvara () über, welcher vereinfachend wie m ausgesprochen wird. Das r in kriyamāṇe bewirkt, dass das dentale n der Partizipialendung -māna zu zerebralem , d.h. zerebralisiert wird.


Fragen und Feedback

Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.

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Die HATHA YOGA PRADIPIKA ist wohl der bekannteste und beliebteste Text zur Praxis und Philosophie des Hatha Yoga. In vier Kapiteln …
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