Sanskrit Kurs Lektion 81
Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.
Konsonantische Nominalstämme (6)
Die Substantive des Sanskrit können in vokalische (auf Vokal endende) und konsonantische (auf Konsonant endende) Stämme bzw. Nominalstämme (Pratipadika) eingeteilt werden. In Lektion 80 haben wir die acht Fälle des Singulars und Plurals der konsonantisch auslautenden Stämme auf -at betrachtet. Nun folgt eine Übersicht der konsonantischen Stämme auf -mat.
Konsonantische Nominalstämme auf -mat
Die konsonantischen Stämme auf -mat sind Adjektive, die in der Regel von Substantiven abgleitet werden, die auf einen anderen Vokal als -a oder -ā auslauten. Das Suffix (Pratyaya) -mat hat die Grundbedeutung "habend, besitzend, versehen mit":
- dhī-mat (Dhimat) "mit Einsicht begabt, klug, weise" von dhī (Dhi "Einsicht, Erkenntnis, Verstand") + Suffix -mat
Femininum
Zu allen Substantiven und Adjektiven auf -mat kann regelmäßig eine weibliche Form gebildet werden, indem an das Suffix -mat ein langes -ī gefügt wird:
- dhī-mat (adj. n.) "klug" > dhī-matī (Dhimati f.) "die Kluge"
- madhu-mat (adj. n.) "süß, lieblich" > madhu-matī (Madhumati f.) "die Süße, die Liebliche"
Diese Formen folgen der vokalischen Deklination der auf -ī endenden weiblichen abgeleiteten Substantive (vgl. Lektion 78).
Übersicht 1: häufige abgeleitete Adjektive auf -mat
Devanagari | Transliteration | siehe | Bedeutung | abgeleitet von | siehe | Bedeutung |
---|---|---|---|---|---|---|
धीमत् | dhī-mat | Dhimat | klug, weise | dhī | Dhi | Einsicht, Erkenntnis |
बुद्धिमत् | buddhi-mat | Buddhimat | klug, verständig | buddhi | Buddhi | Einsicht, Verstand |
शुद्धिमत् | śuddhi-mat | Shuddhimat | rein, unschuldig | śuddhi | Shuddhi | Reinheit, das Reinwerden |
श्रीमत् | śrī-mat | Shrimat | schön, reich, Glück bringend | śrī | Shri | Schönheit, Glück, Reichtum |
ह्रीमत् | hrī-mat | Hrimat | verlegen, schamhaft | hrī | Hri | Scham, Verlegenheit |
मधुमत् | madhu-mat | Madhumat | süß, lieblich | madhu | Madhu | Honig, Süßigkeit |
हनुमत् | hanu-mat | Hanumat | starke Kinnbacken habend; der Affengott Hanuman | hanu | Hanu | Kinnbacke |
पशुमत् | paśu-mat | Pashumat | viehreich, herdenreich | paśu | Pashu | Vieh, Haustier |
गोमत् | go-mat | Gomat | reich an Kühen, Rindern | go | Go | Kuh, Rind, Stier |
Übersicht 2: Die Formen der auf das Suffix -mat endenden Adjektive (Maskulinum)
Nachfolgende Übersicht enthält die männlichen Formen des Adjektivs dhī-mat ("mit Einsicht begabt, klug, weise" Dhimat) in der Einzahl (Singular, Ekavachana) und in der Mehrzahl (Plural, Bahuvachana). Diesem Deklinationstyp folgen alle Nominalstämme auf -mat, -vat und -at (letztere bilden den Nom. Sg. m. mit kurzem a: san "der Gute", vgl. Lektion 80).
Fall (Kasus) | Sanskritname | Frage | Singular | Übersetzung | Plural | Übersetzung |
---|---|---|---|---|---|---|
1. Nominativ | Prathama | Wer? | dhīmān | der Kluge | dhīmantaḥ | die Klugen |
2. Akkusativ | Dvitiya | Wen? Zu wem? | dhīmantam | den Klugen | dhīmataḥ | die Klugen |
3. Instrumental | Tritiya | Mit wem? | dhīmatā | mit dem Klugen | dhīmadbhiḥ | mit den Klugen |
4. Dativ | Chaturthi | Wem? Für wen? | dhīmate | dem Klugen | dhīmadbhyaḥ | den Klugen |
5. Ablativ | Panchami | Von wem? | dhīmataḥ | von dem Klugen (her) | dhīmadbhyaḥ | von den Klugen (her) |
6. Genitiv | Shashthi | Wessen? | dhīmataḥ | des Klugen | dhīmatām | der Klugen |
7. Lokativ | Saptami | Wo? Bei wem? | dhīmati | bei dem Klugen | dhīmatsu | bei den Klugen |
8. Vokativ | Sambodhana | Rufform (oh ..., he ...!) | dhīman | (du) Kluger! | dhīmantaḥ | ihr Klugen! |
Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika
Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem ersten Kapitel (Upadesha), das der Asana-Praxis gewidmet ist. Der 49. Vers steht im Kontext von Padmasana.
- इदं पद्मासनं प्रोक्तं सर्वव्याधिविनाशनम् |
- दुर्लभं येन केनापि धीमता लभ्यते भुवि || १.४९ ||
- wissenschaftliche Transliteration:
- idaṃ padmāsanaṃ proktaṃ sarva-vyādhi-vināśanam |
- durlabhaṃ yena kenāpi dhīmatā labhyate bhuvi || 1.49 ||
- vereinfachte Transkription:
- idam padmasanam proktam sarva-vyadhi-vinashanam |
- durlabham yena kenapi dhimata labhyate bhuvi || 1.49 ||
- Wort-für-Wort-Übersetzung:
- idam : das, diese (Sitzposition, Idam, Nom. Sg. n.)
- padmāsanam : Lotussitz (Padmasana, Nom. Sg. n.)
- proktam : wird genannt (Prokta, Nom. Sg. n.)
- sarva-vyādhi-vināśanam : alle (Sarva) Krankheiten (Vyadhi) vertreibend (Vinashana, Nom. Sg. n.)
- dur-labham : (sie ist) schwer zu erlangen, zu erreichen (Durlabha, Nom. Sg. n.)
- yena kenāpi : durch welchen (gewöhnlichen Menschen) auch immer (Yad, Instr. Sg. m. Ka, Instr. Sg. m. Api, Partikel)
- dhīmatā : (nur) von einem Weisen, Verständigen (Dhimat, Instr. Sg. m.)
- labhyate : (sie) wird erlangt (labh, Verb)
- bhuvi : auf Erden (Bhu, Lok. Sg. f.)
- Übersetzung:
- Dies wird Lotussitz genannt, der alle Krankheiten vertreibt.
- Er ist von gewöhnlichen Menschen kaum zu erreichen, nur von einem Verständigen wird er auf Erden erlangt.
Erläuterungen
- Das Demonstrativpronomen idam ("das, dieses") bezieht sich auf das Substantiv padmāsanam und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Neutrum.
- Der Nominativ (Prathama) padmāsanam "Lotus-Sitz" ist ein Kompositum vom Typ Tatpurusha (padma Padma + āsana Asana) und innerhalb der passiven Konstruktion (Karmani Prayoga) das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung labhyate.
- Das Adjektiv (Visheshana) proktam ("wird genannt", Partizip Präteritum Passiv der Wurzel vac mit Präfix pra) ist eine nähere Bestimmung zum Kompositum padmāsanam und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Neutrum.
- Das Kompositum sarva-vyādhi-vināśanam ist ebenfalls ein Tatpurusha und eine nähere Bestimmung zu padmāsanam. Es steht daher gleichfalls im Nominativ Singular Neutrum.
- Das Adjektiv dur-labham ist eine weitere nähere Bestimmung zu padmāsanam und steht daher gleichfalls im Nominativ Singular Neutrum.
- Das Relativpronomen yena "von welchem" bezieht sich auf das Interrogativpronomen kena und steht daher gleichfalls im Instrumental Singular Maskulinum.
- Das Interrogativpronomen kena wird in Verbindung mit der Partikel (Nipata) api zum Indefinitpronomen kenāpi "(irgend) jemand". Die Verbindung yena kenāpi "durch wen auch immer" bedeutet hier soviel wie "von irgendeinem gewöhnlichen (Menschen)" und bezieht sich als logisches Subjekt (Agens, Kartri) auf das im Sinne eines Gerundivums stehende Adjektiv dur-labham "ist schwer zu erreichen".
- Der Instrumental (Tritiya) dhīmatā ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung labhyate.
- Die Verbform labhyate ist die 3. Person Singular Passiv der Gegenwart der Verbalwurzel (Dhatu) labh "erhalten, erlangen".
- Der Lokativ (Saptami) bhuvi bezeichnet den Ort der Handlung (Adhikarana).
- Sandhi: Die Endung m von idam, padmāsanam, proktam und durlabham geht vor folgendem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara (ṃ) über, welcher wie m ausgesprochen wird. Gleichlautende Vokale verschmelzen innerhalb von Komposita sowie am Wortende und -anfang zu einem langen Vokal: a + ā/a wird zu ā in padmāsanam (padma + āsanam) und kenāpi (kena + api).
Metrische Analyse des 3. und 4. Pada
Betrachten wir das dritte (Tritiya) und vierte (Chaturtha) Versviertel (Pada) dieses Shloka noch einmal hinsichtlich der Längen (Dirgha) und Kürzen (Hrasva) der einzelnen Silben (Akshara). Lange Silben enden auf langen Vokal, oder auf einen kurzen Vokal (Svara), der von zwei Konsonanten (Vyanjana) gefolgt wird (inklusive Anusvara und Visarga). Dies nennt man Positionslänge*. Kurze Silben enden auf kurzen Vokal:
Silbe | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
Devanagari | दु | र्ल | भं | ये | न | के | ना | पि | धी | म | ता | ल | भ्य | ते | भु | वि |
Transliteration | du | rla | bhaṃ | ye | na | ke | nā | pi | dhī | ma | tā | la | bhya | te | bhu | vi |
Silbenlänge | lang* | kurz | lang | lang | kurz | lang | lang | lang | lang | kurz | lang | lang* | kurz | lang | kurz | lang |
Symbol | – | υ | – | – | υ | – | – | × | – | υ | – | – | υ | – | υ | × |
Hinweise zur Aussprache: Alle acht Silben jedes Pada werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause (Yati) eingehalten, so dass die letzte Silbe eines Pada stets als lang gilt, unabhängig von ihrer tatsächlichen Kürze oder Länge (× "Anceps"). Die Positionslänge der 1. Silbe (Pada 3) bzw. der 4. Silbe (Pada 4) ergibt sich durch die Aufteilung in dur-la bzw. labh-ya.
Fragen und Feedback
Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.
Weblinks
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Siehe auch
- Sanskrit Kurs Lektion 1
- Sanskrit Kurs Lektion 2
- Sanskrit Kurs Lektion 3
- Sanskrit Kurs Lektion 4
- Sanskrit Kurs Lektion 5
- Sanskrit Kurs Lektion 6
- Sanskrit Kurs Lektion 7
- Sanskrit Kurs Lektion 8
- Sanskrit Kurs Lektion 9
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