Sanskrit Grammatik

Aus Yogawiki
Ganesha

Die Sanskrit Grammatik (Vyakarana) gehört zu den sechs Hilfswissenschaften (Vedanga) des Veda. Das Studium der Grammatik des Sanskrit genießt seit vedischer Zeit (d.h. seit mindestens 3000 Jahren) in Indien höchstes Ansehen und gilt als eine Grundvoraussetzung, sich in den verschiedenen Wissenszweigen (Shastra) erfolgreich zu beschäftigen. Somit sind gründliche Kenntnisse der Regeln der Sanskrit Grammatik inklusive der Syntax (Anvaya) und Wortbildung, der Phonetik (Shiksha), Etymologie (Nirukta) und nicht zuletzt der Metrik (Chhandas) für einen Gelehrten (Pandit) oder Dichter (Kavi) unverzichtbares Grundrüstzeug.

Auch in unserer Zeit ist für eine tiefergehende Beschäftigung mit Sanskrittexten, und seien es nur einige Mantras, ein gewisses Grundverständinis der Grammatik des Sanskrit durchaus von Vorteil - gleichwohl eine vollkommene Meisterung des Studiums dieser Wissenschaft nach traditioneller Ansicht zwölf Jahre dauert. Dieser Artikel gibt einen kleinen Einblick in die Grammatik des Sanskrit. Für ein systematischeres Eindringen in diese Thematik empfiehlt sich der fortlaufende Sanskrit Kurs, der anhand kurzer Lektionen und Beispielätze in die Sanskritgrammatik einführt.


Historische Bedeutung der Sanskrit Grammatik

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Die Sanskrit-Grammatiker entwickelten eine analytische Einsicht in die lexikalische und syntaktische Struktur ihrer eigenen Sprache, die weltweit ihresgleichen sucht. Sie fanden heraus, das sich eine große Zahl von Wörtern auf sogenannte Wurzeln (Dhatu) zurückführen lassen, und erforschten die Regeln (und entsprechende Ausnahmen), mit denen man von einer solchen Wurzel Ableitungen bilden kann, so dass man über mehrere Schritte zum "fertigen Wort" kommt. Damit nahmen sie bereits vor über 2500 Jahren in gewisser Weise die "generative Grammatik" (engl.: generative grammar) vorweg, die erst in den fünziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde, um die rechnergestützte Programmierbarkeit von Sprache, vor allem mit dem Ziel der Entwicklung von "Übersetzungsmaschinen", zu erforschen.

Die Erkenntnisse der Sanskrit-Grammatiker wurden auch von der sich entwickelnden vergleichenden Sprachwissenschaft (Indogermanistik) ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts benutzt und weiterentwickelt, um die Verwandschaften der Sprachen Latein, Altgriechisch und Sanskrit sowie später aller indo-europäischen Sprachen zu erforschen, zu denen auch das Deutsche, das Englische oder das Hindi zählen.

Wichtige Sanskritgrammatiker

Indische Briefmarke mit dem großen Sanskrit Grammatiker Panini, der um 500 v. Chr. lebte

Die größte altindische Autorität der Sanskrit Grammatik des Sanskrit ist Panini (ca. 5. oder 4. Jhd. vor Chr.), der die im Sutrastil gehaltene Ashtadhyayi verfasste. Er verweist bereits auf ältere Grammatiker, deren Lehren er in sein Werk integriert hat. Ein gewisser Katyayani verfasste einige Zeit später wichtige Erläuterungen und Ergänzungen (Varttikas) zu Paninis Werk. Diese werden im sogenannten Mahabhashya, dem "großen Kommentar" eines Grammatikers namens Patanjali überliefert. Letzterer gilt zwar in Indien als identisch mit dem Verfasser des Yogasutra, vermutlich handelt es sich aber doch um zwei verschiedene historische Personen.

Sanskrit als flektierende Sprache

Das Sanskrit gehört wie das Lateinische, Altgriechische und Deutsche zu den sogenannten flektierenden Sprachen, d.h. es zeichnet sich durch eine große Formenfülle an Endungen aus. Diese treten beim Substantiv (Nomen, Naman) als Nominalendungen (Deklination) und beim Verb (Akhyata) als Verbalendungen (Konjugation) an die jeweiligen Wortstämme an.

Sucht man ein Sanskritwort im Wörterbuch, findet man demzufolge den Wortstamm (wenn es sich um ein Substantiv oder Adjektiv handelt) oder eine sogenannten Verbalwurzel (Dhatu, wenn es sich um ein Verb handelt). Grundkenntnisse in der Sanskrit Grammatik ermöglichen es, den entsprechenden Wortstamm oder die Verbalwurzel zu identifizieren und anhand der entsprechenden Endungen Rückschlüsse auf Person, Zahl (Numerus), Fall (Kasus) und Geschlecht (Genus) des Wortes zu ziehen. All dies braucht man, um einen einfachen Satz aus dem Sanskrit ins Deutsche übersetzen zu können.

Wortarten

In der Sanskritgrammatik werden traditionell die folgenden vier Wortarten unterschieden:

  • Naman: "Nomen", Substantiv: hierzu zählen alle Wörter, an die Nominalendungen treten, also auch Adjektive (Visheshana)
  • Akhyata: "Verb, Zeitwort": Wörter, an die Verbalendungen (Vibhakti) bzw. entsprechende Suffixe (Pratyaya) treten
  • Upasarga: "Präposition" sowie Nominal- und Verbalpräfix
  • Nipata: "Partikel"

Kasus (Fall)

Auch das Deutsche gehört zu den flektierenen Sprachen, was u.a. an den unterschiedlichen Nominaldeklinationen der vier Fälle (Kasus) ersichtlich ist, z. B.: der Mann (Nominativ), des Mannes (Genitiv), dem Mann(e Dativ), den Mann (Akkusativ). Das Sanskrit verfügt im Gegensatz zum Deutschen jedoch über acht Fälle, die in der altindischen Sanskrit Grammatik (Vyakarana) wie folgt angeordnet sind:

  • 1. Fall: Nominativ (Prathama, skt.: prathamā, d.h. "die Erste Vibhakti = Kasusendung)")

Der Nominativ antwortet auf die Frage Wer? z.B.: rājā "ein König"

  • 2. Fall: Akkusativ (Dvitiya, skt.: dvitīyā, d.h. "die Zweite")

Der Akkusativ antwortet auf die Frage Wen? oder Wohin? z.B.: vanaṃ "in den Wald"

  • 3. Fall: Instrumental (Tritiya, skt.: tṛtīyā, d.h. "die Dritte")

Der Instrumental antwortet auf die Frage Durch wen? oder Womit? z.B.: aśva-hasti-ratha-bhṛtyaiḥ "mit Pferden, Elefanten, Wagen und Dienern"

  • 4. Fall: Dativ (Chaturthi, skt.: caturthī, d.h. "die Vierte")

Der Dativ antwortet auf die Frage Wem? oder Wofür? z.B.: rājñyai "für die Königin"

  • 5. Fall: Ablativ (Panchami, skt.: pañcamī, d.h. "die Fünfte")

Der Ablativ antwortet auf die Frage Woher? oder Warum? z.B.: vanāt "aus dem Wald"

  • 6. Fall: Genitiv (Shashthi, skt.: ṣaṣṭhī, d.h. "die Sechste")

Der Genitiv antwortet auf die Frage Wessen? z.B.: āmra-vṛkṣasya "eines Mangobaumes"

  • 7. Fall: Lokativ (Saptami, skt.: saptamī, d.h. "die Siebente")

Der Lokativ antwortet auf die Frage Wo? oder In welchem Zusammenhang? z.B.: vihāre "im Lustgarten"

  • 8. Fall: Vokativ (Sambodhana, skt.: sambhodhana, d.h. "der Anrufefall")

Der Vokativ wird benutzt, um jemanden zu rufen oder anzusprechen, z. B.: he rājñi "oh Königin"

Beispielsätze

Die folgende kleine Geschichte illustriert den Gebrauch der Fälle (Kasus) im Sanskrit:

rājā (Nom.) vanam (Akk.) aśva-hasti-ratha-bhṛtyaiḥ (Instr.) gacchati. rājñyai (Dat.) vanāt (Abl.) phalāny (Akk.) āmra-vṛkṣasya (Gen.) samāharati. vihāre (Lok.) sva-bhāryāṃ (Akk.) bravīti: he rājñi (Vok.), tubhyam (Dat.) etāny (Akk.) āmra-phalāni (Akk.) dadāmi.

Ein König (rājā Nom.) geht in den Wald (vanam Akk.) mit Pferden, Elefanten, Wagen und Dienern (aśva-hasti-ratha-bhṛtyaiḥ Instr.). Der Königin (rājñyai Dat.) bringt er aus dem Wald (vanāt Abl.) Früchte (phalāny Akk.) eines Mangobaumes (āmra-vṛkṣasya Gen.) mit. Im Lustgarten (vihāre Lok.) sagt er zu seiner Gattin (sva-bhāryāṃ Akk.): Oh Königin (he rājñi Vok.), ich schenke dir (tubhyam Dat.) diese (etāny Akk.) Mangofrüchte (āmra-phalāni Akk.)!


Mehr zu den acht Fällen des Sanskrit erfährst Du hier.

Genus (Geschlecht)

Ein weiteres Merkmal des Sanskrit als flektierender Sprache ist, dass es (wie das Deutsche auch) über drei grammatische Geschlechter (Genera) verfügt: männlich (Maskulinum, m.), weiblich (Femininum f.), sächlich (Neutrum n.). Dabei stimmt das grammatische Geschlecht nicht unbedingt mit dem natürlichen Geschlecht überein (vgl. dt. das Weib, das Kind). In manchen Fällen ist das Genus an der Art der Endung des Wortstammes zu erkennen, jedoch nicht immer, z.B.:

kavi (m.) "der Dichter"; śakti (f.) "die Energie"; vāri (n.) "das Wasser"


Substantive, die auf die Langvokale ā, ī und ū enden, sind in der Regel weiblichen Geschlechts:

sabhā (f.) "die Versammlungshalle"; devī (f.) "die Göttin"; bhū (f.) "die Erde"

Numerus (Zahl)

Das Sanskrit verfügt zudem über drei Numeri (grammatische Zahl, Sankhya), wobei sich zur auch im Deutschen bekannten Einzahl (Singular, Ekavachana) und Mehrzahl (Plural, Bahuvachana) noch der Dual ("Zweizahl", Dvivachana) gesellt, dessen Endungen immer zwei Personen oder Dinge bezeichnen:

puruṣa (Nom. Sg.) "ein Mann"; puruṣau (Nom. Dual) "zwei Männer"; puruṣāḥ (Nom. Pl.) "Männer" (d.h. mindestens drei)

Der Dual wird naturgemäß gern für paarige Körperteile verwendet:

hastau (Nom. Dual) "zwei Hände"; pādau (Nom. Dual) "zwei Füße"; karṇau (Nom. Dual) "zwei Ohren"

Verb

Beim Verb (Kriya, Akhyata) wird der Formenreichtum des Sanskrit noch deutlicher (im vedischen mehr als im klassischen Sankrit). Die Verbalendungen (Vibhakti) geben in Verbindung mit den entsprechenden Verbalstämmen genaue Auskunft über Person, Zahl, Genus verbi (d.h. Aktiv, Passiv bzw. Medium oder Mediopassiv, d.h. Reflexiv), den Modus (wie Indikativ, Optativ, Imperativ) sowie über die entsprechende Zeitform (Tempus). Hierbei wird das Verb nach den in Paninis Ashtadhyayi formulierten Regeln von einer Verbalwurzel (Dhatu) abgeleitet, von der zunächst ein Verbalstamm gebildet wird, an den die entsprechenden Flektionsendungen treten. Dabei erfährt der Stamm maßgebliche Veränderungen durch Bildungsmechanismen wie Ablaut (i wird bspw. zu e oder ai) oder Redublikation (die Verdoppelung eines Teils der Verbalwurzel). Die altindische Sanskrit Grammatik (Vyakarana) teilt die Verben bzw. Verbalwurzeln des Sanskrit in zehn Klassen ein, die im sogenannten Dhatupatha aufgelistet sind.

Von den meisten Verben existieren somit für eine bestimmte Zeitform und einen Modus 18 verschiedene Formen, die teilweise allerdings zusammenfallen: 1., 2. u. 3. Person Singular, Dual und Plural für das Aktiv (insgesamt 9 Formen) und weitere 9 Formen für das Medium. So wird bspw. von der Wurzel bhū "sein, werden" im Präsens (Gegenwart) der Stamm bhava- gebildet, an den die entsprechenden Personalendungen antreten: bhavāmi "ich bin"; bhavasi "du bist"; bhavati "er, sie, es ist" usw.

Hier noch einige Beispiele für verschiedene Zeitformen und Modi, die ebenfalls von der Wurzel bhū abgeleitet sind: abhavam "ich war, wurde" (Imperfekt); babhūva "ich bin geworden" (Perfekt); bhaviṣyāmi "ich werde sein" (Futur); bhaveyam "ich möge sein" (Optativ, d.h. Möglichkeitsform).

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Pranayama

Siehe auch

Literatur zum Thema Sanskrit und Sanskrit Grammatik

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