Johann Wolfgang von Goethe
Johann Wolfgang von Goethe geboren 1749, gestorben 1832 gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dichter, vielleicht war es sogar der bedeutendste Dichter. Goethe hatte Interesse an verschiedenen spirituellen und philosophischen Strömungen, einschließlich solcher, die aus Indien kamen. Seine Werke spiegeln eine universelle Suche nach Wissen, Sinn und spiritueller Erfüllung wider, die in vielen Kulturen verankert ist.
Johann Wolfgang von Goethe
Johann Wolfgang von Goethe wird bis heute gerne zitiert. Goethes Leben hatte einen unstillbaren Hunger nach Wissen. Er hat sich immer wieder neu verliebt. Man könnte sagen, dass Liebe und Wissen die beiden Hauptmotivationen von Johann Wolfgang von Goethe waren.
Die Zeit, in der Goethe lebte, war von der Romantik geprägt, einer Epoche, die von einer intensiven Suche nach Spiritualität, Individualismus und dem Exotischen gekennzeichnet war. Indien wurde in dieser Zeit als eine faszinierende und spirituell reiche Kultur betrachtet.
Johann Wolfgang von Goethe wurde auch ein Freund von Schiller. Sie beeinflussten sich beide. Johann Wolfgang von Goethe war auch ein spiritueller Mensch. Seine Suche nach Wissen, seine Suche nach Liebe hat ihn auch immer wieder überlegen lassen, streben lassen nach höherer Erkenntnis und nach einem tieferen Sinn im Leben.
Johann Wolfgang von Goethe war auch jemand, der sich immer wieder mit der indischen Welt auseinandergesetzt hat. Es gibt zum Beispiel ein Gedicht von ihm: In Indien möchte ich selber leben. Er spricht von der Urschildkröte und Weltensumpf. Er spricht über Vishnu, Karma, Brahma, Shiva, Hanuman. Auf einer Seite war er fasziniert vom indischen Gedankengut, auf der anderen Seite war er aber auch abgestoßen.
Johann Wolfgang von Goethe hat sich in jedem Fall auseinandergesetzt mit indischen Gedanken. Er kannte indische Literatur. Er kannte die Bhagavad Gita und höchstwahrscheinlich die Upanischaden. Er hatte sich mit indischer Mythologie auseinandergesetzt und ließ sich zu einigem auch inspirieren. Aber er war auch äußerst kritisch gegenüber indischem Gedankengut. Viele Aussprüche von Johann Wolfgang von Goethe haben auch eine Ähnlichkeit zu indischem Gedankengut. Zum Beispiel gibt es den Ausdruck vom Wahren, Guten, Schönen, was man zum Beispiel auf der alten Oper in Frankfurt geschrieben findet und was sich auf ein Ideal von Johann Wolfgang von Goethe bezieht. Dem Wahren, Schönen, Guten ist auch eine Übersetzung von Satyam, Shivam, Sundaram. Satyam heißt wahr, Shivam heißt gut und Sundaram heißt schön. Wahr, schön und gut gilt als die drei Attribute von Gott. Und das sind die drei Möglichkeiten, wie man auch Gott im Alltag erfahren kann. Im Guten, im Schönen wie auch im Wahren.
In Goethes wohl bekanntem Werk "Faust" sehen einige Interpreten eine Parallele zu spirituellen Suchen und der Idee der Selbsterkenntnis, die auch in östlichen philosophischen Traditionen betont wird. Fausts Streben nach Wissen und Sinn spiegelt möglicherweise universale Themen wider.
Video - Johann Wolfgang von Goethe
Hier findest du einen Videovortrag zum Thema Johann Wolfgang von Goethe:
Einige Infos zum Thema Johann Wolfgang von Goethe in dieser Kurzabhandlung. Der Yogalehrer und spirituelle Lehrer Sukadev Bretz interpretiert hier das Wort bzw. den Ausdruck Johann Wolfgang von Goethe vom Standpunkt der Yoga Philosophie aus.
Zwischen Himmel und Erde - Goethes indische Legende
- Ein Beitrag aus dem Yoga Vidya Journal Nr. 39, II/2019 von Wolfgang Seemann -
Goethe war, wie viele Dichter und Denker seiner Zeit, auch von fernöstlichem, besonders indischem Gedanken- und Kulturgut fasziniert und inspiriert.
Das Thema „Zwischen Himmel und Erde“ hat Goethes Denken und literarisches Schaffen beherrscht wie kein anderes. Goethe bezieht alle menschliche Existenz auf diese Dualität. So heißt es in der ersten Strophe des Gedichtes „Gesang der Geister über den Wassern“:
Der Gott und die Bajadere
Des Menschen Seele Gleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel steigt es, Und wieder nieder Zur Erde muss es, ewig wechselnd.
Diese Zeilen entstanden auf Goethes zweiter Schweizreise im Jahre 1779, Goethe war 30 Jahre alt und nach seinem Welterfolg Die Leiden des jungen Werther (1774) der wohl berühmteste deutsche Dichter seiner Zeit. Geboren 1749 in Frankfurt am Main als Sohn einer wohlhabenden Familie lebte Johann Wolfgang von Goethe im Postkutschenzeitalter. Seine weiteste Reise führte ihn nach Italien, Indien kannte er nur aus Büchern.
Eines dieser Bücher, von dem man weiß, dass Goethe es gelesen hat, war das Buch von Pierre Sonnerat: Reise nach Ostindien und China, auf Befehl des Königs, unternommen vom Jahre 1774 bis 1781. Das Buch wurde vom Französischen ins Deutsche übersetzt, erschien 1783 und diente Goethe als Quelle für seine 15 Jahre später erschienene indische Legende (1798) „Der Gott und die Bajadere“, eine Art erzählendes Gedicht, von Germanisten auch als Ballade bezeichnet. Im deutschen Sprachgebrauch ist das Wort Bajadere unbekannt. Pierre Sonnerat schreibt dazu in seinem Buch: Surat (Stadt in Nordindien) ist wegen seiner Tänzerinnen bekannt, welche in der Landessprache Devadasi heißen, von den Europäern aber Bayaderen genannt werden, welches aus dem portugiesischen Balladeiras, Tänzerinnen, stammt. Diese Mädchen widmen sich ganz dem Dienste der Götter, daher sie auch in den Prozessionen vor den Bildern derselben tanzen und singen.
Goethes Gedicht bezieht auch eine Stelle aus dem Buch von Sonnerat mit ein. Es ist die Beschreibung der rituellen Witwenverbrennung, in Indien als Sati bezeichnet. Frauen, die gemeinsam mit der Leiche ihres Ehemannes bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen verbrannten, wurden in hohen Ehren gehalten und teilweise göttlich verehrt.
Mahadev und die Bajadere
Vom Himmel zur Erde und von der Erde wieder zum Himmel, das ist der Bewegungsablauf in Goethes Ballade „ Der Gott und die Bajadere“. Mahadev, von Goethe etwas eigenwillig zu Mahadöh verfremdet, der „große Gott“ also, ein Beiname von Shiva, inkarniert zum sechsten Male auf der Erde:
„Mahadöh“, der Herr der Erde, kommt herab zum sechsten Male… Sein Weg führt ihn in „der Liebe Haus“ zu einer Bajadere. Als der Mensch gewordene Gott nach einer Liebesnacht mit ihr stirbt, soll seine Leiche verbrannt werden. Die Tänzerin, die voller Verzweiflung den Tod ihres Geliebten beweint, will sich mit ihm verbrennen lassen, was ihr aber von den Priestern, den Brahmanen, verweigert wird mit dem Hinweis auf ihren Status als Prostituierte: Lebst du doch als Bajadere, und so hast du keine Pflicht.
Die Ballade endet damit, dass sich die Tänzerin über alle gesellschaftlichen Konventionen hinweg setzt und sich in die Flammen stürzt. In diesem Augenblick erwacht Mahadev zum Leben: Der Götterjüngling hebet aus der Flamme sich empor, und in seinen Armen schwebet die Geliebte mit empor.
Hier könnte die Ballade zu Ende sein und der Leser die Botschaft mitnehmen, dass die Liebe ein göttliches Geschenk ist und in ihrer Reinheit und Wahrheit zur Erlösung führt. Es folgen aber noch drei Zeilen, die den Leser etwas verwirrt zurücklassen. Von reuigen Sündern und verlorenen Kindern, die von der Gottheit gerettet und erlöst, also zum Himmel empor getragen werden, ist hier plötzlich die Rede. Was hat die Bajadere Sündhaftes getan? Was muss sie bereuen, damit sie erlöst wird?
Es scheint, dass Goethe sich bei diesen letzten drei Zeilen von einem anderen Text hat inspirieren lassen, der von seiner Essenz nicht ganz in den Zusammenhang seiner indischen Legende passt, was auch vielen Germanisten aufgefallen ist, die sich mit dieser Ballade beschäftigt haben. Es handelt sich hierbei um die bekannte Textstelle:
Der Pharisäer und die Sünderin aus dem Lukasevangelium:
Einer der Pharisäer hatte ihn zum Essen eingeladen. Und er ging in das Haus des Pharisäers und begab sich zu Tisch. Und siehe, eine Frau, die in der Stadt lebte, eine Sünderin, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch war. Da kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl und trat von hinten an ihn heran zu seinen Füßen. Dabei weinte sie und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen. Sie trocknete seine Füße mit den Haaren ihres Hauptes, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. Als der Pharisäer das sah, sagte er zu sich selbst: Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, die ihn berührt: dass sie eine Sünderin ist.
Jesus scheint die Gedanken des Pharisäers erraten zu haben, wenn er abschließend sagt:
Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser für die Füße gegeben; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen benetzt und sie mit ihren Haaren abgetrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben, sie aber hat, seit ich hier bin, unaufhörlich meine Füße geküsst. Du hast mir nicht das Haupt mit Öl gesalbt, sie aber hat mit Balsam meine Füße gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihr sind die vielen Sünden vergeben, weil sie geliebt hat.
Text - Der Gott und die Bajadere
- Mahadöh, der Herr der Erde,
- Kommt herab zum sechsten Mal,
- Dass er unsers gleichen werde,
- Mit zu fühlen Freud und Qual
- Er bequemt sich hier zu wohnen,
- Lässt sich alles selbst geschehn,
- Soll er strafen oder schonen,
- Muss er Menschen menschlich sehn.
- Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,
- Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,
- Verlässt er sie abends um weiter zu gehn.
- Als er nun hinausgegangen
- Wo die letzten Häuser sind,
- Sieht er, mit gemalten Wangen,
- Ein verlornes schönes Kind:
- Grüß dich Jungfrau! – dank der Ehre,
- Wart, ich komme gleich hinaus –
- Und wer bist du? – Bajadere!
- Und dies ist der Liebe Haus.
- Sie rührt sich die Zimbeln zum Tanze zu schlagen,
- Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,
- Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß.
- Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,
- Lebhaft ihn ins Haus hinein.
- Schöner Fremdling,
- lampenhelle Soll sogleich die Hütte sein,
- Bist du müd’, ich will dich laben,
- Lindern deiner Füße Schmerz;
- Was du willst das sollst du haben,
- Ruhe, Freuden oder Scherz.
- Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden,
- Der Göttliche lächelt, er siehet, mit Freuden,
- Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.
- Und er fordert Sklavendienste
- Immer heitrer wird sie nur,
- Und des Mädchens frühe Künste
- Werden nach und nach Natur.
- Und so stellet nach der Blüte
- Bald und bald die Frucht sich ein
- Ist Gehorsam im Gemüte
- Wird nicht fern die Liebe sein.
- Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen
- Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
- Lust und Entsetzen und grimmige Pein.
- Und er küsst die bunten Wangen
- Und sie fühlt der Liebe Qual,
- Und das Mädchen steht gefangen,
- Und sie weint zum ersten Mal,
- Sinkt zu seinen Füßen nieder
- Nicht um Wollust noch Gewinnst,
- Ach, und die gelenken Glieder
- Sie versagen allen Dienst.
- Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier,
- Bereiten den dunklen behaglichen Schleier
- Die nächtlichen Stunden das schönste Gespinst.
- Spät entschlummert unter Scherzen,
- Früh erwacht nach kurzer Rast,
- Findet sie an ihrem Herzen
- Tot den viel geliebten Gast,
- Schreiend stürzt sie auf ihn nieder,
- Aber nicht erweckt sie ihn,
- Und man trägt die starren Glieder
- Bald zur Flammengrube hin.
- Sie höret die Priester, die Totengesänge
- Sie raset und rennet und teilet die Menge.
- Wer bist du? Was drängst du zur Grube dich hin?
- Bei der Bahre stürzt sie nieder,
- Ihr Geschrei durchdringt die Luft:
- Meinen Gatten will ich wieder!
- Und ich such ihn in der Gruft.
- Soll zu Asche mir zerfallen
- Dieser Glieder Götterpracht? Mein!
- Er war es, mein vor allen!
- Ach! Nur eine süße Nacht!
- Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,
- Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,
- Wir tragen die Jugend, noch eh sie’s gedacht.
- Höre deiner Priester Lehre:
- Dieser war dein Gatte nicht,
- Lebst du doch als Bajadere,
- Und so hast du keine Pflicht.
- Nur dem Körper folgt der Schatten
- In das stille Totenreich
- Nur die Gattin folgt dem Gatten
- Das ist Pflicht und Ruhm zugleich.
- Ertöne Trommete zu heiliger Klage
- O! nehmet ihr Götter die Zierde der Tage,
- O! nehmet den Jüngling in Flammen zu euch.
- So das Chor, das ohn Erbarmen
- Mehret ihres Herzens Not,
- Und mit ausgestreckten Armen
- Springt sie in den heißen Tod,
- Doch der Götterjüngling hebet
- Aus der Flamme sich empor,
- Und in seinen Armen schwebet
- Die Geliebte mit hervor.
- Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder,
- Unsterbliche heben verlorene Kinder
- Mit feurigen Armen zum Himmel empor.
Goethe - Tatkraft und Energie eines großen Dichters
- Ein Artikel aus dem Yoga Vidya Journal Nr. 42 Frühjahr 2021 von Wolfgang Seemann -
Wenn man sich das Leben dieses größten deutschen Dichters anschaut, dann ist man beeindruckt von der schier unendlichen Energie und Schöpfungskraft dieses Menschen.
Man bezeichnet ihn auch als Universalgenie, denn er hat ja nicht nur über 3.000 Gedichte verfasst, sondern war auch Naturwissenschaftler, Philosoph, Jurist und Minister (Geheimrat), Maler und Skandalautor.
Mit seinem Roman ‚Die Leiden des jungen Werther‘ landete er als 25-jähriger (1774, auch als Wertherjahr bezeichnet) einen absoluten Bestseller. Darin schildert er die Liebe eines jungen Mannes namens Werther zu einer Frau, die bereits mit einem anderen Mann verlobt ist. Diese unglückliche Beziehung treibt den leidenschaftlichen Werther zum Selbstmord. Goethe ist mit diesem Buch plötzlich weltberühmt und ein Idol der Jugend. Dieses Kultbuch beeinflusste sogar die Mode seiner Zeit. Wie die Hauptfigur seines Romans wollten alle eine blaue Jacke und gelbe Weste tragen, manche nahmen sich wie Werther im Roman auch das Leben, was dazu führte, dass das Buch zunächst einmal auf den Index kam, also verboten wurde. Diese erste Phase im Leben Goethes wird in der Literaturgeschichte auch als Sturm und Drang bezeichnet, was ja nichts anderes bedeutet als Tatkraft und Energie.
Goethes Gedicht ‚Prometheus‘, zwischen 1772 und 1774 ebenfalls in der Phase des Sturm und Drang entstanden, bringt diese, für seine Zeit neue, moderne Einstellung zum Ausdruck. Prometheus, in der griechischen Götterwelt derjenige, der den Menschen das Feuer bringt, fordert den Göttervater Zeus heraus. Prometheus spricht Zeus rebellisch, geradezu verachtungsvoll an und vergleicht ihn mit einem Kind, das seine Wut an der Welt auslässt wie ein Knabe, der Disteln köpft. Nicht auf die Hilfe der Götter zählt Prometheus, sondern auf sein eigenes „heilig glühendes Herz“. Prometheus als der Prototyp des genialen, enthusiastischen Menschen, der selbst göttliche Fähigkeiten besitzt, für das 18. Jahrhundert, in dem Goethe diese Zeilen verfasste, eine tollkühne Vorstellung. In der Gestalt des Prometheus bringt Goethe sein eigenes Künstlertum zum Ausdruck. Der geniale, schöpferische Mensch sprengt alle Fesseln und Beschränkungen. Losgelöst von allen Konventionen erschafft sich Prometheus seine eigene Welt.
Prometheus
- Bedecke deinen Himmel,
- Zeus,
- Mit Wolkendunst!
- Und übe, Knaben gleich,
- Der Disteln köpft,
- An Eichen dich und
- Bergeshöh‘n!
- Musst mir meine Erde
- Doch lassen steh‘n,
- Und meine Hütte,
- Die du nicht gebaut,
- Und meinen Herd,
- Um dessen Glut
- Du mich beneidest.
- Ich kenne nichts Ärmeres
- Unter der Sonn‘ als euch
- Götter!
- Ihr nähret kümmerlich
- Von Opfersteuern
- Und Gebetshauch
- Eure Majestät
- Und darbtet, wären
- Nicht Kinder und
- Bettler Hoffnungsvolle Toren.
- Da ich ein Kind war,
- Nicht wusste, wo aus, wo ein,
- Kehrt‘ ich mein verirrtes Auge
. Zur Sonne, als wenn drüber wär
- Ein Ohr zu hören meine Klage,
- Ein Herz wie meins,
- Sich des Bedrängten zu erbarmen.
- Wer half mir
- Wider der Titanen Übermut?
- Wer rettete vom Tode mich,
- Von Sklaverei?
- Hast du‘s nicht alles selbst vollendet,
- Heilig glühend Herz?
- Und glühtest, jung und gut,
. Betrogen, Rettungsdank
- Dem Schlafenden da droben?
- Ich dich ehren? Wofür?
- Hast du die Schmerzen gelindert
- Je des Beladenen?
- Hast du die Tränen gestillet
- Je des Geängsteten?
- Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
- Die allmächtige Zeit
- Und das ewige Schicksal,
- Meine Herren und deine?
- Wähntest du etwa,
- Ich sollte das Leben hassen,
- In Wüsten fliehn,
- Weil nicht alle Knabenmorgen-
- Blütenträume reiften?
- Hier sitz ich, forme Menschen
- Nach meinem Bilde,
- Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
- Zu leiden, zu weinen,
- Genießen und zu freuen sich,
- Und dein nicht zu achten,
- Wie ich!
Man würde Goethe jedoch nicht gerecht werden, wenn man ihn nur als genialen Dichter und Denker voller Energie und Tatkraft verstehen würde. In seiner zweiten Lebenshälfte geht es für Goethe vor allem darum, diese schöpferische Energie eines genialen und eigentlich eines jeden Menschen in ethische Bahnen zu lenken. Literaturgeschichtlich haben wir es ab hier mit der Weimarer Klassik zu tun. Denn Energieentfaltung, das wissen wir aus der Yoga Philosophie, braucht Yamas (Ethik im Umgang mit anderen) und Niyamas (Ethik im persönlichen Lebensstil), wenn sie nicht destruktiv wirken soll. An dieser Stelle lässt sich eine geistige Verbindung zwischen Goethe und Swami Sivananda herstellen. Seine ethischen Imperative lauten:
Serve, love, give, purify, meditate, realise.
Und bei Goethe heißt es in den ersten beiden Strophen seines Gedichtes aus dem Jahre 1783:
Das Göttliche
- Edel sei der Mensch,
- Hilfreich und gut!
- Denn das allein
- Unterscheidet ihn
- Von allen Wesen,
- Die wir kennen.
- Heil den unbekannten
- Höhern Wesen,
- Die wir ahnen!
- Ihnen gleiche der Mensch!
- Sein Beispiel lehr’ uns
- Jene glauben.
Noch deutlicher wird Goethes spiritueller und ethischer Bezug in seinem Gedicht mit dem Titel ‚Vermächtnis‘ (1829), das er kurz vor seinem Tod geschrieben hat und das hier in voller Länge abgedruckt wird. Es sei dem Leser überlassen, hier Gemeinsamkeiten mit der Yoga Philosophie im Sinne Swami Sivanandas herzustellen.
Vermächtnis
- Kein Wesen kann zu Nichts zerfallen!
- Das Ew‘ge regt sich fort in allen,
- Am Sein erhalte dich beglückt!
- Das Sein ist ewig: denn Gesetze
- Bewahren die lebend‘gen Schätze,
- Aus welchen sich das All geschmückt.
- Das Wahre war schon längst gefunden,
- Hat edle Geisterschaft verbunden;
- Das alte Wahre, faß‘ es an!
- Verdank‘ es, Erdensohn, dem Weisen,
- Der ihr, die Sonne zu umkreisen,
- Und dem Geschwister wies die Bahn.
- Sofort nun wende dich nach innen,
- Das Zentrum findest du dadrinnen,
- Woran kein Edler zweifeln mag.
- Wirst keine Regel da vermissen:
- Denn das selbständige Gewissen
- Ist Sonne deinem Sittentag.
- Den Sinnen hast du dann zu trauen,
- Kein Falsches lassen sie dich schauen,
- Wenn dein Verstand dich wach erhält.
- Mit frischem Blick bemerke freudig,
- Und wandle sicher wie geschmeidig
- Durch Auen reichbegabter Welt.
- Genieße mäßig Füll und Segen,
- Vernunft sei überall zugegen,
- Wo Leben sich des Lebens freut.
- Dann ist Vergangenheit beständig,
- Das Künftige voraus lebendig,
- Der Augenblick ist Ewigkeit.
- Und war es endlich dir gelungen,
- Und bist du vom Gefühl durchdrungen:
- Was fruchtbar ist, allein ist wahr;
- Du prüfst das allgemeine Walten,
- Es wird nach seiner Weise schalten,
- Geselle dich zur kleinsten Schar.
- Und wie von alters her im stillen
- Ein Liebeswerk nach eignem Willen
- Der Philosoph, der Dichter schuf,
- So wirst du schönste Gunst erzielen:
- Denn edlen Seelen vorzufühlen
- Ist wünschenswertester Beruf.
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Zusammenfassung
Der Begriff, der Ausdruck, das Wort Johann Wolfgang von Goethe kann genauer betrachten aus dem Blickwinkel von Literatur, Sprache, Musik, Kunst und kann interpretiert werden vom Standpunkt von Yoga, Meditation, Ayurveda, Spiritualität, humanistische Psychologie.