Wesensnatur

Aus Yogawiki

Die Wesensnatur (auch genannt Wesensart, Prägung, Charakter, Naturell, Typ, Veranlagung) ist eine Bezeichnung für die Veranlagung eines Menschen hinsichtlich seines Denkens, Fühlens und Verhaltens, die den Charakter eines Menschen prägen.

Finde deine Wesensnatur - ein Vortrag von Sukadev Bretz 2018

Dies ist der 24. Teil der Yoga Vidya Schulung zum Thema deine Wesens- oder wahre Natur finden. Die Frage „Wer bin ich?“ ist eine der entscheidenden Fragen und im Lauf dieser Lektion werden nur ein paar Anregungen dazu gegeben, weitere Lektionen und Anregungen werden im Rahmen dieser Schulung folgen.

Relative Natur & absolute Natur

Absolute Natur

Die absolute Natur ist ein Thema des Jnana Yoga, von Vedanta. Jnana Yoga sagt: Deine wahre Natur ist Sein, Wissen und GlückseligkeitSatchidananda, dein Selbst, Atman, ist letztlich eins mit Brahman, mit dem Absoluten und es ist gut, das sich immer wieder zu vergegenwärtigen.

Der Körper geht durch verschiedene Prozesse, ist mal gesund und mal krank. Deine wahre Natur ist Satchidananda und selbst wenn dein Körper irgendwie schmerzt und Schwierigkeiten macht, du selbst bist immer Satchidananda. Deine Psyche geht durch verschiedene Prozesse, du fühlst dich mal mehr und mal weniger froh, du hast mal mehr Ideen, mal weniger, du bist mal konzentrierter, mal weniger konzentriert, dein Geist, dein Chitta, geht durch verschiedene Bhumis, all das geschieht, kommt und geht, aber du selbst, als Selbst, bist Satchidananda.

Relative Natur

Die relative Natur ist auch ein Thema, die im Ayurveda eine Rolle spielt, in der Bhagavad Gita eine Rolle spielt, und die ich auch in den künftigen Vorträgen weiter ausbauen werde. Es gibt auf Sanskrit dafür drei Ausdrücke:

Prakriti:

Die gesamte Natur, die ganze Welt, das was im Vedanta als Maya und Jagad beschrieben wird, ist im Sankhya System (eines der verschiedenen philosophischen oder auch Begriffssysteme in Indien) Prakriti, die gesamte Natur. Prakriti ist aber auch deine individuelle Natur, die Tiefe deiner Psyche.

Swarupa:

Deine eigene Natur. Swarupa kann sich auch auf die höchste Natur beziehen, es gibt den Ausdruck Satchidananda Swarupoham – Meine wahre Natur ist Sein, Wissen, Glückseligkeit. Swa heißt eigen, rupa heißt sowohl Natur als auch Form, Swarupa kann auch relativ verstanden werden, deine relative Wesensnatur.

Swabhava:

Das tiefe innere Empfinden und Gefühl, bhava heißt Gefühl, Empfinden, aber auch Seinszustand. So gilt es auch herauszufinden, was der eigene bewusste Gemütszustand ist, was man in der Tiefe vom Charakter her ist. So hilft es durchaus heraus zu finden, was besondere Stärken und Fähigkeiten sind. Dafür gibt es viele verschiedene Möglichkeiten: Astrologie: z.B. Sonne Schütze, Aszendent Wassermann, welcher Planet in welchem Haus – vielleicht hilft dir das, etwas über deine Natur herauszufinden.

Die Unterscheidung Introvertiert und Extravertiert

Diese Unterscheidung gibt es schon sehr lange, C.G. Jung hat sie als eine besonders wichtige Unterscheidung in die Psychologie eingeführt.

Introvertiert ist ein Mensch, der gerne nach innen geht, der gerne mit sich alleine ist, der vieles mit sich ausmacht und vieles allein verarbeitet. Der introvertierte Mensch ist derjenige, der zur Entspannung Alleinsein braucht. Für einen introvertierten Mensch sieht der ideale freie Nachmittag so aus, dass er allein für sich ist, vielleicht in der Natur, mit seinen Büchern oder einem Podcast, jedenfalls irgendwo allein, vielleicht mit einem Partner, seinem Partner, vielleicht mit einem Menschen, aber nicht mit neuen und mit vielen. Der introvertierte Mensch braucht Zeit für sich allein um neue Kraft zu bekommen.

Der extravertierte Mensch braucht um in seine Kraft zu kommen Gespräche mit anderen, er braucht Anregungen mit anderen, er blüht auf, wenn er neues bekommt, wenn er mit neuen Menschen Kontakt aufnimmt und die Vorstellung neue Menschen kennen zu lernen findet der Extravertierte ganz großartig.

Der introvertierte Mensch wird auch Dinge tun, um neue Menschen kennen zu lernen, es wird aber für ihn eine Anstrengung sein. Angenommen ein intro- und ein extravertierter Mensch gehen auf einen Empfang, der extravertierte Mensch freut sich darauf, der introvertierte Mensch wird das mit einem Bauchgrimmen machen und es ist für ihn eine Überwindung. Dem introvertierten Menschen wird es allerdings leichter fallen auf einer Bühne zu stehen und vor tausend Menschen zu sprechen, als wildfremde Menschen auf einem Empfang kennen zu lernen. Dem extravertierten Menschen wird es leichter fallen einfach Small Talk zu machen, mit mehreren Menschen zu sprechen, aber die Vorstellung auf eine Bühne zu kommen, mit vielen zu sprechen ist manchmal für den Extravertierten erheblich schwieriger. Natürlich gibt es auch Introvertierte, denen es schwerfällt auf eine Bühne zu gehen, ihnen fällt es aber manchmal leichter vor vielen zu sprechen, als vor neuen.

Es könnte hilfreich sein zu wissen ob du und/oder dein Partner intro- oder extravertiert sind. Angenommen du bist introvertiert und dein Partner ist extravertiert, dann würdest du gerne eurem gemeinsamen freien Abend oder Nachmittag mit ihm allein verbringen und mit niemand anderem. Wenn der Partner extravertiert ist, wird er alle möglichen Leute ansprechen und mit ihnen sprechen wollen und dich dorthin zerren. Eine Hilfe wäre euch abzusprechen, du als Introvertierter könntest deinem Partner sagen: „Du kannst gerne mit anderen Menschen sprechen, aber bitte stelle sie mir nicht vor, du kannst gern zu anderen hingehen, aber bitte lass mich dann alleine“. Wenn man das so weiß, dann wird der extravertierte Partner vielleicht mit dem Servicepersonal sprechen, mit Leuten sprechen, öfters in Geschäfte gehen und du, als Introvertierter kannst davor sitzen, atmen, entspannen oder etwas anderes machen. Bitte nur den anderen dich nicht in seine neuen Kontaktaufnahmen mit einzubeziehen.

Es gibt verschiedene Untersuchungen, die sagen, wie viel extra- und introvertierte Menschen es gibt, es scheint so, als ob ein Viertel der Menschen introvertiert ist, ein Viertel ist extravertiert, ein weiteres Viertel ist irgendwo in der Mitte und ein weiteres Viertel, vielleicht auch etwas weniger ist zyklisch intro-und extravertiert, d.h. sie haben Phasen, wo sie wahnsinnig viel Spaß haben mit neuen Menschen Kontakt aufzunehmen und es gibt Phasen, wo sie wahnsinnig viel Angst oder Hemmungen davor haben. Es hilft ein bisschen sich bewusst zu machen, ob man eher introvertiert, extravertiert, zyklisch intro- und extravertiert ist. Es gibt zum Beispiel auch Menschen, die eine Neigung zu - Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt - haben, vielleicht sind sie gar nicht - Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt -, sondern haben eher extravertierte und introvertierte Phasen, die sie leben.

Der Introvertierte muss seine Introversion überwinden, wenn er etwas bewirken will im Leben, aber er braucht zur Regeneration innere Phasen. Auch der Extravertierte muss, wenn er etwas bewirken will, manchmal allein etwas tun, aber für Energie und Regeneration braucht er die Anregung durch andere.

Ayurveda:

Im Ayurveda gibt es Vata, Pitta und Kapha, auch dies kann dir helfen zu erkennen, was du im Relativen, im Besonderen bist.

Vata - Luft

Vata ist Luft, bzw. Luft und Äther zusammen. Vata heißt eine gewisse Leichtigkeit, die Fähigkeit vieles wahrzunehmen, mit vielem zu kommunizieren.

  • Extravertiert Vata: auf andere zugehen, mit anderen etwas tun wollen, Anregung brauchen usw.

Pitta – Feuer

Der Pitta-Typ ist der feurige Typ, der für etwas brennt, der sich durchsetzen will, der erfolgsorientiert ist, vielleicht auch Lob braucht, der begeisterungsfähig ist.

  • Introvertiert Pitta: Dinge allein machen wollen, das Gefühl haben alles allein machen zu müssen, leistungsorientiert.

Kapha – Erde und Wasser

Kapha ist Wasser und Erde.

  • Introvertiert Kapha: regelorientiert; Element Erde überwiegend.
  • Extravertiert Kapha: Gemütlichkeitsmensch, andere zur Gemütlichkeit bringen wollen, um andere kümmern, andere zu Langsamkeit und Selbstfürsorge anhalten, in Gruppen dafür sorgen, dass andere sich nicht überbeanspruchen, zu sehr ins Vata gehen und die Bodenhaftung verlieren, nicht zu sehr ins Pitta und ausbrennen; er hält die Gruppe zusammen; Element Wasser überwiegend.

Jetzt kannst du dir überlegen, ob du zu einem dieser Typen dazu gehörst, ich hatte schon über die vier Elemente, Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther, gesprochen, die hängen auch mit Vata, Pitta und Kapha zusammen.

Hilfreich ist auch zu überlegen was deine Stärken sind und wie du sie einsetzen kannst:

  • Extravertiert Vata: Fähigkeit mit anderen zu sprechen, verschiedenes probieren, neugierig sein.
  • Pitta: Fähigkeit viel zu tun, lange etwas zu tun, immer wieder probieren, zielorientiert, leistungsorientiert.
  • Kapha: langsameres Erledigen von Dingen, aber dafür dauerhafter im Sinne von steter Tropfen höhlt dein Stein, Rom wurde nicht an einem Tag gebaut, ein Vogel baut sein Nest Ast um Ast. Der Kapha Typ wird sich auf das Langfristige verlegen.

Es ist auch hilfreich zu erkennen, dass andere anders als du sind, und es ist auch hilfreich zu erkennen, dass deine Wesensnatur alleine auch nicht ausreicht. Du musst auch manchmal, selbst wenn du introviertiert bist, auf andere zugehen. Du brauchst auch mal eine Phase der Überlegung, mit dir allein, selbst wenn du extravertiert bist. Du musst dich auch mal an Regeln halten, selbst wenn dir eigentlich Regeln nichts bedeuten. In diesem Sinne: Nutze deine Stärken, aber achte darauf, dass du in dem Maße wie nötig, auch andere Aspekte deines Geistes benutzt.

Swarupa & Swabhava

Sei dir auch bewusst, dass du mehr Fähigkeiten in dir hast, als du zunächst weißt, Menschen beschränken sich manchmal und denken: ‚So bin ich halt‘ oder sie sagen ‚Das ist nicht meins‘ oder ‚Das mache ich nicht, das entspricht mir nicht‘.

Du weißt nicht genau, was alles in dir steckt, in dir kann noch sehr viel mehr stecken und ich begleite seit vielen Jahren, inzwischen Jahrzehnten, Menschen auf ihren Wegen und ich habe schon so häufig gesehen, dass Menschen Fähigkeiten auf einem Gebiet haben, was sie nie gedacht hätten und erblüht sind. Ich habe Menschen gesehen, die gesagt haben ‚Yoga lehren ist nicht mein Ding‘, die nachher die allerbesten Yogalehrer geworden sind.

Ich habe Menschen gesehen, die gesagt haben ‚Schreiben ist nicht mein Ding‘, die nachher wunderbare Autoren für Blogbeiträge oder Wiki-Artikel geworden sind. Ich habe Menschen gesehen, die mir gesagt haben Computer-Arbeit ist nicht mein Ding, die unglaubliche Fähigkeiten hatten zu programmieren oder komplexeste Computerarbeiten zu erledigen. Ich habe Menschen gesehen die gesagt haben, sie seien die kreativen Chaoten, systematisches Arbeiten sei nicht ihr Ding, die dann nachher festgestellt haben, dass sie die tollsten Organisatoren waren.

Sei also vorsichtig dich zu früh zu beschränken. Es ist gut erst einmal zu erkennen, was jetzt die momentanen Stärken sind, wie man sie einsetzen kann und es ist auch gut zu erkennen oder sich bewusst zu sein: ‚In mir steckt noch vieles drin‘ und eine gewisse Neugier ist auch hilfreich, die Neugier ‚Welche Fähigkeiten in mir will das Karma noch aus mir herauskitzeln? Was ist noch in mir alles angelegt?‘.

Und diese Neugier gilt es nicht nur für dich, sondern auch für andere zu haben. Im Umgang mit anderen versuche auch herauszufinden, was deren Stärken sind. Du kannst auch überlegen, wie du dich im Umgang mit anderen auf deren Stärken beziehen willst, sowohl als Kollege, als auch als Mitarbeiter, Chef kannst du bei anderen versuchen herauszufinden, was seine/ihre Stärken sind und wie du dich darauf beziehen kannst. Aber dann sei auch neugierig darauf, was vielleicht noch in diesem Menschen steckt und was sich in ihm oder ihr entwickeln will.

Denn in der Tiefe deines Wesens, sei dir bewusst, du bist Satchidananda, Sein, Wissen und Glückseligkeit. Ansonsten steckt alles in dir drin, im Ayurveda würde man sagen, in dir ist Vata, Pitta, Kapha drin. C.G. Jung würde sagen, damit der Mensch vollständig ist, muss er weiblich und männlich in sich leben, extra- und introvertiert, er muss seinen Animus, seine Anima, seinen Gegenpart, auch leben. In diesem Sinne ist es gut zu erkennen, was du hauptsächlich bist, das zu nutzen und neugierig zu sein, was noch in dir ist. Nutze deine Fähigkeiten und sei dir bewusst, deine wahre Natur ist Satchidananda, Sein, Wissen, Glückseligkeit. Beschränke dich nicht auf dein Selbstbild, sei neugierig, was Schicksal, Karma, Gott, das Leben noch in dir alles hervorbringen wollen und werden.

Wesensnatur finden - Praktriti, Swarupa, Swabhava

Videovortrag von Sukadev

Sukadev beschäftigt sich in diesem Videovortrag mit Antworten auf die Fragen: Wer bin ich? Was sind meine Stärken? Was ist meine Natur? Und er erläutert, wie du selbst zu deiner eigenen Wesensnatur finden kannst. Prakriti bedeutet Natur. Im Relativen ist Prakriti die innere Wesensnatur. Rupa bedeutet Form, Gestalt. Swarupa ist die eigene Natur, das eigene Wesen. Bhava bedeutet Gefühl, Seinszustand. Swabhava ist das tiefe, innere Gefühl. Eine gewisse Kenntnis der Tiefenschichten des eigenen Wesens kann dazu verhelfen, sein Leben so zu leben, wie es Glück und Erfolg und bringen kann.

Siehe auch

Seminare