Aitareya Upanishad

Aus Yogawiki

Aitareya Upanishad:(ऐतरेय उपनिषद् Sanskrit:aitareya upaniṣad f.). Die Einheit des Atman mit dem Paramatman stellt die zentrale Aussage dieser Upanischade dar. Sie beschreibt die Schöpfung anhand von Symbolen. Diese sehr bildhafte Beschreibung macht dem Leser das Kapitel über die Schöpfung leicht zugänglich und verhilft uns dazu, ein klares und logisches Verständnis über unseren Ursprung zu entwickeln. Diese Upanischade ist in 5 Kapitel unterteilt und ist ein Teil der Aitareya Aranyaka des Rigveda. Es gibt weitere Schreibweisen:

MP900177808.JPG
  • Aitareyopanishad,
  • Aitareya Upanishade,
  • Aitareya Upanischad,
  • Aitareya Upanischade.

Die Essenz der Aitareya Upanishad von Swami Sivananda

Einführung in die Aitareya Upanishad

1. Die Aitareya Upanishade stellt einen Teil der Aitareya-Aranyaka des Rigveda dar. Sie ist in fünf Kapitel unterteilt, den sog. “Khandas”. Diese Upanishade hat ihren Namen von ihrem Autor Mahidasa Aitareya, dem Sohn von Itara, erhalten.

2. Sie beschreibt anhand von Symbolen die Schöpfung der Welt. Sie handelt von Atman als der einzigen Realität. Sie enthält die Aussagen des Rishis Vamadeva, der die Unsterblichkeit durch die Erkenntnis des Selbst erreichte.

3. Die zentrale Aussage dieser Upanishade ist die Einheit des Atmans mit dem Paramatman.

4. “Hari Om. Meine Rede ist in meinem Geist verwurzelt. Mein Geist ist in meiner Rede verwurzelt. Brahman, offenbare Dich mir. Du, der Geist und die Rede sollen mich in die Lage versetzen, die Wahrheit zu verstehen, die diese Texte lehren. Laß‘ das, was ich gelernt habe, nicht verloren gehen. Möge ich Tag und Nacht bei den Studien bleiben. Ich spreche die Wahrheit und die Realität. Möge dies mich beschützen. Und möge dies den Lehrer beschützen. Möge dies den Lehrer beschützen!“

Om Frieden, Frieden, Frieden!

Die Geschichte der Schöpfung gemäß Aitareya Upanishad

5. An Anfang gab es wahrlich nur den Atman allein. Es gab nichts anderes Lebendiges. Nicht irgend etwas anderes Lebendiges existierte. Es gab nichts anderes, was auch nur blinzeln konnte.

6. Er dachte: “Nun, wahrlich, ich werde die Welten erschaffen.”

7. Das Wort Atman ist abgeleitet aus der Wurzel, sie bedeutet erhalten, essen, genießen oder alles durchdringen.

8. Er erschuf die Welten, d.h. das Wasser, dieLichtstrahlen, den Tod und die Gewässer. Das Wasser ist über den Himmeln – es trägt diese. Die Lichtstrahlen sind der Luftraum. Und die Region der Erde ist der Tod und was unterhalb der Erde ist, sind die Gewässer.

9. Er dachte nach: „Dies sind in der Tat die Welten, die ich geschaffen habe. Ich werde auch noch die Beschützer oder die Beherrscher der Welt erschaffen. Und aus dem Wasser heraus erschuf er eine Purusha und gab ihr ihre Form.

10. Dann grübelte der Atman weiter über den Erdklumpen und wünschte ihm die Form des Menschen zu geben. Eine Öffnung in dem Gebilde manifestierte sich als Mund, so wie die Schale eines Vogeleis aufbricht. Aus dem Mund kam die Rede und mit der Rede kam Feuer. Dann kam die Nase und aus der Nase kam Atem und mit dem Atem der Wind.

11. Seine Augen brachen hervor, und mit den Augen kam das Sehen und mit dem Sehen die Sonne. Dann brachen die Ohren hervor und mit den Ohren kam das Hören und mit dem Hören kamen die vier Himmelsrichtungen. Seine Haut entstand, und mit der Haut kamen die Haare, und mit den Haaren kamen die Kräuter und die großen Bäume. Sein Herz entstand, und mit dem Herz kam der Geist und mit dem Geist kam der Mond. Sein Bauchnabel entstand und mit dem Nabel kam das Apana, und mit dem Apana kam der Tod. Seine Fortpflanzungsorgane entstanden und mit Ihnen kam der Samen, und über den Samen kam das Wasser.

12. Diese Götter, nachdem sie erschaffen worden waren, fielen in den großen Ozean des Samsara (der Welt). Er setzte sie dem Hunger und dem Durst aus. Sie sagten zu ihm (dem Erschaffer): „Bestimme für uns einen Platz, an dem, wenn er fertig ist, wir essen können.“

13. Er brachte einen Bullen zu Ihnen. Und sie sagten: “Dies ist nicht ausreichend für uns”. Er brachte ein Pferd zu Ihnen. Und sie sagten: “Auch dies ist nicht genug für uns.”

14. Er brachte einen Menschen zu Ihnen. Und sie sagten:” Gut gemacht, wirklich! Der Mensch ist ein Meisterwerk. Der Mensch allein ist der Aufenthaltsort aller guten Werke.” Und er antwortete Ihnen: „Nehmt nun eure entsprechenden Körper an.“

15. Das Feuer wurde zur Sprache und setzte sich im Mund fest. Die Luft wurde zu Prana, und bezog die Nase. Die Sonne wurde zum Sehen und bezog die Augen. Die Göttlichkeit bezog die vier Himmelsrichtungen und wurde zum Klang, dieser bezog die Ohren. Die Kräuter und Bäume wurden zu Haaren und bezogen die Haut. Der Mond wurde zum Geist und bezog das Herz. Der Tod wurde zu Apana und bezog den Nabel. Das Wasser wurde zu Samen und bezog die Fortpflanzungsorgane.

16. Hunger und Durst sagten zu ihm: “Bestimme für uns einen Platz”. Und er sagte zu den beiden: “Ich gebe Euch einen Platz in diesen Göttern und lasse Euch damit an Ihnen teilhaben. Wenn den Göttern ein Opfer gebracht wird, werden Hunger und Durst an Ihnen damit teilhaben können“.

17. Und er (der Herrscher) dachte weiter: “Die Welten und die Bewahrer dieser Welten sind nun erschaffen. Laß‘ mich nun Nahrung für sie erschaffen“.

18. Dann brütete er (der Herrscher) das Wasser und das Wasser, welches so von ihm verwandelt wurde, nahm dann Formen an. Und die Formen wurden zu Nahrung.

19. Nachdem die Nahrung so erschaffen worden war, wollte die Nahrung weglaufen. Und er Herrscher versuchte, sie mit der Sprache einzufangen, aber er konnte sie nicht mit der Sprache einfangen. Denn wenn er sie mit der Sprache hätte einfangen können, würde der Hunger allein mit der Rede über die Nahrung gestillt werden können.

20. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Atem einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Atem einfangen. Denn wenn er sie mit dem Atem hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Duft der Nahrung gestillt werden können.

21. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Auge einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Auge einfangen. Denn wenn er sie mit dem Auge hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Anblick der Nahrung gestillt werden können.

22. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Ohr einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Ohr einfangen. Denn wenn er sie mit dem Ohr hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Hören über die Nahrung gestillt werden können.

23. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Tastsinn einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Tastsinn einfangen. Denn wenn er sie mit dem Tastsinn hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Anfühlen der Nahrung gestillt werden können.

24. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Geist einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Geist einfangen. Denn wenn er sie mit dem Geist hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Gedanken an die Nahrung gestillt werden können.

25. Und er wünschte die Nahrung mit seinem Fortpflanzungsorgan einfangen zu können. Aber er konnte sie nicht mit seinem Fortpflanzungsorgan einfangen. Denn wenn er sie mit dem Fortpflanzungsorgan hätte einfangen können, so würde der Hunger allein von dem Ausstoß gestillt werden können.

26. Dann versuchte er die Nahrung mit dem Apana einzufangen und es gelang. Und deshalb ist es das Apana, das die Nahrung einfängt. Dieses Apana ist der Erhalter des Lebens über die Nahrung.

27. Er, der Herrscher, dachte weiter: “Wie sollen alle diese Lebewesen ohne mich leben können?“ Und er überlegte weiter: „Auf welche Weise soll ich in ihnen weilen können?“ Und er dachte wieder weiter: „ Wenn das Sprechen über die Sprache getan wird, das Riechen über die Nase, das Sehen über die Augen, das Hören über das Ohr, das Berühren über die Haut, das Denken über den Geist; das Essen über das Apana, und das Weitergeben über das Fortpflanzungsorgan, wer bin ich dann eigentlich?“

28. Dann öffnete er die Schädelnaht und drang durch dieses Öffnung ein. Diese Öffnung heißt „Vidriti“. Sie ist wahrlich das „Nandana“ (der Ort der Wonne). Dieser Ort der Wonne hat drei Wohnplätze im Körper und drei Schlafzustände. Und dieser ist sein Wohnplatz, und dieser auch und dieser eben auch.

29. Das rechte Auge ist sein erster Aufenthaltsort. Der Geist ist sein zweiter. Die Herzhöhle oder der Herzensether ist der dritte Aufenthaltsort.

30. Sobald er geboren war, (in der Form des Jivas, d.h. das höchste Selbst hat einen physischen Körper bezogen), reflektierte er über sich selbst und den Bezug zu allen anderen Wesen. Er schaute sich alle Wesen an und dachte dann: “Wie sollte jemand über jemand anderen sprechen? Was neben mir gibt es zu benennen? Es gibt nichts?“ Wie könnte er wünschen, daß irgendetwas von ihm getrennt sein könnte? Und er fand nichts außerhalb seiner eigenen Realität, der Purusha oder auch des alldurchdringenden Brahmans. Und er sagte zu sich selbst: „Oh ich habe all dies gesehen“.

31. Deshalb nannte er es „Indandra“. „Idandram“ ist wahrlich sein Name. Auch wenn er es „Idandram“ nannte, so nannte er es auch mittelbar „Indra“. Die Götter mögen es gerne, wenn sie mit indirekten Namen angesprochen werden, und so war dies auch hier.

Aitareya Upanishad - Die Geschichte der Geburt

32. Zu Anfang ist in der Tat der Samen des Mannes. Das, was diesen Samen ausmacht, ist die Essenz der Stärke oder die Lebenskraft, die aus allen seinen Gliedmaßen gezogen wird. Er bringt sich selbst aus sich damit hervor. Wenn er seinen Samen in einen Frauenkörper ergießt, erzeugt er damit das Leben. Dies ist seine erste Geburt.

33. Diese Saat wird eins mit dem Frauenkörper und wird dann ein Teil von ihm. Deshalb verursacht es keine Schmerzen für die Frau. Sie nährt damit das Selbst ihres Ehemanns somit in ihrem Körper.

34. Sobald sie der Ernährer seines Selbst in ihrem eigenen Körper wird, sollte sie selbst auch umsorgt werden. Die Frau gebährt dann den Sohn in ihrem Schoß. Der Vater nährt damit das Kind schon vor und auch nach der Geburt. Durch das Nähren des Kindes sowohl vor als auch nach der Geburt, umsorgt er sich selbst für das Fortbestehen der Welten. Und so wird die Nachkommenschaft in den Welten gesichert. Dies ist seine zweite Geburt.

35. Dieser Sohn, der wahrlich sein Selbst geworden ist, wird zu seinem Ersatz für die Durchführung von tugendhaften Handlungen. Damit wird sein anderes Selbst (das Selbst des Vaters), nachdem es seine Pflichten erfüllt hat und ein hohes Alter erreicht hat, diese Welt verlassen. Und dieses Selbst wird dann wiedergeboren werden, dies ist dann seine dritte Geburt.

Rishi Vamadeva

36. Es wurde von Rishi Vamadeva so erklärt: “Während ich im Mutterschoß bin, weiß ich von allen Geburten der Götter. Einhundert Eisenfesseln hielten mich fest. Aber ich zerbrach sie rasch und befreite mich so schnell wie ein Falke.“ So sprach Vamadeva sogar während er noch im Mutterschoß weilte.

37. Körper sind undurchdringbare eiserne Festungen, die den Jiva daran hindern, die Fesseln der Samsara zu sprengen.

38. Er (der Rishi Vamadeva) wurde zum Kenner des Atman, und wurde eins mit ihm. Er kam in immer höhere Sphären und nach dem Zerfall seines Körpers und dem Erreichen aller Bedürfnisse in der Himmelswelt wurde er unsterblich.

Bewusstsein ist Brahman

39. Wer ist nun der Atman, den wir verehren? Welcher von beiden ist er, der Atman, der Reale oder Sagenhafte, der „Nirupadhika“ oder der „Sopadhika“? Ist es er, durch den er sieht? Ist es er, durch den er hört? Ist es er, durch den er schmeckt? Ist es er, durch den er die Sprache hervorbringt? Ist es er, durch den er weiß, was geschmackvoll ist und was nicht?

40. Dies, welches als das Herz bekannt ist, der Geist, das Bewußtsein, das Beherrschen der Künste, das Verstehen, die Wahrnehmung, die Tapferkeit, die Reflektion, das unabhängige Denken, die Drangsal des Geistes - wie sie durch Krankheiten entsteht- , usw. und auch der Wunsch nach weiblicher Gesellschaft, all dies sind Namen des Bewußtseins.

41. Dieser Brahman; dieser Indra; dieser Schöpfer, all diese Götter, die fünf Elemente, d.h. die Erde, das Wasser, das Feuer, die Luft und der Ether; alle kleinen Lebewesen und alle anderen; alle Saaten der Schöpfer, wie aus dem Ei geboren oder aus dem Mutterschoß geboren, durch Schweiß geboren oder aus Keimen geboren, Pferde, Kühe, Menschen, Elefanten, alles, was atmet und sich bewegt und fliegt oder alles was unbeweglich ist, all dies wird geleitet durch das Bewußtsein und geführt durch das Bewußtsein. Das Universum wird durch das Bewußtsein geleitet. Das Bewußtsein ist die Grundlage oder Basis für alle. Wahrlich das Bewußtsein (Prajnanam) ist Brahman.

42. „Prajnanam Brahman“: Reines Bewußtsein ist Brahman. Dies ist eine der Maha-Vakyas oder großen Aussprüche der Upanishaden.

43. Dies wird als die “Lakshana-Vakya” bezeichnet, denn sie gibt eine Beschreibung der Natur von Brahman.

44. Er (Vamadeva, oder jeder andere Weise) wurde in dem Zustand der Brahmanenschaft erhöht aufgrund seiner Erkenntnis des Atmans. Er verließ diese Welt und erreichte alles, was er wünschte in dieser Welt der höchsten Wonne und erreichte so Unsterblichkeit.

45. Ein befreiter Weiser kommt nicht mehr in irgendwelche Welten. Er geht in dem alldurchdringenden Brahman auf und er erkennt, daß die individuelle Seele identisch ist mit Para Brahman.

Aus Swami Sivananda: Essence of Principle Upanishads, Divine Life Society Sivananda Ashram Rishikesh

Aitareya Upanishad

Artikel aus „Upanishaden. Die Geheimlehre des Veda“ in der Übersetzung von Paul Deussen, herausgegeben von Peter Michel, Marix Verlag, 2. Auflage, 2007, Wiesbaden.

Einleitung

Jenseits ist Fülle,
Diesseits ist Fülle,
Aus Fülle kommt Fülle hervor.
Nimmt man die Fülle aus der Fülle,
So bleibt nichts als Fülle!

(Zitat aus der Isha Upanishad)

1. Das vedische Zeitalter

Wer über die Veden spricht, steht zwangsläufig dem Dilemma gegenüber, sich mit Geschichte und Mythos auseinandersetzen zu müssen. Sind für den orthodoxen Hindu die Veden in Wahrheit unmanifestiert, der nur dem Seher vollständig erkennbare Ausdruck des absoluten Brahman, so stellen sie für den westlichen Indologen ein erstes schriftliches Zeugnis einer frühen Hochkultur dar. Während die Datierung der ersten Zivilisationen im IndusTal ständig weiter nach hinten verlagert wird und die HarappaKultur aus dem vierten vorchristlichen Jahrtausend schon lange nicht mehr als der eigentliche Ursprung gilt, ist die akademische Meinung hinsichtlich des vedischen Schrifttums relativ konstant geblieben. Die Abfassung des Rigveda, des ältesten Teiles der verfassten Veden wir lassen den Mythos im Folgenden unberücksichtigt wird etwa auf die Zeit um 2000 bis 1500 v. Chr. angesetzt. Die frühesten Upanishaden dürften nicht vor 1000 v. Chr. niedergeschrieben worden sein, und man setzt das Ende der UpanishadenEpoche« etwa mit der Zeit um 500 v. Chr. an.

Man unterteilt die Veden in vier Bereiche. Der Rigveda enthält die Opferhymnen an die Götter; der SamaVeda ist der Veda der Gesänge (Saman) und dient gewissermaßen als musikalische Ergänzung des Rigveda; der Yajurveda ist der Veda der Opfersprüche und der AtharvaVeda ist nach dem Hohepriester (Atharvan) benannt, der die heiligen Handlungen ausführte und die mantrischen Sprüche rezitierte.

Die vier Veden wurden dann noch in drei Abteilungen gegliedert. Die Samhita (Sammlung) enthält die zu verwendenden Sprüche, Hymnen und Gebete; das Brahmanam die erforderlichen theologischen Erklärungen; während die Sutras den Inhalt des Brahmanam kurz zusammenfassen. Der theologische Teil, das Brahmanam, teilt sich dann wiederum in drei Teile, Vidhi, Arthavada und Vedanta. Letzterer, das Ende oder die Vollendung des Veda (Vedaanta), enthält die Upanishaden. Sie stellen gleichsam den Abschluss und Höhepunkt des vedischen Zeitalters dar.

Um die Bedeutung der vedischen Offenbarung in ihrer Tiefe zu verstehen, empfiehlt es sich, drei herausragende Repräsentanten der indischen Spiritualität des 20. Jahrhunderts zu Wort kommen zu lassen, die ihre eigene Tradition aus innerer Verwirklichung darstellten. Vivekananda, Indiens erster großer Botschafter im Westen, schrieb in seinem Jnana Yoga«: Man muss wissen, dass in Indien die Veden als heiliger betrachtet werden als selbst die Bibel bei den Christen. Die christliche Idee der Offenbarung ist die göttliche Inspiration eines Menschen, aber nach der indischen Auffassung existieren die Dinge nur deshalb, weil sie in den Veden sind. Aus den Veden und durch die Veden ist die ganze Schöpfung entstanden; alles Wissen ist in den Veden. Jedes Wort ist heilig und ewig, ewig wie die Seele, ohne Anfang und Ende. Die Gesamtheit des Schöpfungsgeistes ist in den Veden enthalten, und in diesem Licht werden sie betrachtet. Etwas ist sittlich oder unsittlich, weil es die Veden so bezeichnen.«1

Eine ähnliche Bewertung findet sich auch in der "Autobiographie eines Yogi« von Paramahansa Yogananda. "In der reichhaltigen Literatur Indiens sind die Veden (Wurzel: vid = wissen) die einzigen Texte, die keinen Verfasser aufweisen. Der Rigveda (X 90,9) schreibt seine Hymnen und Erzählungen einem göttlichen Ursprung zu und berichtet uns (III 39,2), dass sie aus >grauer Vorzeit< stammen und später in eine neue Sprache gekleidet wurden. Da die Veden den Rishis (Sehern) von einem Zeitalter zum anderen durch göttliche Offenbarungen mitgeteilt wurden, heißt es, dass sie Nitj'atwa, das heißt >zeitlose Gültigkeit, besitzen.

Die Veden waren ursprünglich LautOffenbarungen, die von den Rishis unmittelbar gehört (shruti) wurden, und enthalten im Wesentlichen Lieder und Rezitationen. Diese 100 000 Verse der Veden wurden also mehrere Jahrtausende lang nicht niedergeschrieben, sondern mündlich durch die BrahmanenPriester weitergegeben. Weder Papier noch Stein sind gegen die zeitlich bedingten Zersetzungserscheinungen gefeit. Die Veden aber haben sich von einem Zeitalter zum anderen erhalten, weil die Rishis die Überlegenheit des Geistes über die Materie kannten und wussten, dass die geistige Art der Überlieferung die beste ist. Denn was ließe sich mit den >Tafel des Herzens< vergleichen?«'

Die Gestalt des Rishi«, des großen Sehers des vedischen Zeitalters, erlangt auch in der Überlieferung der Upanishaden zentrale Bedeutung. Die Rishis waren nicht die Schöpfer der Veden, sondern sie gaben nur wieder, was sie in Meditation und Versenkung als geistige Wahrheit erschaut hatten. Sri Aurobindo, der zwei umfangreiche Bände über die Veden schrieb und mit seinem Integralen Yoga« versuchte, östliches und westliches Gedankengut auf einer neuen, höheren Ebene zu integrieren, deutet die Veden als esoterische Initiationsschriften. Die vedischen Rishi waren Mystiker, die ihre innere Erkenntnis für die Eingeweihten bewahrten; sie schützten sie vor der Allgemeinheit durch den Gebrauch eines Alphabetes von Symbolen, welches ohne Initiation nicht verstanden werden konnte, das aber vollkommen klar und systematisch war, wenn die Zeichen einmal erkannt waren. Die Symbole gruppierten sich um die Idee und Formen des Opfers; denn das Opfer war die universelle und zentrale Einrichtung des maßgebenden Kultes.«' Dieses Opfer gewann im Sinne der vedischen Tradition eine doppelte Bedeutung, denn es war einerseits die Opferhandlung für die Götter, andererseits aber auch das innere Opfer der Selbstüberwindung und Selbsthingabe. Für Sri Aurobindo war die Sprache der Veden symbolhaft und zielte vor allem auf die sich im Menschen abspielenden Prozesse ab. Die Götter des Veda repräsentieren die universellen Kräfte, herabgestiegen vom Wahrheitsbewusstsein, das die Harmonie der Welt errichtete.«2 Hinter allen Formen des Göttlichen, hinter den verschiedensten Namen sah Aurobindo jedoch eine alles vereinende göttliche Quelle. Dies führte ihn zu der Überzeugung, die vedische Offenbarung als monotheistisch zu bezeichnen. Ihre Lehre ist monotheistisch, und die vedischen Götter sind verschiedene Namensnennungen der einen Gottheit; zur gleichen Zeit sind sie eine Bezeichnung Ihrer Macht, wie wir sie in der Natur wirken sehen.«3

In dieser Deutung zeigt sich eines der Grundprobleme der mystischen oder esoterischen Interpretation einer religiösen Tradition. Es kann kein Zweifel bestehen, dass die vedische Lehre im Hinduismus in breiten Schichten zu einem vulgären Polytheismus geführt hat. Doch Ähnliches lässt sich unschwer auch bei anderen spirituellen Überlieferungen nachweisen, so dass es sinnvoll erscheint, das Augenmerk auf die großen Mystiker zu richten, anstatt sich in den Niederungen des Aberglaubens zu verlieren. So erblickte auch Arthur Schult in seiner wertvollen Studie über Die Weisheit der Veden und Upanishaden« den einen GOTT hinter der Vielheit der vedischen Götter. Wenn einer der Götter angerufen wird, scheinen alle anderen zu verschwinden, bzw. in ihm aufzugehen. Jeder Gott, der gerade angerufen wird, ist der einzige Gott. Die Götter gleichen einander, bilden eine geheime Einheit. Es gibt nicht ein Nebeneinander verschieden beschaffener, zueinander im Gegensatz stehender Götter, wie in der Götterwelt Homers. Henotheismus hat der berühmte Sprachforscher und Ethnologe Max Müller diese Art des Gotterlebens genannt, in der Polytheismus und Monotheismus auf eigenartige Weise geeint sind.«'

Der AtharvaVeda kündet in einer seiner Hymnen von der Einsicht, welche die weisen Waldeinsiedler der Upanishaden ihren Schülern vermitteln sollten:

"Er allein ist der Eine, der Einzige, nur Einer.
Die Götter (Devas) da sind in ihm ein Einziges." (AtharvaVeda XIV,4)

Siehe auch

Literatur

Seminare

Indische Schriften

Der RSS-Feed von https://www.yoga-vidya.de/seminare/interessengebiet/indische-schriften/?type=2365 konnte nicht geladen werden: Fehler beim Parsen von XML für RSS

Jnana Yoga, Philosophie

Der RSS-Feed von https://www.yoga-vidya.de/seminare/interessengebiet/jnana-yoga-philosophie/?type=2365 konnte nicht geladen werden: Fehler beim Parsen von XML für RSS