Sanskrit Kurs Lektion 115: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. September 2020, 17:53 Uhr
Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.
Vokalische Nominalstämme (8)
In Lektion 78 haben wir den Singular der abgeleiteten weiblichen Substantive auf -ī betrachtet. Nun schauen wir uns den Plural dieser Nominalstämme an.
Bildung
Wiederholung: abgeleitete weibliche Nominalstäme auf -ī
Von vielen Substantiven (m./n.) und Adjektiven kann regelmäßig eine weibliche Form abgeleitet werden, indem an deren Endung ein langes -ī gefügt bzw. ein kurzes -a durch ein langes -ī ersetzt wird:
- siṃha (m.) "Löwe" > siṃhī (Simhi f.) "Löwin"
- yogin (m.) "Yogi" > yoginī (Yogini f.) "Yogini"
- sādhu (adj.) "gut, richtig; ein Guter, Heiliger" > sādhvī* (Sadhvi f.) "eine Gute, Heilige"
*Anmerkung: Vor der Femininendung -ī geht das -u eines darauf auslautenden Nominalstammes in den Halbvokal -v- über.
Übersicht: Plural der abgeleiteten weiblichen Substantive auf -ī
In der folgenden Übersicht wurde das weibliche Wort Devi ("Göttin") in allen acht Fällen des Plurals (Mehrzahl, Bahuvachana) dekliniert. Diesem Bildungstyp folgen alle abgeleiteten weiblichen Substantive auf -ī. Das Femininum devī ist von deva ("Gott", Deva) abgeleitet.
Fall (Kasus) | Sanskritname | Frage | Devanagari | Transliteration | Transkription | deutsche Wiedergabe |
---|---|---|---|---|---|---|
1. Nominativ | Prathama | Wer? Was? | देव्यः | devyaḥ | devyah | "die Göttinen" |
2. Akkusativ | Dvitiya | Wen? Wohin? | देवीः | devīḥ | devih | "die Göttinen" |
3. Instrumental | Tritiya | Mit wem? Womit? | देवीभिः | devībhiḥ | devibhih | "mit den Göttinen" |
4. Dativ | Chaturthi | Wem? | देवीभ्यः | devībhyaḥ | devibhyah | "den Göttinen" |
5. Ablativ | Panchami | Von wem? Von wo? | देवीभ्यः | devībhyaḥ | devibhyah | "von den Göttinen (her)" |
6. Genitiv | Shashthi | Wessen? Wovon? | देवीनाम् | devīnām | devinam | "der Göttinen" |
7. Lokativ | Saptami | Wo? | देवीषु | devīṣu | devishu | "bei den Göttinen" |
8. Vokativ | Sambodhana | Rufform (oh ..., he ...!) | देव्यः | devyaḥ | devyah | "(oh) Göttinen!" |
Anmerkungen: Die Formen des Nominativs und Vokativs lauten beide gleich (devyaḥ), ebenso die Formen des Genitivs und Ablativs (devībhyaḥ). Vor vokalischen Deklinationsendungen (Nom. u. Vok.) geht das lange -ī des Stammes in den Halbvokal -y- über. Das dentale s der Lokativendung -su wird gemäß Sandhi nach dem ī des Nominalstammes zu zerebralem ṣ.
Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika
Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem zweiten Kapitel (Upadesha) der Hatha Yoga Pradipika, das der Praxis des Pranayama gewidmet ist. Der 4. Vers betont die Bedeutung der Reinheit der feinstofflichen Energiekanäle (Nadi) für eine erfolgreiche Pranayama-Praxis.
- मलाकुलासु नाडीषु मारुतो नैव मध्यगः |
- कथं स्यादुन्मनीभावः कार्यसिद्धिः कथं भवेत् || २.४ ||
- wissenschaftliche Transliteration:
- malākulāsu nāḍīṣu māruto naiva madhyagaḥ |
- kathaṃ syād unmanī-bhāvaḥ kārya-siddhiḥ kathaṃ bhavet || 2.4 ||
- vereinfachte Transkription:
- malakulasu nadishu maruto naiva madhyagah |
- katham syad unmani-bhavah karya-siddhih katham bhavet || 2.4 ||
- Wort-für-Wort-Übersetzung:
- malākulāsu : (mit) Verunreinigungen (Mala) angefüllt sind (Akula, Lok. Pl. f.)
- nāḍīṣu : (wenn) die feinstofflichen Energie-)Kanäle (Nadi, Lok. Pl. f.)
- mārutaḥ : der (Lebens-)Atem, Prana ("Wind", Maruta, Nom. Sg. m.)
- na : nicht (Na, Partikel)
- eva : gewiss (Eva, Partikel)
- madhyagaḥ : geht (durch den) mittleren (Kanal, Madhyaga, Nom. Sg. m.)
- katham : wie (Katham, adv.)
- syāt : sollte (dann möglich) sein (as, Verb)
- unmanī-bhāvaḥ : der Zustand jenseits des Geistes (Unmanibhava, Nom. Sg. m.)
- kārya-siddhiḥ : der Erfolg, das Gelingen, Erreichen (Siddhi, Nom. Sg. f.) der Absicht, des Zwecks (Karya)
- katham : wie
- bhavet : sollte (dann möglich) sein (bhū, Verb)
- Übersetzung:
- Wenn die (feinstofflichen) Energiekanäle mit Verunreinigungen angefüllt sind, geht der (Lebens-)Atem gewiss nicht durch den mittleren (Kanal).
- Wie sollte (dann) der Zustand jenseits des Geistes (möglich) sein? Wie sollte (dann) das Erreichen des (höchsten) Zwecks (der Yogapraxis möglich) sein?
Erläuterungen
- Syntax: Dieser Vers besteht aus drei Sätzen (Vakya), die sich jeweils über den ersten Halbvers (Pada 1-2) sowie über das dritte und vierte Versviertel (Pada) erstrecken. Der erste Satz ist ein Nominalsatz, d.h. er besteht nur aus Nomen. Das Verb asti "ist" wird dem Kontext gemäß mitverstanden. Die übrigen beiden Sätze haben ein finites (gebeugtes) Verb.
- Das Adjektiv malākulāsu ist ein Kompositum (Samasa) des Typs Tatpurusha. Es bezieht sich als nähere Bestimmung (Visheshana) auf nāḍīṣu und steht daher auch im Lokativ Plural Femininum.
- Der Lokativ (Saptami) nāḍīṣu bildet zusammen mit dem Adjektiv malākulāsu einen absoluten Lokativ, der die Voraussetzung für die darauffolgende Aussage beschreibt. Daher wird in der deutschen Übersetzung "wenn" ergänzt.
- Die Negationspartikel na "nicht" bezieht sich auf das Adjektiv madhyagaḥ.
- Die emphatische Partikel eva "gewiss" hebt das vorangehende Wort (na) hervor: "gewiss nicht, keinesfalls".
- Das Adjektiv madhya-gaḥ bezieht sich als nähere Bestimmung auf mārutaḥ und steht daher auch im Nominativ Singular Maskulinum. Es setzt sich aus madhya "Mitte" (Madhya) und ga (von gam "gehen") zusammen.
- Die Verbform syāt ("könnte sein") ist die 3. Person Singular Optativ der Gegenwart der Verbalwurzel (Dhatu) as. Der Optativ drückt hier in Verbindung mit dem Frageadverb katham "wie" einen Zustand aus, der in der Zukunft mit Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird: kathaṃ syāt ... "wie könnte ... (möglich) sein?"
- Der Nominativ unmanī-bhāvaḥ ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung syāt. Dieses Kompositum kann entweder als Tatpurusha im Sinne von "das Hervorbringen (Bhava) des Unmani (genannten Zustandes)" interpretiert werden, oder als appositionelles Kompositum (Karmadharaya) im Sinne von "der Unmani (genannte) Zustand (Bhava)".
- Der Nominativ kārya-siddhiḥ ist ein Kompositum des Typs Tatpurusha und das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung bhavet.
- Die Verbform bhavet ("könnte sein") ist die 3. Person Singular Optativ der Gegenwart der Verbalwurzel bhū. Der Optativ drückt wie im vorangehenden Satz (Pada c) im Sinne einer rhetorischen Frage einen Zustand aus, der in der Zukunft mit Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird.
- Sandhi: Gleichartige Vokale (Svara) verschmelzen am Wortende und -anfang zu einem Langvokal: a + ā wird zu ā im Kompositum malākulāsu (mala + ākulāsu). Das auslautende kurz a von na und das anlautende e von eva verschmelzen zu ai in naiva. Die Endung m von katham geht vor folgendem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara (ṃ) über, welcher hier wie m ausgesprochen wird. Die Form syād steht für syāt, da ein auslautendes t vor Vokal (hier: u) stimmhaft wird.
Metrische Analyse des 3. und 4. Pada
Betrachten wir das dritte (Tritiya) und vierte (Chaturtha) Versviertel (Pada) dieses Shloka noch einmal hinsichtlich der Längen (Dirgha) und Kürzen (Hrasva) der einzelnen Silben (Akshara). Lange Silben enden auf langen Vokal (auf den noch ein Konsonant folgen kann), oder auf einen kurzen Vokal (Svara), der von zwei Konsonanten (Vyanjana) gefolgt wird (inklusive Anusvara und Visarga). Dies nennt man Positionslänge*. Kurze Silben enden auf kurzen Vokal:
Silbe | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |
Devanagari | क | थं | स्या | दु | न्म | नी | भा | वः | का | र्य | सि | द्धिः | क | थं | भ | वेत् |
Transliteration | ka | thaṃ | syā | du | nma | nī | bhā | vaḥ | kā | rya | si | ddhiḥ | ka | thaṃ | bha | vet |
Silbenlänge | kurz | lang | lang | lang* | kurz | lang | lang | lang | lang | kurz | lang* | lang | kurz | lang | kurz | lang |
Symbol | υ | – | – | – | υ | – | – | – | – | υ | – | – | υ | – | υ | – |
Hinweise zur Aussprache: Alle acht Silben jedes Pada werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause (Yati) eingehalten. Die Positionslänge der 4. Silbe in Pada 3 bzw. der 3. Silbe in Pada 4 ergibt sich durch die Aufteilung in dun-ma bzw. sid-dhiḥ.
Formen-Rätsel
Auflösung aus Lektion 114
- 1. c) अश्विनौ नाटयथः aśvinau nāṭayathaḥ - ihr beiden stellt die beiden Ashvins dar: gebildet von der Wurzel naṭ "(schauspielerisch) darstellen" (10. bzw. Chur Klasse); die Endung der 2. Person Dual thaḥ tritt an den Präsensstamm nāṭaya-. Die Form aśvinau ist der Akkusativ Dual Maskulinum des Substantivs aśvin (Ashvin), wörtl.: "mit Pferden Ashva versehen". Es handelt sich um pferdeköpfige himmlische Mischwesen, die in vedischer Zeit als die beiden Ärzte der Götter verehrt wurden.
- 2. b) ihr verbreitet die Nachricht - वार्त्तां प्रथयथ vārttāṃ prathayatha: gebildet von der Wurzel prath "ausbreiten, verbreiten" (10. bzw. Chur Klasse); die Endung der 2. Person Plural -tha tritt an den Präsensstamm prathaya-. Die Form vārttāṃ ist der Akkusativ Singular Femininum des Substantivs vārttā "Nachricht" (Vartta). Die Endung m von vārttām geht vor folgendem Konsonanten (hier: p) in Anusvara (ṃ) über, der wie m auszusprechen ist, der Klassennasal der labialen Laute (Varga).
Weblinks
Seminare
Sanskrit und Devanagari
6.11.2020 - 8.11.2020 - Sanskrit
- Du lernst die Grundprinzipien für die korrekte Aussprache von Mantras und von häufigen Yoga Fachbegriffen, den Aufbau des Sanskrit-Alphabets und die Schriftzeichen (Devanagari). So ist dieses Woc…
Bewusstseinstechniken aus dem Vijnana Bhairava Tantra
7.10.2020 - 9.10.2020 - Vijnana Bhairava Tantra
- Tantra benutzt alle Sinne, um durch Achtsamkeits- und Meditationstechniken den Schleier der materiellen Welt zu lüften und hinter allen Erscheinungen reines Bewusstsein - unser wahres Selbst - zu…
- Dr. phil. Oliver Hahn
Siehe auch
- Sanskrit Kurs Lektion 1
- Sanskrit Kurs Lektion 2
- Sanskrit Kurs Lektion 3
- Sanskrit Kurs Lektion 4
- Sanskrit Kurs Lektion 5
- Sanskrit Kurs Lektion 6
- Sanskrit Kurs Lektion 7
- Sanskrit Kurs Lektion 8
- Sanskrit Kurs Lektion 9
- Sanskrit Kurs Lektion 10
- Sanskrit Kurs Lektion 11
- Sanskrit Kurs Lektion 12
- Sanskrit Kurs Lektion 13
- Sanskrit Kurs Lektion 14
- Sanskrit Kurs Lektion 15
- Sanskrit Kurs Lektion 16
- Sanskrit Kurs Lektion 17
- Sanskrit Kurs Lektion 18
- Sanskrit Kurs Lektion 19
- Sanskrit Kurs Lektion 20
- Sanskrit Kurs Lektion 21
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