Sanskrit Kurs Lektion 88: Unterschied zwischen den Versionen

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*Das Adverb '''aśeṣam''' "vollständig, restlos" ist eine nähere Bestimmung zum Verb '''kuryāt'''. Formal ist die Form '''aśeṣam''' der Akkusativ Singular des Substantivs '''a-śeṣa''' "kein Rest".
*Das Adverb '''aśeṣam''' "vollständig, restlos" ist eine nähere Bestimmung zum Verb '''kuryāt'''. Formal ist die Form '''aśeṣam''' der Akkusativ Singular des Substantivs '''a-śeṣa''' "kein Rest".
*Die Verbform '''janayati''' ("bringt hervor, erzeugt") ist die 3. Person Singular [[Indikativ]] (Präsens [[Aktiv im Sanskrit|Aktiv]] bzw. [[Parasmaipada]]) des [[Kausativ]]s der Verbalwurzel '''[[jan]]''' "erzeugt werden, geboren werden", die im Kausativ "erzeugen, hervorbringen" bedeutet.
*Der Akkusativ Singular '''jaṭharāgnim''' ist das '''logische Objekt''' der Verbalhandlung '''janayati''' und ein Kompositum vom Typ [[Tatpurusha]], es bedeutet wörtlich "Bauch-Feuer".
*Die Verbform '''jārayet''' ("verdaut ") ist die 3. Person Singular [[Optativ]] (Präsens [[Aktiv im Sanskrit|Aktiv]] bzw. [[Parasmaipada]]) des [[Kausativ]]s der [[Sanskrit Verbalwurzel|Verbalwurzel]] ([[Dhatu]]) '''[[jri|jṛ]]''' "altern, verfallen", die im Kausativ "verdauen" bedeutet.
*Der Akkusativ Singular '''kāla-kūṭam''' ist das '''logische Objekt''' der Verbalhandlung '''jārayet''' und ein Kompositum vom Typ [[Tatpurusha]].


==Weblinks==
==Weblinks==

Version vom 15. Oktober 2018, 18:19 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Die Verben der 1. Klasse bzw. Bhu Klasse (3)

In Lektion 87 haben wir die Beugung (Konjugation) der Verben der 1. Klasse (Bhu Klasse, thematische Konjugation) in der Gegenwart betrachtet. Nun folgt ein Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika, die Auflösung des Verb-Rätsels aus Lektion 87 sowie ein neues Verb-Rätsel.

Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers im Metrum Malini aus dem ersten Kapitel (Upadesha) der Hatha Yoga Pradipika, das der Praxis der Asanas gewidmet ist. Der 33. Vers beschreibt die Wirkungen von Mayurasana, dem "Pfau".


हरति सकलरोगानाशु गुल्मोदरादीन्
अभिभवति च दोषानासनं श्रीमयूरम् |
बहुकदशनभुक्तं भस्म कुर्यादशेषं
जनयति जठराग्निं जारयेत्कालकूटम् || १.३३ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
harati sakala-rogān āśu gulmodarādīn
abhibhavati ca doṣān āsanaṃ śrī-mayūram |
bahu-kad-aśana-bhuktaṃ bhasma kuryād aśeṣaṃ
janayati jaṭharāgniṃ jārayet kāla-kūṭam || 1.33 ||


  • vereinfachte Transkription:
harati sakala-rogan ashu gulmodaradin
abhibhavati cha doshan asanam shri-mayuram |
bahu-kad-ashana-bhuktam bhasma kuryad ashesham
janayati jatharagnim jarayet kala-kutam || 1.33 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
harati : verscheucht, überwältigt (hṛ, Verb‏‎)
sakala-rogān : alle, sämtliche (Sakala) Krankheiten (Roga, Akk. Pl. m.)
āśu : schnell, geschwind (Ashu, adv.)
gulmodarādīn : (wie z.B.) Unterleibsgeschwulst, vergrößerte Milz (Gulma), (Anschwellung des) Bauch(es, Udara) usw., und andere ("angefangen mit", Adi, Akk. Pl. m.)
abhibhavati : besiegt, überwältigt (adhi + bhū, Verb‏‎)
ca : und (Cha, Partikel)
doṣān : (gestörte) Doshas ("Schaden, Fehler, Gebrechen", ein Übermaß an Vata, Pitta oder Kapha, Akk. Pl. m.)
āsanam : die Körperstellung (Asana, Akk. Sg. n.)
śrī-mayūram : ehrwürdiger (Shri) Pfau (Mayura, Akk. Sg. n.)
bahu-kad-aśana-bhuktam : Nahrung ("Gegessenes" bestehend in, Bhukta) (zu) viel (Bahu) (oder) abgestandene (oder überlagerte "schlechte") Speise(n, Ashana)
bhasma : (zu) Asche (Bhasman, Akk. Sg. n.)
kuryāt : macht, verwandelt (kṛ, Verb‏‎)
aśeṣam : vollständig, restlos (Ashesha, adv.)
janayati : bringt hervor, erzeugt (jan, Verb‏‎)
jaṭharāgnim : das Verdauungsfeuer ("Feuer des Bauches", Jatharagni, Akk. Sg. m.)
jārayet : verdaut (jṛ, Verb‏‎)
kāla-kūṭam : (das Gift) Kalakuta ("Fallstrick des Todes", Akk. Sg. m.)


  • Übersetzung:
Mayurasana, die Pfauenstellung, verscheucht schnell sämtliche Krankheiten wie solche der Milz, des Bauches usw. und besänftigt die gestörten Doshas.
Sie verdaut restlos überreichliche oder abgestandene Nahrung, fördert das Verdauungsfeuer und verdaut sogar das Gift Kalakuta.

Erläuterungen

  • Syntax: Dieser Vers besteht aus fünf Einzelsätzen, die alle Mayurasana (āsanaṃ śrī-mayūram) als logisches Subjekt haben. Jeder Satz (Vakya) besteht aus einem Verb (Kriya, das gegebenenfalls durch ein Adverb ergänzt wird), dem logischen Subjekt (Agens, Kartri, das bereits durch die Verbalendung ausgedrückt wird) sowie einem logischen Objekt (Karman). Alle Sätze stehen in aktiver Konstruktion (Kartari Prayoga), d.h. das logische Subjekt steht im Nominativ und das logische Objekt steht im Akkusativ.
  • Der Akkusativ (Dvitiya) Plural (Bahuvachana) sakala-rogān ist das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung harati. Das Kompositum (Samasa) sakala-rogān gehört zum Typ Karmadharaya. Bei diesem Typ stehen nach der Auflösung des Kompositums beide Glieder im selben Kasus: sakala-rogān = sakalān (Akk. Pl. m.) rogān (Akk. Pl. m.) "sämtliche Krankheiten".
  • Das Kompositum gulmodarādīn gehört zum Typ Tatpurusha und ist eine nähere Bestimmung zu sakala-rogān. Es steht daher gleichfalls im Akkusativ Plural Maskulinum.
  • Die Verbindungspartikel ca "und" steht nie am Satzanfang und wird dem Wort, auf das sie sich bezieht, nachgestellt.
  • Der Akkusativ Plural doṣān ist das logische Objekt der Verbalhandlung abhibhavati.
  • Der Nominativ (Prathama) Singular (Ekavachana) āsanam ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung abhibhavati sowie aller übrigen Verbformen dieses Verses.
  • Der Nominativ śrī-mayūram bezieht sich als Apposition (Visheshana) auf das Substantiv āsanam und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Neutrum: "die Pfau (śrī-mayūram genannte) Stellung (āsanam)". Gemeint ist mayurāsanam, die Pfauenstellung (Mayurasana).
  • Der Akkusativ Singular bahu-kad-aśana-bhuktam ist das erste logische Objekt der Verbalhandlung kuryāt und ein Kompositum vom Typ Tatpurusha. Es lässt sich in bahu-bhuktam "(zu) viel Nahrung" und kad-aśana-bhuktam "Nahrung (in Form von) schlechten Speisen" zerlegen, d.h. die Wörter bahu und kad-aśana werden jeweils einzeln mit dem Grundwort bhuktam kombiniert. Diese eliptische Ausdrucksweise erinnert an deutsche Komposita vom Typ "Hoch- und Tiefbau", was verkürzend für "Hochbau und Tiefbau" steht. Bhukta ist hier das substantivierte PPP der Wurzel bhuj "essen, genießen, erfahen".
  • Der Akkusativ Singular bhasma "zu Asche" ist das zweite logische Objekt der Verbalhandlung kuryāt. "Macht zu Asche" heißt im Zusammenhang mit dem Verdauungs-"Feuer" soviel wie "vollständig verdauen".
  • Die Verbform kuryāt ("macht, sollte machen") ist die 3. Person Singular Optativ (Präsens Aktiv bzw. Parasmaipada) der Verbalwurzel kṛ "machen, tun" (8. bzw. Tan Klasse). Der Optativ drückt hier eine Möglichkeit aus, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft eintritt. Das Verb kuryāt ist hier doppelt transitiv (Dvikarmaka), d.h. es hat ein direktes Objekt (Mukhyakarman, hier: was "gemacht" bzw. umgewandelt wird), und ein indirektes Objekt (Gunakarman, hier: wozu es "gemacht" bzw. umgewandelt wird, nämlich zu Asche).
  • Das Adverb aśeṣam "vollständig, restlos" ist eine nähere Bestimmung zum Verb kuryāt. Formal ist die Form aśeṣam der Akkusativ Singular des Substantivs a-śeṣa "kein Rest".
  • Die Verbform janayati ("bringt hervor, erzeugt") ist die 3. Person Singular Indikativ (Präsens Aktiv bzw. Parasmaipada) des Kausativs der Verbalwurzel jan "erzeugt werden, geboren werden", die im Kausativ "erzeugen, hervorbringen" bedeutet.
  • Der Akkusativ Singular jaṭharāgnim ist das logische Objekt der Verbalhandlung janayati und ein Kompositum vom Typ Tatpurusha, es bedeutet wörtlich "Bauch-Feuer".
  • Der Akkusativ Singular kāla-kūṭam ist das logische Objekt der Verbalhandlung jārayet und ein Kompositum vom Typ Tatpurusha.

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