Licht
Sichtbares Licht (meist als Licht bezeichnet) ist elektromagnetische Strahlung, die für das menschliche Auge sichtbar ist, und es ist Ursache für den Sehsinn. Sichtbares Licht wird überlicherweise definiert mit einer Wellenlänge im Bereich 400 Nanometer (nm) oder 400 x 10-9 m bis 700 Nanometer – zwischen dem infraroten, mit längeren Wellenlängen, und dem ultravioletten, mit kürzeren Wellenlängen. Diese Zahlen stellen nicht die absolute Grenze menschlichen Sehens dar, aber den ungefähren Bereich innerhalb dessen die meisten Menschen gut sehen können. Verschiedene Quellen definieren sichtbares Licht so begrenzt wie 420-680 bis hin zu 380-800 nm. Unter idealen Laborbedingungen können Menschen infrarotes Licht bis hinauf zu mindestens 1050 nm, Kinder und junge Erwachsene bis hinunter zu 310-313 nm sehen.
Die primären Eigenschaften von sichtbarem Licht sind Stärke, Ausbreitungsrichtung, Frequenz oder Wellenlängenspektrum und Polarisation, während seine Geschwindigkeit im Vakuum, 299.792.458 Meter pro Sekunde, eine der fundamentalen Konstanten der Natur ist. Sichtbares Licht, wie alle Arten elektromangetischer Strahlung (EMS), bewegt sich experimentell nachgewiesen im Vakuum immer mit dieser Geschwindigkeit. Wie bei allen Typen von EMS wird sichtbares Licht in kleinen „Paketen“, Photonen genannt, ausgestrahlt und absorbiert und zeigt beide Eigenschaften von Wellen und Teilchen. Diese Eigenschaft wird als Welle-Teilchen-Dualität bezeichnet. Das Studium von Licht, bekannt als Optik, ist ein bedeutendes Forschungsgebiet in der modernen Physik.
Das Brahman an sich
Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 139-155.
Brahman als das Nichtseiende, nach 1,4.14-15
Es wird behauptet, so führt Shankara aus, dass die Vedanta-Texte in Bezug auf die Ableitung der Welt aus dem Brahman, sowie in Bezug auf die Natur des Brahman selbst, vielfach in Widerspruch stünden; in ersterer Hinsicht, sofern bald der Äther, bald das Feuer, bald der Odem als Ersterschaffenes genannt wird, in letzterer, sofern Brahman an einigen Stellen als das Nichtseiende, an andern als das Seiende bezeichnet wird. Was den ersten Punkt betrifft, sagt er, so wird davon später die Rede sein (vgl. Kap. XVIl,1); hier haben wir es nur mit dem letzten zu tun. Allerdings heißt es (Taitt. 2,7) :
- Nichtseiend war am Anfang dieses, daraus entstand das Seiende,
während doch Chand. 6,2,1 gesagt wird: "Seiend nur, o Teurer, war dieses zu Anfang, eines nur und ohne zweites. Zwar sagen einige: nichtseiend sei dieses zu Anfang gewesen, eines nur und ohne zweites; aus diesem Nichtseienden sei das Seiende entstanden. Aber wie könnte es, o Teurer, wohl also sein? Wie könnte aus dem Nichtseienden das Seiende entstehen?"
Hier wird, in der einen wie in der andern Stelle, das allwissende, allmächtige, allbeseelende, zweitlose Wesen als Ursache der Welt bezeichnet (S. 372,7); und wenn in der Taitt. Up. von einem Nichtseienden die Rede ist, so ist darunter nicht ein wesenloses Nichtseiendes zu verstehen, wie schon der vorher (Taitt. 2,6) zitierte Vers beweist:
- Der ist nur ein Nichtseiender, der Brahman als nichtseiend weiß:
- Wer Brahman weiß als Seiendes, heißt dadurch selbst ein Seiender.
Das Wort "seiend" wird gewöhnlich gebraucht, um die in Name und Gestalt entfaltete Welt zu bezeichnen; um nun anzudeuten, dass diese Entfaltung vor der Schöpfung nicht bestand, wird von dem allein seienden Brahman metaphorisch gesagt: Es war gleichsam ein Nichtseiendes (S. 376,7).
Brahman als das Urlicht, nach 1,3,22-23
Mund. 2,2,10 (Kath. 5,15 = Shvet. 6,14) heißt es: "Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht Mond und Sterne, noch leuchten diese Blitze, viel weniger irdisches Feuer: Ihm, dem glänzenden, glänzt alles nach, von seinem Glanze erglänzt alles dieses."
An dieser Stelle ist, wie Shankara erörtert, nicht irgend ein Lichtelement zu verstehen, sondern der höchste Atman, von dem es auch Chand. 3,14,2 heißt: "Licht ist seine Gestalt, Wahrheit sein RatschluSs" (S. 272,9), und von welchem im vorhergehenden (Mund. 2,2,5.9) die Rede ist (S. 274,2). An ein Lichtelement ist nicht zu denken, weil einem solchen Sonne usw. [also auch der Mond!] nicht nachglänzen können, da sie ebensogut wie jenes selbst Lichtelemente sind (S. 272,11); wohl aber können sie alle dem Brahman nachglänzen, denn ein Nachmachen kann auch unter Dingen verschiedener Art stattfinden, wie eine glühende Eisenkugel dem Feuer nachbrennt und der Erdstaub dem Winde nachweht (S. 273,2).
Dazu kommt, dass außer den genannten Lichtelementen, Sonne usw., gar kein anderes vorhanden ist (S. 274,8). — Von des Atman Glanz erglänzt "alles dieses", nämlich entweder: die Sonne usw., in dem Sinne, wie es Brih. 4,4,10 heißt: "Ihn ehren als unsterblich Leben die Götter, als der Lichter Licht", oder es bedeutet: diese ganze Weltentfaltung, wie sie in Namen und Gestalten entstanden ist als "die Vergeltung der Taten am Täter" (Kriya Karaka Phala, S. 273.12; dieselbe Formel S. 291,6. 447,3. 987,6), hat als Ursache die Lichtnatur des Brahman, so wie die Offenbarung alles Gestalteten als Ursache die Lichtnatur der Sonne hat (S. 273,13). Alles was wahrgenommen wird, das wird durch Brahman als Licht wahrgenommen, Brahman aber wird durch kein anderes Licht wahrgenommen, weil es sein Wesen ist, Selbstlicht zu sein, also, dass die Sonne usw. in ihm (Tasmin) leuchten. Denn Brahman offenbart das andere, nicht aber wird Brahman durch das andere offenbart (S. 275,1).
Brahman als letzter, unerkennbarer Urgrund des Seienden
a) Nach 1,2,21-23
Im Eingange der Mundaka Upanishad werden (in anderm Sinne als oben, S. 105 fg.) zwei Wissenschaften unterschieden, eine niedere, welche, wie Shankara bemerkt, Aufschwung (Abhyudaya, vgl. S. 87), und eine höhere, welche Seligkeit als Frucht hat (S. 203,5). Nachdem unter der niedern die vier Vedas nebst den sechs Vedangas (Lautlehre, Grammatik, Etymologie, Metrik, Ritual und Astronomie) aufgezählt worden sind, heißt es weiter, Mund. 1,1,5:
"Aber die höhere ist die, durch welche jenes Unvergängliche erkannt wird: das unsichtbare, ungreifbare, stammlose, farblose, was ohne Augen und Ohren, ohne Hände und Füße ist, das ewige, durchdringende, allgegenwärtige, sehr feine. Dieses ist das Unwandelbare, welches die Weisen erkennen als den Mutterschoß der Wesen. Wie eine Spinne [den Faden] auslässt und zurücknimmt, wie auf der Erde die Kräuter entstehen, wie aus dem lebenden Menschen Haupthaare und Körperhaare, so entsteht aus dem Unvergänglichen dieses Weltall."
Hier ist, wie Shankara entwickelt, der höchste Gott, nicht etwa die Urmaterie oder die individuelle Seele zu verstehen. Denn wenn auch die angeführten Beispiele, der Spinnenleib und der Menschenleib, nur von einem Geistigen regiert, selbst aber ungeistig sind (S. 200,12), so sind dies eben nur Gleichnisse, die man nicht zu weit verfolgen darf (S. 204,14); dass ein geistiges Urwesen zu verstehen ist, beweisen die unmittelbar folgenden und daher hierher zu ziehenden Worte, "er, der alles kennt, alles weiß" (Mund. 1,1,9), welche auf eine ungeistige Urmaterie nicht passen (S. 201,3). — Man könnte auch an die individuelle Seele denken, weil dieselbe allerdings das als Wesen Entstandene seiner moralischen Beschaffenheit nach bedingt (S. 201,9), aber was im Verlaufe folgt, zeigt deutlich, dass nur von dem höchsten Brahman die Rede sein kann. Denn so heißt es weiter, Mund. 2,1,1:
"Dieses ist die Wahrheit: Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken, ihm gleichen Wesens, tausendfach entspringen, so gehen, o Teurer, aus dem Unvergänglichen die mannigfachen Wesen hervor und wieder in dasselbe ein. Denn himmlisch ist der Geist (Purusha), der ungestaltete, der draußen ist und drinnen, ungeboren, der odemlose, wünschelose, reine, noch höher als das höchste Unvergängliche. Aus ihm entsteht der Odem, der Verstand mit allen Sinnen, aus ihm entstehen Äther, Wind und Feuer, das Wasser und, alltragende, die Erde. Sein Haupt ist Feuer, seine Augen Mond und Sonne, die Himmelsgegenden die Ohren, seine Stimme ist des Veda Offenbarung. Wind ist sein Hauch, sein Herz die Welt, aus seinen Füßen Erde; — er ist das innere Selbst in allen Wesen.
Aus dieser Stelle, sagt Shankara, wird deutlich, dass weder an die individuelle Seele zu denken ist, der diese Majestät des Leibes nicht zukommt, noch an die Urmaterie, weil sie nicht das innere Selbst in allen Wesen (Sarva Bhuta Antar Atman) ist (S. 207,12). Wenn dabei dem unsichtbaren Mutterschoß der Wesen eine individualisierte Gestalt beigelegt wird, so geschieht es nicht, um ihm eine wirkliche Individualität zuzuschreiben, sondern nur um anschaulich zu machen, dass er das Selbst des Weltalls (Sarva Atman) ist (S. 208,1). — Schwierigkeit macht es, dass der Atman, welcher oben (S. 141) "das Unvergängliche" hieß, hier "höher als das höchste Unvergängliche" genannt wird. Die Art wie Shankara dieselbe zu lösen sucht, indem er unter dem Unvergänglichen hier den nichtentfalteten, für Namen und Gestalten die Samenkraft bildenden feinen Leib [Kap. XXXI, 3], welcher dem "Herrn als Grundlage dient und nur eine Bestimmung (Upadhi) "von ihm selbst ist" (S. 206,1), verstehen will, sowie auch die von Shankara (S. 208) besprochene Meinung einiger, dass in den Schlussworten des Textes Prajapati (eine kosmogonische Personifikation des Brahman) zu verstehen sei, können wir hier auf sich beruhen lassen.
b) Nach 1,3,10-12
In der Brihadaranyaka Upanishad (3,8) fragt Gargi, die Tochter des Vacaknu (nicht die Gattin des Yajnavalkya, wie Colebr. M. E. S. 343 irrtümlich annimmt) den Yajnavalkya, worin das, was über dem Himmel und unter der Erde und zwischen Himmel und Erde sich befinde, worin das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige eingewoben und angewoben sei, und erhält als Antwort: in dem Äther (Raum) sei dieses alles eingewoben und angewoben. — "Aber worin", so fragt sie weiter, "ist denn der Äther (Raum) eingewoben und angewoben?" — Hierauf antwortet Yajnavalkya:
"Es ist das, o Gargi, was die Brahmanen das Unvergängliche (Aksharam) nennen; es ist nicht grob und nicht fein, nicht kurz und nicht lang, nicht rot [wie Feuer] und nicht anhaftend [wie Wasser], nicht schattig und nicht finster, nicht Wind und nicht Äther, nicht anklebend [wie Lack], ohne Geschmack, ohne Geruch, ohne Auge und ohne Ohr, ohne Rede, ohne Verstand, ohne Lebenskraft und ohne Odem, ohne Mündung und ohne Maß, ohne Inneres und ohne Äußeres; nicht verzehret es irgend was, nicht wird es verzehrt von irgendwem. Auf dieses Unvergänglichen Geheiß, o Gargi, stehen auseinandergehalten Sonne und Mond; auf dieses Unvergänglichen Geheiß, o Gargi, stehen auseinandergehalten Himmel und Erde; auf dieses Unvergänglichen Geheiß, o Gargi, stehen auseinandergehalten die Minuten und die Stunden, die Tag' und Nächte, die Halbmonate, Monate, Jahreszeiten und Jahre; auf dieses Unvergänglichen Geheiß, o Gargi, rinnen von den Schneebergen die Ströme, die einen nach Osten, die andern nach Westen, und wohin ein jeder gehet; auf dieses Unvergänglichen Geheiß, o Gargi, preisen die Menschen den Freigebigen, streben die Götter nach dem Opfergeber, die Väter nach der Totenspende. Wahrlich, o Gargi, wer dieses Unvergängliche nicht kennt und in dieser Welt opfert und opfern Mist und Buße büßt viel tausend Jahre lang, dem bringet es nur endlichen [Lohn]; wahrlich, o Gargi, wer dieses Unvergängliche nicht kennt und aus dieser Welt abscheidet, der ist der Notweilige, wer aber, o Gargi, dieses Unvergängliche kennt und aus dieser Welt abscheidet, der ist der Gottheilige. Wahrlich, o Gargi, dieses Unvergängliche ist sehend, nicht gesehen, hörend, nicht gehört, verstehend, nicht verstanden, erkennend, nicht erkannt. Nicht gibt es außer ihm ein Sehendes, nicht gibt es außer ihm ein Hörendes, nicht gibt es außer ihm ein Verstehendes, nicht gibt es außer ihm ein Erkennendes. Fürwahr, in diesem Unvergänglichen ist der Äther eingewoben und angewoben, o Gargi!"
In dieser Stelle, so erläutert Shankara, bedeutet das Unvergängliche (Aksharam) nicht, wie gewöhnlich, „die Silbe", etwa die heilige Silbe „Om", von der es (Chand. 2,23,4) heißt, "der Laut om ist dieses alles", sondern die höchste Gottheit (S. 242,10); denn auf sie nur passt es, dass in ihr der Äther und durch denselben das Weltall eingewoben sei (S. 242,14), wie denn auch in der erwähnten Stelle (Chand. 2,23,4) der Laut „Om" das Brahman bedeutet (S. 243,3), dessen Eigenschaften der Ewigkeit und Alldurchdringung etymologisch in Aksharam (Na Ksharati, Ashnute Ca, S. 243,4) angedeutet sind. Auch die Urmaterie kann unter dem Unvergänglichen nicht verstanden werden, weil es heißt: "auf dieses Unvergänglichen Geheiß" und "sehend, nicht gesehen" usw., was sich auf ein Geistiges beziehen muss (S. 243,12. 244,8); auf die individuelle Seele aber kann es sich nicht beziehen, weil ihm in den Worten: „ohne Auge und ohne Ohr" usw. alle Bestimmungen (Upadhi) abgesprochen werden, ohne welche die individuelle Seele nicht sein kann (S. 244,13).
Alle Eigenschaften des Brahman, die wir bisher betrachtet haben, waren (soweit sie nicht bildlich zu nehmen sind) rein negativ; nunmehr wenden wir uns zu den beiden positiven Bestimmungen des Wesens der Gottheit, welche uns dieselbe 1) als reines Erkennen, 2) als Wonne kennen lehren.
Brahman als reines Erkennen, nach 1,1,5-11
Vorbemerkung. Wenn man die Schwäche und Hinfälligkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens erwägt, so muss man sich wundern über die Einstimmigkeit, mit welcher dem An-sich-Seienden in der indischen, griechischen und neuen Philosophie als wesentliche Bestimmung Intelligenz zugeschrieben wird. Es ist wohl der Mühe wert, überall den Motiven nachzugehen, welche die Denker alter und neuer Zeit dazu verleitet haben, eine so gebrechliche, nur mit Unterbrechung wirkende, an das organische Leben gebundene und mit diesem dahinfallende Funktion für das Wesen des Wesens der Wesen zu erklären. Diese Motive treten in dem tiefangelegten Gedankenbau der Vedantaphilosophie besonders deutlich zutage. Die Metaphysik nämlich muss sich, um ihre Sache anzugreifen, vor allem nach einem festen und unverrückbaren Punkte der Gewissheit umsehen, und diesen kann sie nirgendwo anders finden, als in dem Bewusstsein des philosophierenden Subjektes; daher das Cartesianische: cogito, ergo sum, und die entsprechende Auseinandersetzung unseres Werkes, welche wir S. 137 fg. mitgeteilt haben. Hier, innerhalb des eigenen Selbstes, gewinnen wir eine untrügliche Anweisung auf das absolute Sein, welches wir suchen: das Unabgängliche muss auch das Unvergängliche, das Unwandelbare muss das allem Wandelbaren zugrunde Liegende sein, eine Überzeugung, welche sich aufs deutlichste darin ausspricht, dass das Prinzip alles Seins der Atman an, d. h. das Selbst, genannt wird. Zu ihm gelangen wir, indem wir, nach und nach von unserm Ich alles das, was Nicht-Ich ist, absondern, also nicht nur die Außenwelt, den Leib und seine Organe, sondern auch den ganzen Apparat der Buddhi oder Erkenntnis (die Indriyas und das Manas). Was übrig bleibt, das sollte nun konsequenterweise als ein Unbewusstes angesprochen werden; aber so weit durfte man nicht gehen, wollte man nicht das ganze Phänomen der Auffassbarkeit entrücken; so blieb man beim Bewusstsein, in dem dieser ganze Eliminationsprozess vor sich geht, als einem Letzten stehen, indem man sich nicht nur der Forderung, mit den Erkenntnisorganen auch die Funktion derselben, das Erkennen, fallen zu lassen, entzog, sondern auch den sehr beachtenswerten Einwendungen der Gegner Trotz bot, die wir sogleich vorführen werden.
Mehrfach, so äußert sich Shankara an der Stelle, die uns beschäftigt, wird im Veda dem Prinzip der Weltschöpfung Erkenntnis zugeschrieben. So wenn es heißt: "Er beabsichtigte (Aikshata): ich will vieles sein, will mich fortpflanzen." (Chand. 6,2,3); — "Er beabsichtigte: Ich will Welten schaffen" (Ait. 1,1,1); — "Er fasste die Absicht, da schuf er den Odem" (Prashna 6,3.4); — "Der alles kennt, alles weiß" usw. (Mund. 1,1,9). — Hieraus folgt, dass wir dem Brahman Allwissenheit, absolutes, unbeschränktes Wissen zuschreiben müssen, dass es, wie eine spätere Stelle (3,2,16) erörtert, reine Geistigkeit (Chaitanyam) und nur diese ist. — Gegen diese Bestimmung erheben nun die Sankhyas folgende Einwendungen:
Erster Einwand: Ein ewiges Erkennen des Brahman würde seine Freiheit in bezug auf die Tätigkeit des Erkennens aufheben (S. 93,1). — Hierauf erwidert SHankara: zunächst ist festzuhalten, dass nur ein ewig aktuelles, nicht ein potentielles Erkennen (wie die Sankhyas es dem Sattva Guna ihrer Urmaterie zuschreiben) der Forderung der Allwissenheit Genüge leistet." Ein solches Erkennen hebt die Freiheit des Brahman nicht auf; denn auch bei der Sonne, obgleich sie fortwährend Wärme und Licht spendet, sagen wir „sie wärmt", „sie leuchtet" und bezeichnen dadurch, dass sie es aus sich selbst, aus freien Stücken tut [S. 95,16; d. h. wohl: das Befolgen der Gesetze seiner eigenen Natur hebt die Freiheit eines Wesens nicht auf].
Zweiter Einwand: Ein Erkennen ist nur möglich, wenn ein Objekt (Karman, wörtlich: „ein Produkt", im Gegensatze zu Karanam, Organ) der Erkenntnis da ist, welches vor der Schöpfung nicht der Fall war (S. 96,1). — Antwort: Wie die Sonne auch scheint, ohne dass etwas da ist, was sie bescheint, so würde das Brahman auch erkennen ohne Objekt der Erkenntnis (vgl. S. 649,10). Ein solches nun ist aber vorhanden, und zwar auch vor der Schöpfung. Welches ist dieses vorweltliche Objekt? — Es sind (S. 96,6) „die weder als Wesenheiten noch als das Gegenteil definierbaren, nicht entfalteten, zur Entfaltung drängenden (Avyakrite, Vyashikirshite) Namen „und Gestalten" der Welt [welche, wie wir S. 75 sahen, als die Vedaworte vor der Schöpfung dem Geiste des Schöpfers vorschweben].
Dritter Einwand: Eine Erkenntnis kann nicht stattfinden ohne Organe des Erkennens, Leib, Sinne usw. (S. 93,4. 96,11). — Antwort: Weil dem Brahman das Erkennen, wie der Sonne das Leuchten, als ewige Naturbestimmtheit einwohnt, deshalb bedarf es zu demselben keiner Organe, wie die individuelle Seele (S. 97,1), welche, wie S. 98 vorläufig ausgeführt wird, nur das durch die Bestimmungen (Upadhi) wie Leib usw. eingeschränkte Brahman selbst und daher nur für den Standpunkt des Nichtwissens von ihm verschieden ist (vgl. S. 60 fg.). Die individuelle Seele ist (S. 100-101) das Selbst des Brahman, und Brahman ist das Selbst der individuellen Seele; denn von Brahman heißt es: (Chand. 6,3,2) „diese Gottheit beabsichtigte: wohlan! Ich will in diese drei „Gottheiten [Feuer, Wasser, Erde] mit diesem lebendigen „Selbste eingehen!" und wiederum heilst es: (Chând. 6,8,7) „dessen Wesens ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die Seele (das Selbst), das bist du, o Shvetaketu!"
Das Selbst bedeutet die eigene Natur; ein Geistiges, wie die individuelle Seele, kann nicht als eigene Natur ein Ungeistiges haben (S. 100,18. 104,9). — Auf diesen Satz, welcher unsern Autoren als unzweifelhaft feststeht, stützen sie sich, wenn sie weiter, zum Beweise der Geistigkeit des Seienden oder der Gottheit, auf zwei Phänomene verweisen, auf das der Erlösung und das des Tiefschlafes. Erlösung ist ein Stehen in Brahman (S. 102,8); da sie anderseits nur ein Zum-Bewusstsein-Kommen des eigenen Selbstes ist (S. 103,7), so folgt, dass Brahman eben dieses Selbst und somit ein Geistiges ist. Wie die Erlösung eine ewige, so ist der tiefe, traumlose Schlaf nach der Schrift (Chand. 6,8,1) eine vorübergehende Vereinigung mit dem Seienden, d. h. mit Brahman, der Ursache der Welt (S. 109,2); das Wort „er schläft" (Svapiti)) bedeutet aber „er ist eingegangen in sich" (Svam Apita); ein Geistiges, wie die individuelle Seele, kann nicht in ein Ungeistiges als in ihr eigenes Selbst eingehen (S. 108,10).
Brahman als Wonne, nach 1,1,12-19; vgl. 3,3,11-13
Das Brahman ist der innerste Kern des Menschen. — Dieser Gedanke wird im zweiten Teile der Taittiriya-Upanishad veranschaulicht durch die (noch nicht bei Badarayana und Shankara, wohl aber in dem spätem Vedantasara eine große Rolle spielende) Theorie von den verschiedenen Schalen (Kosha), mit denen unser Selbst umgeben ist, und durch welche wir durchzudringen haben, um zum Innersten unserer Natur und damit zu Brahman zu gelangen.
Nachdem Taitt. 2,1 kurz erwähnt worden, wie aus dem Atman der Äther, aus diesem der Wind, aus diesem das Feuer, aus diesem das Wasser, aus diesem die Erde, aus dieser die Pflanzen, aus diesen die Nahrung, aus dieser das Sperma, aus diesem der Mensch hervorgegangen seien, heißt es weiter: Dieser Mensch sei nahrungssaftartig (Annarasa Maya), in diesem nahrungssaftartigen Selbste stecke, es erfüllend, ein anderes, das odemartige (Pranamaya) Selbst, in diesem wieder ebenso das verstandartige (Mananamaya) Selbst, in diesem das erkenntnisartige (Vijnananamaya) Selbst, in diesem endlich als innerstes das wonneartige (Anandamaya) Selbst. An jedem dieser fünf hülsenartig ineinander steckenden Selbste werden unterschieden und spezifiziert (vielleicht, indem das Bild eines Vogels vorschwebt) der Kopf, die rechte und linke Seite (Flügel), der Rumpf und „das Unterteil (wörtlich: der Schwanz), das Fundament". Als diese Teile figurieren beim nahrungssaftartigen Selbste die Körperteile, beim odemartigen die Lebensodem nebst dem Äther (im Herzen) und der Erde, beim verstandartigen die vier Veden und die Upanishaden (Adesha), beim erkenntnisartigen Glaube, Wahrheit, Recht, Frömmigkeit (Yoga) und Herrlichkeit; beim wonneartigen Selbste endlich heißt es entsprechend: „Liebe [wörtli: Liebes] ist sein Haupt, Freude seine rechte Seite, Freudigkeit seine linke Seite, Wonne sein Rumpf, Brahman sein Unterleib, sein Fundament" (Taitt. 2,5).
An dieser Stelle ist, nach den Sutras des Badarayana und der sie begleitenden Auslegung, unter dem „wonneartigen Selbste" das Brahman zu verstehen, wie S. 116 aus dem Zusammenhang der Stelle und aus der häufigen Bezeichnung des Brahman als Wonne in der Taitt. Up. wie auch anderweitig (Brih. 3,9,28), endlich auch daraus, dass es von allem das Innerste sei, erwiesen wird. Das Wort „wonneartig" bedeute hier nicht „aus Wonne gemacht", sondern bezeichne nur die Fülle der Wonne des Brahman (1,1,13 p. 117), welches die Quelle alter Wonne sei (1,1,14 S. 118). Weder die individuelle Seele (1,1,16-17 p. 119-120) noch die Urmaterie der Sankhyas (1,1,18 S. 121) seien hier, nach dem ganzen Zusammenhange, zu verstehen; dazu komme, dass die Vereinigung der individuellen Seele mit dem „Wonneartigen" gefordert werde (1,1,19 S. 121-122) in den Worten der Taitt. Up. 2,7: „Denn wenn einer in diesem Unsichtbaren, Unkörperlichen, Unaussprechlichen, Unergründlichen [wörtlich: Bodenlosen] den Frieden, den Standort findet, dann ist er zum Frieden eingegangen; wenn er hingegen in ihm [wie in den vier ersten, noch] eine Höhlung, ein Anderes annimmt [Kommentar: wenn er zwischen sich und ihm einen Unterschied macht], dann hat er Unfrieden; es ist der Unfriede des, der „sich weise dünket."
In schroffem Widerspruche gegen diese (auch bei der Wiederaufnahme des Gegenstandes 3.3,11-13 maßgebende) Auffassung tritt nun aber am Schlusse unseres Abschnittes mit den Worten: „Hier aber ist folgendes zu bemerken" (S. 122,9), eine andere Deutung der Upanishadstelle auf, erklärt die Auffassung des Maya als „bestehend aus" und dann als „die Fülle habend" für ebenso inkonsequent, als wenn man sein Futter nur halb verdaute, und weist dann eingehend nach, wie nicht unter dem „wonneartigen Selbste", sondern erst unter dem, was als „sein Unterteil, sein Fundament" bezeichnet werde, das Brahman verstanden werden dürfe; das wonneartige Selbst sei noch nicht der Kern, sondern erst die innerste Schale, deren wir demnach nicht vier, sondern fünf zu zählen hätten (S. 123,10: Annamaya Adaya Anandamaya Paryantah Panca Koshah Kalpyante). Am Schlusse gibt der Vertreter dieser Meinung eine — allerdings äußerst gezwungene — Erklärung der Sutras in seinem Sinne.
Da beide Auffassungen darin übereinstimmen, als Wesen des Brahman die Wonne (Ananda) zu erkennen, so ist die beregte Differenz für unsern Zweck von keinem besondern Belang. Interessant aber ist es für den literarischen Charakter unseres Werkes, wie für die Geschichte des Vedanta, dass hier in Shankaras Kommentar zwei Meinungen einander gegenüberstehen, von denen, wie uns scheint, die erstere allein dem Texte der Upanishad und dem der Sutras des Badarayana entspricht, die letztere hingegen sowohl den unter Shankaras Namen bekannten Kommentar zur Taittiriya-Upanishad als auch den Vedantasara für sich hat, welcher gleichfalls das Wonneartige als bloße Schale auffasst (Vedantasara, § 56, ed. Boehtl.) und somit fünf Schalen zählt, an denen er, mit Hereinziehung der drei Gunas der Sankhya-Philosophie, seine ganze Psychologie aufbaut.
Entweder nun rührt die letztere Auffassung von einem spätem Interpolator, nicht von Shankara her, dem dann aber auch der Kommentar zur Taittiriya-Upanishad abzusprechen wäre - oder sie ist die des Shankara; im letztem Falle ließe sich annehmen, dass er die erste, zu den einzelnen Sutras gegebene Auffassung von einem frühen Kommentator abgeschrieben habe (eine Möglichkeit, die für den Charakter seines ganzen Werkes von großer Bedeutung wäre, vgl. Anm. 17. 45), oder auch man könnte denken, dass Shankara hier mit Badarayana nicht übereinstimmt, demnach die Sutras zuerst im Sinne Badarayanas erklärt, dann aber diese Erklärung verwirft, um eine andere an ihre Stelle zu setzen, in deren Sinne er nun auch zum Schlusse die Sutras als die einmal rezipierte Autorität der Schule gegen die ursprüngliche Meinung derselben mit Bewusstsein umdeutete.
Brahman als das von allem Übel Freie, nach 1,1,20-21
Die Hymnen des Samaveda ruhen bekanntlich, mit wenigen Ausnahmen (S. 7), auf denen des Rigveda. An diesen Umstand knüpft der Verfasser der (zum Samaveda gehörigen) Chandogya Upanishad an, um zu zeigen, wie auf kosmologischem und auf psychologischem Gebiete gewisse Phänomene auf andern beruhen, während hingegen das Brahman, welches symbolisch als der Mann in der Sonne und der Mann im Auge bezeichnet wird, über alles andere erhaben und von allem Übel frei ist.
Wie auf der Ric das Saman beruht (so wird Chand. 1,6 ausgeführt), ebenso beruhen auf der Erde das Feuer, auf dem Luftraume der Wind, auf den Sternen der Mond, auf dem hellen Lichte der Sonne das Schwarze, ganz Dunkle an derselben (welches man, nach dem Scholiasten, bei sehr angespannter Betrachtung der Sonne erblickt; oder vielleicht: die Sonnenflecken?). „Aber der goldene Mann (Purusha), welcher im Innern der Sonne gesehen wird mit goldnem Bart und goldnem Haar, bis in die Nagelspitzen ganz von Golde, — seine Augen sind wie die Blüten des Kapyasa-Lotos, sein Name ist 'hoch' (Ud), denn hoch über allem Übel ist er; hoch hebt sich über alles Ubel, wer solches weiß; — seine Gesänge (Geshnau) sind Ric und Saman, darum [heißt es] der Hoch-Gesang (Ud Githa), darum auch der Hoch-Sänger (Ud Gatar), denn er ist sein Sänger; die Welten, welche von der [Sonne] aufwärts liegen, über die herrscht er und über die Wünsche der Götter."
Was hier auf kosmologischem (Adhidaivatam), dasselbe wird sodann auch auf psychologischem (Adhyatmam) Gebiete entwickelt. Wie auf der Ric das Saman, so beruhen auf der Rede der Atem, auf dem Auge das Spiegelbild (Atman), auf dem Ohre der Verstand, auf dem hellen Scheine im Auge das Schwarze, ganz Dunkle desselben. „Aber der Mann, welcher im Innern des Auges gesehen wird, der ist diese Ric, dieses Saman, diese Preisrede, dieser Opferspruch, dieses Gebet (Brahman). Die Gestalt, welche jener hat, die hat auch dieser, jenes Gesänge sind auch seine Gesänge, jenes Name sein Name; die Welten, welche von ihm abwärts liegen, über die herrscht er und über die Wünsche der Menschen. Darum die, welche hier zur Laute singen, die besingen ihn; deswegen wird ihnen Gut zuteil."
Hier, erklärt Shankara, müsse man nicht etwa unter dem Mann in der Sonne und im Auge eine durch Wissenschaft und Werke erhobene Einzelseele verstehen (S. 130,3), sondern das Brahman; denn wenn ihm Gestalt und Standort beigelegt werde (S. 130,6. 9), und von Grenzen seiner Macht die Rede sei (S. 130,13), so geschehe dies alles nur zum Zwecke der Verehrung (S. 133,10. 13. 15), indem es sich hier um das attributhafte, nicht um das attributlose Brahman handele (S. 133,7). Auf Brahman allein passe, dass er "hoch über allem Übel" sei (S. 131,10) und dass er, der allbeseelende, als der Gegenstand der geistlichen sowohl wie der weltlichen Gesänge bezeichnet werde (S. 132,1. 8). Denn von ihm heiße es in der Bhagavadgita (10,41):
- Alles, was mächtig ist und schön und üppig,
- Das, wisse, ist ein Teil von meiner Kraft.
Wohl aber müsse man diesen Sonnenpurusha unterscheiden von der in der Sonne verkörperten individuellen Seele (S. 134,2 ; vgl. S. 69), denn so sage die Schrift: (Brih. 3,7,9) „Der, in der Sonne wohnend, von der Sonne verschieden ist, den die Sonne nicht kennt, dessen Leib die Sonne ist, der die Sonne innerlich regiert, — der ist deine Seele, dein innerer Lenker, dein Unsterbliches."
Brahman als kausalitätlos und leidlos, nach 3,3,355-36
Ebenso wie Kant die theoretische Spekulation für unzulänglich erklärte und das menschliche Gemüt mit seinen Anforderungen von ihr ab auf den praktischen Weg verwies, ebenso schon Yajnavalkya in einer höchst merkwürdigen Stelle der Brihadaranyaka Upanishad 3,4-5, deren Besprechung wir aus 3,3,35-36 in den gegenwärtigen Zusammenhang herübernehmen.
(Brih. 3,4:) „Da befragte ihn Ushasta, der Abkömmling des Cakra. «Yajnavalkya», so sprach er, «das immanente, nicht transzendente Brahman, welches als Seele allem innerlich ist, das sollst du mir erklären.» — «Es ist deine Seele, welche allem innerlich ist.» — «Welche, o Yajnavalkya, ist allem innerlich?» — *Die durch den Einhauch einhaucht, „das ist deine Seele, die allem innerlich, die durch den Aus-„hauch aushaucht, das ist deine Seele, die allem innerlich, die „durch den Zwischenhauch zwischenhaucht, das ist deine Seele, „die allem innerlich, die durch den Aufhauch aufhaucht, das „ist deine Seele, die allem innerlich, — dieses ist deine Seele, „die allem innerlich ist.« — Da sprach Ushasta, der Ab-„kömmling des Cakra: « Damit ist nur darauf hingewiesen, „wie wenn einer sagte: das ist eine Kuh, das ist ein Pferd; „aber eben das immanente, nicht transicendente Brahman, die „Seele, welche allem innerlich ist, die sollst du mir er-„klären!» — «Es ist deine Seele, welche allem innerlich ist.» —„aV1'elche, o Yâjnavalkya, ist allem innerlich?» — «Nicht „sehen kannst du den Seher des Sehens, nicht hören kannst „du den Hörer des Hörens, nicht verstehen kannst du den „Versteher des Verstehens, nicht erkennen kannst du den „Erkenner des Erkennens. Er ist deine Seele, die allem „innerlich ist. — Was von ihm verschieden, das ist leidvoll.» —„Da schwieg Ushasta, der Abkömmling des Cakra."
(Brih. 3,5:) „Da befragte ihn Kahola, der Abkömmling des „Kushîtaka. «Yùjüavalkya», so sprach er, «eben das imma-„nente, nicht transfcendente Brahman, welches als Seele allem „innerlich ist, das sollst du mir erklären.» — «Es ist deine „Seele, welche allem innerlich ist.» — «Welche, o Y ùjüavalkya, „ist allem innerlich?» — «Diejenige, welche den Hunger und den Durst, das Wehe und den Wahn, das Alter und den Tod überschreitet. — Wahrlich, nachdem sie diese Seele gefunden [Shank.: erkannt] haben, stehen die Brahmanen ab vom Verlangen nach Kindern und Verlangen nach Besitz und Verlangen nach der Welt und wandern umher als Bettler; denn das Verlangen nach Kindern ist Verlangen nach Besitz, und das Verlangen nach Besitz ist Verlangen nach Welt; denn alle beide sind eitel Verlangen. — Darum, nachdem der Brahmane von sich abgetan die Gelehrtheit, so verharre er in Kindlichkeit; nachdem er abgetan die Kindlichkeit und die Gelehrtheit, so wird er ein Schweiger (Muni); nachdem er abgetan das Nichtschweigen und das Schweigen, so wird er ein Brahmana. — Worin lebt dieser Brahmana? — Darin, worin er lebet, wie es eben kommt. — Was von ihm verschieden, das ist leidvoll.» — Da schwieg Kahola, der Abkömmling des Kushitaka."
Die Bemerkungen des Shankara zu dieser Stelle beschränken sich auf den Nachweis, dass beide Abschnitte zur Einheit einer Vidya gehörig seien (vgl. S. 106), was sich aus dem gleichlautenden Anfange und Schlusse (S. 923,14), aus der Anknüpfung des zweiten Stückes durch die Partikel "eva", "eben" (S. 923,16), sowie auch daraus ergebe, dass beide Male von der innern Seele gehandelt werde (S. 922,7), deren es nur eine gebe, nicht zwei (S. 922,9). Die Wiederholung geschehe wegen der Verschiedenheit der Unterweisung (S. 923,7): das eine Mal werde der Atman als hinausliegend über Ursache und Wirkung (Karya Karana Vyatirikta), das andere Mal als hinausgeschritten über den Hunger und die übrigen Qualitäten des Samsara (Ashanaya Adi Samsara Dharma Alita) geschildert (S. 924,2. 3).
Dass beide Abschnitte ein zusammengehöriges Ganzes ausmachen, ist aus ihrem parallelen Bau evident; im Übrigen mag ein Vergleich derselben lehren, ob wir oben, mit unserer Erinnerung an Kant, den Grundgedanken richtig getroffen haben. Das Brahman ist, so lehrt der erste Abschnitt, theoretisch unerkennbar: Denn weil es bei allem Erkennen erkennendes Subjekt ist, kann es nie für uns Objekt der Erkenntnis werden. Das hiermit sich nicht zufrieden gebende und dieselbe Frage aufs neue aufwerfende Gemüt wird im zweiten Abschnitte darauf verwiesen, das Brahman praktisch zu ergreifen. Dies geschieht, indem man sich stufenweise von der Gelehrtheit (Pandityam) zur kindlichen Einfalt (Balyam, vgl. Ev. Matth. 18,3), von dieser zum Stande des Muni, von diesem zu dem des Brahmana [prägnant, wie Brih. 3,8,10. Chand. 4,1,7] erhebt, welcher auf Familie, Besitz und Weltlust verzichtet, weil dieselben von Brahman verschieden und mithin dem Leiden verfallen sind. —
Über das Wesen der genannten Stufen und speziell über den Begriff des Bulyam kann man noch die Untersuchungen in 3,4,47-50 (S. 1034-1041) vergleichen, aus denen wir nur folgende schöne Smriti-Stelle anführen (S. 1041,8):
- Wen niemand kennt als hoch- noch tiefgeboren.
- Niemand als hochgelehrt noch ungelehrt,
- Niemand als bösen Wandels, guten Wandels,
- Der ist ein Brahmana von rechter Art!
- Verhorg'ner Pflichterfüllung ganz ergeben,
- In Unbekanntheit bring' er zu sein Leben;
- Als wär' er blind und taub und ohne Sinn,
- So ziehe durch die Welt der Weise hin.
Siehe auch
Literatur
- Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
- Vedanta - Der Ozean der Weisheit von Swami Vivekananda
- Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
- Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
- Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985, Vol I - III
- Sri Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
- Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989
Weblinks
- Meditation Anleitungen, darunter einige abstrakte Techniken aus dem Vedanta
- Artikel von Swami Sivananda: Vedanta
- Divine Life Society - Sivananda Ashram
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