Vivekakhyati

Aus Yogawiki
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Vivekakhyati (Sanskrit: विवेकख्याति vivekakhyāti f.) Unterscheidungsschau; Einsicht in den Wesensunterschied zwischem dem Seher (Drashtri) bzw. (Purusha) und der Urnatur (Prakriti). Das Nichterkennen diesen grundsätzlichen Wesensunterschieds zwischen Seher und Urnatur wird im Yogasutra als Nichtwissen (Avidya) bezeichnet.

Viveka Khyati im Yoga Sutra von Patanjali

विवेकख्यातिरविप्लवा हानोपायः || 2.26 ||

viveka-khyātir aviplavā hānopāyaḥ || 2.26 ||

Die Schau (Khyati) der unterscheidenden Erkenntnis (Viveka), die nicht mehr in die Irre geht, ist das Mittel, (das Nichtwissen, Avidya genannt,) aufzugeben.


योगाङ्गानुष्ठानादशुद्धिक्षये ज्ञानदीप्तिराविवेकख्यातेः || 2.28 ||

yogāṅgānuṣṭhānād aśuddhi-kṣaye jñāna-dīptir ā viveka-khyāteḥ || 2.28 ||

Wenn durch die Ausübung der (acht) Glieder (Anga) des Yoga die Unreinheit (Ashuddhi) geschwunden ist, leuchtet die Erkenntnis (Jnana) auf bis hin zur Unterscheidungsschau (Vivekakhyati).

Avidya und Vivekakhyati

Entwickle dauerhafte Unterscheidungskraft

- Ein Vortrag von Sukadev Bretz 2019 -

Kommentar zum Yoga Sutra 2. Kapitel Vers 24-28

Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Fragen:

  • Was ist die Ursache von Identifikation?
  • Was ist die Ursache, dass du in dieser Welt leidest?
  • Und wie kommst du da heraus?

Patanjali schreibt:

Vers 24:

Die Ursache der Verbindung zwischen Purusha und Prakriti ist Avidya - Unwissenheit.

Warum bist du in dieser Welt? Warum identifizierst du dich mit Körper und Psyche? Aus Avidya – Unwissenheit.

Vers 25:

Durch das Überwinden der Unwissenheit verschwindet die Verbindung von Purusha und Prakriti und der Sehende erreicht die Befreiung.

Wie kommst du also aus der Begrenztheit dieser Welt heraus? Durch Überwinden der Unwissenheit. Dadurch hört die Identifikation von Purusha mit Prakriti auf und du erreichst KaivalyaBefreiung.

Vers 26:

Das Mittel, Avidya zu überwinden, ist Vivekakhyati – ungebrochenes Unterscheidungsvermögen.

Viveka bedeutet Unterscheidung. Khyati heißt Grundeinstellung, tiefe Erkenntnis oder auch Begreifen. Vivekakhyati ist also die Grundeinstellung von Unterscheidungskraft. Viveka ist ein wichtiger Begriff sowohl im Yoga Sutra als auch im Jnana Yoga. Das wichtige Werk Viveka Chudamani - Kronjuwel der Unterscheidung, in dem Shankara in 581 Versen beschreibt, wie man die Viveka nutzen kann, zeigt dies besonders deutlich.

Vers 27:

Erleuchtung wird in 7 Stufen erreicht.

Vers 28:

Durch die Übung der verschiedenen Stufen des Yoga verschwinden die Unreinheiten. Das Licht des Wissens erstrahlt und es entsteht ununterbrochenes Unterscheidungsvermögen – Vivekakhyati.

Aus der Unwissenheit heraus kommen – durch Vivekakhyati. Die Logik dieser Verse beschreibt das Konzept des Ganzheitlichen Yoga. Wie in einem vorherigen Vortrag erwähnt, macht es durchaus Sinn, dass der Sehende sich zunächst identifiziert. Dadurch machen wir Erfahrungen, wir lernen etwas, wir bewirken etwas, wir entfalten etwas. Und sich all das bewusst zu machen führt uns zur Befreiung. Nur sollten wir uns nicht damit aufhalten, viel zu bewirken und viel zu entfalten, viel zu erfahren und Neues zu lernen, sondern wir sollen bewusst daran arbeiten, aus der Unwissenheit heraus zu kommen. Wenn du ins Kino gehst, um etwas zu erleben, weißt du, dass du nicht der Schauspieler, die Hauptperson auf der Leinwand bist. Oder im Theater magst du dich identifizieren mit Mutter Courage oder Wilhelm Tell, aber du weißt, du bist es nicht.

Aber in dieser Welt, wo du Dinge zu erfahren hast und wo du auch Dinge bewirken sollst und das Ganze in einer Rolle, identifizierst du dich damit. Also geht es genau darum, sich von dieser Identifikation zu lösen und damit aufzuhören, in der Unwissenheit zu versinken. Wie kommst du also aus der Unwissenheit heraus? Indem du Vivekakhyati übst, immer wieder.

Unterscheidungskraft

Wer bin ich?

Unterscheidung zwischen Selbst und Nichtselbst

Unterscheidungskraft wird auch von Shankara genauer beschrieben. Er bezieht sich im Viveka Chudamani häufig auf Patanjali und das Yoga Sutra. Er nennt dort die Unterscheidung zwischen Selbst und Nichtselbst (Atma Anatma). Mache dir immer wieder bewusst:

  • Ich bin nicht der Körper,
  • ich bin nicht die Psyche
  • und auch nicht das Prana.
  • Ich bin weder meine Rolle
  • noch meine Arbeit,
  • nicht meine Kinder,
  • meine Frau,
  • meine Yogagemeinschaft usw.“

Viveka - Unterscheidung zwischen Selbst und Nichtselbst.

Unterscheidung zwischen Nitya und Anitya

Unterscheidung zwischen Ananda und Sukha – große Freude und kleines Vergnügen. Renne nicht kleinen Vergnügungen hinterher, sie bringen dich in Duhkha - Schmerz, sondern suche Ananda, die große Freude des Selbst.

Unterscheidung zwischen Ananda und Sukha

Unterscheidung zwischen Nitya und Anitya, dem Ewigen und dem Vergänglichen. Verhafte dich nicht ans Vergängliche und erwarte nicht, dass das Vergängliche dir ewige Freude gibt. So vieles vergeht. Lass es vergehen. Das Ewige ist deine wahre Natur.

Unterscheidung zwischen Sat und Asat

Unterscheidung zwischen Sat und Asat, dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Die relative Welt ist nicht wirklich wirklich. Sie ist wie ein Traum, wie ein Schauspiel, wie ein Improtheater oder wie eine Computeranimation. Du bist zwar hier in dieser Welt, so ähnlich wie du vielleicht in eine Computerwelt eintauchst. In der Computerwelt kannst du dir einen sogenannten Avatar zulegen, aber du wirst nicht zu dem Avatar im Computerspiel. Genauso bist du das unsterbliche Selbst und du wirst nicht zum Körper, selbst wenn du das denkst.

Dauerhafte Unterscheidungskraft erlangen

Vivekakhyati heißt, sich diese Dinge immer wieder bewusst zu machen. Die obigen Verse sind im Prinzip Jnana Yoga Verse. Bevor du nämlich denkst, Patanjali hat gesagt „Es gibt einen Sinn in dieser Welt, es gibt den fünffachen Sinn im Leben“ und deshalb muss ich intensiv handeln, ich muss meine Kräfte entwickeln und intensiv erleben usw., sagt er auch: „Auf der einen Seite mag das sein. Langfristig aber löse dich davon. Entwickle Vivekakhyati – dauerhafte Unterscheidungskraft.“

Aber wie kommst du zu dieser Unterscheidungskraft? Das ist nicht so einfach. Es sei denn du übst wirklich Vivekakhyati, dann kommst du zur Befreiung. Aber viele Menschen können eben nicht Khyati (dauerhaft) diese Grundeinstellung von Viveka pflegen. Daher sagt Patanjali im 28. Vers: „Durch die Übung der verschiedenen Stufen des Yoga verschwinden die Unreinheiten. Das Licht des Wissens erstrahlt und es entsteht Vivekakhyati.“

Stufen des Yoga üben

Die acht Stufen des Yoga üben

Wenn es dir also nicht möglich ist, aufzuhören dich zu identifizieren und zügig die Gottverwirklichung zu erreichen, dann übe die Stufen des Yoga:

Über diese Stufen spricht Patanjali dann ab Vers 29. Sie helfen, Unreinheiten zu überwinden. Das ist gut für den Körper, gut fürs Prana, gut für die Psyche, denn du reinigst dort alles. Und dann kommt Jnana Dipti, das heißt Wissen fängt an zu leuchten. Wenn du intensiv übst, kommt plötzlich ein intuitives Wissen, es strahlt und leuchtet. Und dann kommt Vivekakhyati, du weißt wer du wirklich bist und kannst alles andere loslassen.

Kurze Zusammenfassung des 2. Kapitels bis Vers 28

Überwindung der fünf Kleshas

So überwindest du die fünf Kleshas:

Sei dir bewusst: Alles Leiden kommt aus den Kleshas. Um die Kleshas zu überwinden, werde dir zunächst über diesen Prozess bewusst. Jedes Mal wenn du leidest mache dir bewusst, wo du dich identifiziert hast, wo ein Wunsch war, wo eine Abneigung war, welche Ängste das berührt hat. Dann kannst du lernen loszulassen. Und übe spirituelle Praktiken, insbesondere die Meditation, das hilft dir langfristig, dich von den Kleshas zu lösen.

Die fünffachen Untergesetze des Karmas

Die Gesetze des Karma beachten

Was ist der Sinn des Lebens? Warum geschieht, was geschieht? Es gibt die fünffachen Untergesetze des Karmas:

Verhalte dich so, dass du gutes Karma erzeugst. Noch besser erzeuge gar kein Karma. Denn Karma kommt dann, wenn du aus den Kleshas heraus handelst. Wenn du dich nicht identifizierst, nicht aus persönlichen Wünschen heraus handelst, nicht aus persönlichen Ängsten oder Emotionen, dann schaffst du kein neues Karma. Dann musst du nur das bisherige Karma ernten.

Der fünffache Sinn im Leben

Und was auf dich zukommt, hat einen fünffachen Sinn. Der Sinn des Lebens ist nicht, dass du glücklich wirst durch die äußeren Dinge. Denn durch verschiedene Gründe führt alles, was äußerlich passiert, zum Leiden, wenn du dich damit identifizierst. Deshalb erwarte vom Äußeren kein Glücklichsein. Denke nicht, dass du glücklich wirst, wenn du den richtigen Menschen findest, die richtige Arbeit, Leute sich richtig verhalten dir gegenüber, oder du genügend Geld hast, das richtige Haus usw. In dieser Welt „Sarvam dukham vivekinah“ hat Patanjali gesagt. Das Äußere ist immer Grund für Leiden. Glück ist nicht der Sinn der Welt. Dinge geschehen wegen des fünffachen Sinns im Leben:

  • damit du die richtigen Lektionen erhältst, um spirituell zu wachsen
  • damit du lernst
  • damit du Erfahrungen machst
  • damit du etwas bewirkst
  • damit du deine Kräfte entfaltest

Deshalb überlege, was auch immer kommt, was kannst du daraus lernen? Du kannst überlegen: Wie hilft mir das für die Erleuchtung? Welche intensive Erfahrung mache ich dabei? Wie kann mir das helfen etwas zu bewirken? Welche Kräfte und Fähigkeiten sollte ich entfalten oder in anderen wertschätzen oder in der Natur bewundern?

Aber bleibe auch dort nicht haften. Denn die Identifikation damit führt letztlich auch wieder zu Leid. Überwinde die Identifikation durch Vivekakhyati, dauerhafte Unterscheidung, und damit dir das gelingt, übe die verschiedenen Yogapraktiken. Die Yogapraktiken überwinden die Unreinheiten auf allen Ebenen, körperlich, energetisch und psychisch. Und sie helfen dir, das Licht des Wissens zu erlangen, dauerhafte Unterscheidung zu praktizieren und dann Kaivalya – Freiheit zu erlangen.

Hari Om Tat Sat
Om Sarva Mangala Mãngalya
Shive Sarvãrtha Sãdhike
Sharanye Tryambake Gauri
Nãrãyani Namostute
Om Om Om
Yogena Chittasya Padena Vacham
Malam Sharirasya Cha Vaidyakena
Yo'pakarot Tam Pravaram Muninam
Patanjalim Pranjalir Anato'smi
Om Bolo Sadguru Sivananda Maharaj Ji Ki Jay
Om Bolo Shri Guru Vishnu-devananda Maharaj Ji Ki Jay

Dieser Vortrag bildet den Abschluss der Reihe zum Yoga Sutra im Rahmen der Raja-Yoga-Reihe und ist damit Teil der ganzheitlichen Yoga Vidya Schulung.

Natürlich solltest du nicht nur die Vorträge hören oder lesen, sondern Asana Pranayama Meditation üben.

Buchempfehlung: Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute

Weitere Kommentare, Videos und Audios zum Yoga Sutra im Yoga Vidya Schriften Blog.

Video - Avidya und Vivekakhyati

Hier ein Vortrag zum Thema Avidya und Vivekakhyati - Yogasutra II 24-28 von und mit Sukadev Bretz aus der Reihe Yoga Vidya Schulung, Vorträge zum ganzheitlichen Yoga.

Siehe auch

Literatur

Seminare

Raja Yoga, Positives Denken, Gedankenkraft

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