Essener Brot
Essener Brot im ursprünglichen Sinne ist ein fladenförmiges Rohkostbrot aus Weizenkeimlingen, welches in der Sonne getrocknet wird. Die Bezeichnung Essener verweist auf eine jüdische, asketisch lebende Glaubensgemeinschaft der Antike, die vor ca. 2000 Jahren als Zeitgenossen Jesu in der Gegend des heutigen Israel, Syrien und Ägypten gelebt und dieses Brot zubereitet haben soll.
Zur literarischen Quelle des Essener Brotes
Der Name „Essener Brot“ geht auf ein Buch von Edmond Bordeaux Szekely (1905–1979) zurück, welches als „Geheimes Evangelium“, „Friedensevangelium der Essener" oder „Evangelium des vollkommenen Lebens“ seit 1968 immer wieder neu aufgelegt wird. Es soll eine Übersetzung einer (nicht nachgewiesenen) aramäischen Handschrift aus Vatikanarchiven sein. Das Buch beschreibt u.a. eine besondere vegetarische Lebensweise der Essener, bei welcher auf gekochte und gefrorene Speisen verzichtet wird. Die Herstellung des Brotes ist dort wie folgt beschrieben:
„Wie sollen wir denn unser täglich Brot ohne Feuer bereiten?" fragten einige in großem Erstaunen.
Jesus sprach: „Lasst die Engel Gottes euer Brot bereiten. Befeuchtet euren Weizen, damit der Wasserengel in ihn trete. Dann setzt ihn der Luft aus, damit auch der Luftengel ihn umarme. Und lasst ihn vom Morgen bis zum Abend in der Sonne stehen, damit der Sonnenengel in ihn herabsteige. Und der Segen der drei Engel wird bald den Lebenskeim in eurem Weizen zum Sprießen bringen.
Zerquetscht nun eure Körner und macht dünne Waffeln (Oblaten), wie eure Vorväter getan, als sie aus Ägypten, dem Hause der Knechtschaft, auszogen. Legt bei Sonnenaufgang diese Oblaten wieder in die Sonne, und wenn sie am höchsten steht, so wendet die Teigscheiben, damit auch die untere Seite vom Sonnenengel umarmt werden kann. Bei Sonnenuntergang ist euer Brot gebacken.
Denn die Engel des Wassers, der Luft und der Sonne haben den Weizen auf dem Felde genährt und gereift, und ebenso müssen auch sie euer Brot bereiten. Und die gleiche Sonne, die mit dem Lebensfeuer den Weizen wachsen und reifen machte, muss auch euer Brot mit dem gleichen Feuer backen. Denn das Feuer der Sonne gibt dem Weizen, dem Brot und dem Leib das Leben. Doch das Feuer des Todes tötet den Weizen, das Brot und den Leib. Und die lebendigen Engel des lebendigen Gottes dienen nur lebendigen Menschen. Denn Gott ist der Gott der Lebenden und nicht der Gott der Toten.”
Essener Brot im Angebot
In Folge der Veröffentlichung des Buches „Friedensevangelium der Essener" von Edmond Bordeaux Szekely werden seit Anfang der achtziger Jahre Vollkornbrote mit gekeimtem Getreideanteil als Essener Brot verkauft.
Solche Brote sind im Unterschied zum „Originalrezept“ meist nicht sonnengetrocknet, sondern werden im Backofen oder einem speziellen (Solar)Trockner getrocknet bzw. gebacken. Die Keimlinge verschiedener Getreidearten werden maschinell verarbeitet und oft werden Triebmittel (Sauerteig, Hefe, Backfermente) und weitere Zutaten wie Gewürze zugegeben.
Groß sind entsprechend die (Qualitäts)Unterschiede im Angebot. Der Anteil an gekeimtem Getreide im Essener Brot variiert sehr stark und die zur Herstellung eingesetzten Temperaturen reichen von 35-40 Grad Celsius zum Trocknen der Fladen für Rohköstler bis zu herkömmlichen Brotbacktemperaturen.
Essener Brot lässt sich also in breiter Geschmacks- und Konsistenzvielfalt finden. Es wird meist von Bioläden und Vollkornbäckereien angeboten, kann frisch oder abgepackt gekauft werden und ist auch im Internet bestellbar. Einige Hersteller bieten sogar mit Quellwasser bereitetes und sonnengetrocknetes „Echtes Essener Brot“ an.
Essener Brot - Vorzüge einer lebendigen Nahrung
Die Kraft des Keimlings, welcher, um aufzusprießen, alle Ressourcen mobilisiert, macht Essener Brot zu einem wertvollen lebendigen, nahrhaften Lebensmittel.
Während des Keimens bewirken Um- und Abbauprozesse im Keim einen Anstieg des Gehalts an Vitaminen, essentiellen Aminosäuren, einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Mineralien und Spurenelementen wie Kalzium, Kalium, Magnesium, Zink, Eisen und Phosphor. Letztere kann der Körper in diesem Setting außerdem besser aufnehmen als aus dem „schlafenden“ Korn. Der Gesamteiweißgehalt nimmt zum Beispiel um zwanzig Prozent zu. Der Gesamtfettgehalt sowie der Kaloriengehalt nehmen ab.
Im gleichen Zuge werden Tannine, Phytinsäuren und andere Stoffe, die Brot normalerweise so schwer verdaulich machen, abgebaut. (Phytinsäure behindert beispielsweise die Verfügbarkeit von Mineralstoffen.)
Die beim Keimvorgang aktivierten Enzyme dienen zur Aufspaltung des Stärke- und Proteinvorrats im Korn und zur Vitaminbildung. Der Abbau des Proteins Gluten, also jenes (Kleber)Eiweißes, welches die Backfähigkeit eines Teiges ausmacht und somit gewünscht ist, kann durch niedrigere Keimtemperaturen verlangsamt werden (ohne die Bildung von Vitaminen dadurch stärker zu beeinträchtigen).
Im Vergleich zu normalem Brot liegt zudem bei Essener Brot der glykämische Index weit geringer. Dieser sogenannte Glyx beschreibt die blutzuckersteigernde Wirkung eines Lebensmittels. Verzehrt man Lebensmittel mit einem hohen Glyx, so steigt der Zuckerspiegel im Blut schnell an, was auf die Dauer zu Übergewicht und Fettleibigkeit führen kann. Bei Weißbrot liegt der Glyx beispielsweise bei ca. 70 (von 100), bei Vollkornbrot bei ca. 40. Essener Brot in Rohkostqualität hat dagegen einen Glyx zwischen 15 und 30.
Essener Brot weist also insgesamt viele Vorzüge auf, die es nahrhafter und leichter verdaulich machen als herkömmliches Brot. Es sättigt, ohne den Körper zu belasten. Selbst bei gebackenem Essener Brot ist ein erhöhter Vitamingehalt nachzuweisen. Bei einigen Sorten wird besonders auf den hohen Gehalt an natürlicher, bioverfügbarer Folsäure hingewiesen.
Essener Brot selbst machen? Selbst machen!
Bedauerlicherweise wird herkömmliches Brot heutzutage mit vitalstoffarmen Auszugsmehlen und einer Vielzahl an Lebensmittelzusatzstoffen gebacken. Es gibt aber doch auch gute Alternativen. Der Handel bietet beispielsweise Bio-Essener Brot in Rohkostqualität an - mit Quellwasser zubereitet und sonnengetrocknet. Das ist sicherlich eine der gesündesten, wenngleich kostspieligeren Varianten.
Wie wäre es deshalb wohl, sich die Freude nicht entgehen zu lassen, einmal selbst die Engel der Luft, des Wassers und der Sonne einzuladen und solches Brot zu backen und zu teilen? Das macht bestimmt auch Kindern viel Spaß.
Du könntest Dich dafür vom oben genannten Zitat aus dem „Friedensevangelium“ leiten lassen oder auch folgendes Grundrezept für Essener Brot aus dem Buch „Ernährung für Mensch und Erde“ von Christian Opitz zu Hilfe nehmen:
„Gekeimten Weizen zu einem Brei verarbeiten. Etwas frisch gemahlenes Vollkornmehl daruntermischen, bis ein fester Teig entsteht. Ein wenig Öl, eine Prise Meersalz und etwas Kreuzkümmel runden Geschmack und Konsistenz ab. Den Teig zu dünnen Fladen (nicht mehr als ½ cm dick) von 15-20 cm Durchmesser ausrollen. Im Ofen 3-4 Stunden bei 40 bis 50 °C trocknen. Wenn die Ofentür einen Spalt offengelassen wird und dadurch der Dampf abziehen kann, wird das Brot nicht wärmer als 40°C. Es hat daher Rohkostqualität.“
Das Rezept lässt sich geschmacklich beliebig mit (am besten gekeimten) Sonnenblumenkernen, Sesam oder Leinsamen, gemahlenen Nüssen oder Mandeln und Gewürzen wie Koriander und Kardamon variieren.
Leckere Beigaben für eine vitalisierende Brotzeit sind zum Beispiel native, kaltgepresste Öle wie Olivenöl, Kürbiskernöl, Leinöl und Kräuteröle sowie Oliven oder Wildkräuter.
Übrigens sollten die Keimlinge nicht älter als zwei bis vier Tage alt sein, da sich der Nährstoffgehalt im Keimling in diesen ersten Tagen erhöht, danach aber wieder abgebaut wird, um dem Keimling zum Wachsen zur Verfügung zu stehen. Zur optimalen Keimung kann man spezielle Keimgeräte benutzen.
Im Internet findest Du weitere Rezeptvorschläge, die auch näher auf den Keimprozess eingehen (siehe u.a. Weblinks).
Zum Schluss sei noch daran erinnert, wie wichtig es ist, alles gut zu kauen, da die Verdauung im Mund beginnt. Stärke wird beim Kauen im Mund vorverdaut, das dafür benötigte Enzym Ptyalin kommt nur im Speichel vor. Wird dieser Vorgang durch ungenügendes Kauen übergangen, so erreicht die Stärke den Magen, wo die entsprechenden Verdauungsenzyme fehlen. Es kommt es zu Gärungsprozessen, die Blähungen, Sodbrennen und andere Verdauungsbeschwerden hervorrufen können.
Essenische Inspiration
Wie wir vom römisch-jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus in seinem Werk „De bello Judaico“ (Der jüdische Krieg, Buch II, 8. Kapitel) erfahren, waren die Mahlzeiten für die Essener eine Art heiliges Ritual, wofür sie sich zuvor einer Waschung unterzogen und ein besonderes Gewand anlegten. Sie trafen sich zum Speisen in einer dafür vorgesehenen Halle, sprachen vor und nach dem Essen Gebete und nahmen die einfachen aus (vermutlich Essener) Brot und einem (einzigen) Gericht bestehenden Mahlzeiten in Stille ein. Sie sollen übrigens sehr heilkundig gewesen sein und ein Alter von über hundert Jahren erreicht haben.
Die Existenz der Essener selbst und der Ursprung des Essener Brotes bleiben umstritten. Die Wahrheit mag so oder so und möglicherweise noch ganz anders liegen. In Bezug auf die Idee „Essener Brot“ mag das aber vielleicht gar nicht so ausschlaggebend sein, solange wir sie gut finden und uns damit wohl fühlen.
Lassen wir uns von Flavius‘ Überlieferungen und den Aussagen in Edmond Bordeaux Szekelys „Friedensevangelium der Essener" inspirieren, so können wir in Zeiten von Fertignahrung , Fast Food und Coffee to go der natürlichen Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme vielleicht auch wieder ein wenig mehr Wertschätzung schenken und unsere Mahlzeiten zu einem be-sinnlich-en Moment voll Genuss und stiller Freude machen. Mit Liebe und eigenen Händen zubereitete Speisen aus frischen und hochwertigen Zutaten können uns daran erinnern, wie wertvoll Lebensmittel sind und wie wundervoll sie Körper, Geist und Seele nähren.
Ein Brot, welches die Kraft der Elemente - des Feuers der Sonne, der Luft und des Wassers – in sich aufgenommen hat, lebendig, rein und ursprünglich ist, und welches Du in Dankbarkeit und Ruhe im Kreise Deiner Nächsten verzehrst, wird Dich satt machen auf vielerlei Weise.
Du kannst aus Deiner Brotzeit eine hingebungsvolle Meditation machen, eine Opfergabe an das Verdauungsfeuer im Inneren Deines Körpers, welcher ein Tempel Gottes ist. Aus dieser Achtsamkeit heraus können Gesundheit und ein friedliches, fröhliches Gemüt erwachsen.
Siehe auch
Literatur
- Edmond Bordeaux Székely: Das Friedens Evangelium der Essener. Die Schriften der Essener. Band 1, Verlag Neue Erde, 1996
- Christian Opitz : Ernährung für Mensch und Erde. Grundlagen einer neuen Ethik des Essens, Hans-Nietsch-Verlag, 2001
- John Robbins, Dean Ornish, Eric Kearney: Food Revolution, Hans-Nietsch-Verlag, 2003
- René Gehring: Flavius Josephus und die philosophischen Schulen der Juden - Pharisäer, Sadduzäer, Essener und die "vierte" Schule des Judas und Sadduk, Grin Verlag Gmbh, 2013
- Stuart Wilson, Joanna Prentis: Die Essener - Kinder des Lichts, Schirner, 2008
- Anne Givaudan: Auralesen und alte Therapien der Essener, Silberschnur, 2007
- Ute-Marion Wilkesmann: Brötchen statt Brot: von Rohkost über vegan bis vollwertig backen, Books on Demand, 2012
Weblinks
- Echtes Essener-Brot selbst gemacht - eine Rohkost-Spezialität - Artikel von Henning Müller-Burzler
- Brot aus Keimlingen - Artikel vom Zentrum für Gesundheit
- Essener Brot - gut verdaulich und gesund - Artikel von Stephan Engelhardt
- Rezept Essener Brot
- www.essener-brot.de
- Über die Essener - Flavius Josephus
- Wer waren die Essener und was lehrten sie? - Pura Maryam Sophyah
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