Sanskrit Kurs Lektion 42: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 30. September 2024, 14:15 Uhr
Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.
Der Infinitiv (1)
Der Infinitiv ist die hinsichtlich Person (Purusha) und Zahl (Numerus, Vachana) "unbestimmte" Form des Verbs (Akhyata).
Im Deutschen entspricht der Infinitiv der Wörterbuchform bzw. Zitierform eines Verbs, etwa gehen (gam), sagen (vac) oder kochen (pac). Im Sanskrit ist die im Wörterbuch erscheinende Zitierform jedoch nicht der Infinitiv, sondern die Verbalwurzel (Dhatu).
Ein Sanskrit-Infinitiv ist im Deutschen entweder als Infinitiv mit "zu" oder ohne "zu" wiederzugeben, z. B.: "Sie hat etwas zu sagen" oder "Er will etwas sagen".
Bildung
Im (klassischen) Sanskrit wird ein Infinitiv gebildet, indem an die Verbalwurzel (Dhatu), welche die Vollstufe (Guna) erhält, das Suffix (Pratyaya) -tum angefügt wird.
- man "meinen, denken" (Wurzel) + -tum (Infinitiv-Suffix) > mantum "(zu) meinen, (zu) denken"
- sthā "stehen, bleiben" (Wurzel) + -tum (Infinitiv-Suffix) > sthātum "(zu) stehen, (zu) bleiben"
Dabei kann zwischen die Wurzel und das Suffix der Puffervokal -i- treten, beim Kausativ ist dies stets der Fall.
- car "wandeln" (Wurzel) + i + -tum (Infinitiv-Suffix) > caritum "(zu) wandeln"
- budh "erwachen" (Wurzel), Kausativstamm bodhay(a) + i + -tum (Infinitiv-Suffix) > bodhayitum "(zu) erwecken"
Endet die Verbalwurzel auf einen Konsonanten (Vyanjana), so erfährt dieser beim direkten Zusammentreffen mit dem Suffix -tum gemäß der Wohllautregeln des Sandhi gewisse Veränderungen.
- bhid "spalten" (Wurzel) + -tum (Infinitiv-Suffix) > bhettum "(zu) spalten" (der Wurzelauslaut d wird zu t)
- yuj "verbinden" (Wurzel) + -tum (Infinitiv-Suffix) > yoktum "(zu) verbinden" (der Wurzelauslaut j wird zu k)
Verwendung des Infinitivs
Im Sanskrit gibt es eine große Vielfalt von Verwendungsmöglichkeitn des Infinitivs. In den meisten Fällen kann ein deutscher Infinitiv mit oder ohne "zu" auch mit einem Sanskrit-Infinitiv wiedergegeben werden. Der Infinitiv kommt bspw. zum Einsatz, wenn ein Ziel oder Zweck, eine Fähigkeit, eine Gelegenheit, ein Wunsch oder eine Erlaubnis ausgedrückt werden soll.
Eine weitere, für das Sanskrit typische ("idiomatische") Verwendung des Infinitivs ist die in Verbindung mit Modalverben ("dürfen", "können", "mögen", "müssen", "sollen" und "wollen").
Übersicht: Der Infinitiv einiger wichtiger Verben
Verbalwurzel | Infinitiv | Bedeutung |
---|---|---|
man | mantum | (zu) meinen, denken |
gam | gantum | (zu) gehen |
vac | vaktum | (zu) sagen, sprechen, reden |
pac | paktum | (zu) kochen |
prach | praṣṭum | (zu) fragen |
dā | dātum | (zu) geben, schenken |
jñā | jñātum | (zu) wissen, erkennen |
sthā | sthātum | (zu) stehen, bleiben |
i | etum | (zu) gehen |
iṣ | eṣṭum | (zu) suchen, wünschen |
bhid | bhettum | (zu) spalten |
budh | boddhum | (zu) erwachen, erkennen |
budh (Kausativ) | bodhayitum | (zu) erwecken, erkennen lassen |
bhuj | bhoktum | (zu) genießen, essen |
yuj | yoktum | (zu) verbinden |
kṛ | kartum | (zu) tun, machen, handeln |
bhṛ | bhartum | (zu) tragen, bringen |
dṛś | draṣṭum | (zu) sehen |
dah | dagdhum | (zu) (ver)brennen |
vah | voḍhum | (zu) tragen |
sah | soḍhum | (zu) ertragen |
car | caritum | (zu) wandeln |
pat | patitum | (zu) fallen |
bhū | bhavitum | (zu) sein, existieren |
Übung 1
- Devanagari: किं द्रष्टुं विद्यते |
- wissenschaftliche Transliteration: kiṃ draṣṭuṃ vidyate |
- vereinfachte Transkription: kim drashtum vidyate |
- Wort-für-Wort-Übersetzung: Was (Kim, Nom. Sg. n.) zu sehen (Infinitiv, dṛś) es gibt ("es findet sich" vid, Verb), d.h. "Was gibt es zu sehen?"
Erläuterungen
- Im Sanskrit gibt es kein extra Fragezeichen. Das am Anfang des Satzes (Vakya) stehende Interrogativpronomen kim signalisiert die Frage (Prashna).
- Der Infinitiv draṣṭum ist von der Wurzel dṛś "sehen" abgeleitet. Er wird hier als Infinitiv mit zu übersetzt: "zu sehen".
- Die Verbform vidyate ("es gibt", wörtl. "wird gefunden") ist die 3. Personen Singular Passiv der Verbalwurzel (Dhatu) vid "finden, antreffen".
Übung 2
- Devanagari: युक्तमेतद्भोजनं दातुम् |
- wissenschaftliche Transliteration: yuktam etad bhojanaṃ dātum |
- vereinfachte Transkription: yuktam etad bhojanam datum |
- Wort-für-Wort-Übersetzung: (Es ist) recht (Yukta, Nom. Sg. n.) diese (Etad, Akk. Sg. n.) Speise (Bhojana, Akk. Sg. n.) zu geben (Infinitiv, dā), d.h. "Es ist recht, diese Speise zu geben."
Erläuterungen
- Das Adverb yuktam "recht" ist als Umstandsbestimmung der Art und Weise eine nähere Bestimmung zum Infinitiv dātum. Das deutsche Hilfsverb "sein" (hier: "es ist") muss im Sanskrit nicht unbedingt ausgedrückt werden. Es wird hier im Zusammenhang mit yuktam (im Geiste) ergänzt: "es ist recht".
- Das Demonstrativpronomen etad bezieht sich syntaktisch auf bhojanam und steht daher ebenfalls im Akkusativ Singular Neutrum.
- Der Infinitiv dātum ist von der Wurzel dā "geben, schenken" abgeleitet. Er wird hier als Infinitiv mit zu übersetzt: "zu geben".
Übung 3
- Devanagari: साधुर्वैद्यः पक्तुं जानाति |
- wissenschaftliche Transliteration: sādhur vaidyaḥ paktuṃ jānāti |
- vereinfachte Transkription: sadhur vaidyah paktum janati |
- Wort-für-Wort-Übersetzung: Ein guter (Sadhu, Nom. Sg. m.) Arzt (Vaidya, Nom. Sg. m.) zu kochen (pac, Infinitiv) versteht ("er weiß" jñā, Verb), d.h. "Ein guter Arzt versteht zu kochen."
Erläuterungen
- Das Adjektiv sādhuḥ ist eine nähere Bestimmung (Visheshana) zu vaidyaḥ und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum.
- Der Nominativ Singular vaidyaḥ ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung jānāti.
- Der Infinitiv paktum ist von der Wurzel pac "kochen" abgeleitet. Er wird hier als Infinitiv mit zu übersetzt: "zu kochen".
- Die Verbform jānāti ("er weiß, er versteht") ist die 3. Person Singular (Indikativ Präsens Aktiv bzw. Parasmaipada) von der Verbalwurzel (Dhatu) jñā "wissen, kennen, verstehen".
- Sandhi: Die Form sādhur steht für sādhuḥ, da Visarga (ḥ) vor Vokalen zu -r wird, wenn er nicht zwischen zwei a-Lauten (kurz oder lang) steht. Das auslautende m von paktum geht vor einem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara (ṃ) über.
Übung 4
- Devanagari: स कुम्भकारः सुन्दरान्कुम्भान्कर्तुं शक्नोति |
- wissenschaftliche Transliteration: sa kumbhakāraḥ sundarān kumbhān kartuṃ śaknoti |
- vereinfachte Transkription: sa kumbhakarah sundaran kumbhan kartum shaknoti |
- Wort-für-Wort-Übersetzung: Dieser (Tad, Nom. Sg. m.) Töpfer (Kumbhakara, Nom. Sg. m.) schöne (Sundara, Akk. Pl. m.) Töpfe (Kumbha, Akk. Pl. m.) machen (kṛ, Infinitiv) kann (śak, Verb), d.h. "Dieser Töpfer kann schöne Töpfe machen."
Erläuterungen
- Das Demonstrativpronomen saḥ bezieht sich syntaktisch auf kumbhakāraḥ und steht daher ebenfalls im Nominativ Singular Maskulinum.
- Der Nominativ Singular kumbha-kāraḥ ist das logische Subjekt (Agens, Kartri) der Verbalhandlung śaknoti. Das Kompositum kumbha-kāraḥ bedeutet wörtlich "Topf-Macher" (Kumbha-Kara) und gehört zum Typ Tatpurusha.
- Das Adjektiv sundarān ist eine nähere Bestimmung zu kumbhān und steht daher ebenfalls im Akkusativ Plural Maskulinum.
- Der Akkusativ Plural kumbhān ist das logische Objekt (Karman) des Infinitivs kartum.
- Der Infinitiv kartum ist von der Wurzel kṛ "machen" abgeleitet. Er wird hier als Infinitiv ohne zu übersetzt: "machen".
- Die Verbform śaknoti ("er kann, er vermag") ist die 3. Person Singular Indikativ (Präsens Aktiv bzw. Parasmaipada) der Verbalwurzel (Dhatu) śak "können, vermögen".
- Sandhi: Der Nominativ Singular Maskulinum des Demonstrativpronomens Tad lautet saḥ. Die Form sa (ohne Visarga) steht allerdings regelmäßig vor Wörtern mit konsonantischem Anlaut. Das auslautende m von kartum geht vor einem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara (ṃ) über.
Fragen und Feedback
Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.
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Siehe auch
- Sanskrit Kurs Lektion 1
- Sanskrit Kurs Lektion 2
- Sanskrit Kurs Lektion 3
- Sanskrit Kurs Lektion 4
- Sanskrit Kurs Lektion 5
- Sanskrit Kurs Lektion 6
- Sanskrit Kurs Lektion 7
- Sanskrit Kurs Lektion 8
- Sanskrit Kurs Lektion 9
- Sanskrit Kurs Lektion 10
- Sanskrit Kurs Lektion 11
- Sanskrit Kurs Lektion 12
- Sanskrit Kurs Lektion 13
- Sanskrit Kurs Lektion 14
- Sanskrit Kurs Lektion 15
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