Sanskrit Kurs Lektion 110: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Hinweise zur Aussprache:''' Alle acht Silben jedes [[Pada]] werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause ([[Yati]]) eingehalten, so dass die letzte Silbe eines Pada stets als lang gilt, unabhängig von ihrer tatsächlichen Kürze oder Länge (× "Anceps"). Dies betrifft hier insbesondere '''ti''' - die 8. Silbe des dritten Pada - die für sich genommen kurz wäre. Die Positionslänge der 1. und 4. Silbe ([[Pada]] 3) bzw. der 1. und 6. Silbe ([[Pada]] 4) ergibt sich durch die Aufteilung in '''abh-yā''', '''sid-dhi''', '''sar-va''' und '''tan-dri'''.
'''Hinweise zur Aussprache:''' Alle acht Silben jedes [[Pada]] werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause ([[Yati]]) eingehalten, so dass die letzte Silbe eines Pada stets als lang gilt, unabhängig von ihrer tatsächlichen Kürze oder Länge (× "Anceps"). Dies betrifft hier insbesondere '''ti''' - die 8. Silbe des dritten Pada - die für sich genommen kurz wäre. Die Positionslänge der 1. und 4. Silbe ([[Pada]] 3) bzw. der 1. und 6. Silbe ([[Pada]] 4) ergibt sich durch die Aufteilung in '''abh-yā''', '''sid-dhi''', '''sar-va''' und '''tan-dri'''.
== Formen-Rätsel ==
=== Auflösung aus [[Sanskrit Kurs Lektion 109|Lektion 109]] ===
*'''1. c) अनाहतं शब्दं शृणोमि anāhataṃ śabdaṃ śṛṇomi - ich höre den unangeschlagenen Ton''': gebildet von der [[Sanskrit Verbalwurzel|Wurzel]] '''[[shru|śru]]''' "hören"; die Endung der 1. Person Singular '''-mi''' tritt an den starken Präsensstamm '''śṛṇo-'''. Die Form '''anāhatam''' ist der Akkusativ Singular Maskulinum des [[Sanskrit Adjektiv|Adjektiv]]s '''anāhata''' "unangeschlagen" ([[Anahata]]), '''śabdam''' ist der Akkusativ Singular Maskulinum des [[Sanskrit Substantiv|Substantiv]]s '''śabda''' "Ton, Klang" ([[Shabda]]).
Das auslautende '''m''' von '''anāhatam''' und '''śabdam''' geht vor einem Konsonanten ([[Vyanjana]]) in [[Anusvara]] ('''ṃ''') über, der hier wie '''m''' ausgesprochen wird.
*'''2. a) ihr presst den Zuckerrohrsaft aus - इक्षुं सुनुथ ikṣuṃ sunutha ''': gebildet von der Wurzel '''[[su]]''' "auspressen"; die Endung der 2. Person Plural '''-tha''' tritt an den schwachen Präsensstamm '''sunu-'''.  Die Form '''ikṣum''' ist der Akkusativ Singular Maskulinum des Substantivs '''ikṣu''' "Zuckerrohrsaft" ([[Ikshu]]).
Das auslautende '''m''' von '''ikṣum''' geht vor einem Konsonanten in [[Anusvara]] ('''ṃ''') über, der hier wie '''m''' ausgesprochen wird.


== Fragen und Feedback ==
== Fragen und Feedback ==

Version vom 27. April 2020, 16:12 Uhr

Dieser Sanskrit Kurs führt anhand einfacher Beispielsätze und -verse in die Grammatik des Sanskrit ein. Einen ausführlichen Überblick über das Sanskrit findest Du im Artikel Sanskrit. Hinweise zur indischen Schrift, der wissenschaftlichen Umschrift (Transliteration) sowie der korrekten Aussprache gibt der Artikel Devanagari. Stichwörter, nach denen Du in der Yoga Vidya Wiki suchen kannst, sind in vereinfachter Schreibweise (Transkription) wiedergegeben.

Die Verben der 5. Klasse bzw. Su Klasse (2)

In der Lektion 109 haben wir die Beugung (Konjugation) der Verben der 5. bzw. Su Klasse der athematischen Konjugation) in der Gegenwart betrachtet. Nun folgt ein Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika, die Auflösung des Formen-Rätsels aus Lektion 109 sowie ein neues Formen-Rätsel.

Beispielvers aus der Hatha Yoga Pradipika

Die gesamte Hatha Yoga Pradipika besteht aus Versen, deren häufigstes Versmaß (Chhandas) der Shloka (Anushtubh) ist. Hier folgt ein Vers aus dem ersten Kapitel (Upadesha), das der Asana-Praxis gewidmet ist. Der 67. Vers betont die Bedeutung einer regelmäßigen Übungspraxis.


युवो वृद्धोऽतिवृद्धो वा व्याधितो दुर्बलोऽपि वा |
अभ्यासात्सिद्धिमाप्नोति सर्वयोगेष्वतन्द्रितः || ६७ ||


  • wissenschaftliche Transliteration:
yuvā vṛddho’tivṛddho vā vyādhito dur-balo’pi vā |
abhyāsāt siddhim āpnoti sarva-yogeṣv atandritaḥ || 1.67 ||


  • vereinfachte Transkription:
yuva vriddho’tivriddho va vyadhito durbalo’pi va |
abhyasat siddhim apnoti sarva yogeshv atandritah || 1.67 ||


  • Wort-für-Wort-Übersetzung:
yuvā : jung (Yuvan, Nom. Sg. m.)
vṛddhaḥ : erwachsen, alt (Vriddha, Nom. Sg. m.)
ati-vṛddhaḥ : sehr alt (Ativriddha, Nom. Sg. m.)
 : oder (Va, Partikel)
vyādhitaḥ : krank (Vyadhita, Nom. Sg. m.)
dur-balaḥ : schwach (Durbala, Nom. Sg. m.)
api : aber, auch, sogar (Api, Adverb)
 : oder
abhyāsāt : durch Übung, regelmäßige Praxis (Abhyasa, Abl. Sg. n.)
siddhim : Erfolg, Vervollkommnung (Siddhi, Akk. Sg. f.)
āpnoti : man erreicht (āp, Verb)
sarva-yogeṣu : in allen (Sarva) Yoga(techniken), Gliedern des Yoga (Lok. Pl. m.)
atandritaḥ : ein unermüdlich, unverdrossen (Praktizierender, Atandrita)


  • Übersetzung:
Ob man jung ist, alt oder sehr alt, krank oder auch schwach -
durch regelmäßige Praxis erreicht ein unverdrossen (Praktizierender) Vervollkommnung in allen Yoga(techniken bzw. Yogagliedern).


Erläuterungen

  • Die Nominative (Prathama) yuvā, vṛddhaḥ, ativṛddhaḥ, vyādhitaḥ, durbalaḥ und atandritaḥ sind allesamt Adjektive und beziehen sich auf das logische Subjekt (Agens, Kartri) yogī, das aus dem vorangehenden Vers (Hatha Yoga Pradipika 1.66) fortgilt.
  • Die Partikeln "oder" sowie api "auch, selbst" werden in der Regel dem Wort, auf das sie sich beziehen, nachgestellt.
  • Der Ablativ (Panchami) abhyāsāt bezeichnet hier eine Ursache.
  • Der Akkusativ (Dvitiya) siddhim ist das logische Objekt (Karman) der Verbalhandlung āpnoti.
  • Der Lokativ (Saptami) sarva-yogeṣu ist ein Kompositum (Samasa) vom Typ Karmadharaya und steht hier im Sinne von "in, bei, in Bezug auf, hinsichtlich". Bei der Auflösung eines Karmadharaya stehen beide Glieder des Kompositums im selben Fall (hier im Lokativ Plural m.) - somit steht sarva-yogeṣu verkürzend im Sinne von sarveṣu yogeṣu "in allen (Sarva, Lok. Pl. m.) Yoga(techniken, Lok. Pl. m.)".
  • Sandhi: Ein kurzes a wird zusammen mit folgendem Visarga ( bzw. ursprünglichem s) zu o, wenn ein stimmhafter Konsonant (hier: v, d) folgt. Ebenso, wenn ein kurzes a folgt, welches wiederum in der Aussprache ausfällt (Elision) und graphisch durch Avagraha bzw. Apostroph ( ' ) dargestellt wird: vṛddho 'tivṛddhaḥ aus vṛddhaḥ + ativṛddhaḥ sowie durbalo 'pi aus durbalaḥ + api. Das auslautende u in °yogeṣu geht vor anlautendem a in den Halbvokal (Antahstha) v über.


Metrische Analyse des 3. und 4. Pada

Betrachten wir das dritte (Tritiya) und vierte (Chaturtha) Versviertel (Pada) dieses Shloka noch einmal hinsichtlich der Längen (Dirgha) und Kürzen (Hrasva) der einzelnen Silben (Akshara). Lange Silben enden auf langen Vokal, oder auf einen kurzen Vokal (Svara), der von zwei Konsonanten (Vyanjana) gefolgt wird (inklusive Anusvara und Visarga). Dies nennt man Positionslänge*. Kurze Silben enden auf kurzen Vokal:


Silbe 1 2 3 4 5 6 7 8 1 2 3 4 5 6 7 8
Devanagari भ्या सा त्सि द्धि मा प्नो ति र्व यो गे ष्व न्द्रि तः
Transliteration a bhyā tsi ddhi pno ti sa rva yo ge ṣva ta ndri taḥ
Silbenlänge lang* lang lang lang* kurz lang lang lang! lang* kurz lang lang kurz lang* kurz lang
Symbol υ × υ υ υ


Hinweise zur Aussprache: Alle acht Silben jedes Pada werden in einem Zuge, also ohne Pause, ausgesprochen. Zwischen den Versvierteln wird eine kurze Pause (Yati) eingehalten, so dass die letzte Silbe eines Pada stets als lang gilt, unabhängig von ihrer tatsächlichen Kürze oder Länge (× "Anceps"). Dies betrifft hier insbesondere ti - die 8. Silbe des dritten Pada - die für sich genommen kurz wäre. Die Positionslänge der 1. und 4. Silbe (Pada 3) bzw. der 1. und 6. Silbe (Pada 4) ergibt sich durch die Aufteilung in abh-yā, sid-dhi, sar-va und tan-dri.

Formen-Rätsel

Auflösung aus Lektion 109

  • 1. c) अनाहतं शब्दं शृणोमि anāhataṃ śabdaṃ śṛṇomi - ich höre den unangeschlagenen Ton: gebildet von der Wurzel śru "hören"; die Endung der 1. Person Singular -mi tritt an den starken Präsensstamm śṛṇo-. Die Form anāhatam ist der Akkusativ Singular Maskulinum des Adjektivs anāhata "unangeschlagen" (Anahata), śabdam ist der Akkusativ Singular Maskulinum des Substantivs śabda "Ton, Klang" (Shabda).

Das auslautende m von anāhatam und śabdam geht vor einem Konsonanten (Vyanjana) in Anusvara () über, der hier wie m ausgesprochen wird.

  • 2. a) ihr presst den Zuckerrohrsaft aus - इक्षुं सुनुथ ikṣuṃ sunutha : gebildet von der Wurzel su "auspressen"; die Endung der 2. Person Plural -tha tritt an den schwachen Präsensstamm sunu-. Die Form ikṣum ist der Akkusativ Singular Maskulinum des Substantivs ikṣu "Zuckerrohrsaft" (Ikshu).

Das auslautende m von ikṣum geht vor einem Konsonanten in Anusvara () über, der hier wie m ausgesprochen wird.



Fragen und Feedback

Für Fragen und Feedback zum Sanskrit Kurs wendet Euch gerne an Dr. phil. Oliver Hahn. Er ist Indologe und Autor für Yoga Wiki, Seminarleiter, Yogalehrer, Übersetzer und Lektor.

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