Pratyahara: Unterschied zwischen den Versionen

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==Pratyahara Möglichkeiten und Vergleiche zum anthroposophischen Schulungsweg==
''Artikel von [https://heinz-grill.de/ Heinz Grill], Spiritueller Lehrer und Buchautor''
[[Sivananda]] erwähnt die Notwendigkeit von pratyahara für jede [[Meditation]], da ohne diese [[Disziplin]], die übersetzt „Rückzug der Sinne“ heißt, der Meditierende in Irrtümer verfällt und zuletzt ein Spielball von weltlichen [[Leidenschaft]]en wird. Das allgemeine Verständnis von Meditation ist ein so genanntes „nach innen zu [[Geist]] und [[Seele]] ausgerichtet sein“, während die sinnliche Tätigkeit eine zur Welt nach außen gerichtete Aktivität ist. Sie unterliegt den körperlichen Bedingungen. Pratyahara ist deshalb wie eine Türe, welche die Perspektive nach innen öffnet und das äußere unruhige Treiben der Welt zurücklässt.
Mit dem Begriff pratyahara stellt sich aber die philosophische Frage, ob dieser Rückzug der Sinne nur für die Meditation und deren Praxis gilt, oder ob man grundsätzlich im allgemeinen [[Leben]] ebenfalls eine exakte Kontrolle der Sinnesbewegungen praktizieren sollte. In asketischen Yogabewegungen dürfte diese Rückzugsneigung generell eine zwingende [[Gültigkeit]] besitzen. Will man jedoch mit den Yogabemühungen weniger einen Weltenrückzug leben, als vielmehr eine Art Synthese zwischen Welt und Geist fördern, so wird die Pforte von pratyahara noch einmal ganz wesentlich und verdient eine weitere differenzierte Betrachtung. Weder Weltverhaftung noch [[Weltentfremdung]] können dauerhafte Ziele eines im Westen praktizierten Yoga darstellen. Der Yogaübende wird wohl auf natürliche Weise eine persönliche [[Stabilität]] im irdischen Leben, das heißt in den körperlichen Umständen, bei gleichzeitig wachsender Universalität in seinem Selbstverständnis und Selbsterleben erstreben. Die gelungene Praxis von pratyahara eröffnet die Türe sowohl nach innen als auch im vernünftigen Maße nach außen.
===Pratyahara im Yoga Sutra===
Der klassische Vers über pratyahara lautet:
:svavisaya – asamprayoge cittasya svarupa-anukara iva indriyanam pratyaharah
:(54, Teil II im raja yoga)
:Wenn sich die Sinne von ihren Objekten zurückziehen und in die innere Natur des Geistes (oder ihres Geistes) eingehen, so heißt dieser Zustand pratyahara.
Das sutra beginnt mit dem Sanskritbegriff [[svavisaya]], beziehungsweise allgemein visaya. Das Wort [[sva]] bezieht sich mehr auf das individuelle Thema, während [[visaya]] allgemein „das Thema“ bezeichnet. Jedes Objekt oder Thema, das in der Welt auffindbar oder ansprechbar ist, besitzt eine äußere Bedeutung, ein Erscheinungsbild im Irdischen, das sich im Sinnesschein den gewöhnlichen fünf Sinnen zugänglich erweist und es besitzt darüber hinaus eine verborgene [[Wirklichkeit]], eine den Sinnen nicht mehr zugängliche Dimension, die man als das Mysterium der Sache benennt.
Ein Beispiel für den Umgang mit pratyahara entwickelt sich, wenn der Übende ein [[Mantra]] oder eine Art Gottesbild für seine Meditation erwählt. Das Bild eines [[Shiva]] oder eines [[Ganesha]], eines [[Christus]] oder eines [[Franz von Assisi]] lässt sich in einer ersten Phase sinnlich begreifen. In einer inneren Bedeutung tragen diese Bilder große innere Weisheiten, die dem äußeren Sinnesschein nicht mehr zugänglich sind. Visaya besitzt deshalb immer diese beiden Dimensionen, die äußere und die innere.
Im Allgemeinen sucht die yogische Meditation eine objektbezogene konzentrierte Aktivität, die so viel heißt, wie dass der Übende sich einem zunächst greifbaren Thema oder Inhalt hinwendet, um in oder über dieses die universale und die über die körperlich materielle Dimension hinausgehende geistige Wirklichkeit zu erfahren. Der Gegensatz zu dieser Art von Meditation wäre die sogenannte „nicht gegenständliche“, die in der Regel ein sofortiges Eintauchen in eine Art [[Leere]] erstrebt.
Einige Beispiele offenbaren auf anschauliche Weise, wie pratyahara innerhalb der Übung seine Anwendung finden kann und wie der Übende sich einerseits in der Welt stabilisiert, und sich auf der anderen Seite in einer universalen Dimension des Geistes gründet. Er nimmt sich die Beobachtung des Atems als Objekt zur Meditation vor, während er sogleich andere Sinneseindrücke zurückweist. Dieser Atem ist für die feinen Sinne spürbar, und beschreibt zunächst mit dem einfließenden und ausfließenden Luftströmungen eine sinnliche Wirklichkeit.
===Swami Sivanandas Beschreibung von Pratyahara===
Sivananda beschreibt pratyahara sinngemäß und sehr humorvoll:
''Einige Aspiranten ziehen die Sinne sehr vehement zurück. Das ist manchmal der Grund für die Erfahrung von leichten [[Kopfschmerzen]].''
Man könnte meinen, dass Sivananda scherzt, aber dem ist in aller Realität nicht so. Der erwähnte Kopfschmerz steht bildhaft für eine Art einseitige Überforderung, denn der Übende kann sich ohne Beachtung einer logischen Reihenfolge in der Sinneskontrolle nicht in einer Selbststabilität halten. Er kann bei falscher Praxis tatsächlich körperliche Symptome bekommen.
Das Thema visaya beginnt mit der Aufmerksamkeit der Sinne im Äußeren und entwickelt sich über eine logische Abfolge bis hin zur Aufmerksamkeit auf das Nicht-Sinnliche und innere Mysterium. Indem der Übende beispielsweise im Stillen seiner Seele bei der Meditation die Frage zum Atem stellt: „Welche Dimension liegt im Atem?“, entwickelt er langsam eine Sicht darüber, dass dieser Atem eine verbindende, energetische und bewegende Kraft für die Seele enthält und er wird sogar langsam das Mysterium des Atems erfassen.
===Anthroposophie und Pratyahara===
In der [[Anthroposophie]] richtet sich der Übende mit den Sinnen gezielt und meist etwas länger anhaltend nach außen und betrachtet beispielsweise ein Naturphänomen, wie eine [[Pflanze]] im Blühen. Indem der anthroposophische Geistschüler die blühende Pflanze betrachtet, bemüht er sich auf intensive Weise die Welt mit ihren Phänomenen begreifbar zu machen, aber er bleibt im Verlauf der Übung nicht am äußeren Objekt der sinnlichen Beobachtung haften. Schlussendlich sucht er doch den Beobachtungsvorgang gedanklich und empfindungsvoll weiter in das Erlebnis der [[Seele]] zu lenken. Der Weg der anthroposophischen Schulung richtet sich in einem ersten und recht umfangreichen Streben nach außen und kehrt schließlich zurück nach innen. Er öffnet die Türe zum Naturgeschehen nach außen, schließt diese Pforte jedoch ab einem bestimmten Moment und ergründet in der Fortsetzung seine eigenen, mit dem Objekt verwandten Seelentiefen.
Die Kritik von anthroposophischer Seite gegenüber dem Yoga lautet, dass die Praktizierenden sich für die äußeren Phänomene der Welt zu wenig interessieren und frühzeitig in eine [[Selbstverwirklichung]] und in einen inneren kosmischen Seinsgrund eintauchen wollen. Die Kritik vom [[Yoga]] zur anthroposophischen Seite hält häufig vor, dass diese zu wenig [[spirituell]] orientiert sei und tiefe Meditationen fehlen. Die Anthroposophen suchen eine Bejahung der Welt bei gleichzeitigem Erforschen der geistigen Grundprinzipien, die der Welt zugrunde liegen. Der Yoga sucht vor allem das Ziel der Selbstverwirklichung und nimmt sich manchmal etwas weniger Zeit, um die Phänomene der Welt philosophisch und tiefgründig zu durchdringen. Grundsätzlich können sich jedoch die verschiedenen Meditationsformen ergänzen, denn sie orientieren sich an den Objekten, die zunächst sichtbar dem Auge entgegenkommen und suchen ihren inneren tieferen Seinsgrund. Die Suche nach dem Selbst dürfte im Allgemeinen nichts anderes darstellen, als die Suche nach der mysteriösen Essenz im eigenen Daseinsurgund und weitet sich auf die verschiedensten Offenbarungen aus, die die Welt bietet.
===Ergänzende Sichtweisen Anthroposophie und Yoga zu Pratyahara===
Die verschiedenen Meditationsformen können sich, mit etwas offener Dialogbereitschaft, von anthroposophischer Seite mit dem Yoga begegnen und [[sinnvoll]] ergänzen.
Wer den Sinnesprozess als einen eigenständigen Daseinsprozess des Lebens intensiv analysiert, für den entwickelt sich pratyahara mit Sicherheit auf eine sehr sensible Stufe. Nicht eine Weltenflucht mit Weltenverneinung kann pratyahara bedeuten, sondern es entwickelt sich bald ein Zurückziehen des übergreifenden Willens und der Emotionen, die sich in den Sinnen befinden, sodass das Objekt der Außenwelt oder das Thema des Selbst klarer erfasst werden kann. Praktisch gesehen, betrachtet der Übende einen Begriff oder einen Gegenstand, nimmt ihn nach dem sinnlich möglichen Erfassen oder Vorstellbaren wahr und bildet sich schließlich über diesen gleichen Gegenstand einen Gedanken. Die Augen bleiben in der Regel bei einer Betrachtungsübung, die schließlich zur Meditation werden kann, in der ersten Phase offen. Ab einem bestimmten Moment jedoch, nachdem die äußere Betrachtung ausreichend und beziehungsvoll geschehen ist, kann der Übende die Augen schließen und richtet seine [[Aufmerksamkeit]] auf den Gedanken, den er mit dem Objekt der [[Betrachtung]] verbindet. Bei guter Konzentration kann jedoch der Übende die Augen beständig offen lassen, aber er lässt die Sinne nicht an beliebige Orte schweifen. Die Sinne weichen gegenüber dem „reiner werdenden Gedanken“ zurück. Es sollte des weiteren alles Intellektualisieren, jede Art von Emotion und ein willentliches Ergreifen eines vorschnellen Ergebnisses, das man mit der Übung erreichen möchte, ebenfalls zurückweichen. Ein Gedanke bleibt jedoch in der Betrachtung - und das ist das Geheimnis-, während alles gefühlsmäßige Wollen und wollensgemäße Emotionalisieren zu kontrollieren und aus dem Gemüt zurückzuweisen ist. Das Innen bildet nicht eine leere organische [[Körperlichkeit]], sondern es wird das Innere doch konkret, denn es orientiert sich am Licht des Gedankens, der in der Kontemplation verbleibt. Im Gegensatz zum unruhigen [[Wollen]], intellektualistischen Spekulieren und den so häufig aufsteigenden Emotionen, bildet der [[Gedanke]] einen geistigen Ruhepol.
[[Datei:Swami-Sivananda-laechelt.jpg|thumb|Das Porträt von Sivananda offenbart eine Grundstimmung von pratyahara: Der Gedanke bleibt ruhig gegründet, während die emotionalen, willentlichen und intellektualistischen Ströme aus den Augen zurückweichen. Die Stirn erscheint daher klar und hell.]] 
===Pratyahara als Aufmerksamkeitslenkung===
Die Disziplin Pratyahara muß nicht nur ein Schließen der Augen und Ohren beschreiben. Nachdem der Übende die Aufmerksamkeit zu lenken beginnt, muss er die willentlichen schnellfertigen Übergriffe auf den Gedanken oder auf das Ideal, das er kontemplativ in sich erstrebt, aus den Sinnen und sogar mit der Zeit aus den seelischen Strömen zurückziehen und kontrollieren. Diese willentlichen Übergriffe sind die vom Körper kommenden Eigentendenzen, die manchmal sehr unbedacht und unbewusst sind. Die Meditation führt ein gewähltes Thema in die Mitte. Mit pratyahara kontrolliert der Übende der Reihe nach alle unerwünschten äußeren Sinnesablenkungen, sodann die mehr organischen inneren Sinnesreaktionen, indem emotionale, willentliche und spekulative Ausschweifungen kontrolliert werden. Der Gedanke, der in der Kontemplation verbleibt, bewirkt eine Ruhe und mit etwas Übung erlebt der Schüler mehr die lichte Form des Gedankens und dies im Sinne eines denkenden Schweigens.
Der Gedanke ist nicht mit dem sogenannten „gewohnheitsmäßigen Denken“ zu verwechseln, denn der Gedanke ist in Wirklichkeit eine Seinsexistenz, ein Lichtbürger oder anders ausgedrückt, ein sat, während das gewöhnlich verlaufende Denken den Gedanken nicht wahrnimmt, sondern diesen sogar mit allerlei Tücke an den Körper bindet. Die Bewegung, die der Mensch im intellektualistisch orientierten Denken täglich ausübt, ist nahezu immer von einem willentlichen Begehren geleitet, welches das Objekt der Betrachtung verschleiert und gar nicht in die wirkliche innere Bedeutung kommen lässt. Durch die Disziplin pratyahara wird deshalb nicht der Gedanke als solcher eliminiert, sondern das sinnliche Wesen eines jeglichen Ausschweifens und schließlich sogar des inneren Zugriffes, damit für die weiteren Stufen der Konzentration dharana und der Meditation dyana die innere tiefere Bedeutung, die hinter der sinnlichen Erscheinung liegt, die als Mysterium verborgen in Pflanzen, Tieren und Menschen und in allen Themen, visaya, existiert, zum Tragen kommt.
Würde ein Übender nur die Augen schließen und versuchsweise in einer Art inneren Einheit aufgehen, würde er sich keinen Gegenstand und kein Thema wählen, so kann leicht die Gefahr einer Täuschung erfolgen und er könnte das Aufgehen in einer Alleinheit mit einem nicht erkannten leibinneren Begehren verwechseln. Indem sich jedoch der Übende ein Thema vornimmt, kann er an diesem Thema alle sinnesablenkenden Manöver analysieren, diese sogleich zurückweisen und schließlich den Bedeutungsinhalt für die nächsten Stufen der Meditation mehr in die Mitte rücken.
Sivananda betrachtete die Arbeit zur Selbstverwirklichung als eine große psychologische Studie, die eine stufenweise Form der [[Askese]] voraussetzt. Die Kontrolle der Sinnesbewegungen erfordert tatsächlich eine Art psychologische Analyse der verschiedensten willentlichen, emotionalen und [[mental]]en Ströme. 


==Siehe auch==
==Siehe auch==

Version vom 24. September 2017, 12:22 Uhr

Pratyahara (Sanskrit: प्रत्याहार pratyāhāra m.) Zurückziehung (der Truppen aus der Schlacht), Rückzug; Auflösung, Vernichtung; Zurückziehen der Sinne, fünftes Glied des Ashtanga Yoga (Raja Yoga) Systems. Pratyahara hat mehrere Entwicklungsstufen:

Meditation-Augen-geschlossen.jpg

(1) Zurückziehen der Sinne von den Sinnesobjekten. Dies ist nur für eine Person möglich, die sich isoliert in die Abgeschiedenheit zurückziehen kann, und daher nicht für die Mehrheit der Menschen möglich.

(2) Zurückziehen vom Sinneszentum - vom Wahrnehmungszentrum im Gehirn. In den Upanishaden wird beschrieben, dass nur der Suchende die absolute Wirklichkeit erfahren kann, der, obwohl er Ohren hat, nicht hört, obwohl er Augen hat, nicht sieht, und sogar, obwohl er in dieser Welt lebt, diese nicht wahrnimmt, indem er seine inneren Wahrnehmungszentren daran hindert mit den äußeren Sinnesorganen zusammenzuarbeiten. Das Ohr hört etwas, aber der Übende hört nicht darauf. Er beachtet nicht den laufenden Vorgang des Hörens, bringt sich nicht damit in Verbindung, sondern versucht mit Distanz zu beobachten.

(3) Zurückziehen von der Anhaftung an den Geist: Der Suchende trennt sich Selbst von dem Vorgang in seinem Geist, vom Prozess der Wahrnehmung. Er hört zwar etwas, stellt damit aber keine Verbindung her, lässt sich auf diesen Reiz nicht ein und identifiziert sich nicht mit diesem Zustand des Geistes.

Sukadev über Pratyahara

Niederschrift eines Vortragsvideos (2014) von Sukadev über Pratyahara

Pratyahara heißt tatsächlich einfach nur Rückzug und Zurückziehen. Es ist natürlich insbesondere im Raja Yoga von einer besonderen Bedeutung, da ist es das Zurückziehen, der Rückzug der Sinne. Aber auch sonst, beispielsweise wenn irgendwo Menschen sich zurückziehen oder Soldaten in der Schlacht sich zurückziehen, auch das ist Pratyahara. Aber für uns von besonderem Interesse, Pratyahara als Rückzug der Sinne.

Pratyahara ist eine der Ashtangas, der acht Stufen im Yoga: YamaEthik im Umgang mit anderen. Niyama – persönliche Disziplin. Asana – Stellung, Körperstellungen. Pranayama – Atemübung. Dann folgt als fünftes Pratyahara – Zurückziehen der Sinne. Darauf folgt DharanaKonzentration, DhyanaMeditation, Absorption, Samadhi – Überbewusstsein.

Pratyahara, das Zurückziehen der Sinne ist ein Teil der Meditation. Du setzt dich hin, Asana. Du regulierst deinen Atem, Pranayama. Dann machst du etwas, um deinen Geist, deine Sinne und deine Aufmerksamkeit nach innen zu ziehen. Da gibt es verschiedene Pratyahara-Übungen, z.B. Affirmationen, Gebet, Atembeobachtung, dir den Sinn und Zweck der Meditation vergegenwärtigen. All das ist Pratyahara. Danach folgt Dharana, die eigentliche Konzentration, die eigentliche Meditationstechnik. Dann folgt Dhyana und Dhyana ist dann das Hineinfallen in die tiefe Meditation, die in Samadhi, im Überbewusstsein mündet. Pratyahara ist also ein wichtiger Teil in der Meditation. Das Zurückziehen der Sinne und des Geistes, indem du etwas machst, was den Geist nach innen zieht und inspiriert.

Pratyahara ist auch eine Übung im Alltag. Wann immer du Wünsche hast, kannst du lernen, ihnen nicht zu folgen. Und anstatt dann frustriert durch die Gegend zu laufen, übst du Pratyahara, du ziehst deinen Geist nach innen, du spürst nach innen, du fühlst nach innen, du fühlst das Selbst oder du fühlst dein Mantra, du wiederholst den Atem usw. Also, anstatt jeder Sinneswahrnehmung zu folgen, anstatt jeder Emotion zu folgen, anstatt jedem Gedanken zu folgen, ziehst du dich einfach nach innen, von innen bekommst du Kraft.

In einem anderen Sinne ist Pratyahara auch die Tiefenentspannung. Wenn man im Hatha Yoga die Körperstellungen übt, dann sind das auch Asanas. Wenn du die Atemübungen übst, ist es Pranayama. Machst du die Tiefenentspannung, ist es auch eine Weise, nach innen zu gehen, den Sinnen nicht nach außen zu folgen, sondern im Hier und Jetzt sein und dabei die Ausdehnung des Bewusstseins zu spüren.

Pratyahara in der Meditation

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Übe Pratyahara im Alltag

<html5media>http://yoga-inspirationen.podspot.de/files/521-Uebe-Pratyahara-im-Alltag.MP3</html5media>

Fortgeschrittenes Pratyahara – Kurzvortrag mit Sukadev

<html5media>http://yoga-inspirationen.podspot.de/files/519-Fortgeschrittenes-Pratyahara.MP3</html5media>

Yoga Sutra von Patanjali Kapitel 2, Vers 54 und 55

"Svavisayasamprayoge cittasvarupanukara ivendryanam pratyaharah
Tatah parama vasyatendriyanam"

Wenn die Sinne nicht in Kontakt mit den Objekten treten und gleichsam in die Natur des Geistes eingehen, entsteht Pratyahara - so entsteht die höchste Meisterschaft über die Sinne.

Swami Sivananda über Pratyahara

Übe Pratyahara!

Der yogische Aspirant sollte beginnen, Pratyahara zu praktizieren, nachdem er einigen Erfolg in der Praxis von Yama, Niyama, Asana, Pranayama erreicht hat. Pratyahara ist Abstraktion oder zurückziehen der Sinne von ihren Objekten. Die Sinne werden durch diese Praxis in Schach gehalten. Wahres inneres Erleben beginnt, wenn der Aspirant in dieser Praxis etabliert ist. Der yogische Aspirant, der sofort zur Meditationspraxis springt, ohne Abstraktion zu praktizieren, ist eine getäuschte Seele. Er wird bei der Kontemplation keinen Erfolg haben. Pratyahara hält die Tendenz der Sinne, sich nach außen zu orientieren, an. Es schaltet sozusagen die Sinne aus. Pratyahara folgt automatisch auf die Pranayamapraxis. Wenn die Lebenskraft durch die Regulierung oder das Anhalten des Atems kontrolliert wird, werden die Sinne ausgedünnt. Man lässt sie verhungern. Sie mergeln aus. Sie können jetzt nicht mehr fauchen, wenn sie mit den Objekten in Kontakt kommen. Pratyahara ist eine schwierige Disziplin. Es ist am Anfang abscheulich, aber später wird es sehr interessant. Du wirst enorme innere Stärke fühlen. Es verlangt beträchtliche Geduld und Ausdauer. Es wird dir gewaltige Kraft verleihen. Du wirst immense Willensstärke entwickeln. Im Laufe der Praxis werden die Sinne wie ein wilder Stier immer und immer wieder zu den Objekten stürmen. Du wirst sie wieder und wieder zurückziehen müssen und den Geist auf den Lakshaya oder Punkt fixieren. Ein Yogi, der in der Praxis des Pratyahara bewnandert ist, kann selbst auf einem Schlachtfeld, wo unzählige Maschinengewehre gefeuert werden, ruhig meditieren.

In der Praxis des Pratyahara musst du die nach außen gehenden Sinne immer und immer wieder von den Sinnesobjekten zurückziehen und den Geist auf deinen Lakshya oder einen bestimmten Punkt fixieren, so wie der Karrenführer die ungestümen Bullen immer wieder zurückzieht und diese am Joch anspannt. Du musst besonders darauf achten, die Sinne sanft zurückzuziehen. Einige Aspiranten ziehen sie vehement zurück. Das ist der Grund, warum sie manchmal ein wenig Kopfweh haben.

Du solltest das zurückziehen der Sinne nacheinander praktizieren, einen nach dem anderen, beginnend mit dem turbulentesten. Wenn du versuchst, alle Sinne auf einmal zu beeinflussen, wirst du versagen. Der Geist ist der Oberbefehlshaber. Die Sinne sind die Soldaten. Die Sinne können ohne die Kooperation des Geistes nichts tun. Wenn du den Geist von den Sinnen abkoppeln kannst, wird die Abstraktion der Sinne automatisch passieren.

Besitzt jemand intensives Vairagya, wird die Praxis des Pratyahara einfach sein. Leidenschaftslosigkeit ist der Feind der Sinne. Einige yogischen Aspiranten praktizieren Pratyahara für 2 oder 3 Jahre und haben dennoch keinen Erfolg. Der einfache Grund dafür ist, dass sie die Gelüste und schwelenden Wünsche noch nicht beseitigt haben. Sie haften sich an sinnliche Objekte. Unterscheidungskraft hilft stark dabei, mit Pratyahara erfolgreich zu sein.

Ein Bhakta oder Anhänger des Bhakti Yoga praktiziert kein Pratyahara. Er versucht in der Liebe Gottes zu versinken. Er versucht seinen Geist entweder auf seine Lotusfüße oder das anmutige Gesicht zu fixieren. Als Konsequenz wird er doch in Pratyahara etabliert. Ein Raja Yogi praktiziert Pratyahara freiwillig. Ein Jnana Yogi praktiziert kein Pratyahara, er versucht sich mit dem verborgenen Selbst in allen Objekten zu identifizieren, indem er deren Namen und Formen negiert.

Swami Sivanandas Tipps für die Entwicklung von Pratyahara

Auszüge aus dem Buch „Samadhi Yoga“ von Swami Sivananda

Chaos und Verwirrung existieren nur an der Oberfläche. Tauche tief in deine Mitte ein, indem du dich von den sinnlichen Objekten zurückziehst und nach innen schaust; du wirst vollkommene innere Stille finden und höchsten Frieden genießen. Das ist Pratyahara. Nichts kann dein Gleichgewicht, deine Seelenruhe stören. Die Rishis von einst lebten beständig in dieser Mitte und waren glücklich und voller Freude, trotz unterschiedlicher äußerer Unruhen. Nichts konnte sie aus ihrem geistigen Gleichgewicht bringen.

Bei der Übung von Pratyahara musst du die nach außen strebenden Sinne wieder und wieder von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen abziehen und den Geist auf dein Lakshya, deinen festen Punkt, ausrichten, so wie ein Wagenlenker die ungestümen Ochsen im Zaum hält und sie ans Joch bindet. Du musst die Sinne sanft in die Spur ziehen. Manche Schüler zerren rüde an ihnen. Das ist der Grund dafür, warum sie manchmal Kopfschmerzen haben.

Der Geist ist der Oberbefehlshaber. Die Sinne sind die Soldaten. Die Sinne können ohne die Mithilfe des Geistes überhaupt nichts ausrichten. Die Sinne können nichts unabhängig selbst tun. Sie können nur mit dem Geist zusammenarbeiten. Wenn Du den Geist von den Sinnen trennen kannst, werden sich die Sinne automatisch zurückziehen, zum Pratyahara gelangen.

Ein Yogaschüler sollte Pratyahara üben, nachdem er schon einigen Erfolg beim Üben von Yama, Niyama, Asana und Pranayama erzielt hat. Pratyahara ist das Abziehen der Sinne von den Objekten, an die sie sich geheftet haben. Durch diese Übung werden die Sinne in Zaum gehalten. Ein Yogaschüler, der sofort auf die meditieren möchte, ohne vorher das Zurückziehen der Sinne geübt zu haben, ist ein närrischer Mensch. Er wird keinen Erfolg bei der Kontemplation haben. Pratyahara kontrolliert die Sinne und ihren Hang, nach außen zu streben. Er bremst, wie gesagt, die Sinne. Pratyahara folgt ganz automatisch der Pranayama-Praxis. Wenn die Lebenskraft durch Atemregulierung oder Atemanhalten kontrolliert wird, werden die Sinne ausgedünnt. Sie hungern zu Tode. Sie mergeln aus. Sie können nun nicht mehr fauchen, wenn sie in Kontakt mit den ihnen entsprechenden Dingen kommen.

Pratyahara ist wirklich eine herausfordernde Disziplin. Am Anfang ist sie einem zuwider, aber später wird sie sehr interessant. Man spürt die innere Stärke. Es verlangt einem viel Geduld und Ausdauer ab. Sie wird dir viel Kraft verleihen. Du wirst enorme Willensstärke entwickeln. Im Verlauf der Übung werden die Sinne immer und immer wieder wie wilde Stiere auf die Dinge zurennen. Du wirst sie wieder und wieder zurückholen müssen und den Geist auf das Lakshya, deinen Punkt, ausrichten. Ein Yogi, der Pratyahara meistert, kann ruhig meditieren, selbst wenn er sich mitten auf einem Schlachtfeld befindet und um ihn herum zahllose Maschinengewehre in endlosem Tosen feuern.

Am Besten übst du, die Indriyas eins nach dem anderen zurückzunehmen. Befasse dich zunächst mit dem wildesten Sinn. Übe Pratyahara zu Anfang mit diesem besonderen Sinn. Dann kannst du ein zweites Indriya hinzunehmen. Wenn du versuchst, alle Indriyas gleichzeitig zu kontrollieren, wirst Du keinen Erfolg haben. Es wird ein harter Kampf sein. Du wirst dich ziemlich erschöpft fühlen.

Teilerfolge bei Pratyahara reichen einem Yoga-Schüler nicht aus. Wenn Vairagya schwindet und man beim Üben nachlässig wird, können die Sinne wieder unruhig werden. Aus diesem Grund sagt Krishna zu Arjuna: „Oh Sohn der Kunti, die wilden Sinne selbst eines weisen Mannes, und mag er sich auch bemühen, sie zu kontrollieren, tragen ohne zu überlegen seinen Geist hinfort. Gleich einem Schiff, das von einem Sturm aufs Meer hinfort gerissen wird, reicht ein tobender Sinn, an den der Geist sich heftet, um die Intelligenz hinweg zu tragen. (Gita Kap. II-60-67).

Die Gemahlin des Weisen Tiruvalluvar hatte bemerkenswerte Meisterschaft in der Pratyahara-Praxis erlangt. Sie konnte einen Krug Wasser auf ihrem Kopf mitten durch eine große Menschenmenge tragen, ohne einen Tropfen zu verschütten. Wer Pratyahara beherrscht, kann sofort in dem Moment, in dem er sich in sein Bett legt, einschlafen. Napoleon konnte das, denn er war sehr geübt in Pratyahara.

Sukadeva war außerordentlich gut in Pratyahara. König Janaka wollte ihn in seinem Palast auf die Probe stellen. Janaka organisierte Musik und Tanzfeste um den ganzen Palast herum, um die Aufmerksamkeit von Sukadeva abzulenken. Es gab allerlei Vorführungen und Unterhaltung. Sukadeva sollte eine randvoll gefüllte Tasse Milch in seiner Hand um den Palast herum tragen. Er sollte drei Runden um den Palast gehen, ohne eine Tropfen zu Boden fallen zu lassen. Sukadeva erledigte die Aufgabe mit vollem Erfolg, denn er war in der Pratyahara-Praxis bestens bewandert. Nichts konnte seinen Geist ablenken.

Erfolg beim Pratyahara hängt von der Kraft vergangener Samskaras ab, die ein Yogaschüler besitzt. Wer Yama, Niyama, Asana, Pranayama und Pratyahara in vergangenen Leben schon bis zu einem gewissen Grad praktiziert hat, wird Pratyahara in diesem Leben in kurzer Zeit mit Erfolg umsetzen. Ein Anfänger, der in diesem Leben zum ersten Mal Yoga macht und keine Samskaras aus Vorleben für sich verbuchen kann, kann eventuell lange brauchen, um Pratyahara einschlägig in positiver Weise umzusetzen. Man kann anhand der eigenen Erfahrung und dem Maß des Erfolges bei der Yogapraxis in diesem Leben erfühlen, ob man ein Yoganeuling oder ein alter Yogaschüler oder Yoga Bhrashta ist.

Copyright Divine Life Society

Pratyahara Möglichkeiten und Vergleiche zum anthroposophischen Schulungsweg

Artikel von Heinz Grill, Spiritueller Lehrer und Buchautor

Sivananda erwähnt die Notwendigkeit von pratyahara für jede Meditation, da ohne diese Disziplin, die übersetzt „Rückzug der Sinne“ heißt, der Meditierende in Irrtümer verfällt und zuletzt ein Spielball von weltlichen Leidenschaften wird. Das allgemeine Verständnis von Meditation ist ein so genanntes „nach innen zu Geist und Seele ausgerichtet sein“, während die sinnliche Tätigkeit eine zur Welt nach außen gerichtete Aktivität ist. Sie unterliegt den körperlichen Bedingungen. Pratyahara ist deshalb wie eine Türe, welche die Perspektive nach innen öffnet und das äußere unruhige Treiben der Welt zurücklässt.

Mit dem Begriff pratyahara stellt sich aber die philosophische Frage, ob dieser Rückzug der Sinne nur für die Meditation und deren Praxis gilt, oder ob man grundsätzlich im allgemeinen Leben ebenfalls eine exakte Kontrolle der Sinnesbewegungen praktizieren sollte. In asketischen Yogabewegungen dürfte diese Rückzugsneigung generell eine zwingende Gültigkeit besitzen. Will man jedoch mit den Yogabemühungen weniger einen Weltenrückzug leben, als vielmehr eine Art Synthese zwischen Welt und Geist fördern, so wird die Pforte von pratyahara noch einmal ganz wesentlich und verdient eine weitere differenzierte Betrachtung. Weder Weltverhaftung noch Weltentfremdung können dauerhafte Ziele eines im Westen praktizierten Yoga darstellen. Der Yogaübende wird wohl auf natürliche Weise eine persönliche Stabilität im irdischen Leben, das heißt in den körperlichen Umständen, bei gleichzeitig wachsender Universalität in seinem Selbstverständnis und Selbsterleben erstreben. Die gelungene Praxis von pratyahara eröffnet die Türe sowohl nach innen als auch im vernünftigen Maße nach außen.

Pratyahara im Yoga Sutra

Der klassische Vers über pratyahara lautet:

svavisaya – asamprayoge cittasya svarupa-anukara iva indriyanam pratyaharah
(54, Teil II im raja yoga)
Wenn sich die Sinne von ihren Objekten zurückziehen und in die innere Natur des Geistes (oder ihres Geistes) eingehen, so heißt dieser Zustand pratyahara.

Das sutra beginnt mit dem Sanskritbegriff svavisaya, beziehungsweise allgemein visaya. Das Wort sva bezieht sich mehr auf das individuelle Thema, während visaya allgemein „das Thema“ bezeichnet. Jedes Objekt oder Thema, das in der Welt auffindbar oder ansprechbar ist, besitzt eine äußere Bedeutung, ein Erscheinungsbild im Irdischen, das sich im Sinnesschein den gewöhnlichen fünf Sinnen zugänglich erweist und es besitzt darüber hinaus eine verborgene Wirklichkeit, eine den Sinnen nicht mehr zugängliche Dimension, die man als das Mysterium der Sache benennt.

Ein Beispiel für den Umgang mit pratyahara entwickelt sich, wenn der Übende ein Mantra oder eine Art Gottesbild für seine Meditation erwählt. Das Bild eines Shiva oder eines Ganesha, eines Christus oder eines Franz von Assisi lässt sich in einer ersten Phase sinnlich begreifen. In einer inneren Bedeutung tragen diese Bilder große innere Weisheiten, die dem äußeren Sinnesschein nicht mehr zugänglich sind. Visaya besitzt deshalb immer diese beiden Dimensionen, die äußere und die innere.

Im Allgemeinen sucht die yogische Meditation eine objektbezogene konzentrierte Aktivität, die so viel heißt, wie dass der Übende sich einem zunächst greifbaren Thema oder Inhalt hinwendet, um in oder über dieses die universale und die über die körperlich materielle Dimension hinausgehende geistige Wirklichkeit zu erfahren. Der Gegensatz zu dieser Art von Meditation wäre die sogenannte „nicht gegenständliche“, die in der Regel ein sofortiges Eintauchen in eine Art Leere erstrebt.

Einige Beispiele offenbaren auf anschauliche Weise, wie pratyahara innerhalb der Übung seine Anwendung finden kann und wie der Übende sich einerseits in der Welt stabilisiert, und sich auf der anderen Seite in einer universalen Dimension des Geistes gründet. Er nimmt sich die Beobachtung des Atems als Objekt zur Meditation vor, während er sogleich andere Sinneseindrücke zurückweist. Dieser Atem ist für die feinen Sinne spürbar, und beschreibt zunächst mit dem einfließenden und ausfließenden Luftströmungen eine sinnliche Wirklichkeit.

Swami Sivanandas Beschreibung von Pratyahara

Sivananda beschreibt pratyahara sinngemäß und sehr humorvoll:

Einige Aspiranten ziehen die Sinne sehr vehement zurück. Das ist manchmal der Grund für die Erfahrung von leichten Kopfschmerzen.

Man könnte meinen, dass Sivananda scherzt, aber dem ist in aller Realität nicht so. Der erwähnte Kopfschmerz steht bildhaft für eine Art einseitige Überforderung, denn der Übende kann sich ohne Beachtung einer logischen Reihenfolge in der Sinneskontrolle nicht in einer Selbststabilität halten. Er kann bei falscher Praxis tatsächlich körperliche Symptome bekommen.

Das Thema visaya beginnt mit der Aufmerksamkeit der Sinne im Äußeren und entwickelt sich über eine logische Abfolge bis hin zur Aufmerksamkeit auf das Nicht-Sinnliche und innere Mysterium. Indem der Übende beispielsweise im Stillen seiner Seele bei der Meditation die Frage zum Atem stellt: „Welche Dimension liegt im Atem?“, entwickelt er langsam eine Sicht darüber, dass dieser Atem eine verbindende, energetische und bewegende Kraft für die Seele enthält und er wird sogar langsam das Mysterium des Atems erfassen.

Anthroposophie und Pratyahara

In der Anthroposophie richtet sich der Übende mit den Sinnen gezielt und meist etwas länger anhaltend nach außen und betrachtet beispielsweise ein Naturphänomen, wie eine Pflanze im Blühen. Indem der anthroposophische Geistschüler die blühende Pflanze betrachtet, bemüht er sich auf intensive Weise die Welt mit ihren Phänomenen begreifbar zu machen, aber er bleibt im Verlauf der Übung nicht am äußeren Objekt der sinnlichen Beobachtung haften. Schlussendlich sucht er doch den Beobachtungsvorgang gedanklich und empfindungsvoll weiter in das Erlebnis der Seele zu lenken. Der Weg der anthroposophischen Schulung richtet sich in einem ersten und recht umfangreichen Streben nach außen und kehrt schließlich zurück nach innen. Er öffnet die Türe zum Naturgeschehen nach außen, schließt diese Pforte jedoch ab einem bestimmten Moment und ergründet in der Fortsetzung seine eigenen, mit dem Objekt verwandten Seelentiefen.

Die Kritik von anthroposophischer Seite gegenüber dem Yoga lautet, dass die Praktizierenden sich für die äußeren Phänomene der Welt zu wenig interessieren und frühzeitig in eine Selbstverwirklichung und in einen inneren kosmischen Seinsgrund eintauchen wollen. Die Kritik vom Yoga zur anthroposophischen Seite hält häufig vor, dass diese zu wenig spirituell orientiert sei und tiefe Meditationen fehlen. Die Anthroposophen suchen eine Bejahung der Welt bei gleichzeitigem Erforschen der geistigen Grundprinzipien, die der Welt zugrunde liegen. Der Yoga sucht vor allem das Ziel der Selbstverwirklichung und nimmt sich manchmal etwas weniger Zeit, um die Phänomene der Welt philosophisch und tiefgründig zu durchdringen. Grundsätzlich können sich jedoch die verschiedenen Meditationsformen ergänzen, denn sie orientieren sich an den Objekten, die zunächst sichtbar dem Auge entgegenkommen und suchen ihren inneren tieferen Seinsgrund. Die Suche nach dem Selbst dürfte im Allgemeinen nichts anderes darstellen, als die Suche nach der mysteriösen Essenz im eigenen Daseinsurgund und weitet sich auf die verschiedensten Offenbarungen aus, die die Welt bietet.

Ergänzende Sichtweisen Anthroposophie und Yoga zu Pratyahara

Die verschiedenen Meditationsformen können sich, mit etwas offener Dialogbereitschaft, von anthroposophischer Seite mit dem Yoga begegnen und sinnvoll ergänzen.

Wer den Sinnesprozess als einen eigenständigen Daseinsprozess des Lebens intensiv analysiert, für den entwickelt sich pratyahara mit Sicherheit auf eine sehr sensible Stufe. Nicht eine Weltenflucht mit Weltenverneinung kann pratyahara bedeuten, sondern es entwickelt sich bald ein Zurückziehen des übergreifenden Willens und der Emotionen, die sich in den Sinnen befinden, sodass das Objekt der Außenwelt oder das Thema des Selbst klarer erfasst werden kann. Praktisch gesehen, betrachtet der Übende einen Begriff oder einen Gegenstand, nimmt ihn nach dem sinnlich möglichen Erfassen oder Vorstellbaren wahr und bildet sich schließlich über diesen gleichen Gegenstand einen Gedanken. Die Augen bleiben in der Regel bei einer Betrachtungsübung, die schließlich zur Meditation werden kann, in der ersten Phase offen. Ab einem bestimmten Moment jedoch, nachdem die äußere Betrachtung ausreichend und beziehungsvoll geschehen ist, kann der Übende die Augen schließen und richtet seine Aufmerksamkeit auf den Gedanken, den er mit dem Objekt der Betrachtung verbindet. Bei guter Konzentration kann jedoch der Übende die Augen beständig offen lassen, aber er lässt die Sinne nicht an beliebige Orte schweifen. Die Sinne weichen gegenüber dem „reiner werdenden Gedanken“ zurück. Es sollte des weiteren alles Intellektualisieren, jede Art von Emotion und ein willentliches Ergreifen eines vorschnellen Ergebnisses, das man mit der Übung erreichen möchte, ebenfalls zurückweichen. Ein Gedanke bleibt jedoch in der Betrachtung - und das ist das Geheimnis-, während alles gefühlsmäßige Wollen und wollensgemäße Emotionalisieren zu kontrollieren und aus dem Gemüt zurückzuweisen ist. Das Innen bildet nicht eine leere organische Körperlichkeit, sondern es wird das Innere doch konkret, denn es orientiert sich am Licht des Gedankens, der in der Kontemplation verbleibt. Im Gegensatz zum unruhigen Wollen, intellektualistischen Spekulieren und den so häufig aufsteigenden Emotionen, bildet der Gedanke einen geistigen Ruhepol.

Das Porträt von Sivananda offenbart eine Grundstimmung von pratyahara: Der Gedanke bleibt ruhig gegründet, während die emotionalen, willentlichen und intellektualistischen Ströme aus den Augen zurückweichen. Die Stirn erscheint daher klar und hell.

Pratyahara als Aufmerksamkeitslenkung

Die Disziplin Pratyahara muß nicht nur ein Schließen der Augen und Ohren beschreiben. Nachdem der Übende die Aufmerksamkeit zu lenken beginnt, muss er die willentlichen schnellfertigen Übergriffe auf den Gedanken oder auf das Ideal, das er kontemplativ in sich erstrebt, aus den Sinnen und sogar mit der Zeit aus den seelischen Strömen zurückziehen und kontrollieren. Diese willentlichen Übergriffe sind die vom Körper kommenden Eigentendenzen, die manchmal sehr unbedacht und unbewusst sind. Die Meditation führt ein gewähltes Thema in die Mitte. Mit pratyahara kontrolliert der Übende der Reihe nach alle unerwünschten äußeren Sinnesablenkungen, sodann die mehr organischen inneren Sinnesreaktionen, indem emotionale, willentliche und spekulative Ausschweifungen kontrolliert werden. Der Gedanke, der in der Kontemplation verbleibt, bewirkt eine Ruhe und mit etwas Übung erlebt der Schüler mehr die lichte Form des Gedankens und dies im Sinne eines denkenden Schweigens.

Der Gedanke ist nicht mit dem sogenannten „gewohnheitsmäßigen Denken“ zu verwechseln, denn der Gedanke ist in Wirklichkeit eine Seinsexistenz, ein Lichtbürger oder anders ausgedrückt, ein sat, während das gewöhnlich verlaufende Denken den Gedanken nicht wahrnimmt, sondern diesen sogar mit allerlei Tücke an den Körper bindet. Die Bewegung, die der Mensch im intellektualistisch orientierten Denken täglich ausübt, ist nahezu immer von einem willentlichen Begehren geleitet, welches das Objekt der Betrachtung verschleiert und gar nicht in die wirkliche innere Bedeutung kommen lässt. Durch die Disziplin pratyahara wird deshalb nicht der Gedanke als solcher eliminiert, sondern das sinnliche Wesen eines jeglichen Ausschweifens und schließlich sogar des inneren Zugriffes, damit für die weiteren Stufen der Konzentration dharana und der Meditation dyana die innere tiefere Bedeutung, die hinter der sinnlichen Erscheinung liegt, die als Mysterium verborgen in Pflanzen, Tieren und Menschen und in allen Themen, visaya, existiert, zum Tragen kommt.

Würde ein Übender nur die Augen schließen und versuchsweise in einer Art inneren Einheit aufgehen, würde er sich keinen Gegenstand und kein Thema wählen, so kann leicht die Gefahr einer Täuschung erfolgen und er könnte das Aufgehen in einer Alleinheit mit einem nicht erkannten leibinneren Begehren verwechseln. Indem sich jedoch der Übende ein Thema vornimmt, kann er an diesem Thema alle sinnesablenkenden Manöver analysieren, diese sogleich zurückweisen und schließlich den Bedeutungsinhalt für die nächsten Stufen der Meditation mehr in die Mitte rücken.

Sivananda betrachtete die Arbeit zur Selbstverwirklichung als eine große psychologische Studie, die eine stufenweise Form der Askese voraussetzt. Die Kontrolle der Sinnesbewegungen erfordert tatsächlich eine Art psychologische Analyse der verschiedensten willentlichen, emotionalen und mentalen Ströme.


Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Raja Yoga, positives Denken, Gedankenkraft

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Meditation

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Indische Schriften

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