Naag Panchami
Naag Panchami ist ein Hindufest, das der tausendköpfigen Schlange Ananta gewidmet ist. Viele Darstellungen zeigen Vishnu auf der Weltenschlange Ananta ruhend. Schlangen werden in ganz Indien verehrt. Naag Panchami, auch Nag Panchami und Naga Panchami genannt, ist das Festival der Schlangen (Naga), das in ganz Indien und auch in Nepal im Monat Shravana (Juli/ August) am 5. Tag (Pancha) nach Neumond gefeiert wird.
Naag Panchami - Legenden
In der hinduistischen Mythologie gibt es viele Geschichten und Legenden, die von Schlangen handeln. Eine Legende handelt von einem Bauern, der beim Pflügen seines Feldes aus Versehen einige Schlangenkinder tötete. Die Mutter der Schlangenkinder war außer sich vor Wut und rächte sich, indem sie des Nachts, als alle schliefen, den Bauern und seine Familie biss und damit tötete. Nur eine Tochter überlebte, da sie hingebungsvoll zu den Nagas betete. Durch ihr inniges Gebet wurden der Bauer und die weiteren Familienmitglieder wieder auferweckt. Von diesem Tag an wird Naag Panchami jedes Jahr in Indien gefeiert. Es wird angenommen, dass die Schlangen als Belohnung für ihre Verehrung niemandem aus der Familie etwas zu Leide tun werden.
Es gibt auch eine Legende, die vom Sieg Krishnas über Kaliya, einen Dämon in Schlangengestalt, handelt. Krishna rettete damit das Leben der Menschen vor der Bedrohung durch Kaliya. Auch an diese Legende erinnern sich die Menschen an Naag Panchami.
Eines Tages, als Krishna noch sehr jung war, spielte er am Ufer des Yamuna-Flusses. Dabei verfing sich sein Ball in den Ästen eines Baumes. Krishna kletterte auf den Baum und versuchte, den Ball zurückzubekommen, doch fiel er dabei in den Fluss. Dort griff ihn Kaliya an, der schreckliche Schlangendämon, der in diesem Fluss lebte, und Krishna kämpfte mit ihm. Kaliya bemerkte sofort, dass Krishna kein gewöhnliches Kind war. Er flehte ihn an, ihn nicht zu töten. Krishna ließ Kaliya am Leben unter der Bedingung, dass der Schlangendämon versprach, die Menschen von nun an nicht mehr zu bedrohen. Naag Panchami feiert somit den Sieg Krishnas über Kaliya, die gefährlichste aller Schlangen.
Feierlichkeiten an Naag Panchami
Die Naturkräfte zu verehren ist seit uralten Zeiten Teil des Hinduismus. Schlangen stellen in der Regenzeit eine große Bedrohung für die Menschen dar, da sie aus ihren Höhlen herauskommen, um dem eindringenden Regenwasser auszuweichen, und auch in den Häusern der Menschen Schutz suchen. An Naag Panchami werden die Schlangen verehrt, um sie zu besänftigen und wohlmeinend zu stimmen.
Während Naag Panchami baden die Menschen in Indien die aus Silber, Stein oder Holz gefertigten Schlangengottheiten in Milch, was die Familie vor Schlangenbissen und ähnlichem schützen soll. Das Pflügen eines Feldes oder das Graben in der Erde ist an Naag Panchami verboten. An Naag Panchami werden die Schlangen, ihre Statuen (Murtis) und Bilder im Rahmen religiöser Zeremonien (Pujas) verehrt. Die Menschen bringen den Bildern und Murtis der Nagas gekochten Reis, Durva, Süßigkeiten wie zum Beispiel Khir (Reispudding), Blumen, Öllämpchen und andere Opfergaben dar. Manchmal verehren sie auch ein Götterbildnis, das sie selbst vorher aus Lehm und Sand gefertigt haben. Außerdem gibt es Menschen, die lebendigen Schlangen wie etwa den Kobras Nahrung geben.
An Naag Panchami gestalten einige Familien den Eingang und die Außenwände ihres Hauses mit Bildern von Schlangen und den Texten glückbringender Mantras. Dies soll die Familie in besonderer Weise vor giftigen Schlangen schützen. Den Nagas zu Ehren werden auch Mantras rezitiert. Des Weiteren fasten die Menschen traditionell am Tag vor Naag Panchami. Dieser Tag ist als Nag Chaturthi bzw. Nagul Chavithi bekannt.
Sogar Tempel wurden zu Ehren der Schlangen errichtet, da diese in Indien ein solch hohes Ansehen haben. In den Straßen wird Musik gespielt, Bauern tanzen und tragen mit Schlangen gefüllte Tonkrüge auf ihren Köpfen in die Tempel. Bei der Zeremonie bestreut der Tempelpriester die Köpfe der Schlangen mit Haldi, Kumkum und Blütenblättern. Für das Ausführen der Zeremonie zum Wohl der Familie erhält der Priester Gaben wie Gold, Silber oder Geld (Dakshina).
Naag Panchami stellt die hingebungsvolle Verehrung des Schlangengottes dar, dem auch Opfergaben geschenkt werden. Man glaubt außerdem, dass Shiva Schlangen liebt und sie segnet. Indem man also die Schlangen verehrt, macht man auch Shiva eine Freude. Daneben gehen die Menschen an Naag Panchami auch gern zu den Shiva-Tempeln. Der hinduistische Monat Shravana, in den das Fest Naag Panchami fällt, gilt unter den Verehrern Shivas als besonders glückverheißend. Die Darstellungen Shivas zeigen ihn mit einer Schlange um den Hals.
In volkstümlichen Erzählungen werden Nagas auch als Gottheiten der Flüsse und Seen dargestellt. Es heißt, dass sie das Element Wasser verkörpern, da sie aus ihren Erdhöhlen sprudeln wie Quellwasser.
Besonderheiten an Naag Panchami in verschiedenen Regionen
In einigen Teilen Indiens wird Naag Panchami unter den Namen Vishari Puja und Bishari Puja gefeiert. Visha bzw. Bisha bedeutet „Gift“.
In den östlichen und nordöstlichen Bundesstaaten Indiens, wie etwa Westbengalen, Odisha und Assam, wird an Naag Panchami die Schlangengöttin Manasa verehrt. In der hinduistischen Mythologie ist Manasa eine Schlangengöttin, die auch Jaratkaru genannt wird, da sie die Frau des Rishis und Brahmanen Jaratkaru war. An Naag Panchami wird ein Zweig der Manasa Pflanze (Euphorbia lingularum), die die Schlangengöttin Manasa symbolisiert, in der Erde befestigt und verehrt.
In Südindien malen die Familien mit gefärbtem Sand oder Kreide auf den Boden vor dem Hauseingang Bildnisse von Schlangen und bringen ihnen dann Milch als Opfergabe dar. Am Tag vor Naag Panchami fasten die Menschen. Sie verehren auch Ameisenhaufen, da es heißt, dass in den Ameisenhaufen Schlangen wohnen. Frauen schmücken die Ameisenhaufen mit einer Sandelholzpaste (Chandana), Kumkum und Blumen. In einigen Regionen umrunden die Menschen die Ameisenhaufen (Pradakshina), während sie den Schlangengottheiten Lobpreis singen. Nach der Puja an Naag Panchami gibt es ein Festessen.
In Nepal erinnern sich die Menschen an Naag Panchami vor allem an den Kampf zwischen Garuda und einer riesigen Schlange. Im Changu Narayan Tempel in Kathmandu gibt es eine Statue von Garuda, die – so heißt es – von Garuda persönlich errichtet wurde. Es heißt auch, dass diese Statue an Naag Panchami schwitzt, da sie sich an ihren großen Kampf mit der Riesenschlange erinnert.
An diesem Tag hängen die Menschen in Nepal Bilder von Schlangen über ihre Hauseingänge, die böse Geister abwehren sollen. Sie verehren die Nagas, indem sie ihnen Reismilch, Lavagestein, Gerste, Sesam, Nüsse und andere religiös bedeutsame Gaben darbringen. Die Menschen stellen auch Reismilch in die Nähe von Schlangenhöhlen. Eine Gruppe von Männern, die Dämonenmasken tragen, tanzt in den Straßen als Teil eines Naag Panchami Rituals. Es heißt, dass, wenn die Menschen Naag Panchami jedes Jahr auf richtige Art und Weise zelebrieren, die Nagas den Menschen ein Leben lang Gesundheit, Wohlstand und Segen schenken.
Die Nagas in den Puranas
Es gibt acht Riesenschlangen, allen voran Ananta, auch Shesha und Sheshnag bzw. Shesh Nag und Sheshnaga genannt, die tausendköpfige kosmische Schlange, auf der inmitten des Ozeans Vishnu ruht. Nach der hinduistischen Mythologie und Weltentstehungslehre ruht die Erde auf einem Kopf Anantas, und wenn Ananta seinen Kopf schüttelt, verursacht dies Erdbeben. Die anderen sehr mächtigen Schlangen sind: Vashuki (bzw. Vasuki und Bashuki Nag), Padhmanavha (auch Padma Nag), Kambala, Shankhapala, Dhartarashtra (auch Astha Nag), Takshaka und Kaliya (auch Kali Nag). Ein Naag Panchami Mantra beinhaltet die Namen dieser acht Nagas.
Verschiedene klassische indische Schriften wie etwa das Agni Purana, Skanda Purana und Narada Purana erzählen Legenden, die die Verehrung von Schlangen preisen. In den Schriften heißt es auch, dass es ohne die Hilfe der Schlangen keinen Regen gibt. Auch aus diesem Grund werden die Nagas verehrt. Die Menschen beten zu den Nagas und bringen Milch und Honig als Nahrung für die Nagas auf ihre Felder. Naag Panchami ist laut Puranas einer der in höchstem Maße glückbringenden Tage des gesamten Jahres.
Ursprünge der Schlangenverehrung
Es wird angenommen, dass der Brauch, Schlangengottheiten zu verehren, von den Traditionen des Naga-Stammes, eines hochentwickelten Volksstammes des altertümlichen Indiens, übernommen wurde. Die Indus-Kultur, eine der frühesten städtischen Zivilisationen, die sich ab etwa 3000 vor Chr. im Indus-Tal entwickelte, hinterließ hinreichende Beweise für die Popularität der Schlangenverehrung unter den Nagas. Später begannen auch die Indogermanen, viele der Schlangengottheiten der Nagas zu verehren.
Einige dieser Gottheiten werden in den Puranas erwähnt. Im Bhagavata Purana wird erzählt, dass Vasuki und 11 weitere Schlangen die Leine des Sonnenwagens bilden. Jede der 12 Schlangen wird dabei als für einen bestimmten Monat heilig betrachtet. Das Markandeya Purana erzählt die bekannte Geschichte der Heirat von Madalasa, einer wunderschönen Prinzessin der Naga-Kultur, und König Kulvalasva.
Auch Manu, der historische Gesetzgeber der Hindus, erwähnt die Nagas und Sarpas. Plastiken und Malereien mit Schlangenmotiven finden sich an den Wänden vieler Hindu Tempel aus dem Mittelalter.
Im Apologet der Gold-gebenden Schlange, einer Fabel aus der bekannten indischen Fabelsammlung Panchatantra, finden sich glaubwürdige Beweise für die Wichtigkeit der Schlangenverehrung in den auf die Veden folgenden Epochen des altertümlichen Indiens. Historiker haben für das Panchatantra eine Entstehungszeit zwischen dem 1. und 6. Jahrhundert n. Chr. festgelegt.
Siehe auch
Literatur
- Swami Sivananda: Feste und Fastentage im Hinduismus, Yoga Vidya Verlag
- Götter und Göttinnen im Hinduismus
- Yoga Geschichten nacherzählt von Sukadev Bretz
- Yoga Vidya Kirtan Heft
Weblinks
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